Mietmäuler des Kapitals zur neuen SPD-Spitze: Apokalyptische Writer

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Passende Beschreibung mit einer Menge Namen von „Qualitätsjournalisten“ in den Leim-Medien:

https://uebermedien.de/43954/apokalyptische-writer/
Dort auch interessante Kommentare. Auch Albrecht Müller hat auf seinen NachDenkSeiten schon einiges kommentiert.
Hier auszugsweise der Artikel:

Apokalyptische Writer

Wer prognostiziert den politischen Untergang am unheilvollsten? Wie viele Hiobsbotschaften darf man aus einer politischen Entwicklung extrapolieren, bevor man beim Schreiben eine Warnweste tragen muss? Sind Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans, Olaf Scholz und Klara Geywitz die vier Apokalyptischen Reiter?

Schaut man sich die politischen Kommentare an, die in den vergangenen beiden Tagen über die Wahl der neuen SPD-Parteivorsitzenden erschienen sind, scheint der Zusammenbruch der deutschen Demokratie unmittelbar bevorzustehen.

So schreibt Frank Pergande in der FAS:

„Esken und Walter-Borjans bekommen nun ihre Chance, aber die SPD gibt sich auf, und für Deutschland ist das ein politisches Erdbeben. Niemand sollte sich etwas vormachen: In dieser SPD können auch Esken und Walter-Borjans schneller als gedacht scheitern.“

In der heutigen FAZ setzt Jas­per von Al­ten­bock­um die Allusion an das Seismographische fort:

„Mit Sas­kia Es­ken und Nor­bert Wal­ter-Bor­jans wird es kei­ne neue Mor­gen­rö­te ge­ben. Die SPD wan­delt durch ei­ne Trüm­mer­land­schaft.“

Unweigerlich stelle ich mir Jas­per von Al­ten­bock­um als eine publizistische Trümmerfrau vor, die durch ein postapokalyptisches Berlin irrt. Wo soll er helfen, was kann er aufbauen?

Im „Tagesspiegel“ geht Stephan Haselberger einen Hauch vorsichtiger an die Sache ran:

„Auf diese Entscheidung, so viel ist sicher, werden schwere Erschütterungen folgen. Sie können die große Koalition zum Einsturz bringen und die deutsche Sozialdemokratie als Volkspartei zerstören.“

Und in der „Zeit“ klingt es fast ein bisschen pop-lyrisch, wenn Lisa Caspari feststellt:

„Nun ist etwas gebrochen, und es könnte der Moment sein, in dem die SPD auseinanderfällt – und sich die Welt einfach ohne sie weiterdreht.“

Die „Bild“-Zeitung lettert indes auf ihre Titelseite ein riesiges „EIN DRAMA!“ und zitiert damit Brigitte Seebacher, die Witwe von Willy Brandt.
Während sie angeblich „entsetzt über die SPD“ ist, bin ich entsetzt darüber, wie entsetzt alle sind.

Doppelt dramatisch sieht es Jochen Arntz für die „Berliner Zeitung“, mal zur Abwechslung nicht wegen Silke und Holger, sondern wegen Saskia und Norbert:

„Die Suche nach einer neuen SPD-Spitze war sehr demokratisch, fast urdemokratisch. Das Ergebnis ist dramatisch, sehr dramatisch.“

Mein Lieblingskommentar ist jedoch in seinem Memento-mori-artigen, suizidfaszinierten Understatement der Take von Gabor Steingart, der sein heutiges „Morning Briefing“ mit folgenden Worten einleitet:

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„Die Sozialdemokraten aller Herren Länder laden in diesen Tagen zum Totentanz. In einer spektakulären Choreografie tänzeln moribunde Parteien und ihre präfinalen Protagonisten an den Bühnenrand, um ihre Wollust am eigenen Untergang mit dem Publikum zu teilen.“

Luxemburg, Marx und Brecht kommen in dieser Hieronymus-Bosch-Fantasie ebenfalls vor.*)

Kränkungen der Deutungshoheit

Weil sich viele JournalistInnen in ihrem Katastrophen-Kommentarismus zu #Eskabolation geradezu beängstigend einig sind, wirkt es wie ein kleiner stiller Wettbewerb, in dem es darum geht, die dramatischste Kassandra-Haltung an den Tag zu legen, ohne eine gekonnte Kenner-Pose vermissen zu lassen. Diese überzeugte Einstimmigkeit ist vor allem deshalb bemerkenswert, da hier mit nostradamischer Gewissheit die Zukunft der SPD nun nicht mehr nur vermutet, sondern selbstsicher gewusst wird, obwohl der Wahlsieg von Esken und „Nowabo“ offenbar zuvor in den Kristallkugeln und vorgefertigten Textbausteinen der BerichterstatterInnen nicht aufgetaucht war.

Der seltsam passiv-aggressive Sound der Stücke ist um keinen defätistischen Superlativ verlegen und klingt stellenweise, als sei man eingeschnappt darüber, dass die Wahl anders ausging, als man es empfohlen oder vorhergesagt hatte; kompensatorisch dafür, dass man wie Christian Lindner von dem Ergebnis übertölpelt wurde, musste es jetzt erst recht ins Katastropheske hinabgeschrieben werden – denn wenn man schon falsch lag, dann wenigstens bei etwas, wo alle blöd dastehen.

In den Kommentaren schimmern vor allem drei große Kränkungen durch:

1. Die kosmologische Kränkung

Der unterstellte politische Egoismus der SPD-Basis, die sich trotzig gegen die Groko positioniert, weg von der Mitte nach links, journalistisch gerne mit den Hülsen „Groko-kritisch“ und „Groko-Skeptisch“ umschrieben.

Der Vorwurf: Man handele durch diese Wahl willentlich autodestruktiv und nicht utilitaristisch genug, ignoriere Warnungen und Mahner zugunsten von „neuen sozialdemokratischem Unsinn“ und einer Mission, die übers „Selbsttherapeutische“ nicht hinausgehe.

Das klingt im „Tagesspiegel“ so:

„Allen Warnungen zum Trotz hat die SPD-Basis die Zukunft des Landes und die Zukunft der SPD in die Hände von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gelegt. (…)

Nach einem Exit aus der Groko können daraus schnell Werte unter der 10-Prozent-Marke werden, zumal der Ausstieg aus dem Regierungsbündnis in der Sache nur schwer zu begründen sein dürfte. Mit großem Verständnis der Bürgerinnen und Bürger können Esken und Walter-Borjans nicht rechnen.“

Warum hören die Wähler denn nicht mehr auf Warnungen? In der „Zeit“ konstatiert man konsterniert:

„Mit der Wahl von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken haben sich die SPD-Mitglieder für den Bruch entschieden. Sie haben alle Warnungen des Parteiestablishments ignoriert (…).“

Aha, eine Antwort ist in der FAS zu finden, die wichtigen Warner warnten nicht mehr:

„In der SPD gab es immer die altvorderen Ratgeber und die Warner, auf die gehört wurde. Dieses finale Mal blieben sie stumm. (…) Es ist rätselhaft, dass so viele Sozialdemokraten nicht zu merken scheinen, dass die Farce, die die Partei gerade inszeniert, eine letale Tragödie sein wird.“

In der „Berliner Zeitung“ ist ein latenter Vorwurf des mangelnden Machtwillens zu lesen, der mit der Wahl zum Ausdruck gebracht werde – eine interessante Einschätzung dieses demokratischen Akts:

„Wer möchte einer Sozialdemokratie seine Stimme geben, deren Basis gerade klar gemacht hat, dass sie am liebsten von denen geführt wird, die eigentlich nicht regieren wollen. Von denen, die politische Macht, aus der ja Gestaltungskraft erwächst, nicht unbedingt anstreben?

Das werden wohl noch weniger Wähler wollen, als die wenigen, die bisher noch bei der SPD verblieben waren. Deshalb mag die Basis der Partei sich nun darüber freuen, dass sie die Vorsitzenden bekommt, die sie wollte. Als politische Kraft aber hat sich die SPD gerade selbst abgewählt.“

Pergande stellt das Verantwortungsbewusstsein der Basis in Frage, wenn er in der FAS väterlich feststellt:

„Zerstört die SPD sich so selbst? Zumindest lässt die Wahl von Esken und Walter-Borjans die Partei weiter im Ungewissen. Und sie zeugt nicht von staatspolitischer Verantwortung.“

Er ist sich da mit Thorsten Jungholt einig, der in der „Welt am Sonntag“ enttäuscht?, verschnupft?, eine Vernunft von damals einer Selbstbezüglichkeit von heute gegenüberstellt. SPD, aber früher warst du doch nicht so!

„Vor zwei Jahren noch hatte die Vernunft obsiegt. Die Mitglieder der ältesten Partei Deutschlands stimmten damals mit klarer Mehrheit für den erneuten Eintritt in die große Koalition – entgegen der Gefühlslage in der Sozialdemokratie. (…) Es war eine staatstragende Entscheidung der SPD-Basis, nach dem Motto: Erst das Land, dann die Partei.

Das ist Geschichte. (…) Die Sozialdemokratie hat sich gegen das Regieren und für die weitere Selbstbeschäftigung mit der eigenen Befindlichkeit entschieden.“

2. Die psychologische Kränkung

Die Empörung über die Abwahl von Scholz, obwohl er laut Kommentatoren der geeignetere Kandidat gewesen wäre, was also einer Ablehnung der Wahlempfehlung der Kommentatoren gleichkommt, was den Schluss nahelegt, dass nächstes Mal vielleicht besser die Kommentatoren abstimmen sollten.

Anne Will fragte gestern zu Beginn ihrer Sendung sinngemäß, was denn damit gewonnen sei, dass man Olaf Scholz derart gedemütigt habe, als ob das ein Handlungsmotiv der Wähler oder die Intention der Gegen-Kandidaten gewesen wäre. Wenn auch „Spiegel Online“ von einer „Quittung“ schreibt, ist es, als ginge man davon aus, dass willentlich gegen Scholz gestimmt wurde, statt für Esken und Walter-Borjans.

In der „Berliner Zeitung“ ist man sich gewiss, dass man zwar nicht direkt für Scholz ist, aber noch viel weniger gegen ihn:

„Sicher, die Alternative Olaf Scholz war auch schwierig, weil relativ offen ist, wofür Scholz politisch steht. Eins aber ist klar: Er will, dass die SPD eine Partei ist, die aus Wählerstimmen einen Regierungsauftrag macht.“

Jasper von Altenbockum betont, was die Wahl vor allem für Olaf Scholz, den Vizekanzler bedeutet:

„Als Par­tei­chef soll [Walter-Borjans] nun aber Au­tori­tät ge­gen­über ei­nem Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter ent­wi­ckeln, der zehn­mal so viel Er­fah­rung hat wie er, als sein Ge­gen­kan­di­dat in der Ur­wahl aber so de­mon­tiert wur­de, dass sei­ne Po­si­ti­on als Vi­ze­kanz­ler ram­po­niert ist.“

Und auch die „Berliner Zeitung“ betrauert, bei aller Unsicherheit, vor allem Olaf Scholz, den Vizekanzler:

„Sie wollen der Union nun Bedingungen für einen Verbleib in der Regierung stellen. Mit Olaf Scholz, dem Vizekanzler, wäre das nicht passiert.“

Apropos betrauern: In „Zeit Online“ analysiert Peter Dausend wiederum die Analyse von Scholz.

„Wissend, was sich gehört, hat er dann die Bühne im Willy-Brandt-Haus für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans geräumt, sich an den Rand gestellt und so lange hinter einer Grinsemaske versteckt, bis Malu Dreyer beendet hat, was ihm wie ein Spuk vorkommen muss. Und dann ist er verschwunden. Keine Nachfragen, keine Interviews, kein Wort mehr. Nur noch weg hier. Es ist vorbei.

Die politische Welt des Olaf Scholz ist an diesem Samstagabend, um 18:07 Uhr, zusammengebrochen.“

(Wenn man den Text in die Vergangenheit setzt und laut liest, klingt es wie eine sehr schöne Grabrede.)

Im Kommentar von Nico Fried in der „Süddeutschen Zeitung“ hört man fast die Enttäuschung eines Elternteils raus, das über die finale Partnerwahl der Kindes mehr als unglücklich ist.

Außerdem wird durch die Entscheidung der Basis offenbar nicht nur Olaf Scholz selbst brüskiert, sondern alle Personen, die für Scholz gearbeiteten haben und vielleicht auch alle seine Vorfahren und Kindeskinder.

„Obwohl fast alle Bedingungen, die die Sozialdemokraten sich und dem Koalitionspartner damals selbst gestellt haben, erfüllt, manche sogar übererfüllt wurden, hat die Basis ihre Unzufriedenheit über die große Koalition nun an deren Protagonisten ausgelebt. Denn das Ergebnis der Stichwahl brüskiert nicht nur Scholz, es ist eine Ohrfeige für alle Bundesminister und Parlamentarischen Staatssekretäre, für die Bundestagsfraktion und nicht zuletzt für die verbliebene Übergangsvorsitzende Malu Dreyer, die sich für die SPD und in der Koalition in den vergangenen Monaten beispiellos ins Zeug gelegt hat. Sie alle haben gegen Esken und Walter-Borjans verloren.“

3. Die evolutionsbiologische Kränkung

Die Kandidaten, die im eigenen Survival-of-the-fittest-Rankingnicht ganz vorne stehen, feiern einen politischen Erfolg, obwohl sie nach Wahrnehmung der Kommentatoren inkompetent und unbekannt sind.

Der „Tagesspiegel“ prognostiziert selbstsicher, wie die besten Freunde des Hochzeitspaars:

„Eine weithin unbekannte Bundestagsabgeordnete vom linken Rand und einen mäßig erfolgreicher Landesfinanzminister außer Dienst an der Spitze von Deutschlands ältester Partei – das kann nicht gut gehen.“

In der „Welt“ ist Walter-Borjans ein „Politrentner“, Esken eine „Hinterbänklerin“. Überraschend sei das Ergebnis auch, weil beide überschaubare Qualifikationen für ihre neue Aufgabe hätten:

„Immerhin hat der rheinische Grieche Regierungserfahrung, was sich von seiner Partnerin Esken nicht behaupten lässt. Die sitzt seit 2013 auf den hinteren Bänken des Bundestags und will ihre Erfahrungen im zerstrittenen Landeselternbeirat Baden-Württemberg, den sie nach eigener Aussage in zwei Jahren demokratisierte, nun auf die Partei übertragen.“

Auch Pergande in der FAS betont, dass beide „deutlich weniger bekannt als etwa Olaf Scholz“ seien, interessant ist allerdings auch, dass das Alter in Kombination mit ihrer Vita gegen die beiden angeführt wird:
„Esken ist 58 Jahre alt, Walter-Borjans 67. Beide hatten noch nie bundespolitische Ämter inne und haben von der Führung der schwierigen SPD bestenfalls eine vage Vorstellung.“

Altenbockum in der FAZ ringt sich noch ein „Mit Verlaub“ ab, die argumentativen Bauteile sind jedoch nahezu identisch:

„In der Bun­des­tags­frak­ti­on muss sich, soll­te der Par­tei­tag dem Vo­tum der Mit­glie­der fol­gen, der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de künf­tig von ei­ner, mit Ver­laub, Hin­ter­bänk­le­rin und Ko­ali­ti­ons­geg­ne­rin er­klä­ren las­sen, wie es für ihn und die Ko­ali­ti­ons­be­für­wor­ter, die Mehr­heit der Frak­ti­on, wei­ter­geht. An Es­kens Sei­te soll ein Ko-Vor­sit­zen­der ste­hen, der we­der Man­dat noch Par­tei­amt hat, der sich erst ein­mal ein­ar­bei­ten muss und des­sen höchs­te Spros­se auf der Kar­rie­re­lei­ter das Amt des Fi­nanz­mi­nis­ters von Nord­rhein-West­fa­len war, ein Amt, das er mit­tel­präch­tig aus­füll­te.“

Das journalistische Urteil: Sie haben sich nicht ausreichend erarbeitet und deswegen nicht wirklich verdient, gewählt zu werden.

Blättervohersage

Die Analysen, die prophetisch sein wollen, aber an die Grenzen des eigenen Journalisten-Egos stoßen müssen, erzeugen Zyklen und Routinen, stetig wiederkehrenden Formulierungen, die die Lücke des Spekulativen überbrücken sollen.

Dieser Effekt wird hier durch die fast schon unheimliche Einhelligkeit der Einstellung zur SPD verstärkt und erinnert an die Texte, die der Landsberger Poesieautomat von Hans Magnus Enzensberger herstellt.
Diese Apparatur setzt per Zufallsprinzip Satzglieder zusammen, die am Ende in ihrer Willkür Poesie ergeben, Zufallsgedichte.

Die Verblüffung sagt viel über die journalistische Wahrnehmung der sozialdemokartischen Partei aus, in der eine sozialdemokratischere Ausrichtung nur eine trojanische Finte von Kevin Kühnert sein kann. Und in der die Wähler gar Truppen sind, die in seinem Auftrag „zur Wahlurne stürmen, um der ungeliebten Großen Koalition einen Denkzettel zu verpassen“, wie es Michael Bröcker, ehemaliger Chefredakteur der „Rheinischen Post“, heute in Steingarts „Morning Briefing“ beschreibt.

Die allgemeine Fassungslosigkeit über die „rote Revolte“ ergäbe jedoch nur Sinn, wenn man bis dahin davon ausgegangen wäre, dass bisher doch alles wunderbar lief.

Außerdem: Hätte Olaf Scholz gewonnen, hätte man medial das „Weiter so!“ beklagt, die Erschütterungen, Beben, Totentänze, Selbstzerstörungen argumentativ zwar anders ausstaffiert – aber mit exakt demselben Fazit geschlossen:

  • „Als politische Kraft hat sich die SPD gerade selbst abgewählt.“ („Berliner Zeitung“)
  • „Die SPD ist sich selbst nicht gut genug.“ („Süddeutsche Zeitung“)
  • „Sie hat sich vielmehr selbst aufgegeben.“ („Welt“)

Da die SPD am 23. Mai 1863 gegründet wurde, ist ihr Sternzeichen Zwilling. Im Horoskop stand für den Zwilling am 30.11. folgendes:

„Das positive Sextil zwischen Merkur und Saturn bewirkt heute und morgen, dass wir nun auf unsere beruflichen Angelegenheiten großen Wert legen.
Der Mond, der abends in den Wassermann tritt, macht uns generell freundlicher, als wir sonst sind.
Die negative Seite könnte sein, dass wir jetzt ein sehr starkes und eigentlich irrationales Freiheitsbedürfnis verspüren, das sich extrem auswirkt bis hin zur Dickköpfigkeit, was von den anderen allerdings nicht verstanden wird.“

 

Zwei Geisterreiter rasen aufeinander zu: Der Anfang vom Ende der deutschen Medien und das Komplettversagen der Linken

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Wolf_ReiserGuter Übersichtsartikel von Wolf Reiser mit persönlicher Note und originellen Wortschöpfungen auf heise.de, dort auch eine ausführliche Diskussion un den Kommentaren:
https://www.heise.de/tp/features/Two-Riders-were-approaching-Der-Anfang-vom-Ende-der-deutschen-Medien-4158735.html
Vgl. dazu auch das Piepsen der Küken. Eine Piepsanleitung ist im Kasten weiter unten *) zu lesen.

Es gehört zum Komplettversagen der Linken, dass sie sich die Sache mit der Lügenpresse von den Dumpfbacken der Pegida aus der Hand nehmen ließ

Seit dem experimentellen Kosovo-Fake haben sich „unsere“ Medien von ihrer grundsätzlichen Funktion verabschiedet und sich schrittweise von ihrer Existenzberechtigung befreit.
Wer die „Arbeit“ der öffentlich-rechtlichen Sender und der „führenden“ Tageszeitungen&Magazine über den Zeitraum 1990- 2018 verfolgen konnte oder musste und noch einen Funken historisches Bewusstsein in sich trägt, weiß …

Menschen, die in diesem frühen September 2018 in meinem Schwabinger Kaffeehaus nach wenigen Minuten eines Leseversuchs ihre einst so geliebte SZ zu Seite legen, fragen mich immer wieder – da sie gehört haben, dass ich für eine sehr lange Zeit für viele nennenswerte Printorgane gearbeitet habe, was eigentlich aus uns Journalisten geworden ist, wann das „irgendwie“ alles begann mit dem sittlichen Zerfall und ob sich die Branche irgendwann einmal wieder von dieser Implosion erholen wird und ob das eine Delle ist oder eine Art Grippe, wie Aids halt und man das wieder in den Griff bekommt.

Sicher, so antworte ich, wenn ich in Erzählstimmung bin und verweise, falls mich der bayerische Grant im Griff hat, auf ein Buch von Sebastian Haffner, wo der sich über Goebbels und den Umgang damals in Sachen Medienmob äußerte:

Dieser, also Goebbels, versuchte nämlich nicht, das gesamte deutsche Volk zu national-sozialistischen Ideen zu bekehren, sondern er verlegte seine Anstrengungen darauf, den Bürgern durch die Medien eine heile Welt vorzuspiegeln. Er verbot die bürgerlichen Zeitungen nicht und man kann nicht einmal sagen, dass er sie nazifizierte. Die meisten alten Redaktionen der großen bürgerlichen Zeitungen schrieben, wie sie immer geschrieben hatten und genau so sollten sie auch schreiben. Es gab im Dritten Reich durchaus eine Art Pressevielfalt. Der Zeitungsleser hatte die Wahl, die Dinge so dargestellt zu sehen, wie er es sich wünschte und gemäß seiner Stimmungslage weiter bedient zu werden.

Sebastian Haffner

Donnerwetter, sagen dann die Leute Tage später, das hätten sie sich ganz anders vorgestellt, mit Stürmer und Völkischen Beobachter und Lalü-Lala-Gestapo und die ganzen Edelfedern der inneren Emigration draußen in Dachau beim Steineklopfen oder dem Auswendiglernen von Mein Kampf.

Was haben Haffners kühle Einlassungen mit der Gegenwart zu tun, mit dem neuen Deutschland 2018 und seiner neoliberal-zentral-öko-populistischen Breitbandquerfront aus Zeit, Welt, SZ, Spiegel, TAZ, FAZ, Tagesspiegel und dem kläglichen Sendemastgequäke von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio?

Nach einer legendären ZDF-Anstalts-Sendung im Januar 2015 , in deren Verlauf die Herren Uthoff und von Wagner mit ein paar Strichen die moralische Verkommenheit vieler eingebetteten Alpha-Autoren und stets bestens informierten Hauptstadtjournalisten an die Wand warfen und vor allem deren Nato-und CIA-PR herausstellten, begannen in Deutschland endlich ein paar Kollegen aus ihrem Tiefschlaf zu erwachen und gegen den Strich zu recherchieren.

Bald stießen sie im Internet auf ganz offen abgedruckte vertragliche „Spielregeln“, die zunächst mal für festen Mitarbeiter des Springer-Verlags gelten. Seither wird da munter herumgefummelt und kalibriert von Seiten der Chefetagen und man möchte damit den Bürgern sagen, dass das doch alles nur vage Betriebsanleitungen seien, Orientierungshilfen für junge Mitarbeiter und eben nette Hinweise, Petitessen eigentlich, keiner Erwähnung wert.

Indessen gehören die gleich aufgeführten Punkte in etwa seit dem Jahre 2000 zum Deal nahezu aller großen Verlage und Sender und sind in mehr oder weniger modifizierter Form auch Teil eines Abkommens, dessen Nichteinhaltung die Kündigung mit allen Konsequenzen bedeutet.

Wer hierzulande als Journalist Geld verdienen möchte und vorhat, so etwas wie eine Karriere zu machen, hat folgende Vorgaben zu bedienen:

* Piepsanleitung

  • Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat, für Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und für die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas.
  • Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen sowie die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.
  • Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
  • Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus und die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.
  • Die Unterstützung der EU, ihrer Politik und Einrichtungen.

In Anbetracht dieser einengenden Berufsformatierung erklärt es sich auch, dass heute Kollegen wie die hochdortierten Hobbyaktivisten Dunja Hayali, der ARD-Drogenbeauftragte Hajo Seppelt oder die Pool-Investigatoren rund um Georg Mascolo als wandelnde Sturmgeschütze der Aufklärung gefeiert werden.

Es gehört zum Komplettversagen der Linken, dass sie sich die Sache mit der Lügenpresse von den Dumpfbacken der Pegida aus der Hand nehmen ließ und seither jede substanzielle Medienkritik mit einer umständlichen und würdelosen Distanzierung von der AfD einleiten muss.

Da man diesen Kampf sang- und klanglos vergeigte, verliert sich das aktuelle Rückzugsgebiet des wahrhaftigen Journalismus im parzellierten Weltreich der Off-Medien und den Social-Media Magazinen, Blogs und Foren.
Zum einen aber füllen die Autoren dort nahezu honorarfrei Tag für Tag und digital hübsch aufbereitet die lückenlosen Dateien für zukünftige Gestapo-Anhörungen aus.
Zum anderen rücken uns auch hier die halbprivatisierten Zensurgauwarte des Innenministeriums, der Bertelsmann-Krake und des NSA-Monsters unter dem Hate-Speech-Vorwand auf den Leib.

Ab wann wurde der wahrhaftige Journalismus gekapert und trojanisiert?

Doch zurück zum Thema: Wie hat das eigentlich begonnen?
Und wie erklären die „68er& Nie Wieder“-Parolendrescher ihren Kindern, warum man es nicht kommen sah und wieso man sich nicht wehrte, damals, heute und morgen – wobei es schon 1985 fast zu spät war.

Das Jahre 1985 war – ob in Bezug auf Auflagen, Umsätze oder inhaltliche und formale Grandezza – das Rekordjahr des deutschen Printwesens.
Man kam als freier Autor, der querbeet für Stern, Playboy, SZ oder Geo wie Vogue auf richtig gute Honorare, man reiste mit der Carte Blanche des jeweiligen Verlags und genoss allerorts mit diesem Presseausweis eine echte Reputation.
Heute wird nur noch gekichert, wenn man den albernen Plastikausweis in die Höhe hält.

Alle Beteiligten auf diesem Parcours ritten indessen auf einem viel zu hohem Ross, um den Knacks zu hören, den Scott Fitzgerald beschreibt, diesen fast unhörbaren ersten Sprung in einem alten Porzellanteller, der nach und nach zu einem Riss wird und am Ende zerbrochene Teile hinterlässt. Und so ähnlich verhielt sich das dann auch mit dieser sehr sachte erkaltenden Liebe zwischen Verlag und Freelancern, Redakteuren und Autoren, Verlag und Ressortleitern.

Doch der Bruch war da und er wuchert bis heute als schleichende Entfremdung, Irritation, als wachsendes Unbehagen im Tun und Fühlen und in Folge als eine bodenlose Leere inkl. tapsiges Versuche, über die Bruchkante hinwegzulächeln.

Im selben Jahr, also 1985 begrüßte Kanzler Kohl die privaten Infotainer von RTL und Sat 1, und fast alle meiner Kollegen vom Print und Funk ließen sich einlullen vom Geschwätz einer neuen flotten bunten Medienzukunft.
Seither tobt sich das infantile Tutti-Frutti munter aus und betreibt die Berlusconisierung der Republik. Dann zerlegten die Reagan-Agenten die Berliner Mauer und – bezogen auf unsere Medienlandschaft – flutete aus Österreich all der Lifestyle ins Land, Tempo, Wiener, die Befreiung von Jesussandalen und Gewissensbissen.

Plötzlich ging es um Toskana-Weine, handgenähte Lederschuhe, Boutiquehotels, Designreisen. Fast alle seriösen Magazine schleckten Markus Peichl&Konsorten die Füße und betrieben innovative Kurskorrektur: weg mit dem Elend der Welt, dem ewig Negativen, dem Apo-Opa-Muff. Techno, Dumpfrave und Ecstasy verdrängen Kiff und Hippieideale.

Die kurz danach einsetzende Dotcomdekade machte den Blair&Clinton&Schröder-Neoliberalismus **) auf allen Ebenen salonfähig. Modriger Müll wie Focus-Money machte deutschen Spießern Telekom-&-Infineon-Aktien schmackhaft oder listete die 50 besten Zahnärzte Bayerns auf. Das Ranking zog ein im deutschen Blätterhaus und schicke langbeinige PR-Agenturen diktierten nach und nach die Inhalte, bis sich nahezu alle Redaktionen in Endabnehmer von Produktwerbung und Nachrichtenfake verwandelt hatten.

Seit 9/11 herrscht im Zentrum der Kommunikationsbranche das bleierne Schweigen

Operation All along the Watchtower: Am 11. September 2001 implodierten in New York mehrere Türme. Jeder Besitzer eines Resthirns kann heute die Namen der drei bis vier beteiligten Geheimdienste nennen.
Nur er tut es nicht, vor allem, wenn er deutscher Journalist ist und die Hypotheken seiner Altbauwohnung noch nicht abbezahlt hat.

Wie sehr die USA an Aufklärung interessiert war und ist, beweist der Fakt, dass man für den Lewinsky-Untersuchungsausschuss zehnmal mehr ausgegeben hatte als zur genauen Ergründung jene Taliban-Desinfizierung der westlichen Wertewelt. Rot-Grün, Tinte und Blut von Belgrad waren noch nicht getrocknet, stand stramm zur Seite. Es wurde unverbrüchliche Treue geschworen, transatlantische Einigkeit, Schweigeminuten, Schweigejahre, Hundejahre, in denen uns SPD-Genossen und die Leitartikler der Großmagazine die Freiheit am Hindukusch besangen.

Vor Colin Powells Powerpoint-Vortrag wagten nur ein paar Greise wie Stockhausen, Grass, Theodorakis oder Scholl-Latour Einspruch zu erheben. Sie erinnerten an so komische Parallelen zu Tomkin, Pearl Harbor, Kosovo, an die Kennedy-Attentate, an Kissingers Chiletricks und ähnliche Ungereimtheiten in der Wesenswelt der angelsächsischen Pyromanie.

Ich selbst las damals zur Erholung Balzacs tolldreiste Erzählungen und stieß dort auf eine dahin geworfene Trouvaille: „Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte.“

In Moskau kotzte Jelzin die Duma voll, während die vom Stalinismus befreiten Länder der Balten, die Polen oder Tschechen sich darin überboten, den lupenreinen Demokraten aus Washington und London elegant outgesourcte Guantánamos anzubieten.

Die allmähliche Verwahrlosung des Journalismus

Uns Freien, sofern sie noch ein Funken Würde in sich verspürten und Reste eines Gewissens wurde ohne weitere Erklärung klargemacht, woher die Winde von nun an wehen.
Es galt auf einmal, die Schönheit Deutschlands zu entdecken und überhaupt die Wiederbesinnung auf „konstruktive Themen“ zu pflegen.

Dazu gehörte es auch, beim Honorar Abstriche zu machen, denn erbauliche und nette Sachen, die sind ja wie eine zweite Währung und auch gut für die Nerven. In den Redaktionen kratzten sich die seltsam verstimmten Kollegen bei so was wie politischen Themen am Köpfchen und schwärmten hingegen für „weiche“ Sujets, wie etwa alles rund um Freizeit, Kuchenbacken, Yoga, Rumreisen auf Agenturkosten, so irgendwie Menschelndes halt, etwa über Klinsis Sommermärchen, wir hauen die Polen weg oder was in Richtung Landlustgartenlaubenmuff, so die Art Imkerglück.

Dankbar und rotbäckig griffen die von der Not verführten Kollegen zum vergifteten Honig – denn mit jedem Tag mehr wurde einem die alternativlose Situation deutlich.

Once upon a time lieferten Freie mehr als die Hälfte der Inhalte. Wir waren naturgemäß ein wenig frischer, flexibler und weisungsungebundener als festangestellte Kollegen. Doch nun waren wir plötzlich frei zum Abschuss, hurra Stahlgewitter, leider nie gelesen, aber Nazimist, und suchten die Fehler bei uns selbst.
Dass die unsichtbare Trennung von Festen und Freien einem clever eingefädelten und übergeordneten System gehorchte, wurde nur ganz wenigen Betroffenen bewusst und die allermeisten kapieren es auch heute noch nicht.

Zwischen 1985 und 2001 hatte die große Säuberungswelle eingesetzt und die smarten Tortentänzer setzten die alljährlichen Bilderberg-Vorgaben subtil und perfide um. Sie zerstörten die Kommunikation zwischen Innen und Außen, sie verteilten das Wissen und schufen Misstrauen und Neid. Die Ideen von Freien wurden ignoriert, heruntergeputzt oder gleich gestohlen. Wer fragte oder gar drohte, hatte sich selbst erledigt.
Selbst bei Redaktionen mit einem einst guten Ruf, bei der SZ, Zeit oder FAZ, wurde jedweder weiterführende Dialog abgewürgt. Im Zentrum der Kommunikationsbranche herrschte das bleierne Schweigen.

Parallel dazu wurden die Honorare halbiert und mit dem Aufkommen des Online-Journalismus noch weiter geschreddert. Heute kann ein freier Journalist kein menschenwürdiges Leben führen, wenn jenes allein von seiner Arbeit abhängt.
Bei den geschätzt 30.000 Kollegen machten sich Frust, Wut, Resignation und Selbstzweifel breit und vor allem war da diese Angst, diese allumfassende Angst, die aktuell dazu führt, dass sich bei der SZ nach der eben erfolgten Kündigung des Karikaturisten Dieter Hanitzsch keine Solidaritätsbekundung erfolgt. Angst essen Seele auf.

Selbst Fritz Raddatz musste kurz vor seinem Tod feststellen, dass Menschen wie er plötzlich überflüssig waren, nervender Sondermüll, ein Greis von gestern. Er schrieb:

Alles Leben hat seine Grenze. Alles Erleben auch. Wem die Töne seiner Gegenwart nur mehr Geräusche sind, die Farben Kleckse, die Wörter klingende Schelle: Wo wäre dessen Legitimation zu lautem Klagelied (oder, sehr selten, leisem Lobpreis)? Ich spreche sie mir ab, fürderhin. Zu viele Gedichte sind mir nur mehr halbgebildetes Geplinker, zu viele gepriesene Romane nur mehr preiswerter Schotter. Der nicht mehr liebt, der räsoniere nicht. Liebeleere ist keine Qualität. Schon gar nicht für einen Kunstrichter. Also beende ich hiermit meine Zeitungsarbeit, die ich mit 21 Jahren begann: (…) Ich bin vor drei Wochen 83 geworden. Time to say goodbye. Goodbye.

Fritz Raddatz

Es geht mir mit diesen Bemerkungen lediglich darum, aus meinem Erleben heraus, Außenstehenden zu erläutern, wie sich die wuchernde Verwahrlosung des Journalismus in Schritten vollzog und wie aus Fitzgeralds Knacks ein Scherbenhaufen werden konnte.

Ab dem 12. September 2001 waren Fragen nicht mehr gefragt

Nach 9/11 hielten natürlich noch ein paar Freundschaften dem Schisma stand und so trafen sich Freie und Feste privat, bei Bier- und Wurstfeiern oder den trostlosen Verleihungen schäbig dahinmanipulierter Journalistenpreise.
In fast allen Fällen, so mein Erinnern, wurde der ökonomisch nahezu ruinierte Freie präventiv zugeschüttet mit dem Elend des Unfreien: Überlastung, Druck von allen Seiten, inhaltliche Verflachung, Mobbing, Intriganz, Angst vor Jobverlust, Outsourcing, Bespitzelung, Renditegier, Blabla.

Die immer seltener werdenden Kurzvisiten in den Verlagshäusern boten eher lächerlich- unerfreuliche Einblicke: Erwachsene Menschen starren auf Monitore und ihre stumpfen Augen suchen das eingerahmte Farbphoto, auf dem der Lebenspartner und Kleinwüchsige stumpf lächeln. Bald ist Freitag. Dann wird gegrillt. Mit Sven Lorig vom Moma. Also Höchststrafe.

Erkundigte ich mich in normaler Lautstärke nach dem Verbleib von diesem oder jenem Kollegen, zuckte der Angesprochene zusammen, legte den Finger auf den Mund oder deutete auf eine imaginäre Figur hin, irgendwo hinter einer Wand.
Es war eine Stimmung wie damals in den Transitwirtshäusern der DDR, wo die halbe Ente mit Rotkraut 1.99 Ostmark kostete.

Der Taylorismus der Heuschreckenverlage hat zunächst dafür gesorgt, dass die unberechenbaren UFO-Autoren und dann schrittweise die unbequemen und ergrauenden Sesselhocker weggefegt wurden. In den vollklimatisierten Edelverlagen sichteten grenzwertig parfümierte McKinsey-Schnüffler und BWL-Psychopathen die Arbeitsverträge und empfahlen den CEOs möglichst elegant-kluge Abfindungsverfahren.

Da stehen wir heute nun und allen, die von links oder recht Lügenpresse rufen, sei dies als Fußnote angefügt. Wer also heute, im heißen September 2018, den halbwegs integren Presseleuten so salopp wie berechtigt vorhält, ihre Seele verkauft zu haben und der Macht aus der Nato, Bundeskanzleramt, Monsanto oder CIA zu dienen, muss wenigstens wissen, dass die Strangulierung des Journalismus mit eben den Vorgängen von 9/11 einsetzte, bzw. beendet wurde.
Nebenbei: Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los.

Wer die Nagelprobe der abgespalteten Identität nicht bestand, konnte seine Karriere als fester wie freier Journalist beenden. Wer nicht mit den degeneriert-traumatisierten Leitwölfen mitwimmerte, war erledigt.
Ab dem 12. September 2001 waren Fragen nicht mehr gefragt. Das Tabu begann seine Zaungäste zu verschlingen. Die Schizophrenie nahm Platz im Garten der Verwirrten.

Schritt für Schritt haben sich seit damals die Brüder und Schwestern der globalen Logen-Fake-News ins Geschehen eingemischt und via Atlantik-Brücke, Aspen-Institute, der Trilateralen Kommission und German Marshall Fund, den Bilderbergern, all diesen unerträglichen Thinktanks und regenbogenbunten NGOs wohltätiger Milliardäre die große Hirnwäsche eingeleitet. Hochbezahlte Edeltrolle tarnen sich als Historiker, Wissenschaftler, „Experten“ und Neurowissenschaftler und verordnen der mittlerweile komplett paralysierten Republik je nach Tagesverfassung neue und diffuse Rezepte.

Unsere Gesellschaft ist militanter, intoleranter und unnachgiebiger als je zuvor. Es scheint nur noch eine Stimme zu geben, die, orchestriert von der Regierung und Armeesprechern, getragen von einem Clan loyaler Massenmedien wie den großen TV-Nachrichten-kanälen, den auflagenstarken Zeitungen und Websites, in jedem Winkel des Landes widerhallt. Nur diese eine Stimme wird gehört. Versuche, Widerspruch zu artikulieren, Fragen zu stellen, zu protestieren, eine andere Farbe einzubringen als die des Konsenses, werden bestenfalls lächerlich gemacht oder herablassend behandelt. In anderen Fällen werden Abweichler zum Ziel von Bedrohungen, Verleumdungen und Angriffen. Leute, die nicht ‘unsere Truppen unterstützen’, werden als Verräter betrachtet. Den Zeitungen, welche das Vorgehen der Armee hinterfragen, wird vorgeworfen, die Moral zu untergraben.

Der israelische Musiker und Romancier Assaf Gavron über die Verfassung seiner Heimat

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Ein trüber Brei aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien

Spätestens 2010 waren die Flure bereinigt. In den Redaktionen der meisten Blätter saßen nun die formatierten Herrschaften fest im Sattel und sorgten dafür, dass Geist, Courage, Phantasie und Würde eliminiert wurden.
Die Redaktionen waren gebrieft und das Juste Mileu zwischen Taz und Faz, 3 Sat und BR, nato-affinen Grünen und sozialliberalisierter CDU&CSU war Mk-programmiert.

Das Damentrio Merkel, Mohn und Springer hatte den Boden bereinigt, auf dem sich gelegentlich narzisstisch taumelnde Politikdarsteller wie Özdemir, Spahn, Heil, Lindner, Dobrint in belanglosen Grubenkämpfen tummelten und ihre Wähler mit zeitverschobenen Zündungsmechanismen und Empörungskurven bei Laune hielten.

Ein trüber Brei aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien, Kino und Theater, die Mode und den Sport, die Gemüter, das Straßenbild, alles und jeden. Abend für Abend versammeln sich in den Wahrheitskathedralen der Lüge die Talking-Heads aus der 65-Personen- Castingbroschüre des offiziellen Populismus.
Sie bilden die Arme eines neoliberalen Groko-Kraken und werden je nach Schwerpunkt ergänzt um eloquente Abgesandte aus diversen Stiftungen, am besten von Bertelsmann, Instituten für irgendwelche Beziehungen, etwa Frieden und Sicherheit und anderen Heißluft-Experten aus London und New York.

Gelegentlich wird so einer Runde ein armes Würstchen zum Fraß vorgeworfen – ein Piratenhacker, eine IS-Anwärterin mit Burka, jemand von Pegida oder der Roten Flora und notfalls Herr Lüders oder Herr Todenhöfer.

Anstatt im Dienst und Geist der Dialektik zu streiten – es muss ja nicht gleich mit Hegel, Bloch und Adorno zu tun haben – und sich die Leviten zu lesen, versanden die Debatten im verzagt altklugen Sing-sang sermonaler Konsensmessen.
In einer Endlosschleife spulen die Couchbesetzer ihre Sprachregelungen, Tabusetzungen und neofeudalen Moralcodes ab. Mit zelotischer Verbissenheit machen sich diese immer gleichen Infotainer jedes Thema zu eigen: Mietpreisbremse, nervöse Märkte, Soziales, Nullzinsrisiko, Fassbomben, hellenisches Klienteldrama und, logisch, ja, Bildung, Bürokratieabbau, Maidan, Maut, Entlastung der mittleren Einkommen, NSU, NSA, Flüchtlinge, Videobeweis, Biodiesel, Cum-Ex, Hitlers Sackratten und abgehängte Schlecker-Frauen.

In diesen Schlaflabors („Da bin ich ganz bei Ihnen“) hätte kein Scholl-Latour mehr Platz, kein Frank Schirrmacher, Jean Améry, kein Balzac, Grass oder Goethe. Hier sitzen die Duz-Freunde des Guten, Hayali und Seppelt und Theveßen und Kleber und Mascolo. Die so redlichen wie unsichtbaren echten Kollegen werden in Abwesenheit diffamiert als Verschwörungstheoretiker, Putin-Trolle, Europagegner und Rechts- oder Links-Populisten.

Zu Füßen der Raute zeigenden Freiheitsstatue in Apricot schwadroniert die Echokammerelite von der westlichen Wertegemeinschaft, der offenen Gesellschaft, des liberalen Pluralismus, der Entfaltung des Gender-Individuums, den freie Märkten und der Verteidigung irgendwelcher transatlantischer Ideale. Man kann es nicht mehr hören und nicht mehr sehen und nur hoffen, dass der Russe und sein Hacker endlich den Strom abstellen.

Auch kann man die staatliche Sprachverwahrlosung nicht mehr ertragen. Ich mag nur ein Beispiel anführen, nämlich die inflationäre wie beiläufige Erwähnung von den „Menschen, die sich abgehängt fühlen“. Das bezieht sich offenbar auf die kleinen Trottel von der Straße, die da draußen hinter der Mattscheibe im Land herumstreunen und deren Einzelschicksale zwischen Jobcenter, Krankschreibung, Eckkneipe, Pflegeloch, Discounthallen und Teilzeitirrsinn verziffert werden.

Naht irgendeine Wahl, überbieten sich die urplötzlich so volksnahen Empört-und-betroffen-zugleich-Groko-Charmeure darin, jetzt endlich diese verlorenen Seelen „abzuholen“ und „einzufangen“ und sie „zurück ins Boot“ zu holen.
Es ist auch die besorgte Rede von der „Augenhöhe“ und davon, dass man die Mühseligen und Beladenen „wieder ernst nehmen“ wird – also diese RTL-II-Gimpel, halb White Trash, halb dunkeldeutsches Pack.

Der Zynismus der christlich-liberalen Biomoralisten besteht darin, Millionen von Mitbürgern bis tief in den Mittelstand hinein das Recht abzusprechen, abgehängt zu SEIN. Mit perfider Arroganz werden die Abgehängten auf sich selbst zurückgeworfen. Anschluss verpasst? Euer Problem.

Jämmerliche Simulation von Demokratie

Mehr leisten, mehr Ego-Shooting, mehr Anpassung an unsere schöne neue Wertewelt, einfach mal ein bisschen durch die Institutionen marschieren wie Joschka auf seinem langen Weg in den Schoß seiner Ziehmutter Madeleine Albright **), die 1996 meinte: „Ja, ich glaube, die halbe Million Kinder, die wegen der US-Irak-Sanktionen starben, waren den Preis wert.“
Ihr rundlicher Ziehsohn, einst Vietnamkriegsgegner, dann balkanischer Kriegstreiber und heute ein stirnrunzelnd halluzinierendes Nato-Strichmännchen residiert in einer abgedunkelten Villa im Berliner Nobelviertel Dahlem und bezieht Entgelte von bis zu 30.000 Euro für trostloses Geschwätz.

Fischer wie Schröder oder das Elend namens Scharping sind gloriale Beispiele dafür, wie sich die parlamentarische Betriebsamkeit in eine jämmerliche Simulation von Demokratie verwandelt hat. Gerade die rotgrünen Anteile unseres Wahrheitsregimes tun sich hervor dabei, inzwischen jedes freie frische Denken zu konfiszieren und real-bestehende Interessengegensätze und Widersprüche zu kaschieren.

Dieser rülpsende Konsensmoloch will kein Arm und Reich, kein Unten und Oben und keine Diskussion über die grotesken Auswüchse von Besitz und Macht. Er will aber Pressefreiheit, allerdings nur in Russland, Türkei, Syrien oder in Venezuela. Armselig und lächerlich und mit neokolonialer Selbstanmaßung stiefelt der reanimierte wilhelminische rotgrüne Baedeker-Studienrat über den Globus. Ernst vermisst er die Achsen des Bösen, tadelt x-beliebige Schurkenstaaten, diktiert Wahlempfehlungen und droht anderen Nationen mit Sanktionen und Embargos, falls nicht schleunigst die Hausaufgaben erledigt werden.

Ach ja, der Journalismus: Diese hypnotisierten Top-Schreiber bei Zeit, FAZ, Welt, Spiegel, SZ und wer sich im Wendekreis des Talentschuppens des moralisch verwahrlosten Irrsinns sonst noch nährt, hätten es zu Willy Brandts Zeiten mit einiger Mühe gerade noch in die Rubrik „Vermischtes“ geschafft.

Wäre es nicht so unglaublich traurig, könnte man schmunzeln über diesen korrupten Mascolo&NDR&WDR&SZ-Zusammenschluss zu multimedialen Investigationspools und Rechercheteams ***), die nach jahrelangen und lebensgefährlichen Untergrundermittlungen Wulffs Oktoberfestquittungen auslegen oder ein paar klemmende Sturmgewehre oder Franz Beckenbauers Einsamkeit.

Derweil bricht Europa in sich zusammen, die finstere und ferngesteuerte USA scheint zum inneren wie externen Armageddon entschlossen, über 100 Millionen verwirrte Flüchtlinge allein im größeren Mittelmeerraum fressen verweste Ratten, während unsere Elite sich in ihre neuseeländischen oder patagonischen Atombunker verkriecht.

„Ich bin ein Berliner“, hört man immer wieder Guido Knopps Kennedy sagen. Doch ein paar Wochen später sagte er etwas anderes und allen, die wir uns fragen, wieso keiner mehr die Wahrheit ausspricht und wohin die Welt treibt und wer denn genau dieses Treibgut eigentlich befiehlt, möchte ich diese Worte nochmals in Erinnerung rufen:

Wir haben es mit einer monolithischen und ruchlosen weltweiten Verschwörung zu tun, die ihren Einfluss mit verdeckten Mitteln ausbreitet: mit Infiltration statt Invasion, mit Umsturz statt Wahlen, mit Einschüchterung statt Selbstbestimmung, mit Guerillakämpfern bei Nacht, statt Armeen am Tag. Es ist ein System, das mit gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen eine komplexe und effiziente Maschinerie aufgebaut hat, die militärische, diplomatische, geheimdienstliche, wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Operationen verbindet. Ihre Pläne werden nicht veröffentlicht, sondern verborgen, ihre Fehlschläge werden begraben, nicht publiziert, Andersdenkende werden nicht belobigt, sondern zum Schweigen gebracht, keine Ausgabe wird in Frage gestellt, kein Gerücht wird gedruckt, kein Geheimnis enthüllt.

John F. Kennedy, 27. April 1961

„Well, the train left the station. With two lights on behind.“ Robert Johnson wurde nicht sehr alt.

** Siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2014/03/24/kriegsverbrecher-schroder-fischer-scharping-clinton-albright-blair-chirac-u-a/

*** und hier: https://josopon.wordpress.com/2016/02/24/die-reinemachefrau-des-verfassungsschutzes-zur-preisverleihung-an-panorama-journalistin-reschke-ein-beitrag-von-2012-zum-nsu/

 

Jochen