USA planen Teilung Syriens und Beeinflussung des russischen Wahlkampfs – Interwiew mit Karin Leukefeld

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Alarmierend die offenheit, mit der hier die imperiale Strategie zugegeben wird.
Und traurig, dass es in den deutschen medien nicht zum Aufschrei kommt !
Es geht den USA über jahrzehnte lang um eine Erweiterung ihrer Militärbasen um Russland und den Nahen Osten herum. Dazu soll der regime change in Syrien dienen.
Die deutsche Kriegsvorbereitungspolitik mischt dabei eifrig mit.
Allein wegen solcher Hinweise lohnt sich ein Abo der jungen Welt:
https://www.jungewelt.de/artikel/328369.teilung-besprochen.html
Auszüge:

k_leukefeldUSA wollen dauerhaft in Syrien bleiben. Protokoll von Diplomatentreffen veröffentlicht

Von Karin Leukefeld

Die syrischen Streitkräfte und ihre Verbündeten konnten am vergangenen Wochenende in den Vororten östlich von Damaskus Geländegewinne verzeichnen. Dabei wurden Versorgungswege der »Islamischen Armee« und ihrer Verbündeten in Duma unterbrochen, landwirtschaftliche Nutzflächen und Wohngebiete im Süden und Osten der Kampfzone unter Kontrolle gebracht.
Die Bodenoffensive wurde von schweren nächtlichen Luft- und Artillerieangriffen begleitet. Beobachter berichteten vom Rückzug der »Islamischen Armee«.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der US-Präsident Donald Trump kritisierten am Freitag die russische Syrienpolitik speziell in der Ostghuta.
In einer Mitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hieß es, Moskau müsse die vom UN-Sicherheitsrat geforderte Waffenruhe in Syrien »umgehend und vollständig« umsetzen und seine Beteiligung an der Bombardierung in den östlichen Vororten von Damaskus stoppen. Außerdem müsse die syrische Regierung zur Rechenschaft gezogen werden.
»Dies gilt sowohl für den Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime als auch für dessen Angriffe gegen Zivilisten und die Blockade humanitärer Unterstützung.«
Der französische Präsident Emmanuel Macron wiederholte die Drohung, Syrien zu bombardieren, sollten »vom Regime« Chemiewaffen eingesetzt werden. Belege für deren Einsatz habe Paris nicht, räumte er ein.

Im Osten des Landes kam es am Wochenende erneut zu Angriffen der US-geführten »Anti-IS-Koalition« auf Gebiete unter der Kontrolle der Regierungsarmee.
Syrische und russische Medien berichteten von mehreren Luftattacken am Freitag auf ein Dorf im Südwesten der Provinz Hasaka. Dabei seien Zivilisten getötet und Dutzende verletzt worden.
Bereits am Tag zuvor waren bei US-Raketeneinschlägen in einem anderen Dorf drei Einwohner getötet worden.

In den vergangenen zwei Wochen waren bei Luftangriffen der US-geführten Allianz in den östlichen Provinzen von Hasaka und Deir Al-Sor entlang des Euphrat mindestens 69 Zivilisten getötet und viele mehr verletzt worden.
Die Pressestelle der US-geführten »Operation Unerschütterliche Entschlossenheit« spricht von 23 Luftangriffen auf Milizen des »Islamischen Staats« in der letzten Februarwoche.
Auch am 1. März seien südlich der Stadt Deir Al-Sor zwei Angriffe auf die Dschihadisten geflogen worden.

Der Euphrat soll nach US-Plänen innerhalb von Syrien eine neue Grenze werden, östlich des Flusses soll das Gebiet »Osteuphrat« entstehen.

Das geht aus einem Protokoll der britischen Botschaft in Washington hervor, über das die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar vor einer Woche berichtete. Internationale Reaktionen darauf blieben bisher fast vollständig aus.
Aufgezeichnet wurde dem Zeitungsreport nach das Treffen einer »Kleinen Syriengruppe« am 11. Januar, zu dem das US-Außenministerium Vertreter aus Großbritannien, Frankreich, Jordanien und Saudi-Arabien nach Washington eingeladen hatte. Der US-Diplomat David Satterfield erläuterte den Teilnehmern die US-Pläne über die Teilung Syriens, die eine andauernde US-Militärpräsenz östlich des Euphrat in den von Kurden kontrollierten Gebieten vorsieht.
Finanziert werden soll die Besatzung mit vier Milliarden US-Dollar jährlich.

Sollte Russland den Forderungen der USA und seiner Verbündeten in bezug auf Syrien nicht nachgeben, werde man vor den russischen Präsidentschaftswahlen »die Angreifbarkeit des Herrn Putin bestens zu nutzen wissen«, wird Satterfield in dem Protokoll laut Al-Akhbar zitiert.
»Wir werden die Stimmung gegen Assad unter den russischen Wählern intensiv anheizen, mehr Sitzungen im UN-Sicherheitsrat beantragen und begleitend eine Medienkampagne gegen ihn« starten.

Dazu hier noch ein aktuelles Interview mit Karin Leukefeld:

Syrien-Krieg: Die selektive Darstellung der Medien und der Politik in Deutschland

https://deutsch.rt.com/meinung/66212-wie-ausgewaehlte-darstellung-in-medien-und-politik-das-bild-von-syrien-in-deutschland-praegt/

Auszüge:

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Die Berichterstattung der Lage in Syrien ist von Einseitigkeit und Interessen geprägt. Das verhindert Aufklärung und vermittelt lediglich Teilansichten eines komplexen Konflikts.
Ein Kommentar von Karin Leukefeld.

Bei einem Vortrag über Syrien berichtete ich einmal über die Arbeit der Versöhnungskomitees. Von Anfang an hatte die syrische Gesellschaft in eigener Initiative versucht, die Gewalteskalation im Land zu stoppen. Viele Persönlichkeiten, die sich für die Versöhnung zwischen Armee und bewaffneten Gruppen in Syrien eingesetzt hatten, bezahlten ihr Engagement mit dem Leben. Andere übernahmen die Arbeit der Getöteten.
Es entstand ein Ministerium für die nationale Versöhnung und 2015 griff Russland die Initiative auf und unterstützte die Suche nach Frieden und Versöhnung mit einem „Russischen Zentrum für die Versöhnung der verfeindeten Seiten in Syrien“ – mit großem Erfolg.

Während ich bei der besagten Veranstaltung Beispiele der Versöhnungsarbeit in Syrien erläuterte, sprang ein Zuhörer auf und rief laut in den Saal: „Sie lügen! Sie haben sich das ausgedacht! Ich habe noch nie irgendwo in den Medien darüber gehört!“

Tatsächlich ist über die Versöhnungsarbeit in Syrien in deutschen Mainstreammedien kaum berichtet worden. Auch Angriffe der so genannten Rebellen auf die zivile Infrastruktur wie die Strom- und Wasserversorgung wurden kaum erwähnt.
Es gab keine Schlagzeilen darüber, dass 2014/15 die „moderaten Rebellen“ im Osten von Aleppo die Wasserversorgung Dutzende Male stoppten.

Und als die Fijeh-Quelle bei Damaskus kurz vor Weihnachten 2016 von bewaffneten Gruppen besetzt wurde, um die syrische Regierung dazu zu erpressen, sich den Forderungen der Kampfgruppen in den östlichen Vororten von Damaskus (Ghuta) zu fügen, schoben deutsche Medien mindestens indirekt die Schuld dafür dem „Assad-Regime“ zu.
Wollte man alles auflisten, was in den vergangenen sieben Jahren über den Krieg in Syrien nicht oder einseitig dargestellt wurde, wäre die Liste lang.

Nicht überprüft, trotzdem gesendet

Die Darstellung des Geschehens in Syrien ist ausgewählt und geprägt von wiederholten, kampagnenartigen Medienhypes. Bestimmte Meldungen werden aufgebauscht und übertrieben und selbst wenn ein Nachrichtensprecher sagt, dass man das Gemeldete „nicht unabhängig überprüfen“ könne, wird es trotzdem gemeldet.
Die Öffentlichkeit wird beeinflusst, Stimmung wird geschürt, auf diese Weise will man Strafmaßnahmen gegen Syrien, von der politischen Isolation über Sanktionen bis hin zu militärischen Angriffen vorbereiten.

In Zeiten des Internets und so genannter Sozialer Medien geschieht das innerhalb kürzester Zeit und je öfter diese „Hypes“ sich wiederholen, desto mehr setzen sie sich in den Köpfen der Öffentlichkeit fest. Kinder sind ein häufiges Opfer solcher Medienhypes. Man denkt, man sieht ihr Leid – das im Krieg zweifelsohne geschieht –, tatsächlich aber werden sie benutzt. Ein Feindbild soll gefestigt, die Akteure des Syrienkrieges in „Gut“ und „Böse“ aufgeteilt werden. Jeder erinnert sich an die kleine Bana Alabed aus Aleppo, die sich die Herzen der „freien Welt“ ertwitterte.

Dass die Tweets von ihrer Mutter verfasst worden war, um Stimmung gegen die syrische Regierung und Russland zu erzeugen, wurde später zwar bekannt, aber kaum berichtet. Fotos des kleinen Omran aus Aleppo, den „Weißhelme“ in einem Rettungswagen fotografierten, gingen um die Welt. Opfer eines Luftangriffs des „syrischen Regimes und Russlands“, berichteten die Medien. Erst später wurde bekannt, dass der kleine Junge ohne Wissen und Genehmigung seiner Eltern in den Krankenwagen gesetzt und fotografiert worden war.

Propagandistischer Kinderkreuzzug

Die Medien sind geschult darin, Tatsachen und wichtige Zusammenhänge auszulassen, um eine Nachricht möglichst griffig und skandalisierend zu verbreiten.
Was bleibt, ist das Bild leidender, angsterfüllter, verlassener Kinder in einem Krieg, für den das „Assad-Regime“ und dessen Unterstützer verantwortlich sind.
Das Bild des Jungen Raslan, dem vor laufender Kamera die Kehle von angeblich „moderaten Rebellen“ durchgeschnitten wurde, war in deutschen Leitmedien nicht zu finden.

Auch Politiker bedienen sich einer ausgewählten Darstellung von Syrien und beeinflussen damit die Sichtweise auf das Land.
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte vor wenigen Tagen (2. Februar 2018) mit US-Präsident Donald Trump.
Beide stimmten darin überein, dass „das syrische Regime und dessen russische und iranische Verbündete zu einer umgehenden und vollständigen Umsetzung der Resolution 2401 (2018) des UN-Sicherheitsrates aufgerufen“ seien, teilte Regierungssprecher Seibert in einer Presseerklärung mit.

Die Resolution fordert alle militärischen Akteure in Syrien zu einer 30-tägigen Waffenruhe auf. Doch Merkel und Trump konzentrierten sich lediglich auf zwei von Dutzenden Akteure im Syrienkrieg, auf Russland und auf das „Assad-Regime“. Russland müsse „seine Beteiligung an der Bombardierung Ost-Ghutas“ beenden und das „Assad-Regime zu einem Stopp der Offensivoperationen gegen zivile Gebiete“ bewegen.
Das „syrische Regime“ müsse „zur Rechenschaft gezogen werden“, so die Regierungsmitteilung. Das gelte „sowohl für den Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime als auch für dessen Angriffe gegen Zivilisten und die Blockade humanitärer Unterstützung.“

Die Meldung, dass der französische Präsident Emmanuel Macron Syrien mit Luftangriffen droht, sollte dort Giftgas eingesetzt werden, findet weite Verbreitung.
Dass sowohl Macron als auch US-Verteidigungsminister James Mattis eingeräumt haben, dass Beweise für einen Giftgaseinsatz der syrischen Regierungstruppen nicht vorliegen, wird kaum gemeldet.
In der deutschen Öffentlichkeit ist die Meinung, dass das „Assad-Regime“ Giftgas einsetzt, weit verbreitet, obwohl zwischen 2013 und 2016 sämtliche Chemiewaffenbestände Syriens unter internationaler Kontrolle abtransportiert und vernichtet worden war.

Umsturz statt Reform

Anstatt auf diese sehr positive Tatsache zu verweisen, wiederholen Medien unbestätigte Gerüchte von „moderaten Rebellen“, die seit 2011 ein Eingreifen der NATO, ein militärisches Eingreifen „wie in Libyen“(2011) fordern.
Auch oppositionelle Gruppen aus Syrien stellen den Konflikt einseitig dar und erhalten viel Raum in hiesigen Medien. Vertreter der „Nationalen Koalition der oppositionellen und revolutionären Kräfte in Syrien“ haben seit 2011 „Waffen, Waffen, Waffen“ für die Opposition in deutschen Medien gefordert. Andere Oppositionelle, die für einen Dialog mit der syrischen Regierung eintreten, finden kein Gehör.

Seit Beginn der türkischen Offensive auf die nordwestsyrische Region um die Kleinstadt Afrin (Provinz Aleppo) schaffen es auch die syrischen Kurden in die Schlagzeilen. Eine Demonstration „Frieden für Afrin“ Anfang März in Berlin brachte nach kurdischen Angaben 20.000 Menschen auf die Straßen, darunter auch Vertreter von Gewerkschaften, der Friedensbewegung und Parteien. *)
So richtig die Kritik an dem Krieg der Türkei gegen die Kurden (nicht nur) im Norden Syriens ist, so einseitig bleibt sie. Krieg wird nicht nur gegen die Kurden in Afrin, sondern seit sieben Jahren in und gegen ganz Syrien geführt.

Die Darstellung der Lage in Syrien ist von Interessen geprägt. Das verhindert Aufklärung und vermittelt in der Öffentlichkeit lediglich Teileinsichten in den komplexen Syrien-Krieg, in den innersyrische, regionale und internationale Akteure verwickelt sind.
Die Bundesregierung prangert Russland, Iran und die syrische Regierung an, weil Deutschland im Bündnis mit den USA, Großbritannien, Frankreich, Jordanien, Saudi-Arabien und Israel Wege zu einer möglichen Aufteilung Syriens erörtert.

Die in Deutschland unterstützte syrische Opposition verbreitet Meldungen, die ihr Anliegen – den Sturz der syrischen Regierung – fördern. Die kurdischen Verbände und Organisationen um die syrische Partei der demokratischen Union (PYD) prangern die Türkei und ihre Verbündeten an und stellen ihr Projekt einer nordsyrischen Föderation unter Selbstverwaltung als einzige Alternative dar.
Dass in ihrem Einflussgebiet im Nordosten Syriens mittlerweile 20 US-amerikanische Militärbasen und Flughäfen gebaut wurden, kommt in ihrer Darstellung nicht vor.

Schwarz-Weiß-Bild wird komplexer Realität nicht gerecht

Aufgabe der Medien wäre es, alle Seiten zu Wort kommen lassen, damit die Öffentlichkeit ein möglichst reales Bild der Lage in Syrien erhält. Ansätze für Versöhnung, für Frieden, Waffenstillstände, staatliche Amnestie, Vorschläge für politische Veränderungen kommen aber in den großen Medien kaum vor.
Und wenn darüber berichtet wird, wie über die „Konferenz für den nationalen Dialog“ in Sotschi oder die Genfer Syriengespräche, geschieht es mit Häme, Zweifel, Skepsis.
Jeder Dialog- und Verständigungsversuch in Syrien wurde niedergeschrieben oder –berichtet, noch bevor die Gesprächspartner überhaupt eingetroffen waren.

Für mögliches oder tatsächliches Scheitern werden Russland, Türkei und Iran verantwortlich gemacht, die Garantiemächte für Deeskalationsgebiete und Waffenstillstände in Syrien. Deren Politik wird nicht in ihren konfliktlösenden Ansätzen und Initiativen dargestellt, sondern als kriegstreibend.
Russland, das das „Assad-Regime“ bei den „Massakern an der eigenen Bevölkerung“ unterstützt. Der Iran, der Israel bedroht und die Türkei, die deutsche Journalisten inhaftiert.

Die interessensgeleitete Darstellung des Krieges in Syrien in deutschen Medien und in der Politik teilt ein in „Gut“ und „Böse“, in „Freund“ und „Feind“.
Das fördert Feindbilder und entspricht einem Weltbild nach dem Motto: Entweder Ihr seid für uns oder Ihr seid gegen uns. Die Welt so zu polarisieren – ob medial, politisch oder militärisch – entspricht nicht der Realität. Nicht in Syrien und auch nicht anderswo.

*) Wie ich bereits Ende Januar voraussagte, https://josopon.wordpress.com/2018/01/28/kurdenmassaker-in-afrin-banale-brutalste-weil-entfesselte-geopolitik/ sind die Kurden mittlerweile auf Unterstützung der regulären syrischen Armee unter dem v.a. von Christen und anderen religiösen Minderheiten gewählten Präsidenten Assad angewiesen.

Jochen

Washington und Berlin fordern Flugverbotszone für Syrien – nach Angriff unter falscher Flagge?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Eine gewisse Regelmäßigkeit fraglicher Angriffe, die der syrischen oder russischen Armee zugeschoben werden, fällt auf, jeweils passend vor einer UN-Vollversammlung.
Dass das dort eingesetzte Nervengas Sarin nicht von der syrischen Armee, sondern aus den Beständen von (der früher von den USA unterstützten) al-Nusra stammte“, hat außer einer kleinen Randnotiz hier in der Presse auch noch keine Erwähnung gefunden. Niemand schämt sich, niemand entschuldigt sich für die Falschmeldung, die fast zu einem Weltkrieg geführt htte.
http://www.hintergrund.de/201609224118/politik/welt/syrien-washington-und-berlin-fordern-flugverbotszone.html

Den unaufgeklärten Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi nehmen Washington und Berlin zum Anlass, auf die Einrichtung einer Flugverbotszone in Syrien zu drängen

Von REDAKTION, 22. September 2016

Während der gegenwärtig in New York tagenden UN-Vollversammlung machen sich die Konfliktparteien gegenseitig für ein Scheitern der Waffenruhe in Syrien verantwortlich. Aufgeheizt wird die Debatte durch einen in der Nacht zu Dienstag erfolgten Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi, bei dem über zwanzig Menschen getötet worden sein sollen.

Der aus Fahrzeugen der UN und des Syrischen Arabischen Roten Halbmondes (SARC) bestehende Konvoi war aus dem von der Regierung kontrollierten Westteil Aleppos gestartet, wo er zuvor tagelang festsaß, bevor Damaskus schlielich grnes Licht fr die Weiterfahrt in die von Aufstndischen kontrollierte Kleinstadt Urum al-Kubra erteilte. Nach seiner Ankunft an einem dort befindlichen SARC-Lager, wo die Hilfsgüter entladen werden sollten, erfolgte der Angriff. Bei diesem sind nach Angaben von Hilfsorganisationen 18 der insgesamt 31 Lastwagen zerstört worden.

„Alle unsere Informationen besagen eindeutig, dass dieses ein Luftangriff war, für den nur zwei Einheiten verantwortlich sein können: das syrische Regime oder die russische Regierung“, sagte der stellvertretende Sicherheitsberater von US-Prsident Barack Obama, Ben Rhodes, am Dienstagabend in New York. „Auf jeden Fall machen wir Russland für Luftangriffe in dieser Gegend verantwortlich“, sagte Rhodes.

Es werde nach einer vorlufigen Einschätzung davon ausgegangen, dass russische Kampflugzeuge den UN-Konvoi angegriffen haben, zitierte CNN dann zwei US-Regierungsvertreter, die nicht namentlich genannt wurden. Alle Beweise, die wir haben, deuten auf diese Schlussfolgerung hin, sagte einer der beiden dem US-Sender. Um welche Beweise es sich dabei handeln soll, wurde nicht mitgeteilt.

Das Außenamt in Moskau wies die Anschuldigungen strikt zurck. „Mit Empörung nehmen wir die Versuche (…) wahr, der russischen und der syrischen Luftwaffe die Verantwortung fr den Zwischenfall zu geben“, hieß es nach Angaben der Agentur Interfax in einer Mitteilung. Für solche Anschuldigungen gebe es keine Beweise. „Das Militär wird die Vorgänge vom 19. September prüfen, um alle Details zu klären“, hieß es weiter.

Im Einklang mit den USA hat sich auch die Bundesregierung unverzüglich festgelegt, wer die Schuld an dem Angriff trgt. Kanzlerin Angela Merkel verurteilte diesen scharf. Offensichtlich besteht auf seiten des Regimes und seiner Verbündeten kaum Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts, ließ sie über die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch verkünden.

Schuldzuweisung mit Widersprüchen

Russland hatte die Fahrt des Konvois mittels einer Aufklrungsdrohne bis zur Ankunft in Urum al-Kubra berwacht, woraufhin der Drohneneinsatz abgebrochen wurde. Entsprechendes Bildmaterial hatte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag verffentlicht. Damit hat sich Moskau selbst überführt. zumindest wenn man der Argumentation  von Spiegel-Autor Christoph Sydow folgt, der in den Aufnahmen einen Beweis für Moskaus (Mit-)Täterschaft erkannt haben will: „Und vieles deutet auf einen gezielten Angriff durch die syrische oder russische Luftwaffe hin: Eine russische Drohne, die den Waffenstillstand in Aleppo und Umgebung berwachen sollte, filmte die Lastwagen, nachdem sie am östlichen Stadtrand von Urum al-Kubra eingetroffen waren. Der russische Staatssender  RT stellte die Bilder live ins Internet. Darauf sind die Fahrzeuge deutlich zu erkennen. Das legt den Schluss nahe, dass die Angreifer ganz genau wussten, wen sie treffen.“

Diese Schlussfolgerung liegt allerdings nur demjenigen nahe, der zuvor bereits wie der Autor des zitierten Artikels den Schluss gezogen hat, dass die Verantwortlichen des Drohneneinsatzes mit den Angreifern identisch sein müssen.
Wenn
die russische Luftwaffe den Hilfskonvoi bombardiert hat, dann wusste sie ganz genau, wen sie trifft – nur müsste gerade das zunächst bewiesen werden, um eine solche Schlussfolgerung zu ziehen.

Ähnlich schwach fehlt die Begründung aus, warum die USA nicht für den Angriff verantwortlich sein können:
„Für den Luftschlag kommen nur Assads Truppen und ihre russischen Verbündeten in Frage, denn die Anti-IS-Koalition der USA ist in dem Gebiet nicht aktiv weil Urum al-Kubra und Umgebung nicht unter Kontrolle des „Islamischen Staats“ (IS) stehen, das IS-Territorium liegt zig Kilometer entfernt.“

Hier wird unterschlagen, dass die US-Luftwaffe in Syrien zwar vornehmlich, aber nicht ausschlielich den IS ins Visier nimmt. Schon die ersten im September 2014 in Syrien durchgefhrten Luftschlge der US-geführten Koalition waren nicht allein dem IS vorbehalten, sondern richteten sich auch gegen die Nusra-Front und ihrem Ableger, der Khorasan-Gruppe.

Im April dieses Jahres führte das US-Militär beispielsweise einen Luftschlag „gegen ein Treffen führender Al-Kaida-Mitglieder im Nordwesten Syriens durch, zahlreiche Feinde wurden getötet“wie ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums erklärte die genannten Angriffsziele lagen alle zig Kilometer vom IS-Territorium entfernt.

Zum Zeitpunkt des Angriffs auf den UN-Konvoi soll Moskau zufolge eine US-Kampfdrohne vom Typ Predator das Gebiet in 3600 Meter Höhe überflogen haben, die vom Stützpunkt Incirlik in der Türkei aufgestiegen sei.
Das knne mit Daten der Luftaufkälrung objektiv belegt werden, so das russische Verteidigungsministerium – Washington bestreitet diese Darstellung.

„Ich sage nicht, dass die USA den Konvoi bombardiert haben“, äußerte sich der Vizechef des Verteidigungsausschusses in Moskau, Franz Klinzewitsch. „Aber es ist klar, dass sie den Konvoi schamlos für einen Informationskrieg benutzen“, kritisierte er.
Russlands Außenminister Sergei Lawrow drängte am Mittwoch im UN-Sicherheitsrat auf eine eingehende und unabhängige Untersuchung des Vorfalls, den er als „inakzeptable Provokation“ bezeichnete.

„Ich schaue mir Möglichkeiten an, um diese und andere Gräueltaten gegen Zivilisten energisch zu untersuchen“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat. Der Angriff sei eine Schandtat gewesen.

Indes ist noch unklar, ob dieser überhaupt aus der Luft erfolgte. Zumindest sät Moskau Zweifel an dieser Darstellung: „Wir haben Videoaufzeichnungen geprft und keine Anzeichen festgestellt, dass die Wagenkolonne von Munition – welcher Art auch immer – getroffen wurde. Zu sehen sind keine Bombentrichter, die Wagen weisen keine Schäden durch eine Druckwelle auf. Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes„, erklärte Generalmajor Igor Konaschenkow.

Aus bisher veröffentlichtem Bildmaterial lässt sich jedenfalls nicht zwingend schließen, dass der Angriff aus der Luft erfolgte –  ausschließen lsst sich das jedoch auch nicht. Die UN spricht daher lediglich von einem Angriff.
„Wir sind nicht in der Lage festzustellen, ob es sich tatschlich um einen Luftangriff gehandelt hat“, sagte UN-Sprecher Jens Laerke am Dienstag.

Widersprüchlich sind die Angaben, wie der Luftangriff erfolgt sein soll. Hussein Badawi, der den Syrischen Zivilschutz (Weißhelme *) in Uram al-Kubra leitet, sprach von einem Angriff durch Raketen und Hubschrauber, die Fassbomben abgeworfen hätten. Die Attacke habe sich über Stunden hingezogen.
Das Pentagon hingegen behauptet inzwischen, zwei russische Bomber vom Typ SU-24 hätten den Angriff geflogen, der zwei Stunden angedauert habe.

Angriff unter falscher Flagge?

Angesichts der Unmöglichkeit, die sich widersprechenden Aussagen und Vorwürfe überprfen zu können, drängt sich dem außenstehenden Beobachter die Frage nach einem möglichen Motiv geradezu auf, um zu einer besseren Einschätzung des Sachverhalts kommen zu können.
Und so stellt sich die Frage, aus welcher Absicht heraus Moskau einen UN-Hilfskonvoi angreifen sollte? Immerhin riskiert Russland in Syrien das Leben eigener Soldaten, um Transporte mit UN-Hilfsgütern zu ermöglichen.

Ein plausibles Motiv fehlt auch im Fall der syrischen Armee. Wenn diese mit dem Angriff verhindern wollte, dass der Konvoi sein Ziel erreicht, dann hätte sie ihn einfach gar nicht erst losfahren lassen mssen. #
Die Frage nach einem begründbaren Motiv wird von hiesigen Politikern und Leitmedien aber gar nicht erst gestellt. Moskau und Damaskus gehren ohnehin zu den Bösen, denen traut man auch zu, dass sie grundlos einen Hilfskonvoi plattbomben und damit einmal mehr der Weltöffentlichkeit den Beweis liefern, wie bsartig sie sind.

Für die USA hingegen kommt der Angriff auf den Konvoi geradezu wie gerufen.
Am Wochenende bombardierte die US-Luftwaffe Stellungen der syrischen Armee, bei der ber achtzig Soldaten getötet wurden, die einen Angriff des Islamischen Staat abwehren wollten. Die Schützenhilfe für die Terrormiliz ist nun kaum noch ein Thema.

Ebenso kann Washington davon ablenken, darüber hinaus maßgeblich für das Scheitern der Waffenruhe verantwortlich zu sein. Diese sah vor, dass die USA Druck auf die von ihr unterstützten „moderaten Rebellen“ ausüben, sich von den Dschihadisten der Fatah al-Sham (ehemals al-Nusra Front) zu distanzieren. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Der Anführer der „Armee der Eroberer“ – ein Rebellenbündnis, dem neben Fatah al-Sham auch moderate Kampfgruppen angehören – verhöhnte Washington kürzlich in einem Fernsehinterview. Die nicht erfolgte Distanzierung der „Moderaten“ von Fatah al-Sham bezeichnete Abullah Muhaysani darin als Ohrfeige für US-Außenminister John Kerry und all jene, die die verschiedenen Fraktionen gegeneinander aufhetzen wollten.

Dass Washington aus dem Angriff auf den Hilfskonvoi Vorteile schlagen kann, ist natürlich kein Beweis für eine Täterschaft. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Rebellen auf eigene Faust einen Angriff unter falscher Flagge durchführten wie schon so oft im Verlaufe des Krieges.

Der Nahostexperte und Publizist Jürgen Todenhöfer (Inside IS) bezeichnete die Vorgehensweise, gezielt Zivilisten zu töten und diese anschließend als Opfer der Regierung auszugeben, als „Massaker-Marketing-Strategie“. Diese gehörezum Widerlichsten, was ich in kriegerischen Auseinandersetzungen jemals erlebt habe.“

Vorlufiger Höhepunkt des „Massaker-Marketings“ war der Giftgaseinsatz im August 2013 in Ghuta bei Damaskus, bei dem hunderte Menschen starben, und der beinahe eine direkte militrische Intervention der USA zur Folge gehabt htte. „Obama ließ einen Schlag mit seegestützten Cruise Missiles planen“, heisst es diesbezüglich in einem vor drei Wochen erschienen Artikel der Welt.
Eine vom britischen Nachrichtendienst vorgenommene Analyse des verwendeten Sarins habe jedoch ergeben, dass es sich nicht um Sarin des syrischen Regimes handeln konnte, sondern dieses aus den Beständen von al-Nusra stammte.
„Obama jedenfalls ließ seinen Plan fallen“, so der Artikel. Eine Fülle von Indizien weist in Richtung der Assad-Gegner als Urheber des Chemiewaffeneinsatzes  – entsprechende Konsequenzen seitens des Westens blieben allerdings aus.

„Ist Ihnen eigentlich nie aufgefallen, dass vier Massaker, die die Rebellen in den letzten vier Monaten der Regierung unterschieben wollten, teilweise unmittelbar vor oder während einer Sitzung des Uno-Sicherheitsrats stattfanden?“, fragte Todenhöfer seinen Kontrahenten in einem im Sommer 2012 vom Spiegel veröffentlichten Streitgespräch.

Pünktlich, so ließe sich daran anknüpfend sagen, erfolgte der Angriff auf den Hilfskonvoi zum Beginn der UN-Vollversammlung. John Kerry nutzte jedenfalls die Gunst der Stunde, um erneut auf die schon lange gewnschte Einrichtung einer Flugverbotszone ber den Gebieten zu drängen, die von den Aufständischen kontrolliert werden.

Kaum hatte der US-Außenminister seine Forderung nach einem Flugverbot ausgesprochen, eilte Berlin nach: „Wenn der Waffenstillstand überhaupt noch eine Chance haben soll, führt der Weg nur über ein zeitlich begrenztes, aber vollständiges Verbot aller militrischen Flugbewegungen ber Syrien mindestens für drei, besser für sieben Tage“, erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Er begründete seinen Vorschlag damit, dass mit einem solchen Flugverbot die Vereinten Nationen die Mglichkeit hätten, ihre Hilfslieferungen fr die notleidenden Menschen in Syrien wieder aufzunehmen.
Für eine Flugverbotszone sei es „allerhöchste Zeit“, erklärte auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen. Er forderte, dass nun auch Russland zur Verantwortung gezogen werde und solch einer Flugverbotszone zustimmen sollte.

Auch die Grünen-Politikerin Franziska Brantner untersttzt dieses Anliegen und brachte bei dieser Gelegenheit implizit den Einsatz von Bodentruppen ins Spiel: „Eine Flugverbotszone brächte wenig, wenn zwar vorbergehend nicht bombardiert wrde, Hunderttausende Menschen aber weiter ausgehungert würden“, so Brantner.

Die Begründung des Außenministers hinkt jedoch: Es war nicht die syrische Armee, sondern die vom Westen unterstützten Aufständischen, die die im Waffenstillstandsabkommen vereinbarten UN-Hilfslieferungen nach Aleppo blockierten.
Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow erteilte der Forderung nach einer Flugverbotszone bereits eine Absage: „Diese Initiative ist zumindest im Moment nicht umsetzbar“, sagte er am Donnerstag gegenüber Interfax. Zunächst müssten die USA und ihre Partner Druck ausüben „auf jene Kräfte, die denken, dass nur Krieg das Problem lösen kann.“

(mit dpa)

* Die Weißhelme sind eine eng mit den Aufständischen kooperierende Hilfsorganisation, die von westlichen Regierungen finanziert wird. Kritiker – wie jüngst chinesische Staatsmedien – werfen ihr vor, sich nicht von Terrorgruppen abzugrenzen und Propaganda für die Aufständischen zu betreiben.