Europas Zukunft: Zehn Varianten des Abstiegs

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

dagmar henn

Ein intelligenter Kommentar von Dagmar Henn:
https://freeassange.rtde.live/meinung/168623-europas-zukunft-zehn-varianten-abstiegs/
Auszüge:

Es wird getan, als ginge es um die Ukraine; in Wirklichkeit geht es um eine Welt ohne Kolonialismus. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa könnte damit gut leben. Aber es fehlt die politische Kraft, um an die Stelle verbissener Verteidigung der alten Ordnung die neue zu setzen.

Überlegungen, wie die ganze gegenwärtige Krise – nicht nur in Bezug auf die ukrainische Front, sondern auf die globale Veränderung – für Europa enden könnte, beginnt man vielleicht am besten mit dem wünschenswerten Ergebnis. Für die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Bevölkerungen wäre das eine Eingliederung in eine künftige Weltordnung souveräner Staaten mit gleichen Rechten.

In einer solchen Ordnung würden zwar die enormen Geldflüsse entfallen, die augenblicklich das Ergebnis der westlichen Macht sind, aber von diesen Geldflüssen profitiert nur eine verschwindende Minderheit. Für die allermeisten bieten die enormen, in wenigen Händen konzentrierten Geldbeträge nur Nachteile – um für all dieses Geld eine Verzinsung zu ermöglichen, steigen die Mieten und werden alle möglichen Lebensbereiche, wie das Gesundheitswesen, künstlich kommerzialisiert.

Nur als Beispiel dafür: In Deutschland besitzt gerade ein Prozent der Einwohner Wohnungen, in denen sie nicht selber leben. Darunter sind aber noch ein Menge Menschen, die etwa als Altersvorsorge genau eine Wohnung besitzen, die sie vermieten.
Nur dieses eine Prozent profitiert von den stetig steigenden Mieten. 99 Prozent haben davon einen Nachteil, denn selbst für die Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum wird der mögliche Vorteil eines steigenden Werts durch größere Probleme, dieses Eigentum überhaupt zu bilden, ausgeglichen.

Ein Verschwinden dieser Geldflüsse – was mit einem Bedeutungsverlust von Kolonialstrukturen wie IWF und Weltbank einhergeht – würde die Struktur des internationalen Handels verändern, der in vielen Bereichen heute von der Peripherie ins Zentrum fließt. An die Stelle des Abschöpfens müsste wieder ein Austausch von Gütern treten.
Dabei würde sich natürlich auch die Verteilung der Produktion ändern, weil eine Befreiung von kolonialen Lasten vielerorts eine nachholende Industrialisierung ermöglichen würde. Das heißt, die Rolle der jeweiligen Binnenmärkte würde in allen Ländern zunehmen.

Das klingt für deutsche Ohren, denen jahrzehntelang der Exportweltmeister als Ideal vorgesungen wurde, erst einmal irritierend, aber eine auf den Binnenmarkt konzentrierte Ökonomie ist für abhängig Beschäftigte ein Vorteil, weil die Löhne es ermöglichen müssen, die produzierten Waren auch zu erwerben.

Das wäre alles natürlich noch weit ausführlicher darzustellen; aber nehmen wir es einmal als gegeben an, dass eine Eingliederung auch der europäischen Länder in eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung möglich wäre.
Dennoch sind die politischen Machtverhältnisse augenblicklich derart von den Interessen maximal des obersten Promilles dominiert, das sich mit allen Kräften einer Veränderung der globalen Ordnung widersetzt. Um diese Zustände zu erhalten, wurden die demokratischen Mechanismen weitgehend außer Kraft gesetzt (die EU war dabei ein entscheidendes Mittel) und die öffentliche Meinung einer nie dagewesenen Kontrolle unterworfen. Wie also soll ein Weg von Zustand A in Zustand B möglich sein? Augenblicklich sind – trotz der massiven Proteste wie gerade in Frankreich – keine politischen Kräfte sichtbar, die im Stande wären, an den Machtverhältnissen im Innern des Westens etwas zu ändern.

Aber schließen wir die Möglichkeit nicht völlig aus; eine weitere Zuspitzung mag noch für Überraschungen sorgen.
Doch es gibt noch eine andere Variante, die aus einer westlichen Niederlage resultieren könnte, einen massiven wirtschaftlichen Zusammenbruch. Tatsächlich wäre dieser die zwangsläufige Konsequenz, wenn die erforderliche politische Anpassung an die geänderten globalen Verhältnisse nicht möglich ist.

Dabei sind folgende Punkte wichtig: Wirtschaftskrisen vom Kaliber 2008 oder 1929 sind chaotische Prozesse, und es hat zwar ab 2008 die Möglichkeit gegeben, die Folgen der Krise durch massive Geldschöpfung zu vertagen, aber weder war es möglich, ihre Entstehung zu verhindern, noch wurden die auslösenden Probleme auch nur ansatzweise gelöst.
Das heißt, wenn sich die verschiedenen Faktoren wie extreme Staatsverschuldung (insbesondere in den USA), massive Überbewertungen beispielsweise bei Immobilien und schwindender Einfluss des US-Dollars durch welchen Anstoß auch immer in eine große ökonomische Krise umsetzen, hat keine Regierung der Welt die Möglichkeit, das aufzuhalten.
Allerdings gibt es zwei Faktoren, die es möglich erscheinen lassen, dass diese Krise weitgehend auf den Westen beschränkt bleibt – je geringer der Einfluss des US-Dollars und je stärker die Abkopplung der ökonomischen Zonen, die der Westen mit seinen Sanktionen stetig weiter vorantreibt, desto besser die Chancen für den nichtwestlichen Teil der Welt, von dieser Krise nicht oder nur begrenzt betroffen zu werden.

Der ökonomische Zusammenbruch (denn darum würde es sich für den Westen handeln) ist gewissermaßen der Joker im Spiel, der zumindest partiell unabhängig von den militärischen und politischen Entwicklungen jederzeit auftauchen kann; einzig die Wahrscheinlichkeit des Eintritts steigt im Zeitverlauf beständig.
Dabei ist die wahrscheinlichste Variante eine Mischung aus der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. und der deutschen Inflation 1923, also 2008 auf Steroiden mit einer Hyperinflation als Dreingabe. Falls, oder eher, wenn diese ökonomische Krise zuschlägt, dann ist der globale Westen handlungsunfähig, außer in einem einzigen Punkt, der leider ein Problem bleiben wird, solange in den USA die Neocons das Sagen haben – er befindet sich immer noch im Besitz nuklearer Waffen.
Diesen Punkt zu diskutieren, ist allerdings unnütz, das Ergebnis steht fest.

Diese ökonomische Erschütterung wird zwangsläufig, über kurz oder lang, auch das politische Gefüge erschüttern; schlicht deshalb, weil innerhalb des Bestehenden kein Ausweg möglich ist. Das Vertagen der Krisenfolgen wie nach 2008 funktioniert nicht mehr; sollten zu diesem Zeitpunkt noch größere Reste der alten Position des US-Dollars übrig sein, dürften sie sich nach Einsetzen dieser Krise in unvorstellbarer Geschwindigkeit verflüchtigen, schon allein, weil jeder Staat außerhalb des westlichen Kerns bemüht sein wird, in diese Entwicklung nicht mit hineingezogen zu werden.

Wie tief der Absturz wird, und wie lange es zu einer Erholung brauchen wird, hängt nicht nur in diesem rein ökonomischen Szenario davon ab, ob sich ausreichend politische Kräfte finden, die eine Rekonstituierung demokratischer Prozesse tragen und eine ökonomische Anpassung im Interesse der Bevölkerung vorzunehmen im Stande und willens sind.
Die gegenwärtige politische Elite in den europäischen Ländern dürfte dafür vollständig untauglich sein. Wobei die ganzen gegenwärtigen Bemühungen, einen Dissens und die Bildung politischer Gegenkräfte mit allen Mitteln zu verhindern, letztlich absurd sind – weder die globale Veränderung noch die ökonomische Krise werden dadurch verhindert, was bedeutet, dass letztlich dadurch auch die Macht der gegenwärtigen Eliten nicht gesichert werden kann; aber die Entwicklung eines Europas, das der Welt nicht mehr als Kolonialherr gegenübertritt, und damit die Möglichkeit eines Auswegs aus der Krise werden sabotiert.

Legen wir den Joker beiseite und betrachten, welche Entwicklungen auf der politischen Ebene möglich sind – ohne zu vergessen, dass in den meisten Versionen der Joker früher oder später dennoch ins Spiel kommt.

Die erste Version wäre eine lineare Verlängerung der Gegenwart. Die gesamte EU bleibt den USA völlig hörig, die USA selbst setzen ihr „Solange es nötig ist“ auf stetig weiter schrumpfendem Gebiet fort und eröffnen zusätzlich eine zweite Front gegen China, in die sich die EU ebenfalls ziehen lässt. Wenn man die Aussagen beispielsweise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell liest, ist diese Version durchaus möglich.
Während die Kämpfe in der oder vielmehr um die Ukraine aufrechterhalten werden und langsam Richtung polnischer Grenze geschoben werden, könnte eine Auseinandersetzung zwischen den USA und China sehr schnell eskalieren, schlicht deshalb, weil in einem weitgehend maritimen Konflikt für China gar keine andere Möglichkeit bestünde, als die Flugzeugträgergruppen der USA anzugreifen. Freundliche Hilfe Russlands in der einen oder anderen Art, um auch mit den US-U-Booten umgehen zu können, kann man voraussetzen. Eine schnelle Eskalation hieße eine schnelle Niederlage der USA. Eine derart sichtbare, unverkennbare Niederlage, dass die ökonomische Krise vermutlich auf dem Fuß folgen würde.
Welche Folgen das in den gegenwärtig politisch tief gespaltenen USA hätte, ist schwer vorherzusagen, aber das wirksamste Mittel gegen ein Umschlagen in einen Bürgerkrieg könnte dann der Mangel an Munition sein.
Auf jeden Fall wäre das Resultat ein völliger Glaubwürdigkeitsverlust der einen Seite, und politische Instabilität. In vermindertem Maß gilt das auch für Europa, das zu diesem Zeitpunkt dank der mit Sicherheit eingeführten Sanktionen gegen China in einer Rezession steckt, selbst ohne Aktivierung der großen Krise. Das wäre dann ein langsamerer Abstieg, der aber, gerade weil langsamer, die Kontrolle durch die bestehende Macht verlängert und damit die Bildung politischer Gegenkräfte weiter verzögert.

Version zwei wäre ein mehr oder weniger schneller Rückzug der USA von der ukrainischen Front, um „die Hände frei“ für China zu haben, wie das jüngst der CDU-Verteidigungspolitiker in geradezu freudiger Erwartung formulierte, weil er eine „deutsche Führungsrolle“ in der Ukraine erhoffte. Das sind Untervarianten A und B –
A wäre eine Übernahme der Führung in der EU in Bezug auf die Ukraine durch Deutschland, was eine Verlangsamung zur Folge hätte (Russland hat es nicht eilig, und das deutsche Militär will sich auf keinen Fall in der Ukraine wiederfinden) und womöglich zu Versuchen von EU-Seite führt, das Ganze einschlafen zu lassen; eine realistischere Option, wenn die Grünen nicht länger Teil der Regierung wären. Es ist aber, dank der gründlichen Vorarbeit von Angela Merkel bei Minsk, nicht allzu wahrscheinlich, dass sich Russland auf deutsche Verhandlungspartner einlässt.
Schon der Versuch würde allerdings zu Problemen zumindest mit Polen und den Balten führen, die, gäbe es eine deutsche Regierung mit einem Ansatz von Rückgrat, durch Verweis auf die EU-Subventionen beherrschbar wären; allerdings auch nur, solange die EU als Rahmen existiert. Wenn allerdings die Mittel knapp werden, weil die EU in der Rezession versinkt, fehlt das Mittel, Polen zu kontrollieren, und ein abrupter Wechsel hin zu Untervariante B mit Billigung der USA ist nicht auszuschließen.
B: Das wäre die Eskalation durch den Einsatz polnischen Militärs, um den Krieg selbst dann fortzusetzen, wenn Kiew personell dazu nicht länger im Stande ist. Die bei weitem unberechenbarste Version, zum einen wegen der innigen Nähe der jetzigen polnischen Regierung zu den US-Neocons, zum anderen, weil die Reaktion der Bundesregierung auf polnische Reparationsforderungen, der nicht einmal ein Verweis auf Oberschlesien über die Lippen kam, fürchten lässt, dass sie in diesem Fall zwar zumindest eine Zeit lang das Mitmarschieren verweigern würde, aber nicht im Stande wäre, daraufhin auf Abstand zu gehen. In welchem Fall das Auftauchen des Jokers geradezu einer Erlösung aus einem langen Elend gleichkommen könnte. Außer, es fänden sich noch andere EU-Staaten, die das polnische Spiel nicht mitmachen wollten.

Vermutlich ebenfalls in Richtung der polnischen Variante dürfte es gehen, sollten in der Ukraine Armee und Staat plötzlich zusammenbrechen. Dann würde das Ganze wahrscheinlich mit einer humanitären Erzählung bekränzt, was dafür sorgt, dass Deutschland und Frankreich diesem Marsch in den Sumpf wenig entgegensetzen. Die EU-Spitze wäre ohnehin mit wehenden Fahnen mit dabei. Das Ergebnis wäre eine partielle Umkehrung der ersten polnischen Variante – erst die polnische Intervention, gefolgt vom Rückzug der USA, die sich dann darauf verlassen könnten, den Rest der EU in der Falle zu haben.
Das wäre der langsamste und schmerzhafteste Niedergang, enthielte aber bei einer entsprechenden russischen Reaktion und einem Durchmarsch bis weit in den Westen zumindest die Hoffnung, dass sich das Problem der gegenwärtigen politischen Eliten erledigt hat.

Das größte Risiko für das Bestehen der EU ist die Entwicklung in Frankreich. Dort dürften die Proteste zunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage in der EU verschlechtert; aber für einen Sturz Macrons und ein Entrinnen aus der Umklammerung durch die EU dürften friedliche Proteste nicht genügen, auch dann nicht, wenn sie mit Generalstreiks kombiniert werden. Das haben die Auseinandersetzungen in der Euro-Krise in Griechenland und Portugal bewiesen. Nicht einmal 12 Prozent der Bevölkerung auf der Straße genügten 2013 in Portugal, auch nur die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
Ein Ende der EU, das die Voraussetzung für eine Rückkehr zu demokratischen Zuständen wäre, würde erfordern, dass mindestens Frankreich oder Deutschland aussteigt; ein Austritt Ungarns würde nicht genügen. Dass der ökonomische Angriff der USA auf Europa Deutschland als erstes Ziel hatte, hat die Binnenverhältnisse sogar stabilisiert, weil die deutsche Dominanz in den letzten beiden Jahrzehnten die Hauptquelle für Unmut war.
Die jetzigen europäischen Politiker dürften eher an diesem Rahmen festhalten, um damit die Möglichkeit ihres Sturzes zu verringern, selbst wenn das ganze Staatenbündnis bis zum Hals im Wasser steht.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre die polnische Variante fast vorteilhaft, weil sie die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zwangsrahmen zerbricht, etwas erhöht.

Gesetzt den Fall, der Krieg in der Ukraine schleppt sich ohne Ausweitung auf China hin bis zu den US-Wahlen, gäbe es noch die Variante, dass ein neu gewählter US-Präsident Donald Trump in Kiew anruft und trocken mitteilt, jetzt gäbe es nichts mehr, was das Problem Ukraine per Zusammenbruch lösen würde.
Die EU-Führung würde vermutlich einige Wochen brauchen, um sich von der Schockstarre zu erholen, aber eine kleinere Version des polnischen Szenarios ist dennoch nicht ausgeschlossen. Allerdings sind die US-Wahlen erst Ende 2024.

Gänzlich unwahrscheinlich ist leider die Version, dass die Führung der EU sich eines Besseren besinnt und sich von den USA abkoppelt. Das würde im Prinzip die weichste Landung ermöglichen – ein Ende der Unterstützung der Ukraine, eine geordnete Auflösung der EU und eine, wenn auch mühsame, Neuorientierung hin auf die multipolare Welt. Der beste Zeitpunkt dafür wäre der Moment, wenn die USA ihren Fokus auf China verschieben. Aber ein Blick auf das Brüsseler Personal genügt, um diese Version ins Reich der Märchen zu verweisen.

Eine wirklich optimistische Variante, nach der in ein, zwei, drei europäischen Ländern die vorhandenen Regierungen entmachtet und die NATO aus dem Land gekegelt wird, um anschließend unter zumindest möglicher Umgehung einer tiefen ökonomischen, politischen und sozialen Krise die Anpassung an die neuen Verhältnisse zu beginnen, ist derzeit nicht sichtbar.

Das ist die wirkliche Tragik der Entwicklung. Denn die europäische Geschichte ist nicht nur eine des jahrhundertelangen Raubes rund um die Welt, der von oben orchestriert wurde; sie ist auch eine Geschichte eines jahrhundertelangen Kampfes von unten um politische Rechte und die politische Macht; ein Kampf, ohne den weder die Idee von Menschenrechten noch von Demokratie noch die des Völkerrechts je geboren worden wäre.
Aber die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte, mit seinen Siegen und Niederlagen, seinen Errungenschaften und Widersprüchen, wurde erfolgreich ausgelöscht.

Selbst die Franzosen scheinen vergessen zu haben, wie man die Bastille stürmt.

Mein Kommentar: Irgendwie habe ich hier nicht mitbekomen, wo die eine Version aufhört und die nächste anfängt. Nur den Schluss kann ich vollumfänglich teilen.
Über Eure Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Ende des Ukraine-Stellvertreterkrieges: Eine Niederlage, die die Welt verändern wird

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

alexander neu

alexander neu

Aktuelle Analyse von Dr.Alexander Neu. Beide hier geschilderten Ausgänge sind für die deutsche Bevölkerung im Endeffekt nachteilig. Um so wichtiger wäre es, wenn unsere Regierung sich um eine diplomatische ausgleichende Lösung bemühen würde, die eine einvernehmliche Beendigung des Konflikts statt einem Alles-Oder-Nichts anstrebt.
Und hier auszugsweise der Text aus den NachDenkSeiten:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=96345

Eine Niederlage, die die Welt verändern wird

Die Debatten zur bevorstehenden Frühjahrsoffensive der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die russische Armee zwecks Rückeroberung des verlorenen Territoriums laufen heiß. Überschattet wird diese Debatte um die Leaks eingestufter US-amerikanischer Dokumente. Da dieser Krieg ein mehrdimensionaler Krieg ist, mithin also auch ein Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland, sollen in diesem Artikel die geopolitischen Implikationen der jeweiligen Niederlagen beleuchtet werden. Von Dr. Alexander Neu.

Ungeachtet des Ausgangs der angekündigten Frühjahrsoffensive, ob nun der definitive Showdown oder eine von vielen Offensiven der einen oder der anderen Konfliktseiten, soll im Folgenden über die Konsequenzen einer Niederlage, die irgendwann eine der beiden Konfliktseiten erleiden wird, reflektiert werden. Dabei sollen nicht die Niederlagen bzw. die diversen Formen der militärischen Niederlagen der Ukraine oder Russlands auf dem ukrainischen Schlachtfeld thematisiert werden.
Diesen Aspekt habe ich bereits in einem Beitrag mit dem Titel „Was heißt Sieg oder Niederlage für Russland versus für Ukraine und den Westen? Eine Analyse“ in den NachDenkSeiten im Februar beleuchtet: Der Sieg der einen Konfliktseite ist die Niederlage der anderen Konfliktseite auf dem Schlachtfeld – absolut oder in diversen Abstufungen, wie ich es dort ausgeführt habe.

Da dieser Krieg ein mehrdimensionaler Krieg ist, mithin also auch ein Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland, vielleicht auch Chinas und anderer Staaten des Globalen Südens, sollen die geopolitischen Implikationen der jeweiligen Niederlagen beleuchtet werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, da die Wirklichkeit nie in klaren Kategorien wirkt.

Szenario 1: Russlands Niederlage

Verlöre Russland den Krieg gegen die Ukraine und somit gegen den Westen, so wäre eine ganze Kettenreaktion von Konsequenzen für Russland und darüber hinaus denkbar, ja sogar in dem einen oder anderen Fall wahrscheinlich.

Erstens würde sich zeigen, dass Russland nicht einmal eine „Regionalmacht“ ist, um es mit den Worten B. Obamas zu benennen. Denn Russland erwiese sich als unfähig, einen Staat unmittelbar an seiner eigenen Grenze militärisch zu besiegen. Einmal von den diversen Unterstützungsmaßnahmen der NATO abgesehen, die tatsächlich bislang das militärische Überleben der Ukraine absichern – zwar zu einem enorm hohen menschlichen und infrastrukturellen Preis -, würde dieses Bild eines russischen Riesen auf tönernen Füßen vorherrschen.
Mit diesem Image als nicht einmal vollwertige Regionalmacht könnten sich Staaten im post-sowjeti­schen Raum (Kaukasus und Zentralasien) ermuntert sehen, neue Partner – vornehmlich im Westen zu suchen. Selbst wenn diese Staaten keinen eigenen Antrieb auswiesen, sich neue Partner zu suchen, könnten sie genötigt werden, sich dem „Sieger“ des Ukraine-Krieges „anzunähern“. Weißrussland wäre der vermutlich erste Kandidat, der in der euro-atlantischen Sphäre aufginge.

Mehr noch, die bislang mehr oder minder latenten Separatismusphänomene (Stichwort: Tschetschenien) insbesondere in der Kaukasusregion könnten wieder Auftrieb gewinnen. Der starke Mann Tschetscheniens, R. Kadyrow, ist zwar – noch – ein treuer Gefolgsmann Putins.

Angesichts dieses besonderen Loyalitätsverhältnisses genießt Tschetschenien eine – im Vergleich zu den übrigen föderalen Subjekten – herausragende Autonomie innerhalb der russischen Föderation. Jedoch könnten bei einer russischen Niederlage die innerrussischen Karten neu gemischt werden.
Dass ein solches Szenario nicht abwegig ist, zeigt die Flexibilität des Vaters und Amtsvorgängers von R. Kadyrow, A. Kadryow. Dieser rief 1994 im allgemeinen Schwächezustand der russischen Staatlichkeit unter B. Jelzin den Dschihad, also den Heiligen Krieg, gegen Russland aus. Später, 1999, wechselte er die Fronten und wurde 2003 zum Präsidenten des russischen Föderationssubjektes Tschetschenien. 2004 starb A. Kadyrow bei einem Anschlag.
Insbesondere das enge Loyalitätsverhältnis zwischen R. Kadyrow und W. Putin sichert den Bestand Tschetscheniens in der russischen Föderation. Was aber, wenn Russland den Krieg und somit auch die Autorität im eigenen Haus verliert? Zumal auch das politische Überleben des gegenwärtigen russischen Präsidenten, W. Putin, dann mehr als fragwürdig erscheint. Selbst wenn R. Kadyrow loyal zur russischen Staatlichkeit stünde, heißt das nicht, dass Kadyrow seine Macht dauerhaft sichern könnte, wenn sein bisheriger Schutzgarant W. Putin wegfiele.
Mit einem erneuten Aufbrechen eines Bürgerkrieges in Tschetschenien könnte ein separatistischer Dominoeffekt entstehen
– zunächst in den föderalen Subjekten des Kaukasus und ggf. darüber hinaus bis hin zur Dismembration der russischen Föderation.

Und tatsächlich wird in westlichen Redaktionsstuben und vielleicht auch Thinktanks und politischen Organisationen über die Zerschlagung der russischen Föderation spekuliert. Die Aussage des US-amerikanischen Verteidigungsministers Austin, „wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es zu etwas wie diesem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage ist“, offeriert sehr viel Interpretationsspielraum.
Diese Aussage muss nicht als der Wille zur Zerschlagung Russlands interpretiert werden, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden – oder zumindest als nette Nebenwirkung nicht unwillkommen sein. Andere westliche Akteure reden da bereits Klartext unter dem Begriff „de-colonizing Russia“. So veröffentlichte das US-amerikanische Magazin „The Atlantic“ am 27. Mai 2022 einen Beitrag mit dem Titel „Decolonize Russia“.

Darin wird von „kolonialen Besitztümern“ des Kremls gesprochen und namentlich Tschetschenien, Tartastan, aber sogar Sibirien und die Arktis erwähnt. Der Autor C. Michel fordert, der Westen müsse das 1991 begonnene Projekt (gemeint ist die Auflösung der Sowjetunion) zu Ende führen.
Weiter: Der Kreml müsse sein Imperium verlieren, um das Risiko weiterer Kriege zu vermeiden, womit gedanklich an Austins Forderung der Schwächung Russlands zwecks Verhinderung seiner Kriegsfähigkeit angeknüpft wird.
csce-logoInwiefern diese Forderungen im politischen Washington diskutiert werden, zeigt sich an einem online-briefing unter dem Titel:
„DECOLONIZING RUSSIA – A Moral and Strategic Imperative“veranstaltet am 23. Juni 2022 durch die sogenannte „Commission on Security and Cooperation in Europe“ – auch bekannt als US-Helsinki-Kommission. Einer der Panelisten war der oben bereits erwähnte C. Michel.

Diese Institution ist nicht irgendein Thinktank oder eine regierungsseitig finanzierte NGO. Es handelt sich hierbei um eine staatliche bzw. eine Regierungskommission (csce.gov), deren Mitglieder nahezu vollständig aus den beiden US-Kongresskammern, dem Senat und dem Abgeordnetenhaus, entsandt werden. Sie werden vom US-Präsidenten, dem US-Außen­ministerium, dem Pentagon (US-Verteidigungsministerium), dem Handelsministerium und den Präsidenten des US-Senats sowie dem Sprecher des Repräsentantenhauses bestimmt.
Die US-Helsinki-Kommission beschreibt ihren Charakter als eine „unabhängige US-Regierungs­kommission, welche amerikanische nationale Sicherheit und nationale Interessen voranbringt durch die Förderung von Menschenrechten, militärischer Sicherheit und wirtschaftlicher Zusammenarbeit in 57 Staaten“. Die US-Kommission versteht sich somit als selbstmandatierter Hüter der OSZE und deren Ziele – ist mithin kein OSZE-Organ.

Und diese Kommission debattiert ernsthaft über die Zerlegung Russlands. Dass diese Diskussion über eine Zerschlagung der russischen Staatlichkeit Moskau nicht verborgen bleibt, versteht sich von selbst.
So verkündete Russland jüngst eine aktualisierte außenpolitische Strategie, in der der Westen als „existenzielle Bedrohung” für Russland qualifiziert wird sowie die Absicht, die „Dominanz der Vereinigten Staaten und anderer unfreundlicher Länder in der Weltpolitik“ zu beseitigen.

Die Niederlage Russlands würde einen Prozess beschleunigen und intensivieren, der für Russland ein zentrales Motiv für den Krieg gegen die Ukraine darstellt. Erstens die fortgesetzte NATO-Erweiterung – auch weiter in den post-sowjetischen Raum hinein.
Und zweitens würde die Ukraine zu einem hochgerüsteten anti-russischen Bollwerk mit dem Image, Russland besiegt zu haben, ausgebaut. Westliche, vor allem US-amerikanische und polnische Truppen würden direkt an der Grenze Russlands stationiert werden.
Ein für Russland dauerhaftes Trauma. Bereits jetzt hat sich die NATO mit der Aufnahme Finnlands um weitere 1.300 Kilometer an der russischen Grenze erweitert.

Szenario 2: Niederlage der Ukraine

Die Niederlage der Ukraine wäre auch angesichts des Stellvertreterkrieges eine Niederlage des Westens. Es hätte massive Auswirkungen auf das Image der USA als Supermacht, der NATO als größte und mächtigste Militärallianz der Menschheitsgeschichte, der EU als europäisches Integrationsprojekt und der Ambition, unter Führung der USA ein Juniorglobalplayer zu sein.
Es hätte Auswirkungen im Verhältnis der europäischen, insbesondere der osteuropäischen Staaten zu Russland. Auch wenn die NATO- und EU-Mitgliedsstaaten angesichts des Krieges näher zusammengerückt sind, muss es kein Dauerzustand werden. Diese beiden internationalen Regierungsorganisationen bestehen aus Nationalstaaten mit eigentlich auch jeweiligen nationalen Interessen.
So schert beispielsweise Ungarn immer wieder aus dem Chor aus und unterhält bilaterale Sonderbeziehungen mit Russland, wie jüngst mit der Sicherung zusätzlicher Energieströme, was von den westlichen Partnern nicht mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wird. Doch im Einzelnen:

USA

Der relative Machtverlust der USA im globalen System würde beschleunigt. Nicht zuletzt dürfte der fluchtartige Rückzug der USA aus Afghanistan 2021 dazu beigetragen haben, dass die USA als kein zuverlässiger Schutzfaktor mehr wahrgenommen werden.
Der Einfluss der USA selbst auf historische Verbündete wie Saudi-Arabien nimmt bereits jetzt ab. Saudi-Ara­bien scheint sich auf Verhandlungsinitiative Chinas mit dem Iran auszusöhnen, und plötzlich ist der Frieden für den Jemen möglich. Syrien und das NATO-Mitglied Türkei nähern sich unter russischer Vermittlung wieder an. In beiden Fällen spielen die USA nicht nur keine Rolle, sondern die Vermittlungen unterlaufen sogar die geopolitischen Interessen Washingtons.
Die OPEC+ hat kürzlich beschlossen, die Fördermengen, wie von den USA gefordert, nicht zu erhöhen, sondern, wie von Russland gewollt, abzusenken.
Die De-Dollarisierung, also der Abbau der Nutzung des US-Dollars für den internationalen Handel, nimmt immer schnellere Formen an. Immer mehr Staaten finanzieren ihren bilateralen Handel mit ihren Nationalwährungen. Das Zahlungssystem SWIFT erhält perspektivisch Konkurrenz, sodass die nicht-westliche Welt künftig sich dem Sanktionsdruck der USA auch in diesem Bereich immer mehr zu entziehen vermag, womit das inflationär verwendete Schwert der US-Sanktions­politik zur Disziplinierung unbotmäßiger Staaten an Effektivität verlieren wird.

Mit diesen Maßnahmen schwinden die Einflussmöglichkeiten und gleichsam die Einnahmen der USA, womit sich mittelfristig die Frage stellen wird, ob die USA ihre Militärausgaben (858 Mrd. US-Dollar im laufenden Haushaltsjahr 2023) weiterhin stemmen werden können, ob sie die nahezu 1.000 US-Militärstandorte auf den diversen Kontinenten, mit denen die USA ihre militärische Macht projizieren, weiter unterhalten können, etc.

NATO

Dieser US-amerikanische Machtverlust wirkte sich unmittelbar auf die Kohärenz der NATO aus. Es setzten sich vermutlich zentrifugale Kräfte frei, da das Image der NATO, die diesen Krieg selbst zum Schicksal ihres Seins erklärt hat, als wirkmächtigste Militärallianz in der Menschheitsgeschichte effektiv beschädigt wäre und sodann eine nie dagewesene Legitimationskrise erzeugte.
Wenn 31 Mitgliedsstaaten mit einem Militärbudget von über 1,175 Billionen US-Dollar (Stand 2021), davon alleine die USA 801 Mrd. US-Dollar (Stand 2021), und einem Gesamt-BIP von nahezu 40 Billionen US-Dollar (Stand 2021) im Vergleich zu Russland mit einem Militärbudget von 66 Mrd. US-Dollar (Stand 2021) und einem BIP mit vergleichbar mageren 1,8 Billionen US-Dollar (Stand 2021) eine Niederlage einfahren, dann hinterlässt dies einen katastrophalen Eindruck auf den Rest der Welt.

Europäische Union

Die EU, die sich derweil zunehmend an den USA ausrichtet und sich den US-Vorgaben bereitwillig fügt, müsste sich angesichts einer westlichen Niederlage im Sinne des Aspekts einer echten europäischen Souveränität wohl neu erfinden, will sie nicht in die absolute Bedeutungslosigkeit stürzen.
Vielleicht würden im Falle einer Niederlage die Vorstellungen des französischen Präsidenten E. Macron von einem selbstständigeren Europa dann doch auch konstruktive Debatten in den übrigen europäischen Hauptstädten und in Brüssel entfalten, statt sie durch gesinnungsethische Reflexe als quasi Hochverrat zu brandmarken.
Sollte der künftige US-Präsident wieder D. Trump heißen oder jemand von seinem Typus, müsste diese Debatte in Europa ohnehin nolens volens alsbald geführt werden
. Für ein souveränes und selbstständiges Europa zu sein, heißt nicht gegen die USA zu sein, es sei denn, man betrachtet alles jenseits der Unterwerfung unter die USA als anti-amerikanisch. Dass es solch unterkomplexes Denken gibt, zeigen die gegenwärtigen Reaktionen auf Macrons Äußerungen.

Russland würde als Sieger hingegen vermutlich bestrebt sein, entweder die EU zu zerlegen und zu den europäischen Staaten jeweils bilaterale Beziehungen gemäß den russischen Interessen aufzubauen. Oder aber sich die EU gefügig zu machen, um einen „unfreundlichen“ Akteur dauerhaft auszuschalten.
Eine EU ist weder unter US-amerikanischer noch unter russischer Führung für uns Europäer wünschenswert – unsere Interessen sind bei seriöser Betrachtung weder mit denen Russlands noch mit denen der USA deckungsgleich.

Fazit

Der Epochenwandel von der unipolaren westlichen hin zu einer multipolaren Weltordnung wird durch eine kriegerische Unordnung begleitet.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit einhergehende Stellvertreterkrieg sind eindeutige – zwar nicht zwangsläufige, jedoch erwartbare – Symptome des Epochenwandels. Zugleich manifestiert und beschleunigt der Krieg den Epochenwandel. Selbst wenn Russland den Krieg mit all den oben genannten möglichen Konsequenzen verlieren sollte, scheint mir der Entwicklungsprozess hin zu einer neuen multipolaren Weltordnung, in der China und der Globale Süden als Kraftzentren die internationale Ordnung mitgestalten werden, unaufhaltsam.
Eine Niederlage Russlands würde sicherlich den Transformationsprozess verlangsamen und vor allem China in eine schwierige Situation bringen, da der große Partner im Norden, also Russland, wegfiele
. Ein zerlegtes oder gar ein pro-westliches Russland stellte für China das Worst-case-Szenario in den geo-, sicherheits- und energiepolitischen Entwicklungen dar.

Der Westen würde im Falle einer Niederlage in atemberaubendem Tempo an globaler Macht einbüßen. Internationale Regierungsorganisationen, die aufgrund westlicher Blockade sich den neuen Machtverhältnissen nicht anpassten, würden durch neue internationale Foren und Institutionen unter Führung der BRICS-Staaten marginalisiert.

Schon jetzt sind die G20 relevanter als die G7. Schon jetzt wenden sich immer mehr Staaten aus allen Kontinenten dem BRICS-Format zu.

Beide Maximalziele, die mögliche Zerschlagung der russischen Staatlichkeit auf der einen sowie die „Beseitigung“ der westlichen Dominanz auf der anderen Seite, zeigen zwei Dinge: Erstens, es handelt sich, wie kritische Beobachter von Anfang an feststellten, eben nicht nur um einen ukrainisch-russischen Regionalkrieg, sondern auch und vor allem um einen geopolitischen Weltordnungskrieg zwischen dem Westen und Russland und ggf. weiteren Staaten der nicht-westlichen Welt.
Und zweitens, die Entschlossenheit beider Seiten wirkt wie zwei aufeinanderzu rasende Züge, bei denen jeweils die Bremsen zuvor mit Absicht ausgebaut wurden, um der Gegenseite die eigene Entschlossenheit zu demonstrieren – keine gute Perspektive für den Weltfrieden.

Bei Russland geht es in diesem Konflikt als Minimalziel um die Sicherung des Status als Großmacht sowie den Anspruch, dass seine Sicherheitsinteressen und somit seine staatliche Existenz berücksichtigt werden – maximal um die Beseitigung der westlichen Globaldominanz und, wenn möglich, um die Kontrolle über den post-sowjetischen Bereich und über Europa.

Für den Westen geht es um das Anhalten und bestenfalls Zurückdrehen der Uhr in Richtung der von den USA geführten unipolaren Weltordnung.
Mindestens aber um das staatliche Überleben der Ukraine und ihrer wie auch immer gearteten Anbindung an EU und NATO.

Die Realität einer Niederlage für die eine oder andere Seite wird jeweils irgendwo im breiten Spektrum liegen.

 Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Meinungsfreiheit verteidigen!

Auch ich würde diesen Appell gerne unterzeichnen, habe aber noch nicht gefunden, wo. Hier ist er als PDF: Appell+ Meinungsfreiheit+verteidigen

CO-OP NEWS

Deutschland befindet sich in einer tiefen Krise. Sanktionen und Wirtschaftskrieg, Aufrüstung und Kriegsbeteiligung, Corona- und Klimapolitik haben zu Inflation, Preissteigerung, Energiekrise und in deren Folge zu einem massiven sozialen Abstieg für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung geführt. Die politisch Verantwortlichen sind unfähig und unwillig, ihrer verfassungsmäßigen Pflicht, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden sowie dem Friedensgebot des Grundgesetzes gerecht zu werden.

Die Außenministerin verkündet eine deutsch-amerikanische „Führungspartnerschaft“ und der Wirtschaftsminister verspricht dem US-Präsidenten eine „dienende Führungsrolle“ im Kampf gegen Russland. Mit dem Ziel, Russland zu ruinieren, ruinieren sie das eigene Land. Als NATO-Mitglied und mit Führungsanspruch in der EU tragen Bundesregierung und Bundestag mit ihren Entscheidungen zur Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine bei und schüren mit Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet und mit Feindseligkeiten insbesondere gegen Russland die Konfrontation zwischen den Staaten. Diplomatische Wege zur Beendigung des Krieges und zur Lösung des Konflikts werden abgelehnt.

Diese Politik des wirtschaftlichen und…

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Heiner Holl zum Krieg in der Ukraine

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

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Ein langer, lesenswerter, gut verständlicher Text eines viel wissenden Pädagogen

Wie man den Krieg in der Ukraine auch sehen kann und sollte

H_HollHeiner Holl, 25. 2. 2023

Man kann doch nicht – also einfach mir nichts, dir nichts – ein Nachbarland überfallen, was ich selbstverständlich auch genauso sagen würde, wenn es denn so wäre. Diese auch von mir verurteilte Vorgehensweise der russischen Führung, die natürlich nicht nur aus Putin besteht, habe auch ich nicht kommen sehen und war und bin wie die meisten schlicht fassungslos über das Vorgehen Russlands.
Dies kann aber doch nicht als alleinstehend angesehen werden, wie dies durch die Erfindung einer „Zeitenwende“ durch Scholz und seiner Entourage suggeriert werden sollte; leider bei den meisten Menschen auch erfolgreich. Es gibt schlicht keinen einzigen ernst zu nehmenden Hinweis auf Eroberungsgelüste der Mächtigen in Russland, (der jetzige Krieg in der Ukraine hat zu „Einverleibungen“ geführt, ok, das ist sicher auch ein Fehler der Russen). Falls dir welche bekannt sein sollten, bin ich für jede Info sehr dankbar. *) Dazu thematisiert immer wieder z.B. John J. Maersheimer, einer der profiliertesten, angesehensten, unabhängigen, keineswegs linken US-amerikanischen Ökonomen sehr fundiert nachvollziehbar und überzeugend.
Leute wie Roderich Kiesewetter (MdB, CDU) kann sowas aber nicht anfechten. Er und andere Multiplikatoren werden nicht müde, hartnäckig falsch in dieses Horn des angeblich imperialistischen Putin zu blasen. Frau Stramm-Stillgestanden, sorry Strack-Zimmermann, hat mir auf meine Frage, wo denn ein Beleg für ihre wiederholt geäußerten Behauptungen über die Angriffslust der Russen zu finden sei, geantwortet, sie habe sich auf einen Artikel von Putin vom 12.7.21 bezogen. Er habe sich angeblich in dieser Weise ausgelassen.
Auch nach nochmaligem, zweimaligen Lesen dieses ellenlangen durchaus hochinteressanten Artikels konnte ich beim besten Willen nichts finden, das man auch nur annäherungsweise in diese Richtung interpretieren könnte. Ihre Antwort war dann, sie habe nicht wörtlich zitiert, sie habe „paraphrasiert“, auf deutsch also verfälscht, schlicht gelogen.

Jeffrey Sachs, ein weiterer amerikanischer, bedeutender, angesehener, ernst zu nehmender, höchstrangiger Ökonom, Autor, Politik-Analyst, Russland-Kenner und inzwischen auch vehementer Kritiker der US-Präsidenten und Regierungen der vergangenen Jahrzehnte war es, der schon kurz nach dem terroristischen Anschlag auf die Gas-Pipelines mit eindeutigen Vorwürfen gegen die ach so bessere Biden-Regierung hervorgetreten ist.
Seymour Hersh, der wohl bedeutendste investigative, vielfach ausgezeichnete Journalist, hat inzwischen seine Recherche-Ergebnisse vorgelegt: Es waren die Amis, von langer Hand vorbereitet, nach dem (durch die deutschen Grünen herbeigeführten) Stopp der Gaslieferungen durchgeführt und von der deutschen Regierung demütig schwurbelnd hingenommen – was, beabsichtigt, zu unseren heutigen Energie-Hochpreisen geführt hat. Von solchen Leuten hört man in unserer so wunderbar „freien“ Presse so gut wie überhaupt nichts. Warum wohl? Wie sich unsere Regierung in dieser Sache verhält, ist nicht hinnehmbar. Mit der gebetsmühlenhaft vorgetragenen Lüge von den Gas- und Öl-Liefer-Stopps durch Putin hat sie den Unverschämt
heiten der Kriegsgewinnler Tür und Tor geöffnet. Die Zeche zahlen die „Kleinen“, abgesahnt wird in präzedenzloser Weise durch die Superreichen und tatsächlich Mächtigen – wie dies auch durch Oxfam angeprangert wurde. Folgen: natürlich keine.

Apropos: Putin hat sich immer wieder mal ziemlich – auch ausgiebig – mit der Darstellung der Geschichte Russlands beschäftigt, z.B. in dem bereits erwähnten, von vielen genannten, aber wahrscheinlich von den meisten gar nicht gelesenen Artikel vom 12.7.21, oder in seiner Rede vom 21.2.22 im weltweiten Fernsehen. Große Teile widmet er dabei der Überfall-Geschichte Russlands, als Opfer natürlich.

Dass die Wikinger nicht nur die britische Küste, sondern auch das Gebiet des späteren Russlands heimsuchten, also auch schon Täter waren, sei dahingestellt. Die Waräger (Rurik) haben vor über 1000 Jahren jedenfalls die Kiewer Rus gegründet, der Name Russland kommt daher. Das Gebiet der heutigen Ukraine ist somit das historische Ursprungsland Russlands (ähnlich der Kosovo als Herzland Serbiens).

988 wurde die griechisch-orthodoxe christliche Konfession eingeführt; das Zentrum Russlands als Großfürstentum und schließlich Zarenreich verlagerte sich später nach Moskau.
Im Hochmittelalter wurde Russland mehrere Male auf grausamste Weise von den blutrünstigen Reiterhorden der Mongolen überfallen und jahrhundertelang teilweise besetzt gehalten (die Zeit der „Goldenen Horde“ unter anderem).
Nach den Kreuzzügen in Palästina machten sich die „Deutsch-Herren“ (= Kreuzritter) auf, haben das Baltikum erobert, der Nationalheld Alexander Newski konnte sie besiegen. Die Polen errichteten zusammen mit den Litauern ein Riesenreich, das von der Ostsee bis fast zum Schwarzen Meer reichte, inklusive auch zeitweise Moskau. An der russisch besiedelten Schwarzmeerküste hatten sich inzwischen die Osmanen breitgemacht, was dann unter Jekaterina Velikaya, also Katarina der Großen zusammen mit der Krim erobert wurde.
Iwan IV, der angeblich „Schreckliche“, konnte endlich im 16. Jahrhundert die Tataren besiegen und hinauswerfen. Dann kam mehr als ein Krieg von Schweden gegen Russland.
Spätestens 1812 kam der Überfall Napoleons, der Krimkrieg 1853-56 ist dann schon auch von Russland als aggressiv gegen das osmanische Reich zu benennen, England und Frankreich mischten sich auf der Seite der geschwächten Osmanen ein. Es ging keineswegs nur um die Krim; eher fast schon ein kleiner Weltkrieg um Land, Ressourcen und Handelsrouten.
1914, nachdem das Deutsche Reich ihm den Krieg erklärt hatte, ging Russland zum Angriff über, musste aber 1918 die Besetzung und Ausplünderung der Ukraine durch das kaiserliche Deutschland nach dem Diktatfrieden von Brest-Litowsk hinnehmen, inklusive Hungersnot.
Nach der Oktober-Revolution 1917 kam der Bürgerkrieg und die Überfälle von allen Seiten: Amerika, England, Japan, Finnen, auch deutsche Freikorps durften nicht fehlen, die Bedrohung des revolutionären Russland war absolut existentiell. Die neu entstehende Sowjet-Union konnte alle wieder rauswerfen; Stalin als Nachfolger Lenins setzte jetzt alles daran, seinen Staat mit den bekannten brutalsten Methoden verteidigungsbereit zu machen, besonders gegen Nazi-Deutschland, dessen „Führer“ Hitler schon in seinem „Kampf“ die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und die Vernichtung der „jüdisch-bolschewistischen Herrschaft“ propagiert hatte.
Die sowjetfeindlichen Kulaken usw. der Ukraine mussten in den 30er Jahren den Holodomor, die große Hungersnot erleiden, aber in ähnlichem Ausmaß litten auch große Gebiete Russlands, es ging eben nicht nur gegen die Ukrainer, wie immer wieder behauptet.
Die bolschewistische Innenpolitik war furchtbar, aber nicht alleine nur gegen die feindlich gesinnten Ukrainer gerichtet. Im Winterkrieg 39/40 griff dann die Sowjetunion den Nachbarn Finnland an, weil die nämlich inzwischen zu Waffenbrüdern der deutschen Nazis zu werden drohten. Die Nazis hatten im Nichtangriffspakt Deutschland-Sowjetunion 1939 den Sowjets Finnland und Ostpolen als Interessensphäre überlassen. Beide Gebiete waren zu Zarenzeiten Teile des russischen Reiches gewesen, Ostpolen sogar mehrheitlich (weiß-)russisch besiedelt. Ohne diesen Angriffskrieg der Sowjets wäre Leningrad im GVK (= Großer Vaterländischer Krieg) kaum zu halten gewesen. Die Zahl der Toten nur in dieser einen sowjetischen Stadt, niedergemacht, meist dem Hungertod überlassen durch die immer noch bei vielen Deutschen als „sauber“ empfundenen Wehrmacht (dass die SS noch schlimmer war, macht es nicht besser) überstieg deutlich eine Million Menschen.
Putins Familie gehört zu den Belagerten, sein älterer Bruder kam um. Selbst wenn sich die Stadt ergeben hätte, wären die Bewohner dem Hunger zum Opfer gefallen. Die Deutschen kannten keinerlei Gnade oder Mitleid. Die Nazis hätten die Kapitulation nicht angenommen; das gleiche Schicksal war für Moskau geplant.

Der Generalplan Ost nannte 30 Millionen dem Hungertod zu überlassende slawische Untermenschen alleine in der Sowjetunion (die Zahl wurde ja fast erreicht). Am 27.1.23 (Gedenktag für die Opfer des Nazi-Regimes) wurden von B. Bas im Bundestag eine große Zahl von Menschengruppen als Opfer des NS-Regimes aufgezählt, alles fürchterliche Tatsachen. Nur: die mit weitem Abstand größte Gruppe der Opfer, nämlich die Russen, kamen nur als „slawische Völker“ vor! Wie tief können intelligente Menschen noch sinken?!? Fast vier Millionen Sowjet-Soldaten haben die Deutschen gezielt allein in deutschen Gefangenenlagern an Seuchen verrecken, meist aber verhungern lassen.

Diese Aufzählung der Überfälle auf Russland im Laufe der Jahrhunderte erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit, ist nur das, was mir ganz spontan zu diesem Thema aus dem Gedächtnis einfällt. Existentielle Bedrohung ist für Russen historisch in die Seele gebrannt.
Sie sehen sich seit dem Bruch der Versprechen, die NATO nicht auszudehnen, wieder in einer akuten existentiellen Bedrohungssituation. Vor allem, weil von Seiten der USA inzwischen praktisch alle Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsverträge gekündigt worden sind, in der Zwischenzeit in Polen und Rumänien Raketenstellungen eingerichtet wurden, die praktisch ohne Vorwarnzeit sowohl Moskau als auch St. Petersburg treffen können. Mit der Ukraine als NATO-Mitglied ist diese Bedrohungssituation deutlich gesteigert, wie dies Rußland immer wieder in aller Dringlichkeit und Deutlichkeit erklärt hat.

Als die Sowjetunion 1962 Atomraketen auf Cuba stationieren wollte – als Antwort auf die Stationierung der US-Jupiter-Raketen in der Türkei, drohte Kennedy sofort mit Atomkrieg. Nur weil Chruschtschow nachgab und die Raketen wieder zurückholte, konnte dieses Weltende vermieden, sprich auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Nachdem also zum wiederholten Mal Russland alleine von den Deutschen überfallen und spätestens 1945 im gesamten von der Wehrmacht im Krieg besetzten Gebiet total zerstört worden war, hat die Sowjetführung unter Stalin schon sieben Jahre nach dem ungeheuerlichen Vernichtungskrieg mit geschätzten 27 Millionen getöteten Sowjetmenschen das Angebot unterbreitet, die Deutschen mögen sich doch bitte schön baldigst wiedervereinigen. Die allereinzigste (!) Bedingung war: (Achtung, aufgemerkt!) kein Beitritt zur NATO! Also Bündnis-Neutralität wie Schweiz, Schweden, Österreich, Jugoslawien usw.
Nein_zur_Nato_DDR1957So stark wurde schon damals die NATO für die damalige Sowjetunion als existentielle Bedrohung empfunden, war sie doch nach dem bekannten Motto der selbsternannten westlichen Hegemonie-Macht USA ausdrücklich gegen die kommunistische Sowjetunion gegründet worden: „Keep the US in, the Sowiets out and the Germans down“, also feindlich gesinnt gegen alles, was zur Konkurrenz werden könnte, alles Linke oder gar Kommunistische sowieso.
Wie leider nicht anders zu erwarten, hat die westdeutsche Regierung dieses Angebot nicht richtig zur Kenntnis nehmen wollen. Die Wiedervereinigung wäre gegen den alleinigen Preis der Neutralität möglich gewesen. Stattdessen ist man 1955 in die NATO eingetreten, im Gegensatz zum ebenfalls in vier Besatzungszonen geteilten Kriegsverliererland Österreich, das sich 1955 problemlos und praktisch ohne nennenswerte Kosten wiedervereinigen konnte. Deutschland hatte hingegen durch die verspätete Wiedervereinigung 1990 astronomische Summen, nämlich mehrere Billionen dafür aufzubringen.

Dass die „Revolution“ der Ostdeutschen friedlich verlief, ist einzig und allein der Tatsache zuzuschreiben, dass Gorbatschow diesen Aufstand nicht mit Waffengewalt niederschlug – nicht, wie immer behauptet wird, den friedlichen Demonstranten.
Alle Besatzungstruppen, auch die sowjetischen zogen 1955 vereinbarungsgemäß aus dem neutralen Österreich ab. In der DDR blieben sie stationiert, mit Atombewaffnung, wie auch in der BRD mit westlichen Besatzungstruppen und allen Möglichkeiten für einen atomaren Weltkrieg z. B. aus Versehen. Mehrere Fälle von fast ausgebrochenen Welt-Atomkriegen sind bekannt.

Erst in diesem Schicksalsjahr 1955 wurde, wegen (!) des Eintritts Westdeutschlands in die NATO, der Warschauer Pakt gegründet, eben weil es der Sowjetunion nicht gelang, einem Gürtel neutraler Staaten als Cordon Sanitaire zu etablieren. So wichtig ist auch heute wieder den Russen eine Pufferzone an den eigenen Grenzen. Die Bundeswehr wurde aufgebaut, nach sehr problematischen Vorstellungen des damaligen Verteidigungsministers Strauß sollte sie auch atomar bewaffnet werden (dieses Ziel hatte er wohl bis zu seinem Tod 1988 im Auge, Wackersdorf wäre dazu der Durchbruch gewesen).
F-35_BomberHeute möchte die BRD unbedingt eine „atomare Teilhabe“ beibehalten, kauft für zig-Milliarden F-35 Atombomber in den USA, um die modernisierten Atombomben in Büchel mit je bis zu ca. 200 kT TNT Sprengkraft im Fall des Falles Richtung Osten zu tragen. Bis Polen würden sie wohl kommen, die Totalzerstörung Mitteleuropas wäre die unausweichliche Folge (die Bomben auf Japan 1945 hatten nur ca. 16kT Sprengkraft, sowas nennt man heute „Mini-Nukes“!).

Die Atomic Scientists haben die „Doomsday Clock“ (Weltuntergangsuhr) immer weiter Richtung Mitternacht geschoben, jetzt, 2023, steht sie auf gerade noch 90 Sekunden vor der Mitternacht der Weltvernichtung durch einen Atomkrieg, der wegen faktisch nicht mehr vorhandener Vorwarnzeit jederzeit auch unbeabsichtigt ausbrechen kann. Einen nicht auszuschlie­ßenden Atomwaffeneinsatz im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg nennen Leute, die sich Politikwissenschaftler deutscher Provenienz nennen, in Talkshows „Quatsch“ und „Blödsinn“, (ja gehts noch?).

Es war der 4-Sterne-US-General Lee Butler, der es treffend vor ca. 30 Jahren so zusammenfasste; „We escaped the Cold War without a nuclear holocaust by some combination of skill, luck and divine intervention …. probably the latter in greatest proportion…….“. (Wir sind im Kalten Krieg davon gekommen ohne einen nuklearen Holocaust – dank einer Kombination aus Geschick, Glück und göttlichem Eingreifen) . . . Göttliches Eingreifen, so weit sind wir schon gekommen, dass nur noch das helfen soll . . .

Beim Klima sind wir damit schon auf dem „richtigen“ Weg, da wird sogar divine intervention nicht mehr viel nützen, obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, was notwendig wäre oder gewesen wäre, um unseren Nachkommen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, nur: die Profite waren und sind immer wichtiger.

Nach dem Ende der Sowjetunion zogen die Russen ihre Truppen aus allen (!) Ländern des Ostblocks zurück, Comecon, die Wirtschaftsgemeinschaft des Ostblocks, zerfiel in viele Nationalstaaten, die Sowjetunion ebenfalls, der Warschauer Pakt wurde aufgelöst. Die SPD hat im Dezember 1989, also kurz nach dem Mauerfall in ihrem neuen Grundsatzprogramm, gültig bis 2007, die Auflösung des Warschauer Pakts (WP) gefordert, aber eben auch der NATO, ja der NATO! Übrigens auch Frankreich unter Mitterand. Ein neues Sicherheitssystem für ganz Europa inklusive Russlands wurde vorgeschlagen. (Der WP ist weg, der eigentliche Sinn und Zweck der NATO ist mit dem Verschwinden der Sowjetunion auch weg. Was macht die NATO? Sie verschwindet nicht, sie wendet sich ihren seitdem „beliebten“ „out of area“-Einsätzen zu. Inzwischen weitet sie ihren Wirkungskreis auf den indopazifischen Raum aus, schließlich gilt es, langfristig auch China als Konkurrent auszuschalten.)
Diese Zerschlagung des Ostblocks in viele kleinere Teile war ganz im Sinne der westlichen Hegemoniemacht USA. Der Truppenabzug der Russen erfolgte jedoch einzig und alleine, weil die West-Mäch­tigen Gorbatschow und Jelzin hochheilige Eide geschworen hatten, die NATO „not one inch“ nach Osten auszudehnen (die dazu zahlreich! verfügbaren öffentlich zugänglichen, aber hartnäckig abgestrittenen Dokumente sind bei der GWU **) in Washington jederzeit abrufbar, Überraschung!: es sind viele!).

Gorbatschow „schenkte“ dem Westen die ganze DDR, die sogar auch in die NATO durfte, mit der leider kaum überraschenden Folge, dass die Versprechen innerhalb kurzer Zeit samt und sonders gebrochen wurden, vom Westen natürlich.

Um nicht weiter abzuschweifen: Wenn ich diesen Angriffskrieg verurteile, wie alle außer den Putin-Schwurblern, dann komme ich jedenfalls trotzdem nicht umhin, der unmittelbaren Vorgeschichte ein näheres Augenmerk zu widmen. Das Völkerrecht gilt nicht nur für Russland, wie es scheinen mag, sondern für alle, sogar für die US-Amerikaner, die sich nachweislich einen Dreck um dieses Völkerrecht scheren, offensichtlich und erklärtermaßen machen, was sie wollen. Hauptsache ist, es dient letztendlich ihren wirtschaftlichen und Hegemonie-Interessen. Eine von der amerikanischen Regierung offiziell aufgestellten Liste der über 250 militärischen Eingriffe seit 1991 weltweit, kleineren und größeren Ausmaßes – sehr vieles davon alles andere als völkerrechtssauber – ist frei zugänglich, eine Lektüre dieser zwar sicher nicht vollständigen (die regime changes fehlen nämlich darin), aber aufschlussreichen Dokumente wäre allen Interessierten – und erst recht Interessepflichtigen – sehr zu empfehlen. Wenigstens z.B. die Irak-Kriege, die Feldzüge gegen Afghanistan, Libyen, Syrien und auch weitere sind hoffentlich vielen bekannt, (es blieben nach Eingreifen der NATO, oder ihrer Mitglieder, ausnahmslos zerstörte failed states übrig).
Der Kosovo-Krieg 1999 ist vielen schon aus dem Blickfeld entschwunden, liegt ja schon 25 Jahre zurück. Es war die verteidigungsfreudige, mit ihren 50 Jahren ohne ursprüngliche Sinnsetzung verbliebene NATO, die sich auch hier völkerrechtswidrig und brutal mit Angriffen auf die Infrastruktur und die Bevölkerung von ganz Serbien, unter aktiver Beteiligung der deutschen Bundeswehr, höchst unrühmlich hervorgetan hat. Die Kosovo-Albaner der sog. UCK waren bis etwa Ende 1998 offiziell Terroristen, ab Januar 1999 plötzlich Freiheitskämpfer. Scharping als deutscher Verteidigungs-, sorry völkerrechtwidriger Angriffskriegsminister, hat mit völlig unglaubwürdigen Lügen wie die von einer „Hufeisen“-Strategie des sicher alles andere als harmlosen Milosevich die erfolgreiche Hetze betrieben. Kürzlich hat unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk (ÖRR) seine Rolle so charakterisiert „Scharping planschte lieber im Pool, als sich um einen anstehenden Auslandseinsatz zu kümmern“, wie tief kann dieser ÖRR noch sinken? Und dies, ohne dass das überhaupt auffällt.
Wie sehr die Verteidigerrolle der NATO durch die Offensivrolle in den Hintergrund gedrängt wurde, ist leicht und fundiert nachlesen, Daniele Ganser wäre hier eine brauchbare Quelle, den man folgerichtig als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert. Joschka Fischer als grüner AA-Chef legte noch was drauf mit seinem „Nie wieder Auschwitz“, was bestenfalls als eine strafbewehrte Verniedlichung des Holocausts einzustufen wäre. Aber wen schert es, wenn man – wie heute wieder – so den grünen Pazifismus gründlich abstreifen kann.
Die deutsche Kohl-Regierung hatte schon 1991 eine höchst ungute Rolle gespielt, die Sezessionsbestrebungen von Slowenien und Kroatien ohne Absprache mit den europäischen EU- und NATO-Partnern umgehend durch die staatliche Anerkennung durch Außenminister Genscher belohnt, worauf die jugoslawische Zentralregierung militärisch eingriff (Putin hat sich das bei der Anerkennung der Donbas-Republiken zum Vorbild genommen, hat sich dafür aber immerhin acht Jahre Zeit genommen). Der Balkankrieg der 90er Jahre begann, nahm einen grausamen Verlauf mit u.a. Bombardierung von Sarajewo, dem Massaker von Srebreniza und der Vertreibung von ca. 200.000 Serben aus der kroatischen Krajina, nur einen Monat nach Srebreniza durch die noch reichlich ustascha-faschistischen Kroaten. Wie viele bei dieser Vertreibung umgekommen sind, wurde nie und nirgends auch nur gefragt, geschweige denn untersucht.
Im Kosovo, einer serbischen Provinz, dem historischen Herzland Serbiens, wurden die jugoslawischen Ordnungskräfte immer massiver von der terroristischen UCK angegriffen, was z.B. Milosevich schon am 28.6.1989 (600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld = Kosovo Polje) zum Anlass nahm, den Serben im Kosovo seine Unterstützung gegen die albanischen Kosovaren zuzusagen („Ab jetzt werdet ihr Kosovo-Serben nicht mehr geschlagen“).

Schon in den 80er Jahren den Kosovo-Serben wurde durch ihre muslimischen albanischen Mit-Kosovaren dermaßen zugesetzt, dass weit über 100.000 Serben die Provinz verließen. Im Endeffekt war das Hauptziel erreicht, nämlich die Zerstückelung Jugoslawiens und die Auslöschung des letzten Restes sozialistischer Regierung in Europa. In diesem Sinne ist auch die Zerschlagung des Ostblocks und der Sowjetunion, zukünftig auch Russlands zu sehen, wenn es nach dem Willen der USA geht. Schlussendlich wurde auch das Kosovo als eigenständiger Staat durch den Westen anerkannt, allerdings im Gegensatz zur Krim ohne eine Volksabstimmung, was Obama allerdings doch fälschlich behauptete.
Inzwischen sind die meisten jetzt selbständigen Teile Jugoslawiens Mitglieder der NATO und damit unter der Kontrolle der westlichen Konzerne.

Dieses „Verteidigungs“-Bündnis, das sich vor allem seit Ausschaltung der Sowjetunion durch eine ganze Reihe von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen meist für Ressourcen wie Öl usw. – auszeichnete, wurde vier Jahre nach Gründung der UNO ins Leben gerufen, was eigentlich den Weltfrieden sichern sollte. Der Völkerbund war vor dem zweiten Weltkrieg unter tatkräftiger deutscher Hilfe ausgeschaltet worden; es sieht nicht gut aus, dass Weltkrieg III verhindert werden kann. Die UNO ist unter dem Vetorecht der fünf Atomnationen Amerika, Russland, Frankreich, Großbritannien und China zum zahnlosen Tiger verkommen.
Die NATO strickt eifrig an ihren Plänen, das jetzige Russland so zu schwächen, dass es das Haupt nicht mehr zu erheben in der Lage sein kann. Das große Projekt der Zerstückelung des heutigen Russlands in viele kleinere, nach Nationalitäten orientierten Kleinstaaten steht spätestens seit den veröffentlichten Ideen des einflussreichen Z. Brzezinski auf der Tagesordnung, um sie der Reihe nach unter amerikanische Kuratel zu stellen und wie ein erlegtes Stück Großwild auswaiden zu können. Es leuchtet sehr wohl ein, dass sich die imperiale Hegemoniemacht USA die riesige Landmasse (den halben Erdteil) mit 17 Mio. qkm der heutigen russischen Föderation, voller ausbeutbarer wertvoller Ressourcen, mit nur ca. 145 Mio. Einwohnern praktisch menschenleer, als „fetten Braten“ nicht entgehen lassen.
Erst als der dem Westen willfährige Jelzin sich den Nachfolger Putin Ende 1999 geholt hatte, wurden diese schon ziemlich konkret gewordenen Pläne – zur Wiedervorlage – ad acta gelegt. Seitdem ist Putin der „Böse“. Mit dem Alkoholiker Jelzin hatten die Strippenzieher im Westen leichtes Spiel. Die Wiederwahl Jelzins 1996 wurde mit Dollarmilliarden durch Clinton sichergestellt, um die begonnene Ausplünderung durch Oligarchen und multinationale Konzerne fortsetzen zu können, das einfache Volk erlebte eine sehr schlimme Zeit von Entbehrungen, Verlust der staatlichen Ordnung, bis hin zu Versorgungskrisen, in Teilen Hungersnöte. Den Kapitalismus mit seinen angeblich segensreichen Auswirkungen aufgepfropft zu bekom­men, hat die heutigen Russen ziemlich geprägt, einer der Gründe, warum Putin so viel Unterstützung hat.

Die NATO wird weiter als Verteidigungsbündnis verkauft, da z.B. unsere Bevölkerung immer so gut wie alles glaubt, auch dieses. Erstaunlich viele fachkundige Menschen in den USA, so intellektuelle Größen wie Noam Chomsky, George F. Kennan, Jack Matlock, William Burns usw. warnten immer wieder, dass durch die NATO-Erweiterung nach Osten, entgegen allen Versprechen, eine hochgefährliche Situation entstehen könne. Trotz aller Warnungen wurden 1999 Polen, Ungarn und die Tschechei in die NATO aufgenommen, 2004 die bal­tischen Republiken, die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Bulgarien – in sehr vielen dieser Staaten feiert der jeweils eigene Nationalismus fröhliche Urstände, in der Ukraine als bereits auserwählter NATO-Kandidat besonders heftig. Seitdem stehen immer wieder auch deutsche Soldaten direkt an der russischen Grenze, ähnlich nahe an Petersburg/Leningrad wie vor 80 Jahren die verbrecherische Hitler-Wehrmacht.

Putin, der noch in seiner vor dem Bundestag mit stehenden Ovationen des gesamten Hauses gehaltenen Rede am 25.9.2001 sehr konstruktive und friedenssichernde Vorschläge gemacht hatte, hat 2007 bei der Sicherheitskonferenz in München in aller Klarheit gesagt, dass es so nicht weitergehen könne und die Ausdehnung des NATO-Gebietes auf die Ukraine eine nicht hinnehmbare existentielle Bedrohung Russlands darstellen würde. Jelzin hatte schon 1997 davor gewarnt, die Ukraine in die NATO aufzunehmen.

2008 hat trotzdem Bush jr. in Bukarest, gegen den erbitterten Widerstand von Merkel(!) und Sarkozy, durchgedrückt, dass nicht nur der Ukraine, sondern auch Georgien eine NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, jedoch ohne klare Fristangabe. Wie sagte doch eine bedeutende Politperson bei ihrem Abschied am 2.12.21 geradezu beschwörend: „Ich möchte dazu ermutigen, auch zukünftig die Welt immer auch mit den Augen des anderen zu sehen, also auch die manchmal unbequemen und gegensätzlichen Perspektiven des Gegenübers wahrzunehmen, sich für den Ausgleich der Interessen einzusetzen.“ Genau dieses Argument kam auch 2008 in Bukarest – beides von A. Merkel. Ihre Zapfenstreichrede 2021 kam nicht mal drei Monate vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Diese wichtige Merkel-Aus­sage wurde aber – überhaupt nicht erstaunlich – von niemanden auf Seiten der Medien auch nur wahrgenommen: zitiert wurde sie nirgendwo, weder Print noch Funk oder Fernsehen. Aufgefallen ist er in der Friedensbewegung, die leider bundesweit nicht in der Lage ist, breite Medienaufmerksamkeit zu erreichen.
Wie konnte Frau Merkel nur darauf kommen, mit dieser dringenden Mahnung, die eigentlich eine banale Selbstverständlichkeit ist, in Erinnerung bleiben zu wollen? Wahrscheinlich haben die zuständigen Stellen doch nicht alles getan, den Krieg zu verhindern, vielleicht eher, diesen sogar provokativ herbeizuführen. Fragen über Fragen.

Anfang August 2008 glaubte der Präsident von Georgien, Saakaschwili, durch massiven Beschuss der seit Jahren abtrünnigen, russlandfreundlichen Provinz Südossetien die NATO animieren zu können, ihm bei dieser vom Zaun gebrochenen Aggression beizustehen. In Südossetien standen damals russische Friedenstruppen, die die Spannungen an der heiklen Grenze eindämmen sollten. Zur Verteidigung herangeholte russische Truppen sind dann erst in Georgien einmarschiert, fast bis Tiflis vorgedrungen. Innerhalb von fünf Tagen war dieser Spuk vorbei – die NATO hatte nicht eingegriffen, die russischen Truppen zogen sich zurück. Noch heute wird dieses Ereignis immer wieder als Angriff der Russen auf Georgien dargestellt, obwohl alles längst durch internationale Gremien als Angriff des neuen NATO-Kandidaten Georgien richtiggestellt worden ist. Wen interessiert schon die Wahrheit, wenn der Russ‘ immer der Böse sein soll und muss.

2010 kam in der Ukraine durch demokratische Wahl V. Janukovich als Präsident an die Macht, der die engen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland im Gegensatz zu seinem EU-freundlichen Vorgänger V. Juschtschenko aufrechterhalten und die Ukraine, sogar laut Verfassung, neutral halten wollte. Juschtschenko war aus der „orangenen“ Revolution von 2004 als Sieger hervorgegangen, er hatte die Annäherung an den Westen gesucht, was durch die von Janukovich demokratisch einwandfrei gewonnene Wahl zunächst auf die lange Bank geschoben war.
Weil mit Präsident Janukovich die Ukraine den Fängen des westlichen „Werte“-Kapitals zu entgleiten drohte, wurde massiv mit Dollar-Milliarden (V. Nuland, US-Staatssekretärin, nannte 2014 fünf Mrd. $, eine geradezu astronomische Summe für solche Zwecke) dafür gesorgt, dass die nationalistischen Kräfte in der Ukraine auch militärisch aufgebaut wurden, heute wird das elegant über NGOs, die sich harmlos anhören, erledigt. Bis 2014 wurden so z.B. die Nazi-Nachfolger, die Bandera-Anhänger beim „Rechten Sektor“, die Swoboda-Partei, die Asow-Leute usw. soweit aufgebaut, dass der Putsch vom Februar 2014 gelingen konnte.

„Slava Ukraini“ – so grüßt man heute wieder allgemein in der Ukraine, was zu deutsch am treffendsten mit „Sieg Heil!“ zu übersetzen wäre, die hartgesotteneren Nazis grüßen mit „Geroyam Slava“ zurück (= Ruhm den Helden, gemeint sind die ukrainischen Nazis, die bis ca. 1955 z.B. unter Bandera nazitreu gegen die Sowjets gekämpft haben. Sie haben sich im 2. WK eifrigst am Juden-, Polen-, Kommunisten-Massenmord aktiv beteiligt). Heute nennt man sowas üblicherweise Terroristen, aber was ist heute schon üblich, erst recht, wenn es gegen Linke geht?)
Diese Patrioten haben es geschafft, dass die Ehrendenkmäler für Sowjettruppen, sehr viele Ukrainer darunter, geschleift werden, dagegen werden die protzigen Denkmäler für Bandera und seine Nazischergen wieder errichtet, Nazi-Straßennamen ersetzen in großer Zahl die früheren, heute unliebsamen Namen der Befreier, wie Bundespräsident R. von Weizsäcker am 8.5.1985 im Bundestag sie zu nennen wagte. Wer heute in Deutschland „Sieg Heil!“ ruft, kann im Knast landen, der ukrainische Nazi-Gruß ist täglich aus dem Munde des ukrainischen Präsidenten zu hören, auch deutsche höchstrangige Politiker entblöden sich nicht, das gleiche zu tun. Sind die so dumm, oder so unwissend, oder beides oder gar Schlimmeres?

Als Ende 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU zur Unterschrift anstand, was sogar auch Janukovich anfänglich befürwortete, machte Putin die ukrainische Regierung darauf auf­merksam, dass die von der EU geforderte Einstellung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland voraussichtlich zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Stattdessen stellte er sogar einen 17 Mrd. Dollar-Kredit in Aussicht, Präsident Janukovich machte daraufhin einen Rückzieher und unterschrieb nicht. Zur Erinnerung: Die Alt-Kanzler Schmidt, Kohl, Schröder, der Ex-EU-Kommissar Verheugen, der Braunschweiger Ex-Regierungspräsident Lange, Ex-Außenminister Genscher, Ex-Entwicklungsminister Eppler, Ex- EU-Kommissionspräsident Juncker, der US-Ökonom Maersheimer und sicher noch viele andere haben alle dieses Assoziierungsabkommen als sehr gefährlich erkannt und dringendst davor gewarnt, die Ukraine auf diese Weise von Russland zu entfremden. Die Vorgaben Brzesinskis waren aber gewichtiger, der gesagt hatte: Die Ukraine ist der Dreh- und Angelpunkt, um Russland entscheidend zu schwächen, ohne die Ukraine ist Russland keine Großmacht mehr. Auch Kissinger riet dazu, den Frieden durch die Neutralität der Ukraine zu erhalten. Damit wäre ja die Ukraine offen nach beiden Seiten geblieben und würde auch als Pufferstaat dienen können.

Dieser nur allzu begründete Rückzieher führte zu zunächst friedlichen Pro-EU-Demon­stra­tionen auf dem (Euro-)Maidan, dem großen prächtigen Platz in Kiew, vorwiegend getragen durch die von den US-Amerikanern unterstützten Neonazis, die teilweise sogar mit Nazi-Hakenkreuzen marschierten. Die Proteste eskalierten allerdings bis Februar 2014, als dann auch Vertreter des Westens versuchten, die Gemüter zu kühlen. Steinmeier, Fabius und Sikorski, alle drei Außenminister ihrer Länder Deutschland, Frankreich und Polen berieten mit Präsident Yanukovich, Klitschko und anderen; sogar dem Ober-Nazi Tyanibok (berühmtes Zitat dieses Neo-Nazis aus Wikipedia: „Ukrainische Patrioten kämpften gegen Russen, gegen die Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!“) und kamen tatsächlich zu einem Kompromiss, der die gewalttätigen Proteste beenden sollte.
Allerdings hatten die Nazi-Protestler inzwischen dafür gesorgt, die Stimmung auf dem Maidan „explodieren“ zu lassen. Es gab plötzlich massiven Scharfschützenbeschuss aus den Obergeschossen von zwei durch die Aufständischen beherrschten Gebäuden, dem Konservatorium und einem Hotel. Es wurde unterschiedslos in die Menge der Demonstranten und Ordnungskräfte geschossen, gezielt auf Menschen. Es müssen mindestens drei Scharfschützen gewesen sein, die laut unbestätigten Berichten (le verità nascoste, leider nur italienisch, deshalb hierzulande nicht zur Kenntnis genommen) aus Georgien geholt und vor Ort mit Präzisionswaffen ausgerüstet wurden.

Professionell und nachvollziehbar wurde dieser Massenmord mit über 100 Opfern und zahlreichen Verletzten nie aufgeklärt. Die ukrainischen Nazis schoben alles Präsident Janukovich in die Schuhe, der daraufhin Morddrohungen erhielt und sich über Charkow, den Donbas und die Krim nach Russland absetzen konnte. Seine Absetzung als Präsident erfolgte eindeutig rechtswidrig, weil die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden.

Vorher hatte V. Nuland („Fuck the EU“), damals wie heute Vize-Außenministerin der USA und für die Ukraine und den Coup zuständig, zusammen mit US-Botschafter Pyatt die Weichen für die neue Putsch-Regierung gestellt: Statt Klitschko sollte Jazeniuk Ministerpräsident werden, drei seiner Minister kamen aus den Reihen der radikalen Neo-Nazis, insgesamt ein klassischer Regime-Change à la USA und alles andere als demokratiekonform.
Wenn also vorher eher die mehrheitlich russischsprachigen Ukrainer aus dem Osten und Süden des Landes politisch führend waren, waren jetzt die extrem nationalistischen ukrainisch-sprachigen aus dem Westteil am Ruder. Eine Situation, die in diesem Vielvölkerland aus Russen, Ukrainern, Rumänen, Ungarn und Polen immer wieder zu Spannungen geführt hatte.

Wenige Tage später wurde Turtschinow als (nicht gewählter) Übergangspräsident installiert, vom jetzt Neonazi-dominierten Parlament u.a. ein Gesetz erlassen, das die russische Sprache im Verkehr mit Behörden praktisch verbot (das allerdings vom Übergangspräsidenten T. dann doch nicht in Kraft gesetzt wurde. Später kamen aber sehr wohl Vorschriften gegen die russisch-sprachigen Ukrainer). Schon dieses Gesetz gegen den offiziellen Gebrauch der russischen Sprache brachte die überwiegend russisch-sprachigen und dem Regimewechsel kritisch entgegenstehenden Donbas-Oblaste Donezk und Lugansk dermaßen auf die Palme, dass sie umgehend die Unabhängigkeit von der Zentralregierung erklärten und die Gründung ihrer Volksrepubliken vorbereiteten und durchführten – der Zündfunke für den Bürgerkrieg im Donbas. Dieser Bürgerkrieg, intern ausgetragen in den neu gebildeten Volksrepubliken DNR und LNR, wurde bald von den Separatisten „gewonnen“, jedenfalls hatten sie ab jetzt die Entscheidungsgewalt. Inwieweit dabei russische Einmischung eine Rolle gespielt hat, ist völlig unklar.

Putin seinerseits erkannte, dass die seit 1783 auf der Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol durch Maßnahmen einer neonazilastigen Zentralregierung mit NATO-Aspirationen in Kiew bald auf NATO-Territorium liegen könnte und bereitete eine Volksabstimmung vor, die am 16.3.2014 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an Russland ausging. Diese Volksabstimmung hatte u.a. dadurch einen friedlichen Verlauf, weil Putin dafür gesorgt hatte, die auf der Krim stationierten ukrainischen Militärtruppen durch die aus Sewastopol ausschwärmenden dort stationierten russischen Soldaten, als „grüne Männchen“ ohne Rang- und Hoheitsabzeichen getarnt, insbesondere die Kasernen des ukrainischen Militärs abriegelten. Die ukrainischen Soldaten konnten noch wollten eingreifen.
Erstaunlicherweise wurde diese Sezession/Annexion der Krim zwar kritisiert, aber doch ziemlich klaglos im Westen hingenommen. Noch 2015 nahm die deutsche Wirtschaft, gestützt von der GroKo-Bundesregierung in Zusammenarbeit mit Gazprom die Nord-Stream2-Gas­leitung in Angriff. Von einer möglichen Einschränkung der Energielieferungen aus Russland war nie die Rede, schließlich hatte man sich im Westen auf die billigen Energielieferungen langfristig eingestellt.
Die Grünen maulten zwar unisono mit den USA, das war’s dann aber auch schon. Diese Gaslieferungen waren ja konstitutives Element des deutschen Energie-Wende-Plans gedacht als Übergangslösung für den Ausfall der Atom- und Kohleenergie, auf die man durchaus sinnvollerweise zur Klimarettung verzichten wollte.

Da vor allem die immer noch schwachen ukrainischen Regierungstruppen sich z.T. auch weigerten, mit militärischer Gewalt gegen die separatistischen Landsleute vorzugehen, wurden die meist aus der West-Ukraine stammenden Milizen des Nazi-Asow-Regiments geholt, die ohne Vorbehalte gegen die Russen des Donbas vorzugehen bereit waren. Ab 14.4.2014 wurden also die Separatisten von außen beschossen. Das anfängliche Vorrücken der Separatisten konnten gestoppt werden, alles spielte sich aber vorerst auf dem Gebiet des Donbas ab.

Zu welchen Verbrechen die Faschisten der Ukraine fähig sind, zeigte sich am 2.5.2014 in Odessa. Mehrere Dutzend Maidan-kritische Demonstranten wurden von diesen Rechtsextremen am und im brennenden Gewerkschaftshaus ums Leben gebracht. Auch diese Verbrechen wurden nie aufgeklärt.

Den eigentlichen Startschuss zum Krieg in der Ukraine gab die ukrainische Regierung am 14.4.2014. (Nicht der 24.2.22, als die russischen Truppen in die Ukraine einmarschierten, ist Auslöser dieses verheerenden Schlachtens). Ab diesem Tage wurden die Donbas-Volksrepu­bliken mit schwerer Artillerie massiv beschossen. Rücksicht auf zivile Bevölkerung, Infrastruktur, Schulen oder Krankenhäuser gab es nicht.
Dieser Beschuss dauerte als Krieg niederer Intensität bis Mitte Februar 2022 an. Von internationaler Seite wurde versucht, durch Waffenstillstandsabkommen Minsk 1, und nach dessen Scheitern Minsk 2, die Feindseligkeiten einzudämmen. Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland konnten sich tatsächlich auf dem Papier einigen. Vor allem aber von ukrainischer Seite wurden diese Vereinbarungen nicht eingehalten. Die pflichtvergessenen Garantiemächte D und F kümmerte das wenig.
Als Ergebnis dieses Beschusses niedrigen Niveaus ist mit geschätzten insgesamt ca. 14.000 Toten und erheblichen Zerstörungen im Donbas zu benennen. A. Merkel hat im Dezember 2022 offen zugegeben, dass die Minsk-Abkommen für den Westen den versteckten Zweck hatten, der Ukraine genügend Zeit zu verschaffen, um aufzurüsten. Vor allem mit US-Hilfe massiv vorangetrieben, wurden tausende junge ukrainische Soldaten von amerikanischen Ausbildern militärisch trainiert. In den Minsk-Abkommen war u.a. sogar vorgesehen, den Donbas-Oblasten eine schon länger geforderte weitgehende Autonomie mit freien Wahlen zuzugestehen, was in einer bis spätestens Ende 2015 neu auszuarbeitenden ukrainischen Verfassung festgezurrt werden sollte. Über die Krim sollte erst nach ca. 15 Jahren weiterverhandelt werden, die schweren Waffen sollten umgehend zurückgezogen werden.

2019 stand wieder die Präsidentschaftswahl in der Ukraine an. Der Oligarch Poroschenko, der 2014 zum Präsidenten gewählt worden war, und neben anderen W. Selenski waren Kandidaten. Selenski trat mit dem Plan an, im Donbas endlich Frieden zu schaffen, die extreme – übrigens auch heute immer noch weitgehend bestehende – Korruption zu bekämpfen. Nach der Wahl, die Selenski mit großer Mehrheit gewinnen konnte, war von Frieden im Donbas bald nicht mehr die Rede, schlicht weil der rechte Sektor Selenski mit dem Tode bedrohte. Schnell war er von seiner Friedensabsicht abgerückt. Angeblich hat es in der Korruptionsfrage Fortschritte gegeben. Die Ukraine ist aber immer noch als das mit weitem Abstand korrupteste Land Europas eingestuft, nur Russland steht in dieser Rangfolge noch schlechter da.

Selenski hat sich schon 2014 auch wie folgt geäußert: „In the East and in Crimea the people want to speak Russian. Leave them alone, just leave them alone. Legally provide them the right to speak Russian. Language should never divide our country. I am of Jewish heritage, I speak Russian. I am a citizen of Ukraine. I love this country and I don’t want to be part of another. Russia and Ukraine are brotherly people, I know many millions, thousands of people who live in Russia and who are wonderful.
We are one colour, one blood, we understand each other, irrespective of language. „

(Russland und Ukraine sind Brudervölker, wir sind eine Farbe, ein Blut, wir verstehen einander, unabhängig von Sprache.)

Selenskis Militärberater O. Arestovych gab noch vor der Wahl 2019 ein gespenstisch beeindruckendes, längeres Interview mit seiner Sicht auf die kommenden Jahre. Seine Voraussagen sind mit überraschend hoher Genauigkeit Wahrheit geworden. Die Ukraine, deren Führungselite das Land in die NATO führen wollte, müsse erst einen verheerenden Krieg mit Russland durchmachen, der in den Jahren 2020 bis 2022 – und zwar mit „99,9%iger Wahrscheinlichkeit“ – stattfinden würde. Ohne diesen Krieg hätte die Ukraine keinerlei Chance, in die NATO aufgenommen zu werden, denn durch diesen Krieg solle Russland so weit geschwächt werden, dass es die Weigerung, die Ukraine für die NATO „frei“ zu geben, aufgeben müsse.
Die dafür notwendige Ausstattung mit modernen Waffen würde von den USA und den westlichen Staaten geliefert werden. Die USA hatten und haben natürlich ein großes Interesse daran, Russland niederzuringen, ohne mit eigenen Soldaten, also direkter Beteiligung der NATO selbst antreten zu müssen.

Die Rechtslastigkeit der Regierungen der Nach-Maidan-Zeit, also auch der Selenski-Regierung, zeigt sich nur zu deutlich in den zahlreich verbotenen oppositionellen Parteien, Zeitungen, Fernsehstationen usw. Opposition findet in der Ukraine schlicht nicht mehr statt, Demokratie sieht anders aus. Davon hört man hier im Westen allerdings so gut wie nichts, die Unterdrückung der Opposition in Russland füllt hingegen die Gazetten; auch hierzulande ist es praktisch höchst ungehörig, wenn nicht klammheimlich verboten, sich kritisch zum Ukrainekrieg zu äußern. Vom Westen sind inzwischen fast alle kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und sportlichen Kontakte mit der russischen Seite gekappt worden, russische Künstler in Deutschland mussten sich z.B. vom russischen Vorgehen in der Ukraine schriftlich distanzieren, sonst waren sie ihren Job los.

Im März 2021 verkündete Selenski, militärisches Ziel sei, die gesamte Ukraine, den Donbas und die Krim zurückzuerobern, das Jahr 2021 war der Vorbereitung dieser Rückeroberung gewidmet. Putin legte noch im Dezember 2021 auf Anforderung der USA seine Vorschläge für Verhandlungen vor, im Wesentlichen wollte er die garantierte Neutralität der Ukraine, die Nicht-Ausdehnung der NATO, den Rückzug der westlichen Truppen aus den früheren Ostblockstaaten.
Der Westen ging nicht darauf ein, Verhandlungen aufzunehmen, kanzelte das Papier als unerfüllbar ab. Schon im Januar massierte Selenski seine Truppen an der Kontaktlinie zum Donbas und ab dem 15.2.22 setzte wieder extrem massiver Beschuss auf den Donbas ein, bis zu vierzigmal heftiger als im Durchschnitt der vorausgegangenen Zeit (alles fein säuberlich von der OSCE dokumentiert). Sechs Tage später, am 21.2.22 erklärte Putin, die Donbas-Volks­republiken würden als unabhängige Staaten anerkannt, am 22.2.22 wurde dieser Beschluss in der russischen Duma abgesegnet, ein Beistandspakt wurde ratifiziert, die Volksrepubliken forderten daraufhin die russische Hilfe an. Am 24.2. 22 wurde dann, wie bekannt, der schon seit acht Jahren andauernde Ukraine-Krieg mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine wesentlich ausgeweitet.

Der Krieg begann also nicht am 24.2.22, wie uns die westlichen Medien glauben machen wollen, sondern mit dem militärischen Eingreifen des ukrainischen Militärs am 14.4.2014 gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Donbas-Republiken, nach einer jahrzehntelangen Vorgeschichte, die mindestens bis 1990 zurückreicht.

In den Tagen vor dem Einmarsch befand sich Putin quasi in einer Dilemma-Situation: greift er angesichts des massiven Beschusses des Donbas durch die ukrainische, von den Amis kriegsbereit hochgerüstete Armee nicht ein, muss er mit massivem Druck der eigenen Bevölkerung rechnen, marschiert er aber doch ein, ist er international endgültig unten durch. Der Einmarsch war tatsächlich dermaßen umfangreich und erdrückend, so dass anscheinend von russischer Seite fest damit gerechnet wurde, die ukrainische Führung setze sich ins Ausland ab und die Ukraine ergebe sich nach wenigen Tagen, wie 2008 in Georgien, um die zu erwartenden großen Schäden und Opfer zu vermeiden.
Selenski und seine Führungsriege jedoch gaben nicht klein bei, der Regierungschef blieb in Kiew. Nach wenigen Tagen wurden die ersten Waffenstillstandsverhandlungen in Belarus aufgenommen, die Ende März in Istanbul tatsächlich zu einer Einigung führten. Diese unterschriftsreife Einigung wurde dann aber doch nicht von der Ukraine angenommen. Sie war von Erdogan vermittelt worden, dem türkischen Ministerpräsidenten, und enthielt die Kompromisse, die Selenski und Putin eingegangen waren, um die Ausweitung des Krieges zu verhindern, im Wesentlichen, was schon im Minsk II-Abkommen 2015 erreicht, aber nicht eingehalten worden war. Der israelische Ex-Minister­präsident Bennett hatte seinerseits schon kurz vorher mit beiden Seiten getrennt Gespräche geführt, mit guten Aussichten auf einen Verhandlungserfolg, was dann auch in das Istanbuler Papier mit einging.

Vor Kurzem hat Bennett bestätigt, dass unter Druck der USA dieser Verhandlungsabschluss eines Waffenstillstands nicht zustande kam, er sei gezielt blockiert worden. B. Johnson wurde umgehend nach Kiew geschickt, um eine Übereinkunft zu verhindern und den Ukrainern zu versichern, sie würden alles bekommen, was sie an Waffen und Material benötigen, um die russischen Truppen aus dem Land zurückzudrängen, den gerade anlaufenden Krieg also militärisch zu gewinnen. Auch Deutschland und Frankreich wollten laut Bennett dieses Abkommen nicht. Frau Baerbock sprach aus, worum es eigentlich ging: Russland zu ruinieren.
Inzwischen ist sie noch deutlicher geworden: Wir sind im Krieg mit Russland. Der Westen liefert Waffen, inzwischen immer mehr und immer tödlichere, schickt aber die Menschen der Ukraine in die blutige Schlacht. Seit diesem Zeitpunkt kann leider die Situation getrost als völlig verfahren bezeichnet werden. Eine Lösung scheint nicht in Sicht, die Zahl und das Ausmaß der Schäden und Opfer auf beiden Seiten nehmen immer weiter zu und vor allem Selenski weigert sich jetzt strikt zu verhandeln, solange russische Truppen sich noch auf ukrainischem Boden befänden.
Die militärischen Ergebnisse und Vorstellungen der russischen Seite sind auch nicht gerade dazu angetan, einen Verhandlungserfolg, so es denn zu Verhandlungen kommen würde, für wahrscheinlich oder möglich zu halten. Eine Ausweitung zu einem neuen, dritten Weltkrieg kann leider nicht ausgeschlossen werden.

USA-NATO führt übrigens nicht nur den Stellvertreterkrieg gegen Rußland in der Ukraine, die Ukrainer sind die Leidtragenden, das Kanonenfutter, sondern auch gegen Europa und speziell gegen Deutschland als Konkurrenten, erlassen – sogar mit Billigung der „Bündnispartner“ .- massive Sanktionen gegen Rußland, die aber vor allem genau die eigenen Verbündeten treffen, sprengen laut Seymour Hersh am 26.9.22 die vier gewaltigen Pipelines der Nord Stream. Angeblich völlig unschuldig.
Jetzt soll der Sicherheitsrat der UNO diesen Terrorakt untersuchen (Jeffrey Sachs, Ray McGovern). D, S, Dk, N hüllen sich in Schweigen, also (und es würde mich nicht wundern, wenn genau das rauskommen würde) ein demütig hingenommener Terrorangriff durch einen angeblich Verbündeten.
Eigentlich ein kriegerischer Akt, ein Fall für Artikel 5 des Nato-Vertrags durch die Führungsmacht dieser Nato gegen Deutschland und Europa.
Zig Mrd Verluste an Investition, Zwang zum Kauf der maßlos überteuerten Ersatz-Energie, Inflation, usw. USA offiziell „very gratified“ (V. Nuland) durch Pipelinesprengung, die angeblich völlig ungeklärt ist (Aliens??).
Biden selbst hatte, sogar in Anwesenheit des begossenen Pudels Scholz, die Zerstörung der Leitungen am 7.2.22 angekündigt. Verkackeimern können wir uns wirklich selber, dazu brauchen wir die Amis nicht. Oder soll jetzt der Rest der Nato gemeinsam die USA militärisch angreifen und dort Ordnung schaffen?!?…………..

Dieser lange Text enthält leider keine Querverweise. Wer so etwas möchte, dem sei das aktualisierte Buch von Thomas Röper empfohlen, in dem sehr ausführlich zitiert wird.

*: Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

**; George-Washington-University

Jochen

Sahra Wagenknecht im NachDenkSeiten-Interview: „Natürlich ist auf unserer Kundgebung in Berlin jeder willkommen“

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Heute ganz aktuell und ausführlich. Gut, dass es die NachDenkSeiten gibt.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=94067
Auszüge:

Sahra Wagenknecht stellt sich den Fragen unserer Leser. Im Interview spricht sie über das Zustandekommen des Manifests, die „armselige Debattenkultur“ in Deutschland und stellt klar, dass sie sich nicht, wie zuvor kolportiert, für einen Ausschluss von AfD-Mitgliedern bei der geplanten Friedenskundgebung am 25. Februar vor dem Brandenburger Tor ausgesprochen hatte.
Zudem geht sie auf die Kritik ein, das Manifest für Frieden würde die Vorgeschichte des Konfliktes ausblenden und Russland einseitig als Aggressor darstellen und skizziert ihren Ansatz für einen ersten Waffenstillstand.
Abschließend beantwortet sie die Frage, die uns in Dutzenden Leserbriefen erreichte: Wann sie plane, ihre eigene Partei zu gründen. Das Interview führte Florian Warweg.

Frau Wagenknecht, Sie haben kürzlich zusammen mit der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer das „Manifest für Frieden“ initiiert und rufen gemeinsam zur Friedenskundgebung am 25. Februar um 14 Uhr vor dem Brandenburger Tor auf. Können Sie uns verraten, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam und wer da auf wen zugegangen ist?

Ich habe mit Alice Schwarzer seit knapp einem Jahr Kontakt. Ich hatte ihr damals geschrieben und mich für ihren Offenen Brief an Scholz bedankt, über den ich unglaublich froh war.
Wir haben uns danach hin und wieder geschrieben, und im Januar, als die Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern hochkochte, kam Alice Schwarzer auf mich zu und sagte: Wir müssen etwas machen. Da war ich natürlich sofort dabei.

Der Spiegel kürte Sie beide zu „Verliererinnen des Tages“ und erklärt, Ihr Aufruf lese sich, als käme er direkt aus der Feder des Kreml-Pressesprechers. In eine ähnliche Kerbe haut die FAZ, dort ist das Manifest eine „Propaganda-Hilfe für Putin“, in der taz wird Ihr Anliegen als „politobszön“ und „amoralisch“ bezeichnet, in der Süddeutschen war mit Verweis auf den Politologen Herfried Münkler von „Komplizenschaft mit dem Aggressor” die Rede.
Die Reaktion von CDU- und Ampel-Vertretern war ähnlich vernichtend, auch aus der eigenen Partei hagelte es massive Kritik.
Wieso reagiert Ihrer Meinung nach der mediale und politische Mainstream mit so viel Häme und geradezu Hass auf eine Petition, die sich für Friedensverhandlungen und einen Stopp der „Eskalation der Waffenlieferungen“ ausspricht, also noch nicht einmal einen generellen Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine fordert?

Ja, das Niveau der politischen Debatte in Deutschland ist wirklich armselig und die Konformität der großen Medien in dieser Frage einer Demokratie unwürdig. Warum sind sie so?
Die ZDF-Sendung Die Anstalt hatte vor längerer Zeit mal eine sehr aufklärende Sendung über die engen Verbindungen zwischen einflussreichen deutschen Journalisten und U.S.-Think-Tanks.
Und selbst, wo es keine solchen Bande gibt: Die meisten Journalisten leben in der grünen Blase, in der Kriegsbesoffenheit aktuell en vogue ist.

Jetzt sind Sie und Frau Schwarzer ja bei weitem nicht die Einzigen, die derzeit verbal dermaßen angegangen werden, weil sie sich für Friedens-Verhandlungen aussprechen. Man denke nur an die hysterischen Kampagnen gegen Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guérot.
Wie erklären Sie sich diesen zunehmenden Drang in Politik und Medien, Menschen mit anderen Meinungen und Einschätzungen zum Umgang mit dem Ukraine-Krieg nicht nur zu kritisieren, sondern sie bewusst moralisch abzuwerten? Was bedeutet das für die Debattenkultur in unserem Land?

Wer keine guten Argumente hat, muss es mit Emotion und Moralisierung versuchen. So funktioniert die Cancel Culture ja auch auf anderen Gebieten. Und wie mit den mutigen Frauen Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guérot umgegangen wird, schafft ein Klima der Einschüchterung.
Tatsächlich haben uns ja auch Einige, die wir als Erstunterzeichner angesprochen hatten, mehr oder minder deutlich gesagt, dass sie zwar unser Anliegen teilen, sich diesem öffentlichen Shitstorm nicht aussetzen möchten. Interessant ist aber, dass trotz des Hasses und der Häme, die über uns ausgekippt wurden, in nur einer Woche eine halbe Million Menschen unser Manifest unterzeichnet haben.
Das übertrifft alle Erwartungen. In Umfragen ist eine Mehrheit für Verhandlungen und gegen die Ausweitung der Waffenlieferungen.
Die Menschen lassen sich von der medialen Propaganda – so muss man es ja leider nennen – Gott sei Dank immer weniger beeindrucken.

Neben der schon erwähnten Kritik, die Ihnen „Kreml-Propaganda“ vorwirft, gibt es auch eine ganz anders geartete Kritik, die der Petition vorwirft, einseitig Russland als Aggressor zu benennen und dabei die Vorgeschichte zu ignorieren, angefangen vom Maidan-Putsch, über den jahrelangen massiven Beschuss ziviler Ziele im Donbass ab 2014 durch die ukrainische Armee bis zur massiven Präsenz von NATO-Beratern und dem Eingeständnis Angela Merkels, Minsk II sei nur Mittel zum Zweck gewesen, um die Ukraine gegen Russland aufzurüsten.
Wie bewerten Sie diese Kritik und mit welchen Argumenten würden Sie diejenigen versuchen zu überzeugen, die erklären, dass sie diesen „grundsätzlich guten Aufruf“ deswegen nicht unterzeichnen können, dies doch noch zu tun?

Wir wissen um die Vorgeschichte des Krieges und ich selbst habe sie öffentlich immer wieder thematisiert. Dieser Krieg wäre verhinderbar gewesen und Teile des politischen Establishments der USA haben es geradezu darauf angelegt, dass der Konflikt militärisch eskaliert.
Es war immer klar, dass Russland nicht hinnehmen wird, dass die Ukraine ein militärischer Vorposten der Vereinigten Staaten wird und dann möglicherweise Raketen an der russischen Grenze stehen, die Moskau in fünf Minuten erreichen können.
Trotzdem ist es meine tiefe Überzeugung: Krieg ist nie eine Lösung. Mit dem Befehl zum Einmarsch hat die russische Führung Völkerrecht gebrochen und sich schuldig gemacht. Das muss man ohne jede Einschränkung verurteilen. Es gibt immer auch andere Wege.
Aber selbst wer das anders sieht: Es geht doch jetzt darum, alle Kräfte zu bündeln, um Druck für einen schnellen Verhandlungsfrieden auszuüben.
Da sollten wir an einem Strang ziehen und brauchen jede Unterschrift – und jeden Kundgebungsteilnehmer am 25. Februar in Berlin.

Kommen wir auf die von Ihnen geplante Friedenskundgebung am 25. Januar vor dem Brandenburger Tor zu sprechen.
Es wird kolportiert, dass Sie AfD-Mitglieder und -Wähler von der Teilnahme an der Kundgebung ausgeschlossen haben. Können Sie das so bestätigen?
In diesem Zusammenhang erreichten uns auch zahlreiche Leserzuschriften, die die Gretchenfrage in Bezug auf die Teilnahme von AfD-Mitgliedern stellen und ganz grundsätzlich fragen, ob es in dieser existenziellen Frage von Krieg oder Frieden nicht geboten sei, mit den Kräften aller politischen Lager zusammenzuarbeiten, ohne dabei alle sonstigen politischen Differenzen zu verschweigen. Was ist Ihre Haltung dazu?

Natürlich ist auf unserer Kundgebung jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und gegen Waffenlieferungen demonstrieren möchte.
Was wir nicht dulden werden, sind rechtsextreme Flaggen, Embleme und Symbole. Dass so etwas auf einer Friedenskundgebung nichts zu suchen hat, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.
Immerhin steht der Rechtsextremismus in der Traditionslinie eines Regimes, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat.
Zu der schwachsinnigen Debatte, wir seien „rechtsoffen“, fällt mir ansonsten nur der Hinweis ein, dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die bei vielen unserer Kritiker zu beobachtende Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist. In diesem Sinne haben wir leider eine „rechtsoffene“ Regierung und die Grünen sind die Schlimmsten darin.

Da wir gerade von Allianzen sprachen. Deutschland ist zweifelsfrei das Schlüsselland in Europa in der Frage Krieg oder Frieden mit Russland.
Gab es beim Verfassen des Manifests aber auch die Überlegung, dieses auf andere europäische Staaten auszuweiten und nicht nur an Olaf Scholz zu richten?
In Frankreich hätte das Manifest beispielsweise vermutlich auch viel Unterstützungspotenzial. Gab es schon Gespräche in diese Richtung, etwa mit Jean-Luc Mélenchon, zu dem Ihr Mann gute Verbindungen unterhalten soll?

Wir haben Mitte Januar zum ersten Mal darüber nachgedacht, eine solche Initiative zu starten, am 10. Februar wurde das Manifest mit 69 prominenten Erstunterzeichnern veröffentlicht, seither tun wir alles, um die Kundgebung auch ohne starke Organisationen im Rücken solide vorzubereiten.
Wir haben in dieser Situation noch keine Möglichkeit gehabt, an einer europaweiten Vernetzung zu arbeiten. Aber es ist eine wichtige Anregung, die wir in Zukunft gern umsetzen werden.

Mehrere Leserzuschriften haben uns erreicht, die sich hilfesuchend an Sie wenden und um Argumentationshilfe für Diskussionen im Bekannten- und Freundeskreis bitten, was denn konkret umsetzbare Vorschläge für einen aktuellen Verhandlungsfrieden zwischen der Ukraine (plus westliche Unterstützer) sowie Russland wären. Was antworten Sie diesen Lesern?

Nach übereinstimmender Aussage des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Bennet und des türkischen Außenministers gab es im Frühjahr bereits Gespräche und eine so starke Annäherung zwischen Moskau und Kiew, dass ein Friedensschluss in greifbarer Nähe war. Verhindert wurde er damals durch London und Washington.
Kern des Ukraine-Konflikts war immer die Frage einer NATO-Mitgliedschaft, die Frage möglicher westlicher Militärbasen und Raketenrampen.
Im Frühjahr waren die Russen offenbar bereit, sich für ein Zugeständnis in dieser Frage hinter die Linien des 24. Februar 2022 zurückzuziehen. Ob das heute noch möglich wäre, weiß ich nicht.
Mit der Annexion der Regionen Luhansk und Donezk hat Putin Fakten geschaffen, hinter die er kaum zurückgehen wird.
Aber das zeigt doch wieder: Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird ein Kompromiss. Aktuell sehe ich eigentlich nur den Weg, die Frontlinie zunächst einzufrieren und später ein UN-beaufsichtigtes Referendum in diesen Gebieten durchzuführen.

seymour hersh

seymour hersh

In den letzten Tagen sorgte die Recherche des renommierten US-Investigativ-Reporters Seymour Hersh für Furore, in welcher er erklärte, Nord Stream sei auf direkten Befehl des US-Präsidenten Joe Biden gesprengt worden.
Bereits vor der Hersh-Veröffentlichung war offensichtlich geworden, dass die Bundesregierung keinerlei Interesse zeigt, die mutwillige Zerstörung eines der größten und teuersten Infrastrukturprojekte Europas wirklich aufklären zu wollen.
Was ist Ihre Einschätzung der Lage? Kennt die Bundesregierung den Täter, traut sich aber aus diversen Gründen nicht, dies öffentlich kundzutun?

Die Bundesregierung gibt jedenfalls selbst zu, dass sie mehr weiß, als sie öffentlich sagt. Kollegen im Bundestag und auch ich selbst haben sie mehrfach dazu befragt und immer wurde die Antwort verweigert, nicht, weil man vorgab, nichts zu wissen, sondern „aus Gründen des Staatswohls“.
Wer eins und eins zusammenzählen kann, dürfte keinen großen Zweifel daran haben, wer die Pipeline gesprengt hat. Zumal Biden das ja faktisch in der Pressekonferenz mit Scholz angekündigt hat.
Die russisch-deutschen Pipeline-Projekte waren den Amerikanern immer ein Dorn im Auge, schon zu Beginn der Zusammenarbeit in den achtziger Jahren.
Und tatsächlich gibt es auch nur einen großen Profiteur: Alle Experten sind sich einig, dass das nunmehr aus Europa verbannte preiswerte russische Gas in Zukunft nahezu vollständig durch das sehr viel teurere US-amerikanische Flüssiggas ersetzt wird.

Im Zusammenhang mit Nord Stream, dem Sanktionsregime und dem Krieg in der Ukraine erreichten uns viele Leserzuschriften mit einer Frage an Sie, die sich so zusammenfassen lässt:
Wie können wir, Deutschland und EU, uns aus der desaströsen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Hörigkeit und Abhängigkeit von den USA lösen?
Was bräuchte es, um dies überhaupt zu einem realistischen Szenario zu machen?

Also, in erster Linie bräuchte es einen Bundeskanzler mit Rückgrat. Und Koalitionspartner, die ihn dabei unterstützen.
Auf europäischer Ebene sollte die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Ländern wie Frankreich suchen, die sich traditionell ein unabhängigeres, souveränes Europa wünschen.

Die wohl unangenehmste Frage für Sie haben wir uns in alter Tradition für den Schluss aufgehoben. Wie bereits erwähnt, hatten wir im Vorfeld des Interviews unseren Lesern angeboten, uns Fragen an Sie zuzuschicken.
Die Reaktion war geradezu überwältigend, uns erreichten über 350 Fragen. 84 davon, also 24 Prozent der eingegangenen Zuschriften, hatten folgendes Thema in unterschiedlichen Frage-Formulierungen zum Inhalt: „Wann gründen Sie endlich Ihre eigene Partei?“, „Warum haben Sie noch keine eigene Partei gegründet?“, „Was hindert Sie daran, eine neue Partei zu gründen?“, „Wird zu den Europawahlen eine neue Bewegung/Partei unter Mitwirkung von Ihnen antreten, die sich kompromisslos gegen Waffenlieferungen und Sanktionen stellt, oder bleibt es beim Schaulaufen?“.

Das ist eine wichtige Frage, über die ich natürlich, wie viele andere, nachdenke. Es ist ja tatsächlich so, dass es eine riesige Leerstelle im politischen System gibt.
Die Linkspartei fällt als relevante Kraft für Frieden und Gerechtigkeit nach dem Urteil vieler Wähler aus, seit die Parteispitze die woken Grünen kopiert und bei wichtigen Themen Angst vor der eigenen Courage hat.
Insofern wäre da schon Bedarf für eine neue Partei, die rund 30 Prozent der Menschen endlich einmal wieder eine Stimme gibt.
Aber es ist in Deutschland nicht leicht, eine neue Partei zu gründen. Es gibt viele Fallstricke. So ein Projekt ohne solide Vorbereitung zu beginnen, hätte wenig Aussicht auf Erfolg.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Nord-Stream von USA gesprengt – Wer hatte je Zweifel daran? – Eine Kriegserklärung an Deutschland?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Zwei Kommentare auf RT.de

1. von Dagmar Henn: Wer hatte je Zweifel daran?

dagmar henn

dagmar henn

https://pressefreiheit.rtde.live/meinung/162451-seymour-hersh-sprengte-grabstein-ueber/
Die deutschen Medien mühen sich nach Kräften, die Äußerungen der Journalistenlegende Seymour Hersh gar nicht ernst zu nehmen, die USA und Norwegen hätten die Sprengung der Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 durchgeführt. Schließlich hätten sowohl das Weiße Haus in Washington, D.C. als auch die CIA erklärt, sie wären es nicht gewesen. Als wäre es jemals vorstellbar, dass sich Sprecher sowohl der Regierung als auch des Geheimdienstes vor die Kameras stellten und sagten: Ja, wir waren es.

Regierung auf Frage zu Nord-Stream-Sprengung: „Strengste Geheimhaltung, Staatswohl gefährdet“

Allerdings werden in der Berichterstattung auch fast alle Momente verschwiegen, in denen US-Vertreter eben solch einer Aussage schon sehr nahe kamen. Selbst Victoria Nuland hat erst vor wenigen Wochen vor dem US-Parlament ausgesagt und konnte dabei vor lauter Freude über die Zerstörung der Pipelines kaum mehr an sich halten, so dass es in Kommentaren dazu hieß, man habe ihr anmerken können, wie gerne sie sich dafür gelobt hätte.
Ein offizielles Dementi, noch dazu von der spärlichsten Art, würde unter normalen Umständen am Ende eines Artikels vermerkt, mehr nicht. Aber die deutschen Mainstream-Pressevertreter fühlen sich berufen, sich schützend vor den Hegemon zu werfen. Also wird ein wertloses Dementi so wortreich aufgeblasen, dass man es benutzen kann, um die eigentlich brisante Information zu verdecken. Der Bayerische Rundfunk titelt sogar gleich: „USA stellen klar: Haben Nord-Stream-Pipelines nicht gesprengt.“ Gut, dass wir darüber gesprochen haben.

Einzig der Artikel auf dem Werbeportal t-online.de benennt zumindest jenen Grund, warum alle die Dementis sehr skeptisch gesehen werden müssten. Denn die Sprengung der Pipelines „wäre ein Vorgang, der von der russischen Gegenseite und auch von Deutschland als kriegerischer Akt gewertet werden könnte“.
Allerdings nutzt auch hier der Autor obendrein diesen Grund, um stattdessen Hershs Darstellung sogar infrage zu stellen.

Nun, es gibt durchaus Möglichkeiten, das zu klären. Die US-Justiz ist bekannt für ihre aufwendigen und teuren Schadensersatzprozesse, und die Ermittlungen von Seymour Hersh könnten immerhin genügen, um die Regierung der Vereinigten Staaten zu verklagen. Dann bestünde beispielsweise die Möglichkeit, Angehörige der von Hersh benannten Marinetauchereinheit als Zeugen zu laden.
Und da in den USA Sammelklagen zulässig sind, die Zahl der durch die Sprengung Geschädigten sogar in die Millionen geht und sich darunter auch durchaus Zahlungskräftige befinden, ist ein solches Verfahren sogar wahrscheinlich, selbst wenn oder sogar vor allem dann, wenn der deutsche Bundeskanzler weiter so tut, als sei sein Name Hase – statt Scholz.

Der Fall Nord Stream: Europas nächster Krieg geht auf Warschaus Kappe

Es sind auch verschiedenste Konstellationen vorstellbar, unter denen in den USA selbst weiter nachgeforscht werden dürfte. Denn keineswegs alle US-Abgeordneten stützen die herrschende Ukraine-Politik, und die Enthüllungen von Hersh sind auch für die US-Innenpolitik durchaus heikel. Er erklärt beispielsweise, dass die Planungen für die Sprengung bereits im Dezember 2021 begonnen hätten.
Im Dezember 2021 hatte noch nicht einmal der russische Militäreinsatz in der Ukraine begonnen. Wenn zu diesem Zeitpunkt Handlungen in die Wege geleitet wurden, die unter normalen Umständen als Kriegsakt gegen auch mindestens einen eigenen engen Verbündeten gelesen werden müssen und damit das Potential hätten, die gesamte NATO zu sprengen, müssen sich die USA sehr sicher gewesen sein, dass es zu diesem Militäreinsatz kommen wird. Das wiederum ist nur dann möglich, wenn sie ihn selbst provozieren wollten. Sowohl das Ziel der Handlung als auch der Zeitpunkt des Planungsbeginns dürften bei einigen Angehörigen des US-Kongresses nicht gut ankommen. Noch weniger, wenn die Einheit, die die Sprengsätze nach Darstellung von Hersh im Sommer 2022 legte, extra deshalb ausgewählt wurde, weil diese spezielle Einheit eingesetzt werden konnte, ohne den Kongress darüber informieren zu müssen.

Das ist auch der von Hersh angegebene Grund, warum auf Minenräumung spezialisierte Marinetaucher – und nicht die bekannten Kampftaucher der Navy Seals – damit beauftragt wurden, die Sprengungen vorzubereiten. Den US-Kongress zu umgehen, klingt nach einer praktischen Lösung, ist aber ein zweischneidiges Schwert; wenn es aufgedeckt wird, nehmen das gelegentlich sogar jene Abgeordneten übel, die wahrscheinlich zugestimmt hätten, wären sie gefragt worden.

Wobei die Verlautbarung des US-Präsidenten Joe Biden auf der denkwürdigen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in Washington, D.C. am 7. Februar 2022 womöglich auch noch einen Einfluss auf die Einstufung dieser Pläne gehabt hat. Biden hatte damals – ohne irgendeine erkennbare Reaktion von Scholz – versichert, im Falle eines russischen Einmarsches „gibt es kein Nord Stream 2 mehr. Wir werden es beenden“.

US-Investigativjournalist Hersh: USA stecken hinter Nord-Stream-Anschlägen

Seine Quelle, so Hersh, berichtet, daraufhin hätten einige führende CIA-Leute entschieden, es handele sich bei einer Sprengung der Pipeline nicht mehr um eine verdeckte Operation, „weil der Präsident gerade erklärt hat, dass wir wissen, wie es geht“.
Damit wäre die Notwendigkeit, den US-Kongress zu informieren, entfallen. Die Entscheidung bezüglich der dabei eingesetzten Einheit blieb aber wohl bestehen.

Ob diese Einschätzung von den Abgeordneten im Kongress geteilt wird, wird sich zeigen. Schließlich befinden sich die USA auch bereits im Anlauf zu den nächsten Präsidentschaftswahlen, und eine Kriegshandlung gegen Verbündete ist durchaus dafür verwertbar. Ganz im Gegensatz zur Biden-Regierung, die sich mit ihrem Getöse zum vermeintlichen Skandal um Geheimdokumente in Mar-a-Lago letztlich ein Eigentor gönnte, wäre das Verhalten von Biden zu Nord Stream angesichts der möglichen Folgen ein wirklicher Skandal.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob das Team von Donald Trump bereit ist, dieses Thema auszuschlachten. Dass es innerhalb der USA keinerlei Reaktion geben wird, ist jedenfalls äußerst unwahrscheinlich. Die Jagd ist bereits eröffnet.

Aber zurück zu Hersh. Die Sprengsätze, schreibt er, seien während des Manövers BALTOPS 22 gelegt, aber erst Monate später gezündet worden. Und die Zündung erfolgte dann durch die norwegische Marine. Der zweite Beteiligte wäre demnach nicht Großbritannien – wie von russischer Seite bisher vermutet –, sondern Norwegen. Was würde nun Norwegen motiviert haben, eine Kriegshandlung gegen europäische NATO-Verbündete zu unternehmen?

Neue Details: Wie die CIA die Anschläge auf die Nord Stream-Pipelines plante

Hersh vermerkt zur Person des derzeitigen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg, der zuvor norwegischer Regierungschef war, er habe bereits „seit dem Vietnamkrieg mit amerikanischen Diensten zusammengearbeitet“.
Diese Datierung ist allerdings problematisch; Jens Stoltenberg ist Jahrgang 1959; beim Ende des Vietnamkriegs war er erst fünfzehn, was zumindest ein recht ungewöhnliches Alter wäre, um für US-Dienste interessant zu sein. Vermutlich sind aber solche Kontakte eine Mitgift der Familie – schon sein Vater war Politiker: von 1979 bis 1981 norwegischer Verteidigungsminister und von 1987 bis 1989 sowie von 1990 bis 1993 Außenminister. Eine Tante mütterlicherseits war mit einem weiteren Verteidigungsminister verheiratet, und der junge Jens Stoltenberg war zehn Jahre lang Mitglied des Vorstands der Jugendorganisation der Arbeiterpartei, also der norwegischen Jusos (in dieser Zeit allerdings, zumindest nach außen, sogar NATO-Gegner).

Dass Stoltenberg gewissermaßen zur sozialdemokratischen Polit-Aristokratie Norwegens gehört, war mit Sicherheit hilfreich, um die Kooperation anzubahnen. Die Gründe, warum Norwegen dazu bereit gewesen sein könnte, liegen allerdings tiefer.
Der erste Grund ist recht offensichtlich: Norwegen ist selbst Öl- und Gasproduzent, konnte (leicht vorhersehbar) seinen Marktanteil in Westeuropa nach dem Ende von Nord Stream deutlich ausdehnen, und das obendrein zu noch höheren Preisen. Erdöl und Erdgas werden von staatlichen norwegischen Unternehmen gefördert, das staatliche Interesse ist in Norwegen also unmittelbar.

Es gibt allerdings noch einen weiteren Punkt: Norwegen besitzt einen der größten Staatsfonds weltweit. In diesen Fonds fließen nicht nur die Einnahmen der Sozialversicherungen, sondern auch Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung (meine persönliche Erinnerung sagt mir, dass Norwegen ursprünglich die Einnahmen direkt ausschütten wollte, jedoch dazu gezwungen wurde, stattdessen den Umweg über einen Staatsfonds zu gehen. Leider liegt das zu lange zurück, um dafür auf die Schnelle Belege zu finden).

Damit ist das gesamte Sozialsystem Norwegens von der Entwicklung der Aktienkurse abhängig. Auch ein Zusammenbruch des US-Dollar-Systems würde dadurch massive Folgen für den norwegischen Staat haben.
Das ist zweifellos ein sehr starker Anreiz, sich für den Erhalt der US-Hegemonie einzusetzen, auch wenn eine Reihe von norwegischen Beteiligungen, etwa bei Henkel oder der Deutsche Post AG, darunter leiden dürfte.

Wer hat die Nord-Stream-Röhren sabotiert? Die Liste der Verdächtigen ist vergleichsweise kurz

https://pressefreiheit.rtde.live/meinung/150028-sabotage-bei-nord-stream-kampftaucher/

Dagmar Henn am 27 Sep. 2022: Kampfschwimmer besitzen in alphabetischer Reihenfolge Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Russland, Schweden, Schweiz, Südafrika und die Vereinigten Staaten. Dänemark besitzt keine U-Boote, hat aber den Vorteil, dass die Orte der Zwischenfälle in der Nähe des eigenen Staatsgebiets liegen, wenn auch außerhalb der Hoheitsgewässer. Auch Finnland besitzt keine U-Boote. Die restlichen Staaten auf der Liste erfüllen beide Kriterien. …
Versuche durch RT DE, bei einem deutschen biologischen Forschungsinstitut nachzufragen, ob es eventuell Auffälligkeiten aufgezeichnet hätte (wer den Gesängen der Schweinswale lauscht, zeichnet auch eventuelle Explosionen auf), endeten in einer Schlaufe aus „ist nicht im Haus“, „weiß ich nicht“ und „kann ich nicht finden“. Ein Indiz dafür, dass alternative Datenquellen bereits abgeschottet werden, was wiederum darauf hindeutet, dass deutsche Stellen mit involviert waren. Denn wenn es sich um eine Handlung gegen den Willen der Bundesregierung gehandelt hätte, hätte diese ein Interesse daran, gerade solche Schlupflöcher für wirkliche Informationen offen zu halten, bei denen sie selbst sich dann auf die berühmte glaubwürdige Abstreitbarkeit berufen kann. …

Praktisch gleichzeitig zur Sprengung von Nord Stream, nämlich am 27. September 2022, wurde die Baltic Pipeline eröffnet, die norwegisches Erdgas von West nach Ost, nämlich Polen transportiert. Zwar ist sie im Vergleich zu den vier Röhren von Nord Stream 1 und 2 winzig und hat nur eine Kapazität von 10 Milliarden Kubikmetern jährlich, aber die leistungsstärkere und günstigere Konkurrenz von Nord nach Süd ist wenigstens momentan aus dem Spiel.

Lässt sich die Darstellung von Hersh beweisen? Die erste Überprüfung ist sehr simpel. Die Zündung der Sprengsätze soll durch eine akustische Boje erfolgt sein, die eine Folge niederfrequenter Töne abgegeben haben soll, die sich von den üblichen Hintergrundgeräuschen klar unterscheiden müssen.
Dutzende von Mikrofonen, die in der Ostsee hängen, müssten diese Signale im entsprechenden Zeitraum aufgezeichnet haben, denn Schall breitet sich unter Wasser gut über Hunderte von Kilometern aus. Findet sich eine solche unikale Tonfolge in den Aufzeichnungen, dann ist der Rest der Geschichte vermutlich ebenso stichhaltig. Die Bundesregierung sollte das, sofern sie überhaupt an der Wahrheit interessiert ist, mit einer einzigen Runde von Telefonaten unter Verbündeten klären können.
Auch der dänische Marinegeheimdienst, vor dessen Nase das Ganze geschehen ist, dürfte spätestens jetzt in seinen Aufzeichnungen suchen, falls er das nicht schon längst getan hatte.

Die anonyme Quelle, auf die sich Seymour Hersh bezieht, ist aller Wahrscheinlichkeit nach in der CIA zu suchen. Das lässt sich an zwei Stellen seines Textes erkennen. Zum einen schreibt Hersh, die Änderung der norwegischen Pläne von einer ursprünglich unmittelbar, binnen 48 Stunden nach Platzierung der Sprengsätze geplanten Sprengung hin zu einer mit langer Verzögerung ausgelösten Sprengung habe bei der CIA für Unbehagen gesorgt: „Das erneuerte auch die Sorgen, die manche hatten, was die Notwendigkeit wie die Legalität der ganzen Operation anging.“ Und das sind schließlich Sorgen, die bei einem staatlich organisierten Akt des Terrors, einer Kriegshandlung, durchaus angebracht sind.
Und zum anderen zitiert er am Schluss des Artikels wörtlich die Quelle, die augenscheinlich sowohl die technische Planung bewundert als auch dem US-Präsidenten Joe Biden zugesteht, die „Eier“ für solch ein Aktion zu haben:

„Es war eine schöne Titelgeschichte. Dahinter war eine verdeckte Operation, die Experten ins Spiel brachte, und Ausrüstung, die auf ein verdecktes Signal hin funktionierte. Der einzige Fehler war die Entscheidung, es zu tun.

Nun, Hersh hat genug Piranhas in den Pool geworfen, um den Urheber bis auf das Skelett freizulegen. Auch wenn der deutsche Bundeskanzler bereit ist, seinen letzten Rest Selbstachtung, sofern noch vorhanden, auf ein wertloses US-Dementi hin preiszugeben, und auch wenn sich die Berliner Politblase überwiegend derart vom nationalen Interesse abwendet, dass es nicht einmal mehr nützen würde, sie zum Jagen zu tragen: Für interessante Schadensersatzklagen und für Unruhe innerhalb der US-Politik dürften diese Informationen allemal genügen. Denn der Rest der Welt außerhalb der westlichen Blase hatte ohnehin niemals Zweifel, wer die Röhren gesprengt hat: Cui bono?

2. von Gert Ewen Ungar: Eine Kriegserklärung an Deutschland?

https://pressefreiheit.rtde.live/meinung/150122-zerstorung-von-nord-stream-kriegserklarung/

G_E_UNGERMit der Sabotage von Nord Stream wurde die EU zum Kriegsschauplatz. Es ist klar geworden, dass es nicht um die Ukraine geht. Wir haben es mit einem Krieg der USA gegen Russland zu tun, der sich vor allem auch gegen Deutschland richtet. Weder die BRD noch die EU sind in diesem geopolitischen Spiel noch eigenständige Akteure.

Der Filmemacher Gonzalo Lira sieht im Sabotageakt gegen Nord Stream eine Kriegserklärung der USA gegenüber den Europäern. Insbesondere Deutschland sei vom wichtigsten Verbündeten der Krieg erklärt worden, legt er in einem Video dar. Das ist eine steile These, die aber nicht allzu schnell weggewischt werden sollte. Schon nach kurzer Überlegung ist klar, die USA sind zweifellos der größte Profiteur des Anschlags auf die europäische Gas-Infrastruktur. Sie haben zudem sowohl die Mittel als auch die Gelegenheit zur Ausführung.

Man muss Lira nicht in allem zustimmen. Aber mit der Sabotage von Nord Stream ist eines klar geworden: Der Schauplatz des Krieges hat sich vergrößert. Es ist nicht mehr nur die Ukraine, in der militärische Handlungen stattfinden. Es ist nicht mehr nur ein Wirtschaftskrieg zwischen dem Westen und Russland. Deutschland und die EU sind mit dem Anschlag auf Nord Stream zum Schlachtfeld geworden.

Die deutschen Medien deuten gemeinsam mit der deutschen Politik in Richtung Russland, wenn es um die Frage nach dem Schuldigen geht. Das ist allerdings wenig überzeugend. Den größten ökonomischen und machtpolitischen Vorteil haben die USA.

Zugegeben, es sind bisher alles Mutmaßungen und lediglich Indizien. Tatsächliche Beweise für eine Täterschaft gibt es aktuell nicht. Aber selbst dann, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt medial vorgeführt werden, ist größte Skepsis angebracht. Denn es geht um viel, um den machtpolitischen Einfluss über Westeuropa. Aktuell ermitteln Schweden, Dänemark und Deutschland, und auch die NATO hat ihren Einstieg in die Ermittlungen angekündigt. Alle sind Konfliktpartei in der Auseinandersetzung mit Russland. Objektive Ergebnisse sind in dieser Konstellation nicht zu erwarten. Es gilt daher, skeptisch zu bleiben.

Es ist wenig plausibel, dass Russland die eigene Infrastruktur zerstört, in die es zuvor Milliarden investiert hat. Zumal Russland all die Ziele, die der Westen dem Land unterstellt, durch bloßes Abschalten hätte ebenso erreichen können. Russland sitzt im wahrsten Sinne des Wortes am längeren Hebel und kann die Gasdurchleitung mit einem Knopfdruck beenden. Es ist nicht notwendig, die gesamte Infrastruktur zu beschädigen. Die Deutschen und die Europäer sollten sich fragen, wer hier ein größeres Interesse, wer das bessere Motiv und auch wer den geringsten Schaden hat. All das weist weg von Russland, und es weist in Richtung USA.

Forderungen nach Öffnung von Nord Stream 2 angesichts der Gasmangellage, wie sie aus der deutschen Zivilgesellschaft kamen, sind nun sinnlos. Die zumindest theoretische Verhinderung der kommenden Rezession hat sich erledigt. Das Schicksal Europas wirkt besiegelt – zumindest das wirtschaftliche. Der deutsche Konkurrent ist ausgeschaltet. Denn ganz gleich, wer für die Anschläge auf Nord Stream verantwortlich ist, hat Deutschland und die EU in Geiselhaft genommen, indem es der Region das ökonomische Rückgrat gebrochen hat.

Die Schäden an der Pipeline sind umfassend. Eine Reparatur sei schwierig, sagte Gazprom bereits. Ob Gazprom überhaupt ein Interesse an der Reparatur hat, ist zudem offen. Die Partner waren mehr als unzuverlässig in der Vergangenheit.
Auf jeden Fall wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, wie realistisch die Politik Deutschlands und der EU ist, die versprach, sich relativ kurzfristig aus der Abhängigkeit von russischem Gas befreien zu können.

Es waren immer sehr vollmundige Ankündigungen: grüner Wasserstoff, Energiewende, enorme Investitionen und neue strategische Kooperationen. Dann legt mal los, möchte man sagen, denn jetzt rennt tatsächlich die Zeit davon. Vor dem Hintergrund der Geschehnisse entsteht der Eindruck, als hätten die EU und die deutsche Politik den Mund zu voll genommen. Klar ist auf jeden Fall, der Blow-up von Nord Stream war eine echte Zeitenwende.

Mit dem Anschlag soll offenkundig die Verbindung zwischen EU und Russland gekappt werden. Es ist nicht Russland, das daran ein Interesse hat. Es passiert zudem zu einem Zeitpunkt, an dem der Bürgerprotest in den westeuropäischen Staaten gegen die Sanktionspolitik der US-freundlichen politischen Eliten eskaliert.

Das Wohl Deutschlands und Europas wird jetzt dem Kriegsziel geopfert. Und das Kriegsziel wird damit eben auch deutlicher formulierbar. Es geht nicht um die Ukraine. Es geht nicht um deren territoriale Integrität. Es geht auch nicht um Demokratie gegen Autokratie. Dieser Krieg, das wurde deutlich, ist ein Krieg zwischen den USA und Russland.
Der Kriegsverlauf in der Ukraine wird durch den Anschlag auf Nord Stream nicht beeinflusst.

Jetzt ist Europa im Krieg angekommen. Und es zeigt sich, die EU verfügt über keine Mittel, in diesem Krieg zu bestehen, zumal dann nicht, wenn der Hegemon sich gegen sie wendet und bereit ist, Europa im Spiel um Macht und Einfluss zu opfern.
Die EU ist nicht souverän. Sollte der Feind Europas nicht im Osten, sondern tatsächlich im Westen stehen, dann ist Europa ohne jede Resilienz und allem, was jetzt kommt, schutzlos ausgeliefert.
Es muss nicht so sein, aber man sollte den Gedanken zulassen, dass die USA der Feind sind und der EU und Deutschland gerade den Krieg erklärt haben. Es ist an der Zeit.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Star-Journalist Seymour Hersh: Wie die USA Nord Stream gesprengt haben

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Thomas Röper hat den Artikel frisch, heute um 0:24 Uhr übersetzt:
https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-details-werden-bekannt-wie-die-usa-nord-stream-gesprengt-haben/
Auszüge:
Seymour Hersh ist eine journalistische Legende, denn er hat bei der Aufdeckung der meisten Skandale der US-Regierung seit dem Vietnamkrieg mitgewirkt. Schon 1969 wurde er weltbekannt, als er während des Vietnamkriegs Kriegsverbrechen der US-Armee aufdeckte. 2004 publizierte er zum Folterskandal der US-Armee während des Dritten Golfkrieges im irakischen Abu-Ghuraib-Gefängnis, er war es, der als erster die wahre Geschichte über die Ermordung von Bin Laden veröffentlicht hat, er deckte politische Morde unter der Regierung von Bush und Obama auf, die Liste seiner Enthüllungen ist unglaublich lang.

Natürlich hat er sich damit keine Freunde gemacht, aber er scheint das sportlich zu sehen, denn er sagte dazu einmal:

„Es gab noch nie einen Präsidenten, der mich leiden konnte. Ich nehme es als Kompliment“

Das dürfte spätestens jetzt auch für Präsident Biden gelten, denn Hersh hat einen langen Artikel veröffentlicht, in dem er berichtet, wie die Biden-Regierung die Sprengung Nord Streams seit 2021 vorbereitet hat und wie dieser Akt von Staatsterrorismus umgesetzt wurde.

Ich habe diese Einleitung über Hersh geschrieben, weil ich darauf hinweisen will, dass Enthüllungen von Seymour Hersh ernst genommen werden sollten. Das gilt auch für diese über die Sprengung von Nord Stream.

Dass die USA hinter der Sprengung stecken, dürfte niemanden überraschen. Für mich ist die Geschichte von Hersh aber noch aus einem weiteren Grund ein Schock: Einige Wochen nach der Sprengung hat sich jemand bei mir gemeldet, der behauptet hat, Soldat bei dem Manöver BALTOPS 22 gewesen zu sein und der gesehen haben will, wie ausgesprochen arrogant aufgetretene Spezialtaucher aus den USA auf dem Kriegsschiff, auf dem er gedient hatte, genau am Ort der späteren Sprengung das Anbringen von Minen „geübt“ hätten.
Diese Taucher seien zu seinem Schiff gebracht worden, nur für die „Übung“ im Bereich der Pipelines an Bord gewesen, hätten den Kontakt mit allen anderen Besatzungsmitgliedern gemieden, und seien dann wieder mit dem Hubschrauber abgeholt worden. Nach der Explosion der Pipelines einige Wochen später war er sich sicher, dass das die Männer waren, die die Sprengladungen angebracht hatten.
Leider konnte er für seine Geschichte keine Belege liefern und wollte anonym bleiben, weshalb ich nicht darüber berichtet habe, denn er konnte mir nicht Belastbares geben. Aufgrund einer Geschichte von jemandem, der seine Identität nicht preisgibt und keine Belege für seine Geschichte liefern kann, schreibe ich natürlich keinen Artikel.
Nach dem Artikel von Hersh bin ich jedoch sicher, dass dieser Informant, der sich damals bei mir gemeldet hat, die Wahrheit gesagt hat, weil seine Geschichte exakt zu dem passt, was Hersh veröffentlicht hat.

Ich habe den Artikel von Hersh komplett übersetzt. Seinen Originalartikel finden Sie hier. Im Anschluss an die Übersetzung habe ich noch die ersten Reaktionen der US-Regierung auf den Artikel von Hersh zusammengestellt.

Beginn der Übersetzung:

Wie Amerika die Nord Stream-Pipeline ausgeschaltet hat

Die New York Times nannte es ein „Mysterium“, aber die USA haben eine verdeckte Seeoperation durchgeführt, die geheim gehalten wurde – bis jetzt

Das Tauch- und Bergungszentrum der US-Marine befindet sich an einem Ort, der so obskur ist wie sein Name – an einem ehemaligen Feldweg im ländlichen Panama City, einer heute boomenden Ferienstadt in Florida, 70 Meilen südlich der Grenze zu Alabama.
Der Komplex des Zentrums ist so unscheinbar wie sein Standort – ein trister Betonbau aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, der an eine Berufsschule im Westen Chicagos erinnert. Auf der anderen Seite der heute vierspurigen Straße befinden sich ein Münzwaschsalon und eine Tanzschule.

Das Zentrum bildet seit Jahrzehnten hochqualifizierte Tiefseetaucher aus, die einst amerikanischen Militäreinheiten auf der ganzen Welt zugeteilt waren. Sie sind in der Lage, technische Tauchgänge durchzuführen, um sowohl das Gute zu tun – C4-Sprengstoff zu verwenden, um Häfen und Strände von Trümmern und nicht explodierten Sprengkörpern zu befreien – als auch das Schlechte, wie das Sprengen ausländischer Ölplattformen, das Verschmutzen von Einlassventilen für Unterwasserkraftwerke und die Zerstörung von Schleusen an wichtigen Schifffahrtskanälen.
Das Zentrum in Panama City, das über das zweitgrößte Hallenbad Amerikas verfügt, war der perfekte Ort, um die besten und wortkargsten Absolventen der Tauchschule zu rekrutieren, die im vergangenen Sommer erfolgreich das taten, wozu sie 260 Fuß (ca. 85 Meter) unter der Oberfläche der Ostsee befugt gewesen waren.

Im vergangenen Juni brachten die Marinetaucher im Rahmen eines weithin bekannten NATO-Sommermanövers namens BALTOPS 22 die fernausgelösten Sprengsätze an, die drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörten, so eine Quelle mit direkter Kenntnis der Einsatzplanung.

Zwei der Pipelines, die unter dem Namen Nord Stream 1 bekannt sind, haben Deutschland und weite Teile Westeuropas seit mehr als einem Jahrzehnt mit billigem russischen Erdgas versorgt. Ein zweites Paar von Pipelines, Nord Stream 2 genannt, war bereits gebaut, aber noch nicht in Betrieb. Nun, da sich russische Truppen an der ukrainischen Grenze sammelten und der blutigste Krieg in Europa seit 1945 drohte, sah Präsident Joseph Biden in den Pipelines ein Mittel für Wladimir Putin, Erdgas für seine politischen und territorialen Ambitionen zu instrumentalisieren.
Adrienne Watson, eine Sprecherin des Weißen Hauses, antwortete auf Anfrage dazu in einer E-Mail: „Das ist falsch und völlig frei erfunden.“ Tammy Thorp, eine Sprecherin der CIA, schrieb ebenfalls: „Diese Behauptung ist komplett und völlig falsch.“

Bidens Entscheidung, die Pipelines zu sabotieren, kam nach mehr als neun Monaten streng geheimer Debatten innerhalb der nationalen Sicherheitscommunity in Washington darüber, wie dieses Ziel am besten zu erreichen sei. Die meiste Zeit über ging es nicht um die Frage, ob die Mission durchgeführt werden sollte, sondern darum, wie sie durchgeführt werden konnte, ohne dass bekannt wird, wer dafür verantwortlich war.

Es gab einen wichtigen bürokratischen Grund, sich auf die Absolventen der Tauchschule des Zentrums in Panama City zu verlassen. Die Taucher gehörten ausschließlich der Marine an und nicht dem amerikanischen Kommando für Sondereinsätze, dessen verdeckte Operationen dem Kongress gemeldet und der Führung des Senats und des Repräsentantenhauses – der so genannten Gang of Eight – im Voraus mitgeteilt werden müssen. Die Biden-Administration tat alles, um undichte Stellen zu vermeiden, als die Planung Ende 2021 und in den ersten Monaten des Jahres 2022 stattfand.

Präsident Biden und sein außenpolitisches Team – der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und Victoria Nuland, die Unterstaatssekretärin für Politik – hatten sich klar und deutlich gegen die beiden Pipelines ausgesprochen, die von zwei verschiedenen Häfen im Nordosten Russlands nahe der estnischen Grenze Seite an Seite auf einer Länge von 750 Meilen unter der Ostsee hindurch verlaufen und an der dänischen Insel Bornholm vorbeiführen, bevor sie in Norddeutschland enden.

Die direkte Route, die den Transit durch die Ukraine umging, war ein Segen für die deutsche Wirtschaft, die in den Genuss eines Überflusses an billigem russischem Erdgas kam – genug, um ihre Fabriken zu betreiben und ihre Häuser zu heizen, während die deutschen Verteilerunternehmen überschüssiges Gas mit Gewinn in ganz Westeuropa verkaufen konnten. Maßnahmen, die auf die US-Regierung zurückgeführt werden könnten, würden gegen das Versprechen der USA verstoßen, den direkten Konflikt mit Russland zu minimieren. Geheimhaltung war unerlässlich.

Von Anfang an wurde Nord Stream 1 von Washington und seinen anti-russischen NATO-Partnern als Bedrohung der westlichen Vorherrschaft angesehen. Die dahinter stehende Holdinggesellschaft, die Nord Stream AG, wurde 2005 in der Schweiz in Partnerschaft mit Gazprom gegründet. Gazprom ist ein börsennotiertes russisches Unternehmen, das enorme Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaftet und von Oligarchen beherrscht wird, von denen bekannt ist, dass sie im Bannkreis Putins stehen.
Gazprom kontrollierte 51 Prozent des Unternehmens, während sich vier europäische Energieunternehmen – eines in Frankreich, eines in den Niederlanden und zwei in Deutschland – die restlichen 49 Prozent der Aktien teilten und das Recht hatten, den nachgelagerten Verkauf des preiswerten Erdgases an lokale Verteiler in Deutschland und Westeuropa zu kontrollieren. Die Gewinne von Gazprom wurden mit der russischen Regierung geteilt, und die staatlichen Gas- und Öleinnahmen machten in manchen Jahren schätzungsweise bis zu 45 Prozent des russischen Jahreshaushalts aus.

Amerikas politischen Befürchtungen waren real: Putin würde nun über eine zusätzliche und dringend benötigte wichtige Einnahmequelle verfügen, und Deutschland und das übrige Westeuropa würden von preiswertem, aus Russland geliefertem Erdgas abhängig werden – und gleichzeitig die Abhängigkeit Europas von Amerika verringern.
Tatsächlich ist genau das passiert. Viele Deutsche sahen Nord Stream 1 als Teil der Erlösung der berühmten Ostpolitik des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, die es Nachkriegsdeutschland ermöglichen würde, sich selbst und andere europäische Nationen, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, zu rehabilitieren, indem es unter anderem billiges russisches Gas als Treibstoff für einen florierenden westeuropäischen Markt und eine florierende Handelswirtschaft nutzen würde.

Nord Stream 1 war nach Ansicht der NATO und Washingtons schon gefährlich genug, aber Nord Stream 2, dessen Bau im September 2021 abgeschlossen wurde, würde, wenn die deutschen Aufsichtsbehörden zustimmen, die Menge an billigem Gas verdoppeln, die Deutschland und Westeuropa zur Verfügung stehen würde. Die zweite Pipeline würde außerdem genug Gas für mehr als 50 Prozent des jährlichen Verbrauchs in Deutschland liefern. Die Spannungen zwischen Russland und der NATO eskalierten ständig, unterstützt durch die aggressive Außenpolitik der Biden-Administration.

Der Widerstand gegen Nord Stream 2 flammte vor der Amtseinführung Bidens im Januar 2021 auf, als die Republikaner im Senat, angeführt von Ted Cruz aus Texas, während der Anhörung zur Bestätigung Blinkens als Außenminister wiederholt die politische Bedrohung durch billiges russisches Erdgas ansprachen. Bis dahin hatte ein geeinter Senat erfolgreich ein Gesetz verabschiedet, das, wie Cruz zu Blinken sagte, „[die Pipeline] in ihrem Lauf aufhielt“. Die deutsche Regierung, die damals von Angela Merkel geführt wurde, übte enormen politischen und wirtschaftlichen Druck aus, um die zweite Pipeline in Betrieb zu nehmen.

Würde Biden den Deutschen die Stirn bieten? Blinken bejahte dies, fügte aber hinzu, dass er die Ansichten des neuen Präsidenten nicht im Einzelnen erörtert habe. „Ich kenne seine feste Überzeugung, dass Nord Stream 2 eine schlechte Idee ist“, sagte er. „Ich weiß, dass er möchte, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Überzeugungsmittel einsetzen, um unsere Freunde und Partner, einschließlich Deutschland, davon zu überzeugen, das Projekt nicht weiterzuverfolgen.“

Einige Monate später, als der Bau der zweiten Pipeline kurz vor dem Abschluss stand, lenkte Biden ein. Im Mai verzichtete die US-Regierung in einer erstaunlichen Kehrtwende auf Sanktionen gegen die Nord Stream AG, wobei ein Beamter des Außenministeriums einräumte, dass der Versuch, die Pipeline durch Sanktionen und Diplomatie zu stoppen, „schon immer aussichtslos“ gewesen sei.
Hinter den Kulissen drängten Beamte der Regierung Berichten zufolge den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selensky, der zu diesem Zeitpunkt von einer russischen Invasion bedroht war, dazu, den Schritt nicht zu kritisieren.

Das hatte sofortige Folgen. Die Republikaner im Senat, angeführt von Cruz, kündigten eine sofortige Blockade aller von Biden nominierten Kandidaten für Außenpolitik an und verzögerten die Verabschiedung des jährlichen Verteidigungshaushaltes über Monate hinweg bis tief in den Herbst hinein. Politico bezeichnete Bidens Kehrtwende in Bezug auf die zweite russische Pipeline später als „die eine Entscheidung, die Bidens Agenda wohl noch mehr gefährdet hat, als der chaotische militärische Rückzug aus Afghanistan.“

Die Regierung geriet ins Trudeln, obwohl sie Mitte November einen Aufschub in der Krise erhielt, als die deutschen Energieregulierungsbehörden die Genehmigung für die zweite Nord Stream-Pipeline aussetzten. Die Erdgaspreise stiegen innerhalb weniger Tage um 8 Prozent, da in Deutschland und Europa die Befürchtung wuchs, dass die Aussetzung der Pipeline und die wachsende Möglichkeit eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine zu einem sehr unerwünschten kalten Winter führen könnten. In Washington war nicht klar, wo Olaf Scholz, der neu ernannte deutsche Bundeskanzler, steht. Monate zuvor, nach dem Fall Afghanistans, hatte Scholz in einer Rede in Prag öffentlich die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einer eigenständigeren europäischen Außenpolitik unterstützt – ein klarer Hinweis darauf, dass man sich weniger auf Washington und dessen unberechenbares Handeln verlassen sollte.

Während dieser ganzen Zeit hatten sich die russischen Truppen an den Grenzen der Ukraine stetig und bedrohlich verstärkt, und Ende Dezember waren mehr als 100.000 Soldaten in der Lage, von Weißrussland und der Krim aus anzugreifen. In Washington wuchs die Besorgnis, und Blinken schätzte, dass diese Truppenstärke „in kurzer Zeit verdoppelt werden könnte“.

Die Aufmerksamkeit der Regierung richtete sich wieder einmal auf Nord Stream. Solange Europa von den Pipelines für billiges Erdgas abhängig blieb, befürchtete Washington, dass Länder wie Deutschland zögern würden, die Ukraine mit dem Geld und den Waffen zu versorgen, die sie brauchte, um Russland zu besiegen.

In diesem unruhigen Moment beauftragte Biden Jake Sullivan, eine ministerien-übergreifende Gruppe zusammenzustellen, die einen Plan ausarbeiten sollte.

Alle Optionen sollten auf den Tisch gelegt werden. Aber nur eine würde sich durchsetzen.

PLANUNG

Im Dezember 2021, zwei Monate bevor die ersten russischen Panzer in die Ukraine rollten, berief Jake Sullivan eine Sitzung einer neu gebildeten Arbeitsgruppe ein – Männer und Frauen aus den Stabschefs, der CIA, dem Außen- und dem Finanzministerium – und bat sie um Empfehlungen, wie auf Putins bevorstehende Invasion zu reagieren sei.

Es war das erste einer Reihe von streng geheimen Treffen in einem sicheren Raum im obersten Stockwerk des Old Executive Office Building, das an das Weiße Haus angrenzt und in dem auch das President’s Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) untergebracht war. Es gab das übliche Hin- und Hergerede, das schließlich zu einer entscheidenden Vorfrage führte: Würde die Empfehlung, die die Gruppe dem Präsidenten übermittelte, reversibel sein – wie eine weitere Schicht von Sanktionen und Devisenbeschränkungen – oder irreversibel – also kinetische Aktionen, die nicht rückgängig gemacht werden könnten?

Den Teilnehmern wurde laut der Quelle mit direkter Kenntnis des Prozesses klar, dass Sullivan beabsichtigte, dass die Gruppe einen Plan für die Zerstörung der beiden Nord-Stream-Pipelines ausarbeiten sollte – und dass er die Wünsche des Präsidenten übermittelte.

In den folgenden Sitzungen erörterten die Teilnehmer die Optionen für einen Angriff. Die Marine schlug vor, ein neu in Dienst gestelltes U-Boot einzusetzen, um die Pipeline direkt anzugreifen. Die Luftwaffe diskutierte den Abwurf von Bomben mit verzögertem Zünder, die aus der Ferne gezündet werden könnten. Die CIA vertrat die Ansicht, dass der Angriff in jedem Fall verdeckt erfolgen müsse. Allen Beteiligten war klar, was auf dem Spiel stand. „Das ist kein Kinderkram“, sagte die Quelle. Wenn der Angriff auf die USA zurückgeführt werden könnte, „ist das eine Kriegshandlung“.

Damals wurde die CIA von William Burns geleitet, einem sanftmütigen ehemaligen Botschafter in Russland, der in der Obama-Regierung als stellvertretender Außenminister gedient hatte. Burns ermächtigte rasch eine Arbeitsgruppe der Agentur, zu deren Ad-hoc-Mitgliedern zufällig jemand gehörte, der mit den Fähigkeiten der Tiefseetaucher der Marine in Panama City vertraut war. In den nächsten Wochen begannen die Mitglieder der CIA-Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Plans für eine verdeckte Operation, bei der Tiefseetaucher eingesetzt werden sollten, um eine Explosion entlang der Pipeline auszulösen.

So etwas war schon einmal gemacht worden. Im Jahr 1971 erfuhr der amerikanische Geheimdienst aus noch unbekannten Quellen, dass zwei wichtige Einheiten der russischen Marine über ein im Ochotskischen Meer an der russischen Fernostküste verlegtes Unterseekabel miteinander kommunizierten. Das Kabel verband ein regionales Marinekommando mit dem Hauptquartier auf dem Festland in Wladiwostok.
Ein handverlesenes Team von Mitarbeitern des US-Geheimdienstes CIA und der National Security Agency (NSA) wurde irgendwo im Großraum Washington zusammengetrommelt und arbeitete unter Einsatz von Marinetauchern, umgebauten U-Booten und einem Tiefsee-Rettungsfahrzeug einen Plan aus, mit dem es nach vielen Versuchen und Irrtümern gelang, das russische Kabel zu lokalisieren. Die Taucher brachten ein ausgeklügeltes Abhörgerät auf dem Kabel an, das den russischen Datenverkehr erfolgreich abfing und mit einem Abhörsystem aufzeichnete.

Die NSA erfuhr, dass hochrangige russische Marineoffiziere, die von der Sicherheit ihrer Kommunikationsverbindung überzeugt waren, ohne Verschlüsselung mit ihren Kollegen plauderten. Das Aufzeichnungsgerät und das dazugehörige Band mussten monatlich ausgetauscht werden, und das Projekt lief ein Jahrzehnt lang munter weiter, bis es von einem 24-jährigen zivilen NSA-Techniker namens Ronald Pelton, der fließend Russisch sprach, aufgedeckt wurde. Pelton wurde 1985 von einem russischen Überläufer verraten und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Russen zahlten ihm nur 5.000 Dollar für seine Enthüllungen über die Operation sowie 35.000 Dollar für andere russische Daten, die er zur Verfügung stellte und die nie veröffentlicht wurden.
Dieser Unterwassererfolg mit dem Codenamen Ivy Bells war innovativ und riskant und lieferte unschätzbare Erkenntnisse über die Absichten und Planungen der russischen Marine.

Dennoch war die ministerien-übergreifende Gruppe anfangs skeptisch, was die Begeisterung der CIA für einen verdeckten Tiefseeangriff anging. Es gab zu viele unbeantwortete Fragen. Die Gewässer der Ostsee wurden von der russischen Marine stark patrouilliert, und es gab keine Ölplattformen, die als Deckung für eine Tauchoperation genutzt werden konnten. Müssten die Taucher nach Estland fahren, direkt über die Grenze zu den russischen Erdgasverladedocks, um für den Einsatz zu trainieren? „Das wäre ein Ziegenfick“, wurde der Agentur gesagt.
Während „all dieser Planungen“, so die Quelle, „sagten einige Mitarbeiter der CIA und des Außenministeriums: ‚Macht das nicht. Es ist dumm und wird ein politischer Albtraum, wenn es herauskommt.’“

Dennoch berichtete die CIA-Arbeitsgruppe Anfang 2022 an Sullivans ministerien-übergreifende Gruppe: „Wir haben eine Möglichkeit, die Pipelines zu sprengen.“

Was dann kam, war verblüffend. Am 7. Februar, weniger als drei Wochen vor der scheinbar unvermeidlichen russischen Invasion in der Ukraine, traf sich Biden in seinem Büro im Weißen Haus mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach einigem Wackeln nun fest auf der Seite der Amerikaner stand. Bei der anschließenden Pressekonferenz sagte Biden trotzig: „Wenn Russland einmarschiert … wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“

Zwanzig Tage zuvor hatte Staatssekretärin Nuland bei einem Briefing des Außenministeriums im Wesentlichen dieselbe Botschaft verkündet, ohne dass die Presse darüber berichtet hätte. „Ich möchte Ihnen heute ganz klar sagen“, antwortete sie auf eine Frage, „Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 so oder so nicht vorankommen.“

https://www.youtube.com/watch?v=OS4O8rGRLf8

Mehrere an der Planung der Pipeline-Mission beteiligte Personen zeigten sich bestürzt über die ihrer Meinung nach indirekten Anspielungen auf den Angriff.
„Es war, als würde man eine Atombombe in Tokio auf den Boden legen und den Japanern sagen, dass wir sie zünden werden“, sagte die Quelle. „Der Plan war für die Optionen, die nach der Invasion ausgeführt und nicht öffentlich bekannt gegeben werden sollten. Biden hat es einfach nicht kapiert oder ignoriert.“

Bidens und Nulands Indiskretion, wenn es denn eine solche war, könnte einige der Planer frustriert haben. Aber sie schuf auch eine Gelegenheit. Der Quelle zufolge waren einige hochrangige CIA-Beamte der Ansicht, dass die Sprengung der Pipeline „nicht länger als verdeckte Option betrachtet werden konnte, weil der Präsident gerade bekannt gegeben hatte, dass wir wüssten, wie man es macht.“
Der Plan, Nord Stream 1 und 2 zu sprengen, wurde plötzlich von einer verdeckten Operation, über die der Kongress informiert werden musste, zu einer geheimen Geheimdienstoperation mit militärischer Unterstützung der USA herabgestuft. Nach dem Gesetz, so die Quelle, „gab es keine rechtliche Verpflichtung mehr, den Kongress über die Operation zu informieren. Alles, was sie jetzt tun mussten, war, es einfach zu tun – aber es musste immer noch geheim sein. Die Russen haben eine hervorragende Überwachung der Ostsee.“

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe der Agentur hatten keinen direkten Kontakt zum Weißen Haus und wollten unbedingt herausfinden, ob der Präsident ernst meinte, was er gesagt hatte, also ob die Mission nun genehmigt war. Die Quelle erinnerte sich: „Bill Burns kam zurück und sagte: ‚Tut es.’“

DIE OPERATION

Norwegen war der perfekte Ort für die Basis der Mission.
In den letzten Jahren der Ost-West-Krise hat das US-Militär seine Präsenz in Norwegen, dessen Westgrenze 1.400 Meilen entlang des Nordatlantiks verläuft und oberhalb des Polarkreises an Russland grenzt, erheblich ausgeweitet.
Das Pentagon hat durch Investitionen in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar in die Modernisierung und den Ausbau von Einrichtungen der amerikanischen Marine und der Luftwaffe in Norwegen hoch bezahlte Arbeitsplätze und Verträge geschaffen, die vor Ort nicht unumstritten waren. Zu den neuen Arbeiten gehörte vor allem ein fortschrittliches Radar mit synthetischer Apertur weit im Norden, das tief in Russland eindringen kann und gerade zu dem Zeitpunkt in Betrieb genommen wurde, als die amerikanischen Geheimdienste den Zugang zu einer Reihe von Langstrecken-Abhörstationen verloren, mit denen sie in China hinein lauschen konnten.

Ein neu eingerichteter amerikanischer U-Boot-Stützpunkt, der seit Jahren im Bau war, wurde in Betrieb genommen, und mehr amerikanische U-Boote konnten nun eng mit ihren norwegischen Kollegen zusammenarbeiten, um eine große russische Nuklearstation 250 Meilen östlich auf der Halbinsel Kola zu überwachen und auszuspionieren. Die Amerikaner haben außerdem einen norwegischen Luftwaffenstützpunkt im Norden erheblich ausgebaut und der norwegischen Luftwaffe eine Flotte von Boeing-Poseidon-Patrouillenflugzeugen zur Verfügung gestellt, um die Langstreckenspionage gegen Russland zu verstärken.

Im Gegenzug verärgerte die norwegische Regierung im November letzten Jahres die Liberalen und einige gemäßigte Abgeordnete im Parlament mit der Verabschiedung des ergänzenden Abkommens über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (SDCA). Das neue Abkommen sieht vor, dass die US-Justiz in bestimmten „vereinbarten Gebieten“ im Norden für amerikanische Soldaten zuständig ist, die außerhalb des Stützpunktes eines Verbrechens beschuldigt werden, sowie für norwegische Bürger, die beschuldigt oder verdächtigt werden, die Arbeit auf dem Stützpunkt zu stören.
Norwegen gehörte zu den Erstunterzeichnern des NATO-Vertrags im Jahr 1949, in den Anfängen des Kalten Krieges. Heute ist der Generalsekretär der NATO Jens Stoltenberg, ein überzeugter Antikommunist, der acht Jahre lang norwegischer Ministerpräsident war, bevor er 2014 mit amerikanischer Unterstützung auf seinen hohen NATO-Posten wechselte. Er war ein Hardliner in Sachen Putin und Russland und hatte seit dem Vietnamkrieg mit den amerikanischen Geheimdiensten zusammengearbeitet. Seitdem genießt er volles Vertrauen. „Er ist der Handschuh, der zur amerikanischen Hand passt“, sagte die Quelle.

Zurück in Washington wussten die Planer, dass sie nach Norwegen gehen mussten. „Sie hassten die Russen und die norwegische Marine war voller hervorragender Matrosen und Taucher, die seit Generationen Erfahrung in der hochprofitablen Tiefsee-Öl- und Gasexploration hatten“, sagte die Quelle. Außerdem konnte man darauf vertrauen, dass sie die Mission geheim halten würden. (Die Norweger könnten auch andere Interessen gehabt haben. Die Zerstörung von Nord Stream – falls die Amerikaner es schaffen sollten – würde es Norwegen ermöglichen, weitaus mehr eigenes Erdgas nach Europa zu verkaufen).

Irgendwann im März flogen einige Mitglieder des Teams nach Norwegen, um sich mit dem norwegischen Geheimdienst und der Marine zu treffen. Eine der wichtigsten Fragen war, wo genau in der Ostsee der beste Ort für die Anbringung des Sprengstoffs ist. Nord Stream 1 und 2, die jeweils über zwei Pipelines verfügen, waren auf ihrem Weg zum Hafen von Greifswald im äußersten Nordosten Deutschlands größtenteils nur eine Meile voneinander entfernt.

Die norwegische Marine fand schnell die richtige Stelle in den flachen Gewässern der Ostsee, nur wenige Meilen vor der dänischen Insel Bornholm. Die Pipelines verliefen in einem Abstand von mehr als einer Meile entlang eines Meeresbodens, der nur 260 Fuß tief war. Das wäre in Reichweite der Taucher, die von einem norwegischen Minenjäger der Alta-Klasse aus mit einem Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium aus ihren Tanks tauchen und C4-Sprengladungen an den vier Pipelines anbringen würden, die mit Betonabdeckungen versehen sind. Es wäre eine mühsame, zeitraubende und gefährliche Arbeit, aber die Gewässer vor Bornholm hatten einen weiteren Vorteil: Es gab keine größeren Gezeitenströmungen, die das Tauchen erheblich erschwert hätten.
Nach ein paar Nachforschungen waren die Amerikaner einverstanden.

An diesem Punkt kam wieder einmal die obskure Tiefseetauchergruppe der Marine in Panama City ins Spiel. Die Tiefseeschulen in Panama City, deren Schüler an den Ivy Bells teilnahmen, werden von den Elite-Absolventen der Marineakademie in Annapolis, die in der Regel nach dem Ruhm streben, als Seal, Kampfpilot oder U-Boot-Fahrer eingesetzt zu werden, als unerwünschtes Hinterland angesehen. Wenn man ein „Black Shoe“ werden muss, also ein Mitglied des weniger begehrten Überwasserschiffkommandos, gibt es aber zumindest immer einen Posten auf einem Zerstörer, Kreuzer oder Amphibienschiff. Am wenigsten glamourös ist die Minenkriegsführung. Ihre Taucher erscheinen nie in Hollywood-Filmen oder auf den Titelseiten populärer Zeitschriften.
„Die besten Taucher mit Tieftauchqualifikationen sind eine enge Gemeinschaft, und nur die allerbesten werden für die Operation rekrutiert und darauf hingewiesen, dass sie sich darauf einstellen müssen, zur CIA nach Washington gerufen zu werden“, sagte die Quelle.

Die Norweger und Amerikaner hatten einen Ort und die Agenten, aber es gab noch eine weitere Sorge: Jede ungewöhnliche Unterwasseraktivität in den Gewässern vor Bornholm könnte die Aufmerksamkeit der schwedischen oder dänischen Marine auf sich ziehen, die darüber berichten könnten.

Dänemark gehörte ebenfalls zu den ursprünglichen NATO-Unterzeichnern und war in Geheimdienstkreisen für seine besonderen Beziehungen zu Großbritannien bekannt. Schweden hatte einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NATO gestellt und sein großes Geschick bei der Verwaltung seiner Unterwasserschall- und Magnetsensorsysteme unter Beweis gestellt, mit denen es erfolgreich russische U-Boote aufspürte, die gelegentlich in den entlegenen Gewässern der schwedischen Schären auftauchten und zum Auftauchen gezwungen wurden.

Die Norweger schlossen sich den Amerikanern an und bestanden darauf, dass einige hochrangige Beamte in Dänemark und Schweden in allgemeiner Form über mögliche Tauchaktivitäten in dem Gebiet unterrichtet werden mussten. Auf diese Weise konnte ein höherer Beamter eingreifen und einen Bericht aus der Befehlskette heraushalten und so die Pipeline-Operation isolieren. „Was ihnen gesagt wurde und was sie wussten, waren absichtlich unterschiedliche Dinge“, sagte die Quelle (die norwegische Botschaft, die um einen Kommentar zu dieser Geschichte gebeten wurde, hat nicht geantwortet).

Die Norweger waren der Schlüssel zur Überwindung anderer Hürden. Es war bekannt, dass die russische Marine über eine Überwachungstechnologie verfügte, die in der Lage war, Unterwasserminen aufzuspüren und auszulösen. Die amerikanischen Sprengsätze mussten so getarnt werden, dass sie für das russische System als Teil des natürlichen Hintergrunds erscheinen würden – was eine Anpassung an den spezifischen Salzgehalt des Wassers erforderte. Die Norweger hatten eine Lösung.

Die Norweger hatten auch eine Lösung für die entscheidende Frage, wann die Operation durchgeführt werden sollte. Seit 21 Jahren veranstaltet die amerikanische Sechste Flotte, deren Flaggschiff in Gaeta (Italien) südlich von Rom stationiert ist, jedes Jahr im Juni eine große NATO-Übung in der Ostsee, an der zahlreiche Schiffe der Alliierten aus der gesamten Region teilnehmen. Die aktuelle Übung, die im Juni stattfinden soll, wird als Baltic Operations 22 oder BALTOPS 22 bezeichnet. Die Norweger schlugen vor, dass dies die ideale Tarnung für das Verlegen der Minen sein würde.

Die Amerikaner lieferten ein entscheidendes Element: Sie überzeugten die Planer der Sechsten Flotte, das Programm um eine Forschungs- und Entwicklungsübung zu erweitern. An der Übung, die von der Marine bekannt gegeben wurde, war die Sechste Flotte in Zusammenarbeit mit den „Forschungs- und Kriegsführungszentren“ der Marine beteiligt. Bei der Übung, die vor der Küste der Insel Bornholm stattfinden sollte, sollten Taucherteams der NATO Minen verlegen, während die konkurrierenden Teams die neueste Unterwassertechnologie einsetzten, um die Minen zu finden und zu zerstören.

Das war sowohl eine nützliche Übung als auch eine raffinierte Tarnung. Die Jungs aus Panama City würden ihre Arbeit tun, und die C4-Sprengsätze würden bis zum Ende von BALTOPS22 an Ort und Stelle sein, mit einem 48-Stunden-Timer versehen. Alle Amerikaner und Norweger würden bei der ersten Explosion schon lange weg sein.

Die Tage zählten herunter. „Die Uhr tickte, und wir waren kurz davor, die Mission zu erfüllen“, sagte die Quelle.

Und dann: Washington überlegte es sich anders. Die Bomben würden immer noch während BALTOPS gelegt werden, aber das Weiße Haus befürchtete, dass ein Zeitfenster von zwei Tagen für ihre Detonation zu kurz vor dem Ende der Übung sein würde, und es wäre offensichtlich, dass Amerika beteiligt war. Stattdessen hatte das Weiße Haus eine neue Anfrage: „Können sich die Jungs vor Ort etwas einfallen lassen, um die Pipelines später auf Kommando zu sprengen?“

Einige Mitglieder des Planungsteams waren verärgert und frustriert über die scheinbare Unentschlossenheit des Präsidenten. Die Taucher in Panama City hatten wiederholt geübt, C4 an den Pipelines anzubringen, wie sie es bei BALTOPS tun würden, aber nun musste das Team in Norwegen einen Weg finden, um Biden zu geben, was er wollte – die Möglichkeit, einen erfolgreichen Ausführungsbefehl zu einem Zeitpunkt seiner Wahl zu erteilen.
Mit einer willkürlichen Änderung in letzter Minute beauftragt zu werden, war etwas, womit die CIA vertraut war. Allerdings wurden dadurch auch erneut Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der gesamten Operation geäußert.

Die geheimen Befehle des Präsidenten erinnerten auch an das Dilemma der CIA in den Tagen des Vietnamkriegs, als Präsident Johnson angesichts der wachsenden Anti-Vietnamkriegsstimmung die Agentur anwies, gegen ihre Charta zu verstoßen, die ihr ausdrücklich verbot, innerhalb Amerikas zu operieren, indem sie die Führer der Kriegsgegner ausspionierte, um festzustellen, ob sie vom kommunistischen Russland kontrolliert wurden.
Die Agentur willigte schließlich ein, und im Laufe der 1970er Jahre wurde deutlich, wie weit sie zu gehen bereit war. Nach den Watergate-Skandalen enthüllten Zeitungen, dass die Agentur amerikanische Bürger ausspionierte, dass sie an der Ermordung ausländischer Staatschefs beteiligt war und die sozialistische Regierung von Salvador Allende untergrub.

Diese Enthüllungen führten Mitte der 1970er Jahre zu einer Reihe dramatischer Anhörungen im Senat unter der Leitung von Frank Church aus Idaho, bei denen deutlich wurde, dass Richard Helms, der damalige Direktor der Agentur, akzeptiert hatte, dass er verpflichtet war, die Wünsche des Präsidenten zu erfüllen, auch wenn das einen Verstoß gegen das Gesetz bedeutete.
In einer unveröffentlichten Zeugenaussage hinter verschlossenen Türen erklärte Helms reumütig, dass „man fast eine unbefleckte Empfängnis hat, wenn man etwas auf geheime Anweisung eines Präsidenten tut“. „Ob es nun richtig ist, dass Sie es haben sollten, oder falsch, dass Sie es haben sollen, [die CIA] arbeitet nach anderen Regeln und Grundregeln als jeder andere Teil der Regierung.“ Damit erklärte er den Senatoren, dass er als Leiter der CIA für die Krone und nicht für die Verfassung arbeite.

Die Amerikaner, die in Norwegen im Einsatz waren, arbeiteten mit der gleichen Dynamik und begannen pflichtbewusst mit der Arbeit an dem neuen Problem – der Fernzündung des C4-Sprengstoffs auf Bidens Befehl. Die Aufgabe war viel anspruchsvoller, als man in Washington angenommen hatte. Das Team in Norwegen konnte nicht wissen, wann der Präsident den Knopf drücken würde. Würde es in ein paar Wochen, in vielen Monaten oder in einem halben Jahr oder länger sein?

Das an den Pipelines angebrachte C4 würde durch eine Sonarboje ausgelöst, die kurzfristig von einem Flugzeug abgeworfen wird, aber das Verfahren erforderte modernste Signalverarbeitungstechnologie. Die an den vier Pipelines angebrachten Geräte zur zeitlichen Verzögerung könnten versehentlich durch die komplexe Mischung von Meeresgeräuschen in der stark befahrenen Ostsee ausgelöst werden – von nahen und fernen Schiffen, Unterwasserbohrungen, seismischen Ereignissen, Wellen und sogar Meerestieren. Um das zu vermeiden, würde die Sonarboje, sobald sie an Ort und Stelle ist, eine Abfolge einzigartiger tieffrequenter Töne aussenden – ähnlich denen einer Flöte oder eines Klaviers -, die vom Zeitmessgerät erkannt und nach einer voreingestellten Verzögerung von mehreren Stunden den Sprengstoff auslösen würden. („Sie wollen ein Signal, das robust genug ist, damit kein anderes Signal versehentlich einen Impuls senden kann, der den Sprengstoff zündet“, erklärte mir Dr. Theodore Postol, emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheitspolitik am MIT. Postol, der als wissenschaftlicher Berater des Chefs der Marineoperationen im Pentagon tätig war, sagte, das Problem, dem sich die Gruppe in Norwegen wegen Bidens Verzögerung gegenübersah, sei eine Frage des Zufalls: „Je länger der Sprengstoff im Wasser ist, desto größer ist das Risiko eines zufälligen Signals, das die Bomben auslöst“)

Am 26. September 2022 warf ein P8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine bei einem scheinbaren Routineflug eine Sonarboje ab. Das Signal breitete sich unter Wasser aus, zunächst zu Nord Stream 2 und dann zu Nord Stream 1. Wenige Stunden später wurde der Hochleistungs-C4-Sprengstoff ausgelöst und drei der vier Pipelines wurden außer Betrieb gesetzt. Innerhalb weniger Minuten konnte man sehen, wie sich Methangas, das in den stillgelegten Pipelines verblieben war, an der Wasseroberfläche ausbreitete, und die Welt erfuhr, dass etwas Unumkehrbares geschehen war.

FALLOUT

Unmittelbar nach dem Bombenanschlag auf die Pipeline behandelten die amerikanischen Medien den Vorfall wie ein ungelöstes Rätsel. Russland wurde wiederholt als wahrscheinlicher Schuldiger genannt, angespornt durch kalkulierte Indiskretionen aus dem Weißen Haus – ohne dass jemals ein klares Motiv für einen solchen Akt der Selbstsabotage jenseits einfacher Vergeltung gefunden wurde. Als sich einige Monate später herausstellte, dass die russischen Behörden in aller Stille Kostenvoranschläge für die Reparatur der Pipelines eingeholt hatten, bezeichnete die New York Times diese Nachricht als „Erschwerung der Theorien darüber, wer hinter dem Anschlag steckt.“
Keine große amerikanische Zeitung ging auf die früheren Drohungen gegen die Pipelines ein, die von Biden und Staatssekretärin Nuland ausgesprochen wurden.

Während nie klar war, warum Russland versuchen sollte, seine eigene lukrative Pipeline zu zerstören, kam eine aufschlussreichere Begründung für die Aktion des Präsidenten von Außenminister Blinken.
Auf einer Pressekonferenz im vergangenen September zu den Folgen der sich verschärfenden Energiekrise in Westeuropa befragt, beschrieb Blinken den Moment als einen potenziell guten:

„Es ist eine enorme Chance, die Abhängigkeit von russischer Energie ein für alle Mal zu beenden und damit Wladimir Putin die Energie als Waffe zur Durchsetzung seiner imperialen Pläne zu entziehen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre, aber in der Zwischenzeit sind wir entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Folgen all dessen nicht von den Bürgern in unseren Ländern oder in der ganzen Welt getragen werden.“

Kürzlich äußerte sich Victoria Nuland erfreut über das Scheitern der neuen beiden Pipelines. Bei einer Anhörung des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats Ende Januar sagte sie zu Senator Ted Cruz: „Wie Sie bin auch ich, und ich denke, die Regierung ist sehr erfreut zu wissen, dass Nord Stream 2 nun, wie Sie sagen, ein Haufen Metall auf dem Grund des Meeres ist.“

Die Quelle sah Bidens Entscheidung, mehr als 1.500 Meilen der Gazprom-Pipeline zu sabotieren, während der Winter näher rückte, wesentlich nüchterner. „Nun“, sagte er über den Präsidenten, „ich muss zugeben, dass der Kerl Eier hat. Er hat gesagt, er würde es tun, und er hat es getan.“

Auf die Frage, warum die Russen seiner Meinung nach nicht reagierten, antwortete er zynisch: „Vielleicht wollen sie die Möglichkeit haben, dasselbe zu tun, was die USA getan haben.“

Es war eine schöne Tarngeschichte“, fuhr er fort. „Dahinter steckte eine verdeckte Operation, bei der Experten vor Ort eingesetzt wurden und Geräte, die mit einem verdeckten Signal arbeiteten.“

„Der einzige Makel war die Entscheidung, es zu tun.“

Ende der Übersetzung

Die Reaktionen der USA

Bleibt noch hinzuzufügen, dass die Geschichte von der US-Regierung sofort dementiert wurde. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates sagte auf Anfrage der russischen Nachrichtenagentur TASS:

„Das ist eine absolute Lüge und totale Fiktion.“

Ein Pentagonsprecher antwortete auf Anfrage der russischen Nachrichtenagentur TASS:

„Die USA haben nichts mit der Explosion von Nord Stream zu tun.“

Die westlichen Medien sind an der Geschichte bisher anscheinend nicht interessiert. US-Außenminister Blinken und NATO-Generalsekretär Stoltenberg haben nach der Veröffentlichung des Artikels von Hersh eine gemeinsame Pressekonferenz in Washington gehabt, aber die westlichen Journalisten haben nicht nach Nord Stream gefragt.
Auf der Pressekonferenz durften amerikanische Journalisten insgesamt vier Fragen stellen, aber keine von ihnen betraf das Thema. Sie fragten nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien, nach Flugzeugen für die Ukraine, nach der chinesischen Bedrohung für die USA und die NATO und nach dem chinesischen Ballon über den USA sowie nach den Aussichten für einen Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO.

Der Originalartikel ist hier einsehbar:
https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream

Und hier die Fortsetzung der Geschichte:

https://josopon.wordpress.com/2023/02/09/nord-stream-von-usa-gesprengt-wer-hatte-je-zweifel-daran-eine-kriegserklarung-an-deutschland/

Die Kriminalgeschichte von Viktoria Nuland wurde schon vor 2 Jahren hier schön beschrieben:
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/509771/Staatsstreiche-und-Kriege-Seit-30-Jahren-ist-Victoria-Nuland-aktiv-nun-soll-sie-wiederkommen

Staatsstreiche und Kriege: Seit 30 Jahren ist Victoria Nuland aktiv – nun soll sie wiederkommen

US-Präsident Joe Biden zufolge soll die US-Diplomatin Victoria Nuland eine wichtige Rolle in der künftigen US-Außenpolitik spielen. Seit 30 Jahren zeichnet sie sich als aktive Unterstützerin von Putschen, Umstürzen und Kriegen gegen andere Staaten aus. Eine Dokumentation ihrer „Erfolge“

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Reiner Braun in Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Sein Bericht auszugsweise auf den NachDenkSeiten https://www.nachdenkseiten.de/?p=92101

Reiner Braun, einer der führenden Köpfe der deutschen Friedensbewegung, ist im Spätherbst letzten Jahres nach Moskau gereist, um sich vor Ort Eindrücke von der Lage und der Stimmung der Menschen zu machen. Seine Gesprächspartner waren vor allem Angehörige der linken russischen Friedensbewegung, die den Krieg kritisieren. Anders als rechte Oppositionelle wie Nawalny kommen diese Stimmen in deutschen Medien jedoch nicht zu Wort.
Wir möchten Ihnen den Reisebericht von Reiner Braun nicht vorenthalten, da er viele interessante Gedanken enthält, auch wenn wir als Redaktion der NachDenkSeiten nicht alle seine Schlussfolgerung so teilen.

Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Lange habe ich gezögert, diese Reise zu machen – welchen Sinn kann sie haben, zu umständlich, zu teuer, zu unsicher.
Doch persönliche und politische Gründe haben mich dann doch bewogen, vom 22.11. bis zum 29.11.2022 über Baku nach Moskau zu reisen.
Ich wollte einen eigenen, ganz persönlichen, aber auch politischen Eindruck von der Situation bekommen, um besser beurteilen zu können, wie in „Moskau“ der Krieg gesehen wird, und weder auf die eine noch auf die andere Propaganda angewiesen zu sein.
Was ich jetzt aufschreibe, sind keine wissenschaftliche Arbeit oder wissenschaftliche Erkenntnisse, es sind Impressionen eines Besuches und persönliche Eindrücke, vermittelt durch eine Vielzahl von politischen und persönlichen Gesprächen in einer besonderen Zeit, die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geprägt ist.

Natürlich hat auch dieser Krieg eine Vorgeschichte oder besser eine jahrzehntelange westliche Provokation, genannt NATO-Osterweiterung. Und dieser Krieg hat auch nicht am 24.02.2022 begonnen, wahrscheinlich ist auch das Jahr 2014/2015 als Kriegsbeginn zu kurz gegriffen.
Erkenntnisfördernder ist, die Aussagen des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso als Grundlage zu nehmen, der 2008 in mehreren Reden und während seines Besuchs in Kiew deutlich machte, eine EU-Kooperation gibt es nur bei Abbruch der Beziehungen zu Moskau. Die EU wollte als Vorläufer für die damals politisch nicht durchsetzbare NATO-Mitgliedschaft die Ukraine in das „westliche Lager“ holen.
Dies war gedacht als Einstieg auch für eine NATO-Mitgliedschaft, die besonders von den USA immer angestrebt wurde. Dieses Ziel war verbunden mit einer massiven Militarisierung der Ukraine durch die NATO und auch der Schießkrieg gegen die „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“ ist Teil einer aggressiven westlichen Politik.
Die reaktionäre Regierung der Ukraine ab 2014 tat ein Übriges, die Situation zu verschärfen. All dies rechtfertigt aber nach der UN-Charta niemals einen präventiven Angriffskrieg gegen ein unabhängiges Land.

Ich reiste auch mit eigenen Erfahrungen der letzten Monate. Wohl selten war die Friedensbewegung so isoliert, so vielfältig, ja gespalten in der Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Krieg, auf den Wirtschaftskrieg, ja selbst bei der Ablehnung von Waffenlieferungen waren wir uns nicht einig.

Trotzdem waren wir auf den Straßen, lokal und regional, bei den Ostermärschen und am 1.10. bei den bundesweiten Protestaktionen und Demonstrationen.
Darüber wollte ich sprechen und für den Frieden werben.

Die Reise von Berlin nach Moskau dauerte viermal so lang, die Kontrolle an der Grenze war noch genauer – mein Jahresvisum wurde „auswendig gelernt“, sie war aber höflich und freundlich – wie immer.

Mit dem Zug vom Flughafen Domodedowo in die Stadt und mit der Metro in die Wohnung erbrachte die erste Überraschung – die Metro war um 22.00 Uhr leer. In all den vielen Jahren habe ich niemals eine leere Metro erlebt.
Auf meine erstaunte Frage wurde nachdenklich und besorgt erwidert: Ja, viele bleiben zu Hause, es gibt ja nichts Wirkliches zu feiern, Ausgehen ins Theater oder Kino ergibt für viele keinen Sinn – zu ernst ist die Lage. Es herrscht eine Verunsicherung, es wird nach all den Jahren, nach denen es uns doch besser ging (und das moderne Moskau ist ein Sinnbild dieser Entwicklung), wieder schlechter und schlimmer.
Kommen die desaströsen 90er Jahre zurück oder gar ein Atomkrieg? – Fragen und Sorgen, die prägen.

Besorgnis und Ernst, das ist die Stimmung, wie ein Dunstschleier liegt diese ernsthafte Besorgnis über der Stadt. Wird es noch gefährlicher, droht ein großer Krieg? – Ausgesprochen und unausgesprochen schwebt diese Frage über fast allen Diskussionen und Unterhaltungen. Erinnerungen werden wieder wach an den 2. Weltkrieg, an Erzählungen über ihn.
Das oberflächliche „wir leben weiter wie bisher“, es hat sich kaum etwas verändert, ist weniger als die halbe Wahrheit. Dieser Krieg lähmt – wie immer er auch eingeschätzt wird – und ist alles andere, nur nicht populär. Dieses gilt auch für die, die diesen Krieg für eine notwendige „begrenzte Militäroperation“ halten.

Oberflächlich normal erlebte ich vieles bei dem Spaziergang durch die weihnachtlich bunte und farbig geschmückte Moskauer Innenstadt mit dem entsprechenden „Konsumrausch“ des Einkaufens, oder dass in der letzten Oktoberwoche die zweite russische Konferenz zu aktuellen Theoriefragen „Marxismus und Russland“ an der Lomonossow-Universität stattfand oder die intensive Debatte um ein „nachhaltiges Moskau“.
Normal auch die wie immer in den letzten Jahren gut gefüllten Supermärke, ausgetauscht wurden spezifische Produkte. Anstelle des kaum trinkbaren, billigen deutschen Weins gibt es jetzt zunehmend schmackhaften chilenischen und südafrikanischen Wein. Der Danone-Joghurt wird ersetzt durch Joghurt aus der Türkei und den Golfstaaten.
Die Inflationsrate ist leicht zurückgegangen von ca. 15 Prozent auf 11 Prozent, der Umtauschkurs des Rubels (soweit überhaupt getauscht wird) hat sich für uns gegenüber dem Zeitraum von vor 2 Jahren deutlich verschlechtert (damals 1 Euro zu 57 Rubel, heute zu 1 Euro zu 22).

Trotzdem trifft der Wirtschaftskrieg Sektionen der russischen Industrie, besonders die sowieso gering entwickelte High-Tech-Industrie, die Elektronik, die Halbleiterproduktion, die Entwicklung moderen Algorithmen und weiteres. Nur ruinieren wird das Russland nicht und zusammenbrechen wird Russland erst recht nicht. Aber viele und neue Schwierigkeiten wird es geben. Die Einschätzungen wissenschaftlicher Institute sind da durchaus skeptisch.

Meine Gespräche in Moskau

Ich habe neben vielfältigen persönlichen Kontakten und Gesprächen mit Personen aus der Akademie der Wissenschaften, der Universität (Studierende und Hochschullehrer:innen), den Müttern gegen den Krieg, Anti-Kriegs-Aktivist:innen, Abgeordneten bzw. Mitarbeiter:innen aus der Duma geredet, mit der linksradikalen außerparlamentarischen Opposition diskutiert, mir ihre Meinungen angehört und auch immer meine Friedensposition dargestellt.
Ich werde in meinem Artikel keine Namen nennen, ich will niemanden gefährden oder (weiteren) Repressionen aussetzen.

Zusammenfassend ist es sicher richtig zu sagen, dass es zu dem Krieg in der Ukraine eine große Diversität von Meinungen gibt. Es stimmt vielleicht nicht für das ganze riesige Land, aber in Moskau gibt es eine große, auch öffentlich und familiär diskutierte Unterschiedlichkeit der Bewertung, die Kontroverse geht durch Institutionen und Familien.

Es ist die junge Generation, bei der dieser Krieg besonders unpopulär ist und auf vielfältige Ablehnung stößt. 700.000 junge Männer haben Russland verlassen. Die meisten aus der Intelligenz – ein Verlust an Wissen und Zukunft von denen, die gerade jetzt angesichts des westlichen Wirtschaftskrieges für eine mehr nationale Entwicklung so notwendig wären. Sie haben das Land verlassen, weil sie nicht in den Krieg ziehen wollen, viele lehnen den Krieg ab.

Für dieses System wollen wir nicht kämpfen und sterben. Oft schwingt eine individualistische, neoliberale Grundhaltung mit: dieser Krieg passt nicht in meine persönliche Entwicklung, das ist nicht die Freiheit, die ich will. Das autoritäre Regime will mich jetzt auch noch in einen Krieg zwingen, mit dem ich nichts zu tun habe.
Kriegsablehnung hat viele Begründungen, aber auch viele Folgen für diese Menschen, die überstürzt ihr Land verlassen und sich um eine Zukunft bemühen müssen, in einem fremden Land, allein und oft ohne Perspektive. Der Courage des eigenen Handelns stehen noch große Herausforderungen bevor – berufliche und persönliche.

Das „Nein“ der Mütter und Bräute gegen den Krieg ist geprägt von der Sorge um die Liebsten – den Sohn, den Freund, den Verlobten, den Mann.
Oft ist die Ablehnung des Krieges eindeutig – oft der Satz: Dieser Krieg ist nichts Gutes für unser Land – oder sogar noch zugespitzter – Jeder Krieg ist ein Verbrechen.

Aber auch hier gibt es keine Eindeutigkeit. Wir wollen unsere Kinder nicht in einen Krieg schicken, zu dem sie nicht ausgebildet sind oder werden, bei denen es keine vernünftige und zu wenige gute Waffen gibt und noch nicht einmal eine warme Uniform und brauchbare Stiefel. Wenn schon, dann effektiv und effizient.
Das Desaster der russischen Kriegsführung widerspiegelt sich in diesen Äußerungen, die Unfähigkeit, wenn schon Krieg – dann bitte sollte er gewonnen werden.

Diese systemimmanente Kritik scheint mir stark verankert zu sein: Was ist aus unserer Armee geworden, wie konnten so verheerende Strategien von wem aus den Eliten und Mächtigen entwickelt werden? Diese Kritik knüpft an der Bürokratie- und Staatsablehnung aufgrund der Erfahrungen in den 90er Jahren an, aber auch im Sowjetsystem war diese tief verankert.

Übrigens verstärkte dieses Desaster der Militär- und politischen Führung die Verunsicherung und steigert und verfestigt eine emotionale Opposition zur politischen Führung im Kreml, besonders zu dem sogenannten Präsidialregime. Immer wieder werden Korruption und Bereicherung angeprangert.

Das NEIN zum Krieg und ein Bekenntnis zum Frieden und zur Versöhnung mit der Ukraine (dem Brudervolk) bestimmt das Handeln der Anti-Kriegsaktivist:innen und der radikalen Linken. Die Courage dieser Menschen, besonders auch der Frauen, ist bewundernswert, beeindruckend und verlangt unsere Solidarität.
Trotz aller Repressionen, Verhaftungen oder Titulierung ihrer kleinen Organisationen als „foreign agent“ protestieren sie auf den Straßen (zuerst viele, dann aber immer weniger – die Repressionen wirkten), über Social-Media-Kanäle, mit kleinen, attraktiven Aktionen und vielfältigem persönlichen Engagement gegen diesen Krieg. Sie wirken für Frieden.

Die Verleihung des IPB-MacBride-Preises 2022 an zwei von ihnen ist mehr als gerechtfertigt und wird von ihnen als eine große Unterstützung angesehen. Sie brauchen die Zusammenarbeit mit den internationalen Friedensbewegungen, allein haben sie gegen die Repressionskräfte im Lande keine Chance.
Deserteur:innen brauchen unsere Unterstützung. Sie alle sind das Friedensgesicht dieses großen Kulturlandes.
Sie sprechen – dieses ist mein Eindruck – mehr Menschen in dem Land aus dem Herzen und der Seele, als viele – in Russland und im Westen – annehmen.

Interessant auch die Äußerungen „linksradikaler Freunde“, dass die rechte außerparlamentarische Opposition („Nawalny“) kaum eine politisch mobilisierende Rolle spielt und in der Kriegsfrage gespalten ist.

Die berechtigte Nachdenklichkeit über die Herausforderungen in den wissenschaftlichen Institutionen und der mit ihnen verbundenen Personen beinhaltet eine stärkere zukunftsorientierte Diskussion. Wie können die wissenschaftlichen Kooperationen nach dem Westen wieder aufgenommen und neue entwickelt werden?
Wie können gerade jetzt Kontakte gehalten und besonders bei Fragen der Rüstungskontrolle doch noch Gemeinsamkeiten mit westlichen Kolleg:innen entwickelt und diskutiert werden?

Der verrückte und aus meiner Sicht völlig unverantwortliche Abbruch aller Beziehungen zur russischen Wissenschaft als Sanktion (gegen wen eigentlich?) führt zu einem neuen Nachdenken über die eigene Rolle und auch die Aufgaben, die vor Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung stehen. Statt auf IBM und internationale Foundations – so oft formuliert – muss jetzt wieder mehr auf die eigenen Kräfte gesetzt werden, dies ist sicher nicht einmal die schlechteste Lösung.
Wir sollten unsere Kolleginnen und Kollegen in Russland nicht alleine lassen und uns einsetzen, dass russische Wissenschaftler:innen auch weiterhin in internationalen Fachorganisationen mitarbeiten und dort weiterhin Führungspositionen ausüben können. Wir haben Albert Einstein nicht vergessen!

In diesen Diskussionen wurde immer wieder deutlich: Der zukünftige Blick Russlands geht nach Osten, nach Asien. Europa wird auch in der Zukunft nicht mehr der Bezugspunkt für Russland sein! Dies ist sicher nicht der Wunsch, aber die Notwendigkeit.

Als Letztes zu den Gesprächen mit der „Politik“ und zur Frustration meinerseits. Hier konnte ich außer der Wiedergabe bekannter Positionen nichts erfahren, keine Nachdenklichkeit, keine Zukunftsorientierung – enttäuschend. Frieden ist für die Herren weit weg.

Ein Wort zu den Medien und ein vielleicht zugespitzter Vergleich. Sie ähneln sich mehr, als sie sich unterscheiden. Die mediale Kriegspropaganda oder anders die Diskussionsfreiheit zwischen unterschiedlichen militaristischen Strategien ähneln sich doch stark. Trotz aller einseitiger Medienpropaganda auf allen Sendern ist der Krieg unpopulär.

Zusammenfassung einiger, oft geäußerter Gedanken:

Enttäuschung über die Bundesregierung und die deutsche Politik, dass sie so den USA nachläuft und sich unterordnet. Viele hätten in der Tradition von Brandt und Bahr eine eigenständige, verständnisvollere Rolle erwartet.
Salopp gesagt haben viele von der NATO und den USA nichts anderes erwartet (die NATO-Euphorie der 90er Jahre ist tot), aber von Deutschland, das der Sowjetunion/Russland so viel zu verdanken hat (Wiedervereinigung, Abzug aller Soldaten, etc.). Diese Enttäuschung wird auch zu einem veränderten „Deutschlandbild“ führen.

Das Regime Putin ist nicht länger gestaltungs-, entwicklungs- und lebensfähig. Ohne mich an den Spekulationen über Putin zu beteiligen (2024 stehen Präsidentenwahlen auf der Agenda), zeigt sich doch, dass die Lebensfähigkeit dieser auf einer Präsidialverwaltung und einem fast allmächtigen Präsidenten zentristisch ausgerichteten Führung zu einem Ende kommt, angesichts von Korruption, Schwächen und Desastern der aktuellen Politik und der militärischen Kriegsführung. Was danach kommt, steht noch in den Sternen.

Von einer Revolution träumen können nur die, die die Realität als Bezugspunkt aufgegeben haben. Ein „Eliten-Change“ oder eine „Palastrevolution“ ist viel wahrscheinlicher. Ein Weg zu mehr Demokratie und Freiheit ist dieses wohl kaum.
Es gibt aber kein Zurück zum „alten Gesellschaftsvertrag“ der politischen Herrschaft um Putin, in ökonomischer Verbundenheit mit den Oligarchen und der gelenkten Demokratie. Es bleiben viele offene Fragen! Mehr Repression löst dabei kein Problem.

Ein Zurück zu einer internationalen Politik der gemeinsamen Sicherheit und der Kooperation ist kaum sichtbar, weder in Russland noch bei uns, sie ist zurzeit sicher nicht gestaltungs- und mehrheitsfähig. Hier bleibt besonders für uns – Friedens- und Entspannungsfreund:innen – viel zu tun.
Es bleibt auf beiden Seiten ein – wenn auch beschränktes – Interesse an Rüstungskontrolle.

Ausblick

Es gibt sicher nichts Wichtigeres, als alles zu tun, in der Ukraine einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu erreichen. Wenn es noch nicht zu Weihnachten gelungen ist, bleibt dieses die zentrale Herausforderung. Uns dafür mit aller Kraft einzusetzen, ist die Aufgabe aller friedensliebenden Kräfte.
Für den Frieden in der Ukraine sind Nato-Freiheit und Neutralität der Ukraine eine unabwendbare Voraussetzung, über vieles werden Männer und Frauen aus Russland und der Ukraine lange mit klugen Moderatorinnen aus dem globalen Süden verhandeln.
Die Vereinbarungen von Istanbul (vom Westen gekillt), das Minsker Abkommen (von Angela Merkel mit dem Zeit-Interview endgültig versenkt) werden leider nicht mehr als brauchbare Grundlage akzeptiert werden, aber mit den Vorschlägen des Vatikans, der mexikanischen und italienischen Regierungen, den Anregungen des UN-Generalsekretärs und anderen liegen umfassende Vorschläge vor.

Frieden ist möglich, bei vorhandenem politischem Willen! Die Ukraine blockiert aus Systemüberlebensinteressen, aber auch in Russland muss für einen aktiven, kompromissbereiten Verhandlungsprozess noch mehr gewirkt werden.

Der Friedensprozess in der Ukraine muss sicher verbunden sein mit dem Beginn eines Dialoges und einer Diskussion um eine neue Friedensarchitektur in Europa, was heißt, Politik der gemeinsamen Sicherheit in Europa und der Welt. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen, gibt es doch zu der Politik der gemeinsamen Sicherheit keine friedenspolitische Alternative.

Frieden in Europa ist nur möglich mit Russland! Diesen Gedanken wieder in Deutschland hegemoniefähig zu machen, ist und muss unser Friedensbeitrag sein, soll Europa überleben und eine eigene friedenspolitische Rolle spielen.

Zu mehr Frieden in Europa gehört auch die Wiederaufnahme der Rüstungskontrolle und Abrüstungsverhandlungen, um zu neuen Übereinkünften zu kommen. Wenn nicht durch die freiwerdenden Gelder aus der Rüstung, woraus sollen die globalen Herausforderungen der Menschheit finanziert werden?
Auch Deutschland und Russland brauchen diese Milliarden zur Finanzierung der eigenen sozial-ökologischen Transformation.

Frieden gibt es nur mit und durch das Engagement von Menschen. Deshalb ist Diplomatie von unten, eine Friedenspolitik der Menschen gerade jetzt so wichtig.

Alle meine Gesprächspartnerinnen und -partner teilten einen Gedanken: Lasst uns die Kontakte, die Zusammenarbeit, die Gespräche zwischen Deutschen und Russen niemals wieder abreißen, lasst uns miteinander in Kontakt treten und bleiben: von Sportverein zu Verein, von Singegruppen zur Oper, von Friedensinitiativen zu Aktivistinnen, in der Wissenschaft, der Wirtschaft, von Gewerkschaften, Sport, Kirchen, Umweltverbänden, von Stadt zu Stadt, Dorf zu Dorf, aber auch von Projekt zu Projekt und vielem mehr.
Wir brauchen ein enges Netzwerk der Zusammenarbeit von unten, das auch „unsere Politik“ wieder zur Kooperation zwingt. Schaffen wir Frieden von unten, von und mit und zwischen den Menschen.

Es bleibt die Grundlage unseres Engagements und unserer Überzeugung, was Willy Brandt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises ausgeführt hat:

Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Das Young-Global-Leaders-Programm des WEF ist ein Projekt der CIA

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

In den USA ist ein sehr gut recherchierter Artikel erschienen, der aufzeigt, dass das Young-Global-Leaders-Programm des WEF ein Nachfolgeprogramm eines ähnlichen CIA-Projektes ist, das seinerzeit von Henry Kissinger gegründet wurde.
Bekannte Staatsoberhäupter wie Angela Merkel [Deutschland], Tony Blair, Gordon Brown (Großbritannien), Victor Orban [Ungarn], Nicholas Sarkozy [Frankreich], Guy Verhofstadt [Belgien], Lee Hsien Loong [Singapur], Cyril Ramaphosa [Südafrika] und José Maria Aznar [Spanien] nahmen teil. Es waren auch namhafte Wirtschaftsführer wie Bill Gates, Richard Branson, Larry Summers und Edgar Bronfman anwesend.
Wieder mal hat Thomas Röper umfassende Recherchen präsentiert:
https://www.anti-spiegel.ru/2022/das-young-global-leaders-programm-des-wef-ist-ein-projekt-der-cia/
Auszüge:

Ich beschäftige mich sehr viel mit der Macht der einflussreichsten NGOs, also der von US-Milliardären gegründeten Stiftungen. Mein Buch „Abhängig Beschäftigt“ zeigt die Macht dieser Milliardäre auf, die sie über ihre Stiftungen haben, und mein Buch „Inside Corona“ zeigt an dem konkreten Beispiel der Pandemie auf, wie und mit welchen Mitteln sie diese Macht ausüben. Bei den meisten dieser Milliardärsstiftungen ist die Gründungsgeschichte relativ unverschleiert zu finden.

Das gilt jedoch nicht für das Weltwirtschaftsforum von Klaus Schwab, denn in der offiziellen Gründungsgeschichte fehlt ein wichtiges Detail: Wie ist es einem Mann, der nicht aus wohlhabenden Verhältnissen stammt und keine eigene „Hausmacht“ in der finanz- und geopolitischen Arena hat, gelungen, eine der mächtigsten Organisationen der Welt aufzubauen?
So etwas ist ohne tatkräftige Unterstützung anderer unmöglich, wenn man keine eigenen Milliarden hat, um sich Macht und Einfluss zu kaufen.

Vor einiger Zeit ist ein sehr langer und ausführlicher Artikel auf Englisch erschienen, der dieser Frage nachgegangen ist. Ich habe die Quellen in dem Artikel überprüft und selbst dazu recherchiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Geschichte, die in dem Artikel erzählt wird, der Wahrheit entspricht.
Hinzu kommt, dass die Geschichte die Frage schlüssig beantwortet, wie Klaus Schwab und sein WEF so mächtig werden konnten.

Der Artikel holt weit aus und geht zum Verständnis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges und in die Ära zurück, als die Nachkriegsordnung geschaffen und die CIA gegründet wurde. Den Lesern meines Buches „Abhängig Beschäftigt“ ist bekannt, dass die USA ihre Macht im Nachkriegseuropa durch die Gründung einer Vielzahl von Stiftungen abgesichert haben, die zu Kaderschmieden für zukünftige Politiker, Redakteure der Medien und auch Wirtschaftslenker geworden sind.
In Europa kann niemand in Politik oder Medien Karriere machen, der nicht mit den transatlantischen Stiftungen (Atlantikbrücke, German Marshall Fund; etc.) verbunden ist.

Das kann jeder leicht überprüfen, indem man sich die Biografien führender europäischer Politiker anschaut. Dabei zeigt sich, dass niemand kann in Europa ein hohes politisches Amt erreichen kann, der nicht eng an eine oder sogar mehrere dieser Stiftungen angebunden ist.
Das habe ich in „Abhängig Beschäftigt“ anhand der letzten Bundesregierung und den damals führenden deutschen Oppositionspolitikern aufgezeigt.

Es ist also nichts Neues, dass die USA mindestens seit Kriegsende auf ein System setzen, bei dem Stiftungen gegründet werden, die gezielt junge Leute aussuchen, ausbilden und sie an sich binden, denen sie dann beim politischen Aufstieg helfen. Diese Menschen sind von den Stiftungen und ihren Netzwerken abhängig und sie sind „auf Linie gebracht“, damit sie die in den USA gewollten politischen Ziele verfolgen.
Und sie wissen, was sie besser nicht tun oder sagen sollten, wenn sie diese Unterstützung der Stiftungen und Netzwerke nicht verlieren wollen.

Das Young-Global-Leaders-Programm des WEF von Klaus Schwab tut seit Anfang der 90er Jahre das gleiche, und wäre es ein Konkurrenzprodukt gegen die bestehenden, transatlantischen US-Programme, wäre das Projekt sofort abgewürgt worden.
Stattdessen ist es ein großer Erfolg und sehr viele der heute weltweit führenden Politiker sind durch die Schule von Klaus Schwab gegangen und setzen als Minister und sogar Regierungschefs brav die Politik um, für die sich Schwab selbst einsetzt.

Die Frage ist also, wie und mit wessen Hilfe es der aus kleinen Verhältnissen stammende Klaus Schwab geschafft hat, so mächtig zu werden.
Die Antwort ist verblüffend einfach: Er hat als Student selbst so ein Programm durchlaufen. Damals war es noch die CIA, die relativ offen hinter diesem Programm stand und junge Leute gesucht hat, deren Karriere die CIA gefördert hat, damit diese Leute später das umsetzen, was von der CIA gewollt ist.
Inzwischen hat Schwab mit seinem WEF diese Funktion übernommen und sein Young-Global-Leaders-Programm ist nichts anderes, als das Nachfolgeprogramm eines CIA-Programms aus den 1950er Jahren.

Auf den Artikel bin ich durch einen Hinweis eines Lesers auf einen Artikel bei tkp gestoßen, der den englischen Artikel zusammengefasst hat. Da die Informationen im Original so spannend und die Details zum Verständnis so wichtig sind, habe ich den englischen Originalartikel übersetzt, um mich nicht mit fremden Federn zu schmücken.
Die Links habe ich aus dem Originalartikel übernommen.

Beginn der Übersetzung: ———————————————————————

Das Kissinger-Kontinuum: Die unautorisierte Geschichte des Young Global Leaders-Programms des WEF

Das Young-Global-Leaders-Programm des Weltwirtschaftsforums, eine angebliche Erfindung von Klaus Schwab, ist in Wirklichkeit eine fast exakte Kopie von Henry Kissingers „International Seminar“, das ursprünglich von Harvard aus geführt und von der CIA finanziert wurde.
In diesem Artikel untersucht Johnny Vedmore die Leute hinter Kissingers „International Seminar“, die CIA-Kanäle, die das Programm finanziert haben, und Kissingers Schlüsselrolle bei der Schaffung des Young Global Leaders-Programms des WEF selbst.

Die Initiative Young Global Leaders (YGL) des Weltwirtschaftsforums ist dafür verantwortlich, dass viele Mitglieder der herrschenden Elite Macht- und Einflusspositionen in der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und vor allem in der Politik einnehmen.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde schnell zum offensichtlichen Katalysator für die Schaffung des Programms Global Leaders for Tomorrow, dem Vorläufer der ein Jahrzehnt später gegründeten Young Global Leaders Initiative.

Der vermeintliche Vordenker des Projekts, der lebenslange Leiter des WEF, Klaus Schwab, ist jedoch selbst bereits durch ein sehr ähnliches Programm der Harvard-Universität, das in großem Umfang von der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) finanziert wurde, in seine eigene einflussreiche Position gebracht worden.
Die entsprechende Harvard-Initiative, die oft als „Henry Kissingers International Seminar“ bezeichnet wird, war eines von mehreren Programmen, die von hochrangigen Mitgliedern von Organisationen wie dem Council on Foreign Relations und der neu gegründeten CIA ins Leben gerufen wurden.
Tatsächlich haben die USA in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg proaktiv viele solcher Programme ins Leben gerufen, um potenzielle junge ausländische Führungskräfte auszubilden und sie in Machtpositionen zu bringen. Das Hauptmotiv für die Einrichtung dieser Programme war angeblich die Bekämpfung und Verhinderung der kommunistischen Unterwanderung fremder Staaten und die Sicherstellung, dass künftige globale Führungspersönlichkeiten den Interessen der USA wohlgesonnen sein würden.

Ursprünglich gründeten die USA diese geheimnisvollen Jugendorganisationen mit dem Ziel, potenzielle zukünftige europäische Führungskandidaten ins Visier zu nehmen.
Doch schon bald war kein Land der Welt mehr vor der von der CIA gesponserten politischen Infiltration sicher.
In diesem Artikel werden wir eine der Tarnorganisationen untersuchen, die große Mengen an CIA-Geldern zur Finanzierung verschiedener Harvard-Projekte, einschließlich Kissingers International Seminar, verwendet haben. Wir werden erfahren, wer die Leute waren, die diese Finanzierungsplattformen geschaffen haben, und wir werden uns auch andere derartige Bildungsinitiativen ansehen, von denen einige heute noch existieren und die dem amerikanischen Geheimdienst geholfen haben, Regierungen weltweit zu unterwandern.

The American Friends of the Middle East

Es war der Harvard-Mitarbeiter Humphrey Doermann, der 1967 aufdeckte, dass bestimmte Kurse und Initiativen der Harvard Summer School in Wirklichkeit über die CIA finanziert wurden. Obwohl fast ein ganzes Jahrzehnt der Finanzierung in den 1950er Jahren geheim blieb, wurde aufgedeckt, dass Kissingers International Seminar zwischen 1960 und 1966 von drei CIA-Diensten finanziert wurde: The Asian Foundation, The Farfield Foundation und The American Friend’s of the Middle East, wobei letztere eine der bekannteren, einflussreicheren und erfolgreicheren CIA-Förderorganisationen jener Zeit war.

Das von der CIA finanzierte International Seminar in Harvard und die Kanäle, die die CIA nutzte, um das Forum mit den notwendigen Mitteln für die Durchführung des Programms zu versorgen, sind von großer historischer Bedeutung.

Die American Friends of the Middle East (AFME) war nicht nur eine einfache Tarnorganisation, die dazu diente, geheime CIA-Gelder in ihre verschiedenen Projekte fließen zu lassen, sondern mit dieser prominenten Nachkriegsorganisation waren auch einige sehr große Namen verbunden.
Die AFME galt als „internationale Bildungsorganisation“ und wurde im selben Jahr gegründet, in dem Henry Kissinger 1951 das International Seminar in Harvard ins Leben rief.
Die AFME bestand aus 27 Männern und Frauen und wurde von Kermit „Kim“ Roosevelt Jr. geleitet, dem Enkel des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt. Die CIA war 1947 aus dem ursprünglichen Office of Strategic Services (OSS) hervorgegangen und Kermit Roosevelt Jr. war in den Anfangsjahren beider Organisationen äußerst einflussreich.

Kermit Roosevelt war 1941 vom Vordenker des OSS, General William Joseph „Wild Bill“ Donovan, rekrutiert worden und wurde bald darauf als Sonderassistent von Dean Acheson in das neu geschaffene Office of the Coordinator of Information – dem Vorläufer des OSS – versetzt. Acheson, der damals stellvertretender Außenminister war, hatte während des Zweiten Weltkriegs die Aufgabe, Präsident Franklin Roosevelts Politik der Untergrabung der Achsenmächte bei gleichzeitiger Wirtschaftshilfe für Großbritannien umzusetzen.
Kermit Roosevelt, der mit dem Präsidenten entfernt verwandt war, hatte schon in jungen Jahren eine Affinität zum Nahen Osten, wie die Daily Mail aus Hagerstown in Maryland im September 1948 berichtete: „[Kermit] Roosevelts Karriere als Schriftsteller begann, als er ein Kind war, mit dem Verfassen eines prophetischen Gedichts, ‚The Lure of the East‘, für das Magazin ‚American Boy‘. Damals war er elf Jahre alt.“
Kermits Vater, der ebenfalls Kermit hieß, war im „Schifffahrtsgeschäft“ tätig gewesen, wie in dem genannten Artikel erwähnt wurde. Das bedeutete, dass Kermit Jr. schon in jungen Jahren um die Welt gereist war.

Kermit verbrachte die Kriegsjahre im Nahen Osten und in Italien und reiste während des Krieges ausgiebig und soll Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien, Palästina, Iran und Äthiopien bereist haben. Sein Vater kämpfte während des Krieges hauptsächlich in Norwegen und Finnland, diente aber auch kurz in Ägypten und kam 1943 auf tragische Weise in Alaska ums Leben. Die Zeitung Abilene Reporter berichtete am Sonntag, dem 6. Juni 1943, dass Kermit Sr. am Tag vor der Veröffentlichung des Artikels in Alaska verstorben war: „Normalerweise wird der Ausdruck ‚im Kampf gefallen‘ verwendet, um einen Tod im Kampf zu melden.“ Später wurde bestätigt, dass er tatsächlich Selbstmord begangen hatte.
Zu diesem Zeitpunkt war Kermit Jr. bereits von der OSS rekrutiert worden. Nach Kriegsende arbeitete Kermit Jr. weiterhin als Nahostexperte für das OSS und begann auch, die Geschichte der Geheimorganisation zu schreiben und zu bearbeiten.
1947 wurde aus dem OSS die CIA und Kermit war an vorderster Front an der Entwicklung von Projekten und Programmen für den neu gegründeten Geheimdienst beteiligt. Außerdem schien er sich aufrichtig um die Lage im Nahen Osten zu sorgen und nahm bald an einer Vortragsreise teil.
Auf dieser Tour, ob nun von der CIA gesponsert oder nicht, setzte sich Kermit leidenschaftlich für die Leidtragenden in Palästina ein.

Im Dezember 1947 begann Kermit eine Vortragsreise zu einem von ihm verfassten Papier über den Nahen Osten mit dem Titel „The Arabs Live There Too„, in dem das „Palästina-Problem“ erörtert und die grundlegenden Probleme zwischen Arabern und Juden, die die Region bewohnten, beleuchtet wurden. Der Bericht, der in der Evening Post veröffentlicht wurde, warnte, dass die Situation „mehr als einen flüchtigen Blick der Amerikaner“ verdiene.
Kermit bezeichnete Palästina als „das Baby der UNO“ und erklärte, Amerika habe die Aufgabe als „Amme und Gouvernante“ der Region übernommen.
Die Vortragsreise wurde am 22. Dezember 1947 im Waukesha Daily Freeman beworben, wobei Roosevelt in dem Artikel erklärte „In Anwendung des Prinzips eines ihrer Sprichwörter, ‚Der Feind meines Feindes ist mein Freund‘, könnten sich die Araber der Sowjetunion annähern“, und warnte weiter: „Die Araber werden Russland (das in der UNO für die Teilung gestimmt hat) nicht halb so viel vorwerfen wie Großbritannien und den USA.“
Kermit Roosevelt war der Meinung, dass die Arabische Liga kurz vor einem Krieg stoppen würde, und bezeichnete eine offizielle Kriegserklärung durch eine der sieben arabischen Nationen als „extrem unwahrscheinlich“.

Roosevelt sollte schließlich Recht behalten, dass die arabischen Staaten nicht sofort den Krieg erklären würden, und sagte stattdessen voraus, dass die Araber, sobald sie sich stark genug fühlten, sicher versuchen würden, Palästina zurückzuerobern: „Sobald die Araber sich stark genug fühlen, würden sie sicherlich versuchen, Palästina zurückzuerobern.“
Bevor Kermit seine erste verdeckte Operation in einem arabischen Land begann, war er vom damaligen Präsidenten Harry Truman zunächst nach Tibet geschickt worden, um den kommunistischen Einfluss abzuwehren. Die Delta Democrat Times aus Mississippi berichtete am 9. April 1950: „Kermit Roosevelt, Sohn eines G.O.P.-Präsidenten, wird ebenfalls in einer vertraulichen Mission eingesetzt, um den Kommunismus in Tibet zu blockieren.“

Kermit Roosevelt glaubte, dass sich Bündnisse mit arabischen Ländern, die sich von der britischen und französischen Herrschaft lösten, für Amerika auszahlen und gleichzeitig die sowjetische Infiltration der arabischen Länder verhindern würden. Diese Strategie würde jedoch von der Fähigkeit der Westmächte abhängen, den arabischen Nationalismus in Schach zu halten, sei es durch Diplomatie oder durch Täuschung.

Im Jahr 1943 arbeitete Kermit in Kairo für das US-Außenministerium, einem der ersten Länder des Nahen Ostens in den Nachkriegsjahren, in dem ein von der CIA unterstützter Staatsstreich stattfand. Zur gleichen Zeit, als Kissinger in den frühen 1950er Jahren mit dem Harvard International Seminar begann, war Kermit Roosevelt stark in den Sturz des herrschenden ägyptischen Regimes involviert und leitete eine spezielle verdeckte Operation, die behutsam Operation Fat Fucker genannt wurde, normalerweise einfach als „Operation FF“ bezeichnet.

Ägypten wurde zu Beginn der 50er Jahre von König Farouk regiert, einem berüchtigten Herrscher, der in den Augen der meisten Ägypter bereits als korrupt galt. Das Projekt zu seiner Absetzung wurde vom damaligen CIA-Direktor Allen Dulles zusammen mit dem Leiter der CIA-Station in Kairo, Miles Copeland jr., Außenminister Dean Acheson und Kermit Roosevelt jr. geleitet, der zu dieser Zeit offiziell ein CIA-Mitarbeiter war, mit dem ursprünglichen Ziel, Druck auf Farouk auszuüben, damit er bestimmte politische Reformen in seinem Land durchführt.
Als die anfängliche „Druckphase“ fehlschlug und Farouk die amerikanischen Vorschläge ablehnte, kam Kermit Roosevelt auf die Idee, eine friedliche Revolution zu inszenieren, die sowohl die geforderten Reformen durchsetzen als auch das Land für die „amerikanische Kontrolle“ öffnen sollte, wie es der Historiker Matthew F. Holland ausdrückt.

Roosevelt traf sich im Geheimen mit der Bewegung der Freien Offiziere, einer nationalistischen revolutionären Gruppe, die von Gamal Abdel Nasser und Mohamed Naguib angeführt wurde und die bereits den Sturz der Regierung plante. Am 23. Juli 1952 wurde Farouk durch den von Roosevelt eingefädelten Staatsstreich zur Abdankung gezwungen und nach Italien ins Exil geschickt.
Der von der CIA angeführte Staatsstreich hatte erfolgreich eine neue Regierung eingesetzt, von der man annahm, dass sie einer weiteren amerikanischen Infiltration eher zugänglich sein würde. Die CIA unterstützte die neu eingesetzte ägyptische Regierung bei der Gründung der General Intelligence Agency, Ägyptens eigener CIA-Klonorganisation.

Im folgenden Jahr, im März 1953, wies der damalige Außenminister John Foster Dulles die CIA, die immer noch von seinem Bruder Allen Dulles geleitet wurde, an, einen ähnlichen Staatsstreich im Iran vorzubereiten. Dieselben Leute, die Nasser in Ägypten erfolgreich eingesetzt hatten, erhielten Mittel in Höhe von einer Million Dollar – das entspricht 12.128.464,73 Dollar im Jahr 2022 -, die dazu verwendet werden sollten, den Sturz des iranischen Führers Mohammed Mosaddegh herbeizuführen.
Mosaddegh wurde am 19. August 1953 in einem von der CIA und dem MI6 inszenierten Staatsstreich erfolgreich gestürzt, der wiederum von Kermit Roosevelt Jr. von AFME in einem Projekt mit dem Titel Operation Ajax geleitet wurde.
Die erfolgreichen Putsche in Ägypten und im Iran waren keine spontanen Ereignisse, sondern gut ausgeführte und sorgfältig geplante Operationen. Die Amerikaner sollten jedoch bald lernen, dass sie, wenn sie weiterhin Regierungen stürzen wollten, zunächst über effektive, mit den Amerikanern verbündete Führer verfügen mussten, die bereits ausgebildet und bereit waren, in ihren Zielländern eingesetzt zu werden.

CIA 1953 Iran coup, all for oil
https://youtu.be/ZJw-LpmWViY

Bevor die neu geschaffene CIA mit den oben erwähnten Staatsstreichen in Ägypten und Iran begann, hatte Roosevelt mit vielen derjenigen, die später die American Friends of the Middle East bilden sollten, das Committee for Justice and Peace in the Holy Land gegründet. Das Committee for Justice and Peace in the Holy Land wurde im Februar 1948 von Roosevelt und einer Frau namens Virginia Gildersleeve gegründet, deren Sympathien, so der Historiker Robert Moats Miller, „in der Tat überwiegend auf der Seite der Araber lagen“, und die eine führende Persönlichkeit der christlichen Opposition gegen die Gründung des israelischen Staates war.

Gildersleeve war lange Zeit Dekanin des Barnard College gewesen, aber 1947 war sie von ihrem Amt zurückgetreten, um sich auf andere Aktivitäten zu konzentrieren.
Im Februar 1948 berichtete die New York Times, dass sie eine Gruppe anführte, die sich gegen die Schaffung einer UN-Polizeitruppe in Palästina aussprach. In dem Artikel mit dem Titel „7 Leaders Propose Truce in Palestine“ (7 führende Persönlichkeiten schlagen Waffenstillstand in Palästina vor) hieß es weiter, dass die Mitglieder der Gruppe: „den gegenwärtigen Konflikt in Palästina für weitaus gefährlicher für den Weltfrieden halten, als den meisten Amerikanern bewusst ist“, und die Gruppe erklärte: „Wir fühlen uns moralisch und staatsbürgerlich verpflichtet, darauf zu drängen, dass unserer nationalen Politik in Bezug auf Palästina die größte Aufmerksamkeit zuteil wird“, wobei diese Erklärung auch von Kermit Roosevelt mit unterzeichnet wurde.
Neben Gildersleeve und Roosevelt war auch Harry Emerson Fosdick, ein amerikanischer Pastor, der als „aktiver Antizionist“ beschrieben wird und der später einen großen Einfluss auf Martin Luther King Jr. ausübte, an der Gründung der AFME beteiligt.

Ein weiteres bemerkenswertes Mitglied der AFME war die umstrittene Dorothy Thompson. Thompson war eine amerikanische Journalistin und Radiomoderatorin, die die Ehre hatte, 1934 als erste amerikanische Journalistin aus Nazi-Deutschland ausgewiesen zu werden. In einem Artikel des Time Magazine von 1939 wurde Thompson als ebenso einflussreich wie Eleanor Roosevelt beschrieben und oft als die „First Lady des amerikanischen Journalismus“ bezeichnet.
Thompson vertrat jedoch auch extreme Ansichten über Amerikas schwarze Wählerschaft und bezeichnete sie als: „Notorisch käuflich. Unwissend und ungebildet, gleicht die große Masse der Neger den unteren Schichten der frühen industriellen Einwanderer, und wie diese werden sie in Blöcken von käuflichen Führern, Weißen und Schwarzen, ‚befehligt‘ und ‚geschickt‘.“

Thompson war eine entschiedene Antizionistin und kam zu dem Schluss, dass der Zionismus ein Rezept für immerwährenden Krieg sei.
Doch obwohl Roosevelt, Gildersleeve und Thompson sich alle öffentlich gegen den Zionismus aussprachen, würde die CIA insgesamt viele Vorteile daraus ziehen, dass sie eine Welt schuf, die sich zwar nicht in einem Zustand des ständigen Krieges befand, aber fast immer am Rande eines ständigen Krieges stand.
Der AFME gehörten einige der wichtigsten Personen an, die den geheimdienstlichen Vorstoß der Nachkriegszeit prägten und beeinflussten. Obwohl wir bei der Untersuchung aller 27 Mitglieder der AFME viele interessante Fakten finden könnten, wissen wir heute, dass sich ihre Interessen auf Bildung konzentrierten und schließlich in der Finanzierung eines speziellen Harvard-Projekts mündeten, das künftige internationale Führungspersönlichkeiten hervorbringen sollte, die den politischen Interessen und Wünschen der USA entgegenkamen, darunter auch Klaus Schwab.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gab es innerhalb des amerikanischen politischen Establishments viele unterschiedliche Meinungen darüber, was mit dem „Palästinenserproblem“ geschehen sollte.
Obwohl viele Mitglieder der AFME öffentlich antizionistisch eingestellt waren, hatte die Nakba, die ethnische Säuberung der Palästinenser nach der Gründung Israels im Jahr 1948, einen Aufschwung des arabischen Nationalismus ausgelöst. Dies führte zunächst zu einer Spaltung der öffentlichen Meinung, wobei sich viele Amerikaner schließlich auf die Seite des neu gegründeten israelischen Staates und seiner Besatzungsmacht stellten.

Die öffentliche Meinung in den arabischen Ländern war weit weniger gespalten. Die Arabische Liga schloss 1947 ihr Büro in Washington DC – das so genannte Arabische Büro – und erklärte öffentlich, dass die USA eine „vollständige und arrogante Missachtung der arabischen Rechte, arabischen Interessen und arabischen Gefühle“ gezeigt hätten.
Zu dieser Zeit waren die USA noch stark vom arabischen Öl abhängig und die Versorgung mit diesem Öl hing auch von guten Beziehungen Amerikas zur arabischen Welt ab.
Das US-amerikanische Ölkonsortium ARAMCO konnte nur dann weiterhin vom arabischen Erdöl profitieren, wenn die USA mit dem saudischen König Ibn Saud, der ein extremer Antizionist war, auf gutem Fuß standen. ARAMCO richtete bald ein Büro in Washington ein, um bei der Regierung Lobbyarbeit für die Araber zu leisten und gleichzeitig Mittel für Bildungseinrichtungen wie das Middle East Institute bereitzustellen.
Doch nicht nur der arabische Teil der amerikanischen Bevölkerung war besorgt über den Aufstieg des Zionismus, auch der American Council for Judaism (ACJ) lehnte den Zionismus ab, weil er der Meinung war, dass er Religion und Nationalität miteinander vermengte. Rabbi Elmer Berger aus Michigan, der zu dieser Zeit ein führender Vertreter des ACJ war, setzte sich dafür ein, dass die amerikanischen Juden die Gründung des Staates Israel nicht mehr unterstützen.
Zu dieser Zeit war auch das Außenministerium besorgt darüber, sich mit den Zionisten zu verbünden. Man war vor allem besorgt, dass der kommunistische Einfluss in den arabischen Ländern zunehmen könnte, wenn die USA den neu gegründeten Staat Israel zu stark unterstützten.

Dem Historiker Hugh Wilford zufolge waren es die in Kairo ansässigen ehemaligen OSS-Mitglieder, die als „Knotenpunkt des Netzwerks fungierten, aus dem die American Friends of the Middle East werden sollten“, wie er in seinem Aufsatz über „The American Friends of the Middle East: The CIA, US Citizens, and the Secret Battle for Public Opinion in the Arab-Israeli Conflict, 1947-1967“ feststellte. Wilford wies auch darauf hin, dass Kermit Roosevelt mit vielen Antizionisten der damaligen Zeit in Verbindung stand. So stand er beispielsweise unter dem Kommando eines antizionistischen Nachfahren von Missionaren namens Stephen B. L. Penrose Jr.
Außerdem teilte Roosevelt sich ein Zimmer mit George L. Levison, einem Beamten des Außenministeriums jüdischer Abstammung, der Roosevelt später mit Führern wie dem bereits erwähnten Elmer Berger bekannt machte. Roosevelt, Levison und Berger wurden enge Freunde und Levison wurde schließlich Pate von einem von Roosevelts Kindern.

Roosevelt war nicht nur maßgeblich an der Gründung der ursprünglichen Version der AFME, des Committee for Justice and Peace in the Holy Land, beteiligt, sondern leitete die Organisation auch von seinem Haus in Washington aus zusammen mit dem Sekretär der Organisation, Garland Evans Hopkins. Schließlich scheiterten die antizionistischen Aktivisten innerhalb der Regierung mit ihren Bemühungen, die Gründung des Staates Israel zu verhindern, als Präsident Harry Truman Israels Souveränität offiziell anerkannte. Roosevelt fuhr fort, die künftige Unterstützung Israels zu untergraben, und ein Jahr nach Trumans Anerkennung des Landes gründeten Roosevelt und andere das Holy Land Emergency Liaison Program (HELP), das die Hilfe für vertriebene Araber in der Region koordinieren und gleichzeitig darauf hinarbeiten sollte, wie Hugh Wilford es ausdrückt: „Die Unterstützung der USA für Israel zu reduzieren“. Zu dieser Zeit begannen Dorothy Thompson und andere, das Profil von Roosevelts Organisation zu schärfen.

Der Kampf um die Herzen, Köpfe und Seelen der zukünftigen globalen Führungskräfte

Als Henry Kissinger sein Studium an der Universität beendete, gab es die Harvard Summer School bereits seit über 75 Jahren.
Im Jahr 1950 erwarb Kissinger den Bachelor of Arts in Politikwissenschaften und erhielt während seines Studiums viel Aufmerksamkeit von einigen sehr einflussreichen Harvard-Granden.
1951 rief Kissinger die Harvard-Zeitschrift Confluence ins Leben, die neben dem Internationalen Seminar erscheinen sollte, und wurde deren Herausgeber. Diese vierteljährlich erscheinende Zeitschrift wurde von der Rockefeller Foundation finanziert und erhielt Beiträge von anderen, die als „verschiedene Koryphäen, die zuvor Dozenten oder Studenten der Summer School gewesen waren“ beschrieben wurden.

Später wurde das International Seminar allein zwischen 1960 und 1966 von der CIA mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von mindestens 135.000 Dollar (1.637.342,74 Dollar im Jahr 2022) gefördert, wobei alle früheren CIA-Mittel seit der Gründung des Seminars im Jahr 1950 nicht angegeben wurden.
Das Internationale Seminarforum der Harvard Summer School war ursprünglich eine Idee von William Yandell Elliott, einem wichtigen Mentor Kissingers, der sich zurückhielt und nicht an die Öffentlichkeit ging. Nach der Pilotveranstaltung des Internationalen Seminarforums im Jahr 1951 schrieb der junge Kissinger an William Yandell Elliott und sagte „Es war mir sehr peinlich, mich als das führende Genie des Seminars bezeichnet zu hören“ und fuhr fort: „Ich für meinen Teil habe diesbezüglich keine Illusionen“.
In der Folgezeit erinnerte sich die Mehrheit der Teilnehmer eher an den Einfluss Kissingers als an den von Elliott und das Forum wurde schließlich allgemein als „Kissingers International Seminar“ bezeichnet.

Die CIA-Gelder für das so genannte „Auslandsseminar“ kamen über eine bekannte CIA-Schmiede, die bereits erwähnten „American Friends of the Middle East“ von Kermit Roosevelt. Kissinger und seine Biographen behaupten, er habe nichts von den geheimdienstlichen Verbindungen der Organisation gewusst, und beschreiben Kissinger als „wutentbrannt“, als er erfuhr, dass die AFME in Wirklichkeit eine Fassade für die CIA war.
Kissingers Briefe an H. Gates Lloyd aus dieser Zeit erzählen jedoch eine andere Geschichte. Sie zeigen, dass Kissinger die Ausgaben für die Summer School sorgfältig aufgeschlüsselt hatte. Andere Dokumente in den Unterlagen von William Yandell Elliott enthüllten auch, dass Kissinger möglicherweise sogar als vertraglicher Berater für das Office for Policy Coordination (OPC), die Abteilung für verdeckte Operationen der CIA, tätig war.
Tatsächlich hatte Elliott am 15. November 1950 einen Brief an Lloyd geschrieben, in dem er darauf drängte, den Vorschlag für die Summer School und die Einrichtung von Kissingers International Seminar voranzutreiben. Diesem Brief waren einige an Kissinger selbst gerichtete Papiere beigefügt, aus denen hervorging, dass er die Vorschläge mit Cleveland Cram, einem berüchtigten und einflussreichen frühen Mitglied der CIA, besprochen hatte. Cram hatte ursprünglich eine akademische Laufbahn angestrebt, wurde aber 1949 von der CIA rekrutiert. Schon bald stand er mit Yandell Elliott und Kissinger im Zusammenhang mit dem Projekt der Harvard Summer School in Verbindung, und nachdem das Projekt angelaufen war, wurde Cram nach London geschickt, um stellvertretender Stationschef und offizieller Verbindungsmann zwischen der CIA, dem MI5 und dem MI6 zu werden.
Aus dieser Verbindung zwischen CIA und Harvard in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren ging das hervor, was sich eine Generation später zur Initiative Young Global Leader des Weltwirtschaftsforums entwickeln sollte.
World Order: Brexit, Populism and Kissinger with Niall Ferguson
https://youtu.be/332R8faUrhA

Einer der ursprünglichen Gründe für die Gründung der CIA war die Bekämpfung des sowjetischen Einflusses in anderen Ländern, und die CIA setzte zur Erreichung ihrer Ziele auf mehrgleisige Angriffsstrategien. Während Allen Dulles, Kermit Roosevelt Jr. und ihre Geheimarmee Staatsstreiche in einem Land nach dem anderen organisierten und durchführten, begannen andere mit der CIA verbundene Organisatoren und Geldgeber damit, die Infrastruktur zu schaffen, die es ihnen ermöglichen würde, junge europäische Führungspersönlichkeiten zu rekrutieren, auszubilden und in Machtpositionen zu bringen – Führungspersönlichkeiten, von denen sie glaubten, dass sie für einen möglichen sowjetischen Einfluss nicht anfällig wären.
Harvard war mit seiner Finanzierung solcher Projekte nicht allein. Wie Hugh Wilford in seinem faszinierenden und informativen Buch „The Mighty Wurlitzer“ feststellte, war „Yale in den ersten Jahren sogar der fruchtbarste Rekrutierungsort für die CIA und brachte unter anderem Cord Meyer und zwei der hellsten Sterne des ‚Goldenen Zeitalters‘ der verdeckten Operationen, Richard Bissell und Tracy Barnes, hervor.“
Wilford erwähnt auch James J. Angleton aus Yale und Norman Holmes Pearson. Letzterer, so Wilford, hatte seinen Abschluss in Yale gemacht, bevor er im OSS diente, und kehrte nach dem Krieg an die Universität zurück, um sein „American Studies“-Programm einzurichten. Die CIA versuchte im Wesentlichen, in direkter Konkurrenz zur Sowjetunion die Herzen und Köpfe junger Ausländer zu gewinnen.

Die Kommunisten hatten sich schon über 25 Jahre vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs um die beeinflussbare Jugend bemüht: Wilhelm „Willi“ Münzenberg, ein in Deutschland geborener kommunistischer Aktivist, war bereits 1919 der erste Führer der Jungen Kommunistischen Internationale (Komintern).
Im Jahr 1945 fand in London eine Konferenz statt, auf der der antiimperialistische Weltbund der Demokratischen Jugend gegründet wurde. Im darauffolgenden Jahr wurden weitere Gruppen gegründet, deren Mitglieder teilweise mit den kommunistischen Idealen sympathisierten, wie der Weltgewerkschaftsbund und die Internationale Studentenunion.
Letztere war in Prag gegründet worden und wurde von einer 25-köpfigen, mit den Geheimdiensten verbundenen US-Delegation besucht.

The Art of Anti-Nazi Propaganda: Willi Münzenberg and the Arbeiter-Illustrierte Zeitung
https://youtu.be/-1vYRoM-FiA

Als diese Organisationen gegründet wurden, wurden sie zu virtuellen Schlachtfeldern für die Ideologie des Ost-West-Konfliktes und den Zusammenprall des rhodesischen imperialistischen Kapitalismus und des sowjetischen Kommunismus.
Der Weltbund der Demokratischen Jugend sah, wie sich die Risse des Kalten Krieges in ihren Organisationen bald verfestigten, und bis 1949 hatten sich die Nichtkommunisten öffentlich aus der Gruppe zurückgezogen und stattdessen den Internationalen Bund Freier Gewerkschaften gegründet. Diese Art von Organisationen waren wertvolle Instrumente für die Verbreitung kommunistischer Propaganda und wurden von Lenin als „Hebel“ oder „Transmissionsriemen“ bezeichnet, weil sie die Kommunistische Partei mit den Massen verbinden können, und wurden im kommunistischen Jargon oft als „demokratische“ oder „Massen“-Organisationen bezeichnet, wie in einer Broschüre mit dem Titel „Fakten über internationale kommunistische Frontorganisationen“ im April 1957 beschrieben wurde.
In dieser Broschüre heißt es in einem Zitat von Lenin, das auch in dem 1947 von Lawrence und Wishart herausgegebenen Buch „The Essentials of Lenin, Volume II„, enthalten ist: „Es müssen alle Opfer gebracht und die größten Hindernisse überwunden werden, um die Agitation und Propaganda systematisch, beharrlich und geduldig gerade in den Institutionen, Gesellschaften und Vereinigungen fortzusetzen, denen proletarische oder halbproletarische Massen angehören.“
Im Wesentlichen war die Gründung und Finanzierung von Jugendorganisationen durch die CIA und ihre breitere Unterwanderung amerikanischer Universitäten eine Strategie, die im Wesentlichen direkt aus Lenins eigenem Handbuch stammte.

Vor der Beteiligung der CIA waren es die Briten, die die Initiative ergriffen und die Jugend Europas ins Visier genommen hatten, um der Unterwanderung durch die Kommunistische Partei entgegenzuwirken. Das Cultural Relations Department wurde mit der Entwicklung von Strategien für westlich orientierte Jugendgruppen, -organisationen und -konferenzen betraut.
Die erste dieser Gruppen war die World Assembly of Youth (WAY), die im Februar 1949 in England einen Satzungsentwurf erhalten hatte. Im August desselben Jahres wurden alle jugendbezogenen Mitgliedsorganisationen der Vereinten Nationen zu einer internationalen Konferenz in der Westminster Hall eingeladen. Dort wurde die WAY offiziell gegründet und ihr erster Präsident, Maurice Sauvé aus Kanada, gewählt.
Zu dieser Zeit begannen die Amerikaner, ihre eigenen Bemühungen um die „Erziehung der Jugend“ zu organisieren, was schließlich zu Initiativen wie dem International Seminar von Henry Kissinger führte. In Harvard begann der Ausschuss für internationale Angelegenheiten (HIACOM), eine Gruppe junger Veteranen zusammenzubringen, die während des Zweiten Weltkriegs im Geheimdienst gearbeitet hatten, um den weitaus fortschrittlicheren kommunistischen Propagandabemühungen Konkurrenz zu machen.

Im Dezember 1946 waren HIACOM-Vertreter an der Organisation eines Treffens in Chicago beteiligt, bei dem die Idee diskutiert wurde, ein nationales Gremium zu gründen, das die amerikanischen Studenten sowie die amerikanischen Interessen im weiteren Sinne bei internationalen Veranstaltungen vertreten sollte.
Im Sommer 1947 wurde daraufhin die United States National Student Association ins Leben gerufen. In den zwei Jahren vor der Gründung von Kissingers Internationalem Seminar hatten Harvard-Studenten Meinungsumfragen unter internationalen Studenten durchgeführt, um potenzielle antikommunistische Verbündete in Übersee ausfindig zu machen und gleichzeitig potenzielle Mitglieder von konkurrierenden Organisationen wie der International Union of Students abzuwerben.

Die National Student Association ließ ihre zweite Umfrage von zwei sehr interessanten privaten Spendern über das Office for Policy Coordination finanzieren.
Der Chicagoer Rechtsanwalt und Präsident des Chicago Council on Foreign Relations, Laird Bell, und ein Industrieller aus Wilmington namens Thomas Brittingham, stellten der Organisation jeweils die stolze Summe von 6.000 Dollar speziell für die Durchführung der Umfrage zur Verfügung. Laird Bell war ein äußerst einflussreicher und gut vernetzter Anwalt, der sich kurz vor dem Zweiten Weltkrieg häufig in Nazi-Deutschland aufhielt, um die Interessen der amerikanischen Anleihegläubiger zu vertreten, die mehr als eine Milliarde Dollar an die Deutsche Reichsbank verloren hatten. Bell war bei seiner Arbeit in Nazideutschland vor dem Krieg nicht allein, denn sein Co-Anwalt in diesen Fällen war John Foster Dulles, der die Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell vertrat.
Bis 1945 war Bell offiziell im besetzten Nachkriegsdeutschland tätig und Eisenhower ernannte ihn bald darauf zum Delegierten bei den Vereinten Nationen. 1948 wurde Laird Bell zum „Overseer“ des Harvard College ernannt, wo er bis 1954 blieb und die Gründung des International Seminars begleitete.

Thomas Brittingham war äußerst wichtig für die Entwicklung der Bemühungen Amerikas, die skeptische ausländische Jugend, insbesondere in Nordeuropa, für sich zu gewinnen. Kurz nach dem Krieg gründete er „The Brittingham Scholarships„, die sich an die Jugend in den skandinavischen Ländern richteten. Auch als „Wikinger-Studenten“ bezeichnet, wollte er junge Männer für seine Stipendienprogramme gewinnen, die schließlich den Namen „Brittingham Viking Scholarships“ erhielten und von der Universität von Wisconsin-Madison aus geleitet wurden.
Viele von „Toms Wikingern“ – wie sie auch genannt wurden – wurden in Organisationen erfolgreich, die auf der aktuellen Website des Programms als „verschiedene Wirtschaftsbranchen, akademische Bereiche und die Politik“ beschrieben werden.

Study Abroad in Scandinavia: Ellen and Dani tell us about their time on the Viking Program
https://youtu.be/zMBPSIqKp5o

Obwohl es viele verschiedene Jugendgruppen in den verschiedenen Bildungseinrichtungen in den USA gab, war Kissingers International Seminar an der Harvard Summer School ein sehr einzigartiges Projekt. Es handelte sich um eine fokussierte Veranstaltung mit einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern, die von einigen wenigen Auserwählten sorgfältig ausgesucht wurden. Der Harvard Crimson berichtete am 1. Februar 1956: „Eine Gruppe von etwa 50 Männern und einigen Frauen aus dem Orient, dem Nahen Osten und Europa, darunter Mitglieder verschiedener Parlamente, Redakteure, Künstler, Schriftsteller und andere führende Kulturschaffende, wird wieder einmal zusammenkommen, um das International Seminar zu bilden, das ein fester Bestandteil der Summer School ist.“
Es handelte sich um eine besondere Elitegruppe, die für einflussreiche Positionen ausgewählt, vorbereitet und geschult wurde und deren Loyalität für immer an die Interessen der Regierung der USA gebunden war, und diese Interessen sollten in den folgenden Jahrzehnten bald heftig schwanken.

Das Kissinger-Kontinuum

1992 war die Berliner Mauer gefallen und die Ausbildung von Schwabs speziell ausgewählten globalistischen Politikern der Zukunft hatte gerade erst begonnen. In dieser Zeit des großen politischen Wandels war Schwabs Weltwirtschaftsforum zu einer mächtigen globalistischen Einrichtung geworden und Schwab war bereit, dem Modell zu folgen, das zuerst von Kissingers CIA-finanziertem International Seminar eingeführt worden war.
Wie Herman Kahn und seine Kollegen vom Hudson Institute in einem Dokument aus dem Jahr 1967 mit dem Titel „Ancillary Pilot Study for the Educational Policy Research Center Program – Final Report“ dargelegt hatten, war die Ausbildung einer umfassenden zukünftigen Führungsgruppe außerhalb des normalen Bildungsrahmens von höchster Priorität. Wie bereits berichtet, war Kahn ein weiterer Mentor von Klaus Schwab.

Die erste Version des WEF-Programms für junge globale Führungskräfte mit dem Namen „Global Leaders for Tomorrow“ wurde 1992 ins Leben gerufen und als „eine neue Gemeinschaft“ beschrieben, deren erstes Treffen künftiger Führungskandidaten 1993 stattfand. Einige der Teilnehmer dieser ersten Veranstaltung bekleideten bald darauf Spitzenpositionen in ihren jeweiligen Ländern.
Tony Blair
zum Beispiel war Teilnehmer der ersten Veranstaltung und nur 4 Jahre später begann er seine zehnjährige Regierungszeit in Großbritannien.
Gordon Brown nahm 1993 ebenfalls teil, diente dann an der Seite von Tony Blair und wurde schließlich direkt danach Premierminister. Diese erste Gruppe war randvoll mit anderen zukünftigen Staatsoberhäuptern, von denen viele bald Staatsoberhäupter ihrer jeweiligen Länder werden sollten.
Bekannte Staatsoberhäupter wie Angela Merkel [Deutschland], Victor Orban [Ungarn], Nicholas Sarkozy [Frankreich], Guy Verhofstadt [Belgien], Lee Hsien Loong [Singapur], Cyril Ramaphosa [Südafrika] und José Maria Aznar [Spanien] nahmen teil. Neben den Politikern dieser ersten Gruppe waren auch namhafte Wirtschaftsführer wie Bill Gates, Richard Branson, Larry Summers und Edgar Bronfman anwesend.
Insgesamt umfasste der erste Jahrgang des Programms Global Leaders for Tomorrow 200 potenzielle Kandidaten, die damals alle unter 43 Jahre alt waren. Über ein Jahrzehnt lang wurden im Rahmen des Programms Global Leaders for Tomorrow verschiedene Führungskräfte ausgebildet, die anschließend oft in verschiedene Machtpositionen berufen wurden, darunter auch viele gewählte Amtsträger. Im Jahr 2004 wurde das Programm „Global Leaders for Tomorrow“ in „Forum of Young Global Leaders“ umbenannt und neu aufgelegt, nachdem Schwab Finanzierung durch einen alten Freund gefunden hatte.

Young Global Leaders – Inaugural Summit 2005
https://youtu.be/0pCL2LxXUI0

Das Harvard Kennedy Magazine vom Sommer 2009 beginnt seinen Leitartikel mit der Feststellung: „Durch Alumni und Lehre spielt die Harvard Kennedy School eine zentrale Rolle im Forum of Young Global Leaders Program“, schreibt der Autor Steve Nadis: „Im Jahr 2004 gewann Klaus Schwab MC/MPA 1967, ein Absolvent der Harvard Kennedy School, der das Weltwirtschaftsforum (WEF) gegründet hat, einen Preis in Höhe von einer Million Dollar von der Dan David Foundation und überlegte, wie er dieses Geld am besten einsetzen könnte. Schwab beschloss, ein dem WEF angegliedertes Programm namens Forum of Young Global Leaders (YGL) ins Leben zu rufen, das, wie der Name schon sagt, eine neue Generation von Führungskräften aus der ganzen Welt zusammenbringen und sie auf die größten Probleme der Zeit loslassen sollte.“
Bemerkenswert ist, dass die in Tel Aviv ansässige Dan-David-Stiftung, die Schwab die Million Dollar gewährte, die direkt zur Gründung des Young-Global-Leaders-Programms verwendet wurde, ein äußerst bedeutendes Mitglied in ihrem Vorstand hatte, nämlich Henry A. Kissinger.

Das Internationale Seminar von Harvard und die Initiative „Young Global Leaders“ des Weltwirtschaftsforums wurden als äußerst wirkungsvolle Instrumente für die Ausbildung und Einsetzung von weltweiten Führern geschaffen, die mit einer globalistischen Regierung nach Kissingers Vorstellungen sympathisieren würden. Beide Instrumente wurden auch durch die organisatorische Unterstützung und Finanzierung von Kissinger selbst möglich gemacht. Es ist keine Überraschung, dass Schwabs Verbindungen zu Kissinger ihr ganzes Leben lang bestanden, denn Schwab war ein Schüler von Henry Kissinger, und die beiden Männer schienen auch viele ähnliche Ansichten zu teilen.

Was jedoch an der Harvard Summer School und insbesondere an Kissingers Internationalem Seminar wirklich bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass die Programme, Konferenzen und grundlegenden Elemente dem sehr ähnlich waren, was das Weltwirtschaftsforum seinen Mitgliedern bis heute jährlich präsentiert. Es handelt sich um sehr ähnliche Projekte, die auf ähnliche Ziele abzielen.
Als das Weltwirtschaftsforum Anfang der 1990er Jahre seine Initiative „Global Leaders for Tomorrow“ ins Leben rief, führte die Organisation von Klaus Schwab ein Programm zur Rekrutierung und Ausbildung globaler Führungskräfte ein, das sich kaum von Kissingers CIA-finanziertem International Seminar unterscheiden ließ. Schwab trat in die Fußstapfen seines Mentors Henry Kissinger und es war die Dan-David-Stiftung, in deren Vorstand Kissinger saß, die Schwab schließlich die Anfangsfinanzierung gewährte, die erforderlich war, um die aktuelle Version des Programms, das Forum for Young Global Leaders, zu schaffen.

Das Weltwirtschaftsforum hat durch seine Initiativen „Global Leaders for Tomorrow“ und „Young Global Leaders“ viele globalistisch ausgerichtete Staatsoberhäupter, Minister, Wirtschaftsführer, Unternehmer und andere mächtige Akteure hervorgebracht. Schwab hat sogar offen darüber gesprochen, wie seine Organisation in die Kabinette vermeintlich souveräner Staaten „eingedrungen“ ist, und wir sollten nicht naiv sein, denn genau das hat er seit mindestens drei Jahrzehnten geplant.
Allerdings sind es nicht die Tausenden von Teilnehmern, die diese Programme absolviert haben, die uns am meisten Sorgen machen sollten. Unsere wirkliche Sorge sollte den Milliarden demokratischer Wähler gelten, denen vorgegaukelt wurde, dass die von Schwab oder Kissinger hervorgebrachten Führungspersönlichkeiten deren Bestes im Sinn haben.

Klaus Schwab wurde zum Erben von Henry Kissingers wichtigstem Projekt, der Unterwanderung von Einzelpersonen und Organisationen in Ländern auf der ganzen Welt mit dem Ziel, globalistisch ausgerichtete Regierungen zu schaffen, die im Rahmen eines veralteten und seelenlosen Konzepts des amerikanischen Imperialismus aufgebaut sind.
Klaus Schwabs Aktivitäten seit seiner Zeit in Harvard können einfach als direkte Fortsetzung von Kissingers Arbeit in den 1950er und 1960er Jahren gesehen werden, und es wäre naiv zu glauben, dass es nicht noch jemanden gibt, der bereits ausgebildet und trainiert wurde und bereit und willens ist, Kissingers politischen Staffelstab von Schwab zu übernehmen und ihre gemeinsame Mission in Richtung einer globalistischen Regierung fortzusetzen.

------------------------------ Ende der Übersetzung

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

»Frieren für die Freiheit« -Zum Karlspreis 2023

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Vor einigen Tagen in der kleinen, wackeren, auch auf Deutsch erscheinenden

https://www.zlv.lu/db/1/1434864742490/0

von Uli Brockmeyer
karlspreis_logoDie Eilmeldung des Tages kam am Freitag von der Deutschen Presseagentur: »Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und das ukrainische Volk bekommen den Karlspreis 2023 für Verdienste um Europa«.
Dabei hat diese Meldung zunächst so gut wie keinen Nachrichtenwert, denn es wäre absolut überraschend, wenn der Preis, der seit dem Jahr 1950 in der Stadt Aachen »für Verdienste um Europa und die europäische Einigung« verliehen wird, nicht an die Ukraine gegangen wäre.

In diesem Jahr gab es nur wenige Ehrungen und Preise, die nicht irgendwie in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine vergeben wurden. Beim Oscar hat es zwar noch nicht geklappt, aber erwartungsgemäß ging der diesjährige Friedensnobelpreis zumindest zu einem Drittel an Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft der Ukraine, also an Leute, die nicht der Medienzensur des Präsidenten in Kiew unterliegen, sondern brav ins antirussische Horn blasen. *)
Erschreckend für jeden Freund der humanistischen Literatur war die Verleihung des Heinrich-Heine-Preises an einen ukrainischen Autor, dessen Lektüre den Namensgeber des Preises mit Sicherheit in seinem Grab rotieren lassen würde.

Das Karlspreisdirektorium und die Stadt Aachen erklärten, daß »das ukrainische Volk unter Selenskis Führung nicht nur die Souveränität seines Landes und das Leben seiner Bürger« verteidige, »sondern auch Europa und die europäischen Werte«. Man wolle unterstreichen, daß die Ukraine Teil Europas sei. Bevölkerung und Regierungsvertreter verdienten »die Ermutigung«, »rasch Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union zu führen«.

Das ist zumindest einige Überlegungen wert, denn an diesem Satz kommt nur eine einzige Aussage der Wahrheit einigermaßen nahe, nämlich daß die Ukraine Teil Europas ist.
Aber selbst das muß relativiert werden, denn die Autoren der Begründung verstehen »Europa« nicht als Europa, also den Kontinent, zu dem bekanntlich sogar ein ziemlich großes Stück Rußland gehört, sondern als Europäische Union.

Alles andere in der Begründung ist billige Propaganda. Man muß nicht täglich die Nachrichten lesen, um zu wissen, daß nicht »das ukrainische Volk« Selenskis Krieg führt.
Wer in den vergangenen acht Jahren nicht blind und taub war, weiß, daß das ukrainische Regime seit dem Jahr 2014 einen Krieg gegen Teile des eigenen Volkes führt, nämlich gegen die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung der Ostukraine – einen Krieg, der nach UNO-Angaben mindestens 15.000 Todesopfer gefordert hat.
Und nebenbei gesagt ein Krieg, der vom »Westen« nicht nur geduldet, sondern tatkräftig gefördert wurde, um die Ukraine stark genug zu machen für eine Konfrontation mit Rußland. Das hat die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel gegenüber der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit« ausdrücklich eingeräumt.

Diese Konfrontation ist nun da, und es ist aus der Sicht der »westlichen« Politik völlig logisch, daß der Krieg noch möglichst lange dauern soll.
Deshalb gehen Milliarden über Milliarden an die Ukraine, und niemand weiß, wo sie versickern, und deshalb schickt der Westen Waffen und Munition in bisher ungekanntem Ausmaß, auf daß Rußland »auf dem Schlachtfeld besiegt« werde.

Und deshalb sollen kein Gas und kein Öl mehr aus Rußland nach Westen fließen, um Rußland zu schaden, und deshalb wird uns im Westen gesagt, daß wir ruhig ein wenig frieren sollen in diesem Winter, und wohl auch im kommenden – »für unsere Freiheit«.
Vielleicht sollte »Frieren für die Freiheit« ganz oben auf die Liste »unserer Werte« gesetzt werden.

Die redaktionelle Linie der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«

Die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« versteht sich seit ihrer Gründung als eine Tageszeitung für allgemeine Informationen und Meinungsbildung, und als ein wichtiger Akteur des Pluralismus der luxemburgischen Presse.
Die Werte, die bei ihrer Gründung im Jahr 1946 durch das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Luxemburgs und dessen Beauftragten Jean Kill im Vordergrund standen – Frieden, Humanismus, sozialer und gesellschaftlicher Fortschritt, Laizismus, Solidarität, Antirassismus, Antimilitarismus – sind heute aktueller denn je und bestimmen die redaktionelle Linie der Zeitung.

Ziel der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« ist es, umfassend und objektiv über alle wichtigen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignisse zu berichten. Sie nutzt dafür auch eigene Korrespondenten und andere Quellen im Ausland.
Wir legen Wert darauf, den Leserinnen und Lesern Orientierung zu bieten, welche sie in die Lage versetzt, nationale und internationale Geschehnisse besser zu verstehen und einzuordnen.

*: Dazu passend https://www.anti-spiegel.ru/2022/ukraine-journalisten-werden-erschossen-oder-verschwinden-opposition-wurde-verboten/
Erinnerung
: Schon zu meiner Studienzeit in Aachen in den 1970er Jahren wurde dieser Preis an fragwürdige Gestalten verliehen, z.B.1978 Konstantin Karamanlis.

Wir Jungdemokraten haben uns damals auch nicht gescheut, zusammen mit anderen demokratischen Kräften dagegen zu protestieren.
Wo bleibt der Protest heute ?

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen