Kampfgemeinschaften – extrem rechtes Netzwerk in der Bundeswehr – Ausläufer des „Tiefen Staates“ – Werden neue Todesschwadronen aufgebaut ?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Eine schlimme Vermutung: Der enttarnte Oberleutnant bereitete ein Attentat unter falscher Flagge vor.
Nachdem der NSU so aus dem Ruder gelaufen ist, dass er zu diesem heimlichen Zweck nicht mehr taugte, musste offensichtlich ein neues Netzwerk aufgebaut werden.
Dazu vorgestern auf den NachDenkSeiten Paul Schreyer (s.u.) und heute auf German Foreign Policy:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59586
Auszüge:

Kampfgemeinschaften

03.05.2017 BERLIN (Eigener Bericht) –
In der Bundeswehr ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums ein extrem rechtes Netzwerk aktiv. Dies wird unter Berufung auf Unterlagen des Ministeriums berichtet. Demnach hätte Oberleutnant Franco A., der vergangene Woche unter Terrorverdacht festgenommen wurde, mehrere Mittäter. A. soll Mordattentate auf eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, auf eine antirassistische Organisation sowie womöglich auch auf Ex-Bundespräsident Joachim Gauck und auf Bundesjustizminister Heiko Maas erwogen haben.
Eine der zentralen Fragen im Fall Franco A. ist nach wie vor, wieso der Mann nach der Erstellung einer Masterarbeit, die laut Experten an NS-Propaganda erinnerte, von den zuständigen Stellen der Bundeswehr von jedem „Zweifel an der erforderlichen Einstellung zur Werteordnung“ freigesprochen wurde.

Die Frage stellt sich umso dringlicher, als rechtsgerichtete Kräfte in den Streitkräften aktiv sind – auch an einflussreicher Stelle, etwa an der Münchner Universität der Bundeswehr. In „Denkzirkeln“ junger Offiziere und Offiziersanwärter wird beispielsweise eine „umfassende mentale Revolution“ gefordert, die eine „Reinigung des Offiziersstandes“ von „falsch verstandene(r) Toleranz und liberale(n) Auffassunge(n)“ bewirken soll.

Rassistischer Appell

Zu den zentralen Fragen im Fall Franco A. gehört nach wie vor, weshalb der Oberleutnant nach der Abgabe seiner Masterarbeit an der französischen Militärhochschule St. Cyr weder entlassen noch vom Militärgeheimdienst MAD überprüft wurde. Ein Gutachter vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam kam Berichten zufolge zu dem Schluss, bei der Arbeit handle es sich um „einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell“, dessen „biologistische Metaphorik“ an NS-Propaganda erinnere.[1]
Der Kommandeur von St. Cyr, Général de Division Antoine Windeck, hat laut den Berichten gegenüber A.s deutschem Vorgesetzten an der Universität erklärt: „Wenn es ein französischer Lehrgangsteilnehmer wäre, würden wir ihn ablösen“. Zu diametral entgegengesetzten Urteilen kamen hingegen A.s deutscher Vorgesetzter, ein Oberstleutnant der Bundeswehr, sowie der zuständige deutsche Wehrdisziplinaranwalt. Er könne „keinen Anhaltspunkt“ entdecken, dass A.s Einstellung mit seiner soldatischen Pflicht unvereinbar sei, schrieb der Vorgesetzte, während der Wehrdisziplinaranwalt in einem Aktenvermerk notierte, „Zweifel an der erforderlichen Einstellung zur Werteordnung“ seien bei A. „auszuschließen“.[2]

Konservative Revolutionäre

Ultrarechte Einstellungen, wie sie bei A. in extrem zugespitzter Form zutage treten, werden Teilen der Bundeswehr regelmäßig attestiert. Dabei finden sich rechte Kräfte auch in einflussreicher Stellung in den Streitkräften, beispielsweise an der Münchner Bundeswehr-Universität sowie in deren Umfeld.
Exemplarisch zeigte dies ein Vorfall im Jahr 2011. Damals hatte sich heftiger Streit um die offizielle Studierendenzeitschrift der Hochschule („Campus“) entzündet, nachdem das Blatt provozierende rechte Thesen verbreitet hatte: „Frauen als Kämpfer einzusetzen“ bedeute „einen strukturellen Kampfwertverlust“, hieß es etwa; zudem sei die Rede vom „Staatsbürger in Uniform“ eine „inhaltsleere Hülle“.[3]
Recherchen ergaben, dass der damalige „Campus“-Chefredakteur sowie zwei weitere Redakteure publizistisch einem Milieu entstammten, das sich positiv auf die Konservative Revolution bezieht und als dessen führender Kopf der bekannte Rechtsintellektuelle Götz Kubitschek gilt.[4]
Bei der Konservativen Revolution handelt es sich um eine ultrarechte Strömung der 1920er und frühen 1930er Jahre, die Experten zufolge „zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus“ zählt.[5]
Kubitschek wiederum, Gründer des in dieser Tradition stehenden „Instituts für Staatspolitik“, wird als geistiger Mentor des ultrarechten AfD-Flügels um den AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, eingestuft.

„Kontroverse Themen“

Den damaligen Streit konnten die drei „Campus“-Redakteure, Oberleutnant Martin Böcker, Leutnant Felix Springer sowie Leutnant zur See Larsen Kempf, für sich entscheiden: Sie wurden von der offiziellen Studierendenvertretung mit großer Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt. Er lege Wert darauf, auch „kontroverse Themen“ ausführlich zu diskutieren, erklärte der Vorsitzende der Studierendenvertretung dazu.[6]
Zu den Thesen, die „Campus“ gedruckt hatte und um die sich der Streit drehte, gehörte folgende Behauptung eines Wissenschaftlers vom „Institut für Theologie und Ethik“ an der Bundeswehr-Universität: „Anders als erhofft, entfaltet sich unter freiheitlich-demokratischen Bedingungen keine gemeinschaftlich-gute Lebensform.“[7]
Die Präsidentin der Bundeswehr-Universität, die sich verärgert darüber geäußert hatte, musste letzten Endes die Kritik einstellen, zumal auch Professoren der Hochschule den „Campus“-Redakteuren den Rücken gestärkt hatten. Zu ihnen zählte Carlo Masala, der weiter als Professor für Internationale Politik an der Universität tätig ist. Masala hatte sich zuvor in einem öffentlichen Beitrag selbst auf einen Protagonisten der Konservativen Revolution bezogen – auf den gelegentlich als „Kronjuristen“ des NS-Reichs bezeichneten Staatsrechtler Carl Schmitt.[8]

Eine „mentale Revolution“

Die drei ehemaligen „Campus“-Redakteure, in ultrarechten Kreisen gelegentlich „Campus-Drei“ genannt, sind in den vergangenen Jahren auch weiterhin publizistisch aktiv gewesen. Im Jahr 2013 haben sie den Sammelband „Soldatentum“ herausgegeben, der auf der Grundlage rechtsgerichteter Positionen Abschied vom Konzept des „Bürgers in Uniform“ nimmt. Der Münchner Bundeswehr-Professor Carlo Masala ist mit einem eigenen Beitrag darin vertreten; die Stiftung des Deutschen BundeswehrVerbandes („Karl-Theodor-Molinari-Stiftung“) hat den Druck kofinanziert.
General a.D. Klaus Naumann, einst Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hat ein Geleitwort für das Buch verfasst, dem Beobachter zumindest teilweise eine Nähe zu Konzepten der Konservativen Revolution attestieren.[9]
Einer der Autoren, Marcel Bohnert, hat im Jahr darauf einen weiteren Band mit dem Titel „Armee im Aufbruch“ herausgegeben, der ebenfalls – teils unter Bezug auf bekannte NS-Militärs wie Erich von Manstein und Erwin Rommel – dem Konzept der Inneren Führung eine Abfuhr erteilt. Stattdessen werden in dem Buch „klassische preußische Tugenden“ gelobt; „aufgeklärte(r) Verfassungspatriotismus“, so heißt es, sei „für die brutale Praxis des Gefechts zu unbeständig“.[10]
Das Buch, das hochrangige Militärs sowie Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums in den höchsten Tönen lobten (german-foreign-policy.com berichtete [11]), ist aus „Denkzirkeln“ junger Offiziersanwärter und Offiziere an der Universität der Bundeswehr in Hamburg entstanden. Einer der Autoren fordert die gründliche „Reinigung des Offiziersstandes“ von „falsch verstandene(r) Toleranz und liberale(n) Auffassunge(n)“ – durch eine „umfassende mentale Revolution“.

„Grenzen der Diversität“

In diesen Kreisen, die allgemein der jüngeren „Generation Einsatz“ zugerechnet werden, ist Ende vergangener Woche ein Beitrag auf Zustimmung gestoßen, den „Armee im Aufbruch“-Herausgeber Bohnert am Samstag in der einflussreichen Frankfurter Allgemeinen Zeitung platzieren konnte. Anlass für die Publikation ist der jüngste Skandal um sadistische Praktiken und sexistische Übergriffe bei der Soldatenausbildung in der Bundeswehr gewesen; der zeitliche Zusammenhang zum Skandal um Franco A. ist wohl ein Zufall.
Im Zusammenhang mit den erwähnten sadistischen Praktiken, die lange Zeit geduldet und verschwiegen wurden, ist weithin ein „falscher Korpsgeist“ in der Truppe kritisiert worden. Bohnert stuft die Übergriffe als „martialisch“ und „fragwürdig“ ein, befürwortet aber dennoch „soldatische Härte“: „Kampfgemeinschaften können im Ernstfall nur dann effektiv funktionieren, wenn sie eine starke Bindung und Geschlossenheit entwickeln“. Wie die militärische Praxis zeige, gebe es „Grenzen der Diversität“; „die pauschale Verteufelung jeglicher Härte“ sei „ein Fehler, der sich in den wieder zunehmenden Auslandseinsätzen unserer Soldatinnen und Soldaten bitter rächen wird“.[12]
Bohnert, Major und Teilnehmer des Generalstabslehrgangs an der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg, steht exemplarisch für die nennenswerte Zahl an Bundeswehrsoldaten, die sich der aktuellen Kritik an den sadistischen Exzessen wenigstens teilweise widersetzen – und gleichzeitig für rechtsgerichtete Positionen zumindest offen sind.

[1], [2] Christian Thiels: Viele Hinweise – kaum Konsequenzen. www.tagesschau.de 02.05.2017.
[3] S. dazu Eingeschränkte Demokratie.
[4] Chefredakteur von „Campus“ war Oberleutnant Martin Böcker; in der Redaktion waren außerdem Leutnant Felix Springer und Leutnant zur See Larsen Kempf tätig. Böcker und Springer waren Autoren der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Zeitschrift Sezession, Kempf schrieb für die dem Institut für Staatspolitik nahestehende Publikation Blaue Narzisse.
[5] Konservative Revolution. www.dhm.de.
[6] S. dazu Weniger Demokratie wagen.
[7] Jochen Bohn: Deutsche Soldaten ohne Identität: Uns fehlt die Idee des „Guten“. Campus. Zeitung des studentischen Konvents 01/2011.
[8] Europa sollte ein Reich werden. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10.10.2004.
[9] Cornelia Mannewitz: Wissenschaftlicher Militarismus von rechts. In: Der Rechte Rand Nr. 144, September/Oktober 2013. S. 26-27.
[10] S. dazu Rezension: Armee im Aufbruch.
[11] S. dazu Mentale Revolution.
[12] Marcel Bohnert: Über Korpsgeist und Kampftruppen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.04.2017

Unter falscher Flagge? Der „syrische Terrorist“ vom Bundeswehr-Bataillon 291

Die in der letzten Woche erfolgte Festnahme eines Oberleutnants der Bundeswehr, der mit erheblichem Aufwand eine Scheinidentität als vermeintlich syrischer Asylbewerber aufgebaut und dann eine Pistole auf einem Flughafen versteckt hatte, wirft zahlreiche Fragen auf.

Was sonst gern als „Verschwörungstheorie“ abgetan wird, inszenierter Terrorismus für verdeckte politische Ziele, steht nun offen als Verdacht im Raum – und das auf der ganz großen Medienbühne von der Tagesschau bis zur Süddeutschen Zeitung. Selbst die BILD berichtete zwei Tage in Folge auf der Titelseite.
Von Paul Schreyer. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
http://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/170503_Der_syrische_Terrorist_vom_Bundeswehr_Bataillon_291_NDS.mp3

Zunächst eine kurze Zusammenstellung der bislang bekanntgewordenen Fakten zum Fall. Der aus Offenbach stammende Oberleutnant Franco A. lässt sich Ende 2015 in Bayern als syrischer Flüchtling registrieren. Ihm wird eine Unterkunft zugewiesen, die er auch sporadisch besucht, um die Post abzuholen und die neue Scheinidentität aufrechtzuerhalten. Tatsächlich arbeitet er ab 2016 im Jägerbataillon 291 der Bundeswehr, wo er auf einer Stabstelle „internationale Übungen und Manöver plant“, wie der Spiegel berichtet.

Im Dezember 2016 wird er offiziell als Flüchtling anerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährt ihm „subsidiären Schutz“, was eine zunächst einjährige Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis beinhaltet. Einen Monat später, im Januar 2017, besucht Franco A. den „Ball der Offiziere“ in der Wiener Hofburg, ein großes gesellschaftliches Ereignis, das vom Österreichischen Bundesheer alljährlich organisiert wird. Der Ball ist laut Auskunft der Veranstalter „ein Treffpunkt nicht nur der Offiziere des Österreichischen Bundesheeres und der Wiener Gesellschaft, sondern auch europäischer Politik und Wirtschaft. (…) Aufgrund der immer stärker werdenden internationalen Zusammenarbeit mit ausländischen Armeen finden sich auch immer häufiger Offiziere aus diesen Ländern als Ballbesucher ein“.
Sponsoren des Balls sind unter anderem die großen internationalen Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann, BAE Systems und General Dynamics.

Nach dem Besuch des Balls und unmittelbar vor seinem Rückflug nach Deutschland versteckt der Oberleutnant eine Pistole auf der Toilette des Wiener Flughafens. Diese Waffe wird einige Tage später von Wartungspersonal entdeckt. Die alarmierte österreichische Polizei stellt daraufhin eine Falle und nimmt Franco A. fest, als dieser am 3. Februar die Pistole wieder aus dem Versteck holen will. Die Fingerabdrücke auf der Waffe führen die Behörden dann zum registrierten „syrischen Flüchtling“, der Doppelidentität des Oberleutnants.
Der Offizier wird fortan verdeckt observiert, die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt ab Februar, am 26. April wird er schließlich festgenommen. So der Ablauf, soweit bisher bekannt.
Offenkundig ist, und so vermutet es auch die Staatsanwaltschaft, dass der Oberleutnant einen Terroranschlag plante und diesen dann dem fiktiven „syrischen Flüchtling“ in die Schuhe schieben wollte – die Vorbereitung eines klassischen „Anschlags unter falscher Flagge“ also. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Clemens Binninger von der CDU, sprach in einer ersten Stellungnahme von einem „Fall in uns bisher unbekannter Dimension“.

Wie bekannt wurde, handelt es sich bei Franco A. offenbar um einen Rechtsradikalen, worauf die Bundeswehr auch schon frühzeitig Hinweise hatte. Der Offizier hatte an der französischen Elite-Militärhochschule Saint-Cyr studiert, wo ein Professor seine Masterarbeit (Titel: „Politischer Wandel und Subversionsstrategie“) 2014 als extremistisch und „nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“ einstufte.
Unter anderem folgende Fragen stellen sich nun zum Fall: Handelte der Offizier privat oder womöglich in Absprache mit Vorgesetzten? Und wie ist es möglich, dass er als „syrischer Flüchtling“ anerkannt wurde?

Zur letzten Frage gibt es zumindest einen Anhaltspunkt. Nachdem sich Franco A. Ende 2015 als Flüchtling registrieren ließ und im Mai 2016 einen regulären Asylantrag stellte, wurde er im November 2016 schließlich in einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg zu seinen Beweggründen persönlich befragt.
Wie nun bekannt wurde, handelte es sich bei seinem Befrager um einen „von der Bundeswehr ans Bamf ausgeliehenen Soldaten“. Der Flüchtling spielende Soldat wurde also seinerseits von einem als Bamf-Beamten agierenden Soldaten überprüft.

Einzeltäter oder Teil eines Netzwerks?

Zur Frage, ob Franco A. privat handelte oder in Absprache mit Vorgesetzten, lohnt ein genauerer Blick auf seinen Arbeitgeber, das Bundeswehr-Jägerbataillon 291. Dieses in Frankreich stationierte Bataillon ist keine gewöhnliche Einheit, sondern eine Art Pionierverband für besondere Aufgaben. Das Bataillon ist dort präsent, wo es geopolitisch brenzlig ist, etwa in Litauen oder in Mali.
Es ist außerdem eingebunden in politisch brisante Manöver, wie die Übung „Saber Strike“ 2015 in Polen, die nicht von der NATO, sondern direkt von der US-Armee befehligt wurde.
Kommandeur des Bataillons und damit Vorgesetzter von Oberleutnant Franco A. ist Oberstleutnant Marc-Ulrich Cropp, Jahrgang 1972. Dessen Karriere ist eng mit den Spezialkräften und auch mit den USA verknüpft. Nachdem er bereits Ende der 1990er Jahre Weiterbildungen in den Vereinigten Staaten besucht hatte, absolvierte er schließlich von 2008 bis 2010 eine Eliteausbildung beim U.S. Marine Corps, wo er die „School of Advanced Warfighting“ besuchte.
Zurück in Deutschland leitete er im Verteidigungsministerium die Planungsabteilung für Operationen der Bundeswehr-Spezialkräfte.

Unmittelbar vor seiner Ernennung zum Kommandeur des Bataillons 291 im März 2015 bekleidete er von 2012 an einen weiteren hohen Posten im Ministerium, als Stabsoffizier beim Chef des Planungsstabes, also bei einem der engsten Vertrauten des Ministers. Cropp arbeitete in dieser Funktion bis 2014 für den Chef des Planungsstabes Ulrich Schlie, ein Mitglied der Atlantikbrücke, der 2002 als Mitarbeiter von Wolfgang Schäuble und dann als außenpolitischer Berater von Roland Koch politisch gestartet war.
Unter der Ministerin Ursula von der Leyen war Cropp dann ab 2014 dem neuen Chef des Planungsstabes Géza Andreas von Geyr unterstellt, der ebenfalls aus dem Umfeld von Schäuble stammt und von 2010 bis 2014 als Vizepräsident des BND amtierte.

In diesem personellen Umfeld machte der heutige Vorgesetzte von Franco A. Karriere. Im Jägerbataillon 291, das laut Bundeswehrbeschreibung „eine besondere Befähigung zum Einsatz in urbanem und sonstigem schwierigem Gelände“ hat, unterstehen ihm derzeit etwa 600 Soldaten.

Der Oberleutnant mit der Doppelidentität gehörte dem Bataillon seit 2016 an und war dort auf einer Stabstelle mit der Planung von internationalen Übungen und Manövern befasst.
Das Jägerbataillon ist Teil der Deutsch-Französischen Brigade, welche sich laut Bundeswehr „signifikant an NATO-Großübungen beteiligt“ und „ein Modell für militärische Zusammenarbeit insbesondere in operativer Hinsicht“ sei: „Die Deutsch-Französische Brigade ist ein Großverband, der sich in Teilen stets weltweit im Einsatz befindet.“
Das Jägerbataillon 291 ist dabei der erste Verband der Bundeswehr, der dauerhaft in Frankreich stationiert ist. Nachdem Cropp die Leitung übernommen hatte, nahm das Bataillon an dem direkt von der US-Armee geführten Manöver „Saber Strike“ 2015 in Polen teil. In der Presse hieß es dazu:

„Mark-Ulrich Cropp und seine Männer sind auf sich allein gestellt. Cropp ist Oberstleutnant und Kommandeur des Jägerbataillons 291 aus Illkirch bei Straßburg. (…) für Cropps Infanteristen ist nicht das Großgerät der Truppe maßgeblich, sondern die Fähigkeit, sich im Kriechgang über den Waldboden einem gegnerischen Schützengraben unerkannt zu nähern, um ihn einzunehmen. (…) ‚Die Bundeswehr‘, auch das ist sein Fazit aus dem Gefecht in Pommerns Wäldern, ‚muss sich vor niemand verstecken‘.“

Deutlich wird eine Struktur, welche die Bundeswehr als Reservoir für internationale Einsätze benutzt, teilweise außerhalb nationaler Befehlsgewalt.
Was die Anschlagspläne von Oberleutnant Franco A. angeht, sind bislang keine Indizien bekannt geworden, die auf eine Verwicklung staatlicher Stellen oder Vorgesetzter hindeuten. Es ist denkbar, dass der Offizier als Privatmann handelte. Ob das allerdings, im Kontext seiner Arbeit und der geschilderten Umstände, auch als plausibel gelten kann, ist bis auf weiteres unklar.

Auffällig ist der große Aufwand der Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung. In Zusammenhang mit der Festnahme des Oberleutnants und eines weiteren Verdächtigen durchsuchten in der vergangenen Woche insgesamt 90 Polizeibeamte 16 Objekte in Deutschland, Österreich und Frankreich.

Mein Kommentar: Beim NSU und z.B. dem Mord an Michele Kiesewetter waren die Behörden nicht so fleißig. Aber hier ist eine zu große Nähe zum stinkenden Kopf des Ganzen spürbar.

Jochen

NSU-Ausschussvorsitzender Clemens Binninger: „NSU bestand nicht nur aus drei Leuten“ – oder: „Wie viel Staat steckt im NSU?“

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Endlich wieder eine glaubwürdige Darstellung im Interview der FR:
http://www.fr-online.de/neonazi-terror/nsu-prozess–nsu-bestand-nicht-nur-aus-drei-leuten-,1477338,34710676.html
Passend dazu weiter unten ein Kommentar aus dem „Blättchen“.
Auszüge:

Binninger2Der NSU-Ausschussvorsitzende Clemens Binninger spricht über Ungereimtheiten und offene Fragen bei der Aufklärung der Morde, über unnütze V-Leute und Indizien, die auf Mittäter hindeuten.

Für Clemens Binninger, den Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, sind viele Fragen um die Morde und Anschläge des rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) noch unbeantwortet. Am Donnerstag setzt der CDU-Politiker Binninger mit seinen Kollegen die Aufklärungsarbeit in Berlin fort.

Herr Binninger, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat 2012 versprochen, sie werde alles tun, um die NSU-Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken. Wie viele davon gab es nach Ihren Kenntnissen?
Wenn ich die Fakten und Indizien aus Akten und Vernehmungen betrachte, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass der NSU nicht nur aus drei Leuten bestand und dass es neben den Helfern und Unterstützern, die angeklagt sind, weil sie Wohnungen, Handys, Waffen beschafft haben, auch Mittäter gab.
Ich weiß auch nicht, wie es war, aber ich teile die Auffassung des Generalbundesanwalts nicht, dass alle 27 Straftaten – zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle – nur von den beiden Männern begangen wurden. Es gibt eine Reihe von Indizien, die darauf deuten, dass es Mittäter vor Ort gegeben hat, die geholfen oder ausgespäht haben.

Warum hat sich der Generalbundesanwalt dann so schnell festgelegt und diese Indizien ignoriert?
Die Erwartungshaltung war enorm nach dem Auffliegen dieser Zelle. Man wollte den Fall schnell geklärt haben, auch wegen des Unverständnisses, wie so etwas unentdeckt bleiben konnte über all die Jahre.
Meine Sorge ist, dass man sich sehr früh auf eine Hypothese festgelegt hat – nämlich dass das drei Leute waren. Wenn man sich davon nicht mehr abbringen lässt, ist man nicht mehr offen für andere Spuren.
Das war der Fehler, der schon gemacht worden war, bevor der NSU aufflog, als man bei dessen Mordserie von Organisierter Kriminalität ausging. Ich habe Sorge, dass sich das jetzt mit der Trio-These wiederholt.

Haben Sie die Hoffnung, dass wenn im NSU-Prozess das Urteil gesprochen ist, noch weitere Beteiligte angeklagt werden?
Das wird schwierig werden. Die Akten, die ich kenne, stimmen mich nicht zuversichtlich. Es sei denn, dass bei den Ermittlungen noch neue Erkenntnisse hinzukommen. Geständnisse halte ich für unwahrscheinlich.

Das heißt, wir müssen akzeptieren, dass Neonazis, die als Zeugen im Gericht sitzen, sich demonstrativ maulfaul geben und damit die Aufklärung verhindern können?
Es ist eine Prüfung für den Rechtsstaat. Auch Leute, die diesen Staat und seine Bürger bekämpft haben, müssen von Justitia fair und objektiv behandelt werden. Sie untermauern zwar so nochmals ihre menschenverachtende Gesinnung, sie müssen aber nicht an ihrer eigenen Überführung mitwirken. Wir müssen andere Wege finden: Gute polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, vielleicht auch gute parlamentarische Ausschüsse, um zu mehr Aufklärung zu kommen.

Welche Fragen sind für Sie noch offen, zu deren Aufklärung Sie mit dem Untersuchungsausschuss beitragen könnten?
Wer in der Öffentlichkeit den Fall betrachtet, denkt vielleicht: NSU – alles klar. Man hat das Paulchen-Panther-Video gefunden, man hat die Tatwaffen gefunden. Wenn Sie sich im Detail damit befassen, stellen Sie fest, dass die Beweisführung gar nicht so einfach ist. Es gibt keine Fingerabdrücke eines der Toten oder Beschuldigten an einer Tatwaffe. Es gibt kein Geständnis.
Es gibt 27 Tatorte, und an keinem einzigen Tatort haben wir DNA oder Fingerabdrücke von einem der Beschuldigten gefunden.
Es gibt aber einen großen potenziellen Unterstützerkreis von rund 100 Personen. Ich habe mal nachgefragt: Von diesem NSU-Unterstützerkreis hat man nur von 19 Personen die DNA, um sie mit Tatortspuren abzugleichen.

Das ist wenig.
Das ist sehr wenig. Von 81 Personen wurden keine DNA-Proben genommen. Es ist klar: Nur Beschuldigte können gezwungen werden, eine DNA-Probe abzugeben.
Aber man muss die restlichen Personen doch wenigstens fragen, ob sie es freiwillig tun. Aus gutem Grund werden bei schweren Straftaten, wenn erforderlich, auf freiwilliger Basis Speichelproben entnommen.

Die Geheimdienste waren mit einer Vielzahl von V-Leuten sehr nah dran am NSU. Warum wurde so wenig daraus gemacht, warum wurde nicht intensiver gefahndet?
Es ist ein Mysterium bis heute, warum kein V-Mann seinem V-Mann-Führer etwas mitgeteilt haben will. In keiner Akte, außer in einigen Aussagen von „Corelli“ Mitte der 90er Jahre, findet sich irgendein Hinweis.
Ab 2001 sind die drei Untergetauchten wie weg vom Schirm.

Glauben Sie, da hat tatsächlich keiner etwas mitbekommen?
Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass es keinen einzigen V-Mann geben soll, der nicht zumindest gewusst hat, wo das Trio sich aufhält.

Was haben Sie bei Ihrer Nachforschung über V-Leute gelernt?
Sie sind mit größter Vorsicht zu genießen. Im ersten Untersuchungsausschuss haben wir die so genannten Heise-Bänder gefunden, auf denen der Neonazi Thorsten Heise ein Gespräch mit dem enttarnten V-Mann Tino Brandt mitgeschnitten hat. Das ist ein Blick in den Abgrund des damaligen V-Mann-Wesens.
Brandt sagt, er sei überrascht gewesen, mit wie wenigen Informationen sich seine V-Mann-Führer zufrieden gegeben hätten und er sei meistens gewarnt worden vor Durchsuchungen.

Sind V-Leute also unnütz und gefährlich?
Der Verfassungsschutz muss besser mit diesem Instrument umgehen. Ein Beispiel: V-Mann-Führer, die zu lange eine Quelle führen, verlieren die Distanz.
Dennoch glaube ich, dass wir nicht ganz darauf verzichten können. In kleinen Kreisen, die sich lange kennen, wie es der Thüringer Heimatschutz war, kriegen Sie niemand Neues von außen angedockt. Aber wenn man merkt, eine Quelle bringt nichts, muss man sich auch von ihr trennen.

Im Geheimdienst selbst sieht man die Gefahr wohl andernorts: Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat den Abgeordneten vorgeworfen, die Nachforschungen der Untersuchungsausschüsse hielten sein Amt von der Terrorabwehr ab. Herr Binninger, sind Sie schuld, wenn es in Deutschland einen Anschlag gibt?
Sicher nicht. Ich akzeptiere es, dass mir eine Behörde sagt: Wir haben sehr viel zu tun, die Anforderungen des Parlaments sind hoch, wir liefern die Akten, aber es kann dauern. Aber weil eine Abteilung Akten zusammenstellen muss, zu sagen, in einer anderen Abteilung klappt die Arbeit nicht mehr – das ist kein Argument. Das ist eine Organisationsfrage. Parlamentarische Kontrolle hat ihre Berechtigung. Ich glaube, er hat die Aussage dann auch nicht mehr wiederholt.

Mit der Kontrolle der Geheimdienste sind Sie auch als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Bundestag betraut. Welche zusätzlichen Kompetenzen bräuchten Sie, um wirksam zu kontrollieren, dass die Geheimdienste auch so handeln, wie der Gesetzgeber das vorsieht?
Keine. Wir haben uns bei der letzten Reform Kompetenzen gegeben: Wir dürfen die Behörden aufsuchen, die Herausgabe von Akten verlangen, Mitarbeiter befragen, können einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, die Bundesregierung muss uns unterrichten.

Haben Sie davon auch Gebrauch gemacht?
In den vergangenen Legislaturperioden wurden diese Befugnisse so gut wie nie genutzt. Akten eingesehen, Fragen gestellt, das schon. Aber Kontrollbesuche? Nein.
Als ich Vorsitzender wurde, habe ich gesagt, wir müssen das machen. Deswegen haben wir uns sieben Kontrollaufträge gegeben, die eben mal nicht der Presseberichterstattung hinterherhecheln, sondern die von uns ausgehen.

Warum nutzen Sie diese Instrumente erst jetzt?
Damit sind wir beim Hauptproblem, weswegen ich auch Reformbedarf sehe: Die Instrumente haben wir. Was wir nicht haben, ist Personal und Zeit. Alle Kollegen, die im Gremium sitzen, haben noch andere Aufgaben.
Und es gibt auch keine Chance, das zu ändern, es geht einfach nicht. Deshalb brauchen wir im PKGr einen Arbeitsstab, der dauerhaft in unserem Auftrag diese Dinge abarbeitet. Wir sind dabei, das und einige andere Punkte mit einer Gesetzesreform auf den Weg zu bringen.

Noch einmal zurück zum Thema NSU: Welche Zweifel haben Sie beim Mordfall in Kassel 2006?
Ich habe mir den Tatort angeschaut. Diese Tat begeht man eigentlich nicht allein, man kann sie kaum begehen, ohne dass jemand sagt: Jetzt kannst du rein. Man sieht zu wenig von draußen.
Dann hat man in der letzten NSU-Wohnung eine Skizze gefunden, die diesen Tatort zeigt. Die Skizze muss jemand für die Täter gemacht haben. Das deutet für mich auf mehr als zwei Täter hin.

Wie sehen Sie die Rolle des damaligen Verfassungsschützers Andreas Temme, der am Tatort war, aber nichts gesehen haben will?
Das Oberlandesgericht München hat ja seine Aussage für glaubwürdig erklärt.

Was mich bei Temme nicht überzeugt, ist, dass er sagt, er habe das Opfer nicht gesehen, obwohl er so groß ist, nichts gerochen, obwohl er Sportschütze ist, nichts gehört und auch auf der Straße nichts gesehen.
Dass er sich nicht gemeldet hat mit der Behauptung, er habe den Tag verwechselt. Dass er behauptet hat, er sei mit dem Fall nie dienstlich betraut gewesen – obwohl es in der Woche davor diese Mail seiner Vorgesetzten gab, die sagt, man solle sich wegen der Mordserie umhören.

Viele offene Fragen.
Ja. Auch die Tatbegehung: durch eine Plastiktüte schießen und die anwesenden Kunden einfach ausblenden. Ein Täter, der das kann, muss eine hohe Professionalität im Umgang mit Waffen und Eiseskälte besitzen.
Das passt nicht zu den Bankräubern Mundlos und Böhnhardt, die fast bei jedem Banküberfall durchdrehen, die Angestellte schlagen, in die Decke schießen.

AUTOR:
Martín Steinhagen
Redaktion Frankfurt/Rhein-Main

Aus dem „Blättchen“ von Gabriele Muthesius:

Am 25. Juni dieses Jahres fand im Grünen Salon der Berliner Volksbühne eine Podiumsveranstaltung der LINKEN statt.[2] Unter der Moderation von Dieter Dehm ging es um den NSU-Komplex und speziell die Arbeit der beiden diesem gewidmeten Untersuchungsausschüsse des Thüringer Landtages. Dabei lieferten sich Katharina König, Abgeordnete der Linken im Thüringer Landtag und Mitglied beider Ausschüsse, und der Schriftsteller Wolfgang Schorlau sowie der Wissenschafts-journalist Ekkehard Sieker einen zum Teil sehr heftigen Schlagabtausch.
(dort auch eine ausführliche Quellenliste)

Am 4. November 2011, um 12:05 Uhr, entdeckten zwei Streifenpolizisten in Eisenach-Stregda ein Wohnmobil. Die offizielle Darstellung dessen, was anschließend passierte, lautet – kurzgefasst – so: Aus dem Camper wurde das Feuer auf die beiden Polizisten eröffnet (ein Schuss), die daraufhin in Deckung gingen. Sie hörten anschließend weitere Schussgeräusche aus dem Camper, in dem unmittelbar darauf ein Brand ausbrach. Nachdem die herbeigerufene Feuerwehr den verschlossenen Camper gelöscht und aufgebrochen hatte, entdeckte man zwei Leichen, von denen sich später herausstellte, dass es sich um die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt handelte.
Nach dem Schuss auf die beiden Polizisten soll Mundlos erst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen haben, nachdem er zwischenzeitlich noch das Wohnmobil in Brand gesteckt hatte.
Diese Lesart kehrt allerdings zahlreiche Widersprüche, Ungereimtheiten und offene Fragen unter den Tisch, deren Aufdeckung nicht zuletzt dem Team Schorlau / Sieker zu verdanken ist und die auch Gegenstand der bereits erwähnten Besprechung im Blättchen waren.
Am 28. April 2016 wurde im zweiten Thüringer NSU-Ausschuss erneut Michael Menzel einvernommen. (Er war am 31. März 2014 bereits vor den ersten Ausschuss – amtlich: „Untersuchungsausschuss 5/1‚ Rechtsterrorismus und Behördenhandeln‘“ – geladen worden.)
Menzel war als Leitender Polizeidirektor in Gotha am 4. November 2011 in Stregda vor Ort jener verantwortliche Ermittlungsleiter,

  • der im Einzelnen nicht mehr nachvollziehbare Veränderungen des Tatortes zumindest billigend in Kauf genommen hat, als er – vor irgendwelchen kriminaltechnischen Untersuchungen – das Abschleppen des Campers durch ein privates Unternehmen in eine Abstellhalle auf dessen Betriebsgelände in Eisenach anordnete. Dazu musste das Wohnmobil über eine etwa 30 bis 40 Grad schräge Rampe auf ein Abschleppfahrzeug gezogen werden. Zuvor hatte Menzel der angerückten sogenannten Tatortgruppe, der normalerweise die kriminaltechnische Tatortarbeit, Spurensuche und Sicherung des Tatortbefundes obliegt, keine Gelegenheit gegeben, sogenannte Spheron-Aufnahmen zu machen, die gegebenenfalls eine Tatortrekonstruktion nach der Abschleppaktion ermöglicht hätten.
  • unter dessen Verantwortung in Stregda die laut Thüringer Bestattungsgesetz zwingend vorgeschriebene ärztliche Leichenschau unterblieb, obwohl ein dazu befugter Notarzt und zwei ebenfalls befugte Gerichtsmediziner vor Ort waren.
  • der regel- und polizeipraxiswidrig den Camper samt Leichen abschleppen ließ.
  • der sich dem Verdacht aussetzte, bereits bei seinem Eintreffen am Tatort gegen 12:30 Uhr über detailliertes Vor-, um nicht zu sagen Täterwissen verfügt zu haben, denn er informierte bereits zwischen 16:30 und 17:00 Uhr[5] telefonisch einen Kollegen in Heilbronn, dass im Camper die Dienstwaffe der am 25. April 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter gefunden worden sei. (Laut Einsatzverlaufsbericht der Kriminalpolizeistation Eisenach wurde diese Waffe aber überhaupt erst um 23:11 Uhr aufgefunden und identifiziert.)
  • der auch dafür verantwortlich war, dass das Wohnmobil verladen und abtransportiert wurde, obwohl der Sachverhalt, dass sich scharfe Waffen an Bord befanden, durch Bergung und Entladung einer Pistole Heckler & Koch, Modell P 2000 aus dem Camper, die um 14:45 Uhr erfolgten[7], bekannt war.
  • (Für den Abschleppunternehmer Matthias Tautz, der Verladung und Transport vornahm, barg dies ein hohes persönliches Risiko. Immerhin hatte es in dem Wohnmobil ja auch gebrannt. Laut Protokoll antwortete Tautz im zweiten Thüringer NSU-Ausschuss auf die Frage, ob er über die Existenz scharfer Waffen informiert worden sei: „ […] Wenn ich gewusst hätte, dass da Handgranaten[8] drin wären, hätte ich es nicht gefahren. Also das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. […] Weil da ist nur eine Blechwand zwischen Wohnmobil und mir gewesen und das muss ich nicht haben.“)

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„Wie viel Staat steckt im NSU?“ Zur Beantwortung dieser Frage haben die beiden Thüringer Untersuchungsausschüsse bisher allenfalls Bruchstückhaftes beigetragen, das kein einigermaßen klar konturiertes Bild ergibt. Im Falle der Katharina König kann sich die Autorin überdies des Eindrucks nicht erwehren, dass unter dem Motto „Verschwörungstheorien abwehren“ eine recht selektive Wahrnehmung und Interpretation von Fakten, Erklärungen, Zusammenhängen und Indizien stattfindet. Der Auftritt im Grünen Salon der Volksbühne in Berlin hat diesen Eindruck nicht gemindert.

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5268281700001nBei Wolfgang Schorlau antwortet der frühere Chef des fiktiven Privatermittlers Dengler beim BKA auf die Frage „Welche Geschichte wird uns mit dem Ableben der beiden Neonazis erzählt?“: „Schwer zu sagen. Vermutlich wurde ein Schlussstrich gezogen. Plötzlich wird eine der größten Mordserien in der Geschichte der Bundesrepublik zu Ende ermittelt, die Morde an den türkischen Geschäftsleuten werden aufgeklärt, der mysteriöse Mord an der Polizistin Kiesewetter, der Nagelbombenanschlag in Köln, ein weiterer Anschlag, einige Banküberfälle und vielleicht noch ei­niges anderes. Ein Sammelsurium, könnte man sagen.
Es ist eine Schlussstrichgeschichte. Wir haben die Täter, ein Terror-Trio, die das allein zu verantworten haben. Zwei sind tot, der dritten Per­son wird der Prozess gemacht. Danach, nach dem Urteil in Mün­chen, können wir alle wieder zur Tagesordnung übergehen, und niemand soll mehr fragen, was die Dienste damit eigentlich zu tun haben.“[80]
(Die schützende Hand, S. 189) Und: „Schauen Sie mal nach Thüringen, Dengler. Dort wurde die Suppe angerührt.“[81]

Wo stände die Bundesrepublik, wenn Schorlau in die richtige Richtung wiese?

Entsprechende Befürchtungen kann man zumindest mit einer Herangehensweise, wie sie in den Thüringer NSU-Ausschüssen bisher an den Tag gelegt worden sind, nicht widerlegen und schon gar nicht aus der Welt schaffen.

Jochen

Thomas Moser | Wie finanzierte sich die Terrorgruppe des NSU?

Siehe auch meinen Kommentar zum Staatsterrorismus: Wollte die CIA mit dem VS und dem BND ein Sammelbecken rechter Gewalttäter, um daraus eine Todesschwadron zu formen ?

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Eyes Wide Shut

Wie finanzierte sich die Terrorgruppe des NSU?
Die Raubüberfälle, vergessene Opfer und das Wissen des Verfassungsschutzes

18. Dezember 1998, gegen 18 Uhr, ein Edeka-Markt am Rand von Chemnitz: Die Hauptkassiererin hat eben die Tagesseinnahmen eingesammelt, als ein Mann schreit: „Dies ist ein Überfall!“ Zwei Maskierte stehen in dem Markt. Einer bedroht die Kassiererin mit einer Pistole. Sie gibt ihm das Geld, etwa 30 000 D-Mark. Die zwei flüchten. Dabei schießen sie um sich. Vor dem Oberlandesgericht in München schildert im Juni 2015 ein junger Mann, wie ihm eine Kugel knapp am Kopf vorbeigeflogen ist. Die Täter nehmen den Tod von Passanten in Kauf. Für die Bundesanwaltschaft waren es Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

Mit diesem schweren Raub soll die Terrorserie des Nationalsozialistischen Untergrundes, der neun Migranten und eine Polizeibeamtin zum Opfer fielen, begonnen haben. 14 weitere Banküberfälle folgten, bei denen Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Opfer, die kaum bekannt…

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