Bundesregierung: Von den Taliban zerlegt

Von mir wurde Ulrich Horn bisher selten zitiert, aber hier sehr passend auf alle:
http://post-von-horn.de/2021/08/19/bundesregierung-von-den-taliban-zerlegt/

Auszüge:

Die Taliban waren tüchtig. Ruck zuck scheuchten sie den afghanischen Regierungschef ins Exil, führten die NATO vor und legten die Schwäche der westlichen Demokratien offen. Nebenbei sorgten sie auch dafür, dass sich die Bundesregierung zerlegte. Vor aller Welt wurde deutlich:

Deutschland, die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt, wird nicht von tatkräftigen Politikern regiert, sondern lediglich von engstirnigen Bürokraten verwaltet.

Alles für die Katz

Das Tempo der Taliban brachte das Bundeskabinett ins Schleuderns. Wie sollten seine Mitglieder sich auch vorstellen, dass die Taliban keine Rücksicht auf die deutschen Sommerferien nehmen, auf die hiesige Kultur der politischen Gemütlichkeit und auf jene Prozeduren, mit denen Deutschland sein Zuwanderungsrecht realitätsfern und bedarfsfremd verziert hat?
Zwei Jahrzehnte lang taten deutsche Minister und Abgeordnete beim Thema Afghanistan das, was sie viel zu oft tun: Sie pfuschten herum. Es reisten in dieser Zeit zwar viele Politiker mit Medienbegleitung nach Afghanistan. Doch wer Gesetze schafft, die hierzulande Innovationen und Investitionen behindern, Modernisierung erschweren und Stagnation begünstigen: Wie sollte der auf die Idee kommen, in regelmäßigen Abständen sorgsam zu prüfen, ob der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan seinen Zweck erfüllt?
Es überrascht also nicht, dass sich von heute auf morgen zeigte: Menschenleben und Milliarden – alles war für die Katz. Wenn Minister derzeit von einer Fehleinschätzung sprechen, reden sie in Wirklichkeit von ihrer Naivität und Dummheit. Dass sie afghanische Helfer und ihre Familien zu retten versäumten und sie den Taliban auslieferten, vor denen die Bundeswehr floh, ist moralisch verwerflich und politisch töricht.

Zum Dilettanten erklärt

Wäre die Bundestagswahl nicht nahe und stünden danach nicht Koalitionsgespräche an, wären die Rufe nach Rücktritt lauter. Schlafmützen haben im Bundestag und im Kabinett nichts zu suchen. Den Kandidaten, die den Bundestag demnächst womöglich um ein Drittel vergrößern, sollte klar sein, dass sie nicht gewählt werden, um ihre Altersversorgung zu sichern. Die Bürger erwarten von jedem einzelnen Abgeordneten Leistung und Erfolge.
Wer aus dem Kreis der Afghanistan-Versager des Kabinetts erneut ein Mandat anstrebt, sollte seine Kandidatur überdenken. Was bisher über die Vorgänge im Fall Afghanistan bekannt ist, rückt vor allem Außenminister Maas in schlechtes Licht. Die Botschaft in Kabul warnte ihn schon vor Wochen vor Gefahren. Der Minister reagierte nicht. Maas bezeichnet sein Versagen als „Fehleinschätzung“, der alle am Afghanistan-Einsatz Beteiligten erlegen seien.
Er verteilt die Verantwortung weit, um seinen Anteil an ihr zu minimieren. Im nächsten Kabinett sollte er keinen Platz mehr finden. Man mag auf den türkischen Präsidenten Erdogan nicht viel geben. Doch sein Urteil über Maas bestätigt sich derzeit. Erdogan hält Maas für einen Dilettanten und sprach dieses Urteil 2019 öffentlich aus: „Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen.“ Erdogan sagte, was damals manche dachten und heute viele meinen.

Auf die Füße treten

Als die Bundeswehr vor Wochen ihre Zelte am Hindukusch abbrach und sich Richtung Deutschland verdrückte, hätte sie die vielen afghanischen Helfer und deren Familien mitnehmen müssen. Es wäre vergleichsweise leicht gewesen, sie im ganzen Land einzusammeln, sie nach Kabul zu bringen und von dort auszufliegen. Dass Maas ein solches Angebot ausschlug, zeigt: Dem Mann fehlen Weitsicht, Tatkraft und Entscheidungswillen.
Mit diesen Defiziten steht er im Kabinett nicht allein. Innenminister Seehofer und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hätten ihm und der Kanzlerin auf die Füße treten müssen. Auch Merkel steht dumm da. Hat ihr Kanzleramt die Probleme nicht kommen sehen? Hätte es die Probleme nicht kommen sehen müssen? Hätte es den Ministern nicht Beine machen müssen?
Mit der Pandemie wuchs die Distanz zu den Politikern. Sie sollen ihr Tun und Lassen begründen, verlangen die Bürger. Politikern fällt es zunehmend schwer, ihre Fehler zu beschönigen. Journalisten, die sich als Parteigänger verstehen und ihnen helfen, bringen sich und ihre Medien in Verruf.

Politisch irrelevant geworden

Seit jeher versuchen Politiker, die Medien zu manipulieren, um sich ins Licht zu setzen, dank willfähriger Journalisten oft mit beachtlichem Erfolg. Ein solches Vorgehen wird inzwischen allerdings selbst zum Thema von Berichterstattung. Sie beschädigt das Ansehen, wie Gesundheitsminister Spahn mehrfach zu spüren bekam.
Maas ist nicht der einzige Politiker, der einer Fehleinschätzung zum Opfer fiel. Spahn verharmloste im Frühjahr 2020 die Pandemie. Scheuer hielt seine Mautpläne für rechtmäßig. Seehofer glaubte, er könne der AfD das Wasser abgraben, wenn er sie kopiere. Söder wollte Merkel stürzen, um die CSU zu stärken. Schäuble glaubte, Merz ließe sich als CDU-Chef und Kanzlerkandidat etablieren. Merz glaubte, er wäre in der CDU mehrheitsfähig.
Sie alle lagen falsch. Sie wurden von der Realität überrollt. Spahn, Seehofer, Söder, Schäuble und Merz korrigierten sich klug. Besonders flexibel zeigte sich Schäuble. Er setzte gegen Söder Laschet als Kanzlerkandidaten durch, obwohl er ihn als CDU-Vorsitzenden hatte verhindern wollen. Das Gegenbild zu Schäuble bietet Scheuer. Er beharrt darauf, aus Fehlern nicht zu lernen. Die Folge: Er ist politisch irrelevant geworden.

Eine neue Erfahrung für die Wähler

Zu reden ist auch über Politiker, die sich dumm stellen, ein Indiz dafür, dass sie die Bürger für dumm verkaufen wollen. Finanzminister Scholz prahlt mit seiner Regierungserfahrung und will mit ihr im Wahlkampf punkten. Dabei hat er bei der Aufsicht über die Finanzaufsichtsbehörde Bafin versagt, die den Wirecard-Betrugsskandal geschehen ließ, bei dem auch viele Kleinaktionäre Geld verloren.
Scholz weigerte sich auch, die verfassungswidrig hohen Zinsen auf Steuernachforderungen zu senken. Die Justiz musste ihn zwingen, sich an die Verfassung zu halten. Als seine Verwicklung in den Cum-Ex-Betrugsskandal untersucht wurde, berief er sich oft auf Erinnerungslücken. Dass jemand Bundeskanzler werden will, der für sich politische Demenz reklamiert, ist eine neue Erfahrung für die Wähler in Deutschland.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie reklamierte SPD-Finanzminister Scholz für sich, er habe für genügend Impfstoff gesorgt. Zuvor hatte er CDU-Gesundheitsminister Spahn mit einem Fragenkatalog traktiert, der Auskunft darüber verlangte, warum es beim Start der Impfkampagne Probleme gab. Heute stellt sich die Frage, was Scholz unternahm, um seinen Parteifreund Maas zu bewegen, sich um rechtzeitig um die afghanischen Helfer und ihre Familien zu kümmern, die in der Gefahr stehen, am Hindukusch nicht nur ihre Sicherheit, sondern auch ihr Leben zu verlieren.

Zum Nadelöhr verkümmert

Die Pandemie schärfte den Blick dafür, dass solide Arbeit nicht zu den Stärken aller Politiker zählt. Das Verhalten des Kabinetts in der Afghanistan-Frage und das der Ministerpräsidenten in der Pandemie sind nur die jüngsten Belege politischen Unvermögens. Wohin die Bürger auch schauen, können sie Defizite entdecken, die durch politische Entscheidungen und Versäumnisse entstanden sind und das Leben der Bürger unnötig erschweren.
Der Ausbau der digitalen Infrastruktur hinkt weit hinter dem der Nachbarstaaten her. Auf diesem Gebiet erinnert Deutschland eher an ein Schwellenland als an eine führende Industrienation. Nach wie vor können viele kleine Leistungen der Verwaltung nicht über das Internet erledigen werden, wie das in Nachbarländern schon lange der Fall ist.
Politiker haben als Anlaufstelle zur Bürokratie Bürgerbüros geschaffen. Sie sollen den Zugang der Bürger zur Verwaltung erleichtern. Diesen Zweck haben sie weitgehend verfehlt. Sie sind zum Nadelöhr verkümmert, vor dem sich die Bürger in langen Schlangen stauen, nur um einen Gesprächstermin in ferner Zukunft zu ergattern, wie die Rheinische Post berichtet.

Technisch schlecht ausgestattet

Seit Jahrzehnten erweist sich der Flickenteppich des deutschen Schulsystems als kinder-, eltern- und familienfeindlich. Die Differenzen zwischen den Bundesländern belasten Kinder und Eltern immer noch. Mehrfacher Wohnortwechsel mit Kindern kann für Familien in Deutschland zum Alptraum werden. Alleinerziehende haben es immer noch schwer, berufstätig zu sein, weil Betreuungsplätze fehlen.
Spätestens seit der Pandemie ist den meisten Eltern schulpflichtiger Kinder klar, dass viele Schulen sanierungsbedürftig, technisch schlecht ausgestattet und auch auf den Klimawandel nicht hinreichend ausgerichtet sind.
Bei der Zuwanderung 2015/16 stellte sich heraus, dass Behörden technisch nicht in der Lage waren, die Zuwanderer sachgerecht zu registrieren. Bei der Pandemie zeigte sich, dass viele Gesundheitsämter nicht kooperationsfähig sind, ein Defizit, das den Kampf gegen die Pandemie behindert.

Die Bürger auf Distanz halten

Ist den Politikern klar, dass sich die Bürger fragen, was in Politikerköpfen wohl vor sich geht? Wer versteht schon, dass sich Abgeordnete über Jahre Zeit lassen, um unübersehbare Defizite zu beheben? Es scheint, als legten es Politiker darauf an, die Bürger auf Distanz zu halten. Oft genug sehen sie sich als Störfaktoren behandelt.
Politiker reden wie Ministerialbeamte im Bürokraten- und Juristenjargon, dessen Botschaften sich vielen Bürgern nicht erschließt. Die Politik der Republik leidet an bürokratischer Sklerose. Sie zeigt sich bei jedem Bauprojekt, vom Windrad in Bayern bis zum Berliner Flughafen.
Viele Gesetze und Verordnungen entsprechen eher den Bedürfnissen der öffentlich Bediensteten als denen der Bürger, die außerhalb der Amtsstuben ihr Dasein fristen. Abgeordnete geben in ihren Wahlkreisbüros Audienzen, statt die Bürger aufzusuchen.

Geschäftsgespräche über Menschenleben

Ändern lässt sich dieses Gebaren, wenn die Bürger den Abgeordneten auf die Pelle rücken. Manches Defizit in den Schulen wären sicher rasch behoben, wenn Eltern, Großeltern, Schüler und Lehrer vor die Wahlkreisbüros und die Landtage gezogen wären. Dass Musk beim Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide aufs Tempo drückt, lässt die ganze Republik erbeben.
Nicht alles Unstimmige lässt sich auf diese Weise regeln. Außenminister Maas spricht davon, es würden nun Verhandlungen mit den Taliban geführt, um zurückgelassene Helfer zu retten. Maas beschönigt den Vorgang.
Sein Versäumnis zwingt Deutschland, mit den Taliban Geschäftsgespräche führen. Es wird darum gehen, den Taliban möglichst viele Menschenleben, die Maas leichtfertig aufs Spiel setzte, gegen harte Euro abzukaufen. – Ulrich Horn

Horn bestätigt voll und ganz meine letzte Einschätzung hier:

https://josopon.wordpress.com/2021/08/18/versager-auf-der-ganzen-linie-unsere-regierung-beim-problem-afghanistan-a-muller/

China, Xinjiang und die Uiguren – Ein grüner, deutscher Insider berichtet über seine Reise

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

gestern auf TElepolis https://www.heise.de/tp/features/China-Xinjiang-und-die-Uiguren-6134443.html
Auszüge:
XinjiangJürgen Kurz
, Mitglied der Grünen, ber Reiseerfahrungen in der chinesische Provinz, über die mit Umerziehungslagern und Menschenrechtsverletzungen uigurischer Einwohner Schlagzeilen gemacht wird.

Jürgen Kurz ist mit einer Chinesin verheiratet und lebt seit bald 20 Jahren in China. Ihn hat die seiner Ansicht und Erfahrung nach einseitige Darstellung von China sowie die zunehmend feindselige Haltung westlicher Länder gestört.
Im Mai ist er in die besonders in der Aufmerksamkeit stehende Provinz Xinjiang gereist, aus der seine Frau stammt und die er schon öfter besucht hatte.

Es ging ihm darum zu sehen, ob hier wirklich die China vorgeworfenen systematischen und massiven Menschenrechtsverletzungen, Zwangssterilisierung und Masseninhaftierung uigurischer Einwohner in Umerziehungslagern stattfinden. Hier sollen eine Million Uiguren oder mehr eingesperrt sein. Kurz schrieb darüber einen Reisebericht. (PDF hier: https://www.juergenk.de/resources/Die%20Xinjiang%20Tour.pdf)
Florian Rötzer sprach mit ihm über seine Eindrücke.

Seit einigen Jahren kursieren Bericht ber Xinjiang, dass China dort eine Million Uiguren und mehr seit den Terroranschlägen in Umerziehungslager gesteckt habe.
Sie würden gefoltert, es finde ein Genozid statt, es gebe Zwangsarbeit. Sie haben die Provinz im Mai bereist.
Konnten Sie denn frei und ohne staatliche „Begleitung“ reisen, überall hingehen und besuchen, was Sie wollten?

Jürgen Kurz: In Xinjiang kann jeder überall und zu jeder Zeit hinreisen. Wenn man vor 10 Jahren nach Xinjiang gekommen ist, dann musste man an jedem greren Ort eine Eingangskontrolle durchwandern. Es wurde die Identität festgestellt und mit einer Verdächtigenkartei abgeglichen. Das war nervig, aber die Reise war nie eingeschränkt.
Ich hatte nie das Gefühl, dass mich jemand von irgendetwas abhalten wollte. Bei meiner Reise im Mai ging es mir um die vielfach diskutierten Themen, die den Chinesen vorgeworfen werden.

Das sind vier Kernvorwürfe. Der erste Vorwurf ist ein Genozid, dann geht es um die systematische Vergewaltigung von uigurischen Frauen, die Zwangssterilisierung und die Ausrottung der uigurischen Sprache. In diesem Zusammenhang wird von einer Million Uiguren erzhlt, die in „concentration camps“ festgehalten wrden.

Wenn man den Präsidenten des uigurischen Weltkongresses fragt, wo die Zahl herkommt, dann sagt er: Das stand doch in den Medien. Und wenn man die Medien fragt, dann heißt es, das werde doch überall gesagt. Das ist eine Zahl, die vom Himmel herunterfällt.
Adrian Zenz
ist der Hauptprotagonist, der
diese Zahl einmal in die Welt gesetzt, aber dafür eigentlich keine Basis hat.

Auffällig ist in der Tat, dass es keine Belege dafür gibt. Wenn Sie sagen, dass man vor der Covid-Zeit problemlos in die Provinz einreisen und Erkundungen vornehmen konnte, dann ist dies offenbar nicht geschehen. Waren denn Beobachter dort?

Jürgen Kurz: Doch, da waren viele Vertreter von Ländern da. Es waren meist nur nicht die der westlichen Länder. Es waren westliche Journalisten da, die auch berichtet haben.
Es gab beispielsweise einmal eine Delegation des Bundestages vor zwei oder drei Jahren, die nach Xinjiang reisen sollte.
Sie war bestückt mit Leuten, die bereits „wussten“, dass dort Menschenrechte verletzt werden und es Konzentrationslager gibt. Sie forderten, diese „concentration camps“ besuchen zu können.

Die Chinesen sagten darauf, dass es die nicht gibt. Deswegen könnten sie diese nicht zeigen. Daraufhin gab es eine heftige öffentliche Auseinandersetzung. (Die Delegation ist dann nicht hingereist.) Man muss das in die globale Auseinandersetzung einlagern.

Heute ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. In den Achtzigerjahren war das Land mit einem BIP von 350 Milliarden US-Dollar eine mickrige Nation mit einer Milliarde Menschen und einem BIP pro Kopf von 300 US-Dollar. Heute beträgt das BIP ber 14 Billionen US-Dollar und pro Kopf von mehr als 10.000 US-Dollar.
Das sind also ganz andere Dimensionen. Jetzt wird China zur größten Gefahr für die Vorherrschaft der Amerikaner.

Jeder, der sich mit der Globalpolitik beschftigt, weiß, dass die Amerikaner eine ganz harte Strategie fahren, um den Aufstieg Chinas zu verhindern. China darf nicht stärker und einflussreicher als die USA werden.
Auch Präsident Biden und Außenminister Blinken habe diese Position öffentlich vertreten und werben in Europa dafür, sich anzuschließen, um die Chinesen einhausen zu knnen, damit sie nicht zu stark werden. Dafür nutzt man auch das Menschenrechtsargument.

Die ETIM und die Radikalisierung

Die Menschenrechte werden nicht nur gegenüber China immer mehr als politisches Mittel eingesetzt. Aber mal ganz konkret: Die eine Seite spricht von Umerziehungslagern oder „concentration camps“, die Chinesen sprechen von Ausbildungszentren.
Konnten Sie ein solches Ausbildungszentrum besuchen oder haben Sie mit Leuten gesprochen, die dort waren?

Jürgen Kurz: Ich habe Einblick bekommen. Man muss das prziser beschreiben. Es geht um „Vocational Education Center“. So heit das in China.
Das ist ein Teil der Armutsbekämpfungspolitik.*) In China laufen solche Programme extrem stark ber die Regierung, die Provinzregierung, die Städte und die Kommunen.
Es ist nicht so wie bei uns, dass der freie Markt den Arbeitsmarkt regulieren soll, sondern die Verwaltungen versuchen, systematisch Armutsbekämpfung zu betreiben.

2009 gab es diesen fürchterlichen Anschlag in Urumuqi, wo über 200 Menschen auf den Straßen umgekommen sind. Es gab auf dem Bahnhof in Kunming einen Anschlag, bei dem 20 Menschen getötet wurden. Es gab permanent Anschläge in Xinjiang.
Meine Frau berichtete mir, ihre Mutter habe ihr erzählt, dass in einem Nachbardorf eine Polizeistation in die Luft gejagt wurde, wobei acht Polizisten starben.

Verantwortlich war eine radikale Gruppe namens ETIM (East Turkistan Islamic Movement), für die Ostturkistan im Osten von Xinjiang ein unabhängiges Land ist, das sich von China abtrennen muss. Außerdem sind sie extrem islamistisch, vergleichbar mit den Taliban in Afghanistan.
20.000 Kämpfer der ETIM haben sich dem Islamischen Staat angeschlossen.

Amerikanische Strategen haben gesagt, um China zu destabilisieren, mssen wir ETIM unterstützen. Die USA haben ETIM auch mehrere Jahre lang unterstützt.
Jetzt machen sie dies nicht mehr (2004 wurde ETIM auf die Terrorliste gesetzt, 2020 unter Trump wieder daraus entfernt).
China hat darauf auch sehr clever reagiert und das gar nicht an die große Glocke gehängt.

Die Radikalisierung von Menschen hat stattgefunden. Die dafür am meisten ansprechbaren Menschen sind junge Männer, die keine berufliche Perspektive haben und nicht wissen, was sie machen sollen. Mit diesen Menschen, die einen solchen Weg gegangen sind, kann man sich auch unterhalten, wenn sie älter werden.
Ich habe beispielsweise einen Mann getroffen, der heute ein Internetunternehmer ist und mir sagte, dass ihn seine Freundin und seine Eltern aus dem Extremismus herausgeholt haben.

Seine Eltern sagten ihm, wenn du so weitermachst, bist du nicht mehr unser Sohn. Seine Freundin hatte ihn vor die Entscheidung gestellt: Wenn du so weitermachst, dann haue ich ab, geh zur Schule, zum „Vocational Education Center“. Hier wird Chinesisch und chinesisches Recht gelehrt.

Das klingt komisch, aber es muss Menschen, die unter einem extremistischen Einfluss leben, erklärt werden, was man darf und was man nicht darf. Auch bei uns muss man den Menschen erklären, was Recht ist, was richtig und falsch ist.
Der Mann ist also zur Schule gegangen, das war eine freiwillige Maßnahme. Heute ist er Unternehmer mit 15 Angestellten in Turpan. 2019 wurde dieses Programm geschlossen.

Jobsuche, Ausbildung und Zwangsmanahmen

Zum Hintergrund: Ist Xinjiang eine arme Provinz mit hoher Arbeitslosigkeit gewesen? Wenn in diesen Zentren Chinesisch unterrichtet wird, würde das doch bedeuten, dass die Menschen die Sprache nicht gelernt haben. War da auch die Schulausbildung ungengend?

Jürgen Kurz: Das ist nicht so einfach. Hier kommt auch wieder der Westen herein. Die Uiguren haben eine eigene Kultur und eine eigene Sprache.
In China gibt es den Artikel 4 in der Verfassung, dass jede Ethnie das Recht hat, so zu leben, wie sie will. Ethnische Eigenheiten werden unterstützt.
Niemand hat die Uiguren gezwungen, unbedingt Chinesisch zu lernen. Das hat dazu geführt, nachdem sich China in den letzten Jahrzehnten extrem entwickelt hat, dass die Menschen, die nicht Chinesisch sprachen, ins Hintertreffen geraten sind.

Man kann natürlich in Xinjiang Arbeit finden, aber es ist völliger Quatsch, dass die Uiguren gezwungen wurden, Arbeit in den Kommunen anzunehmen.
Die Uiguren können auch woandershin gehen. Es gibt auch in Shanghai viele Uiguren, die hier Restaurants betreiben.

Aber wenn man keine Ausbildung hat, muss man in diesem Umfeld mit starker Konkurrenz in einer brummenden Wirtschaft erst einmal eine Chance haben, um einen vernünftigen Job zu erhalten. Die Hilfsjobs, die früher vorhanden waren, fallen mehr und mehr weg, weil qualifiziertere Jobs entstehen.
Das war das Problem, viele Menschen fühlten sich abgehngt, wodurch die Radikalisierung verstärkt wurde.

Gingen die Menschen in diese Ausbildungszentren freiwillig hin oder wurden sie dort kaserniert?

Jürgen Kurz: Das konnten sie entscheiden. Soweit ich dies mitbekommen habe, gingen sie morgens dahin und sind abends wieder nach Hause gegangen.
Das sind die freiwilligen Ausbildungszentren. Aber das muss man unterscheiden von den uigurischen Separatisten, die rechtlich in Zwangsmanahmen genommen wurden.

Sie haben auch gearbeitet, wie das bei uns im Knast ist, wo Gefangene auch zur Arbeit bewegt werden. Das kann man als Zwangsarbeit definieren.
Die Freigelassenen haben davon berichtet, was Journalisten im Westen mit Begeisterung aufgenommen haben.

Transparenz: Separatisten?

Um wie viele solcher Separatisten hat es sich denn gehandelt?

Jürgen Kurz: Das ist ein Punkt, an dem ich selbst noch am Suchen bin. Ich habe meine Reise selbst organisiert. Ich habe sie angemeldet, weil ich uigurische Schulen besuchen wollte, um zu sehen, ob die Sprache wirklich ausgerottet wird. Das wird sie nicht.
Ich habe kleine Kinder gesehen, die uigurisch lernen. Ich habe eine Schule besucht, wo nur uigurische Kinder waren.

Aber ich konnte nicht in Gefängnisse gehen und sehen, wie viele Uiguren hier einsitzen. Als westlicher Journalist kann man sich hinstellen und sagen, dass das verheimlicht werden soll, aber wenn man China kennt, wei man, dass die Zuständigkeit der Behörden sehr strikt ist und dass es schwierig ist, von Behörde zu Behörde Transparenz zu finden.

Die Daten htte ich gerne gehabt, ich hoffe, an sie beim nächsten Besuch heranzukommen, ich habe das auch angemahnt. Es wäre sehr wichtig, dass die Weltöffentlichkeit erfährt, um wie viele Fälle es wirklich geht.
Ich gehe schätzungsweise mal von einer Größenordnung von 20.000 Menschen aus, vielleicht auch mehr. 20.000 waren schon beim Islamischen Staat tätig. Aber diejenigen, die China verlassen haben, sind nicht mehr hereingekommen.

… Umsiedlung…?

Es wird auch davon gesprochen, dass China Han-Chinesen in der Provinz ansiedelt, um die Bevölkerungsmehrheit zu ndern. Was ist davon zu halten? Was haben Sie gesehen?

Jürgen Kurz: Die uigurische Bevölkerung wchst seit Jahren, die Geburtenrate ist stärker als die der Han-Chinesen, der Anteil der Uiguren an der Bevölkerung liegt bei 45 Prozent, der der Han-Chinesen bei 40 Prozent, die Hui stellen 7 Prozent und es gibt noch die Kasachen.
Trotzdem gab es in den letzten Jahren einen stärkeren Zuzug von Han-Chinesen nach Xinjiang.

Daraus kann man die Geschichte konstruieren, dass China Menschen umsiedelt. Aber das liegt daran, dass dann, wenn es irgendwo Geld zu verdienen, etwas zu investieren und Arbeit gibt, weil eine Provinz aufgebaut wird, das auch Arbeitskräfte von auswärts anzieht.
Die Uiguren in Xinjiang haben alle Arbeit, es kommen immer mehr Investoren in die Provinz, weil die wissen, dass die Zentralregierung hier Investitionen untersttzt.
Das führt dazu, dass von den 1,4 Milliarden Menschen auch ein paar Hunderttausend Arbeitskräfte zusätzlich nach Xinjiang kamen.
In China kann jeder entscheiden, wohin er zieht. Es ist auch eine Mär, dass die Chinesen dies nicht entscheiden können.

… gesteuertes Programm?

Es ist also kein gesteuertes Programm?

Jürgen Kurz: Ich kann das so als westlicher Journalist framen, wenn ich das so haben will. Das passiert auch permanent.
Aber das widerspricht komplett meinen Beobachtungen und Erfahrungen.

Das Interview erscheint in voller Länge auf Krass und Konkret.

*: Zur Armutsbekämpfung siehe auch hier: https://josopon.wordpress.com/2021/06/23/china-fordert-die-usa-auf-uber-ihre-arbeitsrechtsverletzungen-nachzudenken/

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Heute vor 25 Jahren – der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und seine verfassungswidrige Nichtbeachtung durch bayerische Behörden

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Von meinem Freund und Genossen, dem aufrechten Sozialdemokraten (deshalb ist er in der LINKEn) Heiner Holl

heiner2020 05 01

Am 1.Mai 2020 wie immer aktiv

a propos, heute ist der Tag, an dem vor genau 25 Jahren das BVerfG es endlich wagte, seinen Beschluß, nicht Urteil, zum „Kruzifix“ in Schulen vom 16.5.95 zu veröffentlichen.
Es brauchte kein Urteil, weil das GG nach Meinung des BVerfG klar genug sagt, daß religiöse Symbole in Klassenzimmern staatlicher Schulen nichts verloren haben (der Text + Begründung des Beschlusses ist eine seeeeehr lesenswerte Lektüre, steht natürlich im Internet, will nur keiner lesen).
Shitstorm ist eine milde Untertreibung für das, was sich anschließend – ohne Internet, gabs praktisch noch gar nicht – über das Gericht monatelang ergoß.
Der Termin der Veröffentlichung wurde offenbar gewählt, weil am 10.8.95 sich die Bayern seit knapp zwei Wochen in den Sommerferien befanden und die Hoffnung bestand, daß bis zur Wiederöffnung der Schulen Mitte September der sehr wohl erwartete Zorn der Fundamentalisten verraucht sein könnte, die Kreuze und Kruzifixe verfassungsgemäß abgenommen und wieder Friede eingekehrt sei – ganz knapp daneben: z.B. der damalige bay. MP Stoiber … verstieg sich zu Aussagen, die Richter hätten nicht verfassungsgemäß entschieden; so gut wie alles, was sich „christlich“ schimpfte, zeigte sein wahres Gesicht und wütete ungebremst.

Ich war es, der einen Verwaltungsgerichtsprozeß anstrengte gegen die Regierung von Bayern, um diese vorzuführen.
Der Schlagobers war, daß der pensionsreife Richter am VG Augsburg in der Verhandlung sagte: “ Ach Herr Holl, Sie argumentieren immer mit der Verfassung, dem Grundgesetz der BRD, der Kruzifix-Beschluß des BVerG ist halt die Meinung der Karlsruher Kollegen, wir in Bayern haben da andere Ansichten“ (natürlich nicht wörtlich, aber genau in diesem Sinne und sehr deutlich auch für die damals anwesenden mindestens 4 Medien-Mannschaften, die noch nicht mal merkten, was dieser Hirni da gerade abgesondert hatte).
Ich selbst ging auch durch einen monatelangen Shitstorm von „christlicher“ Seite, nation-wide, mit voller Namensnennung auch in sog. seriösen Zeitungen und gespickt mit Halbwahrheiten und Lügen. Dem Volk hats gefallen.
Meine Kollegen und mein Schulleiter konnten meine Haltung durchaus nachvollziehen, selbst hat so gut wie kein einziger Lehrer in Bayern gewagt, gegen den Stachel zu löcken.
DAS ist die Verfassungsrealität in diesem Lande, das ist die Qualität unserer Demokratie, damit dus weißt.
Natürlich hat der bay. Landtag dann beschlossen, daß die Kreuze wieder aufgehängt werden müssen, außer irgendjemand mault.
Gegen diesen Verfassungsbruch hat bisher niemand gewagt zu klagen, nur gaaaaanz selten hat mal jemand gemotzt, das Kreuz in dem betreffenden Klassenzimmer kam runter, sooo schaugts aus, und das ist nur ein Beispiel.
Wir können uns drauf einstellen, daß z.B. nach der jetzt zu erwartenden Extrem-Welt-Wirtschaftskrise die Hitlers wieder fröhliche Auferstehung feiern, die Orbáns sind das Wetterleuchten dazu…………

Gruß h

Jochen

Antideutsche Propagandatruppe „Ruhrbarone“ starten Hetzkampagne gegen israelische Menschenrechtsanwältin

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

paul findleydie israel lobby

Man möchte es kaum glauben: die Betreiber dieses Internetportals sind keine Idioten, sondern ehrpusselige Journalisten.
Man sieht jetzt, wozu diese neue Antisemitismusdefinition der IHRA taugt, die Antisemitismus als eine „Wahrnehmungsstörung“ diagnostiziert. **) Das ist so einerseits völlig subjektiv und unwiderlegbar auf jede beliebige Kritik am Staate Israel anwendbar, taugt andererseits gerade wegen dieser Beliebigkeit gut zur Verschleierung wirklich faschistischer Tendenzen.

Mich erreichte die Nachricht über die des Antisemitismus unverdächtige Friedensbewegung. Was also war geschehen ?
Zur Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin am 11. Januar 2020 war neben vielen anderen auch die israelische Menschenrechtsanwältin Lea Tsemel eingeladen, um einen Vortrag „Über die politische Situation in Israel und den palästinensischen Widerstand in Palästina“ zu halten.
Sie ist mit ihren 74 Jahren tagtäglich unermüdlich im Einsatz. Seit 50 Jahren kämpft Lea Tsemel für mehr Gerechtigkeit und für mehr Gleichheit der palästinensischen Minderheit.
Als Menschenrechtsanwältin tritt sie für die Wahrung der Unschuldsvermutung und gegen eine systematische Vorverurteilung ein.
Tsemel verteidigt politische Gefangene, Feministinnen und Fundamentalisten, friedliche Demonstranten und bewaffnete Militante.
Und sie wagt sich an die schwierigsten Fälle: Sie vertritt Kinder, die durch Diskriminierung radikalisiert, von Opfern zu Tätern werden.
Sie sei die Anwältin, die immer verliert, sagt Lea Tsemel ohne jede Bitterkeit von sich, und macht trotzdem immer weiter in ihrem unbeirrbaren Glauben an Gerechtigkeit, trotz harscher Kritik seitens der Presse und der Öffentlichkeit.
Ein Dokumentarfilm der ARD „Lea Tsemel, Anwältin“ schildert ihre Arbeit: Palästinenser suchen rechtlichen Beistand bei ihr. Hinterbliebene von Terroropfern in Israel kritisieren sie dagegen scharf. Und die israelische Regierung wirft ihr vor, dass sie den Staat Israel zerstören möchte. Ebenso umstritten wie Tsemel selbst ist der Film über sie. Als er dieses Jahr den Preis des Docaviv-Festivals gewann, hat der israelische Kulturminister das Festival aufgefordert, die Preisverleihung auszusetzen.

Wer das Buch „Die Israel-Lobby“ von Paul Findley gelesen hat, kann aus dem dort für die USA beschriebenen Manipulationssystem auch auf das koloniale Deutschland schließen *). Näheres dazu auch hier: https://deutsch.rt.com/meinung/90413-israels-einfluss-auf-deutsche-politik/

Die Rosa-Luxemburg-Konferenz wird im Hotel Mercure stattfinden. An die Leitung dieses Hiotels adressiert eine Initiative „Mündigkeit durch Bildung“, vermittelt durch die o.g. Ruhrbarone, ein Schreiben folgenden Inhalts:

Lea Tsemel ist seit langer Zeit dafür bekannt, sämtliche gegen israelische Staatsbürger verübte Mordanschläge und Attentate zu legitimieren.
Der Anwältin, die schon in der am 10.07.2019 von der ARD gesendeten Dokumentation mit dem Titel „Lea Tsemel, Anwältin“ ein Format fand, die Dämonisierung und Delegitimierung Israels – bspw. durch Vergleiche des israelischen Staates mit dem NS-Regime, palästinensischen Flüchtlingslagern mit deutschen Vernichtungslagern oder Gaza mit dem Warschauer Ghetto – voranzutreiben, darf in der Berliner Stadtgesellschaft, die sich Freiheit und Toleranz auf die Fahnen schreibt, keine Plattform geboten werden.
Tsemel verteidigte unter anderem den Terrorist Salah Hamouri, der wegen der Planung eines Mordanschlags auf den Rabbi Ovadia Yosef und seiner Mitgliedschaft in der paramilitärischen antizionistischen „Popular Front of the Liberation of Palestine“ verurteilt wurde.
Die PFLP führte mehrfach Flugzeugentführungen, bewaffnete Angriffe und Terrorakte auf israelisches Gebiet durch und wird deswegen von der Europäischen Union als terroristische Gruppierung eingestuft.

Setzt man die Erkenntnisse über Tsemel mit dieser Definition ins Verhältnis, zeigt sich eindeutig, dass Tsemel keine „Friedensaktivistin“ respektive Menschenrechtsaktivistin ist, sondern selbst ein geschlossenes antisemitisches Weltbild vertritt.
Tsemel setzt mit ihrer unkritischen Verteidigung palästinensischer Terroristen und Organisationen dieses Weltbild in die politische Praxis um und bietet Antisemiten einen Aktionsraum.

Aufgrund dieser Erkenntnisse über Tsemel fordere ich Sie auf, die Rosa- Luxemburg-Konferenz nicht in dieser Form stattfinden zu lassen und Kontakt mit den Veranstaltern aufzunehmen.

Mit anderen Worten, die Frau Tsemel kommt ihrer Aufgabe als Strafverteidigerin in einem Apardheitsstaat eifrig nach.
Die „durch Bildung mündig Gewordenen“ verwechseln ihre Arbeit als Anwältin mit den Taten der anklagten Mandanten, setzen diese jener gleich!

Eine enge Freundin schreibt dazu:
Lea ist seit langen Jahren eine enge Freundin und das alles ist die schlimmste Verleumdung, die mir je untergekommen ist! Unglaublich.
Wer sind diese unsaeglichen Typen, die sich anmassen, Lea so in den Dreck zu ziehen? Was koennen wir gegen diese Typen machen?
Lea war und ist unsere Rechtsanwaeltin und Freundin. Sie hat meinen Mann mehrmals verteidigt, nicht weil er Terrorist ist, sondern weil er wegen seiner politischen Lieder im Gefaengnis war (Administrativhaft, keine Anklage) und in der ersten Intifada, als er Lieder zur Intifada machte, nicht mehr, nicht weniger!!!

Lea kaempft fuer Gerechtigkeit und gegen jede Art von Rassismus, immer und unermuedlich.

Lasst mich bitte wissen, was wir von hier aus tun koennen.

Entsetzte Gruesse aus Jerusalem

Meine Antwort: Die Journalisten, die solche Schmutzkampagnen betreiben, verdienen offensichtlich ihre Existenz oder Karriere damit, dafür gibt es jede Menge gut bestückte „Stiftungen“ des Staates Israel und „befreundeter Organisationen“.
Wetten, dass viele davon auch in der „Atlantik-Brücke“ sind und zu den Bilderberger-Konferenzen eingeladen werden?
Andernorts habe ich diese Journerilla auch schon als Mietmäuler bezeichnet.

Schock-Strategie_Naomi_KleinUnd was wir dagegen machen können: Aufdecken und aufklären, selbst wenn uns dann Isolationsfolter droht wie Julian Assange.

Im Aalener Lesekreis nehmen wir jetzt Naomi Klein, Die Schockstrategie durch. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus.
Da wird schon 2007 beschrieben, wie Israel sich zu einer korrupten Militärdikatatur entwickelt.
*: Siehe hierzu Dr. Muriel Asseburg, Senior Fellow in der SWP-Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika:
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A61_ass.pdf
Israel nimmt seit jeher für sich in Anspruch, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein. Allerdings dominieren in der aktuellen Regierungskoalition aus rechten, ultraorthodoxen und nationalreligiösen Parteien Kräfte, die illiberale Positionen vertreten und die jüdische Dominanz im gesamten »Eretz Israel« (also in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten) akzentuieren wollen.
Demgemäß bemüht sich die Regierung erstens, die jüdischen Elemente im Selbstverständnis Israels noch stärker zu gewichten als bislang.
Zweitens treibt sie die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und deren De-facto-Annexion voran.
Drittens engt sie die Spielräume für Israels Zivilgesellschaft und Opposition zunehmend ein.
Deutschland und die EU sollten gegenüber Israel auf die Durchsetzung internationalen Rechts, eine Verbesserung der Menschenrechtslage und die Bewahrung von Handlungsräumen für die Zivilgesellschaft hinwirken. Dabei sollte die Achtung menschen- und völkerrechtlich verbriefter Rechte einer Konfliktregelung nicht länger nachgeordnet werden.

Dem kann ich nur beipflichten. Auch nach wiederholten Wahlen wird sich an der zusammensetzung der Regierung nichtviel ändern. Und unser Strichmännchen von Außenminister hat nicht das Format, in Israel auf irgendetwas hinzuwirken, das würde nicht mal unsere Angela schaffen.

**: Zur IHRA-Definition folgende Hintergrundinformation von Prof.Dr.Rolf Verleger:

Gegen die Definition per se ist gar nicht so viel einzuwenden, außer dass sie unpräzise und zu weit gefasst ist.
Pragmatisch war das bei ihrer Einführung völlig in Ordnung.
Diese fehlende Präzision und weite Reichweite war volle Absicht ihres Entwicklers, Kenneth Stern. Das war der Sinn dieses Textes als „Arbeitsdefinition“: Stern wollte damit der Polizei in der EU ein Raster an die Hand geben, welche Ordnungswidrigkeiten und Straftaten antisemitisch sein könnten, daher bewusst weit gefasst.
Dass nun diese weitgefasste Definition und besonders ihre Anwendungsbeispiele zu Israel weltweit zur Einschränkung der Redefreiheit über Israels Politik benutzt werden, registriert Kenneth Stern mit Erschütterung und Protest, s. aktuell [1] oder ausführlicher [2].

Als Begriffsdefinition ist die IHRA-Arbeitsdefinition, wie gesagt, ungenau und schwammig. (S. die detaillierte Kritik in Peter Ulrichs Gutachten [3] sowie die kürzeren Kritiken meiner Petitions-Mitinitiatoren Georg Meggle und Norman Paech [4,5]). Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie über einige scheinbar beliebig zusammengestellte Beispiele auch Opposition gegen Israels Politik, Parteinahme für die Palästinenser und selbst eine auf Frieden und Ausgleich des Konflikts setzende Haltung unter den Generalverdacht von Antisemitismus stellt (selbst gegenüber jüdischen Menschen [6,7,8]) und damit in den Augen ihrer Befürworter schon jetzt Redeverbote rechtfertigt ([6,7,8,9]).
In Wirklichkeit kann man selbstverständlich Antisemitismus sehr präzise und umfassend definieren [hier von Georg Meggle: 10], wenngleich für sein tatsächliches Vorliegen immer differenzierte Überlegungen angebracht sind statt der heute verbreiteten Schnellschüsse [11].

Ganz generell gefährdet das durch die Propagierung der IHRA-Definition von der Politik erzeugte Klima die grundgesetzlich verbürgte Meinungs- und Versammlungsfreiheit. (S. Urteile des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg und des Verwaltungsgerichts Köln, [12,13].) Speziell an den Hochschulen kann sich daraus eine Gefährdung der Freiheit von Forschung und Lehre und des freien Diskurses entwickeln.

An dieser gutgemeinten Entschließung der HRK zeigt sich in beklagenswerter Deutlichkeit: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Man kann Antisemitismus nicht dadurch bekämpfen, dass man zu offensichtlichen Ungerechtigkeiten – den Menschenrechtsverletzungen durch Israels Politik – Redeverbot erteilt.
Schon gar nichts hat das mit Bekämpfung des Sympathisantenfelds des Attentäters von Halle zu tun. Man vergleiche den Furor, mit dem in Deutschland auf allen Ebenen und besonders von „Antisemitismusbeauftragten“ die gewaltlose palästinensische Widerstandsbewegung BDS (Boycott, Divestments, Sanctions gegen Israel) bekämpft wird, mit dem bleiernen Schweigen zu den ideologischen Stichwortgebern für den Attentäter von Halle. Dieser begründete seine Gewaltaktion gegen Juden bekanntlich damit, dass „die Juden“ unter Führung von George Soros das Abendland mit muslimischer Einwanderung und Frauenemanzipation zersetzen wollten. Diese Argumentationsfigur gegen Soros stammt von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und wurde auch von Donald Trump schon benutzt. Ich war zufällig im Juli 2017 in Budapest und sah zu meinem Entsetzen die U-Bahnen vollgepflastert mit von Orban in Auftrag gegebenen Plakaten mit Porträts eines grinsenden George Soros, darunter auf ungarisch „Lasst es nicht zu, dass er als letzter lacht“. Der Attentäter von Halle hielt sich daran …

Mit besten Grüßen
Rolf Verleger

Referenzen:
[1] www.theguardian.com/commentisfree/2019/dec/13/antisemitism-executive-order-trump-chilling-effect?CMP=share_btn_fb
[2] docs.house.gov/meetings/JU/JU00/20171107/106610/HHRG-115-JU00-Wstate-SternK-20171107.pdf
[3] www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/rls_papers/Papers_2-2019_Antisemitismus.pdf
[4] www.heise.de/tp/features/Grundrecht-auf-freie-Meinungsaeusserung-und-Rede-ist-bedroht-4602337.html
[5] www.heise.de/tp/features/Sprachregelung-fuer-unsere-Unis-Einspruch-4598877.html
[6] www.heise.de/tp/features/Beschluss-der-HRK-zur-IHRA-Definition-von-Antisemitismus-4602268.html
[7] www.jrbernstein.de/blog-1/2019/10/20/meinungsfreiheit-oder-zensur
[8] bibjetzt.wordpress.com/2019/09/28/bip-aktuell-87-muenchner-gesinnungsschnueffelei/
[9] www.rolf-verleger.de/wp-content/uploads/2019/11/Brief-an-Flugblattverfasser.pdf
[10] www.heise.de/tp/features/Genau-wann-bin-ich-Antisemit-4547202.html
[11] www.jmberlin.de/sites/default/files/antisemitism-in-europe-today_2-klug.pdf
[12] www.lebenshaus-alb.de/magazin/012513.html
[13] www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE190001146&st=null&showdoccase=1

Jochen

Wie deutsche Bischöfe und katholische Laien die Entschädigung ihrer Missbrauchsopfer hintertreiben

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Einer meiner Patienten ist selbst Opfer – von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit, von bürokratischer Verschwörung und parteiischen Gutachtern heute.
Hier wird es beschrieben:
https://www.fr.de/kultur/kirche-missbrauch-deutsche-bischoefe-katholische-laien-entschaedigung-opfern-hintertreiben-13284905.html
Auszüge:

Eckiger_TischDie katholische Kirche geht bei der Entschädigung von Missbrauchsopfern alles andere als seriös vor.
Kirchenrechtler Norbert Lüdecke klärt auf.

Der 2010 von der Bundesregierung einberufene Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ hatte in seinem Abschlussbericht die Einrichtung eines Hilfesystems gefordert.
Deutsche_Bischofskonferenz2011 führten die Deutsche Bischofskonferenz daraufhin beim Büro für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich die „Zentrale Koordinierungsstelle“ (ZKS) mit dem Verfahren für Leistungen in Anerkennung des Betroffenen zugefügten Leids ein. Die ZKS spricht seither auf Antrag und nach einer Plausibilitätsprüfung Empfehlungen an die Diözesen und Ordensgemeinschaften aus für materielle Leistungen zwischen 1000 Euro und 15.000 Euro.

267902142-zebra-happy-lack-nice-55jd99g1-e10a479ece0e.jpgKirche und Missbrauch: Kritik am Verfahren

Das Verfahren hat Kritik auf sich gezogen. Schon die vielfache kirchliche Sprechweise vom „Glauben Schenken“ zeigt Reste von Gönnerhaftigkeit.
Betroffene wissen zudem nicht, wer die Anträge sieht, wer über sie berät und die Empfehlungen beschließt, denn die ZKS-Mitglieder werden geheim gehalten – auf Nachfrage geben selbst Bischöfe und Missbrauchsbeauftragte an, sie nicht zu kennen.
Es heißt, dies geschehe „u. a.“ zum Schutz der Mitglieder und sei zum Teil auch von diesen selbst so gewünscht.

Was sie zu befürchten hätten und welche anderen Gründe es für die Geheimhaltung noch geben könnte, ist nicht nachvollziehbar.
Hinzu kommt: Die Höhe der Leistungen wird von vielen als unangemessen empfunden, und die Praxis ihrer Gewährung durch die Diözesen und Ordensgemeinschaften ist sehr unterschiedlich.
Ein gemeinsames verbindliches Vorgehen gibt es nicht. Transparenz und Unabhängigkeit sehen anders aus.

Kirch und Missbrauch: Experten empfehlen Wechsel zu Schmerzensgeld

Mitte 2019 beauftragte die Deutsche Bischofskonferenz eine Arbeitsgruppe, Grundsätze für eine Überarbeitung des Verfahrens vorzulegen. Von Betroffenenseite gehörte ihr Matthias Katsch als Sprecher und Geschäftsführer der Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ an.
Als Ergebnis wurden von Bischof Stephan Ackermann (Trier) auf der Vollversammlung der Bischofskonferenz Ende September 2019 „Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids“ vorgestellt.
Eine Empfehlung war, Schmerzensgeld oder eine Entschädigung zu zahlen als „Ausdruck einer Haltung kirchlicher Verantwortungsträger…, die individuelles oder institutionelles Versagen beim Umgang mit Tätern und Opfern anerkennt und Verantwortung für die Folgen von Schuld und Versagen übernimmt“.

Über eine Grundentschädigung in Höhe von 10.000 Euro hinaus sollten künftig entweder pauschal 300.000 Euro oder gestuft z. B. zwischen 40.000 Euro und 400.000 Euro gezahlt werden.
Ein entsprechender Fonds könne grundsätzlich auch aus Kirchensteuermitteln, solle aber vorrangig aus anderen kirchlichen Quellen finanziert werden, unter anderem aus Mitteln der Bischöflichen Stühle.
Dabei sollte „außer Streit stehen, dass der Einwand, es fehle an Geld, nicht überzeugen kann und die Glaubwürdigkeit aller Versuche, Verantwortung für die Folgen von Schuld und Versagen zu übernehmen, von vornherein in Frage stellt.“

Kirche und Missbrauch: Eindruck eines veritablen episkopalen Coups

Soweit die Vorgeschichte. Und nun folgt ein zum Teil auf Videos nachvollziehbares Szenario, das den Eindruck eines veritablen episkopalen Coups erwecken kann: Es beginnt mit kurzen Stellungnahmen vor der Presse am 25. September: Bischof Stephan Ackermann äußert sich wortreich, allerdings vor allem zur Vorgeschichte.
Den von Katsch zuvor betonten Wechsel von der Leidanerkennung zur Verantwortungsübernahme durch Entschädigungen würdigt der Bischof als wichtige „begriffliche Unterscheidung“, um dann im Folgenden die Ausdrücke „Entschädigung“ oder „Schmerzensgeld“ bis auf eine Ausnahme nicht über die Lippen zu bekommen.

Trotz der Warnung der Arbeitsgruppe und vor aller weiteren Befassung mit den Empfehlungen verkneift er sich den Hinweis nicht, alles müsse von Bistümern und Orden auch leistbar sein.
Auf die lange Bank geschoben werde jedoch nichts, die weiteren Fragen seien zügig zu klären.

Kirche und Entschädigungen: Scheindebatten über Kirchensteuer

Sprach’s und lässt dann am 10. November wissen, die Entschädigungsleistungen seien von der Solidargemeinschaft, also aus Kirchensteuermitteln aufzubringen. Davor hatte der Jesuitenpater Klaus Mertes zuvor bereits gewarnt.
Ackermann riskiert später sogar – ob absichtsvoll oder nicht und mit anschließender Entschuldigung – den provokanten Vergleich, für Andi Scheuers Autobahnen müssten ja auch alle zahlen.

Die vorhersehbare Reaktion tritt prompt ein: Statt das Entschädigungsverfahren zügig zu konzipieren, wird eine Kirchensteuerdebatte bei den Laien induziert, werden diese gegen die Missbrauchsbetroffenen ausgespielt.
Und die Laien machen reflexartig mit: Sofort warnt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, vor der Empörung der Gläubigen und nutzt die Gelegenheit für den weitergehenden Hinweis, die Kirche habe nicht beliebige Mittel für Entschädigungen, die in Europa in dieser Höhe noch nie gezahlt worden seien.
Gleich danach legt die Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel auf der ZdK-Vollversammlung nach: Zu befürchten sei eine schwere Akzeptanzkrise der Kirchensteuer und eine weitere Austrittswelle. Auch sie fügt gleich hinzu, die Kirche müsse ihre vielfältigen Aufgaben schließlich weiterhin wahrnehmen können.

Für klerikale Missbrauchstäter gelten bis heute keine konkreten Sanktionen

Das ist eine interessante Güterabwägung: Nicht Kirchensteuermittel nur nachrangig einsetzen, wenn andere Ressourcen möglicherweise nicht ausreichen, sondern von vorneherein gar nicht, weil sonst das Kirchensteuersystem leiden könnte. Laien wissen, wie wichtig den katholischen Hierarchen die Kirchensteuer ist. Sie haben ja erlebt, wie die Bischöfe in seltener Einigkeit und bemerkenswert hartnäckiger Geheimdiplomatie der Römischen Kurie die Kompetenz abgerungen haben, den staatlich erklärten Kirchenaustritt gesetzlich zu sanktionieren: Seit 2012 zieht jeder „Kirchenaustritt“ – übrigens auch der von Missbrauchsopfern – kirchenrechtlich automatisch die fast völlige Entrechtung nach sich.
Gemessen an der Sanktionsdrohung, zählt er damit in der Kirche zu den sehr schweren Verfehlungen.
Für klerikale Missbrauchstäter gelten hingegen bis heute keine konkreten Sanktionen und schon gar nicht solche, die mit der Tat eintreten.

Aber die Laien, die hier die Kirchensteuer verteidigen, sind ja mit den Bischöfen zurzeit auf dem „Synodalen Weg“ und zwar erklärtermaßen „in kirchlichem Sinn“, das heißt im klassischen Verständnis in jener Haltung, die Entscheidungen der kirchlichen Autorität grundsätzlich mehr zutraut als dem eigenen Urteil.
Claudia Lücking-Michel geht noch weiter: Bei der Frage der Entschädigung müsse eine Lösung gefunden werden, die auf Dauer von beiden Kirchen in Deutschland gemeinsam vertreten werden kann. Sie äußert dies im erklärten Wissen darum, dass die EKD sich gerade erst gegen eine Entschädigungslösung ausgesprochen hat.
Also auch katholisch: Entschädigung ade? Der Kölner Kardinal Rainer Woelki hatte erst unlängst den größer werdenden sozialethischen Dissens zu den evangelischen Gemeinschaften beklagt. Bahnt sich hier also eine neue ökumenische Annäherung an?

Kirche und Missbrauch: Katholische Bischöfe und die Übernahme von Verantwortung

Aus welchem Grund sollten sich katholische Bischöfe sonst für die Übernahme ihrer Verantwortung für Missbrauch in der Kirche daran orientieren, ob, wann und wie dasselbe in einer anderen kirchlichen Gemeinschaft geschieht?
Aber es geht noch weiter.

Auf derselben ZdK-Vollversammlung im November 2019 meldet sich der Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße, zu Wort. Er ist seit 2016 Geistlicher Assistent des ZdK, das heißt er berät es in geistlichen und theologischen Fragen und hält in besonderer Weise den Kontakt zur Deutschen Bischofskonferenz.
Heße weitet den Horizont nochmals. Man müsse nicht nur ökumenisch abgestimmt vorgehen, sondern sich im Miteinander mit anderen betroffenen gesellschaftlichen Gruppen verständigen. Gerechtigkeit sei hier nur gesamtgesellschaftlich zu erreichen: „Denn es kann ja nicht sein, dass irgendein Mensch, der betroffen ist, deswegen mehr bekommt, weil es im Kontext Kirche geschehen ist, und wenn es im Sportverein geschehen wäre, dann bekommt er halt weniger.“

Kirche und der Missbrauchsskandal: Sexualstraftäter in Seelsorge eingesetzt

Man braucht einen Moment, um sich klar zu machen, was der Erzbischof hier vertritt: Der ehemalige Personalchef des Erzbistums Köln, während dessen Amtszeit ein staatlich verurteilter Priester-Sexualstraftäter weiter in der Seelsorge eingesetzt war, bevor er erneut in ein Nachbarbistum abgeschoben wurde (diesmal nach Essen), stellt sich als „geistlicher“ Assistent vor das versammelte ZdK hin und erklärt: Gerecht sei es nur, wenn die Kirche Bedürftigen nicht mehr zukommen lasse als den kleinsten Nenner, auf den man sich gesamtgesellschaftlich einigen kann.

Da ist sie wieder, die Einebnung des kirchlichen Missbrauchsskandals in ein gesamtgesellschaftliches Problem: Sicher schlimm, aber die anderen sind ja genauso, wenn nicht sogar schlimmer.
Von Anfang an, seit es der katholischen Kirche schnell gelungen war, einen zunächst nach dem Vorbild anderer Länder angeregten eigenen Runden Tisch zur Aufarbeitung des Missbrauchs durch Kleriker und damit eine längerfristige Fokussierung auf den sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen zu verhindern, wird die institutionsspezifische Perspektive immer wieder weggeblendet oder durch Äußerungen wie die von Heße überblendet oder unterlaufen.

Kirche und Missbrauch: Man hofft, jemand möge laut „How dare you?“ rufen

Schon der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, glaubte zu wissen: „Sexueller Missbrauch von Kindern ist kein spezifisches Problem der katholischen Kirche“.
Kollateral entlarvend zeigt dieses Gerechtigkeitsverständnis zudem, wie weit es her ist mit dem besonderen Profil des Sozialträgers katholische Kirche, das an anderer Stelle ja dazu dient, ein eigenes Arbeitsrecht zu rechtfertigen.
Als Beobachter von Heßes Wortmeldung hofft man, jemand möge laut „How dare you?“ rufen, stattdessen hört man Applaus im ZdK.
Noch am Rande der Versammlung sekundiert die Vizepräsidentin Karin Kortmann zudem mit dem Hinweis, ein kirchlicher Alleingang drohe Opfer erster und zweiter Klasse zu schaffen.
Soll das heißen: Da schaffen wir doch lieber alle gemeinsam nur Opfer dritter Klasse?

Worauf es hinausläuft, zeigen anschaulich zwei weitere Stellungnahmen: Der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Rottenburg-Stuttgart beschließt: „… einen Alleingang der katholischen Kirche [darf es] nicht geben. Vielmehr muss in einem geregelten Verfahren eine zügige Abstimmung mit evangelischen Kirchen, staatlichen und kommunalen Einrichtungen, Vereinen, Verbänden usw. vorangehen“.
Und für den Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, wäre es zudem fatal, mit einem kirchlichen Alleingang „in diese alte Falle zu tappen“. Man müsse auch noch mit dem Justizministerium abstimmen, wie die Dinge zu regeln sind.
Welche Dinge? Wie man eigene Mittel verwendet? Sonst trägt man gegen jede auch nur vermutete staatliche Einmischung doch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vor sich her.
Und welche Falle? In der katholischen Kirche Verantwortung zu übernehmen für tausendfachen Missbrauch und seine Vertuschung?

Kirche und Missbrauch: Fazit

Nichts gegen die Kritik daran, für Entschädigungen primär auf den Kirchensteuertopf zuzugreifen und damit nicht nur alle Gläubigen, sondern auch die katholischen Missbrauchsopfer selbst mit in Regress zu nehmen.
Aber alles gegen das, was hier passiert: Vordergründig gehen die Bischöfe auf die Kritik am geltenden Verfahren ein und beauftragen eine Arbeitsgruppe mit Änderungsvorschlägen.
Die zentrale Empfehlung von Entschädigungszahlungen schaffen sie anschließend bereits im Ansatz vom Tisch, indem sie eine Kirchensteuerdiskussion lostreten.

Statt mit gutem Beispiel voranzugehen, wollen sie auf andere Täterorganisationen warten, wohl wissend, dass damit eine Entschädigung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist.
Sollte es wirklich sein können, dass die Bischöfe kirchlich Betroffene erst und nur dann entschädigen wollen, wenn anderen auch außerhalb der Kirche Gerechtigkeit widerfahren ist?
Die fahrlässig untätigen oder vertuschenden Hierarchen haben schon bisher erfolgreich den Sand der Verjährung rieseln und Täter- wie Opferleben verstreichen lassen.
Sie führen die Verschleppung strategisch oder gedankenlos einfach fort und finden in den katholischen Funktionärslaien willige Helfer.

Und die Betroffenen? Sie erfahren erneut, was sie eigentlich wussten und doch manchmal immer noch nicht glauben wollen: wie trügerisch es ist, von verbal freundlicher Zugewandtheit eines katholischen Bischofs auf seine ehrliche Unterstützungsbereitschaft zu schließen.

Zur Person

Norbert Lüdecke, geb. 1959, ist Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und Honorarprofessor für Kirchen- und Staatskirchenrecht an der Goethe-Universität Frankfurt. (jf)

Jochen

Israel – Demokratie oder Apartheid ? Legalisierter Raub – Da nützt auch kein Singsang

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aktuell in der jungen Welt eine Einschätzung der sozialen Wirklichkeit in Israel jenseits des Glamours des Schlagerwettbewerbs
https://www.jungewelt.de/beilage/art/354271
Auszüge:

IsraelflaggeMit dem Nationalstaatsgesetz ist Israel offiziell nicht mehr das Land aller seiner Bürger.
Es bringt den zionistischen Widerspruch auf den Punkt

Von Norman Paech

Es gehört zu den Standards der Legenden über Israel, diesen Staat als die einzige Demokratie im Nahen Osten zu bezeichnen, in den Worten des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak die »Villa im Dschungel«. Dies mag für die jüdische Bevölkerung so zutreffen, versteht sich Israel doch offiziell als jüdischer Staat.
Für die Palästinenser, immerhin an die 20 Prozent der gesamten Bevölkerung, ist Demokratie allenfalls ein Wunschtraum. Dies haben Regierung und Parlament mit einem Gesetz am 19. Juli 2018 bestätigt, welches den Titel »Israel: der Nationalstaat des jüdischen Volkes« trägt. Es beginnt mit den Worten: »Das Land Israel ist die historische Heimat des jüdischen Volkes, in dem der Staat Israel entstand.« Kein Wort von dem Volk, das die Siedler dort vorfanden und dem sie ihr Land wegnahmen.
Kritiker wie Unterstützer sind sich darin einig, dass es sich wohl um eines der wichtigsten Gesetze handelt, das je von der Knesset erlassen wurde. Denn ab jetzt ist auch gesetzlich mit Verfassungsrang festgelegt, dass der Staat jüdisch ist. Er ist kein Staat aller seiner Bürger, er gewährt nur den Juden sämtliche Rechte. In der Unabhängigkeitserklärung von 1948 hatte es noch geheißen: »Der Staat Israel wird sich der Entwicklung zum Wohle aller seiner Bewohner widmen.«

Gideon Levy hat in der Zeitung Haaretz sofort nüchtern darauf hingewiesen: »Das Nationalstaatsgesetz setzt dem vagen Nationalismus und dem gegenwärtigen Zionismus, wie er heute existiert, ein Ende.
Das Gesetz beendigt die bisherige Farce, Israel sei ›jüdisch und demokratisch‹ – eine Kombination, die nie existierte und nie existieren konnte. Denn der Widerspruch ist dieser Kombination inhärent. Die beiden Werte sind nie unter einen Hut zu bringen, außer mit Betrug. (…) Es ist ein Gesetz voller Wahrheit.«
Nur wenige bekennen sich zu diesem Widerspruch so ungeschminkt wie die durch ihr »Faschismus«-Parfüm bekanntgewordene Justizministerin Ayelet Schaked: »Wir müssen den jüdischen Charakter des Staates schützen, auch wenn das bedeutet, Menschenrechte zu opfern«.

Zumindest wurde sofort nach der Verkündung des Gesetzes die arabische Sprache von einer offiziellen Sprache neben dem Hebräischen zu einem dem des Hebräischen untergeordneten Status zurückgestuft. Es verbannt Arabisch faktisch aus dem öffentlichen Verkehr. Das demokratische Prinzip der Gleichheit, welches bisher in keinem der Verfassungsgesetze verankert werden konnte, hat auch in dem Nationalstaatsgesetz keinen Platz gefunden.
Es gibt eine Fülle von Gesetzen, die die arabischen Israelis seit der Gründung des Staates benachteiligen, nun hat sich die »einzige Demokratie« im Nahen Osten auch offiziell und gesetzlich von der Demokratie verabschiedet.
Es stimmt, dass das Gesetz nicht viel Neues erklärt, denn schon lange geht es Tel Aviv nicht mehr einfach um das Existenzrecht Israels, sondern um das des jüdischen Israels, in dem die arabischen Israelis nur Bürger zweiter Klasse sind.

Die Knesset streift mit diesen Gesetzen allerdings nicht nur ihr demokratisches Gewand ab. Sie kann nun nicht länger verdrängen und leugnen, dass sich in Israel über die Jahre ein System der Apartheid durchgesetzt hat.
Der Vorwurf der Apartheid gegen die israelische Politik gilt hierzulande inzwischen als eindeutiger Ausweis des Antisemitismus. Doch seit den Berichten der UN-Beauftragten John Dugard, Richard Falk und Virginia Tilley über ihre Untersuchungen vor Ort kann es keinen Zweifel mehr daran geben, dass in Israel und den besetzten Gebieten ein gnadenloses System der Apartheid etabliert wurde.

So schloss John Dugard seinen Bericht über die besetzten palästinensischen Territorien, den er im Januar 2007 dem Menschenrechtsrat der UNO erstattet hatte, mit folgenden Worten ab: »Die Menschenrechte in Palästina sind über sechzig Jahre auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen gewesen und besonders in den letzten 40 Jahren seit der Besetzung von Ostjerusalem, der Westbank und des Gazastreifens im Jahr 1967. Über Jahre hinweg konkurrierten die Besatzung von Palästina und die Apartheid in Südafrika um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. 1994 endete die Apartheid, und Palästina verblieb als einziges Entwicklungsland in der Welt unter der Unterdrückung durch ein dem Westen verbundenes Regime. (…)
Es gibt andere Regime, vor allem in der dritten Welt, die die Menschenrechte unterdrücken, aber es gibt keinen anderen Fall eines mit dem Westen verbundenen Regimes, welches die Menschenrechte eines Entwicklungsvolkes unterdrückt und dieses schon so lange

Es war sein letzter Bericht über die verzweifelte Situation der palästinensischen Bevölkerung. Denn Dugard, südafrikanischer jüdischer Juraprofessor, wurde 2009 auf Druck Israels durch den US-amerikanischen Kollegen Richard A. Falk abgelöst.
Dugard bekannte in jenem Jahr, »ich bin Südafrikaner, der in der Apartheid gelebt hat. Ich zögere nicht zu sagen, dass Israels Verbrechen unendlich viel schlimmer sind als die Verbrechen, die Südafrika mit seinem Apartheidregime begangen hat.«

Doch Israels Staatsführung hatte auch nicht viel Glück mit dem nächsten Sonderberichterstatter Falk, der ebenfalls ­Jude ist. Auch er wurde nach Ablauf seines Mandats 2014 nicht wiedergewählt, weil er in der Schärfe der Kritik an der israelischen Politik John Dugard nicht nachstand.
In seinem letzten Bericht an den Menschenrechtsrat im Jahr 2014 bestätigte er, dass die verlängerte Besatzung mit der faktischen Annexion palästinensischen Landes durch die permanente Ausdehnung der Siedlungen und den Bau der Mauer sowie die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Palästinenserinnen und Palästinenser alle Merkmale der Apartheid trägt. Er empfahl der UN-Generalversammlung, beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein Gutachten über den rechtlichen Status dieser verlängerten Besatzung einzuholen, in dem »der rechtlich unakzeptable Charakter von ›Kolonialismus‹, ›Apartheid‹ und ›ethnischer Säuberung‹ festgestellt wird«.

Falk wiederholte und erweiterte diesen Vorwurf in einem gemeinsamen Gutachten mit Virginia Tilley vom März 2017 für die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (ESCWA) der UNO. In ihm kommen die Autoren zu dem Schluss, »dass die israelische Politik als rassistisch zu beurteilen ist und zum Zwecke der Unterdrückung der Palästinenserinnen und Palästinenser in Israel ein Apartheid-System errichtet hat«.
Der Vorwurf des Rassismus und der Apartheid rief eine derartige Empörung bei einflussreichen Mitgliedern der UNO hervor, dass UN-Generalsekretär António Guterres den Bericht von allen offiziellen UN-Webseiten entfernen ließ.
Die ESCWA-Exekutivsekretärin Rima Khalaf trat aus Protest gegen diesen beispiellosen Vorgang von allen ihren Ämtern zurück und erklärte, dass sie weiterhin zu diesem Gutachten stehe.
Als Guterres Virginia Tilley aufforderte, sich von ihrem Papier zu distanzieren, legte auch sie ihr Mandat nieder und bekannte sich weiterhin zu dem Bericht.

Worüber soll man mehr staunen, über die Feigheit des Generalsekretärs oder den Einfluss Israels?

Doch noch entscheiden sie nicht über die Wahrheit.

Dazu noch ganz aktuell heute hier: https://www.jungewelt.de/beilage/art/354267
Auszüge:

Trumps »Jahrhundertdeal« – Blaupause für die Umsetzung seit Jahrzehnten vorbereiteter Siedlungs- und Annexionspläne

Von Wiebke Diehl
Donald Trump hatte angekündigt, seinen »Jahrhundertdeal« zur Lösung des Nahostkonflikts zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt nach den am 7. April abgehaltenen Parlamentswahlen in Israel zu veröffentlichen. Erarbeitet wird dieser federführend von Jared Kushner, dem für seine aktive Unterstützung israelischer Siedlungs- und Annexionspolitik bekannten Schwiegersohn des US-Präsidenten.
Der US-Botschafter in Israel, David Friedman – ein Hardliner, der linke Israelis »schlimmer als Kapos« (Funktionshäftlinge in KZs, die häufig mit den deutschen Faschisten kollaborierten) genannt und aktiv Spenden für die völkerrechtswidrigen Siedlungen gesammelt hat –, soll während des Erarbeitungsprozesses in die Details eingeweiht gewesen sein.

Am 7. Mai hat die Tageszeitung Israel Hajom ein geleaktes Dokument veröffentlicht, das die zentralen Punkte des »Deals des Jahrhunderts« enthalten soll.

Es bestätigt die Befürchtung, dass die auch im Vergleich zu früheren US-Administrationen extrem proisraelische Regierung Trump, die bereits Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels sowie die israelische Souveränität über die syrischen Golanhöhen anerkannt hat, israelische Interessen in den Vordergrund stellen und versuchen wird, die Palästinenser mit Hilfe finanzieller Anreize zur Aufgabe von international verbrieften Rechten zu bewegen.
Einen souveränen und lebensfähigen palästinensischen Staat, im Dokument als »neues Palästina« bezeichnet, hätte die Umsetzung der geleakten Vorschläge kaum zur Folge.
Eine eigene Armee ist für den »Staat« Palästina demnach nicht vorgesehen.
Wer eine zu errichtende Verbindungsbrücke zwischen Westbank und Gazastreifen kontrollieren würde, bleibt in dem Dokument offen, eine palästinensische Kontrolle der Grenzen des »neuen Palästina« scheint nicht vorgesehen zu sein.
Die großen Siedlungsblöcke, inklusive ihnen zuzuschlagender weiterer Siedlungen, sollen Israel zugesprochen werden, darunter explizit auch das besonders fruchtbare Jordantal. Gesamtjerusalem soll zwar Hauptstadt beider Staaten sein, stünde aber faktisch unter israelischer Verwaltung.
PalaestinaflaggeVon den Palästinensern wird also nicht nur erwartet, den seit Jahrzehnten an ihnen begangenen Landraub hinzunehmen, sondern sie sollen darüber hinaus zusätzliche Annexionen akzeptieren.

»Offene Landschaften«

Bereits kurz nach der israelischen Eroberung und Besetzung Ostjerusalems, der Westbank, des Gazastreifens, der syrischen Golanhöhen und der ägyptischen Sinaihalbinsel im Sechstagekrieg 1967 wurden unter Verletzung der Genfer Konventionen die ersten Siedlungen errichtet, Ostjerusalem wurde 1980 annektiert, die Golanhöhen 1981.
Die Auswirkungen des immer weiter intensivierten und von allen israelischen Regierungen beförderten Siedlungsprojekts sind besonders augenscheinlich im Ostteil Jerusalems, aus dem nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem in den letzten 15 Jahren etwa 3.000 Menschen vertrieben und 830 Wohneinheiten zerstört worden sind.
Weitere 120 Häuser sind demnach von den palästinensischen Besitzern selbst, aber auf Geheiß der Jerusalemer Stadtverwaltung, abgerissen worden.
Für Palästinenser sei es faktisch unmöglich, Baugenehmigungen zu erhalten, bestätigt die Organisation. Palästinensisch besiedelte Gebiete würden zu »offenen Landschaften« (Open scenic areas), Nationalparks oder zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Zehntausenden Palästinensern in Jerusalem droht die Zerstörung ihrer Häuser, weil sie ohne Baugenehmigung errichtet wurden.

Ziel ist eine »Judaisierung« der Stadt. Den im Vergleich zu den jüdischen weit höheren palästinensischen Geburtenraten und damit dem »demographischen Alptraum« soll durch die Enteignung von Land und dem Entzug von Aufenthaltspapieren staatenloser Palästinenser in Jerusalem entgegengewirkt werden.
Durch den Bau der »Sperranlage«, die zu 85 Prozent ihrer Länge auf palästinensischem Gebiet gemäß den Grenzen von 1967 verläuft, wurden zahlreiche, ursprünglich zum Stadtgebiet von Jerusalem gehörende palästinensische Ortschaften aus der Stadt ausgelagert.
Zugleich wird versucht, die großen, eigentlich zur Westbank gehörenden israelischen Siedlungsblöcke um Jerusalem an die Stadt anzuschließen. Beteiligt am Raub palästinensischen Landes sind neben Politikern und Regierungsmitgliedern auch israelische Gerichte. Erst im April wurde die Zerstörung von etwa 60 palästinensischen Häusern mit insgesamt zwischen 500 und 700 Bewohnern in Wadi Jasul, Jerusalem, von einem Bezirksgericht der Stadt abgesegnet, weil sie im sogenannten Friedenswald und ohne Genehmigung gebaut worden seien – während die Stadtregierung von Jerusalem zugleich versucht, von der Siedlerorganisation Elad illegal in ebendemselben »Friedenswald« errichtete Gebäude zu »legalisieren«.

Gunst der Stunde

Infolge der Anerkennung Jerusalems als israelischer Hauptstadt durch Donald Trump wurde die Vertreibungspolitik noch einmal deutlich intensiviert. Offensichtlich begreifen radikale Siedler genau wie die israelische Regierung die Politik der US-Administration als Freischein, das jahrzehntealte Siedlungsprojekt noch schneller voranzutreiben.
Nach Silwan, einem nahe der Altstadt und der Al-Aksa-Moschee gelegenen Ostjerusalemer Stadtteil, kommen die Bulldozer inzwischen fast täglich.
Vor allem in Batan Al-Hawa, einem Unterbezirk von Silwan, leben in unmittelbarer Nachbarschaft zu 50.000 Palästinensern israelische Siedlerfamilien unter staatlich finanziertem, 24stündigem Polizeischutz.
2002 hatten israelische Behörden der 1899 gegründeten, aber seit 20 Jahren von der radikalen Siedlerorganisation Ateret Kohanim kontrollierten Benvenisti-Stiftung jemenitischer Juden Ländereien in Batan Al-Hawa zugesprochen, die sich vor der Staatsgründung Israels in jüdischem Besitz befunden hatten, aber seit Jahrzehnten von Palästinensern bebaut und bewohnt werden. Nachdem inzwischen auch der Oberste Israelische Gerichtshof die Beschwerden palästinensischer Familien genau wie die von Familien aus Scheich Dscharrah, ebenfalls ein Ostjerusalemer Stadtteil, endgültig abgewiesen hat, ist der Weg zur Zerstörung von zirka 500 Wohneinheiten allein in Batan Al-Hawa frei. Eine weitere Provokation für die Bewohner Silwans ist eine geplante Seilbahn für Touristen, deren Weg direkt über das von der Stadtverwaltung völlig vernachlässigte Silwan führen soll.*) Die Pläne für den Bau sind bereits bewilligt worden.

Wenn auch bislang keine offiziell bestätigten Inhalte des US-amerikanischen »Deals des Jahrhunderts« vorliegen, so spricht doch alles dafür, dass er zum Ziel hat, geschaffene Fakten zu »bestätigen« und die seit Jahrzehnten von Israel betriebene Vertreibungs-, Enteignungs- und Entrechtungspolitik zu »legitimieren«.
Im nur zwei Wochen vor Trumps Anerkennung der israelischen Annexion des Golan erschienenen Menschenrechtsbericht des Pentagon fehlte das Beiwort »besetzt« nicht nur in bezug auf die Golanhöhen und Ostjerusalem, sondern auch für die Westbank und den Gazastreifen. Die Ankündigung Netanjahus kurz vor den israelischen Parlamentswahlen, Teile der Westbank während seiner nächsten Amtszeit annektieren zu wollen, erfolgte in diesem Wissen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch unter Kenntnis von Details des »Jahrhundertdeals«.
Dass Netanjahu sich der Unterstützung der Trump-Administration für seine Pläne sicher sein kann, erscheint durchaus realistisch.

Wiebke Diehl studierte Islamwissenschaft, Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Damaskus mit mehreren Studienaufenthalten in Jerusalem und Ramallah.
Derzeit arbeitet sie im Büro der Linke-Abgeordneten Zaklin Nastic.

*: Das erinnert an die Straßenbahn, die durchs Warschauer Ghetto fuhr, zum Bestaunen der „heruntergekommenen Rasse“.
Man kann sich freuen, dass es die junge Welt als nahezu einzige Tageszeitung noch wagt, der von Israel und der USA vorgegebenen Sprachregelungen zu trotzen.

Jochen

Zu Weihnachten ein Text von Rosa Luxemburg (1905): Des Erlösers Geburt

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.rosalux.de/publikation/id/6328/des-erloesers-geburt/
Bei Recherchen für einen Ergänzungsband zu den Gesammelten Werken Rosa Luxemburgs stießen wir auf diesen Artikel.
Fr die Autorschaft Rosa Luxemburgs sprechen Vergleiche mit ihrer 1905 in polnischer Sprache und unter dem Pseudonym Józef Chmura geschriebenen Broschüre Kosciol a Socjalizm (Krakau 1905), Kirche und Sozialismus (vgl. Standpunkte 4/2005). Sie verwendet u.a. in ihrem Artikel dieselben Zitate von den ersten Aposteln des Christentums, nämlich von Gregor dem Großen und vom heiligen Basilius, wie in Kirche und Sozialismus. Außerdem war sie seit Ende Oktober 1905 die leitende Redakteurin des Vorwärts und gestaltete nicht nur die Rubriken Die Revolution in Russland und Aus der Partei, sondern schrieb auch die maßgeblichen Leitartikel.

Warum sollte sie die erste Seite des Vorwärts am 24. Dezember 1905 nicht für ihre religions- und universalgeschichtlich kritische Sicht genutzt haben, zumal sie nach Weihnachten ins Revolutionsgeschehen nach Warschau reisen wollte. Schließlich korrespondiert dieser Artikel mit zwei bisher unveröffentlichten Artikeln Rosa Luxemburgs von 1902 in der Leipziger Volkszeitung, die mit Der neue Glaube und Proletariat und Religion betitelt sind.

Des Erlösers Geburt

Von Rosa Luxemburg

Mehr als neunzehn Jahrhunderte sind verflossen, seit die gläubige Menschheit die Geburt des Zimmermannssohnes aus Nazareth feiert, der dem Menschengeschlechte als Erlöser verkündet ward.
In einer furchtbaren Zeit der Zersetzung des alten Römerreiches, da Millionen in ausweglosem Elend, in Sklaverei und Erniedrigung versanken, in dieser düsteren sozialen Nacht ging die Morgenröte der christlichen Erlösung auf, von den Elenden und Enterbten mit frommem Glauben und jauchzender Hoffnung begrüßt.
Und heute wieder, wie seit bald zweitausend Jahren werden die Glocken von unzähligen Kirchtürmen in unzähligen Städten und Dörfern mit eherner Zunge die Wiederkehr jenes freudigen Tages preisen, in hohen Palästen und niedrigen Hütten werden Tannenbäume im Kerzenlicht und Flitterschmuck erglänzen zur freudigen Feier der Geburt des Erlösers.

Doch wo ist die Erlösung geblieben? Darben nicht heute Millionen in täglicher Pein, wie vor Jahrtausenden? Und werden sie nicht wie damals von den Reichen mit Füßen getreten, die doch schwerer in das Himmelreich kommen sollten, denn ein Kamel das Nadelöhr passieren?

Es ist nichts als eine pfäffische Lüge, wenn dem Volke eingeredet wird, das Christentum habe eine seelische und nicht eine leibliche Erlösung verheißen und vollbracht, das Reich Jesus sei nicht von dieser Welt.
Nichts als ein unbestimmter Wunsch auf die Glückseligkeiten des Jenseits, sondern als ein Evangelium der Erlösung von dem materiellen Elend, der sozialen Ungleichheit und der sozialen Ungerechtigkeit hienieden auf Erden ward die christliche Lehre gepredigt und aufgenommen.
Die Erlösung von den ungeheuerlichen Folgeerscheinungen der Klassenherrschaft, von gesellschaftlichen Kontrasten, von täglicher Not, von Bedrückung des Menschen durch den Menschen, der Volksmasse durch eine Handvoll Mächtiger, das war das Evangelium der ersten Apostel des Christentums und das war es, was ihnen die Anhänger und die Gläubigen in hellen Scharen zuführte.
So irdisch, so realistisch, so sinnlich war diese Erlösung gemeint, dass die ersten Christen sofort an die Wurzel des sozialen Übels, an die Eigentumsverhältnisse die Axt mit wuchtigem Hiebe anlegten. Das Evangelium der christlichen Erlösung war ein durch Jahrhunderte hallender schmetternder Trompetenruf zum Kriege wider die Reichen und das Privateigentum.
Ihr Elenden, rief der heilige Basilius im vierten Jahrhundert den Reichen zu, wie wollt Ihr Euch vor dem ewigen Richter verantworten? Ihr erwidert uns: Wie habe ich unrecht, da ich nur für mich behalte, was mir gehört? Ich aber frage Euch: Was nennt Ihr Euer Eigentum? Von wem habt Ihr es erhalten? Wodurch werden die Reichen reich, als durch die Besitznahme von Dingen, die allen gehören? Wenn jeder für sich nicht mehr nähme, als er zu seiner Erhaltung braucht, und den Rest den anderen ließe, dann gäbe es weder Reiche noch Arme.
Und zwei Jahrhunderte später donnerte noch ein anderer wackerer Gottesstreiter, Gregor der Große: Es genügt nicht, dass man anderen ihr Eigentum nicht nimmt, man ist nicht schuldlos, solange man Güter sich vorbehält, die Gott für alle geschaffen hat. Wer den anderen nicht gibt, was er hat, ist ein Totschläger und Mörder, denn da er für sich behält, was zur Erhaltung der Armen gedient hätte, kann man sagen, dass er tagaus, tagein so viele erschälgt, als von seinem Überfluss leben konnten.Diese schneidende Sprache führten die Jünger Jesu wider die soziale Ungleichheit der Menschen und mit solchen rein irdischen Argumenten führten sie die Sache der Enterbten, die zu erlösen der große Nazarener seine Schule stiftete.

Allein, die materiellen Verhältnisse erwiesen sich stärker als die feurigste Rede der christlichen Apostel. Die Worte eines Chrisostomus, des Mannes mit dem goldenen Munde, die Donnerstimme des großen Gregors verhallten wie die Stimme des Rufers in der Wüste. Der Strom der geschichtlichen Entwicklung, dem das christliche Evangelium des Kommunismus und der Abschaffung des Reichtums eine Zeitlang zu trotzen versuchte, riss das kühne Boot der Welterlöser mit, kehrte es um und zwang es, mit dem Gang der Verhältnisse zu schwimmen. Die Klassengesellschaft hat die zu ihrer Vernichtung verkündete Lehre in ihren eigenen Dienst gespannt, die Erlöserin Kirche wurde zu einem neuen Pfeiler der jahrtausende alten Sklaverei der Volksmassen.
Aus dem Evangelium der sozialen Gerechtigkeit haben die herrschenden Klassen und ihre Diener, die Kirchendiener, ein Evangelium der Barmherzigkeit, aus der Religion Freier und Gleicher eine Religion der Bettler und der Aussätzigen gemacht, aus der irdischen sozialen Erlösung von Hunger, Not und Erniedrigung ein Wolkenkuckucksheim der Seelenerlösung nach dem Tode. Dieser unbarmherzige Prozess der historischen Umschmelzung der christlichen Erlösungslehre dauert bis auf unsere Tage fort.
Die mittelalterliche feudale Gesellschaft hatte den urwüchsigen, kühnen christlichen Kommunismus zu der krankhaften, tränenreichen christlichen Barmherzigkeit, zur Lehre des weltabgeschiedenen Klosterlebens verrenkt. Die kapitalistische Neuzeit hat die christliche Caritas zur Heuchelei, zum frechen Hohn auf die christliche Lehre gemacht. In jeder Klassengesellschaft, wo die Not der Massen eine soziale Notwendigkeit, ist die Heuchelei eine öffentliche, staatliche Einrichtung. Mit jedem weiteren Schritte in der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft wird die mit dem christlichen Glauben getriebene Heuchelei der herrschenden Klassen gröber und ungeschminkter.

Elende Heuchelei ist dieses offizielle Weihnachtsfest, wo zur Feier der Geburt des Erölsers der Armen, der Geburt in der Krippe, von der reichen Bourgeoisie am Tannenbaum ein Luxus getrieben wird, der den notleidenden, frierenden, darbenden Massen Hohn spricht.
Elende Heuchelei die frommen Gebete und die himmelwärts verdrehten Blicke der salbungsvollen Kirchendiener, die zum Weihnachtsfest, zur Geburtsfeier des milden Menschenfreundes rüstend, zuvor eilig zu neuen Mordwerkzeugen und neuen Lasten für die Bedrückten ihren Segen geben.
Elende Heuchelei dies ganze offizielle Christentum der heutigen Gesellschaft, das sich eine Adventnacht auswählte, um durch einen räuberischen Überfall Millionen fleißiger Arbeiter den letzten Bissen täglichen Brotes vom Munde zu reißen und kurz vor Glockenschlag des Weihnachtsfestes den schwarzen Brüdern in Afrika neue Gräuel des Krieges, neue furchtbare Vernichtungsbotschaft ins Land schickt als Bescherung.
Das einzig Wahre an dem heutigen christlichen Weihnachtsfest, aus dem jeder innere lebendige Geist verschwunden, von dem nur der tote Brauch und das sinnliche Blendwerk geblieben, ist das ewig gürne Tannenbumchen, der duftige Gruß der reinen frischen Natur, das Bäumchen, das die christlichen Kirchendiener der alten naiven Heidenwelt und ihrem Sonnenkultus gestohlen und mitten in das fremde, unnatürliche Milieu der christlich-bürgerlichen Heuchelei gepflanzt haben zur Freude der Kinder und der kindlichen Erwachsenen.

Dieser Welt der offiziellen christlichen Heuchelei gegenüber stehen wir proletarische Rotte, wir Vaterlandslosen, wir Geächteten, wir Elenden, und mit Prometheus fragen wir:

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?

Auch wir feiern die Ankunft des Erlösers, des wahren Erlösers der Menschheit. In jeder verfallenden Gesellschaft, in der die aufstrebende, unterdrückte Klasse durch ihren Kampf neue Bahnen der Entwicklung nicht auszuhauen vermag, da taucht der Glaube an einen wundertätigen Erlöser auf, die ermüdete, verzweifelte Menschheit klammert sich an die Darstellung einer mächtigen, rettenden Persönlichkeit, die durch ihre Wunderwirkung alle erlösen wird.
Das alte Volk der Hebräer erwartete seine Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei von Mose, in dem verfallenden Rom steht Christus als Erlöser auf, in den Anfängen der kapitalistischen Gesellschaft, bevor noch das moderne Proletariat auf die geschichtliche Bühne trat, suchte ein Fourier lange den Mächtigen und Reichen, der ihm helfen sollte, seinen Erlösungsplan für die Menschheit zu verwirklichen.

Uns hat der Erlöser Sozialismus den starken Hammer des Klassenkampfes und der Erkenntnis in die Hände gedrückt und zugerufen: Erlöset euch selbst!
Die Selbsterlösung der Menschheit durch den Kampf des klassenbewussten Proletariats, die Erlösung der Masse nicht durch einen wundertätigen Erlöser, sondern durch die Masse selbst, – das ist der erlösende Gedanke des Sozialismus, das unser Erlösungsevangelium.

Auch wir feiern unser Weihnachtsfest, auch wir stecken Lichter auf unseren Weihnachtsbaum, auch unter uns ist heute Freude, und Hoffnung und Glaube ziehen in unsere Herzen. Denn unsere Erlösung vollzieht sich schon mit jedem Tage, mit jeder Stunde. Hört Ihr vom Osten das Stimmengewirr und den Lärm des Kampfes? Dort brechen bereits unsere Brüder ihre schwersten Ketten, die Selbsterlösung der Masse beginnt, der zündende Blitz der sozialistischen Erkenntnis hat bereits die alte Finsternis erhellt, der starke Hammer des Klassenkampfes wird geschwungen, das Volk wird zum Schmiede des eigenen Schicksals.

Auch dort in dem heiligen Russland wurde Jahrhunderte lang Weihnachten gefeiert. In dem alten frommen Mütterchen Moskau erdröhnten alljährlich zur Geburt des Erlösers die betäubenden schweren Glocken von den vierzig mal vierzig schwerfälligen byzantinischen Kirchen mit ihren breiten, schreiend goldenen Kuppeln. In der neueren Zarenhauptstadt, in Petersburg, wurden alljährlich zur Feier der christlichen Weihnacht am Newastrande krachende Salutschüsse gegeben. Fromm bekreuzten sich dreimal mit eiliger Gebärde und besonderer orthodoxer Fingerstellung die offiziellen russischen Christen und berührten in fleißigem Erdengruß unzählige mal den Boden mit der schweißperlenden Stirn. Jahrein jahraus jubelte die russische Christenheit ob der Geburt des Erlösers, dieweil Millionen Muschiks an Hungertyphus und Skorbut starben, wegen rückstndiger Steuern mit Nagajkas [Kntteln] ausgepeitscht wurden, dieweil Hunderte Fabrikproletarier in 16stndiger Fron verkrüppelten und bei geringster Auflehnung erschossen wurden, dieweil Kibitkas mit eintönigem Schellengeläute über die unendliche Schneesteppe Sibiriens fegten und einen Schub Verbannter nach dem anderen in das große Totenhaus der Zwangsarbeit in den Bergwerken lebendig ablieferten.
Und es war knapp zwei Wochen nach dem letzten orthodoxen Weihnachtsfest, als in Petersburg der Zug der Zweihunderttausend mit dem Kruzifix in der Hand vor das Zarenschloss zog, um in des Erlösers Namen um Erlösung von der furchtbaren Sklaverei zu flehen. Noch waren die feierlichen Glockentöne der Weihnachtsfeier in den Lüften nicht verklungen, als sie von krachenden Gewehrsalven üöbertnt wurden, und des Erlsers Kruzifix senkte sich blutbespritzt zu Boden, entfiel der todesstarren Hand der Bittenden unter dem Kugelregen des allerchristlichen Zaren. Darauf ermannte sich die Volksmasse und griff zur Selbsterlösung, von der Bitte und der Hoffnung zum Kampf, vom Kruzifix zum roten Banner der Sozialdemokratie.

Ein Jahr ist seitdem verflossen, heute kehren die Weihnachten wieder, die heilige Nacht zieht im heiligen Russland herauf über einem rauchenden Trümmerhaufen der ehemaligen christlichen Zwingburg. Noch ist heiß der Kampf und furchtbar der Opfer Zahl. Doch die Erlösung, die Selbsterlösung des russischen Volkes, unser aller Selbsterlösung hat begonnen. Das rote Banner, unserer Erlösung Zeichen, flattert aus dem Kampfgewühl immer wieder siegreich in den Lüften auf und Millionen und Abermillionen Enterbter, Erlösung harrender scharen sich um die Sturmfahne auf dem ganzen Erdenrund.
Klopfenden Herzens, des Glaubens und der Hoffnung voll, senden wir heute heiße Blicke nach dem Osten und begleiten jede Bewegung der stolzen Standarte mit Jubel. Die ersten Wälle der alten Gesellschaft fangen an zusammenzustürzen, die rote Fahne führt siegreich den ersten Sturmlauf aus.

Und so feiern wir heute unser Weihnachtsfest, durch einen Abgrund getrennt von der heuchlerischen bürgerlichen Christenwelt mit ihren heuchlerischen Feiern, Gebeten und Glocken. Um unseren grünen Lebensbaum geschart, fest im Glauben und froh in der Hoffnung auf der Menschheit nahende Erlösung, gestützt auf den nie versagenden Hammer unserer Arbeit und unserer Befreiung Symbol, feiern wir unser Arbeitsfest, wir Millionen Elender und Enterbter, ein stolz und trotzig und kräftig Geschlecht und rufen der verlogenen herrschenden Christenwelt zu, wie Prometheus:

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu kämpfen,
Zu genießen und zu freuen sich
Und Dein nicht zu achten,
Wie ich!


Aus: Vorwärts (Berlin),Nr. 301 vom 24. Dezember 1905

Das rote Banner der Sozialdemokratie, von ihnen mit Füßen getreten, hat sich um die Füße der Parteifunktionäre geschlungen und diese zu Fall gebracht, wo die Revolution ihre Permanenz verloren hat.

Jochen

Grundsätzliche Überlegungen wider die Gottessucherei

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein provokativer Text, der die eigenen inneren Widerspüche auf den Prüfstand stellt:
https://www.jungewelt.de/artikel/336909.ohne-sonne-kein-licht.html
Auszüge:

 

Als Jesus mit Robin Hood angeln ging: Grundsätzliche Überlegungen wider die Gottessucherei

tatsinatel

Von Hagen Bonn

Es gibt keinen Gott außer Gott! Schahada heißt diese ursprünglich von Mohammed ausgegebene Losung, die aber von allen Religionen, die nur einen Gott kennen wollen, grundlegend anerkannt wird.
Freilich wissen wir darum noch nicht, welcher nun der richtige von den Eingöttern ist.
Dass sie alle irgendwie der gleiche Gott sein könnten, wird von fachkundiger Seite eher bestritten, in der Ökumene jedoch drückt man dann und wann auch mal ein Auge zu und nickt vorsichtig.

Aber es gibt auch Schwierigkeiten, wenn man sich nur mit einer dieser Religionen beschäftigt. Die Ein-Götter-Religionen zerfallen in mindestens ebenso viele Theologien, wie es Götter und Geister bei den polytheistischen Religionen gibt. Überhaupt zeichnen sich alle »richtigen« Religionen dadurch aus, dass sie sich auf einen Glauben bzw. auf einen (nicht beweisbaren) Mythos beziehen.
Aus diesen Vorstellungen heraus werden Dogmen geformt, d. h. der Glaube wird mit Symbolen fassbar gemacht und konserviert (Lieder, Gebete, Amulette, Speisen) und lebt angeblich in diesen Symbolen fort.
Und dann kommt das Personal, das den Glauben verwaltet und organisiert. Es lebt davon und bildet eigene ökonomische Interessen (und sexuelle, mein Kommentar) heraus, die unabhängig von der Lehre existieren können.

Wir wissen nichts

Kein Atheist sollte es sich mit den jeweiligen Theologien allzu schwer machen. Denn im Verlauf jeder theologischen bzw. ideologischen Gottesreflexion, egal bei welcher Konfession, entstanden früher oder später Aussagen, die dem Grundsatz folgten: Wir wissen überhaupt nichts von unserem Gott.
Warum dann aber Fakultäten oder Rechtsschulen, warum Professuren oder Steinigungen? Ja, warum?
Die Antwort steckt in der Frage selbst. Keiner weiß etwas Genaues zu sagen über den Himmel und sein fliegendes Personal.

Demnach schickt es sich für Atheisten, weniger die Religionen zu erklären, zu analysieren oder zu widerlegen, als bei dem zu bleiben, was wir wissen.
Man kann keine theologische Chemie betreiben! Auch eine theologische Musik ist sinnlos. Man muss Noten, Harmoniegesetze und Rhythmik miteinander in Beziehung setzen und mit einer in der Regel singbaren Melodie versehen.
Die kann dann gern in der Kirche aufgeführt werden – oder im Kindergarten oder in Wacken.

Früher nahm man an, der Glaube an Wesenheiten, die irgendwie über uns stehen, an Geister, die alles lenken und leiten, entspränge dem Bedürfnis der Menschen, Erklärungen für unbekannte Phänomene in Natur und Gesellschaft zu finden. Krieg, Tod, Krankheiten, Blitze, Jahreszeiten – all das wurde durch das Wirken von übernatürlichen Wesenheiten erklärt.
Diese Ansicht ist aber nur halb richtig. Vielmehr erkannten die Menschen recht schnell, dass es auf Erden mit rechten Dingen zugeht: ohne Sonne kein Licht. Wasser fließt ins Meer. Wolken bringen Regen. Fellschurze schützen vor Kälte. Ein Feuerstein produziert Funken. Der Beischlaf produziert Kinder.

Scheinbare Willkür, Zäsuren, Schicksalsschläge und Elend sind zwar immer Begleiter des Lebens der Menschen, spielen aber nicht die Hauptrolle in ihrer Existenz.
Demnach ist die Religion, welche auch immer, ein unmittelbarer Reflex auf die Erklärbarkeit der Welt. Und nicht vordergründig auf die Unerklärlichkeit derselben, wie viele bis heute annehmen.

Lehren ohne Gott

Als die Menschen begannen, Werkzeuge zu fertigen, als sie begannen, die Umwelt umzuformen, als sie im Wortsinne Schöpfer wurden – da erfanden sie den ideellen Gesamtschöpfer: Gott.
Die materiellen Bedingungen gerannen zu einer Gesamtidee.
Und damit wissen wir auch, wann die »Vorstellung« von Gott aufhören wird: Wenn die Menschen alle (!) ihre Verhältnisse als selbstgeschöpft begreifen und planend veranlassen, wenn sie die Drehung der Welt, d. h. die Bewegung der Kugel selbst sind, wenn kein Bereich mehr »unbewusst« von angeblich fremden oder blinden Mächten »gebildet« wird.

Demnach war die Entstehung der Arbeiterbewegung auch die Entstehung von Lehren ohne Gott; von Lehren, die den Gott aus dem Paradies vertrieben.
Und es war ja genau der Gott, der uns einst selbst vertrieben hat, der meinte: »Ihr könnt hier unmöglich bleiben, hier seid ihr nur Tiere, dumpf und träge. Entwicklung ist nur dann möglich, wenn ich euch fortschicke, wenn ihr arbeitet, leidet und irgendwann so seid, wie ich es bin. Wahrlich: Ihr werdet sein wie Gott!«

Etliche Wissenschaftler erkannten früh, dass vorzeitliche Figuren wie Könige, Helden, Krieger, Aufrührer oder Entdecker sich prächtig eigneten, dem Bedürfnis bestimmter Schichten nach mythischen Tatenberichten nachzukommen.
Diese Geschichten wurden fleißig gesammelt, aufgezeichnet und über die Jahrhunderte immer mehr erweitert und bearbeitet. Besonders die Aufzeichnungen über Buddha, Jesus, Mohammed oder Laozi (Laotse) zeigen typische Merkmale einer gesammelten Heilandgeschichte.

Post für Sherlock Holmes

Doch auch die Neuzeit ist voll von Transformationen realer oder mythischer Ideen ins Göttliche oder Halbgöttliche. Hier stehen aber die Bedürfnisse echter Menschen im Vordergrund.
Gerechtigkeit, Rache, Wiedergutmachung, Freiheit, die Sehnsucht nach Frieden, all das lässt sich verkörpern, und das im Sinne des Wortes: Spartacus, Caesar, König Artus, Robin Hood, Billy the Kid oder Sherlock Holmes.
Bis auf beim Letztgenannten können wir nicht sagen, welche der überkommenen Geschichten reale Bezüge hat oder in Teilen bzw. ganz erfunden ist.
Selbst Sherlock Holmes wird bis zum heutigen Tag von Menschen per Brief kontaktiert; es handelt sich dabei meist um Hilfegesuche, und nicht wenige Menschen sind überzeugt, es handle sich bei der eindeutig literarischen Figur um eine historische Persönlichkeit.

Andersherum: Es spricht nichts gegen die Vorstellung, dass es einen Sherlock Holmes gegeben haben könnte. Seine Art, Kriminalfälle zu lösen, sein soziales Milieu, die politische Organisation im London des späten 19. Jahrhunderts – dies alles ist plausibel, erkennbar und durch und durch realistisch.
Die Menschen wissen also, dass es Gerechtigkeit geben kann, weil dieser Begriff nur das Surrogat eigener Erfahrungen oder lebensbezüglicher Verallgemeinerungen ist, sie wissen, dass Unrecht personell wie sachbedingt verursacht wird und dass man egal welche Umstände verändern kann, wenn die Bedingungen günstig sind.

Ansonsten müssen eben die rein gedankliche Befriedigung des Bedürfnisses oder sein Aufschub, also die End­erwartung, herhalten.
Demnach organisiert und archiviert die Religion wie auch die Heldenerzählung soziale Bedürfnisse.
Selbst reaktionäre Bewegungen können nicht verhindern, dass sich der Grundgedanke der überlieferten Vorstellungen irgendwann Bahn bricht und alles umwälzt; so wie wir es bei der mittelalterlich verfassten, durch und durch kriminellen und schmarotzenden katholischen Kirche gesehen haben, die durch die Luthers, Müntzers und Calvins ins Fegefeuer der Geschichte getrieben wurde.

Die berühmte Hauptrolle

Egal, ob viele Götter oder nur einer, ob Odysseus, Caesar oder Robin Hood: All diese Wesen haben weniger mit dem Himmel zu tun als mit uns selbst.
Wir sind der Mittelpunkt der Bemühung, wir spielen die Hauptrolle im Theaterdonner.
Was ist der »göttliche Plan« gegen die Überlegungen eines Neunjährigen, durch Flaschensammeln den Kauf des nächsten Comic­heftes zu organisieren?
Und auch unsere rote Fahne und unsere Arbeiterlieder … All das sind wir, all das verkörpert uns, steht stellvertretend für eine Bewegung.
Und das ist der Kern der Sache: die Bewegung und das von ihr gesetzte Ziel.

Anmerkung: Sigmund Freud hat in seiner Schrift „Die Zukunft einer Illusion“ gezeigt, dass sich das Gottesbild aus einem unbewussten, abstrahierten Vaterbild entwickelt hat. Daraus kann man schließen, dass Monotheismus und Patriarchat eng zusammen hängen. Und ohne Einsicht in unbewusste Vorgänge lässt kaum erklären, wie sich der verheerende Einfluss kollektiver Massenneurosen, wie sie Religionen nun mal darstellen, so siegreich entwickelt hat und warum nach der Abschaffung der materialistischen Lehre in Russland ausgerechnte der Obskurantismus wieder so extrem ausgebreitet hat. Die Menschen wollen glauben, wo ihnen eine hoffnungsvolle reale Perspektive fehlt!

Und welche fundamentale Blüten die genitale Zwangsverstümmelung männlicher Babys im Judentum, die vorpubertärer Knaben im Islam treibt und dass der Deutsche Bundestag dazu schweigt, ist und bleibt ein Skandal !

Siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2015/06/13/es-gibt-noch-hoffnung-erfolgreiche-penistransplantation-nach-trauma-durch-beschneidungsritual/

Jochen

Passend zu Pfingsten: Gute staatliche Versorgung und hohe Intelligenz gehen einher mit geringerer Religiosität

14569058326_3f8e79d00e_m

Abendregenbogen auf Langeoog

Dieser schon lange bei Soziologen und Psychotherapeuten bekannte Zusammenhang ist nun auch empirisch bestätigt worden:
http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0146167218764656

Leider auf Englisch und nicht umsonst.
Eine Übersicht gibt dieser Artikel des Miami Herald, leider auch auf Englisch:
http://www.miamiherald.com/news/nation-world/national/article209279189.html

Auszüge:

Government vs. God? People are less religious when government is bigger, research says

By Jared Gilmour jgilmour

Researchers call it an exchange model of religion: If people can get what they need from the government (be it health care, education or welfare) they’re less likely to turn to a divine power for help, according to the theory.

But are people actually more likely to drop religion in places where governments provide more services and stability?
In a new paper, psychology researchers crunched the numbers — and found that better government services were in fact linked to lower levels of strong religious beliefs.

Those findings held true in states across the U.S. and in countries around the world, researchers said.

The article, “Religion as an Exchange System: The Interchangeability of God and Government in a Provider Role,” was published April 12 in Personality and Social Psychology Bulletin.

Authors Miron Zuckerman and Chen Li of the University of Rochester and Ed Diener of the Universities of Utah and Virginia wrote that their findings suggest “that if the function that religiosity provides can be acquired from some other source, the allure of religion will diminish.”

The researchers also found something of a staggered link between the government services on offer and levels of religiosity in a given state.
Between 2008 and 2013 in the U.S., for example, “better government services in a specific year predicted lower religiosity 1 to 2 years later,” researchers wrote.

“If a secular entity provides what people need, they will be less likely to seek help from God or other supernatural entities. Government is the most likely secular provider,” the researchers concluded.
“We showed in two cross-sectional analyses, one using world countries and one using states in the United States, that better government services were related to lower levels of religiosity.”

How exactly did the researchers measure government service levels and how religious people are? The research relied on a mix of World Bank, World Fact Book, U.S. Census and Gallup data, researchers said.

Researchers measured government services by looking at how much each state or country spent on health and education as a percentage of gross domestic product.
Then researchers compared those numbers with data about religion that Gallup collected from 455,104 people across 155 countries, according to the paper.
That’s nearly 3,000 respondents from each country, researcher said.

“If the benefits acquired in the religious exchange can be acquired elsewhere, religion becomes less useful,” researchers wrote.
They added that, when it comes to the role religion plays in establishing predictability and control in society, “the power and order emanating from God can be outsourced to the government.

Researchers adjusted their results to account for differences in quality of life and income inequality across countries and states.
That way, they could attempt to isolate the relationship between two variables: government services and how religious a population is.

The findings “imply that the government can provide an extra layer of security … that might help people cope with future needs, both expected and unexpected, and as such, might reduce dependence on God or other supernatural entities,” researchers wrote.

The paper’s lead author, Zuckerman, has previously analyzed links between intelligence and religious beliefs.
In 2013, he published a study with other Rochester researchers finding that the more intelligent someone is, the less strong his or her religious beliefs tend to be.

The paper combined the results of 63 other studies to reach its conclusions, researchers said. And Zuckerman, for his part, said he wasn’t surprised by the result.

„You have to realize that this relation is not new,“ Zuckerman told the Verge. „Studies from 1928 found [this].“

Kurz zusammengefasst: wenn die Organisation der Gesellschaft besser für die Bedürfnisse der Menschen sorgt, können die zuvor auf Götter gesetzten Hoffnungen auf die Regierung als Spender existentieller Sicherheit übertragen werden. In der Funktion des Sicherheit spendenden versorgers können beide ausgetauscht werden.
Interessant ist auch der zeitliche Abstand von 1 – 2 Jahren zwischen einer Verbesserung der realen Regierungsführung und dem Nachlassen religiösen Eifers.
Das weist also auch auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hin.
Der negative Zusammenhang zwischen Intelligenz und Religiosität ist nach Zuckerman schon seit 1928 nachgewiesen.
Mit dieser Erkenntnis verabschiede ich mich in die Fortbildungstage auf Langeoog und wünsche trotzdem genussvolle Feiertage.

Jochen

Mir geht es gut, sonst ist mir alles scheißegal – Glückwunsch! Sie wählen die Merkel. Oder doch nicht?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

DSC_0046Das ist der Titel einer schwungvollen, von Sachkenntnis geprägten Polemik von Werner Rügemer[*].
Da wird so richtig klar, warum man Merkel bei klarem Verstand kaum wählen kann.
Nicht wegen Rügemers Polemik, sondern wegen der von ihm angeführten Fakten! Fakten sprechen gegen die Wiederwahl dieser Bundeskanzlerin.
– Sicher gibt es auch in Ihrem Umkreis Menschen, die einen solchen Text mal lesen sollten, und sogar davon berührt sein könnten. Dann schicken Sie diesen Artikel per E-Mail bitte weiter oder drucken Sie ihn aus.
Albrecht Müller, Joachim Elz-Fianda.

Ich kenne Sie: Sie sind Vermieter oder Vermieterin. Sie müssten sich an das von der Merkel-Regierung gemachte Gesetz zur Mietpreisbremse halten.
Sie lieben solche Gesetze, die man nicht einhalten muss. So haben Sie und Ihresgleichen seit Inkrafttreten des Gesetzes ungefähr 300 Millionen Euro zuviel eingenommen, jährlich, das sind 1,5 Milliarden. Zusatzprofit durch Gesetzesbruch: Glückwunsch – wieder die Merkel wählen!

Ach so, Sie sind kein Vermieter, sondern Reinigungsunternehmer, ja pardon, auch Reinigungsunternehmerin. Sie schließen mit Ihren Putzkräften Arbeitsverträge für 20 Wochenstunden. Aber um im Nobelhotel die Zimmer auf die geforderte strahlende Schönheit zu bringen, müssen Ihre Putzkräfte 30 und 35 Stunden arbeiten. Denen zahlen Sie aber nur 20 Stunden. Damit unterlaufen Sie zielgenau den vertraglich vereinbarten Mindestlohn.
Die Merkel-Mehrheit im Bundestag hat kein Personal für die Kontrolle des Mindestlohn-Gesetzes beschlossen, genau wie bei der Mietpreisbremse. Sowas lieben Sie über alles – Glückwunsch! Die Merkel ist schon immer ihre Wahl – und jedes Mal wieder, weil es so schön ist!

Ach so, Sie sind kein Vermieter und kein Reinigungsunternehmer. Sie sind einer von den zweihunderttausend Arbeitsvergebern, ja pardon, auch Arbeitsvergeberin, die täglich das Arbeitszeit- und Befristungsgesetz verletzen und Ihren Beschäftigten ohne Einhaltung der Frist die Arbeitsstunden zuteilen, wie es Ihnen gerade passt. So ein Gesetz ist Scheiße, blöde Bürokratie, sagen Sie. Die Beschäftigten sollen doch froh sein, dass ich Ihnen die Arbeit zuteile, sagen Sie, sonst hätten die gar nix. Die Merkel stellt sich dumm und erzählt „Es geht uns allen gut“.
Glückwunsch, jedenfalls Ihnen geht es sogar sehr gut – die Dummstellerin Merkel ist Ihre Wahl!

Ach so, Sie gibt es ja auch noch. Sie sind einer oder eine von unseren 120.000 Leistungsträgern und Leistungsträgerinnen, die sich in den letzten Jahren wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung selbst angezeigt haben. Sie hatten die Hosen voll, weil es in Ihren Schweizer und Luxemburger und Panama-Banken immer mehr undichte Stellen gibt.
Sie zahlen diesmal schnell und heimlich ein bisschen Strafe und lassen Ihren Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüferin eine neue Finanzoase suchen. Sie können auf die unschuldige Wegschauerin Merkel hoffen und auf der Merkel ihren Schäuble im Rücken – Ihre Wahl steht auch diesmal fest.

Sie sind ein Bonus-Banker oder eine Bonus-Bankerin. Ihre Boni steigen mit der Höhe des Verlustes. „Ich will nie mehr in die Lage kommen, mich von Banken erpressen zu lassen“, gestand in einem halblichten Moment die Merkel. Die Bonus-Banker und die Bonus-Bankerin schicken die Banken in den Bankrott, und der Merkel-Staat zahlt.
Die Merkel will sich nie mehr erpressen lassen und macht doch genauso weiter, nämlich freiwillig. Eine solche freiwillig erpressbare Politikerin – wunderbar. Glückwunsch – die Merkel ist wieder Ihre Traumwahl!

Und Sie, ja genau Sie meine ich. Hören Sie auf mit Ihrem salbungsvollen Grinsen. Sie sind Militärbischof. Auf Ihrem Bauch baumelt das goldene Christuskreuz. Sie segnen jeden Spähpanzer, der zum Hindukusch geflogen wird und Sie lassen Ihre Feldgeistlichen mit den wüstentauglichen Feldaltärchen unsere toten Soldaten segnen für den Dienst, den sie für Muttis und Obamas und Trumpels Leitkultur geleistet haben. Sie werden als Militärbischof bezahlt wie die richtigen Generäle der Bundeswehr, denn Sie sind ja Muttis christliche Heimat-Generäle – Glückwunsch!
Christsein kann so schön sein – Sie und Ihre Wahlschafe wählen die Chefin Ihres christlich-tödlichen Arbeitgebers natürlich wieder!

Ach so, fast hätte ich Sie vergessen. Sie sind ja besonders wichtig und brauchen die Mutti-Hilfe ganz besonders. Die Autokanzlerin hat jahrzehntelang in Deutschland und in der Europäischen Union ihre schützende Hand über Ihre Betrügereien gehalten.
Sie haben den Staat und die Bürger und die Autokäufer belogen und die Luft vergiftet. Das tut Ihnen jetzt leid, sagen Sie. Aber wir müssen mit neuer Software die Luft weiter vergiften. Weiter so mit Deutschland. Die Spenden für den Merkel-Wahlkampf sind auch dieses Jahr schon längst wieder überwiesen. Glückwunsch – die Schutzherrin der Gift- und Lügenindustrie ist Ihre Wahl!

Ach so, fast hätte ich gerade Sie vergessen! Die Merkel hat ja noch nie Ihren Namen in ihr kummervolles Mündchen genommen. Obwohl Sie, Sie großer Unbekannter, fast täglich im Bundeskanzleramt ein- und ausgehen. Man sieht Sie gar nicht, nie in der Tagesschau und im heute journal, obwohl Sie überall sind, jedenfalls im Bundeskanzleramt und in den Aufsichtsräten unserer DAX-Konzerne. „Unserer“ sage ich dummerweise, obwohl „unsere“ Wirtschaft ja Ihnen gehört. Sie heißen Blackrock und Blackstone und Capital Group und Wellington und Templeton und Vanguard und Fidelity und State Street und Sun Life und Katar Investment und sind Miteigentümer aller deutschen Autolügner und Kohleverbrenner und Atommüll-Verstecker und von noch viel mehr und Sie haben als Deutschland-Chef den Friedrich Merz, der ist auch Vorsitzender der Geheimschleimer von der Atlantikbrücke und er ist Miteigentümer der US-Wirtschaftskanzlei Mayer Brown und er ist seit knapp nach der Geburt im heimischen Sauerland Mitglied der Merkel-Partei – Glückwunsch! Die Merkel gehorcht Ihnen aufs unausgesprochene Wort! Da sind nichtmal Parteispenden nötig!

Ihr lieben deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen! Die Merkel hat ihren von Kohl geerbten christdemokratischen Bauchredner aus der größten europäischen Finanzoase zum Präsidenten der Europäischen Kommission hinbugsiert. Der kumpelhafte Biedermann Juncker beklaut seit Jahrzehnten mit den Banken und US-Beratern in seinem kleinen Großherzogtum Luxemburg die anderen EU-Staaten jährlich um Milliarden Euro Steuergelder. Davon haben Sie, liebe deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen schon mal gehört, oder auch nicht. Ist ja egal, ob in Merkel-Land ihre Regierung dann die Renten kürzt und die Schulen verkommen lässt.
Die Schul-Klos sind kaputt, und Ihre Kinder können doch in der Merkelschen „Bildungsrepublik Deutschland“ hinter die Wand scheißen und in die Büsche im Schulhof pinkeln. Glückwunsch – die Merkel ist natürlich wieder Ihre bewährte Wahl!

Sie sind ein friedlicher und freundlicher Mensch. Sie sind selbstbewusst. Sie lassen sich von niemandem hereinreden. Sie sind ein Deutscher und eine Deutschin. Da gefällt Ihnen die Merkel. „Wir Europäer nehmen unser Schicksal selbst in der Hand“ – plustert sich die Merkel gegen den Trumpel auf. Aber von den US-Atombomben in Deutschland undsoweiter weiß sie nichts, lässt sie ihren Sprecher erklären, Seibert heißt er, den sie vom Staatssender ZDF gemietet hat. Bei allen offenen und verdeckten Kriegszügen der US-Supermacht gegen Russland, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen undsoweiter macht die Merkel-EU mit oder tut so, als würde sie keine Panzer nach Saudi-Arabien liefern lassen. Von Wilhelmshaven aus lässt sie die US-Militärkonvois durch Deutschland zum Aufmarsch gegen Russland rollen. In keinem Land der Erde, das sowieso schon NATO-Mitglied ist, gibt es zusätzlich soviele US-Militärstützpunkte wie in Deutschland.
Das wissen Sie nicht, Sie Merkel-Bürger und Merkel-Bürgerin. Vielleicht wissen Sie es, aber es ist Ihnen egal. Vielleicht ist es Ihnen nicht egal. Vielleicht lassen Sie sich gern verblöden, vielleicht aber doch nicht so gern. Aber die Merkel sagt: Wir gehen mit unserem amerikanischen Schutzherrn durch dick und dünn! „Nicht automatisch“, tut sie das, hat sie jetzt eingeschränkt. Nein, sie macht es nicht automatisch. Aber sie macht es fast automatisch. Den bösen Trumpel hat sie kritisiert, aber dann hat sie ihm in Washington brav versprochen: Ja, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für die Rüstung so bald wie möglich! Glückwunsch – diese halbautomatische Aufrüstungs-Schleicherin ist Ihre Wahl, jetzt erst recht!

Sie sind ein guter Deutscher und eine gute Deutschin. Sie fanden den netten Obama gut. Der war viel besser als der böse Trumpel. Der Obama hat nämlich den Abbau aller Atombomben versprochen. Das fanden Sie gut. Dann hat der nette Obama so viele neue Atombomben bauen und stationieren lassen wie noch kein US-Präsident zuvor, in Südkorea zum Beispiel. Das wissen Sie nicht, oder vielleicht wissen Sie es. Ist auch egal.
Und was macht die Merkel? Sie macht nicht den Obama, sondern sie macht den Trumpel. Sie wollte die Abstimmung in der UNO zum Verbot der Atomwaffen verhindern. Als die große Mehrheit der Staaten der Erde trotzdem darüber abgestimmt hat, hat sich die Merkel-Vertretung feige aus der Versammlung gestohlen. Glückwunsch – die verdrückte Diskussions-Flüchterin Merkel ist Ihre Wahl.

„Wir Europäer nehmen unser Schicksal selbst in der Hand“. In diesem Merkel-Europa nehmen die US-Militärs in Ramstein und Stuttgart im AFRICOM-Sperrgebiet ganz selbständig die kleinen Hebelchen in die Hand und ermorden mit ihren Drohnen Menschen ohne Anklage und Urteil in fernen Ländern. Im Grundgesetz wurde die Todesstrafe abgeschafft, davon haben Sie schon mal gehört oder auch nicht. Die Merkel sagt dazu nichts und bricht mit leichter Hand das Grundgesetz und das Völkerrecht.
Rechtsstaat? Scheißegal! Auch davon brauchen Sie nichts zu wissen. Oder vielleicht wissen Sie es, egal. Aber das Wichtigste ist: Für das ruhige Gewissen wieder Mutti Merkel wählen, oder doch nicht?

Als selbstbewusster Deutscher und selbstbewusste Deutschin wollen Sie nicht von fremden Mächten ausspioniert werden. Gut so. Aber der Merkel ist es egal, ob ihr Handy und die Telefone ihrer Minister von den US-Geheimdiensten­­ ausspioniert werden. Sie erklärt pflichtgemäß und unbewegt: Unter Freunden darf das nicht sein! Und dann lässt sie sich und ihre Minister und ihre Bürger weiter ausspionieren.
Wir haben ja die „Man kann ja doch nichts ändern“-Merkel-Demokratie. Glückwunsch – die Merkel ist wieder Ihre Wahl, oder doch nicht?

Sie sind Feministin oder Feminist und finden die Merkel gut. Weil sie als Frau aufgestiegen ist nach oben. Aber bevor sie zunächst in der CDU aufgestiegen ist als Vorsitzende, wurde sie vom Kölner Erzbischof Meisner, ihrem ostdeutschen Mitbruder in Christi, aufgefordert, erstmal kirchlich zu heiraten. Sie schlich mit ihrem Mann heimlich zum Altar: Glückwunsch – Feminismus pur, oder doch nicht?

Bevor die Aufsteigerin weiter aufsteigen durfte, vom Osten in den Westen, von der angepassten FDJ-Sekretärin zur führenden Politchristin, bekam sie noch weitere Aufsichten verpasst. Zuerst die FAZ aus Frankfurt, wo die deutscheste aller Banken in so mancher Hinsicht was zu sagen hat, bekam sie eine Seite für die Kritik an ihrem sowieso schon unmöglich gewordenen korrupten Lehrmeister Kohl. Und dann bei ihrem Wahl-Parteitag musste schnell noch ein gewisser Dr. Cartellieri in die CDU aufgenommen werden. Er war Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.
Die CDU brauchte wegen Kohls schwarzer Kassen einen neuen Schatzmeister. Jetzt musste der wichtigste Dauersponsor der christlich lackierten Partei dieses wahlentscheidende Amt selbst in die Hand nehmen. Dann durfte die Merkel endlich aufsteigen. Sie wurde zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Sie strahlte. Glückwunsch – eine so gut betreute Aufsteigerin gefällt Ihnen, oder doch nicht?

Als Feministin und Feminist haben Sie noch andere Gründe für die Merkel. Sie hat bewiesen, dass sie noch asozialer sein kann als ein Mann, ihr Vorgänger Schröder von der Konkurrenzpartei zum Beispiel. Der hatte bei dem Hartz IV-Gesetz den Arbeitslosen wenigstens noch den vom Jobcenter gezahlten Rentenbeitrag gelassen, so klein der auch war. Aber für die von der Merkel dann geführte Regierung war das zuviel, sie hat den Rentenbeitrag gestrichen. Wenn Arbeitslose in der Rente sowieso verhungern, dann brauchen die vorher auch keinen Rentenbeitrag mehr zu kriegen – das finden Sie logisch. Glückwunsch und Merkel wählen! Oder doch nicht mehr?

Sie sind eine gute deutsche Katholikin, oder Protestantin, egal, jedenfalls christlich. Deshalb mochten Sie damals die Bildungsministerin in der Merkel-Regierung, die hieß Annette Schavan. Schon vergessen? Die tiefgläubige Katholikin hatte ihre Doktorarbeit gefälscht und glaubte tiefgläubig, dass das nie rauskommt. Sowas kommt in Merkel-geführten Regierungen öfter vor, ok, das sind lässliche Sünden im freien Merkel-Land. Der Hüterin guter deutscher Bildung wurde der Doktortitel aberkannt. Sie wurde zurückgetreten. Die Merkel ernannte die Schavan zur Botschafterin Deutschlands beim Vatikan. Dort wird sie, weil für den christlich lackierten Merkel-Staat der winzige Vatikanstaat so wichtig ist, genauso hoch bezahlt wie unsere Botschafter in Washington und Moskau. Grundgehalt 11.241,02 Euro monatlich, mit ein paar Tausendern an Zulagen, freie Zweitwohnung und Spesen. Dafür muss die staatlich subventionierte Fälscherin für die Merkel jedes Jahr mal einen Besuch mit Foto beim Papst im Petersdom organisieren. Mehr braucht die nicht zu tun.
Mit einer sündigen Schwester in Christi muss eine protestantische Bundeskanzlerin barmherzig sein, das gefällt Ihnen als ökumenischer Christenmenschin – Glückwunsch! Ihre Wahl steht fest, oder doch nicht?

Sie finden auch, dass wir christlichen deutschen Abendländer uns Abendländerinnen mit den vielen Flüchtlingen ein Problem haben: Schwierig, sehr schwierig. Die von der Image-Pflegerin der „Willkommenskultur“ geführte Bundesregierung hat Afghanistan zum sicheren Herkunftsland erklärt. Dort haben Terroristen unter den wachen Augen unserer teuren Bundeswehr allein seit Beginn dieses Jahres 1.700 Menschen ermordet. Dorthin lässt die Merkel-Regierung Flüchtlinge gnadenlos abschieben.
Die Merkel pflegt ihr Willkommens-Image und lässt ihren kaltschnäuzigen Innenminister machen und ihren bayerischen Kläffer arbeitsteilig die harten Grenzkontrollen fordern. Glückwunsch – Sie waschen auch hier mit der Merkel Ihre Hände in Unschuld und wählen sie wieder, oder doch nicht?

Die CDU, wo die Merkel die Vorsitzende spielt, behauptet in ihrem Wahlprogramm: „In Deutschland gibt es mehr Beschäftigung denn je.“ Die Merkel lässt lügen. Denn die Beschäftigten in Deutschland arbeiten jetzt insgesamt weniger Stunden und es werden weniger Stunden bezahlt als nach der Wiedervereinigung. Das wissen Sie nicht, oder Sie wissen es. Es ist Ihnen egal, oder auch nicht. Sie lassen sich gern verblöden, oder auch ungern.
Ihnen geht es gut, oder Sie tun so. Glückwunsch – Sie werden auch beim nächsten Mal wieder die Lügnerin Merkel wählen, oder doch nicht?

Sie als verbliebene Eingeborene in Ostdeutschland müssen länger arbeiten und werden noch geringer bezahlt als in Westdeutschland. Die ostdeutsche Merkel lässt Sie, ihre ostdeutschen Landsleute, noch ungerechter behandeln als die westdeutschen Brüder und Betschwestern, bei denen sie sich angedient hat. Sowas gefällt Ihnen oder auch gar nicht. Glückwunsch – Sie haben die Merkel gewählt und tun es wieder, oder doch nicht?

Sie sind einer oder eine von den Millionen Beschäftigten, die sich von Ihren Arbeitsvergebern oder Arbeitsvergeberinnen erpressen lassen. Die erpressen mindestens eine Milliarde unbezahlte Überstunden pro Jahr. Da gehören Sie zu denen, die den Arbeitserpressern jährlich ungefähr 40 Milliarden Euro schenken. Erpresser muss man beschenken, jedenfalls in Merkel-Land. Glückwunsch, Sie bescheißen sich selbst. Das ist blöd, finden Sie.
Aber man kann ja doch nichts ändern, meinen Sie. Wir leben ja leider in der „Wir können ja doch nichts ändern“- Demokratie. Deshalb wählen Sie wieder die Merkel – oder vielleicht endlich doch nicht?

In Merkel-Land schreiben Sie als junge, gut ausgebildete Menschen hunderte von Bewerbungen. Sie werkeln fünf Stunden für Bewerbung, um bestenfalls mal eine Stunde Arbeit zu kriegen. „Ich nehme jede Arbeit an“, sagen Sie. Aber Sie kriegen keine. Das gefällt Ihnen nicht, aber was soll man machen? Vielleicht klappt es ja mal nächstes Jahr? Und Sie können ja noch bei Ihrer Mutti wohnen. Glückwunsch – Sie wählen die Übermutti Merkel, oder jetzt doch nicht mehr?

In der Merkel-EU verarmen Millionen Menschen in Spanien, Italien, Portugal – und in Griechenland sowieso. Wenn Alte dort keinen Arzt mehr bezahlen können und früher sterben, ist doch egal. Nicht nur aus Spanien, Italien, Portugal und Griechenland wandern hunderttausende Menschen aus. Und noch viel mehr wandern hunderttausende Menschen aus Bulgarien und Rumänien aus und schon länger flüchten sie vor der EU-produzierten Armut aus dem Kosovo, aus Slowenien, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro. Dafür werden diese Staaten immer schneller in die EU und die NATO manövriert.
Kanonen und Armut in der Merkel-EU – „Uns geht es gut“, sagt die deutsche Nationalistin Merkel. Sie sagt es ein bisschen netter als die AfD. Weil Sie ein gebildeter Nationalist oder eine gebildete Nationalistin sind, wählen Sie die Merkel wieder – oder endlich doch nicht mehr?

Was die Kanzlerin sagt, ist Ihnen ziemlich egal. Irgendwie haben Sie sogar recht. Aber Sie halten was auf gepflegtes Aussehen. Die Merkel holt sich jeden Morgen bei ihrer persönlichen Visagistin das Gesicht des Tages ab. „Sie legt ihre Maske auf“, sagen die Sekretärinnen im Kanzleramt. Dann kommt die Bekleidungsberaterin und legt die Farbe des Hosenanzugs oder des Festkleids fest, je nach Publikum und Thema, für Wagner in Bayreuth oder für die American Chamber of Commerce in Germany oder für das CSU-Bierzelt in München. Dann verpassen unsere privaten und öffentlichen Leitmedien zwischen New York und Passau ihr die passende mediale Tagesmaske. So eine vielverwendbar inszenierte Politikdarstellerin kann man wählen, sagen Sie – oder gerade diesmal doch nicht mehr?

Ich kenne Sie: Sie haben Stil, Sie lieben gut verpackte Produkte. Die Merkel ist Ihr Produkt. Aber das Wahlvolk in den weiten unteren Zonen ist unzuverlässig geworden. Diesmal soll es die PR-Agentur Jung von Matt richten. Sprüche wie „Bild dir deine Meinung“ hat sie hochbezahlt erfunden. Diese Agentur hat bisher nur unpolitische Werbung gemacht, für die Autovermietung Sixt zum Beispiel. Gerade deshalb haben die Merkel-Berater diese Agentur geholt. Es geht ja gerade nicht um Politik. Für die Merkel soll nur die Verkaufs-Richtung geändert werden, vorsichtig, ein bisschen: Mehr Emotion – jedenfalls ein bisschen. Nicht übertreiben, sonst unglaubwürdig! Ein bisschen Selbstironie – kommt gut an bei Jüngeren! Vor allem: Mehr „Deutschland“! Mehr Schwarz-Rot-Gold in die Plakate mit dem Merkel-Foto! Noch n‘ bisschen mehr Nationalismus, seit Adenauer immer gut, um rechts was abzufischen. Deutsche Staatsraison. Deutsche Leitkultur. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Glückwunsch! Augen zu und durch, auch wenn es Ihnen nicht so gut geht – Merkel wählen, oder jetzt doch nicht mehr?

Sie vergiften mit Ihrem Diesel-Auto Ihre eigene Luft und die Luft Ihrer Mitmenschen. Sie sind einem Massenbetrug made in Germany aufgesessen. Die Schutzpatronin des kriminellen Autokartells hat sich für den Diesel-Gipfel weggestohlen und die gute Luft beim Urlaub in den Tiroler Bergen genossen. Glückwunsch! – Sie haben bisher diese Verkriecherin gewählt und werden es wieder tun, oder jetzt endlich doch nicht mehr?

Moment, fast hätte ich ausgerechnet Sie vergessen: Sie heißen Verband der Metall- und Elektroindustrie, Merck-Chemie, United Internet, Oetker, Daimler AG, Trumpf GmbH, VHB Grundstücks- und Beteiligungsverwaltung GmbH undsoweiter. Sie kalkulieren geizig mit jedem Cent, jedenfalls bei Ihren Beschäftigten. Aber allein im jetzigen Wahljahr haben Sie der Merkel-Partei schon mehrere Hunderttausender großzügig und steuermindernd rübergeschoben. Damit das Agentur-Produkt besser verkauft werden kann.
Schon bevor Ihre abhängig Beschäftigten wählen können, haben Sie schon gewählt – Glückwunsch! Sie haben schon gewonnen – oder doch nicht?

[«*] Dr. Werner Rügemer ist Publizist und Autor mehrerer Bücher. Er lebt in Köln. Seine aktuellste Veröffentlichung: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet… Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, Kultur und Religion. Ausgewählte Veröffentlichungen aus drei Jahrzehnten, aufgedeckte und wieder verdrängte Erfahrungen aus den USA, aus Deutschland, der Europäischen Union und aus Köln. Papyrossa Verlag, Köln 2016, 220 Seiten. 2. Auflage Februar 2017.

Werner Rügemer kam hier in Nördlingen schon in unser soziales Forum. Einen wichigen Artiekel haben wir hier schon mal veröffenlicht: https://josopon.wordpress.com/2016/07/22/die-tiefe-krise-der-abhaengigen-arbeit/