Leider ist das, was hier der Insider Peter Narog berichtet, auch meine Erfahrung aus meiner Gewerkschaftsarbeit von 1979 bis 2004. In Nordschwaben, auf dem Land, wissen meine Patienten weder genau, was eine Gewerkschaft eigentlich ist, noch kennen sie irgendwas über Arbeitnehmerrechte, obwohl das in der Berufsschule durchgenommen worden ist. Zur 1.Mai-Veranstaltung des DGB in Nördlingen treffen sich überwiegend Rentner, die Stadtkapelle spielt Volksmusik statt Arbeiterlieder, und die Redner erschöpfen sich in hilflosen Appellen an das „gute Gewissen“ der Arbeitgeber.
Als ich im Jahre 1995 ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Mercedes-Benz AG begann, wurde ich mit ungefähr 20 neuen Kollegen – es waren tatsächlich nur Männer – direkt von der Vertragsunterzeichnung zum Betriebsrat geführt. Dort wurden wir über die Vorteile einer IG-Metall-Mitgliedschaft „aufgeklärt“. Tarifsicherheit und Rechtssicherheit wurden als die zentralen Leistungen der Gewerkschaft präsentiert. Als sich herausstellte, dass ich schon Mitglied war, klopfte mir der „Versicherungsvertreter“ wohlwollend auf die Schulter. Als Sozialist fand ich die Situation so bizarr, dass ich sie noch heute in Erinnerung habe.
von Peter Narog, Saarbrücken
In der ersten Ausgabe des Magazins „Lernen im Kampf“ haben wir einen Aufschlag zu einer Debatte um beteiligungsorientierte Gewerkschaftsarbeit gemacht. Peter Narog antwortet hier auf die Beiträge von Christoph Wälz und David Matrai.
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