Unterschriftensammlung „Gewerkschafter sagen: Nein zum Krieg – Nein zum Krieg gegen den Sozialstaat“

Kollwitz_KriegIch hoffe, dass sich noch viele Gewerkschafter und andere Friedensfreunde dazu entschließen, den Aufruf zu unterschreiben !

Eine Unterschriftenliste zum Ausdrucken kann hier herunter geladen werden: Unterschriftensammlung

Ausgefüllte Listen, auch wenn nur eine Unterschrift darauf ist, bitte entweder per Post senden an: Gotthard Krupp, Postfach 120 364, 10593 Berlin oder per FAX an 030 3131662 oder einscannen und als .jpg an GotthardKrupp@t-online.de senden !

 

Politische Arbeitskreise für unabhängige Arbeitnehmerpolitik - Berlin

„Wer soziale Gerechtigkeit will, muss den Frieden erkämpfen“

Seit einem Jahr tobt ein grausamer Krieg in der Ukraine. Weder den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine noch die kriegerische Eskalation durch die Nato, unter Führung der USA, haben die russischen, die ukrainischen, und auch nicht die deutschen Arbeitnehmer*innen entschieden. Mit den Lieferungen immer schwererer Waffen und massiver Kriegsaufrüstung durch die europäischen Regierungen und die USA droht die Gefahr weiterer Eskalation, bis hin zu einem neuen Weltkrieg.

Für das 100 Milliarden Euro Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung, inzwischen geht es um über 300 Milliarden Euro, und der Aufstockung der 2% des BIP des Rüstungshaushaltes auf 3% bis 2030 durch die Nato-Länder (für Deutschland ein zweistelliger Milliardenbetrag) soll die arbeitende Bevölkerung und Jugend einen hohen Preis bezahlen:

  • Mit einer neuen Offensive der Kaputtsparpolitik gegen die Krankenhäuser: Lauterbachs „Reform“ heißt das Aus für über 1.000 Kliniken.
  • Mit weiterem Reallohnverlust, so das „Angebot“ der öffentlichen Arbeitgeber, Regierungen…

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Europas Zukunft: Zehn Varianten des Abstiegs

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

dagmar henn

Ein intelligenter Kommentar von Dagmar Henn:
https://freeassange.rtde.live/meinung/168623-europas-zukunft-zehn-varianten-abstiegs/
Auszüge:

Es wird getan, als ginge es um die Ukraine; in Wirklichkeit geht es um eine Welt ohne Kolonialismus. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa könnte damit gut leben. Aber es fehlt die politische Kraft, um an die Stelle verbissener Verteidigung der alten Ordnung die neue zu setzen.

Überlegungen, wie die ganze gegenwärtige Krise – nicht nur in Bezug auf die ukrainische Front, sondern auf die globale Veränderung – für Europa enden könnte, beginnt man vielleicht am besten mit dem wünschenswerten Ergebnis. Für die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Bevölkerungen wäre das eine Eingliederung in eine künftige Weltordnung souveräner Staaten mit gleichen Rechten.

In einer solchen Ordnung würden zwar die enormen Geldflüsse entfallen, die augenblicklich das Ergebnis der westlichen Macht sind, aber von diesen Geldflüssen profitiert nur eine verschwindende Minderheit. Für die allermeisten bieten die enormen, in wenigen Händen konzentrierten Geldbeträge nur Nachteile – um für all dieses Geld eine Verzinsung zu ermöglichen, steigen die Mieten und werden alle möglichen Lebensbereiche, wie das Gesundheitswesen, künstlich kommerzialisiert.

Nur als Beispiel dafür: In Deutschland besitzt gerade ein Prozent der Einwohner Wohnungen, in denen sie nicht selber leben. Darunter sind aber noch ein Menge Menschen, die etwa als Altersvorsorge genau eine Wohnung besitzen, die sie vermieten.
Nur dieses eine Prozent profitiert von den stetig steigenden Mieten. 99 Prozent haben davon einen Nachteil, denn selbst für die Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum wird der mögliche Vorteil eines steigenden Werts durch größere Probleme, dieses Eigentum überhaupt zu bilden, ausgeglichen.

Ein Verschwinden dieser Geldflüsse – was mit einem Bedeutungsverlust von Kolonialstrukturen wie IWF und Weltbank einhergeht – würde die Struktur des internationalen Handels verändern, der in vielen Bereichen heute von der Peripherie ins Zentrum fließt. An die Stelle des Abschöpfens müsste wieder ein Austausch von Gütern treten.
Dabei würde sich natürlich auch die Verteilung der Produktion ändern, weil eine Befreiung von kolonialen Lasten vielerorts eine nachholende Industrialisierung ermöglichen würde. Das heißt, die Rolle der jeweiligen Binnenmärkte würde in allen Ländern zunehmen.

Das klingt für deutsche Ohren, denen jahrzehntelang der Exportweltmeister als Ideal vorgesungen wurde, erst einmal irritierend, aber eine auf den Binnenmarkt konzentrierte Ökonomie ist für abhängig Beschäftigte ein Vorteil, weil die Löhne es ermöglichen müssen, die produzierten Waren auch zu erwerben.

Das wäre alles natürlich noch weit ausführlicher darzustellen; aber nehmen wir es einmal als gegeben an, dass eine Eingliederung auch der europäischen Länder in eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung möglich wäre.
Dennoch sind die politischen Machtverhältnisse augenblicklich derart von den Interessen maximal des obersten Promilles dominiert, das sich mit allen Kräften einer Veränderung der globalen Ordnung widersetzt. Um diese Zustände zu erhalten, wurden die demokratischen Mechanismen weitgehend außer Kraft gesetzt (die EU war dabei ein entscheidendes Mittel) und die öffentliche Meinung einer nie dagewesenen Kontrolle unterworfen. Wie also soll ein Weg von Zustand A in Zustand B möglich sein? Augenblicklich sind – trotz der massiven Proteste wie gerade in Frankreich – keine politischen Kräfte sichtbar, die im Stande wären, an den Machtverhältnissen im Innern des Westens etwas zu ändern.

Aber schließen wir die Möglichkeit nicht völlig aus; eine weitere Zuspitzung mag noch für Überraschungen sorgen.
Doch es gibt noch eine andere Variante, die aus einer westlichen Niederlage resultieren könnte, einen massiven wirtschaftlichen Zusammenbruch. Tatsächlich wäre dieser die zwangsläufige Konsequenz, wenn die erforderliche politische Anpassung an die geänderten globalen Verhältnisse nicht möglich ist.

Dabei sind folgende Punkte wichtig: Wirtschaftskrisen vom Kaliber 2008 oder 1929 sind chaotische Prozesse, und es hat zwar ab 2008 die Möglichkeit gegeben, die Folgen der Krise durch massive Geldschöpfung zu vertagen, aber weder war es möglich, ihre Entstehung zu verhindern, noch wurden die auslösenden Probleme auch nur ansatzweise gelöst.
Das heißt, wenn sich die verschiedenen Faktoren wie extreme Staatsverschuldung (insbesondere in den USA), massive Überbewertungen beispielsweise bei Immobilien und schwindender Einfluss des US-Dollars durch welchen Anstoß auch immer in eine große ökonomische Krise umsetzen, hat keine Regierung der Welt die Möglichkeit, das aufzuhalten.
Allerdings gibt es zwei Faktoren, die es möglich erscheinen lassen, dass diese Krise weitgehend auf den Westen beschränkt bleibt – je geringer der Einfluss des US-Dollars und je stärker die Abkopplung der ökonomischen Zonen, die der Westen mit seinen Sanktionen stetig weiter vorantreibt, desto besser die Chancen für den nichtwestlichen Teil der Welt, von dieser Krise nicht oder nur begrenzt betroffen zu werden.

Der ökonomische Zusammenbruch (denn darum würde es sich für den Westen handeln) ist gewissermaßen der Joker im Spiel, der zumindest partiell unabhängig von den militärischen und politischen Entwicklungen jederzeit auftauchen kann; einzig die Wahrscheinlichkeit des Eintritts steigt im Zeitverlauf beständig.
Dabei ist die wahrscheinlichste Variante eine Mischung aus der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. und der deutschen Inflation 1923, also 2008 auf Steroiden mit einer Hyperinflation als Dreingabe. Falls, oder eher, wenn diese ökonomische Krise zuschlägt, dann ist der globale Westen handlungsunfähig, außer in einem einzigen Punkt, der leider ein Problem bleiben wird, solange in den USA die Neocons das Sagen haben – er befindet sich immer noch im Besitz nuklearer Waffen.
Diesen Punkt zu diskutieren, ist allerdings unnütz, das Ergebnis steht fest.

Diese ökonomische Erschütterung wird zwangsläufig, über kurz oder lang, auch das politische Gefüge erschüttern; schlicht deshalb, weil innerhalb des Bestehenden kein Ausweg möglich ist. Das Vertagen der Krisenfolgen wie nach 2008 funktioniert nicht mehr; sollten zu diesem Zeitpunkt noch größere Reste der alten Position des US-Dollars übrig sein, dürften sie sich nach Einsetzen dieser Krise in unvorstellbarer Geschwindigkeit verflüchtigen, schon allein, weil jeder Staat außerhalb des westlichen Kerns bemüht sein wird, in diese Entwicklung nicht mit hineingezogen zu werden.

Wie tief der Absturz wird, und wie lange es zu einer Erholung brauchen wird, hängt nicht nur in diesem rein ökonomischen Szenario davon ab, ob sich ausreichend politische Kräfte finden, die eine Rekonstituierung demokratischer Prozesse tragen und eine ökonomische Anpassung im Interesse der Bevölkerung vorzunehmen im Stande und willens sind.
Die gegenwärtige politische Elite in den europäischen Ländern dürfte dafür vollständig untauglich sein. Wobei die ganzen gegenwärtigen Bemühungen, einen Dissens und die Bildung politischer Gegenkräfte mit allen Mitteln zu verhindern, letztlich absurd sind – weder die globale Veränderung noch die ökonomische Krise werden dadurch verhindert, was bedeutet, dass letztlich dadurch auch die Macht der gegenwärtigen Eliten nicht gesichert werden kann; aber die Entwicklung eines Europas, das der Welt nicht mehr als Kolonialherr gegenübertritt, und damit die Möglichkeit eines Auswegs aus der Krise werden sabotiert.

Legen wir den Joker beiseite und betrachten, welche Entwicklungen auf der politischen Ebene möglich sind – ohne zu vergessen, dass in den meisten Versionen der Joker früher oder später dennoch ins Spiel kommt.

Die erste Version wäre eine lineare Verlängerung der Gegenwart. Die gesamte EU bleibt den USA völlig hörig, die USA selbst setzen ihr „Solange es nötig ist“ auf stetig weiter schrumpfendem Gebiet fort und eröffnen zusätzlich eine zweite Front gegen China, in die sich die EU ebenfalls ziehen lässt. Wenn man die Aussagen beispielsweise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell liest, ist diese Version durchaus möglich.
Während die Kämpfe in der oder vielmehr um die Ukraine aufrechterhalten werden und langsam Richtung polnischer Grenze geschoben werden, könnte eine Auseinandersetzung zwischen den USA und China sehr schnell eskalieren, schlicht deshalb, weil in einem weitgehend maritimen Konflikt für China gar keine andere Möglichkeit bestünde, als die Flugzeugträgergruppen der USA anzugreifen. Freundliche Hilfe Russlands in der einen oder anderen Art, um auch mit den US-U-Booten umgehen zu können, kann man voraussetzen. Eine schnelle Eskalation hieße eine schnelle Niederlage der USA. Eine derart sichtbare, unverkennbare Niederlage, dass die ökonomische Krise vermutlich auf dem Fuß folgen würde.
Welche Folgen das in den gegenwärtig politisch tief gespaltenen USA hätte, ist schwer vorherzusagen, aber das wirksamste Mittel gegen ein Umschlagen in einen Bürgerkrieg könnte dann der Mangel an Munition sein.
Auf jeden Fall wäre das Resultat ein völliger Glaubwürdigkeitsverlust der einen Seite, und politische Instabilität. In vermindertem Maß gilt das auch für Europa, das zu diesem Zeitpunkt dank der mit Sicherheit eingeführten Sanktionen gegen China in einer Rezession steckt, selbst ohne Aktivierung der großen Krise. Das wäre dann ein langsamerer Abstieg, der aber, gerade weil langsamer, die Kontrolle durch die bestehende Macht verlängert und damit die Bildung politischer Gegenkräfte weiter verzögert.

Version zwei wäre ein mehr oder weniger schneller Rückzug der USA von der ukrainischen Front, um „die Hände frei“ für China zu haben, wie das jüngst der CDU-Verteidigungspolitiker in geradezu freudiger Erwartung formulierte, weil er eine „deutsche Führungsrolle“ in der Ukraine erhoffte. Das sind Untervarianten A und B –
A wäre eine Übernahme der Führung in der EU in Bezug auf die Ukraine durch Deutschland, was eine Verlangsamung zur Folge hätte (Russland hat es nicht eilig, und das deutsche Militär will sich auf keinen Fall in der Ukraine wiederfinden) und womöglich zu Versuchen von EU-Seite führt, das Ganze einschlafen zu lassen; eine realistischere Option, wenn die Grünen nicht länger Teil der Regierung wären. Es ist aber, dank der gründlichen Vorarbeit von Angela Merkel bei Minsk, nicht allzu wahrscheinlich, dass sich Russland auf deutsche Verhandlungspartner einlässt.
Schon der Versuch würde allerdings zu Problemen zumindest mit Polen und den Balten führen, die, gäbe es eine deutsche Regierung mit einem Ansatz von Rückgrat, durch Verweis auf die EU-Subventionen beherrschbar wären; allerdings auch nur, solange die EU als Rahmen existiert. Wenn allerdings die Mittel knapp werden, weil die EU in der Rezession versinkt, fehlt das Mittel, Polen zu kontrollieren, und ein abrupter Wechsel hin zu Untervariante B mit Billigung der USA ist nicht auszuschließen.
B: Das wäre die Eskalation durch den Einsatz polnischen Militärs, um den Krieg selbst dann fortzusetzen, wenn Kiew personell dazu nicht länger im Stande ist. Die bei weitem unberechenbarste Version, zum einen wegen der innigen Nähe der jetzigen polnischen Regierung zu den US-Neocons, zum anderen, weil die Reaktion der Bundesregierung auf polnische Reparationsforderungen, der nicht einmal ein Verweis auf Oberschlesien über die Lippen kam, fürchten lässt, dass sie in diesem Fall zwar zumindest eine Zeit lang das Mitmarschieren verweigern würde, aber nicht im Stande wäre, daraufhin auf Abstand zu gehen. In welchem Fall das Auftauchen des Jokers geradezu einer Erlösung aus einem langen Elend gleichkommen könnte. Außer, es fänden sich noch andere EU-Staaten, die das polnische Spiel nicht mitmachen wollten.

Vermutlich ebenfalls in Richtung der polnischen Variante dürfte es gehen, sollten in der Ukraine Armee und Staat plötzlich zusammenbrechen. Dann würde das Ganze wahrscheinlich mit einer humanitären Erzählung bekränzt, was dafür sorgt, dass Deutschland und Frankreich diesem Marsch in den Sumpf wenig entgegensetzen. Die EU-Spitze wäre ohnehin mit wehenden Fahnen mit dabei. Das Ergebnis wäre eine partielle Umkehrung der ersten polnischen Variante – erst die polnische Intervention, gefolgt vom Rückzug der USA, die sich dann darauf verlassen könnten, den Rest der EU in der Falle zu haben.
Das wäre der langsamste und schmerzhafteste Niedergang, enthielte aber bei einer entsprechenden russischen Reaktion und einem Durchmarsch bis weit in den Westen zumindest die Hoffnung, dass sich das Problem der gegenwärtigen politischen Eliten erledigt hat.

Das größte Risiko für das Bestehen der EU ist die Entwicklung in Frankreich. Dort dürften die Proteste zunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage in der EU verschlechtert; aber für einen Sturz Macrons und ein Entrinnen aus der Umklammerung durch die EU dürften friedliche Proteste nicht genügen, auch dann nicht, wenn sie mit Generalstreiks kombiniert werden. Das haben die Auseinandersetzungen in der Euro-Krise in Griechenland und Portugal bewiesen. Nicht einmal 12 Prozent der Bevölkerung auf der Straße genügten 2013 in Portugal, auch nur die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
Ein Ende der EU, das die Voraussetzung für eine Rückkehr zu demokratischen Zuständen wäre, würde erfordern, dass mindestens Frankreich oder Deutschland aussteigt; ein Austritt Ungarns würde nicht genügen. Dass der ökonomische Angriff der USA auf Europa Deutschland als erstes Ziel hatte, hat die Binnenverhältnisse sogar stabilisiert, weil die deutsche Dominanz in den letzten beiden Jahrzehnten die Hauptquelle für Unmut war.
Die jetzigen europäischen Politiker dürften eher an diesem Rahmen festhalten, um damit die Möglichkeit ihres Sturzes zu verringern, selbst wenn das ganze Staatenbündnis bis zum Hals im Wasser steht.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre die polnische Variante fast vorteilhaft, weil sie die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zwangsrahmen zerbricht, etwas erhöht.

Gesetzt den Fall, der Krieg in der Ukraine schleppt sich ohne Ausweitung auf China hin bis zu den US-Wahlen, gäbe es noch die Variante, dass ein neu gewählter US-Präsident Donald Trump in Kiew anruft und trocken mitteilt, jetzt gäbe es nichts mehr, was das Problem Ukraine per Zusammenbruch lösen würde.
Die EU-Führung würde vermutlich einige Wochen brauchen, um sich von der Schockstarre zu erholen, aber eine kleinere Version des polnischen Szenarios ist dennoch nicht ausgeschlossen. Allerdings sind die US-Wahlen erst Ende 2024.

Gänzlich unwahrscheinlich ist leider die Version, dass die Führung der EU sich eines Besseren besinnt und sich von den USA abkoppelt. Das würde im Prinzip die weichste Landung ermöglichen – ein Ende der Unterstützung der Ukraine, eine geordnete Auflösung der EU und eine, wenn auch mühsame, Neuorientierung hin auf die multipolare Welt. Der beste Zeitpunkt dafür wäre der Moment, wenn die USA ihren Fokus auf China verschieben. Aber ein Blick auf das Brüsseler Personal genügt, um diese Version ins Reich der Märchen zu verweisen.

Eine wirklich optimistische Variante, nach der in ein, zwei, drei europäischen Ländern die vorhandenen Regierungen entmachtet und die NATO aus dem Land gekegelt wird, um anschließend unter zumindest möglicher Umgehung einer tiefen ökonomischen, politischen und sozialen Krise die Anpassung an die neuen Verhältnisse zu beginnen, ist derzeit nicht sichtbar.

Das ist die wirkliche Tragik der Entwicklung. Denn die europäische Geschichte ist nicht nur eine des jahrhundertelangen Raubes rund um die Welt, der von oben orchestriert wurde; sie ist auch eine Geschichte eines jahrhundertelangen Kampfes von unten um politische Rechte und die politische Macht; ein Kampf, ohne den weder die Idee von Menschenrechten noch von Demokratie noch die des Völkerrechts je geboren worden wäre.
Aber die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte, mit seinen Siegen und Niederlagen, seinen Errungenschaften und Widersprüchen, wurde erfolgreich ausgelöscht.

Selbst die Franzosen scheinen vergessen zu haben, wie man die Bastille stürmt.

Mein Kommentar: Irgendwie habe ich hier nicht mitbekomen, wo die eine Version aufhört und die nächste anfängt. Nur den Schluss kann ich vollumfänglich teilen.
Über Eure Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Ein Lehrstück zu „unseren westlichen Werten“ – Das Imperium schlägt zurück: Bolivien destabilisieren und die Kontrolle übernehmen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das hier beschriebene Vorgehen ist charakteristisch und typisch.
Man kann sich also vorstellen, was hier passieren würde, wenn es – was zur Zeit undenkbar wäre – auch in unserem von den USA besetzten Land mal eine linke Regierung gäbe.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96073

Der historisch-populare Block in Bolivien unter der Regierung von Luis Arce („Bewegung zum Sozialismus“) ist mit internen Bedrohungen und neuen Methoden imperialer Einmischung konfrontiert.
Wie kann man sie angehen und die wachsende Kluft zwischen Regierung und sozialen Bewegungen überwinden?
Von Isabel Rauber.

Kurzer Rückblick auf die Schaffung des plurinationalen Staates

Die Beharrlichkeit der Völker des plurinationalen Staates Bolivien bei der Eroberung von Rechten und deren Verteidigung hat eine lange Geschichte.
Ihr historisches Streben nach Verteidigung ihrer Identität, nach Gerechtigkeit, nach Anerkennung ihrer Lebensweisen, Weltsichten, ihres Wissens, ihrer Weisheiten, Sprachen und Geschichte, das heißt ihrer Existenz in Würde und Respekt stützt sich auf Jahrhunderte des Widerstandes und des Kampfes.
Aufstände, Revolutionen, Streiks und Straßenblockaden legten Zeugnis ab vom Bewusstsein des Volkes – vereint in seiner Vielfalt –, von der Berechtigung seiner Kämpfe, seiner Forderungen sowie von der grundlegenden Bedeutung, Übereinstimmungen herbeizuführen. Diese können die Grundlage für die Verbindung aller sein, um sich auf eine gemeinsame Plattform zu einigen, die sie als kollektives politisches Subjekt (selbst)etablieren würde. Ein Subjekt, das fähig ist, in der nationalen politischen Arena zu handeln und bei Wahlen die Gelegenheit zu nutzen, die Gestaltung ihres Schicksals selbst zu übernehmen und damit die Anerkennung als Staatsbürger mit allen Rechten zu erreichen und diese ohne Einschränkungen ausüben zu können.
Nach einigen historischen Versuchen mündeten die sozialen Kämpfe der großen Bewegungen der Indigenen, der Bauern, Bergleute, Kokabauern und der Frauen vom Land in einen gemeinsamen Strom mit den städtischen und intellektuellen Sektoren und verbanden sich politisch in der Entschlossenheit, die Demokratie herauszufordern, um sie zugunsten aller zu erweitern. Nach der Erringung von Sitzen im Parlament und der Vertretung in verschiedenen Instanzen der Institutionen bei den Ende 2005 abgehaltenen allgemeinen Wahlen eroberte das Ensemble von Organisationen, aus denen sich die Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) zusammensetzte, mit Evo Morales als Kandidat die Präsidentschaft und Regierung des Landes. Das eröffnete die Zeit einer indigenen, bäuerlichen, volksnahen, entkolonialisierten und interkulturellen Demokratie, die zudem den Anspruch erhob, antipatriarchal zu sein.
Das Jahr 2006 brachte dann zusammen mit dem Sieg große Herausforderungen mit sich: die Verantwortung für Staat und Regierung, die Übernahme der Regierungsgeschäfte in den Departamentos und Gemeinden, und das alles bei Fortbestehen einer elitären und ausgrenzenden institutionellen Rechtsprechung. Unbeirrt machten sie sich an die Arbeit, um etwa den in den Jahren der sozialen Kämpfe entworfenen Nationalen Entwicklungsplan zu konkretisieren und umzusetzen, wie auch eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen und durchzuführen, die die Rechtsgrundlagen für die Gründung des Plurinationalen Staates Bolivien schuf.

Diese Prozesse öffneten die Schleusen für die Entwicklungen demokratisierender, dekolonisierender, interkultureller und integrativer Veränderungen.
Die dabei erzielten Errungenschaften und ihre Lehren sind tiefgehend und reichhaltig. Die vielfältigen Bedeutungen des Erreichten sind noch nicht vollständig erfasst worden. Gab es Fehler dabei? Offensichtlich, wie bei allem, was zum menschlichen Handeln gehört.
Aber damit wurde auch der Weg gebahnt für beeindruckende Veränderungen, so gewichtig und tiefgreifend, dass viele von unbedarften Blicken nicht wahrgenommen werden.

Die Steine im Schuh

  1. Die Reaktion der Opposition
    In einem von ihnen als natürlich angesehenen Herrschaftsbereich in Frage gestellt, setzten die mächtigen Kolonialisten, sowohl die historischen wie auch die aktuellen, anfänglich auf das Scheitern der MAS-Regierung und wandten dafür alle Arten von Fallstricken und Tricks an.

    Als das nicht die erhofften Ergebnisse brachte, versuchten sie, die Fortsetzung des Prozesses zu verhindern und Morales zu stürzen. Die Blockaden seitens der Opposition und die Paralysierung großer Teile des Landes, um die Durchführung der Volksabstimmung zur Ratifizierung der Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung zu verhindern, sollten die Regierung und die sozialen Bewegungen der MAS zum Nachgeben bringen. Sie legten aber den antidemokratischen, kolonialistischen und rassistischen Hintergrund dieser Bestrebungen bloß, und unter breiter Teilnahme des Volkes wurde ihnen schließlich eine Niederlage bereitet. Diese drückte sich in der Durchführung des Referendums aus, das die Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung weitgehend bestätigte.
  2. Entfremdung zwischen der MAS-Basis und der Regierung
    Ohne Zweifel hatten nicht alle Stolpersteine und Fallen ihre Ursache in der hartnäckigen Opposition. Es gab auch Spannungen und Probleme, die aus ungeschickten politischen Maßnahmen herrührten, wie etwa die ohne Befragung vorgenommene Preiserhöhung bei Treibstoffen, die den Benzinstreik auslöste (2010), oder der spätere Konflikt um den Bau einer Straße durch das Tipnis-Schutzgebiet (2011).

    Beide Vorgänge führten in erster Linie zu einer unbestreitbaren Ablehnung durch die direkt betroffenen popularen Protagonisten und markierten den Beginn einer Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten, die sich langsam auch in anderen Auffassungen von Regierung und Staat zeigte.
  3. Von Protagonisten zu Zuschauern
    Zusätzlich zu dem oben Erwähnten nahm die Beteiligung der Protagonisten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen und Beschlüssen des Staates bzw. der Regierung immer mehr ab, und in der Folge wurde es immer weniger möglich, dass sie gehört wurden. Die Zurückweisung von Kritik aus den eigenen Reihen, die Ausgrenzung abweichender Meinungen usw. nahmen immer mehr zu. Das alles hatte eine entsprechende Distanzierung einiger der konstitutiven Sektoren der MAS von der Regierungsführung und ihren Behörden zur Folge. Die auf die Rückkehr an die Macht gierige Opposition nutzte das, die Schwächen der MAS wurden schnell und zugleich zu Stärken der Opposition.
    Vielleicht bauten der Bürokratismus der Regierungsführung selbst, die Blendung, die von der Machtausübung ausgeht, die zunehmende Technisierung der Tätigkeit von Staat und Regierung, die aus dem öffentlichen Bereich nach und nach einen für die “befähigten Eliten” reservierten Bereich machte, allmählich systematisch Barrieren zwischen Regierenden und Regierten auf und ließ die Protagonisten zu Zuschauern der Veränderungen werden.*)
  4. Die Loslösung vom kollektiven politischen Subjekt und die Rückkehr des Korporativismus Unterschiedliche soziale Bewegungen und Organisationen, die zuvor vereint waren bei der Formierung eines programmatischen Fundaments, das die Bedingungen für die Regierung Evo Morales 2006 schuf, wurden mehr und mehr von den Regierungsentscheidungen abgekoppelt. Nach und nach wurde die gemeinsame verbindende Basis des kollektiven politischen Subjekts geschwächt und seine Organisationen lösten sich vom Kollektiven – obwohl sie nominal Teil davon blieben –, nahmen wieder Zuflucht in ihren Teilbereichen und machten den Weg frei für bilaterale Verhandlungen mit der Regierung, um Vorteile für Sektoren oder Teilhabe an der Macht einzufordern, je nachdem, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht.
    Das war nicht mehr das vielfältige organisierte Ganze, sondern eine Summe von Teilen, nicht selten mit Rivalitäten untereinander.
  5. Die Schwäche der politischen Führung
    Die gesellschaftliche, politische und kulturelle Verbindung, die zur Bildung der MAS führte, war das Ergebnis von übergreifenden Definitionen, Beziehungen, sektionalen Eigenheiten, Übereinstimmungen, Verbindungen und vom politischen Reifeprozess der Gesamtheit der am Prozess beteiligten gesellschaftlichen und politischen Akteure; das Auseinanderbrechen ihrer Verbindungen war auch das des politischen Instruments und seiner Fähigkeit, den Prozess politisch anzuführen.
    Das schließt eine weitere Dimension der Analyse ein: Wenn das Ganze auseinanderfiel, wenn sich die politischen Akteure abkoppelten, wen repräsentierte und wie führte die MAS dann noch?

Formal existierte eine Führungsinstanz, die scheinbar funktionierte; aber in die Dynamiken des “von oben nach unten” geraten, mehr auf Gehorsam und die Zustimmung der Organisationen aus als auf ihre Basis zu hören, wurden nicht nur die internen Wechselbeziehungen sondern auch das politische und gesellschaftliche Panorama für die MAS immer schwieriger. Es sei daran erinnert, dass diese kollektive politische Organisation niemals eine Entelechie war noch ist; deshalb verringerte das Wegbrechen ihrer Basisbewegungen ihre Fähigkeit für eine einheitliche Führung.
Beeinflusst hat dies auch die Abwanderung einer großen Anzahl von Anführern, die in den Kämpfen geschmiedet wurden, und die Funktionen bzw. Ämter in der Regierung und im Staatsapparat übernahmen und sich dadurch von der Basis entfernten, was die Organisationen und insgesamt das politische Instrument schwächte.
Es ergaben sich neue Facetten des Korporativismus, und zusammen mit internen Machtkämpfen untergruben sie die kollektive Subjektivität, die sich in den Kämpfen bis 2006 herausgebildet und verdichtet hatte.
Die Beziehung zwischen den Mitgliedern, der Parteiführung und der Regierung und dem Staat haben gezeigt, dass es sich nicht um eine “Angelegenheit” handelt, sondern um eine politische Dimension, die nicht spontan gelöst werden kann, die man weder unterschätzen noch dem Gang der Ereignisse überlassen darf. Nicht alles kann vorhergesehen oder im voraus abgewendet werden, aber es gibt wichtige Faktoren, die zur Minimierung der Schwierigkeiten beitragen.
Dazu gehört z.B. die politische und allgemeine Bildung der Mitglieder der Organisationen und die Stärkung der Organisierung der popularen Massen. Dabei sollte die Rotation von Ämtern und Verantwortlichkeiten als verallgemeinerte und ständige Praxis als Teil davon bei allen und jeder einzelnen der gesellschaftlichen, popularen, gewerkschaftlichen, bäuerlichen, indigenen usw. Organisationen bedacht werden.
Das ist zwar keine Lösung für alles, aber es ist ein wichtiges Bollwerk, wenn es darum geht, konkret die Herausforderungen des Regierens und der politischen Führung des Transformationsprozesses anzunehmen.

Vorbereitung und Durchführung des reaktionären Putsches 2019

Die politischen Ereignisse im Land zwischen 2016 und 2019 waren gekennzeichnet von einer Zunahme der Angriffe seitens der Opposition gegen die Regierung, die in einigen Fällen durch Anzeichen von Unstimmigkeiten zwischen den Regierenden und den Regierten vergrößert wurden. Das zeigte sich klar – wenn auch knapp – im “Nein” bei der Volksbefragung bezüglich einer möglichen erneuten Wiederwahl von Evo Morales für das Präsidentenamt des Landes. Dieses Ergebnis wurde wegen der “schmutzigen” Kampagne missachtet, die gegen den Amtsinhaber losgetretenen worden war; die Behörden riefen daraufhin das Verfassungsgericht an, damit es die erneute Kandidatur und Wiederwahl des Amtsinhabers und seiner Regierungsmannschaft zulässt.
Aber die Kandidatur hatte eine inhärente Schwäche: Durch die Missachtung des Ergebnisses der Volksbefragung über die Wiederwahl wurden die Türen geöffnet für neue Provokationen, Verleumdungen, fake news und alle Arten von Manipulationen seitens der lokalen Opposition und ihren internationalen Vertretungen.
Aus den Präsidentschaftswahlen Ende 2019 ging Morales als Sieger hervor, aber der “Faktor OAS **) verzögerte die Bekanntgabe von Teilen der Ergebnisse und machte sie unsichtbar; dadurch wurde der Verdacht möglicher Fehler und nicht gültiger Stimmen mit der klaren Absicht genährt, die Ergebnisse für ungültig zu erklären, Zeit zu gewinnen und die Tore für das zu öffnen, was anschließend geschah: der Staatsstreich.

Diese gewalttätige und verzweifelte Akt der Mächtigen, die sich die Maske der Verfassungsmäßigkeit aufsetzten, war der klarste Indikator für die Richtigkeit und Tiefe der demokratischen Revolution der Völker Boliviens und – daraus folgernd – der Unfähigkeit und Verzweiflung derjenigen, die versuchten, den Prozess zu unterbinden, um sich der ökonomischen und gesellschaftlichen Pfründe zu bemächtigen und jegliche Opposition auszugrenzen und zu zerschlagen.
Die nicht zu kaschierende und zwielichtige Einmischungspolitik der OAS bei der Gestaltung und Lenkung des Putsches machte zugleich nicht nur die Unterstützung des Nordens für die lokalen Oligarchien, sondern auch das geopolitische Gewicht deutlich, das dieser Transformationsprozess für die Region, den Kontinent und die globale imperialistische Hegemonie hatte und hat. Die Wiedererlangung der Kommandogewalt mit diesen Mitteln über ein Gebiet, das als Teil des “Hinterhofs” des US-Establishments angesehen wird, zerriss die Maske von “Freundschaft und Zusammenleben”, die sich ihre Vertreter seit Beginn des Jahrhunderts aufgesetzt hatten. In dieser Zeit transformierten sich Venezuela, Brasilien, Argentinien, Bolivien, Uruguay, Ecuador, Honduras, Paraguay … zu Territorien mit Autonomie und mit Völkern, die immer stärker befähigt sind, ihre Schicksale gemeinsam mit ihren Regierenden selbst in die Hand zu nehmen. Und es war genau diese Gemeinschaft, die sie beschlossen hatten zu zerbrechen.
Trotz der fake news, der Verleumdungen, Fallstricke, der Wiederholung von Lügen durch verschiedene, angeblich informative Kanäle, um Misstrauen zwischen verschiedenen popularen gesellschaftlichen Sektoren und auch innerhalb der MAS zu säen, gelang es den Putschisten nicht, ihre Ziele zu erreichen. Trotz des Durcheinanders und der Zersplitterung oder Abwesenheit einer einheitlichen Führung des Widerstands und in der Konfrontation mit einer anhaltenden und grausamen Unterdrückung gingen die indigenen Völker, die Bauern, die städtischen und bäuerlichen Arbeiter auf die Straße, um sich den Putschisten entgegenzustellen und ihre Manöver zurückzuweisen.

Die Massaker von Sacaba und Senkata zeigten schnell, dass die Putschisten es nicht schaffen würden, die Völker in die Knie zu zwingen, die aufgestanden waren, deren Männer und Frauen die Erfahrung gemacht hatten, dass sie frei auf denselben Wegen wie die Mächtigen gehen können, die die symbolische Macht wertschätzten, dem historischen Unterdrücker direkt gegenüber zu stehen, dass sie nicht nur Zugang zu den staatlichen Institutionen haben, sondern sie auch leiten konnten, dass sie den Wert eines vollwertigen sozialen und politischen Subjekts gewonnen hatten.
All das – zusammengefasst – hinterließ unauslöschbare Spuren in ihren Spiritualitäten und Subjektivitäten und dies stärkte das emanzipatorische und entkolonialisierende Bewusstsein ihres Handelns.
Die popularen Revolten, die Widerstände, das Anprangern des Putsches verbunden mit den andauernden Forderungen nach der Durchführung von Wahlen bereiteten dem Machtstreben der Putschistenbewegung (wenn auch nicht ihren Absichten, noch den Aktionen ihrer Anstifter) ein Ende.
Ende des Jahres 2020 gewann die MAS mit Luis Arce und David Choquehuanca an den Wahlurnen im Verbund mit Indigenen, Bergarbeitern, Bauern, Frauen und popularen Sektoren der Städte.

Die Regierung Arce ist mit neuen imperialen Interventionsversuchen in der Region konfrontiert

Dieser neue Zeitabschnitt für die MAS-Regierung war möglich durch die Zusammenführung der verschiedenen Sektoren zu einer Einheit, die ihre konjunkturellen Betrachtungsweisen beiseite ließen, um die Putschisten zu besiegen.
Aber die internen Brüche und Widersprüche existierten weiter; sie erforderten und erfordern wie nie zuvor die Aufmerksamkeit und politische Arbeit aller und jedes Einzelnen der indigenen, gewerkschaftlichen Sektoren, der bäuerlichen und städtischen Arbeiter, um unter den gegenwärtigen Bedingungen die kommunizierenden Röhren oder die allgemeinen (gesellschaftlichen) Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen sektoralen und territorialen Realitäten und Problemen herauszufinden, um sich aufzumachen zur neuen Organisierung, Herausbildung und Stärkung des kollektiven politischen Subjekts in der jetzigen Zeit.
Aber das kollektive Keimen und Heranreifen einer gemeinsamen neuen politischen Bewusstseinsbildung und Verhaltensweise erfolgt nicht automatisch. In diesem Sinne ist es wichtig – neben den Errungenschaften dieser Periode – sich das Fortbestehen der alten Praktiken vor Augen zu halten, dass Entscheidungen von wenigen und von oben getroffen werden, mit geringer und unzureichender Beteiligung, Konsultation und Dialog mit den Protagonisten des revolutionären politischen Handelns der MAS; was neue Hindernisse bzw. Steine im Schuh der gegenwärtigen Regierung mit sich bringt, die ihr Vorankommen behindern, das Vertrauen untergraben und das politische Instrument schwächen.

Die politischen Gegner, von denen viele erklärte Feinde der Rechte der originären indigenen Völker sind, öffnen heute alle ihre medialen Schleusentore für Desinformations- und Täuschungsmanöver zur politischen Destabilisierung der Regierung. Dieses Ziel wird auf verschiedenen Wegen verbunden mit der Stimulierung von Konkurrenz, Rivalität und internem Misstrauen zwischen Sektoren der MAS, deren Einheit und politische Subjektivität in erster Linie der Gegner ist, den die Opposition zerstören will. Damit stünden ihr die Wege offen.

Die Verschiebung des Datums für die Volkszählung, scheinbar mit dem Einverständnis aller, öffnete die Büchse der Pandora um zu spalten, Fronten zu bilden und das Vertrauen innerhalb der und in die Regierung und ihre hauptsächlichen Vertretern zu untergraben. Welche Ziele wurden damit verfolgt? Das Datum für die Volkszählung hat gewisse Bedeutung, da entsprechend ihrer Ergebnisse den verschiedenen Gebieten Anteile bei der Mitbestimmung und der Vertretung im Parlament zugewiesen werden. Aber das letztendliche Ziel der Proteste seitens der Regierenden von Santa Cruz und ihrer Gefolgsleute ist es, die Regierung, die MAS, ihre höchsten Vertreter und alle diejenigen zu diskreditieren und zu destabilisieren, die sich am Prozess beteiligen oder ihn unterstützen.
Heutzutage sind die Oppositionellen nicht auf einen Putsch aus, auch wenn sie ihn nicht ausschließen. Der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck, der sich in den Blockaden in Santa Cruz ausdrückt, zeigt die neuen, auf Einmischung zielenden Formen der imperialen Strategie für Lateinamerika auf: der Wirtschaft Schaden zufügen, die Regierung diskreditieren, um das Bewusstsein der Menschen zu verunsichern und zu vernebeln, um sie zu spalten und zu isolieren, und sie so ihren Interessen unterordnen zu können.
Sie müssen populare Unterstützung erreichen, um die MAS bei den nächsten Wahlen zu besiegen. Mit ihrer auf Lügen und Verdrehungen basierenden kolonisierenden Strategie hoffen sie, jede Möglichkeit der sozialen Rebellion, des Widerstands, der Veränderung, der kollektiven Organisation ein für allemal zu begraben.

Welches ist die gesellschaftliche, politische und kulturelle Stütze dieser Strategie? Das unablässige und vereinte Agieren der hegemonialen Medien, konzentriert auf die Manipulierung der Tatsachen und klar auf das Erreichen dieser Ziele ausgerichtet, ist eines der Schlüsselwerkzeuge der Mächtigen. Aber die vielfältigen Dimensionen der politischen und sozialen Aktivitäten können nicht auf das Thema Kommunikation reduziert werden, auf das Ergebnis von fake news, von lawfare oder irgendeiner Art von Manipulation oder der fiktiven Schaffung von Szenarien, die den oligarchisch-imperialistischen Interessen förderlich sind und die die Mächtigen zur Rechtfertigung ihres Handelns durchführen könnten.
Niemals wird man frontal mit dem Medienapparat der Mächtigen konkurrieren können: Der ökonomische und juristische Machtapparat würde sich darum kümmern, das zu verhindern. Hier, wie bei allem, was mit kollektivem Handeln zu tun hat, handelt es sich um politische Herausforderungen, um organisierte Massen, um ermächtigte protagonistische Völker.

Unumgängliche Herausforderungen

  1. Die Volksmacht aufbauen, verankert in der Beteiligung der Protagonisten
    Die beste politische Kommunikation der Völker und ihrer Organisationen ist verknüpft mit der Beteiligung ihrer Protagonisten. In diesem Sinne ist es lebensnotwendig, dass die popularen Regierungen zugleich politische Werkzeuge sind, um den popularen Protagonismus bei den Entscheidungsfindungen zu vergrößern. Dafür ist es unumgänglich, die Türen der Regierung und des Staates für die Beteiligung und wachsende Selbstermächtigung der Völker und seiner Organisationen zu öffnen und sich unisono um Information und Bildung zu kümmern.
    All das in Verbindung mit den lokalen Prozessen der Selbstermächtigung in den ländlichen und städtischen Gemeinschaften als Samen der Volksmacht, wo die gesellschaftlichen und politischen Befreiungskräfte aufkeimen und erstarken, die fähig sind, den Transformationsprozess immer mehr zu beleben und zu vertiefen. Aus dieser Perspektive heraus bedeutet das, die Demokratie zu demokratisieren, sie zu auszuweiten und Räume für die Prozesse der Selbstermächtigung der historisch davon Ausgeschlossenen zu öffnen; damit sind die zentralen politischen Herausforderungen im jetzigen Moment zusammengefasst.
  2. Aus der Erfahrung lernen
    Diese Selbstermächtigung war schon vorher im Gange, während und nach 2006, aber es ist gut, das erneut zu bekräftigen und dabei beispielsweise im Auge zu haben, dass die politischen Irrtümer oder Fehler der MAS in der Regierung auch einen Nutzen hatten. Sie unterstrichen – durch Nichtvorhandensein – den transzendentalen politischen Schlüssel des laufenden revolutionären Prozesses: die Notwendigkeit der Beteiligung der indigenen, bäuerlichen, gewerkschaftlichen, popularen … Sektoren als Protagonisten bei Entscheidungen, bei der Bestimmung der öffentlichen Politiken und bei allen gesellschaftlichen Themen, von denen sie Teil sind.
    Es ist dringend notwendig, diese Lehren zu begreifen und sich zu eigen zu machen; sie sind Teil der Fundamente einer neuen und erneuerten Organisierung des kollektiven politischen Subjekts, und das geschieht nicht spontan; die bewusste Arbeit der sozialen, gewerkschaftlichen, indigenen, bäuerlichen, kommunitären, städtischen usw. Organisationen, insbesondere der Strukturen der MAS ist unerlässlich.
    Die Einheit wird nicht deklamiert, sie ist in konkreten Grundlagen verankert, die sich aus der Identifizierung von Brücken und kommunizierenden Röhren zwischen den verschiedenen Realitäten, Identitäten, Weltanschauungen und sektoralen, territorialen und kommunitären Problemstellungen auf Seiten der popularen Akteure und ihrer Organisationen ergeben. Und es ist entscheidend, dass sie es sind – als Protagonisten –, die sich der Aufgabe annehmen, diese Zusammenhänge herauszuarbeiten, indem sie im derzeitigen politischen Panorama die Bruchstellen in dem gesellschaftlichen und kulturellen Durcheinander, das in Krisenzeiten entsteht,  klären. Dies wird die gemeinsame Herausbildung einer aktualisierten kollektiven Identität als materielle Grundlage eines (untereinander) organisierten politischen Subjekts ermöglichen, das die Aufgaben der Gegenwart erfordern. Eine politische Erneuerungs- und Aktualisisierungsarbeit, die – andererseits – ständig erfolgen müsste, wie es René Zavaleta Mercado eindringlich angemahnt hat.
  3. Die Strategie der Rekolonisierung und der Beherrschung der Köpfe besiegen
    Die Hegemonie der Macht rührt nicht allein von der Destabilisierung und Diskreditierung von Regierenden und historischen gesellschaftlichen Anführern her; das “teile und herrsche” reicht nicht mehr aus. In diesen Jahren politischer Kämpfe haben die Mächtigen gelernt und ihre Strategien perfektioniert; insoweit ist es für sie nicht mehr angebracht – wie früher –, den Militärs zu befehlen, die schmutzige Arbeit mit den Staatsstreichen zu erledigen, sie setzen jetzt auf “demokratische Beherrschung”.
    Mit dem Öffnen der demokratischen Kanäle beabsichtigten sie ursprünglich, die popularen Widerstände auszuhebeln und dann die Demokratien nach ihren Erfordernissen zu gestalten, indem sie sie kontrollieren und begrenzen. Dafür haben sie auf die Aktualisierung ihrer alten, heute verstärkten Bestrebung zurückgegriffen, dass nur die Kontrolle und Herrschaft über die Köpfe der Völker es ermöglichen wird, sie zu beugen und niederzuhalten; sie glauben zu machen, dass sie Freiheit genießen, während sie in Unterwerfung leben.
    Sich diesem Kreuzzug der kulturellen Beherrschung (Hollywood & CocaCola) entgegenzustellen, der sich gegen das Volk richtet, ist eine weitere der großen Herausforderungen der jetzigen Zeit, sowohl für Bolivien wie auch für die ganze Region. Dies, verknüpft mit den gleichzeitigen Prozessen der Partizipation und Selbstermächtigung der Völker, des Aufbaus der Volksmacht in verschiedenen Gemeinschaften und Territorien, mit der Schaffung der Einheit in der Vielfalt der Identitäten und Zugehörigkeiten der Völker, die sich aus ihrer Verbindung zu einem kollektiven sozialen und politischen Subjekt ergibt.

Diese politischen Herausforderungen bringen die Überlegungen Rodolfo Puiggrós in die Gegenwart, als er erklärte, dass die ökonomische Beherrschung nur möglich sei, wenn ihr die kulturelle Beherrschung vorausgeht.
Und auch die Warnung von J.W. Cooke, dass es im Bewusstsein keine Leerstellen gibt; dass das, was von der Ideologie der Völker aufgegeben oder vernachlässigt wird, von der Ideologie der Mächtigen besetzt wird. Bleibende Wahrheiten…

Und das erinnert auch – in sehr abgekürzter Form – an ein Schlüsselkriterium der politischen Aktion: vox populi, vox Dei. Und es ist gut, heute wie nie zuvor, sich das vor Augen zu halten.
Die antidemokratischen Sektoren wissen das und versuchen deshalb, die Hirne mit ihren Lügen zu kolonisieren, sie zu vernebeln, das Zugehörigkeitsgefühl zur Klasse und zu den Völkern zu beseitigen.

Die Frage ist: Verstehen wir das alle?

Übersetzung: Gerhard Mertschenk, Amerika21

*: Im Kleinen ließ sich das hier sehr gut in Thüringen unter dem Ministerpräsidenten Ramelow, Mitglied der Linken, gut beobachten.

**: Die OAS ist die von den USA konkurrenzlos domonierte Organisation amerikanischer Staaten

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Zum 10. Todestag von Hugo Chavez: Wegbereiter für eine multipolare Welt

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aus der Neuen Rheinischen Zeitung http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28513
Von Elke Zwinge-Makamizile

Am 5. März 2023 war der 10. Todestag von Hugo Chavez. Er wurde nur 59 Jahre alt. Es gab Stimmen, die einen natürlichen Tod bezweifelten, so Evo Morales und Eva Golinger: „Chavez forderte die mächtigsten Interessen heraus und beugte sich nicht. Ich glaube, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ermordet wurde.“ *)
1989 gehörte Chavez zu der Gruppe von Militärs, die die neoliberale Ausbeutung und große Verelendung, gefördert durch den IWF, bekämpfte. Chavez war führend beim blutig niedergeschlagenen Aufstand Caracazo. Er wurde verhaftet. Unter politischem Druck freigelassen, konnte er 1998 mit großer Mehrheit zum Staatspräsidenten gewählt werden. In Venezuela begann der Aufbruch zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts.
In Europa fielen die Bomben im völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien, ein Türöffner für weitere Kriege. Chavez erste Amtshandlung war die Einbeziehung der Bevölkerung in die Gstaltung einer neuen Verfassung als Grundlage einer neuen gesellschaftlichen Realität.
In einer nie vorher gekannten Partizipation der einfachen Bevölkerung, die ihre Würde zurückbekam, wurde über ein Referendum die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela im Jahre 2000 verabschiedet. Damit war der erste Schritt zur Abkoppelung von den USA, die Lateinamerika als ihren Hinterhof betrachtete und behandelte, vollzogen.
Der Bezug auf Simon Bolivar, Freiheitskämpfer für ein vereintes Lateinamerika gegen die spanische Kolonialmacht, wurde zum Programm einer Entkolonialisierung gegen die Vorherrschaft der USA.
Die USA hat über 100 Interventionen in Lateinamerika durchgeführt, darunter der Putsch gegen die sozialistische Regierung Chiles, auch den Putschversuch gegen Chavez 2002. Es gibt über 40 US-Militärstützpunkte allein in diesem Subkontinent. In der Regierungszeit von Hugo Chavez kamen weitere US-Militärstützpunkte um Venezuela herum (in Kolumbien) hinzu.

Das Programm eines Sozialismus des 21. Jahrhunderts nahm unter Hugo Chavez Gestalt an. Die Armutsrate wurde heruntergefahren. Es erfolgte eine Alphabetisierung mit der Unterstützung Cubas.
Die Unesco bescheinigte große Fortschritte bei den Milleniumszielen. Die in der Verfassung verankerten partizipativen demokratischen Rechte und Arbeitsrechte wurden schrittweise realisiert.

2004 gründeten Venezuela und Cuba die Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA). Es war die Alternative zu der von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA. ALBA ist ein Bündnis neuartiger wirtschaftlicher Beziehungen durch Kompensationabkommen. Kulturelle und politische Kooperationen werden zur gegenseitigen Stärkung ausgebaut.
Es entstehen neue Finanzstrukturen mit regionaler eigener Währung (der Sucre) und staatlich kontrollierte Banken.
Die Bank des Südens war Vorreiter der später mit den BRICS-Staaten vorangetriebenen Entwicklungsbanken wie die AIIB mit dem Projekt der Neuen Seidenstraße.

Das ALBA-Bündnis umfasste die fortschrittlichen Länder Bolivien, Nicaragua, Ecuador und Honduras (bis zum US-Putsch) und mehrere karibische Inselstaaten. Mit den BRICS-Staaten und der Shanghai-Kooperation entstand ein bedeutendes Gegengewicht zur unipolaren Welt der USA.
Die von den USA dominierte OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) verlor mit dieser globalen Entwicklung bedeutend an Einfluss.

Eine der letzten Amtshandlungen Hugo Chavez war die Gründung von CELAC (Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten) als souveräne Organisation der lateinamerikanischen und karibischen Staaten, ohne die USA und Kanada, eine Alternative zur OAS. Die Länder entscheiden laut Satzung souverän über ihre natürlichen Ressourcen und ihre Politik.
Auftrag ist die Bekämpfung von Armut und Hunger, Verzicht auf Nutzung von Atomwaffen und Ablehnung von politischen und militärischen Interventionen von außen (alles Punkte, die sich auch in der Verfassung Venezuelas finden).

CELAC erklärt Lateinamerika zur Zone des Friedens! Nach einer Zeit der Inaktivität ist mit den globalen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse zugunsten einer Kooperation zwischen den Ländern des Südens durch die Zusammenarbeit mit China auch eine Neubelebung von CELAC erfolgt. Die Sanktionen gegen Venezuela und Cuba werden abgelehnt.
Es ist bekannt, dass diejenigen Staaten, die sich der unipolaren Welt, den USA und NATO-Ländern widersetzen wie Cuba, Venezuela, Syrien, Iran, Nordkorea, Belarus und seit 2022 insbesondere Russland mit völkerrechtswidrigen Sanktionen bestraft werden. Zentraler Begriff beim Treffen von CELAC in Buenos Aires dieses Jahr ist die Multipolarität. Die Prinzipien von Nichteinmischung und Selbstbestimmung sind seit der Konferenz von Bandung 1955 völkerrechtliche Prinzipien zur Entkolonialisierung, auch wenn die einzelnen Staaten recht unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen und auch Abhängigkeiten von den USA bedienen.

Noch einmal zu Cuba und Venezuela, zu Hugo Chavez und Fidel Castro! Ihre langjährigen politischen und persönlichen Erfahrungen führten zu den gemeinsamen Erkenntnissen, dass es keine kriminelle Tat gibt, die nicht von den mächtigsten Kräften der USA ausgeführt werden würde, wenn es möglich ist, um im Interesse bestimmter Mächtiger zum Ziel zu kommen.
Zur Zeit der Corona-Plandemie gab es vermutlich mehrere Präsidentenmorde. Und auch die Zerstörung von Nordstream ist ein aktuelles Beispiel.

Gegen die dunklen Kräfte ist Hugo Chavez mit vielen anderen Lebenden und Toten auf diesem Subkontinent ein Leuchtturm für die sich emanzipierenden Staaten und deren Bevölkerungen.
Auch wenn die einheimischen Eliten vernetzt mit den Eliten des Nordens dagegen stehen.

Hugo Chavez unkorrumpierbare politische und moralische Stärke speiste sich unter anderem aus der Anklage: „Der Kapitalismus ist eine höllische Maschine, die jede Minute eine beeindruckende Menge an Armen produziert, 26 Millionen Arme in 10 Jahren sind 2,6 Millionen pro Jahr an neuen Armen, das ist der Weg, auch der Weg zur Hölle.“

Hugo Chavez hat mit der Gründung von ALBA einen bedeutenden Anteil an der wiederbelebten Integration Lateinamerikas und der Karibik im Sinne einer Unabhängigkeitsbewegung gegen die Dominanz des Nordens. Die Süd-Süd-Kooperationen mit neuen Strukturen auf allen Ebenen dynamisierten die Entwicklung der multipolaren Welt.

Dokumentarfilm „Venezuela in guter Verfassung“ von Elke Zwinge-Makamizile
https://youtu.be/fWh3mImekTE

Siehe auch:

Die EU-Verfassung und die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela – Zwei unterschiedliche Einstellungen zum Menschen
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Europa/verf/zwinge.html

*: Die schwere Krebserkrankung Chavez‘ ist gut dokumentiert, leider finde ich den Link nicht mehr.

Zu diesem Thema hier schon 2 ältere Einträge:
https://josopon.wordpress.com/2020/12/25/venezuela-die-boykottierte-parlamentswahl-der-angekundigte-wirtschaftliche-wiederaufbau-und-das-ende-der-juan-guaido-fiktion/

und

https://josopon.wordpress.com/2019/02/28/faktencheck-venezuela-was-in-deutschen-medien-uber-das-sudamerikanische-land-verbreitet-wird-und-wie-es-tatsachlich-aussieht-ein-staatschef-aus-dem-regime-change-labor/
Jochen

Wer hat die Macht in Russland? Aktuelle Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/wer-hat-die-macht-in-russland/
Auszüge:
Von Lutz Brangsch
Putins Macht ist stabil, doch der Kriegskurs ist umkämpft und gerät vor allem von rechts unter Druck.
Eine Veränderung der Eliten scheint weit wahrscheinlicher als eine Bewegung von unten.

Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine stellt sich die Frage, was damit eigentlich politisch bezweckt wird. Damit eng verbunden ist die Frage, wer eigentlich hinter dieser Entscheidung stand und wer nicht. Inzwischen ist weitgehend klar, dass sie in einem relativ kleinen Kreis gefällt wurde. Selbst in wichtigen Think Tanks wie dem Europainstitut der Russländischen Akademie der Wissenschaften hatte man mit diesem Schritt offensichtlich nicht gerechnet, er wurde nicht einmal diskutiert.
Die Initiative kam aus Kreisen der Sicherheitsapparate – selbst das Außenministerium soll nicht einbezogen gewesen sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wer eigentlich die einflussreichen politischen Akteure in Russland sind, was ihre Haltung und ihre Interessen in diesem Krieg sind und wer den Kriegskurs Putins herausfordern könnte.

Verschiebungen im Machtzentrum

Die entscheidenden intellektuellen Stichwortgeber*innen des Krieges gruppieren sich seit dem Beginn des Angriffs um die Hochschule für Ökonomie in Moskau (VŠĖ/ВШЭ), den Valdai-Club und Russland in der globalen Welt, einer Schwesterzeitschrift von Foreign Affairs.
Indem einige unmittelbar mit der Regierung verbundene Beratungsgremien neu besetzt wurden, hat das Machtzentrum sein Umfeld neu sortiert. Das Zentrum selbst hat sich jedoch nicht verändert. Es liegt über die gesamte Putin-Ära unverändert im Sicherheitsapparat. Freilich ist es auf Akteure in Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft angewiesen, die Entscheidungen vorbereiten, interpretieren und umsetzen und nicht zuletzt auch über die Finanzierung jeglicher Politik entscheiden.
Das Zentrum und sein Umfeld müssen nicht zwingend monolithisch sein. Doch aktuell sind keine wesentlichen Brüche sichtbar. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass das Machtzentrum in den letzten Jahren sein Umfeld von Elementen jeglicher Opposition weitgehend entblößt hat, durch Gesetze und Repression, durch ideologische Offensiven und durch erzwungene Emigration. Bereits zu Beginn der 2010er Jahre hatten die Oligarchen der 1990er Jahre ihren unmittelbaren politischen Einfluss weitgehend verloren.
Das Machtzentrum trägt seitdem klar staatsmonopolistischen Charakter und ist durch die Verbindung von politischer und wirtschaftlicher Macht mit teilweise exorbitantem Reichtum gekennzeichnet. Die Oligarchen gingen, doch die Oligarchie blieb.

Unterschiedliche Kriegsziele

Was ebenfalls geblieben ist, sind die Hemmnisse für eine Belebung der nichtextraktiven Sektoren der Wirtschaft. Diese liegen innerhalb des Landes in der politisch-institutionell befestigten Macht des Finanzsektors und der Rohstoffwirtschaft begründet, außerhalb Russlands im Konkurrenzdruck der technologisch überlegenen Unternehmen, der die Entwicklung der innovativen Sektoren in Russland einschränkt. Aus dieser komplizierten Konstellation ergeben sich auch unterschiedliche Kriegsziele.
Weder geht es um ein großes, konservatives Russland als Selbstzweck noch um die Konservierung eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells. Das Modell des „Großen Russland“, der Konservatismus und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes werden zusammen als notwendig erachtet, um einen eigenständigen Entwicklungsweg beschreiten zu können. Es geht ums Ganze, um die Stellung Russlands in der Welt und seine ökonomische Basis jenseits von Gas, Öl und anderen Rohstoffen. Das ist der Kern des außen- wie innenpolitischen Handelns der Machteliten.
Nur unter diesem Gesichtspunkt wird verständlich, wie die verschiedenen Ansätze von Putins Politik zusammenhängen. Den innenpolitischen Konservatismus sehen die herrschenden Eliten als Mittel der Modernisierung, so absurd dies scheinen mag.

Modernisierung durch Repression

Die Veränderungen der russländischen Eliten folgen dieser Konstellation, sowohl im Machtzentrum wie auch in dessen Umfeld. Die Eliten sehen sich vor der Wahl zwischen einer Neubelebung des Jelzin-Gaidarschen Modells auf der einen Seite, das in der Konsequenz auf eine Abhängigkeit vom westeuropäisch-anglo-amerikanischen Akkumulationsregime mit seinen Konjunkturen hinausläuft, sowie einem konservativ-staatsmonopolistischen Modell auf der anderen Seite, das die antisozialen Aspekte des modernen Neoliberalismus ins Extrem treibt und Modernisierung durch Repression zu erzwingen versucht.

Dabei ist das System durchaus in gewissem Maße flexibel. Zu seinen Eigenarten zählt, , dass jede Richtung ihren „Sandkasten“ hat, ein eigenes Feld, auf dem sie sich frei bewegen kann, wenn sie nicht ausbricht. Das verwirrt westliche Kommentator*innen und führt zu einer eindimensionalen Wahrnehmung der Eliten in Russland, die den Einfluss einzelner Person regelmäßig überschätzt.
Alexander Dugin wird so zum „Hirn Putins“ erklärt, dabei ist er nur einer unter vielen Ideologen – einer, der zwar auffällt, aber seinen Status nur innehat, so lang er sich als nützlich erweist. Nützlich ist er, weil er an russisch-nationalistische Tendenzen anknüpft, die es bereits in den sowjetischen Eliten gegeben hat. Trotzdem ist er deshalb (bislang) ersetzbar. Denn die Doktrin eines russländischen, also auch die nichtrussischen Völker umfassenden Verbundes ist noch immer bestimmend. Das ist angesichts der territorialen Ausdehnung und der wachsenden Bedeutung der Regionen auch nachvollziehbar.

Die Kreise der Macht

Das spiegelt sich in der Struktur des russländischen Herrschaftssystems wider. Es stützt sich in seinem Zentrum hauptsächlich auf drei Machtsäulen: den Sicherheitsapparat, die ökonomischen Eliten der großen privaten und

Staatskonzerne sowie die Finanzwirtschaft und die Zentralbank. Damit wird

versucht, die Erhaltung eines autoritären politischen Systems mit dem Einsatz von finanzkapitalistischen Umverteilungsmechanismen und Ressourcen für die Reindustrialisierung des Landes zu verbinden.
Diese Ziele sind in sich widersprüchlich, insbesondere die neoliberal geprägte Finanzpolitik und die Anforderungen einer innovationsorientierten Industriepolitik sind schwer zu vereinbaren. Die gerade veröffentlichten Ziele der Zentralbankpolitik sehen für die kommenden Jahre keine Stimuli für eine Importablösung oder eine Förderung eigenständiger technologischer Produktionsketten vor.

In einem zweiten Kreis der Macht finden sich die regionalen Eliten. In ökonomischer Hinsicht zählt hierzu das Unternehmertum aus den aufstrebenden innovativen Sektoren, aus dem Agrarbereich und andere, aus verschiedenen Gründen marginalisierte Kapitalfraktionen sowie in einem dritten Kreis die Ideolog*innen verschiedener Richtungen, darunter auch die sogenannte „systemische Opposition“, d.h. die in der Duma vertretenen und sich ausdrücklich als Opposition verstehenden Parteien KPRF (die größte der sich kommunistisch nennenden Parteien in Russland) , Gerechtes Russland und die Liberaldemokraten.

Einen vierten Kreis bilden die Eliten in der Emigration, die sich in den letzten Jahren um Vertreter*innen der höchsten Stufen der russländischen Machthierarchie erweitert haben, deren zukünftiger politischer Einfluss jedoch völlig offen ist.

Konflikte um das „Wie weiter?“

Allerdings sind die Konsequenzen eines Krieges unberechenbar. Die Politik ging im Februar und März von einem schnellen Sieg Russlands aus. Der Krieg wurde zwar technisch und ideologisch vorbereitet, doch er war nie auf Dauer angelegt.
Große Teile der Eliten und der Gesellschaft wurden von diesem Krieg überrascht. Dass sich ein als Polizeiaktion konzipierter Schlag in einen Krieg ohne Aussicht auf ein Ende verwandelt hat, und dass zugleich ein massives Sanktionsregime ausgebaut wurde, hat die Bedingungen in allen gesellschaftlichen Bereichen verändert.
Die im Exil lebende (und sehr geschäftstüchtige) Analytikerin Tatiana Stanovaja, die in Russland immer noch gut vernetzt scheint, berichtete unlängst von einem sich anbahnenden Streit über das „Wie weiter“ zwischen dem Machtzentrum aus reichen und einflussreichen Technokraten und dem nicht ganz so reichen und einflussreichen Teil der Eliten. Stanovaja sieht allerdings keinen der Akteure als zukünftige Friedenspartei. Der Streit drehe sich allein um die Frage, ob der Krieg forciert oder als begrenzter Krieg fortgeführt werden solle.

Der zentrale Machtzirkel scheint eine begrenzte Kriegführung beibehalten zu wollen. Seine Politik zielt darauf, eine Balance herzustellen zwischen der Stabilisierung der Front im Donbass, einer Forcierung der Importablösung und Erweiterung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu China, Indien und anderen „freundlichen“ Staaten sowie einer sozialen Befriedung nach innen.

Opposition auf Kriegskurs

Demgegenüber vertritt die Opposition überwiegend einen Kurs der Forcierung des Krieges. Nicht nur die Ultra-Konservativen vom Typ Dugin, sondern auch die „systemische“ Opposition fordern, den Krieg auszuweiten.
Im Bündnis mit zweifelhaften Personen wie Denis Pušulin, der den sozialen Protest im Donbas für seine persönlichen Ambitionen nutzen konnte, und Evgenij Prigožin, Milliardär und Chef der Wagner-Söldner, stehen sie für einen noch konsequenteren Kriegskurs.
Ob die Wagner-Söldner fähig sind, einen Putsch gegen Putin durchzuführen, wie in den Medien diskutiert wird, ist zweifelhaft. Allerdings könnte eine Revolte dieser Gruppierung gegen die Militärführung tatsächlich einen Bürgerkrieg auslösen, wenn etwa der tschetschenische Führer Ruslan Kadyrov weitere regionale Führer auf seine Seite ziehe sollte.
All das sind Planspiele mit rein spekulativem Charakter. Doch zwischen dieser Strömung und den russisch-nationalistisch-konservativen Kräften bestehen im Streben nach einem (unmöglichen) Sieg so viele Berührungspunkte, dass sie zu einem politisch wesentlichen Faktor werden könnte.

Zugleich hat die Regierung mit den Änderungen der Gesetze für „ausländische Agenten“ (also Personen, die unter ausländischem Einfluss stehen sollen) und dem Anti-LGBT-Gesetz den Ultrakonservativen und russischen Nationalist*innen neue Handlungsspielräume verschafft und sie politisch aufgewertet. Die ideologischen Hardliner gewinnen gleichzeitig nicht nur in den Eliten in Russland, sondern auch in denen der Ukraine, der USA und der EU an Gewicht, was eine Lösung immer schwieriger werden lässt.

Kurios ist auch, dass die Führung der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) tatsächlich die Auffassung vertritt, dass ein Sieg in der Ukraine letztlich den sozialistischen Umbruch herbeiführen würde. Der Führer der Linksfront und wichtige Bündnispartner der Partei, Sergej Udal’cov verstieg sich Ende März 2022 zu der Prognose, Ende Dezember werde zum 100. Jahrestag der Gründung der UdSSR ein neuer Einigungsvertrag der ehemaligen Unionsrepubliken unterzeichnet werden.
Eine andere sich kommunistisch nennende Splittergruppe forderte, den Kaufvertrag zwischen den USA und Russland bezüglich Alaska rückgängig zu machen. Ob die Figuranten dieses obskuren Kurses das selber glauben oder nicht, ist hier nicht von Belang, doch sie führen einen Teil der Linken in Komplizenschaft mit dem Kriegskurs der Regierung. Allerdings wird diese Loyalität von der Regierung nicht honoriert. Immer wieder wird von Repressionen gegen Aktivist*innen aus dem Umfeld der KPRF und ihrer patriotischen Front berichtet, wenn sie für soziale und politische Rechte eintreten oder Bildungsveranstaltungen durchführen.

Ein unwägbarer Faktor in der gegenwärtigen Machtkonstellation sind die Regionen. Zwar haben die regionalen Eliten nicht an Macht gewonnen, doch ihre Bedeutung im politischen System ist gewachsen, bzw. es ist immer wichtiger geworden, sie politisch zu kontrollieren.
In den Regionen entscheidet sich, ob die vielen durch präsidiale Dekrete geforderten Maßnahmen zur Importablösung, zur Förderung innovativer Projekte, zur Förderung von Familien oder zur sozialen Absicherung tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden.
So wird auf der einen Seite versprochen, die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Regionen zu stärken, gleichzeitig aber wird eine stärkere Zentralisierung politischer Macht diskutiert, etwa die Direktwahl der Bürgermeister*innen abzuschaffen.

Emigrierte Eliten gegen den Krieg?

Noch weniger berechenbar ist die Rolle der emigrierten ehemaligen Eliten. Es wäre naiv zu glauben, sie würden keine Bedeutung mehr haben. Eine enorme Zahl von Telegram-Kanälen und sonstigen Internetressourcen (die in Russland wenigstens über VPN erreichbar sind) nimmt auf die Formierung oppositioneller Strömungen in Russland Einfluss.
Die in Russland verbotenen Plattformen wie etwa Meduza versuchen aus dem Ausland oppositionelle Positionen am Leben zu erhalten. Gleichzeitig sind sie der Kanal, auf dem unzensierte Informationen aus Russland, wenn auch indirekt, in die Weltöffentlichkeit gelangen.
Die Verbindungen der Emigrant*innen zu ausländischen Medien, Regierungen und sicher auch Geheimdiensten, vor allem aber ihre starken Positionen im westlichen Wissenschaftsbetrieb beeinflussen das Verhältnis Russlands zum Rest der Welt und das Verhältnis wesentlicher politischer Akteure zu Russland. Allerdings ist völlig offen, inwieweit sie die Machtkonstellationen tatsächlich verändern können.

In den letzten Monaten haben vor allem zwei Kreise eine gewisse mediale Aufmerksamkeit erreicht.
Bereits kurz nach Kriegsausbruch hatte Michail Chodorkowski ein Antikriegskomitee gegründet. Der Ex-Oligarch stammt aus dem Milieu der Profiteure der Schocktherapie der 1990er Jahre und versuchte Anfang der 2000er Jahre eine politische Alternative zu Putin aufzubauen. Er verlor den Machtkampf und emigrierte nach einer Haftstrafe. Chodorkowski forderte seine Mitstreiterinnen direkt nach Kriegsausbruch in einem sehremotionalen Videodazu auf, Widerstand zu leisten.
DasAntikriegskomitee umfasst neben Unternehmerinnen auch Journalistinnen, Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen und ist eng mit dem Navalny-Umfeld verbunden.
In Teilen der russländischen Öffentlichkeit werden deren Anhängerinnen als Verräterinnen betrachtet. Dennoch konnte diese neoliberale Opposition mit ihrem „Kongress des freien Russlands“, der im Frühherbst in Vilnius stattfand, wesentliche Teile der aktivistischen Antikriegsbewegung erreichen. Der Kongress war getragen vom Antikriegskomitee und konnte mit Rückendeckung und Unterstützung aus dem Europäischen Parlament sowie starker Präsenz von Politikerinnen aus Polen, Estland, Litauen und Lettland viele Emigrantinnen ansprechen. Es versammelte sich eine Vielzahl von Emigranten-Organisationen aus aller Welt, mit starker akademischer Verankerung.
Den Initiativen des Feministischen Widerstands gegen den Krieg, den Media-Partisanen, den Vesna und anderen, die in den sozialen Medien besonders präsent sind, wurde ein eigener Diskussionsraum geboten. Eine Vertreterin des Feministischen Widerstands kritisierte jedoch, die Versammlung erschiene ihr eher wie eine Unternehmenshauptversammlung und nicht wie ein Antikriegskongress. Sie fasst den Kongress als eine erste „Suche nach einer gemeinsamen Sprache“ zusammen.
Die Struktur der Teilnehmerinnen legt nahe, dass die neoliberale Opposition hier ihre Hoffnungen auf einen Putsch unter Beteiligung des Westens durch ein breites Bündnis fundieren will.

Obskur erscheint demgegenüber ein von Il’ja Ponomarjov Ende Oktober/Anfang November einberufener Kongress der Volksdeputierten. Ponomarjov war Mitglied der Duma und emigrierte 2014 im Zusammenhang mit seiner Ablehnung des Anschlusses der Krim an Russland. Heute unterstützt er bewaffneten Widerstand gegen den Krieg in Russland und betreibt verschiedene Medienkanäle. An dem Kongress sollen vor allem ehemalige Abgeordnete und andere Politiker*innen aus Russland teilgenommen haben. Allerdings scheint die Resonanz gering zu sein.

Erneuerung der Eliten statt Wandel von unten

Auch wenn in den westlichen Medien immer wieder versucht wird, einen Zerfall der politischen Macht in Russland zu suggerieren, gibt es im Moment keine Anzeichen für eine schnelle Veränderung der Machtstrukturen. Die Oppositionsbewegung zu Putins Linie ist zerschlagen, die verschiedenen Gruppierungen in den Eliten sind kastenartig eingebunden und in hohem Maße von der Präsidialadministration abhängig, sodass sich ihre materielle Situation mit einem Umsturz kaum verbessern würde.
Die schon bei Kriegsbeginn dominierende fatalistische Haltung, es möge einfach irgendwie schnell vorbeigehen, motiviert nicht zum Putsch.*) Das Fehlen jeglicher diplomatischer Lösungsansätze des Konfliktes entzieht möglichen oppositionellen Bestrebungen zusätzlich jeden Boden. Diese Perspektivlosigkeit stabilisiert das System.
Aber es ist auch klar, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Immer noch sind die Person und der Präsident Putin untrennbar verbunden. Auch ein starker Apparat kann ihn nicht ohne weiteres ersetzen. Personalentscheidungen und Gesetze behindern zudem, dass Alternativen aufkommen, selbst solche, die die Politik fortschreiben würden.
Die von Putin vertretene Linie der Erneuerung Russlands als innovationsorientierte Industriemacht ist zudem offensichtlich kein geteiltes Ziel der russländischen Eliten. Die Logiken von Macht und Innovation blockieren sich gegenseitig.

Offen ist, wie sich ein Elitenwechsel vollziehen könnte. Die „alte Generation der Oligarch*innen“ wurde politisch ausgeschaltet und noch ist völlig offen, wie sich die neue Generation des Unternehmertums verhalten wird, die im Kielwasser der räuberischen Privatisierungen, durch eine Weiterführung der Schattenwirtschaft in der späten UdSSR oder auf „normal-kapitalistische“ Weise entstanden ist.
Politisch werden sie zurzeit von kleineren Parteien, etwa der Partei des Wachstums (Partija Rosta) vertreten. Da sie nicht mit den dominierenden oligarchischen Strukturen verbunden sind, fehlt es ihren Aktivitäten jedoch oft an Finanzmitteln. Sie dürften von den Sanktionen besonders betroffen sein, würden von einer forcierten Importsubstitution aber unter Umständen auch am meisten profitieren.
Sie gehören auch zu den Gruppen, die eine „Neue Industrialisierung 2.0“ oder auch „4.0“ unterstützen, wie sie von Teilen der akademischen Eliten gefordert wird.

All das deutet darauf hin, dass sich die unvermeidlich kommenden Umbrüche als Bewegung der Eliten abspielen werden und nicht als eine Bewegung des Volkes oder als eine Bewegung der vielfach gespaltenen Linken.
Dennoch bleibt die Unzufriedenheit von unten, weil Druck und Stagnation vor allem in der jungen Generation zu einer deutlichen Ablehnung des Systems führen.
Die Eliten, die den Krieg befürworten, versuchen in Reaktion darauf, Konformitätsdruck für den Regierungskurs herzustellen: über Symbolik, über patriotische Erziehung in Kindereinrichtungen und Schulen, über die Schaffung einer neuen Kinder- und Jugendorganisation und die Belebung patriotischer Inhalte in Kunst und Kultur.
Ob dies vor dem Hintergrund der angestauten Probleme in der russländischen Gesellschaft gelingen kann, ist allerdings zweifelhaft.

*:  Das gilt offensichtlich auch für einen Regierungswechsel in Deutschland.

Mein Kommentar: Die maßgeblichen Leute sind nicht in der Lage, dialektisches Denken anzuwenden.
Sie werden sich als rückwärtsgewandt, d.h. regressiv erweisen.
Aber wo bleibt das Progressive, das auch hier in D so verzweifelt gesucht wird ?

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Die australische Journalistin Caitlin Johnstone: „Ich unterstütze westliche Werte mehr als der Westen selbst“

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Die australische Journalistin Caitlin Johnstone hat einen Kommentar veröffentlicht, der mir aus der Seele spricht.
Daher hat Thomas Röper ihn hier veröffentlicht.
https://www.anti-spiegel.ru/2023/ich-unterstuetze-westliche-werte-mehr-als-der-westen-selbst/

Caitlin JohnstoneCaitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Sie hat auf ihrer Seite einen Kommentar veröffentlicht, den ich in deutscher Übersetzung bei RT-DE gefunden habe, und der mir in sehr vielem aus der Seele spricht. Daher werde ich ihn hier als Denkanstoß und Diskussionsbeitrag veröffentlichen.
Die Website von Caitlin Johnstone finden Sie hier und auf Twitter können Sie Ihr unter @caitoz folgen.

Beginn des Gastkommentars

Ich unterstütze westliche Werte mehr als der Westen selbst: Notizen vom Rand der narrativen Matrix

Ich werde oft als „antiwestlich“ kritisiert. Aber ich bin nicht gegen den Westen, ich bin für den Westen.
Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich mir wünsche, dass unsere Werte wie Frieden, Freiheit, Demokratie, Wahrheit und Gerechtigkeit reale Dinge sind, die in der tatsächlichen westlichen Zivilisation existieren – und nicht nur als Fiktion, die westlichen Schulkindern erzählt wird.

Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich möchte, dass der Westen die tatsächlichen westlichen Werte verkörpert, die er zu verkörpern vorgibt.
Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich die Praxis unterstütze, westliche Werte im Westen zu verbreiten. Ich bin ein westlicher Kulturimperialist, außer dass ich den westlichen Kulturimperialismus im Westen implementieren möchte.
Ich bin wie ein Kreuzfahrer, ein westlicher Kolonialist, der die Segel setzt, um diesen gottlosen westlichen Wilden die Segnungen der westlichen Zivilisation zu bringen. Mit dem Unterschied, dass ich ihnen nicht Mord, Sklaverei, Raub und Krankheiten bringe, sondern wirklich versuche, ihnen die wahre westliche Zivilisation zu vermitteln.

Ich bin dermaßen prowestlich, dass ich möchte, dass die westlichen Werte, die mir als Kind angedreht wurden, tatsächlich existierende Dinge sind.
Und weil ich westliche Werte viel mehr unterstütze, als der eigentliche Westen es tut, werde ich als „antiwestlich“ diffamiert und aufgefordert, nach China auszuwandern.
Blödsinn! Sie sollten nach China auswandern!

Ein Typ namens David Gondek, dem ich auf Twitter folge, hat es sehr schön ausgedrückt: „Es gibt nichts Fehlerhaftes an der westlichen Zivilisation, das nicht behoben werden könnte, solange man sich an seine eigenen erklärten Prinzipien hält.“

Es ist nicht „antiwestlich“ zu verlangen, dass der Westen Kriegshetze, Militarismus, Zensur, Propaganda, geheimnistuerische Regierungen, Oligarchie, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung beendet. Das ist prowestlich.
Die westlichen Werte wie Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Demokratie, Freiheit und Rechenschaftspflicht, die uns in der Schule beigebracht wurden, sind sehr gute Dinge. Das einzige Problem ist, dass der Westen sie selbst nicht schätzt.

Um es klar zu sagen, das US-Imperium bekommt aus dem Krieg in der Ukraine alles, was es verlangt. Es behauptet auf der einen Seite, dass dieser Krieg eine nicht provozierte Invasion durch Russland gewesen sei, den man nie gewollt habe, während man gleichzeitig zugibt, dass dieser Krieg alles bietet, was man jemals von der anderen Seite haben wollte. Die USA sind nicht unabsichtlich in diesen glücklichen Umstand gestolpert, der zufällig alle ihre langjährigen geostrategischen Absichten gegen einen ewigen geopolitischen Gegner vorantreibt.
Man hat diese Situation absichtlich herbeigerufen, und nur ein dummer Idiot würde etwas anderes glauben.

Putin führt diesen Krieg nicht, weil er dachte, es wäre eine nette Idee, ein bisschen mehr Land zu erobern. Er führt ihn, weil er zur Einschätzung kam, dass Russland irgendwann die Aggressionen der NATO in der Ukraine abwehren muss und es einfacher sei, sie jetzt schon abzuwehren als später.
Die Leute sagen: „Grummel, Grummel …, wenn die USA diesen Krieg provoziert haben, um ihre eigenen Interessen voranzutreiben, dann ist Putin ein Idiot, wenn er darauf hereingefallen ist.“ Aber jeder, der jemals Schach gespielt hat, weiß, dass es bei Strategie oft darum geht, den Gegner zu zwingen, sich zwischen zwei schlechten Optionen zu entscheiden, die einem selbst jedoch zugutekommen.

In einigen antiimperialistischen Fraktionen gibt es immer noch die Vorstellung, dass Putin ein brillanter strategischer Zauberer ist, der das Imperium in einer Partie 5D-Schach überlistet. In Wirklichkeit kämpft er defensiv gegen einen weitaus reicheren, weitaus mächtigeren Feind, und das kommt seine Nation teuer zu stehen.
Ob die Ukraine diesen Krieg „gewinnt“ oder nicht, ist irrelevant angesichts der Tatsache, dass das US-Imperium für relativ geringe Kosten in der Lage war, ein riesiges schwarzes Loch zu schaffen, in das Moskau seine Energie und Aufmerksamkeit stecken muss, wodurch die imperiale Maschine frei wurde, sich auf das Drehen der Schrauben in Richtung China zu konzentrieren.
Eine freundliche Erinnerung: China stellt nur eine Bedrohung für das US-Imperium und seine Pläne der planetaren Vorherrschaft dar, nicht für die USA als Nation selbst.
Die Architekten des Imperiums verwirren die amerikanischen Bürger und andere im Westen absichtlich, indem sie diese beiden Konflikte in einer massiven Propagandakampagne miteinander verschmelzen.

Ein Kind wohlhabender Eltern zu sein, ist, wie in eine Sekte hineingeboren zu werden, deren gesamter Fokus darauf liegt, die Klassensolidarität mit der herrschenden Klasse zu stärken. Ihre soziale Kultur, akademische Kultur, Familienkultur usw. sind darauf ausgerichtet, eine elitäre Gemeinsamkeit aufzubauen, die das gewöhnliche Gesindel ausschließt.
Das ist der Grund, warum die herrschende Klasse gegenüber der Arbeiterklasse eine so weit überlegene Klassensolidarität hat.
Die meisten von uns wurden nicht mit dem akuten Bewusstsein erzogen, dass wir uns sehr von der herrschenden Klasse unterscheiden und dass deren Interessen mit unseren eigenen Interessen in Konflikt stehen. Aber jeder in der herrschenden Klasse wurde dahingehend erzogen.
Bis sie reif genug sind, um die Zügel zu übernehmen, haben Mitglieder der herrschenden Klasse ein ganzes kulturelles Erziehungssystem durchlaufen, das der Bildung von Solidarität mit ihrer eigenen Klasse gewidmet ist, während der Rest von uns sich darauf konzentriert hat, unsere Köpfe über Wasser zu halten.

Einer der dümmsten Glaubenssätze der „populistischen Rechten“ ist derzeit, dass die herrschenden Eliten sich mit der Förderung des „Wokeismus“ und der „sozialen Gerechtigkeit“ um etwas kümmern. Unsere Herrscher kümmern sich nicht um die Rechte von Transsexuellen oder was auch immer – sie kümmern sich nur darum, das Feuer des Kulturkampfes zu schüren, um einen Klassenkampf zu verhindern.
Unsere Herrscher würden noch so gerne jeden Transmenschen auf dem Planeten einäschern, wenn das bedeuten würde, damit die eigene Herrschaft zu zementieren.
Sobald das Propagieren von Black Lives Matter aufhören wird, politisch nützlich zu sein, wird es umgehend die Toilette hinuntergespült. Die herrschende Klasse sorgt sich nicht um Randgruppen, sie benutzt sie nur.

Es ist so dumm anzunehmen, dass mächtige Plutokraten und geheimnistuerische Regierungsbehörden die Normalisierung der LGBT-Rechte vorantreiben, weil sie damit aufgehört haben, sich um Macht und Herrschaft zu kümmern und jetzt einfach ihre Liebe zum „Wokeismus“ entdeckt haben. Tolles Wunschdenken, Dummkopf!
In Wirklichkeit stellen marginalisierte Gruppen für die herrschende Klasse keinerlei Bedrohung dar.
Wir sollen marginalisierte Gruppen als Feind betrachten, damit diese ihre Herrscher – die sich keinen Deut um sie kümmern – nicht als Feind betrachten.

Menschen auf der rechten Seite des politischen Spektrums, die sich selbst als Rebellen gegen das Establishment betrachten, während sie Trump, Thilo Sarrazin und Elon Musk beklatschen, sind genau dieselben wie jene „Demokraten“, die sich „Der Widerstand“ nennen, weil sie Göring-Eckardt und Dunja Hayali beklatschen. Sie sind dieselbe Sorte Mainstream-Esel, nur mit unterschiedlichen Narrativen.

„Widerstands“-Liberale dachten, sie kämpften gegen Trump, weil sie versuchten, den Präsidenten seines Amtes zu entheben. Die Leute aus der MAGA-Fraktion *) dachten, dass gegen Trump gekämpft wurde, weil da ein „Tiefer Staat“ am Werk war. Aber in Wirklichkeit sind beide Seiten nur Partisanen innerhalb des Mainstreams, die die imperiale Einheit voll unterstützen. Wenigstens sind Liberale ehrlich darin, Liberale zu sein.
Die Konservativen hingegen klatschen zusammen mit den konservativen Mainstream-Politikern und den konservativen Mainstream-Experten, um dann die andere Seite als „teilnahmslose Charaktere des Mainstreams“ zu bezeichnen. Dabei sind die Konservativen in Wirklichkeit genau gleich. Sie sind bloß Konservative, die in einem Rollenspiel als unparteiische Freidenker auftreten.

Ich lehne Mainstream-Politiker und Mainstream-Medien nicht ab, weil es von Natur aus schlecht ist, Mainstream zu sein. Ich tue es, weil wir im Moment in einer stark kontrollierten Zivilisation leben, in der die einzigen Dinge, die Mainstream werden dürfen, jene sind, die unseren Herrschern dienlich sind – oder sie zumindest nicht behindern.
Im Moment erhebt die herrschende Klasse – die alle Mittel zur Verfügung hat, um den Mainstream zu kontrollieren – nur Dinge in den Mittelpunkt, die entweder ihre Interessen aktiv fördern oder den Status quo zementieren, in dem wir leben. **)

Im Moment ist es weise, den Mainstream abzulehnen. Aber wir sollten das nicht mit der Vorstellung verwechseln, dass es immer schlecht ist, im Mainstream zu sein.
Unser Ziel sollte es sein, dass unsere eigenen gesunden Werte von Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit eines Tages zum Mainstream werden.
Es ist ein Zeichen von Toxizität, unter dem aktuellen Status quo zum Mainstream erhoben zu werden.
Aber wir sollten bedenken, dass, wenn es uns gelingt, den Status quo zu ändern, die Verschiebung zum Mainstream eines Tages ein Zeichen des Wohlergehens sein wird.

Ende des Gastkommentars

*: Make America Great Again

**: Das dürfte nicht nur für den Moment so sein, sondern das ist Teil des Klassenkampfs von Oben, den es schon gibt, seit es Klassen gibt ! Das klassische Athen als Demokratie der Sklavenhalter war auch schon so!
Mein Kommentar: Schön, dass auch auf englischsprachigen Seiten der Begriff Klassenkampf wieder stärker ins Licht rückt.
Von C.Johnstone habe ich schon öfter etwas gebracht, siehe hier:
https://josopon.wordpress.com/2022/05/18/ein-ausgezeichneter-podcast-der-australischen-journalistin-caitlin-johnstone-auf-deutsch-zum-thema-propaganda-und-meinungsmache/
und https://josopon.wordpress.com/2022/09/28/redefreiheit-ist-belanglos-solange-propagandisten-bestimmen-was-die-menschen-sagen/

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Die grüne Hoffnung – China auf dem Weg zu einer neuartigen ökologischen Zivilisation

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Während unsere Leim-Medien zunehmend auf den Kriegskurs der USA gegen China eingeschworen werden, findet sich in der jungen Welt eine ausführliche, sachliche Darstellung:
https://www.jungewelt.de/artikel/440375.%C3%B6kologie-und-energiewende-die-gr%C3%BCne-hoffnung.html

Stichworte: Ökologische Zivilisation; mobilitätsorientierte Wasserstoffentwicklung; inklusiver Wohlstand; Ökosozialprodukte
Auszüge:

China auf dem Weg zu einer neuartigen ökologischen Zivilisation

Von Wolfram Elsner

In China passiert Sensationelles meist ohne viel Aufhebens, und das besonders in ökologischer Hinsicht. Kunde davon dringt leider so gut wie nie durch die westliche mediale Käseglocke.
Um so notwendiger ist es, dass die verbliebenen Neugierigen, die nicht durch westliche Abstiegsangst und entsprechende defensive Beißreflexe getrieben sind, detaillierte Informationen erhalten.
Ein kleiner Einblick in ein Feld riesiger Veränderungen in China und durch China.

Klimaopfer

Es ist zum Beispiel kaum bekannt, dass China eines der ökologisch verletzlichsten Länder ist: 19 Prozent der Weltbevölkerung verfügen nur über circa sieben Prozent der agrarisch bebaubaren Fläche der Erde.
Damit besitzt China nur 46 Prozent des Welt-pro-Kopf-Durchschnitts an bebaubarem Land (USA: 263 Prozent) und darüber hinaus nur 35 Prozent des Welt-pro-Kopf-Durchschnitts an Frischwasserquellen (USA: 151 Prozent), wie die Weltbank im Oktober noch einmal feststellte.¹ Das erklärt auch die Vielzahl an ökologischen Katastrophen und Hungersnöten in der chinesischen Geschichte.

Auch heute noch ist China »Klimaopfer«² und hat erheblich mit Hitzewellen, Dürren und Wassermangel zu kämpfen, wie die Sommer der letzten Jahre gezeigt haben. Energie, Ökologie und Klima sind daher eng mit der gesamten nationalen Sicherheit verknüpft, was entsprechend auch eines der großen Themen des 20. Parteitages der KPCh im November war.
Immerhin: Hunger und Armut gibt es nicht mehr, und das Land ist heute unter anderem drittgrößter Weizenexporteur.

Um so stärker treibt China seine Ökologiepolitik voran. Die »Ökologische Zivilisation« hat nicht nur Verfassungsrang, sie wird von den Chinesinnen und Chinesen inzwischen tagesaktuell gelebt.
Die globalen Gemeinschaftsgüter als Menschheitserbe und die Formel der »gemeinsamen Zukunft allen Lebens auf der Erde« (Motto der UN-Diversitätskonferenz in Kunming 2021) ist in den Köpfen und im Handeln der Chinesen angekommen.
Die aktuelle Regierungs-»Roadmap« »Grüner Lebensstil für alle Bürger« treibt die Ökologische Zivilisation weiter voran und operationalisiert sie, unter anderem durch eine umfassende Klimaerziehung in den Schulen.

Seine CO2-Zusagen zum Pariser Abkommen 2015 hatte China bekanntlich schon 2017 erreicht statt 2020. Aber in den Westmedien wird natürlich gern verschwiegen, dass China im CO2-Ausstoß pro Kopf im Jahr 2021 nur auf Rang 28 liegt, also unterhalb des OECD-Durchschnitts der Industrieländer, mit nur etwa der Hälfte des Ausstoßes der USA (ohne US-Militär!), Australiens oder Kanadas und mit weniger als in Deutschland oder Japan.

Die emissionsträchtigsten Kraftwerke stehen in Polen, Indien, aber auch Deutschland (zum Beispiel Neurath, Niederaußem). Der größte Förderer fossiler Energieträger sind bekanntlich die USA, und den größten Anteil bei der Finanzierung fossiler Träger in den Jahren 2015 bis 2020 (Kredite, Steuererleichterungen) haben ebenfalls die üblichen Verdächtigen zu verantworten: Australien, Kanada, USA.
Die Wall Street finanzierte fossile Energien im Jahr 2021 mit Neukrediten in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar und fördert sie insgesamt mit einem Kreditbestand von 22 Billionen US-Dollar.³

Bei einer CO2-Zurechnung auf den Endverbrauch wären zudem von Chinas Emissionen 14 Prozent abzuziehen und zum Beispiel bei den USA acht Prozent hinzuzurechnen.⁴
Der Westen schönt faktisch bis heute seine CO2-Bilanz durch Auslagerung (»Export«) von CO2-Emissionen nach China.
Schließlich, da CO2 nicht zerfällt, ist auch die historisch-kumulative Bilanz seit der Industrialisierung nicht uninteressant: Nach einer entsprechenden Studie von Jason Hickel sind Europa und die USA für 80 Prozent aller CO2-Emissionen seit 1750 verantwortlich, China ist es für 13 Prozent.⁵

China drosselt heutzutage CO2-Emissionen immer wieder mit rigorosen Maßnahmen: mit einer Reduktion der Stahlproduktion, mit Eingriffen in energieintensive Grundstoffindustrien oder mit drastischen Exportzöllen für energieintensive Produkte. Es hat seit den 2010er Jahren die Förderung von Dutzenden Millionen Tonnen »schlechter« Kohle und bis 2020 die Erzeugung von 120 Millionen Kilowattstunden in konventionellen Kohlekraftwerken (KKW) eingestellt. Heute gibt es in China nur noch sogenannte ultraemissionsarme KKW, die lediglich 50 Prozent der konventionellen KKW emittieren.
US-Studien zeigen, dass chinesische Kohlekraftwerke »signifikant geringere Emissionen als nichtchinesische Kraftwerke« haben.⁶
China hat praktisch keine konventionellen KKW mehr, während in den USA bisher nur ein Prozent der KKW ultraemissionsarm ist. Die Studien bestätigen, dass »Chinas Dekarbonisierung (…) eine der ambitioniertesten ist«.⁷ Die Weltbank schrieb im Oktober: »China steht in Sachen Niedrigkohlenstoffstrategie vorn.«

Der 14. Fünfjahresplan (FJP) (2021–2025) sieht vor, dass die fossilen Träger insgesamt (Kohle, Öl, Gas) bis 2025 von 58 Prozent auf 50 Prozent reduziert werden (Deutschland 2021: 59 Prozent, mit steigender Tendenz).
Im Energiemix ist China dementsprechend Weltmeister in der Produktion erneuerbarer Energien (Wasser, Solar, Wind, Geothermik): Erneuerbare steigen bis 2025 von 37 Prozent auf 45 Prozent (Deutschland 2021: 41 Prozent, minus 4,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020). Die fünf Prozentpunkte Differenz zwischen Fossilen und Erneuerbaren macht Atomkraft aus.

China leistet etwa 45 Prozent der globalen Investitionen für Erneuerbare. Es ist Weltmarktführer bei Wasser, Photovoltaik und Wind. »China ist bei weitem der größte Investor in die Energietransformation« (Bloomberg, 19.8.2022). Während es 2021 298 Milliarden US-Dollar dafür ausgab, investierten die EU 156 und die USA 120 Milliarden US-Dollar.
China generiert 25 Prozent der Solarenergie und 33 Prozent der Windenergie der Welt. Mehr als 50 Prozent aller Jobs in den Erneuerbaren in der Welt sind laut Weltbank in China angesiedelt.

Atomkraft (in China »neue«, aber nicht, wie in der EU, »erneuerbare« Energie genannt) wird bis 2030 auf vier Prozent reduziert.
China errichtet auch als erstes Land neuartige Kernkraftwerke, die salzbasiert ohne Druck, ohne Uran und ohne langlebiges Spaltmaterial funktionieren, die sogenannten Thoriumreaktoren, die ab 2030 selbst die neuesten herkömmlichen AKWs ersetzen werden (Spektrum der Wissenschaft, 15.9.2021).

Größte CO2-Absorption weltweit

Auch Chinas CO2-Absorptionsstrategie, die massive Aufforstung, wird in den westlichen Medien meist tabuisiert. Die NASA schrieb bereits 2019: »China ist, aus dem All betrachtet, das grünste Land.«
Die landesweite systematische Aufforstung begann erst 1978. Das ursprüngliche Motiv waren die Zurückdrängung der Wüsten und die Verminderung der Sandstürme in Chinas Großstädten.
Allein zwischen 2012 und 2022 wurden 70 Millionen Hektar aufgeforstet, das entspricht der doppelten Fläche Deutschlands. China hat allein seit 2000 seine Wälder um 42 Prozent vergrößert und stellt heute 25 Prozent aller Wälder weltweit.
Mit der größten Fläche menschengepflanzter Wälder weltweit ist China das einzige Land, das die Wüsten zurückgedrängt hat (nature.com, 13.9.2022), und somit »Vorbild« für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).

Eine solche »Große grüne Mauer« verlangt eine langfristige, komplexe, multidisziplinäre Strategie mit zahlreichen Akteuren, die nur ein leistungsfähiger Staat und eine kollektiv handlungsfähige Gesellschaft leisten können. Denn die Inkubationszeit für ein neues Ökosystem »Wald«, bis also ein Regen-Grundwasser-Kreislauf entsteht und sich selbst erhält, dauert etwa drei Jahrzehnte.
In China sind dies alles internationale Projekte, an denen die UNEP, nationale und internationale NGOs, aber zum Beispiel auch deutsche forstwirtschaftliche Forschungsinstitute beteiligt sind.

Das Ziel für die nächste größere Entwicklungsetappe bis 2049 ist es, weitere 90 Milliarden Bäume zu pflanzen. Es wird aber erkennbar vorzeitig erreicht werden, denn 70 Milliarden Bäume werden absehbar schon bis 2030 gepflanzt sein. Allein der 14. FJP sieht vor, dass der Anteil der Wälder an der Gesamtfläche Chinas bis 2025 von 23 Prozent auf gut 24 Prozent steigt (USA: sieben Prozent), das sind weitere elf Millionen Hektar, was der Fläche Südkoreas entspricht. Jeder Chinese und jede Chinesin ab elf Jahren soll jedes Jahr drei Baumsetzlinge pflanzen. In China werden mehr Bäume aufgezogen als im Rest der Welt zusammengenommen.
Alle Wälder in China befinden sich übrigens in speziellen Naturschutzgebieten und Biodiversitätszonen, insgesamt sind dies 12.000 geschützte, jeweils speziell entwickelte Gebiete.

Im Ergebnis absorbieren Chinas Wälder 9,2 Milliarden Tonnen CO2 von den in China jährlich emittierten 10,7 Milliarden Tonnen, das sind rechnerisch ungefähr 86 Prozent der Emissionen Chinas, die allein von den eigenen Wäldern wieder absorbiert werden.⁸ Leider gibt es keine entsprechenden Daten für andere Länder, aber diese Quote dürfte unter den großen Ländern des Nordens einsame Spitze sein.

Chinas Luftqualität ist durch die Maßnahmen deutlich verbessert worden. Von 2013 bis 2020 ist der Feinstaubgehalt der Luft um 40 Prozent zurückgegangen: In Beijing gab es 2021 an 330 Tagen gute Luft, das sind 100 Tage mehr als 2013. Damit gibt es in China gegenüber den 2010er Jahren eine um zwei Jahre erhöhte Lebenserwartung (78 Jahre), die inzwischen die Lebenserwartung in den USA (77 Jahre) übertrifft.
Die Universität Chicago schreibt in ihrem Air Quality Index 2022, China habe bei der Luftqualität »mehr erreicht als westliche Industriestaaten«.⁹

Gut getrennt

In den neuen Wäldern werden heute von den Bauern in den früher armen wüstennahen Dörfern neue Früchte, Nüsse, Datteln, Trauben usw., geerntet und vermarktet. Das ist Teil der zahllosen lokalen Wirtschaftsförderungskonzepte für die entlegensten Dörfer auf der »letzten Meile« der Beseitigung des hartnäckigsten Bodensatzes an Armut, die Ende 2020 endgültig beseitigt werden konnte. *)
In diesem Rahmen arbeiten Bauern heute unter anderem auch als Touristenführer in »ihren« neuen Wäldern, weil insbesondere jüngere Menschen »ihren« Baum »anfassen« möchten.

Die Müllmenge pro Kopf ist in China um circa zwei Drittel geringer als in den USA. Der Müllimport aus Deutschland ist in den 2010er Jahren nach und nach eingestellt worden, weil die Bundesrepublik nicht in der Lage war, hinreichend sauber zu trennen. China hat heute eine differenzierte Mülltrennung in den Haushalten und Häusern, die mit QR-Code-Technik arbeitet und über alle Materialien hinweg sehr hohe Recyclingquoten ermöglicht.

Chinesische Städte werden zunehmend ökologisch neuartig: Nicht nur sind sie bis in jede Ecke mit hochwertigen Pflanzen begrünt, die ständig gepflegt werden, dezentrale Stadtstrukturen mit aufgelockerten Hochhausarrangements und dezentralen Servicezentren einschließlich öffentlichen Aufenthaltsräumen und Cafés werden mit einer neuen Art von »urbanen Wäldern« gemischt.
Man arbeitet an ersten Nullemissionsstädten, an Nullemissionsgebäuden, »3-D«-Häusern aus Ökomaterialen und Nullemissionsfirmen (Greenpeace-Preis 2021 für Tencent und Chindata).
Es gibt 170 emissionsfreie Technologieparks, und der Shanghai-Index für nachhaltige Städte wird weltweit angewendet.

45 Prozent aller E-Fahrzeuge der Welt fahren in China sowie 99 Prozent aller E-Busse und E-Lkws. In den Städten werden Verbrenner seit Jahren nicht mehr zugelassen, und schon seit 2016 gibt es keine Verbrennerzweiräder mehr. E-Bikes und Leihfahrräder stehen morgens zu Hunderten an ihren Stellplätzen an fast jeder Straßenecke. E-Vehikel aber werden seit 2021 nicht mehr gefördert, obwohl die chinesische Entwicklung in Sachen neuartiger umweltfreundlicherer Batterien auch entscheidende Fortschritte zugunsten von E-Mobilität macht.

Statt dessen ist China der größte Standort der mobilitätsorientierten Wasserstoffentwicklung. In der Provinz Guangdong zum Beispiel fahren bereits zahllose Wasserstoffstraßenbahnen.
Experimentiert wird aber auch mit Solarplattenautobahnen, auf denen die Fahrzeuge mit Induktionsstrom befördert werden. In China ist generell nicht das Auto das Rechenzentrum, sondern die Infrastruktur beinhaltet die Intelligenz.

Die neue Generation der Schnellzüge fährt inzwischen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 450 Kilometern pro Stunde, die neue »Magnetschwebebahn 2.0« demnächst mit 600 km/h. Sie wird Inlandsflüge (zunächst Beijing–Shanghai) in absehbarer Zeit ersetzen.
Der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Bosch in China (60.000 Beschäftigte) sagt: »In 20 Jahren kauft kein Chinese mehr ein Auto« (focus.de, 2.9.2019).
Statt dessen Mobilitätsmodule, privat oder öffentlich. Bei privaten Autos gibt es bereits eine große Sharingökonomie. Chinesische Autofahrer wissen, sie gehören zur letzten Generation herkömmlicher Autofahrer.

Die Universität Boston (Global Development Policy Center, China Global South Project) schreibt: »Chinas Anstrengungen zur Biodiversität und Arterhaltung sind beeindruckend (und) übertreffen alle anderen Programme der Welt.«¹⁰
Die Artenschutzliste wurde 2021 verdoppelt, Zoo- und Freizeitparktiere werden systematisch ausgewildert. Belugawale zum Beispiel werden jetzt von NGOs südwestlich von Island in das Leben in der Natur begleitet.
Am Ende der COP 15, der Convention on Biological Diversity in Kunming 2021, hat China einen globalen Kunming Biodiversity Fund zur Verfügung gestellt (im Umfang von »nur« 230 Millionen US-Dollar).

Die Ökologische Zivilisation kann natürlich nicht nur aus fortschrittlicher Technologie, hoher kollektiver Handlungskompetenz und Süd-Süd-Finanzierung bestehen. Eine soziale Ökomobilisierung muss dazukommen und hat in der Tat den chinesischen Alltag erreicht.
Zum Beispiel hat die »Ant-Forest-App« (»Waldameise« der Ant Group von Alibaba) seit ihrer Einführung 2016 bis heute circa 500 Millionen Nutzer gewonnen. Mit Hilfe integrierter ökologischer Datensätze, lokalisiert, interaktiv und in Echtzeit nutzbar (der sogenannten Blue Map), kann man mit ihr »spielerisch« ökologisches Alltags-, Konsum- und Mobilitätsverhalten erlernen und dabei Punkte sammeln, für die irgendwann ein realer Baum gepflanzt wird. Zum Beispiel teilt die App mit, wenn es zu einem Produkt im Supermarktregal eine Alternative mit einem besseren ökologischen Fußabdruck gibt.
Punkte sammelt auch, wer das Auto stehenlässt. Mit Hilfe der App sind schon ungefähr 1,2 Milliarden Bäume gepflanzt worden.

Drohnenbilder vom »eigenen« Baum reichen aber nicht auf Dauer. Der Binnentourismus erfasst daher nun, wie bereits erwähnt, die neuen Wälder. NGOs und UNEP arbeiten an einer weltweiten Einführung der App, scheitern aber daran, dass in Sachen erforderlicher Informationen und Rechenintelligenz auch in den führenden westlichen Ländern Wüste herrscht. (»Statistik ist Kommunismus«, soll schon Robert Nixon gesagt haben, und man hört die Kreuzritter und Weltbefreier schon wieder schreien: »Überwachungsstaat! Sanktionieren! Stoppen!«)

Chinesische Konsumentinnen und Konsumenten sind inzwischen weltweit führend in Sachen Ökologie. Am Beispiel nachhaltiger Verpackung hat McKinsey in einer internationalen Studie festgestellt, dass chinesische Konsumenten ihr die höchste Bedeutung beimessen und dafür die höchste Zahlungsbereitschaft an den Tag legen (mckinsey.com, 1.3.2022).

Verbot von Einwegplastik

In immer mehr Provinzen Chinas, beginnend in Hainan und in Shenzhen/Guangdong, tritt seit 2020/2021 ein totales Verbot von Einwegplastik in Kraft. Fabriken werden inzwischen mit Strom aus Erneuerbaren betrieben.
Und neuerdings gibt es ein Böllerverbot wegen der Feinstaubbelastung (ein erheblicher Kulturbruch); nun werden »grüne« Neujahrsfeste konzipiert.
Die Forschung zu klimaneutralen »5G/6G«-Mobilfunknetzen wird forciert, und ein Gesetz gegen Nahrungsmittelverschwendung bei Großveranstaltungen ist in Kraft getreten (ein weiterer erheblicher Kulturbruch).
Tierhaltung und Fleischkonsum werden reduziert, und nachhaltige Alltagsmaterialien aus Stroh, Bambus und Reis sind allgegenwärtig. Der Reisanbau wurde flächendeckend wieder auf traditionelle Anbaumethoden ohne Chemie (statt dessen mit Fischwirtschaft kombiniert) umgestellt.
Das Bahnticket oder die Prepaidcard fürs Handy kann man im Gegenzug für den Einwurf leerer Flaschen in Kartenautomaten erstehen. Pilotversuche mit Ökosozialprodukten, einer Orientierung am UN-Human-Development-Index (HDI) oder dem sogenannten inklusiven Wohlstand (mit Rückverteilung nach unten), um wegzukommen vom »Sozialprodukt« und von der Wachstumslogik, gibt es in mehreren Regionen. China ist auf dem Weg zur Klärung des chinesischen Traums vom wohlhabenden – statt reichen –, glücklichen und »schönen« Land: »Wir wollen kein Modell exzessiven Konsums« (Präsident Xi Jinping).

Entgegen den westlichen Mediensuggestionen werden international 87 Prozent der KKW vom Westen finanziert, während sich der Anteil Chinas auf 13 Prozent beläuft. An neu geplanten KKW hatte China 2021 nur noch elf Prozent Finanzierungsanteil. Auf der 76. Generalversammlung der UNO im September 2021 aber informierte Xi Jinping darüber, dass China keine KKW im Ausland mehr baue oder finanziere. Und dies wird bereits umgesetzt: 44 KKW in 20 Ländern mit einem Investitionsvolumen von 65 Milliarden US-Dollar wurden gestrichen.¹¹

Statt dessen ist China der global größte Bauer und Finanzierer von Wasserkraftwerken im Ausland. Zudem flossen 57 Prozent aller Investitionen im Rahmen der »Belt and Road Initiative« (BRI) bzw. des Projekts »Neue Seidenstaße« 2021 in Erneuerbare. Die BRI mit ihren inzwischen 149 Partnerländern und fast 40 internationalen Partnerorganisationen und ihr Ökoengagement werden unter offizieller Beteiligung US-amerikanischer Universitäten und Institute evaluiert. Dabei erhält sie in Sachen Ökomonitoring und Management jederzeit Bestnoten.
Der Westen setzt Labels wie »Blue Dot Network« (Ex-US-Präsident Donald Trump), »Build Back Better World« (»B3W«, Trump-Nachfolger Joseph Biden) oder »Global Gateway« (EU-Chefin Ursula von der Leyen) dagegen, aber von irgendeiner Umsetzung war bisher nichts zu sehen.

China hatte bereits nach 2015 im Rahmen der UNO einen Klimafonds für die Süd-Süd-Kooperation mit zunächst 20 Milliarden Renminbi (drei Milliarden US-Dollar) eingerichtet, und auch die chinesisch finanzierte Global Energy Interconnection Development and Cooperation Organization ist über das »High-Level Political Forum« der UNO in die Weltorganisation eingebunden.
Nach dem neuen Shanghai-Modell können Länder des globalen Südens mit solcher Finanzhilfe eigene Schulden gegen eigene Ökoinvestitionen eintauschen: China erlässt den ärmeren Ländern Schulden für Ökoinvestments.
Das US-amerikanische World Resources Institute kommt zu dem Schluss: »China ist ein Vorreiter für nachhaltige Finanzen« (22.3.2022).
China als Hoffnung US-amerikanischer Ökoinstitute – das sagt einiges.

Mit Ökologie zum Sozialismus

Was deutlich geworden sein sollte, sind die konsequente Dynamik des chinesischen »Systems«, die Integration des kollektiven Experimentierens und Lernens in alle Prozesse, das parallele Entwickeln von Technologien, die agile Politik (zwischen Regulieren, »Letting go«, Lernen und neuerlichem Standardisieren) sowie die staatliche und gesellschaftliche Handlungs- und Organisationsfähigkeit.
Die schafft auch die Grundlage für eine größere individuelle Handlungsfähigkeit etwa für die vielen Millionen Startups und Gründerinnen (die Mehrzahl inzwischen Frauen!).
Es ist diese Kombination von Technologie, Lernen, Organisation sowie individueller und kollektiver Handlungskompetenz mit einer (ökologischen) Massenmobilisierung, die die Konturen eines Sozialismus des 21. Jahrhunderts erkennen lässt.

Anmerkungen

1 Weltbank: Country Climate and Development Report China, Oktober 2022

2 Michael T. Klare: China anno 2049. Klimaopfer statt Kriegsmacht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2021

3 Studie von Bloomberg Philanthropies, zit. n. Gabor Steingarts ­Morning Briefings vom 23.7.2021 und 14.12.2021

4 Wolfgang Müller: Kann die VR China die Klimaziele erreichen?, in: Sozialismus 6/2022

5 Jason Hickel, zit. n. Klimawandel: Europa und USA fast allein für Klimakatastrophe verantwortlich, heise.de, 11.9.2020

6 Cecilia Han Springer, Samuel Evans, Fei Teng: An Empirical Analysis of the Environmental Performance of China’s Overseas Coal Plants, Environmental Research Letters 16/5, 10.5.2021

7 Global Development Policy Center, Global China Initiative, Boston University, Newsletter 2/2021

8 Zhen Yu, Philippe Ciais u. a.: Forest Expansion Dominates China’s Land Carbon Sink since 1980, Nature Communication, 13.9.2022

9 Energy Policy Institute, University Chicago, Annual Report 2022, Air Quality Life Index

10 https://chinaglobalsouth.com/analysis/building-a-shared-future-for-all-life-along-the-belt-and-road-initiative/

11 https://www.upstreamonline.com/energy-transition/dozens-of-coal-fired-projects-face-axe-after-china-pulls-overseas-financing/2-1-1347769

Wolfram Elsner ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen.
Seit 2015 lehrt Elsner auch als Gastprofessor an der School of Economics der Jilin-Universität in Changchun, China.

*: In China liegt die Armutsquote mittlerweile unter 1% https://knoema.de/atlas/China/Armutsquote-bei-nationaler-Armutsgrenze , wo liegt sie in Deutscland ? Haben Merkel, Scholz, Steinmeier in ihren Silvesterreden jemals ein Wort zur Beseitigung der Armut gesagt ?

Siehe dazu auch: https://josopon.wordpress.com/2021/07/13/china-xinjiang-und-die-uiguren-ein-gruner-deutscher-insider-berichtet-uber-seine-reise/

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Jochen

Wie kann Russlands Linke aus der „Ukraine-Falle“ herauskommen?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Fundierte Kritik an der russischen Führung von links, endlich mal:

Mit Dank an Meinolf von aufstehen! für die Weiterleitung:
https://www.kommunisten.de/rubriken/meinungen/8639-sergej-udalzow-wie-kann-russland-aus-der-ukraine-falle-herauskommen
AUszüge:

Wir dürfen nichtzulassen, dass der Westen unser Land in einen langwierigen Zermürbungskrieg zieht.

von Sergej Udalzow, Koordinator der „Linksfront“ Russlands, geschrieben am 19.9.2022
Sieben Monate nach Beginn der Sonderoperation im Donbass befindet sich unser Land in einer schwierigen Lage.
Es gab keinen schnellen Sieg, und mit jedem Tag, der vergeht, versinken unsere Armee und unsere Wirtschaft mehr und mehr im Sumpf eines langen Zermürbungskrieges, in den Russland vom kollektiven Westen unter Führung der Vereinigten Staaten geschickt hineingezogen wird.
Der Kreml scheint sich in einem gewissen Zustand der Verwirrung zu befinden, denn die Soziologie verzeichnet immer noch einen hohen Prozentsatz an moralischer Unterstützung für die Sonderoperation seitens der russischen Bürger, aber gleichzeitig einen niedrigen Prozentsatz an Befürwortern einer groß angelegten militärischen Mobilisierung und einer persönlichen Bereitschaft, „in den Krieg zu ziehen“.

Vor diesem Hintergrund werden einerseits die ultramilitaristischen Rufe lauter, endlich „einen richtigen Krieg zu beginnen“, bis hin zum Einsatz von Atomwaffen, während andererseits pazifistische bis hin zu Kapitulationsstimmungen allmählich zunehmen.
Ein markantes Beispiel sind die jüngsten Äußerungen von Alla Pugatschewa (russischer Schlagerstar vom Format einer Helene Fischer, D.G.) , die sagt, dass die Ziele der Sonderoperation „illusorisch“ sind und den Tod unserer Jungs nicht rechtfertigen.
Es ist klar, dass sich der Kampf zwischen der konventionellen „Kriegspartei“ und der „Friedenspartei“ jetzt verschärft hat, und die Pause in der weiteren Entwicklung der Sonderoperation hängt damit zusammen.

In dieser Situation ist es für die Vertreter der links-patriotischen Kräfte sehr wichtig, eine ausgewogene Position im Interesse des russischen Volkes, in erster Linie seiner arbeitenden Mehrheit, einzunehmen. Bereits im März dieses Jahres schrieb ich Folgendes:

„Wir haben nicht die Absicht, zu sterben und den Gürtel enger zu schnallen, um die Ambitionen der Kreml-Oligarchen zu befriedigen. Ja, wenn die kurzfristigen Interessen unserer Bourgeoisie mit den Interessen der Bewohner des Donbass übereinstimmen, sollten wir diese Situation ausnutzen.
Als Nächstes müssen wir jedoch von Putin klare Antworten auf die folgenden Fragen hören:

  • Gibt es Pläne, den Kurs der Entwicklung Russlands in Richtung Sozialismus zu ändern?
  • Ist eine neue Industrialisierung des Landes geplant, und mit welchen Methoden?
  • Gibt es Pläne, den Brennstoff- und Rohstoffsektor unserer Wirtschaft sowie eine Reihe anderer strategischer Industrien zu verstaatlichen, in denen Oligarchen derzeit Superprofite machen?
  • Gibt es Pläne, Ordnung in die staatlichen Unternehmen zu bringen, die zum Lehnsgut von „effizienten Managern“ mit astronomischen Gehältern und Boni geworden sind?
  • Gibt es Pläne für eine echte Erhöhung der Gehälter und Renten der Russen?
  • Soll das Rentenalter wieder auf 55/60 Jahre angehoben werden?
  • Plant Russland die Entwicklung vollwertiger Gewerkschaften und lokaler Selbstverwaltung?
  • Gibt es Pläne, in Russland ehrliche Wahlen ohne Fälschungen und andere DEGs (elektronische Distanzwahlsystem, D.G.) abzuhalten?

Es könnten noch viele weitere Fragen gestellt werden, aber wir möchten zumindest eine Antwort auf diese Fragen erhalten.
Denn ohne das Endziel der gesamten Operation zu verstehen und zu billigen, können wir dem Kreml nicht das Recht geben, unsere Leute in den Krieg zu schicken und die Menschen zu langen Entbehrungen zu verurteilen.
Ja, wir sind immer bereit, alle unsere Kräfte zu mobilisieren und für ein klares, hohes und edles Ziel zu leiden.
Wir lehnen es kategorisch ab, Blut zu vergießen und zu leiden um der imperialen Ambitionen und des Wohlstands unersättlicher Oligarchen und diebischer Beamter willen.

Die Antworten auf diese Fragen (oder das Fehlen solcher Antworten) sollten die weitere Haltung linker patriotischer Kräfte zu speziellen militärischen Sondereinsätzen bestimmen.

Stimmen Sie zu, die Fragen sind sehr aktuell. Sie wurden im März gestellt und jetzt ist es September. Und man muss zugeben, dass die Antwort auf fast alle diese Fragen negativ ausfallen wird.
Wir können keinen Kurswechsel und keine „Linkswende“ feststellen, und die jüngsten Wahlen können nicht als fair bezeichnet werden.
Den Oligarchen geht es nach wie vor gut, während Gazprom unseren Gegnern in Europa weiterhin Gas zu ermäßigten Preisen liefert und damit indirekt den Krieg gegen Russland finanziert.
In der Zwischenzeit sinkt der Lebensstandard der Bürger stetig, und es häufen sich ernste sozioökonomische Probleme, die in absehbarer Zeit ein kritisches Ausmaß erreichen könnten, zumal jeder Tag der militärischen Spezialoperation erhebliche Ressourcen aus anderen Wirtschaftssektoren abzieht.

Meiner persönlichen Meinung nach sollten die links-patriotischen Kräfte Russlands in dieser Situation nicht mit den Propagandafalken mitspielen, die in Wirklichkeit einen endlosen Krieg mit fast der ganzen Welt fordern und bereit sind, für ihre unangemessenen Ambitionen viele Tausende weitere russische Männer auf das Schlachtfeld zu schicken (bezeichnenderweise sind diese Propagandisten des Krieges „bis zum letzten Russen“ selbst aus irgendeinem Grund nicht an der Front).
Genau dieses Szenario ist für unseren Feind von Vorteil, der Russland in einem langwierigen militärischen Feldzug zermürben und auszehren will, um es dann zu vernichten und zu zerstückeln.
Seien wir ehrlich: Dieses Szenario ist selbstmörderisch für uns, denn der kollektive Westen hat viel mehr Ressourcen, und weder China noch Indien noch sonst jemand wird eine zweite Front zu unserer Unterstützung eröffnen.
Gleichzeitig können wir auf keinen Fall pro-westliche Kapitulationspositionen einnehmen, denn dies wäre ein eklatanter Verrat an den heldenhaften Bewohnern des Donbass, die ihr Recht auf Selbstbestimmung einbüßten, und hätte auch für Russland die traurigsten Folgen.

Deshalb ist es für die russische Linke und die Patrioten heute am richtigsten, vernünftige Wege vorzuschlagen, um so schnell wie möglich aus der „ukrainischen Falle“ herauszukommen und die militärische Spezialoperation zu Bedingungen zu beenden (oder einzufrieren), die Russland und der Bevölkerung des Donbass würdig sind, und den politischen Kampf für eine sozialistische Transformation in unserem Land zu intensivieren, ohne die wir früher oder später ohnehin verlieren werden.
Dies ist die Position, die den Interessen der Bürger am meisten entspricht. Sie wollen keineswegs ihren Kopf für die Interessen der Oligarchie hinhalten; sie wollen gerechte und fortschrittliche Veränderungen in Russland, die langfristig zu einer wirklichen Unabhängigkeit unseres Landes führen werden.

Wenn wir über mögliche Szenarien sprechen, um aus der „ukrainischen Falle“ herauszukommen, scheint die vorrangige Option heute die Abhaltung von Referenden auf dem Gebiet der DVR und der LVR zu sein, über einen schnellst möglichen Vereinigung mit Russland (oder dem Beitritt zum Unionsstaat aus Russland und Belarus).
Bis zur Durchführung der Referenden wäre es wünschenswert, das Gebiet der DVR so weit wie möglich vom Feind zu säubern, aber als letztes Mittel können die Ergebnisse des Referendums auf den Teil der DVR festgelegt werden, der unter unserer Kontrolle stehen wird.

Wir sollten nicht vergessen, dass in der DVR und der LVR bereits am 11. Mai 2014 Referenden über die Unabhängigkeit von Kiew abgehalten wurden.
Um die Aufgabe zu vereinfachen, können wir sogar auf neue Referenden verzichten und uns auf den Willen der Bewohner des Donbass im Jahr 2014 stützen – die Führung dieser Republiken kann offiziell eine Initiative für den Beitritt zu Russland (oder zum Unionsstaat) vorlegen, die vom russischen Parlament so bald wie möglich ohne Probleme gebilligt wird.
Auf diese Weise würde das zur Priorität der militärischen Spezialoperation erklärte Ziel, die Bewohner des Donbass zu schützen, am besten erfüllt, da dieses Gebiet Teil der Russischen Föderation (oder des Unionsstaates) werden würde.
Danach wird es möglich sein, die Feindseligkeiten schrittweise einzufrieren und alle diplomatischen Anstrengungen zu unternehmen, um eine Vereinbarung mit dem Westen zu erreichen (wir alle verstehen, dass die Ukraine hier die Rolle einer Marionette spielt), die das Ergebnis des Willens der Bewohner des Donbass fixiert.

Offensichtlich fürchtet der Westen einen direkten Zusammenstoß mit Russland, das über ein mächtiges Atomwaffenarsenal verfügt, und muss sich darüber im Klaren sein, dass der Versuch, in den Donbass einzumarschieren, der bereits Teil der Russischen Föderation oder des Unionsstaates sein wird, genau zu einem solchen Zusammenstoß führen wird.
Darüber hinaus werden sich die wirtschaftlichen Probleme in Europa kurz vor dem Winter noch verschärfen, und die Position der Demokraten könnte bei den US-Wahlen ernsthaft geschwächt werden.
Aus all diesen Gründen sind die Chancen auf eine für Russland annehmbare Einigung sehr hoch, und die Präsenz russischer Truppen in anderen Regionen der Ukraine (Cherson, Saporoshje, Charkow, Nikolajew) könnte eines der Hauptthemen der Verhandlungen sein.
Gleichzeitig könnte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, alle Einwohner dieser Oblaste, die dies wünschen, auf russisches Gebiet umzusiedeln.
Die Möglichkeit, UN-Friedenstruppen einzubeziehen, die an der Kontaktlinie eingesetzt werden können, um das Risiko einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu minimieren, kann nicht ausgeschlossen werden.
Gleichzeitig kann die Bevölkerung für einige Zeit so weit wie möglich aus den Grenzgebieten abgezogen werden, um sie vor möglichem Beschuss und Provokationen zu schützen.
Es wird Arbeitsplätze für sie in unserem großen Land geben, und das Großkapital kann in Fragen der Neuansiedlung „unter Druck gesetzt“ werden.

Ja, es besteht ein gewisses Risiko, dass sich der Westen zu einer direkten Konfrontation mit Russland entschließt (ein solches Risiko besteht allerdings immer). Aber dann werden zumindest die Ziele der militärischen Aktionen für uns alle klar sein.
Es wird nicht mehr der militärische Spezialoperation sein, sondern ein neuer Vaterländischer Krieg, wenn unser Volk sich erhebt, um sein Heimatland ohne Zögern gegen Aggressionen zu verteidigen, wie es zu allen Zeiten der Fall war.

Offen gesagt, gibt es derzeit kein ideales Szenario für einen Ausweg aus der „Ukraine-Falle“.
Die oben genannte Option mit Referenden und anschließender Einigung mit dem Westen wird es jedoch, wenn sie erfolgreich umgesetzt wird, ermöglichen, den Willen der Bewohner des Donbass so weit wie möglich durchzusetzen, gleichzeitig aber auch das massenhafte Sterben unseres Militärs und der Zivilbevölkerung zu stoppen, und sie wird es Russland auch ermöglichen, seine Anstrengungen auf die wirtschaftliche Modernisierung und die neue Industrialisierung für eine relativ lange Zeit zu konzentrieren, um den Sanktionsdruck zu überwinden, ein neues Entwicklungsniveau zu erreichen und die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.
Hier haben die links-patriotischen Kräfte Russlands ihre beste Chance, sich zu bewähren. Wenn also ein solches Szenario verwirklicht werden kann, ist das viel besser als eine jahrelange blutige Konfrontation zwischen Russen und Ukrainern sehr zur Freude unserer berechnenden und zynischen westlichen Gegner.

Sergej Udalzow, 19.09.2022
Quelle: Сергей Удальцов: Как России выбраться из «украинского капкана»?
https://www.leftfront.org/?p=44211
Übersetzung: Ditte Gerns

Die Ziele der Linksfront

Unser Ziel ist der Aufbau einer gerechten sozialistischen Gesellschaft.RUS Linksfront

Wir sind überzeugt, dass unser Land eine geeinte, starke, radikale und moderne linke Bewegung braucht.
Die Zunahme der Proteste zeigt, dass die Menschen in Russland, genau wie vor hundert Jahren, nicht bereit sind, Unterdrückung und Missbrauch auf unbestimmte Zeit zu ertragen.

Wir rufen zur Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft auf, die auf einer Kombination von öffentlichem Eigentum und politischer und wirtschaftlicher Demokratie beruht.
Dies wird ein rasches Wachstum von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, einen Durchbruch zur Hochtechnologie und ein grundlegend neues Niveau sozialer Gerechtigkeit gewährleisten.

Wir zählen auf all diejenigen, die die Ansichten der Linken teilen, die eine freie und gerechte Zukunft für sich und ihre Kinder wollen.
Für alle, die noch Mut und ein Gewissen haben. Es gibt genug zu tun für alle!
https://www.leftfront.org/

RUS Sergej Udalzow 1„Das Beunruhigendste an der gegenwärtigen Situation ist die Tatsache, dass das Schicksal Russlands heute von den Entscheidungen jener Menschen abhängt, die aufgrund von Wahlfälschungen an der Macht sind.
Das heißt, die Usurpatoren entscheiden jetzt, ob sie das Land in eine nukleare Katastrophe stürzen wollen oder nicht. Und wir alle werden als Geisel gehalten. ..
Die imperialistischen Ambitionen des Kremls sind der Weg zu einem umfassenden Krieg, der Russland eine Menge Menschenleben kosten wird. Anstelle eines Linksschwenks bewegen sich die russischen Behörden stetig auf eine rechte Diktatur zu.

Sergej Udalzow, 25.9.2022

Für Eure Kommentare hier wäre ich dankbar.

Jochen

Harte neoliberale Politik: Zelensky verkauft die Ukraine buchstäblich an US-Konzerne der Wall Street

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aus der Internationalen Friedensfabrik Wanfried:
https://www.internationale-friedensfabrik-wanfried.org/post/harte-neoliberale-politik-zelensky-verkauft-die-ukraine-buchst%C3%A4blich-an-us-konzerne-der-wall-street

Der vom Westen unterstützte ukrainische Staatschef Wolodymyr Zelensky eröffnete die New Yorker Börse, indem er der Wall Street mitteilte, sein Land sei „offen“ für ausländische Unternehmen, die es mit 400 Milliarden Dollar an Staatsanleihen ausbeuten könnten.
Der US-Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson vergleicht die von der ukrainischen Regierung verhängten neuen arbeitsfeindlichen Notstandsgesetze mit der brutalen neoliberalen Politik, die von der rechtsextremen Pinochet-Diktatur in Chile nach einem von der CIA unterstützten Putsch im Jahr 1973 eingeführt wurde.
„Natürlich wurde er an der Börse begrüßt, weil er die Rechte der Arbeiter abschaffte“, fügte Hudson hinzu. „Es gibt kein deutlicheres Beispiel für einen Klassenkrieg.“

Die Ukraine ist das ärmste Land in Europa – aber Zelensky sagte, sie sei nicht arm genug.
Er sagte: „Wenn Sie glauben, das ist etwas, dann warten Sie, bis unser neues Gesetz in Kraft tritt. Dann werden Sie sehen, was es bedeutet, das ärmste Land in Europa zu sein.“
„Aber es wird auch das reichste Land in Europa für die 1% sein“, schloss Hudson.

Video:
Der vom Westen unterstützte ukrainische Staatschef Wolodymyr Zelensky eröffnete am Morgen des 6. September virtuell die New Yorker Börse und läutete symbolisch per Videostream die Glocke.

Zelensky verkündete, dass sein Land „offen für Geschäfte“ sei, d. h., dass es ausländischen Unternehmen freistehe, in das Land zu kommen und seine reichhaltigen Ressourcen und niedrig bezahlten Arbeitskräfte auszubeuten.

In einer Rede, mit der er das neoliberale Ausverkaufsprogramm Advantage Ukraine einleitete, bot Zelensky der Wall Street „eine Chance für Sie, jetzt in Projekte im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar zu investieren“.

Der Finanznachrichtendienst Business Wire veröffentlichte eine Pressemitteilung der ukrainischen Regierung, in der sich Zelensky rühmte:
Die auf AdvantageUkraine.com vorgestellten Investitionsmöglichkeiten im Wert von mehr als 400 Milliarden Dollar umfassen öffentlich-private Partnerschaften, Privatisierungen und private Unternehmungen. Ein von USAID unterstütztes Projektteam aus Investmentbankern und Forschern, die vom ukrainischen Wirtschaftsministerium ernannt wurden, wird mit Unternehmen zusammenarbeiten, die an Investitionen interessiert sind.

Der Bericht zitiert auch den Präsidenten der NYSE Group, Lynn Martin, mit den Worten:

Als größte Börse der Welt stehen wir für Freiheit, Anlegerschutz und ungehinderten Zugang zu Kapital. Wir freuen uns, Präsident Zelenskyy virtuell auf dem Glockenturm der NYSE begrüßen zu können, der ein Symbol für die Freiheit und die Möglichkeiten ist, die unsere US-Kapitalmärkte auf der ganzen Welt geschaffen haben.
Wir fühlen uns geehrt, dass der Präsident die NYSE gewählt hat, um den Start von Advantage Ukraine zu feiern und sich mit der internationalen Geschäftswelt auszutauschen.

In der Pressemitteilung werden Führungskräfte der US-Unternehmensgiganten Google, Alphabet und Microsoft zitiert, die von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Ukraine schwärmen.
Laut Reuters beauftragte die ukrainische Regierung die britische PR-Firma WPP mit der Durchführung der Marketingmaßnahmen für Advantage Ukraine.

Zelensky koordinierte seinen Werbegag an der New Yorker Börse mit einem Leitartikel im Wall Street Journal, in dem er US-Kapitalisten anflehte, in die Zukunft der Ukraine zu investieren.
„Ich habe meine Regierung dazu verpflichtet, ein günstiges Umfeld für Investitionen zu schaffen, das die Ukraine zur größten Wachstumschance in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs machen würde“, schrieb Zelensky.
Er fuhr fort: Um ein sicheres, transparentes Umfeld für unternehmerisches Engagement zu schaffen, bemüht sich die Ukraine um Investitionsgarantien sowohl von der Gruppe der Sieben als auch von der Europäischen Union, reformiert das Steuersystem des Landes und schafft einen starken neuen Rechtsrahmen.*) Unser Land hat bereits Regeln und Gesetze verabschiedet, die es Unternehmen ermöglichen, transparente Unternehmensstrukturen aufzubauen, ausländische Investitionen leichter anzuziehen und zusätzliche Mechanismen zum Schutz immaterieller Vermögenswerte zu nutzen. Günstige Bedingungen werden es uns ermöglichen, die Ukraine als leistungsstarkes IT-Zentrum zu etablieren und innovative Geschäftsideen schnell und effektiv umzusetzen.

Multipolarista berichtete bereits über ein Treffen westlicher Regierungen und Unternehmen in der Schweiz im Juli, bei dem sie eine harte neoliberale Wirtschaftspolitik planten, die sie der Ukraine aufzwingen wollten.
Die westlichen Teilnehmer veröffentlichten Dokumente, in denen sie dazu aufriefen, Arbeitsgesetze zu kürzen, „Märkte zu öffnen“, Zölle zu senken, Industrien zu deregulieren und „staatliche Unternehmen an private Investoren zu verkaufen“.

In einem Interview mit Multipolarista verglich der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson die von der ukrainischen Regierung verhängten neuen arbeitsfeindlichen Notstandsgesetze mit der brutalen neoliberalen Politik, die von der rechtsextremen Pinochet-Diktatur in Chile nach einem von der CIA unterstützten Putsch im Jahr 1973 eingeführt wurde.

Video: https://www.youtube.com/watch?v=AEZBOaPKWjw&feature=emb_imp_woyt

„Es ist zum Totlachen“, sagte Hudson über Zelenskys Kommentar im Wall Street Journal. „Es ist wie eine Parodie dessen, was ein Sozialist darüber geschrieben hätte, wie der Klassenkrieg von einer faschistischen Regierung in die Tat umgesetzt werden würde.Natürlich wurde er an der Börse begrüßt, weil er die Rechte der Arbeiter abschaffte“, fügte Hudson hinzu.
„Es gibt kein deutlicheres Beispiel für einen Klassenkrieg. Das ist genau das, was [Frankreichs Präsident] Macron sagte, als er vom ‚Ende des Überflusses‘ sprach.
Die ukrainische Arbeiterschaft hat gerade das Ende des Wohlstands auf neoliberale Weise erlebt.
Und wie Herr Zelensky sagte, mag es für die Arbeitskräfte das Ende des Wohlstands sein, aber für Sie als Investoren an der New Yorker Börse wird es ein Glücksfall sein. Kommen Sie rein und feiern Sie mit!
Der Verlust des einen wird zum Gewinn des anderen. Und das ist es, was in einem Klassenkampf passiert. Es ist ein Nullsummenspiel. Es wird überhaupt nicht versucht, den Lebensstandard anzuheben.
Die Ukraine ist das ärmste Land in Europa – aber Zelensky sagte, sie sei nicht arm genug. Er sagte: Wenn Sie glauben, das ist etwas, dann warten Sie, bis unser neues Gesetz in Kraft tritt. Dann werden Sie sehen, was es bedeutet, das ärmste Land in Europa zu sein. Aber es wird auch das reichste Land in Europa für die 1% sein“, schloss Hudson.

Zelensky is literally selling Ukraine to US corporations on Wall Street – Multipolarista

*: Dazu gehört z.B. das skandalöse Gesetz über den Verkauf von landschaftlichen Flächen, siehe hier schon 2020:https://www.anti-spiegel.ru/2020/ukraine-ausverkauf-des-landes-auf-druck-des-iwf/?doing_wp_cron=1663843621.5418179035186767578125
Über Kommentare hier auf meinem Blog würde ich mich freuen.
Jochen

Hochaktuell: Rede als Alterspräsidentin bei der Eröffnung des Reichstags, Clara Zetkin, 30. August 1932

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Von Ulrich:
Auch wenn diese Rede jetzt 90 Jahre alt ist: mit kleinen Korrekturen wäre sie eine hoch aktuelle Rede für den Bundestag.
(Nicht nur) an alle Politiker*innen: aus der Geschichte sollten wir lernen und die gleichen Fehler nicht wiederholen!

Rede als Alterspräsidentin bei der Eröffnung des Reichstags

Clara Zetkin, 30. August 1932

Meine Damen und Herren!

Der Reichstag tritt in einer Situation zusammen, in der die Krise des zusammenbre­chenden Kapitalismus die breitesten werktätigen Massen Deutschlands mit einem Hagel furchtbarster Leiden überschüttet.
Zu den Millionen Arbeitslosen, die mit den Bettelpfennigen der sozialen Unterstützung oder auch ohne sie hungern, werden im Herbst und im Winter neue Millionen stoßen.
Verschärfter Hunger ist auch das Schick­sal aller anderen sozial Hilfsbedürftigen. Die noch Beschäftigten können bei ihrem niedrigen Verdienst die durch die Rationalisierung aufs Äußerste ausgepresste Muskel- und Nervenkraft nicht ersetzen, geschweige denn kulturelle Bedürfnisse befriedigen.
Der weitere Abbau des Tarifrechts und des Schlichtungswesens wird die Entbehrungs­löhne noch tiefer senken. Wachsende Scharen von Handwerkern und Kleingewerbetrei­benden, von Klein- und Mittelbauern versinken verzweifelnd in Elendstiefen.
Der Nie­dergang der Wirtschaft, das Zusammenschrumpfen der Aufwendungen für Kultur­zwecke vernichten die wirtschaftlichen Grundlagen für die Existenz der geistig Schaf­fenden und verengen fortschreitend das Betätigungsfeld für ihre Kenntnisse und Kräf­te.
Der im Osten entfesselte Weltbrand, der vom Westen her kräftig geschürt wird, und dessen Flammenmeer auch die Sowjetunion und ihren sozialistischen Aufbau vertilgen soll, würde auch Deutschland mit Schrecken und Gräueln überhäufen, die das Mord- und Vernichtungswerk des letzten Weltkrieges in den Schatten stellen.

Notverordnungen und imperialistische Gelüste

Die politische Macht hat zur Stunde in Deutschland ein Präsidialkabinett an sich geris­sen, das unter Ausschaltung des Reichstags gebildet wurde und das der Handlanger des vertrusteten Monopolkapitals und des Großagrariertums und dessen treibende Kraft die Reichswehrgeneralität ist.

Trotz der Allmacht des Präsidialkabinetts hat es gegenüber allen innen- und außenpoli­tischen Aufgaben der Stunde gänzlich versagt. Seine Innenpolitik charakterisiert sich genau wie die des vorausgegangenen durch die Notverordnungen, Notverordnungen im ureigensten Sinne des Wortes; denn sie verordnen Not und steigern die schon vorhan­dene Not.
Gleichzeitig zertritt dieses Kabinett die Rechte der Massen, gegen die Not zu kämpfen. Sozial Hilfsbedürftige und Hilfsberechtigte erblickt die Regierung nur in ver­schuldeten Großagrariern, krachenden Industriellen, Bankgewaltigen, Reedern und gewissenlosen Spekulanten und Schiebern. Ihre Steuer-, Zoll- und Handelspolitik nimmt breiten Schichten des schaffenden Volks, um kleine Gruppen von Interessenten zu beschenken, und verschlimmert die Krise durch weitere Einschränkung des Kon­sums, des Imports und Exports.

Ebenso schlägt ihre Außenpolitik den Interessen des schaffenden Volks ins Gesicht. Sie wird geleitet von imperialistischen Gelüsten, bringt Deutschland in ziellosem dilet­tantischem Schwanken zwischen plumper Anbiederung und Säbelrasseln in immer tie­fere Abhängigkeit von den Großmächten des Versailler Vertrags und schädigt die Be­ziehungen zur Sowjetunion, dem Staat, der durch seine ehrliche Friedenspolitik und seinen wirtschaftlichen Aufstieg ein Rückhalt für die deutsche werktätige Bevölkerung ist.

Schwerstens belastet ist das Schuldkonto des Präsidialkabinetts durch die Morde der letzten Wochen, für die es die volle Verantwortung trägt durch die Aufhebung des Uni­formverbots für die nationalsozialistischen Sturmabteilungen und durch die offene Begönnerung der faschistischen Bürgerkriegstruppen.
Vergebens sucht es über seine politische und moralische Schuld hinwegzutäuschen durch Auseinandersetzungen mit ihren Bundesgenossen über die Verteilung der Macht im Staate; das vergossene Blut kittet es für ewig mit den faschistischen Mördern zusammen.

Die Ohnmacht des Reichstags und die Allmacht des Präsidialkabinetts sind der Aus­druck des Verfalls des bürgerlichen Liberalismus, der zwangsläufig den Zusammen­bruch der kapitalistischen Produktionsweise begleitet.
Dieser Verfall wirkt sich auch voll aus in der reformistischen Sozialdemokratie, die sich in Theorie und Praxis auf den morschen Boden der bürgerlichen Gesellschaftsordnung stellt.
Die Politik der Papen-Schleicher-Regierung ist nichts anderes als die unverschleierte Fortsetzung der Politik der von den Sozialdemokraten tolerierten Brüning-Regierung, wie dieser ihrerseits die Koalitionspolitik der Sozialdemokratie als Schrittmacher vorausgegangen ist.

Die Politik des »kleineren Übels« stärkte das Machtbewusstsein der reaktionären Ge­walten und sollte und soll noch das größte aller Übel erzeugen, die Massen an Passivi­tät zu gewöhnen.
Diese sollen darauf verzichten, ihre volle Macht außerhalb des Parla­ments einzusetzen.
Damit wird auch die Bedeutung des Parlaments für den Klassen­kampf des Proletariats gemindert. Wenn heute das Parlament innerhalb bestimmter Grenzen für den Kampf der Werktätigen ausgenutzt werden kann, so nur dann, wenn es seine Stütze hat an kraftvollen Aktionen der Massen außerhalb seiner Mauern.

Ehe der Reichstag Stellung nehmen kann zu Einzelaufgaben der Stunde, muss er seine zentrale Pflicht erkannt und erfüllt haben: Sturz der Reichsregierung, die den Reichs­tag durch Verfassungsbruch vollständig zu beseitigen versucht. Anklagen müsste der Reichstag auch erheben gegen den Reichspräsidenten und die Reichsminister wegen Verfassungsbruchs und noch weiterer geplanter Verfassungsbrüche vor dem Staatsge­richtshof zu Leipzig.
Doch eine Anklage vor dieser hohen Instanz hieße den Teufel bei seiner Großmutter zu verklagen.

Die Kraft des Massenstreiks

Selbstverständlich kann nicht einfach durch Parlamentsbeschluss die Gewalt einer Re­gierung gebrochen werden, die sich stützt auf die Reichswehr und alle anderen Macht­mittel des bürgerlichen Staates, auf den Terror der Faschisten, die Feigheit des bürger­lichen Liberalismus und die Passivität großer Teile der Werktätigen. Der Sturz der Regierung durch den Reichstag kann nur das Signal sein für den Aufmarsch und die Machtentfaltung der breitesten Massen außerhalb des Parlaments, um in dem Kampf das ganze Gewicht der wirtschaftlichen und sozialen Leistung der Schaffenden und auch die Wucht der großen Zahl einzusetzen.

In diesem Kampf gilt es zunächst und vor allem, den Faschismus niederzuringen, der mit Blut und Eisen alle klassenmäßigen Lebensäußerungen der Werktätigen vernichten soll, in der klaren Erkenntnis unserer Feinde, dass die Stärke des Proletariats am aller­wenigsten von Parlamentssitzen abhängt, vielmehr verankert ist in seinen politischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Organisationen.

Belgien zeigt den Werktätigen, dass der Massenstreik sogar in Zeiten größter Wirt­schaftskrise seine Kraft bewährt, vorausgesetzt, dass hinter dem Gebrauch dieser Waf­fe die Entschlossenheit und Opferfreudigkeit der Massen steht, vor keiner Weiterung des Kampfes zurückzuschrecken und die Gewalt der Feinde mit Gewalt zurückzuschla­gen.
Jedoch die außerparlamentarische Machtentfaltung des werktätigen Volkes darf sich nicht auf den Sturz einer verfassungswidrigen Regierung beschränken; sie muss über dieses Augenblicksziel hinaus gerichtet sein auf den Sturz des bürgerlichen Staa­tes und seiner Grundlage, der kapitalistischen Wirtschaft.

Alle Versuche, auf dem Boden der kapitalistischen Wirtschaft die Krise zu mildern, geschweige denn zu beheben, können das Unheil nur verschärfen. Staatliche Eingriffe versagten; denn der bürgerliche Staat hat nicht die Wirtschaft, sondern umgekehrt die kapitalistische Wirtschaft hat den Staat. Als Machtapparat der Besitzenden kann die­ser sich nur zu deren Vorteil einsetzen auf Kosten der produzierenden und konsumie­renden breiten schaffenden Volksmassen. Eine Planwirtschaft auf dem Boden des Ka­pitalismus ist ein Widerspruch in sich. Die Versuche dazu werden immer wieder verei­telt durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln. Planmäßigkeit des Wirtschaf­tens ist nur möglich bei der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmit­teln. Der Weg zur Überwindung wirtschaftlicher Krisen und aller drohenden imperialis­tischen Kriegsgefahren ist einzig und allein die proletarische Revolution, die das Privat­eigentum an den Produktionsmitteln abschafft und damit die Planmäßigkeit des Wirt­schaftens verbürgt.

Der große weltgeschichtliche Beweis dafür ist die russische Revolution. Sie hat gezeigt, dass den Schaffenden die Kraft eigen ist, alle ihre Feinde niederzuwerfen und zusammen mit dem Kapitalismus im eigenen Lande auch die imperialistischen Raubge­walten zurückzuwerfen und Sklavenverträge wie den Versailler Vertrag zu zerreißen.

Der Sowjetstaat erhärtet auch, dass die Werktätigen die Reife besitzen, eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen, in der eine wirtschaftliche Höherentwicklung der Gesellschaft ohne verwüstende Krisen erfolgen kann, weil eben die Ursache der anar­chischen Produktionsweise vernichtet ist, das Privateigentum an den großen Produk­tionsmitteln.

Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen

Der Kampf der werktätigen Massen gegen die zerfleischenden Nöte der Gegenwart ist zugleich der Kampf für ihre volle Befreiung. Er ist ein Kampf gegen den versklavenden und ausbeutenden Kapitalismus und für den erlösenden, den befreienden Sozialismus.
Diesem leuchtenden Ziel muss der Blick der Massen unverrückt zugewandt sein, nicht umnebelt durch Illusionen über die befreiende Demokratie und nicht zurückgeschreckt durch die brutalen Gewalten des Kapitalismus, der seine Rettung durch neues Welt­völkergemetzel und faschistische Bürgerkriegsmorde erstrebt.
Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen, um damit den Versklavten und Ausgebeuteten die Kraft und die Macht ihrer Organisationen zu erhalten, ja sogar ihr physisches Leben. Vor dieser zwingenden geschichtlichen Not­wendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten.
Alle Bedrohten, alle Lei­denden, alle Befreiungssehnsüchtigen in die Einheitsfront gegen den Faschismus und seine Beauftragten in der Regierung!
Die Selbstbehauptung der Werktätigen gegen den Faschismus ist die nächste unerlässliche Voraussetzung für die Einheitsfront im Kamp­fe gegen Krise, imperialistische Kriege und ihre Ursache, die kapitalistische Produk­tionsweise.
Die Auflehnung von Millionen werktätiger Männer und Frauen in Deutsch­land gegen Hunger, Entrechtung, faschistischen Mord und imperialistische Kriege ist ein Ausdruck der unzerstörbaren Schicksalsgemeinschaft der Schaffenden der ganzen Welt. Diese internationale Schicksalsgemeinschaft muss ehern geschmiedete Kamp­fesgemeinschaft der Werktätigen in allen Herrschaftsgebieten des Kapitalismus wer­den, eine Kampfesgemeinschaft, die sie mit den vorausgestürmten befreiten Brüdern und Schwestern in der Sowjetunion verbindet. Streiks und Aufstände in den verschie­densten Ländern sind lodernde Flammenzeichen, die den Kämpfenden in Deutschland zeigen, dass sie nicht alleinstehen.
Überall beginnen die Enterbten und Niedergetrete­nen zur Eroberung der Macht vorzustoßen. In der auch in Deutschland sich formieren­den Einheitsfront der Werktätigen dürfen die Millionen Frauen nicht fehlen, die noch immer Ketten der Geschlechtssklaverei und dadurch härtester Klassensklaverei ausge­liefert sind. In den vordersten Reihen muss die Jugend kämpfen, die freies Emporblü­hen und Ausreifen ihrer Kräfte heischt, aber heute keine andere Aussicht hat als den Kadavergehorsam und die Ausbeutung in den Kolonnen der Arbeitsdienstpflichtigen. In die Einheitsfront gehören auch alle geistig Schaffenden, deren Können und Wollen, den Wohlstand und die Kultur der Gesellschaft zu mehren, heute in der bürgerlichen Ord­nung sich nicht mehr auszuwirken vermag.

In die kämpfende Einheitsfront alle, die als Lohn- und Gehaltsangehörige oder sonst wie Tributpflichtige des Kapitals zugleich Erhalter und Opfer des Kapitalismus sind!

Ich eröffne den Reichstag in Erfüllung meiner Pflicht als Alterspräsidentin und in der Hoffnung, trotz meiner jetzigen Invalidität das Glück zu erleben, als Alterspräsidentin den ersten Rätekongress Sowjetdeutschlands zu eröffnen.

Verhandlungen des Reichstages, VI. Wahlperiode, 1932, Bd. 454, S.1 – 3.

Quelle: Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands.
Eine Auswahl von Materialien und Dokumenten aus den Jahren 1914 – 1946, o.J., S. 330 – 333.

Im Internet: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/zetkin/1932/08/alterspraes.html.

Auch Hörbeispiele aus der Eröffnungssitzung des Reichstags und Clara Zetkins Rede sind im Internet zugänglich, z.B. beim Deutschen Rundfunkarchiv: https://www.dra.de/de/entdecken/der-klang-der-weimarer-zeit/rede-der-alterspraesidentin-clara-zetkin.

Zwischenüberschriften: Mitteilungen-Redaktion.( https://kpf.die-linke.de/mitteilungen/detail/rede-als-alterspraesidentin-bei-der-eroeffnung-des-reichstags/ )

Hervorhebungen von mir. Leider haben SPD und Gewerkschaften damals bei dieser möglicherweise letzten Gelegenheit, die Machtergreifung des Nationalsozialismus zu verhindern, nicht mitgewirkt.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen