Déjà vu – Mit aalglatten Lügen in neue Kriege? Wann wird der Westen den Donbass in Flammen setzen?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Deja_vueHier ein aktueller Kommentar des ehemaligen Meisterspions Rainer Rupp:

rainer rupp

rainer rupp

https://apolut.net/deja-vu-mit-aalglatten-luegen-in-neue-kriege-von-rainer-rupp/

Veröffentlicht am: 11. Februar 2022 |
Auszüge:

Die anti-russische Hetze, die aus den Mainstream-Medien der USA zu uns in Europa herüberschwappt, wird hier von transatlantischen, auf Beißreflex eingestellten Blättern lautstark nach­gegeifert. Als könnte man den Krieg nicht schnell genug herbeischreiben.
Gods_Own_CountryDas erinnert an eine Episode, wie vor 124 Jahren illustrierte Zeitungen in den USA mit ihren manipulativen Texten und Bilden den Weg für den ersten imperialistischen Krieg der USA freigemacht haben.

Damals hatte der mächtige US-Zeitungsbesitzer William Randolf Hearst seinen Top-Reporter und Illustrator nach Kuba geschickt, um von dort über den lokalen Aufstand gegen die feudalen, spanischen Kolonialherren zu berichten.
Der Hintergrund war, dass Zeitungsmagnat Hearst, der aus einer vermögenden Industriellenfamilie kam, gemeinsam mit vielen US-Geschäftsleuten bereits jahrelang auf einen Krieg hingearbeitet hatte, um die alte, europäische Kolonialmacht aus Zentralamerika und der Karibik endgültig zu vertreiben, um dort deren Nachfolge anzutreten.

Als der von Hearst entsandte Reporter verzweifelt von Kuba nach Hause telegraphierte, dass er keinen Krieg sieht, über den er berichten könnte, antworte ihm sein Boss umgehend mit dem Befehl: „Du lieferst mir die Bilder und ich liefere den Krieg“.
Und tatsächlich zeitigte diese Methode einen durchschlagenden Erfolg. Mit den gefakten Bildern und mitreißenden Texten über die angebliche Grausamkeit der Spanier und die heldenmütigen kubanischen Freiheitskämpferinnen, gelang es dem Medienmogul die US-Bevölkerung für einen Krieg gegen Spanien aufzuputschen.

Mit dem höchst-wahrscheinlich selbst-verschuldeten Untergang des US-Schlachtschiffes „Maine“ im Jahr hat sich dann im Jahr 1892 die lang erhoffte Gelegenheit geboten. Die „Maine“ lag zu der Zeit lag zu einem „Freundschaftsbesuch“ der US-Kriegsmarine im Hafen von Havanna. Dort explodierte in der Nacht vom 15. Februar die Pulverkammer des Schiffes, das in zwei Teile brach und in Minutenschnelle sank. Dabei verloren 260 US-Matrosen ihr Leben.

Eine Unachtsamkeit der Besatzung, z.B. der später bezeugte Umgang mit offenem Feuer in der Pulverkammer, wurde von den Hearst-Zeitungen, die die US-Medienlandschaft beherrschten, kategorisch ausgeschlossen. Stattdessen wurden die perfiden Spanier für den heimtückischen „Terroranschlag“ auf die „Maine“ und für den Tod der heldenhaften US-Soldaten ver­antwortlich gemacht.
Der Weg für den Krieg gegen Spanien war endlich frei. So konnte in einer ersten Etappe im Jahr 1892 mit der Vertreibung der Spanier durch die US-Armee die begehrte Zuckerinsel Kuba für den amerikanischen Kapitalismus „befreit“ werden.

Heute sind sich auch US-Historiker einig, dass ohne das Zeitungsimperium von Hearst und seine reißerischen Illustrationen und Berichte es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre, die US-Bevölkerung für diesen ersten imperialistischen Krieg fern der US-Grenzen zu begeistern.

Die Macht der Bilder und ihre Wirkung auf Menschen, wenn es darum geht, sie auf einen Konflikt einzustimmen oder für Krieg aufzustacheln, ist heute stärker und somit auch viel gefährlicher als früher. Denn heute sind solche Bilder mit neuesten technischen Methoden so manipuliert, dass sie – wie jeder aus der Wirkung der modernen Werbung kennt – auf bestimmte Teile des Unterbewusstseins wirken.
Zu einer noch viel höheren Gefahrenstufe gehören jedoch Bilder und Berichte aus Quellen, den die menschlichen Zielgruppen großes Vertrauen entgegenbringen. In Deutschland genießen leider immer noch die öffentlich-recht­lichen Medienanstalten dieses Vertrauen, obwohl die sich inzwischen immer mehr mit Fake News in Form von Weglassung und Unterdrückung von Fakten im Sinne der herrschenden Eliten arbeiten. Damit unterscheiden sie sich immer weniger vom Einheitsbrei der privaten Medien-Konzerne, der als „Nachrichten“ der breiten Öffentlichkeit vorgesetzt wird. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die wenigen Leute, denen die großen Medienkonzerne gehören, auch die Parteien und damit auch die Regierungen und die angeblich so unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Medien in der Tasche haben.

Auch in der jüngst von Washington hochgespielten „Ukraine-Krise“ spielen Bilder eine Schlüsselrolle. Die Medien haben auf Satelliten-Aufnahmen „erschreckende“ Entdeckungen gemacht: nämlich eine riesige Ansammlung von russischen Panzern und anderem schweren Kriegsgerät. Und das angeblich in unmittelbarer Nähe der Grenze zur Ukraine. Begleitet waren diese Bilder von ernsten Warnungen hinzugeschalteter US- oder NATO-„Experten“, die die Gefahr einer, „unmittelbar bevorstehenden, russischen Invasion“ und eines großen Krieges beschworen.
Die Satellitenaufnahmen wurden in den Nachrichtensendungen als unumstößlicher Beweis für die Behauptung der US/NATO präsentiert, dass eine russische Invasion in die friedfertige, demokratische Ukraine „unmittelbar bevorsteht“. Das wurde prompt in allen NATO-Ländern von US/NATO-Sprechpuppen nachgegeifert, die offensichtlich darin wetteiferten, wer die meiste Hysterie und Hetze gegen Russland schüren konnte. Von seriöser Berichterstattung hat man sich inzwischen Lichtjahre entfernt.
Davon zeigt auch der Umgang mit den inzwischen berühmten Satellitenbildern als Beweise für den angeblichen Aufmarsch von 100.000 russischen Soldaten in Grenznähe zur Ukraine. Bei den in den Medien präsentierten Aufnahmen der angeblichen, russischen Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze fiel auf, dass es sich immer nur um ein und dieselbe Satellitenaufnahme handelte, wobei mal das Gesamtbild oder vergrößerte Ausschnitte daraus gezeigt wurden. Damit sollte wohl der Eindruck vermittelt werden, dass es sich um unterschiedliche Orte handelte.

Bei einer ersten Internet-Medien-Recherche mit „Google-Bilder“ zeigt es sich, dass egal in welchem NATO-Land man sich bewegte, die Medien, von ZDF über BBC, The Guardian, die Washington Post, El Pais, Le Monde, etc. alle hatten dasselbe Satellitenbild gezeigt. Alles ging als nur auf ein einziges Bild zurück. Aber woher kam es?

Eine zweite Recherche zeigte, dass das Foto von der privaten Firma MAXAR Technologies stammte, mit der Washington schon öfters für propagandistische Medienkampagnen zusammengearbeitet hatte. Auf der Original MAXAR-Satellitenaufnahme wird auch der Name des russischen Ortes genannt, von dem die Aufnahme gemacht wurde. Der Ort heißt „Yelnya“ auf Englisch oder Jelnja auf Deutsch.

Keine einzige Redaktion der selbst-ernannten deutschen „Qualitätsmedien“ hat sich die kleine Mühe gemacht, um herauszufinden, wo genau dieser Ort mit der ominösen russischen Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine auf der Landkarte liegt.
Eine Recherche von wenigen Minuten hätte zu Tage gefördert, dass es sich bei Jelnja um einen Ort im Oblast Smolensk handelt. Der Ort hat nicht nur 10.000 Zivilisten, sondern auch viele Soldaten sind dort stationiert, denn Jelnja ist laut der militärpolitischen, britischen Denkfabrik „Center for Strategic and International Studies (CSIS)” Standort der „41ten russischen Armee mit kombinierten Waffen.“

Am Standort einer ganzen „Kombinierten Waffen-Armee“ gibt es natürlich viele Panzer und anderes schweres Kriegsgerät. Aber warum steht das ganze Gerät mitten in der Pampa? Und wenn das ein Armee-Standort ist, wo sind dann die Unterkünfte der Soldaten? Die kann man auf Google-Maps gut erkennen. Die Unterkünfte der Soldaten bestehen aus einem großen Wohnviertel mit Supermärkten, Schule und Kindergarten, 500 Meter Luftlinie von dem geparkten Kriegsgerät entfernt. Aber die Satellitenaufnahme von MAXAR ist so geschickt gemacht, dass man nur das Kriegsgerät auf freiem Feld sieht. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass das auf freiem Feld in der Nähe zur ukrainischen Grenze steht.

Tatsache ist aber, dass die russischen Soldaten, die diese eindrucksvolle Militärmaschinerie bedienen, nicht in kalten Zelten dicht an der ukrainischen Grenze biwakieren und ungeduldig auf den Befehl zum loszuschlagen warten, sondern sie schlafen bequem in ihren warmen Betten zu Hause an ihrem Standort Jelnja, mit Frau und Kindern.

Aber wie nahe liegt nun Jelnja zur Grenze der Ukraine, oder wie weit ist es von Moskau weg? Auch da hätte Google-Maps schnell Auskunft erteilt, wenn man gewollt hätte. Tatsächlich liegt Jelnja auf halbem Weg zwischen Moskau und dem am nächsten liegenden Grenzübergang zur Ukraine: Bryanskaya Tamozhnya.

Von Jelnja bis Moskau-Zentrum sind es 366 Km und etwa weniger als 5 Stunden PKW-Fahrzeit. Und von Jelnja bis zur ukrainischen Grenze sind es knapp über 300 Km, was im PKW etwas mehr als 4 Stunden dauert, aber für Konvois mit schwerem Militärgerät sehr viel länger.

Was lehrt und das? Die hysterischen Berichte über den russischen Militäraufmarsch an der ukrainischen Grenze sind frei erfunden. Die Satellitenaufnahmen sind so manipuliert, dass man nicht erkennen kann, dass die Panzer und das andere schwere Gerät ihren Parkplatz an der Kaserne am Armee-Standort nicht verlassen haben.

 

Nein_zur_Nato_DDR1957Es bedarf in der Tat viel Fantasie und eine hohe kriminelle Energie der US-Kriegstreiber und ihrer Anhänger in der NATO, um aus dem über 300 Km von der ukrainischen Grenze entfernten, langjährigen russischen Armeestandort Jelnja, eine vorgeschobene und unmittelbare Bedrohung der Ukraine zu machen. Das funktioniert nur, wenn die so genannte „Vierte Gewalt“, nämlich die Medien, in ihrer Aufgabe total versagt haben. Statt kritisch zu hinterfragen, sind sie nur noch das Propaganda-Megafon für die Expansionsgelüste der transatlantischen Eliten.

Auch die Öffentlich-Rechtlichen haben diesbezüglich Medienschrott niedrigster Qualität fabriziert. Sie haben sich entweder wissentlich oder aus Dummheit an diesem offensichtlich straff koordinierten Betrug der US/NATO-Experten für psychologische Kriegsführung beteiligt. Ob aus Dummheit oder Absicht ist eigentlich egal, denn in einer Demokratie wären die Verantwortlichen für einen derart gefährlichen Nachrichtenschrott in keiner öffentlich-rechtlichen Redaktion eine Minute länger tragbar. In unserer durch Korruption und Vetternwirtschaft verfilzten Demokratur dagegen regt sich niemanden mehr über sowas auf. *)

Der_SpeichelAn dieser Stelle ist es angebracht, an einen Leserbrief zu erinnern, den der Hamburger Publizist Paul Sethe am 5. März 1965, also vor 55 Jahren schon, an das Magazin DER SPIEGEL geschickt hat. Darin ging es darum, wie die zunehmende Konzentration in der deutschen Presse auch die innere Pressefreiheit berührt. In dem Brief von Sethe heißt es: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Frei ist, wer reich ist. Das Verhängnis besteht darin, dass die Besitzer der Zeitungen den Redakteuren immer weniger Freiheit lassen, dass sie ihnen immer mehr ihren Willen aufzwingen.“

Inzwischen ist die Konzentration nicht nur in der deutschen Medienlandschaft noch sehr viel weiter fortgeschritten. Heute sind es Mega-Finanzkonzerne wie BlackRock, die nicht nur Banken- und Industriekonzerne, sondern auch Regierungen ganzer Länder unter ihrer Kontrolle haben, was selbstredend auch für die großen Medienkonzerne gilt.
„Die Pressefreiheit“ war früher schon nichts anders als ein schönes Phantasiegebilde, von dem man träumen konnte. Heute muss man blind und sehr dumm sein, um auch nur noch davon zu träumen.

Um nicht unbewusst Opfer der Meinungsmanipulation der transatlantischen Eliten in unseren gleichgeschalteten Medien zu werden, sollten wir immer wieder unsere Sicht auf die reale Welt kritisch überprüfen und auch nicht davor zurückschrecken, alte Dogmen auf den Prüfstein zu stellen. Angesichts des Meinungsmonopols der etablierten Eliten und ihrer Parteien könnte dabei eine Methode des zivilen Widerstandes auf der Zeit der NAZI-Diktatur helfen, nämlich jeden Tag im stillen Kämmerlein einen „Feindsender“ hören. Früher war das BBC oder Radio Moskau gewesen. Heute kann man BBC vergessen. Dafür sind die russischen Nachrichtensender RT-Deutsch, RT-International auf Englisch und SNA/Sputnik (deutschsprachig) umso attraktiver.

Sergej_J_NetschajewNur wenn man die Gegenseite hört, kann man Auslassungen und Lügen der eigenen Seite erkennen und dagegenhalten. In diesem Sinn folgen hiernach einige Auszüge aus einem Interview, das die online-Zeitung „Deutsche Wirtschaftsnachrichten“ Anfang dieser Woche mit dem russischen Botschafter in Berlin, Sergej J. Netschajew, geführt hat. Der Titel lautet: “Die Deutschen werden gezwungen, auf vertrauensvolle Beziehungen mit Russland zu verzichten”. In dem Interview geht es unter anderem um den Ukraine-Konflikt, Nord Stream 2 sowie die deutschen Boykottmaßnahmen gegen den RT-Deutsch.

Botschafter Sergej J. Netschajew: Der Wunsch nach einer Lösung des inneren Konflikts im Osten der Ukraine muss uns nicht trennen, sondern verbinden. Es gibt einen eindeutigen Aktionsplan, der im Minsker Maßnahmenpaket festgeschrieben ist und im UNO-Sicherheitsrat gebilligt wurde. Es gilt, diesen strikt und konsequent umzusetzen. Die Versuche des Westens, Russland als Partei im innerukrainischen Konflikt darzustellen und für Kiews abenteuerliche Politik und die verheerenden Folgen des verfassungswidrigen Staatsstreichs 2014 verantwortlich zu machen, sind kontraproduktiv. Bei den Konfliktparteien handelt es sich um Kiew, Donezk und Lugansk. Die Letzteren sind bloß daran „schuld“, den Putsch und die antirussischen Parolen vom Maidan nicht unterstützt zu haben. Deshalb wurden sie von der neuen Kiewer Regierung zu „Terroristen“ erklärt. Der Westen bevorzugte es damals, sich auszuschweigen und den Umsturz und die darauf folgenden Verbrechen der Nationalisten zu übersehen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten:Könnte Deutschland im Ukraine-Konflikt vermitteln?

Botschafter Sergej J. Netschajew: Deutschland und Frankreich sind neben Russland Vermittler im Normandie-Format. Wir hoffen, dass sie aktiver auf die Kiewer Regierung einwirken werden, damit diese die eigenen Verpflichtungen erfüllt. Bislang zeitigt diese Mühe keine sichtbaren Ergebnisse. Kiew stellt sich demonstrativ gegen die Umsetzung der Minsker Abkommen und erklärt öffentlich, dass man keine Absicht habe, diese zu erfüllen und dass diese nur dafür gut seien, die Russland-Sanktionen möglichst lange zu erhalten. Berlin und Paris gehen aus unserer Sicht zu tolerant mit der Willkür der ukrainischen Regierung um, die sich gravierendste Verletzungen von Rechten und Freiheiten der russischsprachigen BürgerInnen des Landes, Schließung von oppositionellen Fernsehsendern, Verfolgung der Andersdenkenden etc. erlaubt.

Leider bieten die Deutsche Wirtschaftsnachrichten das Interview nur hinter einer Bezahlschranke an. Wer das ganze Interview lesen möchte, findet es auf der Webseite der russischen Botschaft. Der entsprechende Internet-Link befindet sich hier anklickbar.
https://russische-botschaft.ru/de/2022/02/07/interview-des-russischen-botschafters-in-deutschland-sergej-j-netschajew-der-internet-plattform-deutsche-wirtschaftsnachrichten/

Zum Schluss möchte der Autor auf einen aktuellen Artikel von Willy Wimmer über den weitreichenden Einfluss verweisen, den die mordenden Gruppen von ukrainischen Faschisten auf Politik und Militär ihres Landes haben: https://www.nachdenkseiten.de/?p=80606

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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*: Siehe dazu Thomas Röper, "Abhängig beschäftigt"
Mein Kommentar: Darüber, dass die Kiewer Regierung das Minsker Abkommen ständig verletzt bzw. noch gar nicht ratifiziert hat, fehlt in den deutschen Leim-Medien jedes Wort.
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Terroristen aufpäppeln – Konstanten westlicher Weltpolitik: Zynismus und unerbittliches Dominanzstreben

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Guter Überblick hier, passend zu meinem gestrigen Satireartikel:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59216

german foreign policy logo

Dort auch die Verknüpfungen zur Literatur

Konstanten westlicher Weltpolitik

Auszüge:

DAMASKUS/MOSKAU/WASHINGTON/BERLIN
(Eigener Bericht) – Mit heftigen Vorwürfen reagiert Berlin auf die russischen Luftangriffe in Syrien. Viele der Angriffe hätten nicht dem „Islamischen Staat“ (IS), sondern „der syrischen Opposition und Zivilisten“ gegolten, behauptet die Bundesregierung in einer Erklärung, die sie gemeinsam mit den Regierungen mehrerer verbündeter Staaten veröffentlicht hat, darunter die Türkei und Saudi-Arabien. Die Luftschläge müssten „sofort eingestellt“ werden. Tatsächlich haben russische Kampfflieger neben dem IS auch Stellungen anderer jihadistischer Milizen bombardiert – sowie Stellungen vom Westen hochgerüsteter Kämpfer, die sich an Offensiven der Al Nusra-Front beteiligen.
Al Nusra ist der syrische Ableger von Al Qaida, derjenigen Organisation, die nach dem 11. September 2001 das Hauptziel des westlichen „Anti-Terror-Kriegs“ war.
Die russischen Luftangriffe markieren zum einen den deutlich steigenden Einfluss Moskaus in Nah- und Mittelost, zum anderen das allgemeine Erstarken nicht-westlicher Mächte in der Weltpolitik.
Sie sind ein weiterer Schlag gegen die globale westliche Hegemonie.

„In tiefer Sorge“

Die russischen Luftangriffe in Syrien rufen heftige Reaktionen in Berlin und in den Hauptstädten der anderen westlichen Mächte hervor. Man sei in „tiefer Sorge“ über die Luftschläge auf Ziele in den Regionen Hama, Homs und Idlib, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Stellungnahme der Regierungen der Vereinigten Staaten, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, der Türkei, Qatars und Saudi-Arabiens. Viele der Angriffe hätten nicht wie angekündigt dem „Islamischen Staat“ (IS), sondern „der syrischen Opposition und Zivilisten“ gegolten, behaupteten die sieben westlichen bzw. islamistischen Regierungen; sie müssten deswegen „sofort eingestellt“ werden.[1]
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Moskau bereits am Tag zuvor vor einem „Alleingang“ in Syrien gewarnt.[2]

Wieder im Spiel

Die russischen Luftangriffe in Syrien werden von den westlichen Staaten aus mehreren Gründen als überaus nachteilig eingestuft.
Zum einen markieren sie den deutlich gestiegenen Einfluss Moskaus im ökonomisch wie strategisch hochbedeutenden Nahen und Mittleren Osten. Hatte Russland seit 1991 kontinuierlich an Einfluss in der Region verloren, so war es ihm in den vergangenen Monaten gelungen, seine Stellung wieder zu stärken – zum Beispiel durch eine intensivere Zusammenarbeit mit Ägypten und durch umfangreiche Verhandlungstätigkeiten in Syrien (german-foreign-policy.com berichtete [3]).
Zuletzt konnte Moskau in Bagdad ein „Informationszentrum“ errichten, in dem es geheimdienstlichen Austausch mit dem Irak, Iran und Syrien über den IS pflegt.[4]
Habe Moskau seit dem Ende der Sowjetunion stets mit ansehen müssen, wie es „an Einfluss“ verloren habe – etwa „mit dem Fall von Saddam und Gaddafi“ -, so mache es nun Fortschritte bei seinem Bemühen, „sich wieder als Vermittler im Nahen Osten ins Spiel zu bringen“, urteilt Jeffrey Mankoff, Russland-Experte am Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS).[5] „Im Grunde stellen die Russen die Auffassung in Frage, dass die USA die Schlüsselmacht der Region sind, die die regionale Balance formt“, erklärt Mankoff.

Alles andere als isoliert

Daneben ordnen sich die russischen Angriffe in den allgemeinen Prozess des Erstarkens nicht-westlicher Mächte ein. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht galt schon vor Jahren als unaufhaltsam. Die globale Finanzkrise machte es im Jahr 2008 unumgänglich, die Privilegien bei der Weltgestaltung, die zuvor den G7/G8 vorbehalten waren, im Rahmen der „G20“ mit einigen Schwellenländern zu teilen.
Zudem macht inzwischen der Aufstieg des „BRICS“-Bündnisses Furore, das im Juli mit der Gründung der „New Development Bank“ und eines eigenen Währungsfonds zum ersten Mal eine Alternative zu den Finanzinstitutionen der westlichen Hegemonie (Weltbank, IWF) etablieren konnte.[6]
Nein_zur_Nato_DDR1957Die Kriege, die die NATO und ihre Mitgliedstaaten seit 1991 führten, müssen weitestgehend als gescheitert gelten – vom Krieg gegen Jugoslawien (1999) über diejenigen in Afghanistan (ab 2001) und Irak (ab 2003) bis Libyen (2011).
Der Versuch, Russlands Einfluss im Rahmen des Ukraine-Konflikts zu brechen und das Land zu isolieren [7], schlug ebenfalls fehl; Moskau sei „alles andere als isoliert“, konstatierte im Juli Dmitri Trenin, Direktor des Moscow Center des US-amerikanischen Carnegie Endowment.[8]
Tatsächlich ist der Westen nicht mehr in der Lage, Russland von der Intervention in einen Krieg abzuhalten, in den er selbst massiv involviert ist. Dies belegen die aktuellen russischen Operationen in Syrien – die ersten außerhalb des Gebiets der ehemaligen Sowjetunion seit deren Zerfall im Jahr 1991.

Unterstützung für Jihadisten

Jenseits ihrer weltpolitischen Bedeutung legen die russischen Luftangriffe in Syrien einmal mehr die Kooperation der westlichen Mächte mit Jihadisten offen. Zu den Zielen, die russische Bomber in den vergangenen Tagen attackierten, gehörten neben Einheiten des IS auch Stellungen der Miliz Jaish al Fatah.[9] Diese ist ein Zusammenschluss, der von salafistischen und jihadistischen Verbänden dominiert wird; eine starke Stellung in ihm hat die Al Nusra-Front inne, der syrische Ableger von Al Qaida. Jaish al Fatah ist – mit logistischer Hilfe des NATO-Mitglieds Türkei – von Saudi-Arabien, einem zentralen Verbündeten des Westens in Mittelost, mit Geld und Waffen ausgestattet worden.[10]
US-Medien räumen heute unumwunden ein, dass Teile von Jaish al Fatah – angeblich „moderate“ Milizen – auch von US-Geheimdiensten hochgerüstet wurden.[11]
Dies bestätigt erneut, dass der Westen und seine Verbündeten zum Sturz missliebiger Regierungen in der islamischen Welt bei Bedarf auch Bündnisse bewaffnen, die zumindest unter spürbarem Einfluss von Al Qaida stehen. Damit stärken sie genau diejenige Organisation, gegen die sie im Jahr 2001 wegen der Anschläge vom 11. September ihren globalen „Anti-Terror-Krieg“ entfesselten.

An der Seite von Al Qaida

al_QaidaDasselbe belegen auch die jüngsten russischen Luftschläge gegen die Miliz Tajammu al Izza. Diese selbst zählt nicht zum Spektrum der in Syrien operierenden Jihadisten; sie ist von den Vereinigten Staaten ausgerüstet worden und hat dies mit Hilfe von Videos dokumentiert, auf denen ihre Mitglieder US-amerikanische Anti-Panzer-Raketen abfeuern. Westliche Medien führen den russischen Luftangriff auf Tajammu al Izza vom Mittwoch als Beleg dafür auf, dass Moskau die säkulare Opposition attackiere und lediglich auf die Sicherung der Herrschaft von Präsident Bashar al Assad ziele.
Der tatsächliche Stellenwert der Bombardierung von Tajammu al Izza lässt sich jedoch einer Analyse entnehmen, die der Syrien-Experte Aron Lund für das US-amerikanische Carnegie Endowment erstellt hat. Wie Lund festhält, operiert die Miliz, ganz wie „viele andere vom Westen unterstützte Gruppierungen“, an der Seite von Jihadisten, darunter die Al Nusra-Front.[12] Gemeinsam seien sie dabei, vereint „nach Süden vorzustoßen“ und „zum ersten Mal in Kerngebiete der Regierung“ einzudringen, „darunter Distrikte mit einer alawitischen Bevölkerungsmehrheit“.
Die Befürchtung, Al Nusra/Al Qaida könne – unterstützt von Milizen wie Tajammu al Izza – alawitische Gebiete erobern und anschließend – wie einst im Irak – Massaker an der alawitischen Bevölkerung verüben, die von Jihadisten als „ungläubig“ eingestuft wird, hat in jüngster Zeit bei Beobachtern weltweit gravierende Sorgen hervorgerufen.

Blanker Zynismus

Vor etwas über einem Jahrzehnt kooperierten die westlichen Mächte in ihrem „Anti-Terror-Krieg“ gegen Al Qaida mit der Regierung von Bashar al Assad – und ließen gefangene Jihadisten nach Damaskus überstellen, wo diese gefoltert wurden. Von den erfolterten Erkenntnissen profitierten unter Rot-Grün auch deutsche Behörden (german-foreign-policy.com berichtete [13]).
Heute wirft der Westen Assad brutale Folter vor – und kooperiert im Kampf gegen ihn mit Jihadisten, die er noch vor wenigen Jahren bedenkenlos an die syrischen Behörden ausgeliefert hätte.[14]

Blanker Zynismus ist neben unerbittlichem Dominanzstreben die einzige Konstante westlicher Weltpolitik.

Mehr zum Thema: Machtkampf in Nahost, Spitzendiplomat fordert Bundeswehr-Einsatz in Syrien, Zynische Optionen und Deutschlands ordnungspolitischer Radius.

[1] Gemeinsame Erklärung zum Militäreinsatz Russlands in Syrien. www.auswaertiges-amt.de 02.10.2015.
[2] Steinmeier warnt Russland vor einem Alleingang in Syrien. www.faz.net 02.10.2015.
[3] S. dazu Sisi in Berlin (II) und Spitzendiplomat fordert Bundeswehr-Einsatz in Syrien.
[4] Iraq defends intelligence sharing with Russia, Syria, Iran. www.militarytimes.com 28.09.2015.
[5] Spencer Kimball: Russland fordert US-Dominanz im Nahen Osten heraus. www.dw.com 01.10.2015.
[6] S. dazu Umrisse einer multipolaren Welt und Der Überlegenheitsanspruch des Westens.
[7] S. dazu Die Allianz der Bedrohten und Umbruchszeiten.
[8] Dmitri Trenin: Russia Far From Isolated in Non-West Community. carnegie.ru 08.07.2015.
[9] Kareem Shaheen, Matthew Weaver, Saeed Kamali Dehghan: US-backed Syrian rebels say they have been hit by Russian airstrikes. www.theguardian.com 01.10.2015.
[10] Kim Sengupta: Turkey and Saudi Arabia alarm the West by backing Islamist extremists the Americans had bombed in Syria. www.independent.co.uk 12.05.2015.
[11] Ben Hubbard: A Look at the Army of Conquest, a Prominent Rebel Alliance in Syria. www.nytimes.com 01.10.2015.
[12] Aron Lund: What Is Russia Bombing in Syria? carnegieendowment.org 02.10.2015.
[13] S. dazu Oktober 2001 und Deutsch-syrischer Herbst.
[14] S. dazu Die Islamisierung der Rebellion, Religion und Interesse und Vom Nutzen des Jihad (I).

Jochen