USA – Weltmacht mit allen Mitteln – dazu ein aktueller Kommentar von Rainer Rupp

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

USA – Weltmacht mit allen Mitteln

https://www.jungewelt.de/artikel/436908.imperialismus-weltmacht-mit-allen-mitteln.html

Zu diesem Thema hat sich prophetisch schon 2014 Noam Chomsky geäußert: https://josopon.wordpress.com/2014/12/23/wiederkehr-des-kalten-krieges-einsichten-von-noam-chomsky-uber-die-amerikanische-ausenpolitik-a-nlasslich-des-ukraine-konfliktes

Vorabdruck. An einer friedlichen Ordnung des Planeten haben die USA nie Interesse gezeigt. In Washington gilt einzig die rücksichtslose Aufrechterhaltung der eigenen Dominanz.

Von Klaus Eichner

Klaus_Eichner_scherbenIn diesen Tagen erscheint im Berliner Verlag Edition Ost von Klaus Eichner der Band »Bis alles in Scherben fällt. Der Kampf der USA um eine neue Weltordnung«.
Wir veröffentlichen daraus mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor das Kapitel »Feindbild USA. Berechtigt oder falsch?« (jW)

Der Widerstand gegen die USA und deren aggressive Politik zur Gestaltung einer neuen Weltordnung wird als überkommenes Relikt des Kalten Krieges diffamiert. Es sei eine Fortschreibung des alten Feinbildes, das sich doch mit dem Ende der Blockkonfrontation erledigt habe, heißt es.
Die militärische Intervention Russlands in der Ukraine muss als Argument herhalten, dass nicht die USA die Welt unter ihre Militärstiefel zwingen wollen, sondern der Aggressor Russland heiße. Der »verbrecherische Überfall« – so die genormte Formulierung – habe bewiesen, dass die Furcht vor Russland bei seinen Nachbarn begründet war und ist. Deshalb hätten sie sich schließlich nach 1990 unter die schützenden Fittiche der NATO begeben.

Nun ist es ein gern kolportierter und zweckdienlich verbreiteter Irrtum zu glauben, dass »Feindbilder« eine Erfindung der kommunistischen Ideologie zur Charakterisierung des Klassenfeindes seien. Seit es Armeen gibt, existieren Feindbilder zur Motivation der Soldaten. Und zwar unabhängig vom Charakter der Gesellschaft.
Die Ideologie, auf der der Staat fußt, bestimmt allerdings das Bild des »Feindes«. Und der ist immer konkret, keineswegs abstrakt, wie lange und noch immer im Westen behauptet.

Ewiger Krieg?

Die Feinde in der imperialistischen Ideologie sind zwangsläufig jene Kräfte, Bewegungen und Staaten, die die Ausbeutergesellschaft überwinden und eine alternative Gesellschaft errichten wollen.
Und die Auseinandersetzung mit ihnen erfolgt politisch, juristisch, wirtschaftlich, polizeilich, geheimdienstlich und militärisch. Ganz unmittelbar im Sinne des von Carl von Clausewitz 1832 formulierten Gedankens: »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.« Oder eben in Form des Wettrüstens, mit dem Ressourcen der Volkswirtschaft des Feindes entzogen werden und verhindern, dass dieser etwa soziale Probleme oder humanitäre Aufgaben löst.
Der konservative Historiker Michael Stürmer, eine Zeitlang außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl und namhafter Vertreter jener Kreise, die für ein stärkeres militärisches Engagement der Bundesrepublik stehen, interpretierte 2015 diesen Satz des Preußengenerals, den man laut Stürmer dreimal lesen müsse:
»Einmal als Feststellung, dass es Krieg gab und gibt und leider Gottes keine Aussicht besteht, dass es anders wird. Zum zweiten als Warnung vor dem absoluten Krieg, der jeden anderen Zweck verschlingt. Und drittens als Aufforderung an die Diplomatie, das Ziel des Friedens auch im Krieg zu verfolgen.«¹

Es war und ist nicht nur ein Interpretations-, sondern ein grundsätzlicher Denkfehler zu meinen, dass es Kriege immer gab und immer wieder geben wird. Der Irrtum wurzelt in der Überzeugung, dass die Ursachen von Kriegen der unreife, unvollkommene Mensch sei und nicht das Wirtschaftssystem, das Staaten hervorbringt und deren Politik bestimmt.

Krieg, so darum der Umkehrschluss, kann nur überwunden werden, wenn die kapitalistische Ausbeuter- und Klassengesellschaft überwunden wird.

Denn wie der 1914 ermordete französische Sozialist Jean Jaurès formulierte: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.« Und ihm ist beizupflichten, wenn er daraus schloss, dass – entgegen allen patriotischen und demagogischen Behauptungen – nicht der Krieg revolutionär sei, sondern der Friede.
Weil er nämlich durch die Überwindung des Kapitalismus erzwungen und gewonnen werde.

Jahrzehntelanges Zerstörungswerk

Das Feindbild von den USA – das mächtigste Land des Imperialismus, beschönigend als Mutterland des Kapitalismus bezeichnet – ist keine Erfindung von Politikwissenschaftlern oder Ideologen.
Die USA haben seit ihrer Gründung im Jahr 1776 mehr als zweihundert Kriege geführt – ohne selbst jemals angegriffen worden zu sein.
(Der »Krieg gegen den Terror«, den Präsident George Bush jr. 2001 ausrief, wurde mit dem Anschlag auf das Welthandelszentrum in New York begründet, der in der Propaganda zu einem »Angriff auf die USA« gemacht wurde, aber keinen Angriff auf den Staat darstellte.)

Es heißt, dass seit 1946 in den Kriegen der USA, bei militärischen Interventionen und bei Geheimdienstbeteiligungen an Terroranschlägen, Putsch- und Umsturzversuchen auf den Territorien anderer Staaten fast sieben Millionen Menschen starben. Gemessen an den beiden Weltkriegen, die von Deutschland ausgingen, ist das eher wenig. Aber Leid, Not und Elend bemessen sich nicht nur an Kriegstoten. Flucht und Vertreibung gehören auch dazu.
Im Mai 2022 meldete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dass die Zahl der Menschen, die vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung auf der Flucht seien, die 100 Millionen überschritten habe.²

Auf der anderen Seite: Rüstungskonzerne sowie die Finanz- und Investmentindustrie verdienen mit Kriegen und militärischen Konflikten Milliarden. Und sie verdienen zweimal: einmal durch die Produktion von Waffen und Rüstungsgütern, dann durch den Wiederaufbau der mit diesen Waffen zerstörten Städte und Produktionsanlagen.
Die meisten dieser global operierenden Unternehmen haben ihren Sitz in den USA.

Konzept zum Dominanzerhalt

George Bushs Verteidigungsminister Richard »Dick« Cheney ließ von September 1991 bis Mai 1992 eine Arbeitsgruppe Leitlinien erarbeiten, wie die militärische Dominanz der USA erhalten und ausgebaut werden kann.
»Jede in Frage kommende feindliche Macht (ist) daran zu hindern, in einer Region dominant zu werden, die für unsere Interessen von ausschlaggebender Bedeutung ist«, hieß es darin.
»Potentielle Rivalen (sollen) erst gar nicht auf die Idee kommen, regional oder global eine größere Rolle spielen zu wollen.« Und mit Blick auf die Bundesgenossen in der NATO, die mehrheitlich in Europa disloziert waren und sind, wurde an die US-Administration appelliert: »Wir müssen darauf achten, dass es keine auf Europa zentrierten Sicherheitsvereinbarungen gibt, welche die NATO untergraben könnten.«³

Die einschüchternde Ansage war unmissverständlich: Eine Verständigung Westeuropas mit dem Osten, insbesondere mit dem Nachfolgestaat der Sowjetunion, sollte unterbleiben.
Damit wurde den seit Jahrzehnten von Moskau verfolgten Intentionen, in Europa eine Sicherheitsstruktur zu entwickeln, eine deutliche Absage erteilt.
Ein System kollektiver Sicherheit, zu dessen Entwicklung in den siebziger Jahren erste Schritte unternommen worden waren, hatte sich erledigt, eine Emanzipation (West-)Europas von den USA sollte nicht stattfinden.

Die Warnung vor der »Untergrabung der NATO« war eine Warnung vor dem Verlust der Dominanz ihrer Führungsmacht, den USA. Das Wort von der »Rapallo-Angst« machte – wieder einmal – die Runde.

Zur Erinnerung: Im italienischen Rapallo hatten im April 1922 das Deutsche Reich und die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (die UdSSR sollte erst später gegründet werden) vertraglich beschlossen, ihre bilateralen Beziehungen zu normalisieren. Die souverän am Rande einer internationalen Finanz- und Wirtschaftskonferenz in Genua geschlossene Vereinbarung führte, trotz Ablehnung durch die Westmächte und auch in Deutschland – darunter Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) und weite Teile der SPD-Führung –, zu prosperierenden Wirtschaftsbeziehungen, von denen beide Seiten profitierten.
Deutschland lieferte Industrieanlagen und Know-how, half bei der Erschließung der Erdölfelder bei Baku und vermarktete sowjetisches Öl in Deutschland, wodurch die Abhängigkeit von britischen und US-amerikanischen Ölkonzernen reduziert werden konnte.

Vorauseilender Gehorsam

Die Federführung bei der Fixierung des Defense Planning Guidance 1991/92 lag bei Colin Powell – damals Chef der Vereinigten Generalstabs – und Paul Wolfowitz, Staatssekretär im Pentagon.
Es gibt Autoren, die nach Bekanntwerden dieses internen Dokuments monierten, dass die »fundamentalen Verschiebungen auf der weltpolitischen Landkarte«⁴ unbeachtet geblieben seien, dass es sich bei dem Papier um einen Rückfall in den Kalten Krieg handele, weil Washington – wie seit Jahrzehnten – Sicherheit in erster Linie mit militärischen Mitteln und gegen andere (nicht mit anderen) herstellen wolle.
In Japan und in der BRD erregte man sich in bestimmten Kreisen zudem darüber, dass beide Staaten darin als »Konkurrenten« genannt und damit auf eine Stufe mit Russland und China gestellt worden waren. Es war, wie immer bei solchen Kontroversen, ein Sturm im Wasserglas.
Die von Kanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung (CDU/CSU/FDP) versicherte wie gewohnt unterwürfig und im vorauseilenden Gehorsam, dass das vereinte Deutschland keinen Sonderweg beschreiten und unverändert fest an der Seite der USA stehen werde.

Solche von wenig Souveränität getragenen Erklärungen stellten eine diplomatische Gratwanderung dar. Zwar bereiteten sich die Truppen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – GUS) auf ihren für 1994 geplanten Abzug vor – aber große Teile davon standen noch auf dem Territorium der sogenannten neuen Bundesländer.
Ihr finaler Rückzug durfte nicht durch überschwengliche Treuebekundungen an die Adresse der USA gefährdet werden, genauso wie überzogene Kritik an der »Schutzmacht« USA Washington eventuell verstimmen konnte.

Der diplomatische Balanceakt der Bundesregierung ist allerdings nicht unser Thema, sondern inwieweit die zu Beginn der neunziger Jahre formulierten Leitlinien den Kalten Krieg ungebrochen fortsetzten bzw. eine neue Qualität in den Außenbeziehungen der USA bedeuteten.

Politik der Stärke

In der Führung der USA herrschte die Auffassung vor, dass man die Politik der Stärke in der Stunde ihres größten Triumphs nicht aufgeben sollte.
Im Gegenteil. »Ich habe den Eindruck, dass die sowjetische Gefahr möglicherweise größer ist als früher, da sie vielgestaltiger geworden ist«, erklärte US-Präsident Bush, der Exgeheimdienstchef.⁵
Es sei nicht an der Zeit, die Sowjetunion in die Gemeinschaft der »zivilisierten Nationen« aufzunehmen.

Konfwerenz_Helsinki_NDDie Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war von Anfang an als hinderlich bei der Durchsetzung von US-Interessen und als Sieg sowjetischer Außenpolitik gewertet worden.
Deshalb musste ihre Schlussakte liquidiert werden. »Die KSZE ist die eigentliche Gefahr für die NATO«⁶, erklärte US-Außenminister James Baker intern, womit er nicht unrecht hatte. Es war eine europäische Sicherheitsstruktur.
Zwar waren die USA daran beteiligt, sie waren aber nur ein Staat von insgesamt 35. Und in der 1975 unterzeichneten Schlussakte waren die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion und aller Unterzeichner in gleicher Weise berücksichtigt worden.

»Die Teilnehmerstaaten werden gegenseitig ihre souveräne Gleichheit und Individualität sowie alle ihrer Souveränität innewohnenden und von ihr umschlossenen Rechte achten, einschließlich insbesondere des Rechtes eines jeden Staates auf rechtliche Gleichheit, auf territoriale Integrität sowie auf Freiheit und politische Unabhängigkeit. Sie werden ebenfalls das Recht jedes anderen Teilnehmerstaates achten, sein politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles System frei zu wählen und zu entwickeln sowie sein Recht, seine Gesetze und Verordnungen zu bestimmen«, hatte es gleich eingangs in der Schlussakte geheißen.
»Sie sind der Auffassung, dass ihre Grenzen, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, durch friedliche Mittel und durch Vereinbarung verändert werden können. Sie haben ebenfalls das Recht, internationalen Organisationen anzugehören oder nicht anzugehören, Vertragspartei bilateraler oder multilateraler Verträge zu sein oder nicht zu sein, einschließlich des Rechtes, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein; desgleichen haben sie das Recht auf Neutralität.«⁷

Die USA beriefen sich gern auf diese Festlegung, wenn sich eine »Vertragspartei« etwa mit dem Westen verbünden wollte. Doch wenn sich ein Staat verweigerte, wenn er sich nicht der NATO und darum deren Führungsmacht anzuschließen wünschte, nahmen die USA das nicht einfach so hin und halfen bei der »Meinungsbildung« mit verschiedenen Mitteln nach.
Insofern lag der US-Außenminister nicht falsch, wenn er 1989/90 meinte, dass aus Sicht der USA die KSZE »die eigentliche Gefahr für die NATO« sei.

»America first«

Auf KSZE-Linie bewegten sich Überlegungen, die in Europa nach dem Ende der Blockkonfrontation angestellt wurden. Jetzt sei die Chance für den Abbau aller ideologisch motivierten Barrieren, für die Abrüstung konventioneller Streitkräfte, für die Abschaffung der beiden Militärpakte.
Diese Kreise nahmen Bushs Ansage wörtlich: »Wir können einen dauerhaften Frieden verwirklichen und die Ost-West-Beziehung in eine dauerhafte Zusammenarbeit umwandeln.«

Sie hatten einerseits überhört, dass der US-Präsident in der Möglichkeitsform gesprochen hatte, und andererseits an die Lauterkeit der Politik der USA geglaubt. Die besaß Washington aber nie.
Im Zentrum der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika standen immer die nationalen Interessen, es ging immer um »America first«. Nationale Belange anderer Staaten fanden allenfalls Beachtung, wenn sie US-amerikanischen Interessen nützten oder ihnen im Wege standen. Ein Neustart der Außenbeziehungen, von dem nicht wenige inner- und vor allem außerhalb der USA 1989/91 geträumt hatten, erfolgte nicht.
Man hätte mit dem Wesen der kapitalistischen Ordnung brechen müssen. Dazu waren die in den USA herrschenden Kreise nicht bereit.

Der 99jährige Henry Kissinger, Exaußenminister, Friedensnobelpreisträger und Organisator des Staatsstreiches in Chile, mit dem 1973 die demokratisch gewählte Regierung der Unidad Popular weggeputscht worden war, machte 2022 in einem Buch⁸ gewohnt zynisch die Kontinuität und den Charakter der Außenpolitik kapitalistischer Staaten, insonderheit des eigenen Landes, ex negativo deutlich.
»Wem es hauptsächlich um Werte geht, sollte nicht den diplomatischen Dienst, sondern das Priesteramt anstreben.«

Interessen nicht Werte

Egon Bahr, Spiritus rector der neuen Ostpolitik der SPD, lag mit seiner deutlichen Ansage gegenüber Gymnasiasten nicht weit davon entfernt: »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte.
Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.«⁹

Der 2015 verstorbene Bahr, nach eigenem Bekunden einst selbst ein Kalter Krieger, berief sich bei der Frage nach seiner aktuellen politischen Verortung auf seinen Freund Willy Brandt.
Der habe gesagt, je älter er werde, desto linker werde er. »Mir geht es nicht anders.«¹⁰

Gods_Own_CountrySein Urteil über die USA hatte eventuell nichts mit dieser linken Haltung zu tun, sondern war einfach nur logisch und vernünftig. »Das nationale Interesse der USA ist von der moralischen Gewissheit durchdrungen, das auserwählte Volk Gottes zu sein.
Nationalbewusstsein und Sendungsbewusstsein sind unlöslich verschmolzen«, konstatierte er 2015. Und fast schon resignativ fügte er an, dass es »sinnlos« sei, dies zu kritisieren.
»Die amerikanische Position stellt einen moralischen Maßstab dar, der nicht verhandelbar ist. Das entspricht auch der amerikanischen Haltung, sich nicht durch fremde Ordnungen binden zu lassen. Das hat mit Macht und weniger mit Werten zu tun. Die Globalmacht USA wird sich nur binden, wo ihr Interesse das rät. Sie wird insgesamt ihre Politik der freien Hand verfolgen, um ihren Einfluss zu vergrößern.«¹¹
Das war eine sehr diplomatische, sehr höfliche Umschreibung für die Durchsetzung einer neuen Weltordnung, die sich die USA in ihre internen Strategiepapiere und auf ihre Fahne geschrieben hatten.

Anmerkungen

1 Zit. in: Michael Stürmer: »Politik mit anderen Mitteln«. Deutschlandfunk am 9. Februar 2015

2 unric.org/de/unhcr23052022 am 22. Mai 2022

3 vgl. Bernd Greiner: Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben. München 2021, S. 164

4 So Bernd Greiner, ebenda, S. 165

5 Bush am 10. Februar 1989, zit. n. Michael R. Beschloss, Strobe Talbot: Auf höchster Ebene. Düsseldorf 1993, S. 35

6 zit. n. ebenda, S. 187

7 vgl. www.osce.org/files/f/documents/6/e/39503.pdf

8 Henry Kissinger: Staatskunst – Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert. München 2022

9 zit. nach: Egon Bahr und Lutz Riemann: Annäherung durch Wandel. Kalter Krieg und späte Freundschaft. Edition Ost, Berlin 2022

10 Brief an Lutz Riemann am 3. Februar 2005, zit. in: ebenda, S. 5

11 aus: Rede im Adlon zur Verleihung des Dr.-Friedrich-Joseph-Haass-Preises, 27. März 2015, zit. n. Bahr, Riemann, Annäherung, a. a. O., S. 192

Klaus Eichner arbeitete ab 1959 in der Spionage­abwehr und ab 1974 als Chefanalytiker für US-Geheimdienste bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A).

Klaus Eichner: »Bis alles in Scherben fällt. Der Kampf der USA um eine neue Weltordnung«, Verlag Edition Ost, Berlin 2022, 130 Seiten, 16 Euro

 

„Die Welt darf nicht ohne US-Führung bleiben“

Ein Kommentar von Rainer Rupp

https://pressefreiheit.rtde.live/meinung/152113-welt-darf-nicht-ohne-us/

rainer rupp

Mit diesen Worten beschwört US-Außenminister Antony Blinken den Erhalt der bröckelnden US-Führungsmacht. Aber ist die Abwendung von der „regel-basierten Ordnung“ des US-Alleinherrschers womöglich ein Schritt in den (chinesischen) Abgrund?

Man dürfe nicht zulassen, dass die Welt ohne die Führung der USA bleibe, erklärte US-Außenminister Antony Blinken bei einer Veranstaltung an der US-Elite-Universität Stanford am 17. Oktober. Gemeinsam mit seiner Amtsvorgängerin, Ex-Außenministerin Condoleezza Rice, sprach er über die zukünftige Entwicklung und Bedeutung von Technologie, Diplomatie und nationaler Sicherheit und in diesem Zusammenhang ausgiebig über die Rolle Chinas. Unter anderem sagte Blinken:

„Rundum stehen wir in einem Wettrennen (mit China), um – wie ich bereits aus unserer Perspektive erklärte – die Ära zu gestalten, die auf die Post-Kalte-Krieg-Periode als nächstes folgt. Wie wird diese Zeit aussehen? Wessen Werte werden widergespiegelt werden? Wir haben eine einfache Entscheidung, denn die Welt organisiert sich nicht von selbst. Die USA haben die Wahl. Wenn wir uns an der Organisation nicht beteiligen und keine Führungsrolle übernehmen, bedeutet das eins von beiden: Entweder sie (die Welt) wird von jemand anderem übernommen, vielleicht von China, und zwar nicht in einer Weise, die voll und ganz mit unseren Interessen und Werten übereinstimmt, oder – was genau so schlimm ist – niemand tut es, dann entsteht ein Vakuum, das eher von schlechten Dingen gefüllt wird als mit guten.“

Hier haben wir sie wieder, die unausstehliche US-amerikanische Selbstverherrlichung, dass nur und ausschließlich die USA das Wahre, Gute und Schöne verkörpern und sich die US-Oligarchen selbstlos aufopfern, den Rest der Welt mit Gaben zu beglücken, wenn nötig mit Bomben und Granaten, mit Sanktionen und Hungersnöten, mit Millionen Toten und noch mehr Verletzten und Flüchtlingen. Aber die Länder der Welt haben längst hinter die glitzernde Kulisse der US-Oligarchen-Demokratur geschaut, erkannt, dass die politische Kaste sich einen feuchten Dreck um die existenziell notwendigen, täglichen Bedürfnisse der Masse der eigenen US-Bevölkerung kümmert, zugleich aber dem Rest der Welt Demokratie und Prosperität vorgaukelt.

Was der neo-liberale Kriegstreiber Blinken in Stanford akademisch verklausuliert aufgetischt hat, wird in den letzten Jahren von westlichen US-Vasallen in Politik, Medien und Wissenschaft vermehrt als warnende Frage in die Länder der sogenannten Dritten Welt getragen; ob nämlich der lang ersehnte, jetzt von China und Russland ermöglichte, vermeintlich befreiende Schritt nach vorn, weg von der ordnenden Pax Americana des US-Alleinherrschers und hin zu einer multipolaren Weltordnung, nicht womöglich ein Schritt in den Abgrund ist?

Dieses Schreckensbild wird von den Vertretern und Profiteuren der im Westen immer noch tonangebenden, aber absterbenden neo-liberalen Ordnung propagiert. Aber welche Alternative kann eine multi-laterale, von BRICS-Staaten geführte neu Ordnung gegenüber der kriminellen, US-geführten US-Kriegs- und Chaosversion bieten? Kann es für die Länder der Welt überhaupt schlimmer werden als die angeblich „regel-basierte Ordnung“ der USA und ihrer Vasallen, die stets und überall auf Konfrontationskurs gegen alle Länder gehen, die sich der Ausbeuterordnung der Imperialisten nicht unterwerfen.

Eine Ahnung von der im Entstehen begriffenen, multilateralen Weltordnung bietet die Struktur der von China gegründeten und insbesondere von den BRICS-Staaten unterstützten Asiatischen Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB).

Ein erklärtes Ziel dieser Entwicklungsbank ist es, die bis dahin weltweit allein geltenden, von den USA und ihren neo-liberalen Verbündeten aufgestellten Regeln der globalen Entwicklungsfinanzierung, d. h. den Washingtoner Konsens, auszuhebeln.

Wenn die US-geführte Weltbank z. B. in Afrika eine Wasseraufbereitungsanlage finanziert, dann muss sich das betroffene Land dazu verpflichten, weitere wirtschaftliche „Reformen“ in Richtung Marktwirtschaft und Deregulierungen der Wirtschaft durchzusetzen, u. a. den Abbau von Schutzzöllen und Subventionen zur Entwicklung der eigenen Wirtschaft, die Öffnung der eigenen Wirtschaft zur Ausbeutung durch westliche Raubtier-Konzerne, den Abbau von Arbeitsschutz und Kürzung sozialer Sicherungsmaßnahmen, usw.

Zugleich besteht die Weltbank in der Regel darauf, dass die zu neue oder die zu modernisierende Wasseraufbereitungsanlage marktwirtschaftlich arbeitet und profitabel ist und deshalb privatisiert werden muss. Das bedeutet, dass die Anlage in dem Entwicklungsland an den Meistbietenden, in der Regel an einen westlichen Konzern, für ’n Appel und ’n Ei verhökert wird.

Für die profitorientierten Wasserkonzerne muss der Preis für sauberes Wasser natürlich erhöht werden, selbst wenn dadurch ein Großteil der armen Bevölkerung von der Versorgung mit sauberem Wasser ausgeschlossen wird. Davon sind nicht nur die Entwicklungsländer betroffen, sondern auch die Armenviertel in den reichen und angeblich hochentwickelten Oligarchen-Demokraturen des Westens, vor allem in den USA.

In vielen Ländern dominieren private Monopole inzwischen den Bereich der einstmals sozialen ausgerichteten öffentliche Dienstleistungen. Wer nicht zahlen kann, bleibt von der Versorgung ausgeschlossen. Selbstredend sind dadurch mehr Krankheiten und Epidemien und insbesondere eine höhere Kindersterblichkeit vorprogrammiert. Aber für Freiheit und Markwirtschaft müssen schließlich Opfer gebracht werden, wie wir alle aus den unzähligen Propagandareden westlichen Eliten in Politik und Medien wissen!

Es ist die von den USA und ihren Vasallen kontrollierte Weltbank, die im Verein mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), für die westlichen Konzerne den Weg freiräumt, um die Länder der Dritten Welt auszuplündern. Die dabei angewandte, neo-koloniale Methode stellt eine raffinierte Verfeinerung, aber nicht weniger brutale Abwandlung des alten Kolonialismus ist. Im Unterschied zu früher ersetzen heute in der Regel Finanz-Instrumente die Kanonen, obwohl auch die immer wieder zum Einsatz kommen, um den Forderungen der westlichen „regel-basierten Ordnung“ Nachdruck zu verleihen.

AIIB-logoDie Asiatische Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB) arbeitet ganz anders. An ihre Kreditvergabe knüpft sie keine ideologischen oder politischen Vorleistungen der Entwicklungsländer. Die souveräne Regierung eines jeden Landes entscheidet selbst. Einzige Bedingungen sind

a) Transparenz, also öffentliche Kontrolle zur Vermeidung von Korruption,
und b) die finanzierten Projekte müssen umweltverträglich sein.

Politische oder andere Bedingungen im Stil des Washingtoner Konsens sind bei der neuen von China gegründeten AIIB-Entwicklungsbank vom Tisch. Wir notieren, dass für sie Privatisierung von staatlichen oder genossenschaftlichen Unternehmen keine Vorbedingung für einen Kredit ist. Auch die Abschaffung oder Abschwächung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung der heimischen Wirtschaft ist keine Vorbedingung der AIIB.

So ist es kein Wunder, dass die AIIB den neo-liberalen Globalisierern unter den westlichen Eliten ein großer Dorn im Auge ist. Denn die Regierungen in den Entwicklungsländern hatten plötzlich die Wahl, sich entweder für westliche Instituten wie die Weltbank, IWF und Asiatische Entwicklungsbank oder für die chinesische AIIB zu entscheiden. Da die Attraktivität der AIIB im Vergleich zu westlichen Institutionen klar war, galt ihr wirtschaftlicher Erfolg schon bei ihrer Gründung im Jahr 2015 als sichert, weshalb auch europäische Großbanken nicht abseitsstehen wollten. Die meisten westlichen Staaten, einschließlich Frankreich und Deutschland, und sogar England beeilten sich, Mitglied dieser chinesischen Entwicklungsbank zu werden, obwohl Washington vor diesem Schritt nachdrücklich(!) abgeraten hatte.

Nachdem die AIIB 2016 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, entwickelte sie sich schnell zu einem wichtigen Akteur in der globalen Finanzwelt. Anfang 2021 hatte sie bereits 102 zugelassene Mitgliedsstaaten. Die Teilnahme der größeren Volkswirtschaften Europas als Gründungsmitglieder hatte sicher dazu beigetragen, dass die AIIB bei den global führenden Rating-Agenturen eine erstklassige Bonitätsbewertung von AAA bekam.

Aber die AIIB war auch ein riesiger diplomatischer Triumph für China, das damit zeigte, dass es auch in der internationalen Wirtschaft eine andere Geschäftspolitik verfolgt als die Raubtier-Kapitalisten des Washingtoner Konsens, nämlich eine Win-win-Politik zum gegenseitigen Vorteil und zur gesellschaftlichen Entwicklung. Letzteres wird z. B. durch die beeindruckenden AIIB finanzierten Investitionen in Afrika, Asien und auch in Latein-Amerika in Projekte der Verkehrs- oder Gesundheits- und Sozialinfrastruktur belegt, z. B. Eisenbahnlinien, Krankenhäuser, Schulen, etc.

Zugleich spielt die chinesische Währung, der Yuan, bei der Finanzierung neuer Infrastrukturprojekte in den Entwicklungsländern den eben genannten Weltregionen eine immer größere Rolle und sie hat das Zeug, den Dollar im Handel mit diesen Regionen nach und nach weitgehend zu ersetzen.

Washington blieb im Abseits sitzen, sah aus der Ferne zu und schmollte. Zugleich musste es zusehen, wie weitere Pfeiler seiner „regel-basierten Ordnung“ mehr und mehr zerbröseln. Jetzt, wo die AIIB fest etabliert ist, plant sie zunehmend, ihre eigene Kredit-Pipeline zu entwickeln mit dem Ziel, zur weltweit führenden Finanzinstitution für Infrastruktur zu werden. Ihre Standards werden in Zukunft in den Ländern der Dritten Welt fundamental wichtig sein, was für die Wall Street ein Dorn im Auge und vollkommen inakzeptabel ist.

Aber ohne Beachtung der AIIB-Standards werden die rein westlichen Finanzakteure in den Ländern der Dritten Welt immer mehr an Boden verlieren. Das ist der Grund, weshalb westliche Eliten in Politik und Medien dazu aufrufen, dass „Wir“, also die USA und ihre Vasallen, den Chinesen nicht erlauben dürfen, in Industrie, Technik und Finanzen die Standards für die Märkte der Zukunft zu setzen. Denn das sind die Instrumente, die bisher die Ausbeutung der Welt durch den Westen erheblich erleichtert haben.

Aber um die befürchte Dominanz chinesischer Standards auf den zukünftigen Märkten der Dritten Welt zu verhindern, sind den denkfaulen Eliten in Washington keine konstruktiven Lösungen eingefallen. Denn eine nachhaltige und breite Anhebung des wirtschaftlichen und technologische Niveaus, wäre nur durch eine Verbesserung des desaströsen Bildungsniveaus in den USA möglich. Das aber würde über mindestens eine Generation enorme politische, finanzielle uns soziale Anstrengungen verlangen, zu denen die parasitären Eliten in Washington nicht bereit sind.

Andererseits fehlt Washington auch die Bereitschaft zur diplomatischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Peking mit dem Ziel eines einvernehmlichen Miteinanders. Denn für die arroganten US-Eliten ist die Vorstellung, gegenüber den aus ihrer Sicht „unterentwickelten“ Chinesen nicht als Führungsmacht diktieren zu können, sondern im kollegialen Miteinander zu zusammenarbeiten, vollkommen unakzeptabel.

Stattdessen hat Washington zu seinem bevorzugten, „altbewährten Rezept“ im Umgang mit Staaten zurückgegriffen, die nicht gewillt sind, die Interessen Washingtons auf Kosten der eigenen zu bedienen, nämlich:

– Drohung mit Krieg,
– Verhängung von Wirtschaftssanktionen, um Chinas Entwicklung zu blockieren,
– Destabilisierungsversuche in Hongkong und Förderung der lokalen Unabhängigkeitsbewegung, was zu schweren Unruhen führte,
– schwere Provokationen Pekings in Bezug auf Taiwan; De-facto-Aufkündigung des US-China-Abkommens zur „Ein-China-Politik“, in dem Washington ausdrücklich die Zugehörigkeit Taiwans zur Volksrepublik China anerkannt hat; massive Waffenlieferungen an Taiwan.

Ähnlich wie im blutigen Ukraine-Russland-Konflikt übt Washington derzeit auch massiven Druck auf seine europäischen Vasallen aus, die der US-Führungsmacht in ihrer Konfrontationspolitik gegen China zu folgen haben. Auch damit hat Washington bei den meisten deutschen Parteien Erfolg, vor allem bei der „grünen“ US-Sekte. Denn aus deren Reihen haben sich bereits freiwillig viele „Selbstmord-Attentäter“ gegen die deutsche Wirtschaft gemeldet.

Über Kommentare hier würde ich mich freuen.

Jochen

Zwei Geisterreiter rasen aufeinander zu: Der Anfang vom Ende der deutschen Medien und das Komplettversagen der Linken

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Wolf_ReiserGuter Übersichtsartikel von Wolf Reiser mit persönlicher Note und originellen Wortschöpfungen auf heise.de, dort auch eine ausführliche Diskussion un den Kommentaren:
https://www.heise.de/tp/features/Two-Riders-were-approaching-Der-Anfang-vom-Ende-der-deutschen-Medien-4158735.html
Vgl. dazu auch das Piepsen der Küken. Eine Piepsanleitung ist im Kasten weiter unten *) zu lesen.

Es gehört zum Komplettversagen der Linken, dass sie sich die Sache mit der Lügenpresse von den Dumpfbacken der Pegida aus der Hand nehmen ließ

Seit dem experimentellen Kosovo-Fake haben sich „unsere“ Medien von ihrer grundsätzlichen Funktion verabschiedet und sich schrittweise von ihrer Existenzberechtigung befreit.
Wer die „Arbeit“ der öffentlich-rechtlichen Sender und der „führenden“ Tageszeitungen&Magazine über den Zeitraum 1990- 2018 verfolgen konnte oder musste und noch einen Funken historisches Bewusstsein in sich trägt, weiß …

Menschen, die in diesem frühen September 2018 in meinem Schwabinger Kaffeehaus nach wenigen Minuten eines Leseversuchs ihre einst so geliebte SZ zu Seite legen, fragen mich immer wieder – da sie gehört haben, dass ich für eine sehr lange Zeit für viele nennenswerte Printorgane gearbeitet habe, was eigentlich aus uns Journalisten geworden ist, wann das „irgendwie“ alles begann mit dem sittlichen Zerfall und ob sich die Branche irgendwann einmal wieder von dieser Implosion erholen wird und ob das eine Delle ist oder eine Art Grippe, wie Aids halt und man das wieder in den Griff bekommt.

Sicher, so antworte ich, wenn ich in Erzählstimmung bin und verweise, falls mich der bayerische Grant im Griff hat, auf ein Buch von Sebastian Haffner, wo der sich über Goebbels und den Umgang damals in Sachen Medienmob äußerte:

Dieser, also Goebbels, versuchte nämlich nicht, das gesamte deutsche Volk zu national-sozialistischen Ideen zu bekehren, sondern er verlegte seine Anstrengungen darauf, den Bürgern durch die Medien eine heile Welt vorzuspiegeln. Er verbot die bürgerlichen Zeitungen nicht und man kann nicht einmal sagen, dass er sie nazifizierte. Die meisten alten Redaktionen der großen bürgerlichen Zeitungen schrieben, wie sie immer geschrieben hatten und genau so sollten sie auch schreiben. Es gab im Dritten Reich durchaus eine Art Pressevielfalt. Der Zeitungsleser hatte die Wahl, die Dinge so dargestellt zu sehen, wie er es sich wünschte und gemäß seiner Stimmungslage weiter bedient zu werden.

Sebastian Haffner

Donnerwetter, sagen dann die Leute Tage später, das hätten sie sich ganz anders vorgestellt, mit Stürmer und Völkischen Beobachter und Lalü-Lala-Gestapo und die ganzen Edelfedern der inneren Emigration draußen in Dachau beim Steineklopfen oder dem Auswendiglernen von Mein Kampf.

Was haben Haffners kühle Einlassungen mit der Gegenwart zu tun, mit dem neuen Deutschland 2018 und seiner neoliberal-zentral-öko-populistischen Breitbandquerfront aus Zeit, Welt, SZ, Spiegel, TAZ, FAZ, Tagesspiegel und dem kläglichen Sendemastgequäke von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio?

Nach einer legendären ZDF-Anstalts-Sendung im Januar 2015 , in deren Verlauf die Herren Uthoff und von Wagner mit ein paar Strichen die moralische Verkommenheit vieler eingebetteten Alpha-Autoren und stets bestens informierten Hauptstadtjournalisten an die Wand warfen und vor allem deren Nato-und CIA-PR herausstellten, begannen in Deutschland endlich ein paar Kollegen aus ihrem Tiefschlaf zu erwachen und gegen den Strich zu recherchieren.

Bald stießen sie im Internet auf ganz offen abgedruckte vertragliche „Spielregeln“, die zunächst mal für festen Mitarbeiter des Springer-Verlags gelten. Seither wird da munter herumgefummelt und kalibriert von Seiten der Chefetagen und man möchte damit den Bürgern sagen, dass das doch alles nur vage Betriebsanleitungen seien, Orientierungshilfen für junge Mitarbeiter und eben nette Hinweise, Petitessen eigentlich, keiner Erwähnung wert.

Indessen gehören die gleich aufgeführten Punkte in etwa seit dem Jahre 2000 zum Deal nahezu aller großen Verlage und Sender und sind in mehr oder weniger modifizierter Form auch Teil eines Abkommens, dessen Nichteinhaltung die Kündigung mit allen Konsequenzen bedeutet.

Wer hierzulande als Journalist Geld verdienen möchte und vorhat, so etwas wie eine Karriere zu machen, hat folgende Vorgaben zu bedienen:

* Piepsanleitung

  • Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat, für Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und für die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas.
  • Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen sowie die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.
  • Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
  • Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus und die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.
  • Die Unterstützung der EU, ihrer Politik und Einrichtungen.

In Anbetracht dieser einengenden Berufsformatierung erklärt es sich auch, dass heute Kollegen wie die hochdortierten Hobbyaktivisten Dunja Hayali, der ARD-Drogenbeauftragte Hajo Seppelt oder die Pool-Investigatoren rund um Georg Mascolo als wandelnde Sturmgeschütze der Aufklärung gefeiert werden.

Es gehört zum Komplettversagen der Linken, dass sie sich die Sache mit der Lügenpresse von den Dumpfbacken der Pegida aus der Hand nehmen ließ und seither jede substanzielle Medienkritik mit einer umständlichen und würdelosen Distanzierung von der AfD einleiten muss.

Da man diesen Kampf sang- und klanglos vergeigte, verliert sich das aktuelle Rückzugsgebiet des wahrhaftigen Journalismus im parzellierten Weltreich der Off-Medien und den Social-Media Magazinen, Blogs und Foren.
Zum einen aber füllen die Autoren dort nahezu honorarfrei Tag für Tag und digital hübsch aufbereitet die lückenlosen Dateien für zukünftige Gestapo-Anhörungen aus.
Zum anderen rücken uns auch hier die halbprivatisierten Zensurgauwarte des Innenministeriums, der Bertelsmann-Krake und des NSA-Monsters unter dem Hate-Speech-Vorwand auf den Leib.

Ab wann wurde der wahrhaftige Journalismus gekapert und trojanisiert?

Doch zurück zum Thema: Wie hat das eigentlich begonnen?
Und wie erklären die „68er& Nie Wieder“-Parolendrescher ihren Kindern, warum man es nicht kommen sah und wieso man sich nicht wehrte, damals, heute und morgen – wobei es schon 1985 fast zu spät war.

Das Jahre 1985 war – ob in Bezug auf Auflagen, Umsätze oder inhaltliche und formale Grandezza – das Rekordjahr des deutschen Printwesens.
Man kam als freier Autor, der querbeet für Stern, Playboy, SZ oder Geo wie Vogue auf richtig gute Honorare, man reiste mit der Carte Blanche des jeweiligen Verlags und genoss allerorts mit diesem Presseausweis eine echte Reputation.
Heute wird nur noch gekichert, wenn man den albernen Plastikausweis in die Höhe hält.

Alle Beteiligten auf diesem Parcours ritten indessen auf einem viel zu hohem Ross, um den Knacks zu hören, den Scott Fitzgerald beschreibt, diesen fast unhörbaren ersten Sprung in einem alten Porzellanteller, der nach und nach zu einem Riss wird und am Ende zerbrochene Teile hinterlässt. Und so ähnlich verhielt sich das dann auch mit dieser sehr sachte erkaltenden Liebe zwischen Verlag und Freelancern, Redakteuren und Autoren, Verlag und Ressortleitern.

Doch der Bruch war da und er wuchert bis heute als schleichende Entfremdung, Irritation, als wachsendes Unbehagen im Tun und Fühlen und in Folge als eine bodenlose Leere inkl. tapsiges Versuche, über die Bruchkante hinwegzulächeln.

Im selben Jahr, also 1985 begrüßte Kanzler Kohl die privaten Infotainer von RTL und Sat 1, und fast alle meiner Kollegen vom Print und Funk ließen sich einlullen vom Geschwätz einer neuen flotten bunten Medienzukunft.
Seither tobt sich das infantile Tutti-Frutti munter aus und betreibt die Berlusconisierung der Republik. Dann zerlegten die Reagan-Agenten die Berliner Mauer und – bezogen auf unsere Medienlandschaft – flutete aus Österreich all der Lifestyle ins Land, Tempo, Wiener, die Befreiung von Jesussandalen und Gewissensbissen.

Plötzlich ging es um Toskana-Weine, handgenähte Lederschuhe, Boutiquehotels, Designreisen. Fast alle seriösen Magazine schleckten Markus Peichl&Konsorten die Füße und betrieben innovative Kurskorrektur: weg mit dem Elend der Welt, dem ewig Negativen, dem Apo-Opa-Muff. Techno, Dumpfrave und Ecstasy verdrängen Kiff und Hippieideale.

Die kurz danach einsetzende Dotcomdekade machte den Blair&Clinton&Schröder-Neoliberalismus **) auf allen Ebenen salonfähig. Modriger Müll wie Focus-Money machte deutschen Spießern Telekom-&-Infineon-Aktien schmackhaft oder listete die 50 besten Zahnärzte Bayerns auf. Das Ranking zog ein im deutschen Blätterhaus und schicke langbeinige PR-Agenturen diktierten nach und nach die Inhalte, bis sich nahezu alle Redaktionen in Endabnehmer von Produktwerbung und Nachrichtenfake verwandelt hatten.

Seit 9/11 herrscht im Zentrum der Kommunikationsbranche das bleierne Schweigen

Operation All along the Watchtower: Am 11. September 2001 implodierten in New York mehrere Türme. Jeder Besitzer eines Resthirns kann heute die Namen der drei bis vier beteiligten Geheimdienste nennen.
Nur er tut es nicht, vor allem, wenn er deutscher Journalist ist und die Hypotheken seiner Altbauwohnung noch nicht abbezahlt hat.

Wie sehr die USA an Aufklärung interessiert war und ist, beweist der Fakt, dass man für den Lewinsky-Untersuchungsausschuss zehnmal mehr ausgegeben hatte als zur genauen Ergründung jene Taliban-Desinfizierung der westlichen Wertewelt. Rot-Grün, Tinte und Blut von Belgrad waren noch nicht getrocknet, stand stramm zur Seite. Es wurde unverbrüchliche Treue geschworen, transatlantische Einigkeit, Schweigeminuten, Schweigejahre, Hundejahre, in denen uns SPD-Genossen und die Leitartikler der Großmagazine die Freiheit am Hindukusch besangen.

Vor Colin Powells Powerpoint-Vortrag wagten nur ein paar Greise wie Stockhausen, Grass, Theodorakis oder Scholl-Latour Einspruch zu erheben. Sie erinnerten an so komische Parallelen zu Tomkin, Pearl Harbor, Kosovo, an die Kennedy-Attentate, an Kissingers Chiletricks und ähnliche Ungereimtheiten in der Wesenswelt der angelsächsischen Pyromanie.

Ich selbst las damals zur Erholung Balzacs tolldreiste Erzählungen und stieß dort auf eine dahin geworfene Trouvaille: „Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte.“

In Moskau kotzte Jelzin die Duma voll, während die vom Stalinismus befreiten Länder der Balten, die Polen oder Tschechen sich darin überboten, den lupenreinen Demokraten aus Washington und London elegant outgesourcte Guantánamos anzubieten.

Die allmähliche Verwahrlosung des Journalismus

Uns Freien, sofern sie noch ein Funken Würde in sich verspürten und Reste eines Gewissens wurde ohne weitere Erklärung klargemacht, woher die Winde von nun an wehen.
Es galt auf einmal, die Schönheit Deutschlands zu entdecken und überhaupt die Wiederbesinnung auf „konstruktive Themen“ zu pflegen.

Dazu gehörte es auch, beim Honorar Abstriche zu machen, denn erbauliche und nette Sachen, die sind ja wie eine zweite Währung und auch gut für die Nerven. In den Redaktionen kratzten sich die seltsam verstimmten Kollegen bei so was wie politischen Themen am Köpfchen und schwärmten hingegen für „weiche“ Sujets, wie etwa alles rund um Freizeit, Kuchenbacken, Yoga, Rumreisen auf Agenturkosten, so irgendwie Menschelndes halt, etwa über Klinsis Sommermärchen, wir hauen die Polen weg oder was in Richtung Landlustgartenlaubenmuff, so die Art Imkerglück.

Dankbar und rotbäckig griffen die von der Not verführten Kollegen zum vergifteten Honig – denn mit jedem Tag mehr wurde einem die alternativlose Situation deutlich.

Once upon a time lieferten Freie mehr als die Hälfte der Inhalte. Wir waren naturgemäß ein wenig frischer, flexibler und weisungsungebundener als festangestellte Kollegen. Doch nun waren wir plötzlich frei zum Abschuss, hurra Stahlgewitter, leider nie gelesen, aber Nazimist, und suchten die Fehler bei uns selbst.
Dass die unsichtbare Trennung von Festen und Freien einem clever eingefädelten und übergeordneten System gehorchte, wurde nur ganz wenigen Betroffenen bewusst und die allermeisten kapieren es auch heute noch nicht.

Zwischen 1985 und 2001 hatte die große Säuberungswelle eingesetzt und die smarten Tortentänzer setzten die alljährlichen Bilderberg-Vorgaben subtil und perfide um. Sie zerstörten die Kommunikation zwischen Innen und Außen, sie verteilten das Wissen und schufen Misstrauen und Neid. Die Ideen von Freien wurden ignoriert, heruntergeputzt oder gleich gestohlen. Wer fragte oder gar drohte, hatte sich selbst erledigt.
Selbst bei Redaktionen mit einem einst guten Ruf, bei der SZ, Zeit oder FAZ, wurde jedweder weiterführende Dialog abgewürgt. Im Zentrum der Kommunikationsbranche herrschte das bleierne Schweigen.

Parallel dazu wurden die Honorare halbiert und mit dem Aufkommen des Online-Journalismus noch weiter geschreddert. Heute kann ein freier Journalist kein menschenwürdiges Leben führen, wenn jenes allein von seiner Arbeit abhängt.
Bei den geschätzt 30.000 Kollegen machten sich Frust, Wut, Resignation und Selbstzweifel breit und vor allem war da diese Angst, diese allumfassende Angst, die aktuell dazu führt, dass sich bei der SZ nach der eben erfolgten Kündigung des Karikaturisten Dieter Hanitzsch keine Solidaritätsbekundung erfolgt. Angst essen Seele auf.

Selbst Fritz Raddatz musste kurz vor seinem Tod feststellen, dass Menschen wie er plötzlich überflüssig waren, nervender Sondermüll, ein Greis von gestern. Er schrieb:

Alles Leben hat seine Grenze. Alles Erleben auch. Wem die Töne seiner Gegenwart nur mehr Geräusche sind, die Farben Kleckse, die Wörter klingende Schelle: Wo wäre dessen Legitimation zu lautem Klagelied (oder, sehr selten, leisem Lobpreis)? Ich spreche sie mir ab, fürderhin. Zu viele Gedichte sind mir nur mehr halbgebildetes Geplinker, zu viele gepriesene Romane nur mehr preiswerter Schotter. Der nicht mehr liebt, der räsoniere nicht. Liebeleere ist keine Qualität. Schon gar nicht für einen Kunstrichter. Also beende ich hiermit meine Zeitungsarbeit, die ich mit 21 Jahren begann: (…) Ich bin vor drei Wochen 83 geworden. Time to say goodbye. Goodbye.

Fritz Raddatz

Es geht mir mit diesen Bemerkungen lediglich darum, aus meinem Erleben heraus, Außenstehenden zu erläutern, wie sich die wuchernde Verwahrlosung des Journalismus in Schritten vollzog und wie aus Fitzgeralds Knacks ein Scherbenhaufen werden konnte.

Ab dem 12. September 2001 waren Fragen nicht mehr gefragt

Nach 9/11 hielten natürlich noch ein paar Freundschaften dem Schisma stand und so trafen sich Freie und Feste privat, bei Bier- und Wurstfeiern oder den trostlosen Verleihungen schäbig dahinmanipulierter Journalistenpreise.
In fast allen Fällen, so mein Erinnern, wurde der ökonomisch nahezu ruinierte Freie präventiv zugeschüttet mit dem Elend des Unfreien: Überlastung, Druck von allen Seiten, inhaltliche Verflachung, Mobbing, Intriganz, Angst vor Jobverlust, Outsourcing, Bespitzelung, Renditegier, Blabla.

Die immer seltener werdenden Kurzvisiten in den Verlagshäusern boten eher lächerlich- unerfreuliche Einblicke: Erwachsene Menschen starren auf Monitore und ihre stumpfen Augen suchen das eingerahmte Farbphoto, auf dem der Lebenspartner und Kleinwüchsige stumpf lächeln. Bald ist Freitag. Dann wird gegrillt. Mit Sven Lorig vom Moma. Also Höchststrafe.

Erkundigte ich mich in normaler Lautstärke nach dem Verbleib von diesem oder jenem Kollegen, zuckte der Angesprochene zusammen, legte den Finger auf den Mund oder deutete auf eine imaginäre Figur hin, irgendwo hinter einer Wand.
Es war eine Stimmung wie damals in den Transitwirtshäusern der DDR, wo die halbe Ente mit Rotkraut 1.99 Ostmark kostete.

Der Taylorismus der Heuschreckenverlage hat zunächst dafür gesorgt, dass die unberechenbaren UFO-Autoren und dann schrittweise die unbequemen und ergrauenden Sesselhocker weggefegt wurden. In den vollklimatisierten Edelverlagen sichteten grenzwertig parfümierte McKinsey-Schnüffler und BWL-Psychopathen die Arbeitsverträge und empfahlen den CEOs möglichst elegant-kluge Abfindungsverfahren.

Da stehen wir heute nun und allen, die von links oder recht Lügenpresse rufen, sei dies als Fußnote angefügt. Wer also heute, im heißen September 2018, den halbwegs integren Presseleuten so salopp wie berechtigt vorhält, ihre Seele verkauft zu haben und der Macht aus der Nato, Bundeskanzleramt, Monsanto oder CIA zu dienen, muss wenigstens wissen, dass die Strangulierung des Journalismus mit eben den Vorgängen von 9/11 einsetzte, bzw. beendet wurde.
Nebenbei: Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los.

Wer die Nagelprobe der abgespalteten Identität nicht bestand, konnte seine Karriere als fester wie freier Journalist beenden. Wer nicht mit den degeneriert-traumatisierten Leitwölfen mitwimmerte, war erledigt.
Ab dem 12. September 2001 waren Fragen nicht mehr gefragt. Das Tabu begann seine Zaungäste zu verschlingen. Die Schizophrenie nahm Platz im Garten der Verwirrten.

Schritt für Schritt haben sich seit damals die Brüder und Schwestern der globalen Logen-Fake-News ins Geschehen eingemischt und via Atlantik-Brücke, Aspen-Institute, der Trilateralen Kommission und German Marshall Fund, den Bilderbergern, all diesen unerträglichen Thinktanks und regenbogenbunten NGOs wohltätiger Milliardäre die große Hirnwäsche eingeleitet. Hochbezahlte Edeltrolle tarnen sich als Historiker, Wissenschaftler, „Experten“ und Neurowissenschaftler und verordnen der mittlerweile komplett paralysierten Republik je nach Tagesverfassung neue und diffuse Rezepte.

Unsere Gesellschaft ist militanter, intoleranter und unnachgiebiger als je zuvor. Es scheint nur noch eine Stimme zu geben, die, orchestriert von der Regierung und Armeesprechern, getragen von einem Clan loyaler Massenmedien wie den großen TV-Nachrichten-kanälen, den auflagenstarken Zeitungen und Websites, in jedem Winkel des Landes widerhallt. Nur diese eine Stimme wird gehört. Versuche, Widerspruch zu artikulieren, Fragen zu stellen, zu protestieren, eine andere Farbe einzubringen als die des Konsenses, werden bestenfalls lächerlich gemacht oder herablassend behandelt. In anderen Fällen werden Abweichler zum Ziel von Bedrohungen, Verleumdungen und Angriffen. Leute, die nicht ‘unsere Truppen unterstützen’, werden als Verräter betrachtet. Den Zeitungen, welche das Vorgehen der Armee hinterfragen, wird vorgeworfen, die Moral zu untergraben.

Der israelische Musiker und Romancier Assaf Gavron über die Verfassung seiner Heimat

N

Ein trüber Brei aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien

Spätestens 2010 waren die Flure bereinigt. In den Redaktionen der meisten Blätter saßen nun die formatierten Herrschaften fest im Sattel und sorgten dafür, dass Geist, Courage, Phantasie und Würde eliminiert wurden.
Die Redaktionen waren gebrieft und das Juste Mileu zwischen Taz und Faz, 3 Sat und BR, nato-affinen Grünen und sozialliberalisierter CDU&CSU war Mk-programmiert.

Das Damentrio Merkel, Mohn und Springer hatte den Boden bereinigt, auf dem sich gelegentlich narzisstisch taumelnde Politikdarsteller wie Özdemir, Spahn, Heil, Lindner, Dobrint in belanglosen Grubenkämpfen tummelten und ihre Wähler mit zeitverschobenen Zündungsmechanismen und Empörungskurven bei Laune hielten.

Ein trüber Brei aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien, Kino und Theater, die Mode und den Sport, die Gemüter, das Straßenbild, alles und jeden. Abend für Abend versammeln sich in den Wahrheitskathedralen der Lüge die Talking-Heads aus der 65-Personen- Castingbroschüre des offiziellen Populismus.
Sie bilden die Arme eines neoliberalen Groko-Kraken und werden je nach Schwerpunkt ergänzt um eloquente Abgesandte aus diversen Stiftungen, am besten von Bertelsmann, Instituten für irgendwelche Beziehungen, etwa Frieden und Sicherheit und anderen Heißluft-Experten aus London und New York.

Gelegentlich wird so einer Runde ein armes Würstchen zum Fraß vorgeworfen – ein Piratenhacker, eine IS-Anwärterin mit Burka, jemand von Pegida oder der Roten Flora und notfalls Herr Lüders oder Herr Todenhöfer.

Anstatt im Dienst und Geist der Dialektik zu streiten – es muss ja nicht gleich mit Hegel, Bloch und Adorno zu tun haben – und sich die Leviten zu lesen, versanden die Debatten im verzagt altklugen Sing-sang sermonaler Konsensmessen.
In einer Endlosschleife spulen die Couchbesetzer ihre Sprachregelungen, Tabusetzungen und neofeudalen Moralcodes ab. Mit zelotischer Verbissenheit machen sich diese immer gleichen Infotainer jedes Thema zu eigen: Mietpreisbremse, nervöse Märkte, Soziales, Nullzinsrisiko, Fassbomben, hellenisches Klienteldrama und, logisch, ja, Bildung, Bürokratieabbau, Maidan, Maut, Entlastung der mittleren Einkommen, NSU, NSA, Flüchtlinge, Videobeweis, Biodiesel, Cum-Ex, Hitlers Sackratten und abgehängte Schlecker-Frauen.

In diesen Schlaflabors („Da bin ich ganz bei Ihnen“) hätte kein Scholl-Latour mehr Platz, kein Frank Schirrmacher, Jean Améry, kein Balzac, Grass oder Goethe. Hier sitzen die Duz-Freunde des Guten, Hayali und Seppelt und Theveßen und Kleber und Mascolo. Die so redlichen wie unsichtbaren echten Kollegen werden in Abwesenheit diffamiert als Verschwörungstheoretiker, Putin-Trolle, Europagegner und Rechts- oder Links-Populisten.

Zu Füßen der Raute zeigenden Freiheitsstatue in Apricot schwadroniert die Echokammerelite von der westlichen Wertegemeinschaft, der offenen Gesellschaft, des liberalen Pluralismus, der Entfaltung des Gender-Individuums, den freie Märkten und der Verteidigung irgendwelcher transatlantischer Ideale. Man kann es nicht mehr hören und nicht mehr sehen und nur hoffen, dass der Russe und sein Hacker endlich den Strom abstellen.

Auch kann man die staatliche Sprachverwahrlosung nicht mehr ertragen. Ich mag nur ein Beispiel anführen, nämlich die inflationäre wie beiläufige Erwähnung von den „Menschen, die sich abgehängt fühlen“. Das bezieht sich offenbar auf die kleinen Trottel von der Straße, die da draußen hinter der Mattscheibe im Land herumstreunen und deren Einzelschicksale zwischen Jobcenter, Krankschreibung, Eckkneipe, Pflegeloch, Discounthallen und Teilzeitirrsinn verziffert werden.

Naht irgendeine Wahl, überbieten sich die urplötzlich so volksnahen Empört-und-betroffen-zugleich-Groko-Charmeure darin, jetzt endlich diese verlorenen Seelen „abzuholen“ und „einzufangen“ und sie „zurück ins Boot“ zu holen.
Es ist auch die besorgte Rede von der „Augenhöhe“ und davon, dass man die Mühseligen und Beladenen „wieder ernst nehmen“ wird – also diese RTL-II-Gimpel, halb White Trash, halb dunkeldeutsches Pack.

Der Zynismus der christlich-liberalen Biomoralisten besteht darin, Millionen von Mitbürgern bis tief in den Mittelstand hinein das Recht abzusprechen, abgehängt zu SEIN. Mit perfider Arroganz werden die Abgehängten auf sich selbst zurückgeworfen. Anschluss verpasst? Euer Problem.

Jämmerliche Simulation von Demokratie

Mehr leisten, mehr Ego-Shooting, mehr Anpassung an unsere schöne neue Wertewelt, einfach mal ein bisschen durch die Institutionen marschieren wie Joschka auf seinem langen Weg in den Schoß seiner Ziehmutter Madeleine Albright **), die 1996 meinte: „Ja, ich glaube, die halbe Million Kinder, die wegen der US-Irak-Sanktionen starben, waren den Preis wert.“
Ihr rundlicher Ziehsohn, einst Vietnamkriegsgegner, dann balkanischer Kriegstreiber und heute ein stirnrunzelnd halluzinierendes Nato-Strichmännchen residiert in einer abgedunkelten Villa im Berliner Nobelviertel Dahlem und bezieht Entgelte von bis zu 30.000 Euro für trostloses Geschwätz.

Fischer wie Schröder oder das Elend namens Scharping sind gloriale Beispiele dafür, wie sich die parlamentarische Betriebsamkeit in eine jämmerliche Simulation von Demokratie verwandelt hat. Gerade die rotgrünen Anteile unseres Wahrheitsregimes tun sich hervor dabei, inzwischen jedes freie frische Denken zu konfiszieren und real-bestehende Interessengegensätze und Widersprüche zu kaschieren.

Dieser rülpsende Konsensmoloch will kein Arm und Reich, kein Unten und Oben und keine Diskussion über die grotesken Auswüchse von Besitz und Macht. Er will aber Pressefreiheit, allerdings nur in Russland, Türkei, Syrien oder in Venezuela. Armselig und lächerlich und mit neokolonialer Selbstanmaßung stiefelt der reanimierte wilhelminische rotgrüne Baedeker-Studienrat über den Globus. Ernst vermisst er die Achsen des Bösen, tadelt x-beliebige Schurkenstaaten, diktiert Wahlempfehlungen und droht anderen Nationen mit Sanktionen und Embargos, falls nicht schleunigst die Hausaufgaben erledigt werden.

Ach ja, der Journalismus: Diese hypnotisierten Top-Schreiber bei Zeit, FAZ, Welt, Spiegel, SZ und wer sich im Wendekreis des Talentschuppens des moralisch verwahrlosten Irrsinns sonst noch nährt, hätten es zu Willy Brandts Zeiten mit einiger Mühe gerade noch in die Rubrik „Vermischtes“ geschafft.

Wäre es nicht so unglaublich traurig, könnte man schmunzeln über diesen korrupten Mascolo&NDR&WDR&SZ-Zusammenschluss zu multimedialen Investigationspools und Rechercheteams ***), die nach jahrelangen und lebensgefährlichen Untergrundermittlungen Wulffs Oktoberfestquittungen auslegen oder ein paar klemmende Sturmgewehre oder Franz Beckenbauers Einsamkeit.

Derweil bricht Europa in sich zusammen, die finstere und ferngesteuerte USA scheint zum inneren wie externen Armageddon entschlossen, über 100 Millionen verwirrte Flüchtlinge allein im größeren Mittelmeerraum fressen verweste Ratten, während unsere Elite sich in ihre neuseeländischen oder patagonischen Atombunker verkriecht.

„Ich bin ein Berliner“, hört man immer wieder Guido Knopps Kennedy sagen. Doch ein paar Wochen später sagte er etwas anderes und allen, die wir uns fragen, wieso keiner mehr die Wahrheit ausspricht und wohin die Welt treibt und wer denn genau dieses Treibgut eigentlich befiehlt, möchte ich diese Worte nochmals in Erinnerung rufen:

Wir haben es mit einer monolithischen und ruchlosen weltweiten Verschwörung zu tun, die ihren Einfluss mit verdeckten Mitteln ausbreitet: mit Infiltration statt Invasion, mit Umsturz statt Wahlen, mit Einschüchterung statt Selbstbestimmung, mit Guerillakämpfern bei Nacht, statt Armeen am Tag. Es ist ein System, das mit gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen eine komplexe und effiziente Maschinerie aufgebaut hat, die militärische, diplomatische, geheimdienstliche, wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Operationen verbindet. Ihre Pläne werden nicht veröffentlicht, sondern verborgen, ihre Fehlschläge werden begraben, nicht publiziert, Andersdenkende werden nicht belobigt, sondern zum Schweigen gebracht, keine Ausgabe wird in Frage gestellt, kein Gerücht wird gedruckt, kein Geheimnis enthüllt.

John F. Kennedy, 27. April 1961

„Well, the train left the station. With two lights on behind.“ Robert Johnson wurde nicht sehr alt.

** Siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2014/03/24/kriegsverbrecher-schroder-fischer-scharping-clinton-albright-blair-chirac-u-a/

*** und hier: https://josopon.wordpress.com/2016/02/24/die-reinemachefrau-des-verfassungsschutzes-zur-preisverleihung-an-panorama-journalistin-reschke-ein-beitrag-von-2012-zum-nsu/

 

Jochen

Kleiner Nachtrag zum US-Wahlkampf: Hillary Clinton befeuerte als Außenministerin den Bürgerkrieg in Syrien – Aktuell: Israel hat 200 Atomsprengköpfe

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das stand schon Anfang Juli in der jungen Welt, hat aber bisher keine große Aufmerksamkeit gefunden:

k_leukefeldSyrien schlagen, um Iran zu treffen

Endlich belegt: Hillary Clinton befeuerte als Außenministerin den Bürgerkrieg in Syrien

Von Karin Leukefeld https://www.jungewelt.de/2016/07-06/021.php
Auszüge:

Dieses Dokument hat es in sich: UNCLASSIFIED U.S. Department of State Case No. F-2014-20439 Doc No. C05794498

Es handelt sich um ein Dokument, das Ende 2015 vom US-Außenministerium freigegeben und kürzlich über Wikileaks öffentlich zugänglich gemacht wurde.
Thema der Depesche: Der neue Iran und Syrien. Autorin: Hillary Clinton, damals US-Außenministerin.

Bei dem angegebenen Datum (31.12.2000) handelt es sich vermutlich um einen Irrtum, denn zu dem Zeitpunkt gab es weder Verhandlungen mit dem Iran noch einen Krieg in Syrien. Zudem wird ein Interview der US-Journalistin Christine Amanpour (CNN) mit dem damaligen israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak erwähnt, das erst im April 2012 ausgestrahlt worden war. Vermutlich stammt der Text also aus dem Jahr 2012.

Behandelt wird darin die Frage, wie die USA Israel helfen könnten, mit der wachsenden nuklearen Gefahr des Irans umzugehen. Clinton schreibt, »der beste Weg (sei), dem syrischen Volk zu helfen, das Regime von Bashar Assad zu stürzen«. Das iranische Nuklearprogramm »und Syriens Bürgerkrieg scheinen nicht in Verbindung zu stehen, doch es gibt eine Verbindung«, schreibt Clinton.

Die Verhandlungen mit dem Iran würden »Israels Sicherheitsdilemma nicht lösen«, so Clinton. Ein Angriff Israels auf den Iran würde einen »großen Krieg im Mittleren Osten« auslösen. Israel sei dabei nicht besorgt, dass Iran angreifen könne, sondern habe Angst, sein »nukleares Monopol« in der Region zu verlieren, wenn nach dem Iran auch Saudi-Arabien und Ägypten nuklear aufrüsten würden. Als Atommacht könnte der Iran leicht seine Verbündeten in Syrien und die libanesische Hisbollah auffordern, Israel anzugreifen. Die »strategische Beziehung« zwischen Iran und Syrien ermögliche es, Angriffe durch die iranischen Stellvertreter im Libanon, die Hisbollah, auf Israel zu befehlen. »Das Ende des Assad-Regimes würde diese gefährliche Allianz beenden. Die israelische Führung versteht sehr wohl, warum es in ihrem eigenen Interesse ist, Assad zu zerstören.«

Clinton verweist auf ein CNN-Interview des damaligen Verteidigungsministers Ehud Barak mit Christine Amanpour, in dem Barak sagt: »Der Sturz von Assad wird ein schwerer Schlag für die radikale Achse sein, ein schwerer Schlag gegen den Iran … und es wird zu einer dramatischen Schwächung sowohl der Hisbollah im Libanon als auch der Hamas und des Islamischen Jihad im Gazastreifen führen.«

Sollte »Assad weg sein« und der Iran Israel nicht länger durch seine Stellvertreter bedrohen, könnten sich die USA und Israel auf »rote Linien« einigen, wann das iranische Atomprogramm eine unakzeptable Schwelle überschritten habe.
»Kurz gesagt, das Weiße Haus kann die Spannungen zwischen Israel und Iran lösen, wenn es das Richtige in Syrien tut.« Die Rebellion in Syrien dauere schon länger als ein Jahr, und weder werde die Opposition verschwinden noch werde das Regime eine diplomatische Lösung von außen akzeptieren. Doch: »Wenn sein Leben bedroht ist und das seiner Familie, nur diese Drohung oder die Anwendung von Gewalt wird den syrischen Diktator Bashar Assad dazu bringen, seine Meinung zu ändern.«

Clinton führt weiter aus, dass ein Eingreifen in Syrien schwieriger sei als in Libyen, doch »ein Erfolg (…) würde ein gestalterisches Ereignis für den Mittleren Osten bedeuten.«
Es würde nicht nur ein »skrupelloser Diktator von einer Massenopposition in den Straßen hinweggefegt«, die Region wäre auch besser, weil der Iran nicht länger eine Basis im Mittleren Osten hätte, »von wo er Israel bedroht«.
Dieser Plan erfordere »grundlegende diplomatische und militärische Führung der USA«.
Dazu auch aktuell geleakt:

colin_powell_kColin Powell: Israel hat 200 Atomsprengköpfe

http://derstandard.at/2000044500075/Powell-Israel-hat-200-Atomsprengkoepfe

Ehemaliger Diplomat: von Hackern veröffentlichte E-Mails zu Atomverhandlungen mit Iran sind echt

Washington – Der frühere US-Außenminister Colin Powell hat die Zahl der israelischen Atomsprengköpfe auf 200 beziffert.
Das geht aus gehackten E-Mails des Republikaners aus dem März 2015 hervor, die eine Enthüllungsplattform veröffentlicht hat. Bisher war von weit weniger Atomwaffen ausgegangen worden. Die Federation of American Scientists (FAS) beziffert die Sprengköpfe in Israel auf 80.

In den E-Mails tauscht sich Powell mit einem Vertrauten über die Verhandlungen zum iranischen Atomabkommen aus. Er bezweifelt, dass der Iran – ein erklärter Erzfeind Israels – Atomwaffen einsetzen würde, selbst wenn das Land welche bauen könnte.
„Die Jungs in Teheran wissen, dass Israel 200 hat, die alle auf Teheran gerichtet sind, und wir haben tausend.“

In dem Schriftverkehr mit dem US-Investor Jeffrey Leeds geht es um eine Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vor dem US-Kongress am 3. März 2015. Netanyahu hatte darin eindringlich vor dem Abkommen des Westens mit dem Iran gewarnt.
Ziel des Deals mit Teheran ist es, die Islamische Republik vom Bau von Atomwaffen abzuhalten.

Der geleakte Schriftverkehr ist Teil zahlreicher E-Mails des Republikaners, die die Webseite DCLeaks.com in dieser Woche veröffentlicht hat.
Powell räumte die Echtheit der Dokumente ein. (APA, dpa, 16.9.2016)

Jochen

Anlässlich eines Hetzartikels in der „Welt“- C. Ronnefeldt erinnert: Zur Geschichte zwischen westlicher Politik und muslimischer Welt

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Versoehnungsbund1Liebe Friedensinteressierte,

in seinem Kommentar auf Seite 1 der heutigen Ausgabe „Die Welt“ (20.11.2015) schreibt Chefkommentator Torsten Krauel:

„(…) Das Weltbild der Terroristen und ihrer vielen Sympathisanten in der islamischen Welt ist ein Sud aus Selbstmitleid, Verdrängung,
Größenwahn und bis zur Unkenntlichkeit verdrehter historischer Zusammenhänge – so, wie er in den 20er-Jahren Deutschland vergiftet
hat. (…)“

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article149057804/Wer-sagt-der-Westen-sei-schuld-hat-verloren.html

Nachfolgend sende ich einige sehr gut belegte historische Zusammenhänge zum Verhältnis zwischen westlicher Politik und der muslimischen Welt,

deren Kenntnis m.E. für eine Neuausrichtung westlicher Politik gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten zu berücksichtigen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes


US-Präsident George W. Bush bezeichnete die Kriege in Afghanistan und Irak als „Kreuzzug“ gegen den Terror – vor folgendem historischen

Hintergrund:

Kreuzzug 1099: Massaker in der Al-Aksa-Moschee, Bericht des Augenzeugen Wilhem von Typus

„Sofort gingen die übrigen Fürsten, nachdem sie, was ihnen in den übrigen Stadtteilen in die Hände gekommen war, niedergemacht hatten, nach dem Tempel (…).
Sie drangen mit einer Menge von Reitern und Fußvolk herein und stießen, ohne jemand zu schonen, was sie fanden mit den Schwertern nieder und erfüllten alles mit Blut. Es war dies ein gerechtes Urteil Gottes (…).“

Zit. nach: Eduard und Rudolf Kausler, Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart 1840.

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Das britische Versprechen während des 1. Weltkrieges auf eine arabische Unabhängigkeit, wenn sich die Araber gemeinsam mit den Briten an der Niederwerfung des osmanischen Reiches beteiligen, wurde nicht eingelöst, statt dessen zogen 1916 die beiden Diplomaten Sykes und Picot willkürliche Grenzen zur Aufteilung des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Frankreich und Großbritannien:

24.10.1915: Brief des britischen Hochkommissars in Ägypten, Sir Henry McMahon, an den Scherifen von Mekka:

Großbritannien ist bereit, „die Unabhängigkeit der Araber anzuerkennen und zu unterstützen innerhalb der Länder, die in den vom Sherifen von Mekka vorgeschlagenen Grenzen liegen. Dies werde zu einer festen und dauerhaften Allianz führen, deren unmittelbare Ergebnisse die Vertreibung der Türken aus den arabischen Ländern und die Befreiung der arabischen Völker vom türkischen Joch sein werden (…)“.

Aus: Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V. München, Denkanstöße Nr. 62/63, 2015.

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Thomas Edward Lawrence („Lawrence von Arabien“), der im britischen Auftrag die Araber zum Krieg gegen die Osmanen überredete, schrieb:

„Wir schickten sie zu Tausenden ins Feuer, in den schlimmsten aller Tode, nicht um den Krieg zu gewinnen, sondern damit das Korn und der Reis und das Öl Mesopotamiens unser werden“. (…)

„Araber vertrauen Personen, nicht Institutionen. Sie erblickten in mir einen unabhängigen Vertreter der britischen Regierung und verlangten von mir eine Bestätigung der britischen Versprechen. Daher musste ich mich der Verschwörung anschließen und versicherte den Männern – sofern mein Wort Gültigkeit hatte – ihrer Belohnung. (…)
Von Anfang an war klar, dass diese Versprechen im Falle unseres Sieges nur noch ein Fetzen Papier sein würden;“

Aus: Thomas Edward Lawrence, Die Sieben Säulen der Weisheit, Berlin 2009, S. 845f.

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1953: Sturz der iranischen Regierung durch Großbritannien und die USA wegen der Pläne des demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh zur Verstaatlichung der Erdöl-Industrie:

Aus dem „Archiv der George-Washington-Universität“, „Operation TPAJAX“, freigegeben am 19.8.2013: 

„ZIEL: Premierminister Mossadegh und seine Regierung. METHODEN UND DURCHFÜHRUNG Legale und quasilegale Methoden zum Sturz der Mossadegh-Regierung und ihre Ersetzung durch eine pro-westliche Regierung. (…)
Die Entfernung Mossadeghs von der Macht wurde am 16.August 1953 erfolgreich vollzogen“.

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 13f.

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Interview in „Le Nouvel Observateur“ im Januar1998 mit Zbigniew Brezinski, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter:

Frage: Und Sie bereuen nicht, den islamischen Fundamentalismus unterstützt zu haben, in dem Sie künftige Terroristen mit Waffen und Knowhow versorgten?

Antwort: Was ist für die Weltgeschichte von größerer Bedeutung? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetreiches?
Einige fanatisierte Muslime oder die Befreiung Zentraleuropas und das Ende des Kalten Krieges?“

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im

Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 24.

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20.12.1983: Saddam Hussein begrüßt Donald Rumsfeld, der als Gesandter der US-Regierung den irakischen Diktator Saddam Hussein im Krieg gegen Iran (1980-1988) unterstützte:

http://nsarchive.gwu.edu/NSAEBB/NSAEBB82/


25. Juli 1990, eine Woche vor der irakischen Invasion in Kuwait am 2.8.1990:

US-Botschafterin April Glaspie an Saddam Hussein: „Ich weiß, dass Sie Gelder benötigen. Wir verstehen das, und wir glauben, dass sie die Gelegenheit erhalten sollten, ihr Land wieder aufzubauen (…).
Wirhaben keine Meinung zu innerarabischen Konflikten, auch nicht zu ihren Grenzstreitigkeiten mit Kuweit“.

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 41.

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„PR-Agentur Hill & Knowlton – Schmutzige Sprechblasen

Nayirah erzählte am 10. Oktober 1990 im amerikanischen Kongress eine traurige Geschichte. Die 15-jährige Hilfskranken-schwester aus Kuwait wollte beobachtet haben, wie irakische Soldaten ihr Krankenhaus überfielen.
‚Sie nahmen die Babys aus den Brutkästen und legten sie zum Sterben auf den Boden‘, erzählte Nayirah unter Tränen.

Die westliche Welt war schockiert. Die irakische Armee galt als brutal und barbarisch. Und Präsident George Bush senior ließ aufrüsten.
Wenig später begann die Operation Desert Storm – und damit der erste Krieg der USA gegen den Irak.

Nayirah war aber gar nicht Nayirah. In Wirklichkeit heißt sie Nijirah al-Sabah und ist die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA“.

http://www.sueddeutsche.de/politik/pr-agentur-hill-amp-knowlton-schmutzige-sprechblasen-1.179920


12. Mai 1996: US-Außenministerin Madeleine Albright im Interview der US-Sendung „60 Minutes“:

Frage: „Eine halbe Million Kinder sollen im Irak mittlerweile gestorben sein. Das sind mehr Kinder, als in Hiroshima gestorben sind.

Ist das den Preis wert?“ Madeleine Albrights Antwort: „Ich denke, dass ist eine sehr harte Wahl, aber der Preis – wir glauben, dass es den

Preis wert ist“.

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 46.

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2003: Colin Powell über seine Irak-Rede vor UN-Sicherheitsrat: „Schandfleck meiner Karriere“:

„Der ehemalige US-Außenminister Colin Powell hatte im Februar 2003 den Einmarsch im Irak mit Saddams angeblichen Massenvernichtungswaffen gerechtfertigt.
Das stellte sich später als unhaltbar heraus. Er fühle sich deswegen ‚furchtbar‘ sagte Powell jetzt in einem Interview“.

http://www.sueddeutsche.de/politik/powell-ueber-irak-rede-vor-un-sicherheitsrat-schandfleck-meiner-karriere-1.928315


ARD, Weltspiegel, 3.2.2014: „ Irak: Uranmunition – das strahlende Vermächtnis“

„Visite in den Kinderkrankenhäusern von Basra – die Betten auf allen Stationen sind belegt, die Zahl der Krebsfälle ist in den vergangenen zehn Jahren drastisch angestiegen. Gehirntumore, Knochenkrebs,körperliche Missbildungen und immer wieder: Blutkrebs.
1200 junge Patienten in der staatlichen Kinderklinik leiden unter Leukämie, die Überlebenschance beträgt 50 Prozent“.

http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/swr/2013/irak-uranmunition-100.html


19.4.2011: Mohamed ElBaradei, ehemaliger Direktor der Internationalen Atomenergieagentur in Wien  im „Spiegel-Interview“ zu den iranischen Atomverhandlungen:

„ElBaradei: Wir standen tatsächlich mehrfach kurz vor einer Lösung. 2003 waren die Iraner bereit, aber die Regierung von US-Präsident George W. Bush wollte nicht. Als dann 2010 Präsident Barack Obama seine Hand ausstreckte, konnten die Iraner sie aufgrund innenpolitischer Machtkämpfe nicht ergreifen. (…)

ElBaradei: Ich halte mich streng an die Fakten, und dazu gehört eben auch, dass Amerikaner und Europäer uns wichtige Papiere und Informationen vorenthielten.
Denen ging es nicht um einen Kompromiss mit der Regierung in Teheran, sondern um einen Regimewechsel. Dafür war ihnen so ziemlich jedes Mittel recht.“

SPIEGEL: Und die armen Iraner waren völlig unschuldig?

ElBaradei: Nein, auch die haben getrickst. Aber der Westen hat nie versucht zu verstehen, dass es Iran vor allem um Anerkennung, um eine Behandlung auf Augenhöhe ging“.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78076179.html


Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2011, zur Kooperation Deutschlands mit Saudi-Arabien:

„Eigenwilliges Kooperationsmodell: Die Bundespolizei bildet saudi-arabische Grenzschützer aus, die Bezahlung der Beamten läuft über den privaten Rüstungskonzern  EADS.
Dass privatwirtschaftliche Interessen und hoheitliche Aufgaben derart vermengt werden, scheint selbst dem Bundesinnenministerium nicht mehr ganz geheuer zu sein“.

http://www.sueddeutsche.de/politik/bundespolizei-in-saudi-arabien-hart-an-der-grenze-1.1120387


„Vergessener Krieg: Saudi-Arabien bombt den Jemen ins Elend 

Spiegel online, 29.7.2015 von Christoph Sydow:

„Saudi-Arabien führt Krieg im Jemen, seit vier Monaten schon – angeblich, um das Land zu stabilisieren.
Doch die Militäroperation erreicht das Gegenteil: Tausende Zivilisten wurden getötet, 13 Millionen Menschen hungern“.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/jemen-saudi-arabiens-krieg-gegen-die-huthis-hat-schlimme-folgen-a-1045758.html


US-Präsident B. Obama in Kairo,  Juni 2009

As-salaam alaikum. Wir kommen zusammen in einer Zeit großer Spannung zwischen den Vereinigten Staaten und Muslimen auf der ganzen Welt – einer Spannung mit Wurzeln in historischen Kräften (…).
In jüngererZeit wurde die Spannung von einem Kolonialismus genährt, der vielen Muslimen Rechte und Chancen verwehrte, und von einem Kalten Krieg, in dem zu oft überwiegend muslimische Staaten ohne Rücksicht auf ihre eigenen Ziele wie Stellvertreter behandelt wurden.

Der Heilige Koran lehrt, dass wer einen Unschuldigen tötet, die ganze Menschheit tötet, und dass wer einen Menschen rettet, die ganze Menschheit rettet.
Der anhaltende Glaube von mehr als einer Milliarde  Menschen ist so viel größer als der engstirnige Hass einer kleinen Gruppe.
Der Islam ist nicht Teil des Problems bei der Bekämpfung des gewaltsamen Extremismus, sondern ein wichtiger Teil zur Förderung des Friedens…

Ich habe unmissverständlich jede Anwendung von Folter durch die Vereinigten Staaten verboten und ich habe angeordnet, das Gefängnis in Guantánamo Bay bis zum nächsten Frühjahr zu schließen. (…)

Es gibt keinen Zweifel: Die Lage des palästinensischen Volks ist untragbar. Amerika wird dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht den Rücken kehren…

http://www.faz.net/aktuell/politik/obama-rede-im-wortlaut-der-islam-ist-ein-teil-amerikas-1810953-p4.html


F.A.Z., 26.9.2014

Muslimische Gelehrte protestieren gegen IS

Gegen das Vorgehen des IS protestierten 120 muslimische Gelehrte, darunter hochrangige sunnitische Geistliche.
In einem offenen Brief warfen sie dem IS vor, dessen Glaubensinterpretation sei ein großer Fehler und ein Angriff auf Muslime in der ganzen Welt.
„Ihr habt den Islam fehlinterpretiert in eine Religion der maßlosen Härte, der Brutalität, der Folter und des Mordes.“

http://www.faz.net/aktuell/politik/is-terror-dschihadisten-ermorden-menschenrechtlerin-im-irak-13175383.html


Clemens Ronnefeldt

Referent für Friedensfragen beim deutschen

Zweig des internationalen Versöhnungsbundes

Versoehnungsbund2

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85354 Freising

Tel.: 08161-547015

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Der große Bluff – was der Krieg der USA gegen den Terror gebracht hat – Beitrag von Jürgen Todenhöfer

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Es ist Zeit, den großen Bluff eines bevorstehenden terroristischen Weltuntergangs zu beenden.
Bushs „Antiterrorkrieg“ war ein alles in den Schatten stellender Terroranschlag auf die muslimische Welt.

Mal ein echt kritischer Artikel in der BZ:
http://www.berliner-zeitung.de/politik/gastbeitrag-der-grosse-bluff—was-der-krieg-der-usa-gegen–den-terror-gebracht-hat,10808018,26742752.html
Auszüge:

Terrorismus, die gewaltsame Verbreitung von Furcht und Schrecken zur Durchsetzung politischer Ziele, ist ein hinterhältiges, bösartiges Verbrechen. Die Welt hat die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA zu Recht uneingeschränkt verurteilt.Terroristen sind Mörder.
Leider verstärkt sich der Eindruck, dass vor allem die US-Regierung die Katastrophe als Vorwand für ganz andere Dinge als Terrorismusbekämpfung missbraucht: für eine kafkaeske Ausspähung der Welt, für die Einschränkung lästiger Bürgerrechte und für militärische Interventionen in rohstoff- und geopolitisch wichtigen Ländern des Mittleren Ostens.

Der sogenannte islamistische Terrorismus wird hierzu als gigantische existenzielle Dauerbedrohung für die westliche Zivilisation dargestellt.
Doch die offen zugänglichen Terrorismus-Zahlen von Global Terrorism Database, einem vom US-Heimatschutzministerium geförderten „Exzellenz-Zentrum“, bestätigen diesen Alarmismus nicht.

9/11 war mit 2 977 Todesopfern (ohne die Attentäter) der schrecklichste aller ausgewerteten Terroranschläge. Er beherrscht das öffentliche Bewusstsein.
Aber er verfälscht es auch. Wegen seiner dämonisch-genialen Inszenierung, wegen der Zahl von Toten und wegen der nicht endenden medialen Berichterstattung. Sie machen es schwer, den Horror jenes Tages richtig einzuordnen.

2001, im Jahr von 9/11, starben laut FBI in den USA fast 16.000 Menschen durch „Mord“ und mehr als 42.000 durch Verkehrsunfälle.
Sarkastisch stellte der jüdische Evolutionspsychologe Steven Pinker in seinem Bestseller „Gewalt“ fest, dass in jedem Jahr außer 2001 und 1995 (1995 tötete in Oklahoma ein nicht-muslimischer Terrorist 168 Menschen) mehr Amerikaner durch Blitzeinschläge, Bienenstiche und Badewannenunfälle starben als durch Terroranschläge.

Die Strategie der Alarmisten

Das hinderte den Alarmistenchor um den damaligen US-Justizminister John Ashcroft nicht an der Behauptung, wir lebten nun im „Zeitalter des Terrorismus“.
Fast pausenlos wurde vor einer terroristischen Apokalypse gewarnt. Die Innen- und Außenpolitik des Westens wurde auf den Kopf gestellt.
Endlich hatte die US-Regierung wieder ein Feindbild, nachdem Colin Powell 1991 geklagt hatte, ihm gingen die Schurken aus. Die US-Administration handelte bei der Darstellung der Terrorgefahr teilweise bewusst bösgläubig. Der frühere Chef des US-Heimatschutzministeriums, Tom Ridge, berichtet, dass Donald Rumsfeld und John Ashcroft kurz vor der Präsidentschaftswahl 2004 massiven Druck auf ihn ausgeübt hätten, wider besseres Wissen die Terrorwarnstufe zu erhöhen.

Ex-US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski sprach 2007 von einer systematisch erzeugten „Kultur der Angst“, von „einer nationalen Gehirnwäsche“. Es sei Zeit, diese Terror-Hysterie zu beenden. Amerika werde sich eines Tages dafür schämen.
Wir werden darauf noch eine Weile warten müssen. Das Kultivieren von Angst vor muslimischen Terroranschlägen liefert nicht nur die gewünschten Feindbilder, sondern sichert auch gigantische Aufträge. Antiterrorismus ist für einige US-Firmen ein großes Geschäft.

gods own country

             Gods Own Country

Die Aufmerksamkeit, die man der Bekämpfung des muslimischen Terrorismus widmete, gönnte man anderen Bereichen des internationalen Verbrechens nicht. In den westlichen Industrieländern einschließlich der EU befinden sich nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 1,5 Millionen Menschen in Zwangsarbeit und Sklaverei. Viele als Sexsklaven. Auch Kinderhandel, Drogenkriminalität, illegaler Waffenhandel, Umweltkriminalität und Geldwäsche nehmen zu. Die mafiaartig organisierte Kriminalität wächst und wächst.

Insgesamt bedrohen „gewöhnliche Morde“ und organisierte Kriminalität den Westen erheblich mehr als der Terrorismus. Von 1970 bis 2012 wurden in den USA und Westeuropa 8131 Menschen durch die verschiedensten Arten von Terrorismus getötet. Das ist viel.
Doch mehr als eine Million starben durch „gewöhnlichen Mord“. Wir leben nicht im Zeitalter des Terrorismus, sondern im Zeitalter einer gigantischen Irreführung der Öffentlichkeit.

Irreführend ist auch das Mantra selbst ernannter Terrorspezialisten, nicht jeder Muslim sei Terrorist, aber jeder Terrorist sei Muslim. In Europa waren laut Global Terrorism Database in den zehn Jahren bis 2001 (einschließlich 9/11) nur 0,46 Prozent der versuchten oder vollendeten Terroranschläge islamistisch motiviert. In den elf Jahren danach lag der Anteil muslimischer Terroranschläge bei 2,05 Prozent. Die meisten der 5550 Terroranschläge in Europa zwischen 1992 und 2012 wurden von Separatisten-Organisationen begangen. Gefolgt von Linksextremisten, Rechtsextremisten und protestantischen Extremisten aus Nordirland. Gemessen an der Zahl der Anschläge folgen „islamistisch motivierte“ Terroristen erst auf Platz fünf.

Anschlag auf die muslimische Welt

Allerdings waren deren Anschläge besonders blutig. Doch auch gemessen an der Zahl der Todesopfer führen Separatisten die „Hitliste des Terrors“ in Europa an.
Zwischen 1992 und 2002 töteten sie 327 Menschen. Bei islamistisch motivierten Anschlägen starben 261 Unschuldige. 117 Menschen kamen durch protestantische Extremisten und 105 durch Rechtsextremisten um.

In Deutschland waren laut Global Terrorism Database von den 503 Terroranschlägen der Jahre 1992 bis 2012 genau 154 rechtsextremistisch. Nur drei wurden von Muslimen begangen.
Kein einziger Deutscher starb in diesem Zeitraum durch islamistisch motivierte Terroristen, aber zehn durch rechtsextremistischen Terror – die zehn NSU-Opfer, die Opfer von Mölln und Solingen sowie zahlreiche andere Opfer des Rechtsextremismus sind nicht mitgezählt, da sie angeblich durch „gewöhnliche Morde“ starben.

Der letzte große Terroranschlag in Deutschland war ein rechtsextremistischer Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980. Er tötete 13 Menschen.
Er wird verdrängt, obwohl es in Deutschland jeden Tag zwei bis drei Fälle rechtsextremistischer Gewalt gibt.

Ähnlich wäre die Lage in den USA, wenn es 9/11 nicht gegeben hätte. Doch die Anschläge jenes Tages sind eine Realität, die niemand wegdiskutieren darf. Auch aus Respekt vor den Opfern. Dennoch lohnt es sich, alle 555 Terroranschläge zwischen 1992 und 2012 anhand der Zahlen des US-Heimatschutzministeriums genauer zu analysieren. Danach waren in den zehn Jahren bis 2001 (inklusive 9/11) lediglich 1,33 Prozent der Terroranschläge islamistisch motiviert. In den elf Jahren danach waren es 3,59 Prozent.
Gemessen an der Zahl der Anschläge lagen islamistisch motivierte Anschläge deutlich hinter christlichen Abtreibungsgegnern, Rechtsextremisten, White Extremists und Ku Klux Klan.

Gemessen an der Zahl der Toten liegen islamistische Terroranschläge in den USA aber wegen 9/11 klar an erster Stelle. Ohne diesen Sonderfall sieht die Lage anders aus. Danach starben zwischen 1992 und 2012 exakt 28 Menschen durch Amokläufer, zehn durch Rechtsextremisten, sieben durch christliche Abtreibungsgegner und drei durch islamistisch motivierte Terroristen.
Wer die Terrorproblematik auf 9/11 verkürzt, übersieht auch, dass die Antiterrorkriege des Westens für die Menschen des Mittleren Ostens um ein Vielfaches verheerender waren als 9/11 für die USA. Al-Kaida tötete vom 11. September 2001 bis Ende 2012 laut Global Terrorism Database im Westen 3223 Unschuldige.
George W. Bush jedoch hat laut „Ärzte gegen den Atomkrieg“ allein in Afghanistan bis zu 100.000 Menschen auf dem Gewissen.
Die Zahl der Todesopfer des völkerrechtswidrigen Irakkriegs liegt nach einer wissenschaftlichen Untersuchung dreier amerikanischer und einer irakischen Universität bei mindestens einer halben Million.

Niemand darf das barbarische Unrecht von 9/11 relativieren. Das Gleiche gilt auch für das mehr als hundertfache Unrecht, das der Westen Zivilisten in Afghanistan und dem Irak angetan hat.
Bushs „Antiterrorkrieg“ war ein alles in den Schatten stellender Terroranschlag auf die muslimische Welt.

Die Statistiken von Global Terrorism Database enthüllen darüber hinaus die Peinlichkeit, dass die maßlosen Antiterrorstrategien des Westens keinerlei positive Ergebnisse brachten.
Das übliche Argument, man habe durch die massive Verschärfung des Antiterrorkampfes eine Explosion muslimischer Terroranschläge verhindert, ist nachweisbar falsch.
Eine vom Weißen Haus eingesetzte Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die NSA-Überwachung bis heute keinen nennenswerten Terroranschlag verhindert hat.

Im Mittleren Osten waren die „Antiterrorkriege“ des Westens sogar ausgesprochen kontraproduktiv. Dort wirkten sie als Terrorzuchtprogramm.
In Afghanistan, Pakistan, Irak, Somalia und Jemen stärkten sie Al-Kaida massiv. Sie bauten sie zu einer Macht auf, die sich seuchenartig auf Nachbarländer wie Syrien ausbreitet.
Selbst in Europa haben unsere Antiterrorkriege die Triebkräfte islamistischen Terrors nicht geschwächt, sondern eher verstärkt.
Die blutigen Anschläge von Madrid 2004 und London 2005 wurden von den Attentätern ausdrücklich mit dem Afghanistan- und dem Irakkrieg begründet.

Für Konsequenz und Härte

Das heißt nicht, dass Terrorismus nicht konsequent und hart bekämpft werden sollte. Aber wir sollten ihn – wie John Kerry als Präsidentschaftskandidat 2004 in einem hellsichtigen Augenblick forderte – wie früher als gefährliche „Belästigung“ bekämpfen und nicht als „Mittelpunkt unseres Lebens“.
Auch muslimische Terroristen können mit den klassischen, der technologischen Entwicklung angepassten Antiterrormethoden ausgeschaltet werden.
Selbst 9/11 wäre vermeidbar gewesen, wenn FBI, CIA und NSA ihre recht konkreten Erkenntnisse über die Aktivitäten von Al-Kaida nicht eifersüchtig für sich behalten hätte.

Ein kluger Antiterrorkampf wird mit dem Skalpell, nicht mit dem Beil geführt. Mit Aufklärung, Unterwanderung des Umfelds, mit Geld, Unterbrechung der Finanzströme und notfalls auch mit Spezialkommandos im Stile von Abbottabad. Die Tatsache, dass Bin Laden in Pakistan durch ein Sonderkommando ausgeschaltet werden konnte, führt alle Antiterrorkriege ad absurdum.
Mit einer gerechten Politik könnten wir im Kampf gegen islamistische Terroristen viel mehr erreichen als mit Antiterrorkriegen. Wir würden den muslimischen Terrorismus zumindest im Westen überwinden, weil es keinen Grund mehr für ihn gäbe.
Eine Gallup-Studie aus dem Jahr 2010 zeigt, dass die Gewaltbereitschaft amerikanischer Christen, Juden oder Atheisten dreimal so groß ist wie die Gewaltbereitschaft von Muslimen.
Wo Muslime nicht mit massivem Militäreinsatz konfrontiert werden, gibt es kein spezifisch islamisches Terrorismusproblem.

Unser Rechtsstaat ist stark genug, um Separatismus, Links- und Rechtsextremismus und auch religiös motivierten Terrorismus mit legalen Mitteln zu besiegen.
Es ist Zeit, den großen Bluff eines bevorstehenden terroristischen Weltuntergangs zu beenden.

Leider fehlen hier die Literaturangaben !
Über Kommentare  hier würde ich mich freuen.

Jochen