Gemeingut in BürgerInnenhand: Wir sammeln Beispiele und brauchen Ihre Hilfe zum Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Soeben erreichte mich die u.a. Anfrage. Das Thema ist in den letzten Monaten immer ernster geworden.
Klinikschließungen im Rahmen der neoliberalen Reformmaßnahmen nehmen zu, gleichzeitig versucht man die Beschäftigten durch schlechte Arbeitsbedingungen und herabsetzen vn Standards zu vergraulen. Um sie durch schnell angelernte Geflüchtete zu ersetzen ?

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Hier die Anfrage:

Liebe Freundinnen und Freunde der Daseinsvorsorge,

immer häufiger erreichen uns Nachrichten von lebensgefährlichen Situationen und vermeidbaren Todesfällen, die nur deshalb zustande kommen, weil ein wohnortnahes Krankenhaus geschlossen wurde.

Zwei Beispiele der letzten Wochen aus Baden-Württemberg:

  • Ein Patient auf dem Land kommt in die Hausarztpraxis. Er hat heftige Bauchschmerzen. Es besteht dringender Verdacht auf Blinddarmentzündung.
    Bis vor drei Monaten hätte er noch im örtlichen Krankenhaus versorgt werden können. Jetzt muss er ins 40 Kilometer entfernte nächste Krankenhaus mit Allgemeinchirurgie gebracht werden. Unterwegs perforiert der Blinddarm.
  • Eine Patientin wird morgens von ihrer Katze gebissen. Abends schmerzt die Wunde stark, und Fieber kommt dazu. Das Zentralklinikum ist 45 Minuten entfernt. Es fährt kein öffentlicher Personennahverkehr mehr, der Ehemann hat bereits drei Bier getrunken und möchte nicht mehr fahren. Am nächsten Morgen ist die Patientin bewusstlos im septischen Schock. Sie hat eine schwere Blutvergiftung.

Oft sind es ganz alltägliche Unfälle und Erkrankungen, die lebensgefährlich werden. In den geschilderten Fällen ist glasklar: Ein wohnortnahes Krankenhaus hätte die Gefahr abwenden können.
Ambulante Alternativen helfen hier nicht weiter. Sepsis, Koma oder Gasbrand können die Folge ganz alltäglicher Missgeschicke sein, zum Beispiel ein Sturz von der Treppe, ein Fahrradunfall oder eine kleine Verletzung.
All diese Fälle eint, dass eine sofortige Versorgung unabdingbar ist.
Auch bei einem Herzinfarkt muss die Erstversorgung unverzüglich erfolgen und nicht erst in einigen Stunden, nach langer Fahrt zum Zentralkrankenhaus. Das alles kann eine wohnortnahe ambulante Einrichtung nicht leisten.
Denn sie ist eben nicht 24 Stunden erreichbar und mit allen notwendigen Geräten ausgestattet.

lauterbach

lauterbach

Trotzdem wollen Gesundheitsminister Lauterbach, seine Regierungskommission und Lobbyorganisationen wie die Münch-Stiftung uns weismachen, dass Ambulantisierung die Lösung für alle Probleme sei.
Tatsächlich aber führen die Vorschläge der Kommission zum Abbau der Kapazitäten: Die Krankenhäuser sollen weniger Geld bekommen, damit sie gezwungen sind, das Personal zu reduzieren.
Lauterbach hält 25 Prozent aller heutigen stationären Behandlungen für ambulant leistbar. Die geplanten Streichungen werden vor allem die schon jetzt unter Finanznot leidenden ländlichen Krankenhäuser der Allgemeinversorgung treffen. Auch Geburtskliniken und Kinderstationen sollen ausgedünnt werden. Die Schließungslobby strebt an, Geburtsstationen an Zentralkliniken zu konzentrieren, die auch über eine Frühgeborenenstation verfügen.

Für uns heißt es daher jetzt: Wir müssen die Öffentlichkeit aufrütteln.
Es darf nicht sein, dass Lauterbach und seine Regierungskommission die menschenverachtende Krankenhauspolitik fortsetzen.

Dazu brauchen wir Sie! Haben Sie auch schlechte Erfahrungen wegen unzureichender Krankenhausversorgung gemacht oder kennen Sie konkrete, aktuelle Beispiele aus Ihrem Umfeld, wo Menschenleben in Gefahr waren, weil die Gesundheitsversorgung nicht funktioniert?
Dann schreiben Sie uns. Wir sammeln die Fälle und stellen sie anonymisiert in einem bundesweiten Ticker der Presse zur Verfügung.
Außerdem veröffentlichen wir sie in den sozialen Medien, denn die Folgen der verantwortungslosen Politik von Lauterbach und seinen MinisterkollegInnen in den Ländern müssen bekannt werden.

Schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Ticker Krankenhaus-Kahlschlag“ an info@gemeingut.org

Beschreiben Sie, wie und wo der Vorfall stattgefunden hat und warum ein wohnortnahes Krankenhaus oder eine ausreichende Notfallversorgung einen Unterschied gemacht hätte. Geben Sie an, ob wir die Geschichte anonymisiert für unsere Öffentlichkeitsarbeit verwenden dürfen.

Lassen Sie uns Beispiele und Erfahrungen zusammentragen und sie öffentlich machen.
Wir müssen gemeinsam den Protest aufbauen und so auf die Krankenhausreform Einfluss nehmen, sonst wird eine drastische Verringerung der Zahl der Krankenhausstandorte bald gesetzlich vorgeschrieben – eine folgenschwere politische Entscheidung für die nächsten Jahrzehnte.

Freundlich grüßen

Laura Valentukeviciute und Jorinde Schulz
für die Aktiven von GiB

Presseschau (Auswahl)

Pressemitteilungen und Beiträge von GiB und unseren Bündnissen

  1. Oktober: Das Bündnis Klinikrettung veröffentlicht eine neue Studie zur Selbstkostendeckung als alternatives Finanzierungsmodell für die deutschen Krankenhäuser. Damit steht in der Debatte um die Krankenhausreform nun ein konkreter Vorschlag für die Abschaffung der breit kritisierten Finanzierung über Fallpauschalen im Raum.
    Das Bündnis Klinikrettung hat die Studie an Bundesgesundheitsminister Lauterbach und seine Regierungskommission geschickt. https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-veroeffentlicht-studie-zur-selbstkostendeckung-als-alternative-zu-fallpauschalen/
  2. Oktober: Im ARD-Bericht aus Berlin stellt Bundesgesundheitsminister Lauterbach fest: „Wenn wir da nicht schnell und auch wirklich drastisch reagieren, kommt es zu Schließungen.“
    In einer Pressemitteilung fordert das Bündnis Klinikrettung daraufhin schnelle Finanzhilfen vor allem für die ländlichen Allgemeinkrankenhäuser, die Einführung des Selbstkostendeckungsprinzips und die Auflösung der mit der Schließungslobby besetzten Regierungskommission. https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-fordert-abschaffung-der-regierungskommission-und-ein-ende-der-krankenhausschliessungen/
  3. Oktober: Immer wieder ziehen PolitikerInnen und GesundheitsökonomInnen Dänemark mit seiner geringen Krankenhausdichte als Vorzeigebeispiel für eine effiziente Gesundheitsversorgung heran. Ein näherer Blick zeigt jedoch, dass die Krankenhauskonzentration die Gesundheitsversorgung in Dänemark spürbar verschlechtert und kolossale Mehrkosten verursacht hat.
    Denn während unzählige Krankenhäuser geschlossen wurden, verschleppt sich der Neubau versprochener Zentralkrankenhäuser, stellt Jorinde Schulz von GiB in ihrem Beitrag fest. https://www.gemeingut.org/krankenhausreform-in-daenemark-die-unendliche-geschichte-der-superkrankenhaeuser/
  4. Oktober: In Schleswig-Holsteins größtem Kreis droht der Verlust der wohnortnahen stationären Grund- und Regelversorgung, inklusive zentraler Notaufnahme und Geburtshilfe.
    Die Initiative „JA! im Land“ erwirkte einen kreisweiten Bürgerentscheid zur Verhinderung dieser politischen Fehlentscheidung. Termin ist der 6. November.
    In einem Artikel informieren die Initiatoren des Bürgerentscheids über die Situation vor Ort. https://www.gemeingut.org/eckernfoerder-klinik-wird-demontiert-buergerbegehren-am-6-november-2022/
  5. September: Mit einer neuen Veröffentlichung drängt sich die private Stiftung Münch in die aktuelle Debatte um die Krankenhausreform. Die Stiftung regt an, dass ambulante Kliniken, „Überwachungskliniken“ oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) die Krankenhäuser der Allgemeinversorgung ablösen.
    In einer Pressemitteilung analysiert das Bündnis Klinikrettung, dass die Vorschläge weder eine ärztliche Verfügbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche gewährleisten noch eine stationäre Notfallversorgung bieten. https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen-heissen-jetzt-umwandlung/
  6. September: Der Sozialverband VdK Bayern und das Bündnis Klinikrettung übergaben in Berlin mit Unterstützung von GiB 6.540 Unterschriften für den Erhalt der Krankenhäuser im Landkreis Passau an ihren Bundestagsabgeordneten.
    Die BürgerInnen wünschen sich ein Drei-Standorte-Konzept mit Kliniken in Vilshofen, Rotthalmünster und Wegscheid.
    Die Unterschriften überreichte Helmut Dendl, VdK Vorsitzender OV Vilshofen, an Johannes Schätzl, MdB aus dem Landkreis Passau. https://www.gemeingut.org/umstrukturierung-ist-schliessung-menschen-aus-passauer-landkreis-ueberreichen-die-unterschriften/
  7. September: Häufig wird bei Krankenhausschließungen Ersatz in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) versprochen. Doch kann ein solches überhaupt die Funktion einer regionalen medizinischen Grundversorgung erfüllen?
    Eine neue Expertise von Dr. Rainer Neef vom Bündnis Klinikrettung widmet sich der Entstehung und Entwicklung von MVZ, ihren rechtlichen Grundlagen und ihrer Rolle in der Gesundheitsversorgung. https://www.gemeingut.org/kann-ein-mvz-ein-geschlossenes-krankenhaus-ersetzen/
  8. September: Angesichts der hohen Inflation und Energiepreise fordert das Bündnis Klinikrettung in einer Pressemitteilung neben einem Inflationsausgleich für Krankenhäuser vor allem die Einführung der Selbstkostendeckung als Finanzierungsmodell. Andernfalls droht ein Kollaps der Krankenhäuser mit vielen Insolvenzen. Die Selbstkostendeckung würde sowohl die Kosten im Krankenhausbereich senken als auch die Engpässe beim Personal mildern. https://www.gemeingut.org/selbstkostendeckung-rettet-die-krankenhaeuser-vor-inflation-steigenden-energiepreisen-und-personalnot/

Presseberichte über GiB und Bündnisse, in denen GiB aktiv ist

  1. Oktober, junge Welt: In einem Interview erklärt Jorinde Schulz von GiB, warum Lauterbachs Reformpläne für Deutschlands Krankenhäuser den Klinik-Kahlschlag noch verschärfen werden.
    Stattdessen müssen endlich das Gewinnprinzip und die Fallpauschalenfinanzierung in Frage gestellt werden: „Im Moment steuern finanzielle Zwecke fast das gesamte Gesundheitswesen.
    Dazu kommt, dass das System der Fallpauschalen nirgendwo so gnadenlos ist wie in Deutschland.“ https://www.jungewelt.de/artikel/436116.lobbydruck-im-gesundheitssystem-man-muss-die-gewinnabschöpfung-abstellen.html
  2. September, MainPost: In Bad Brückenau erzielt eine Petition vom Bündnis Klinikrettung gegen die Schließung der Notaufnahme im örtlichen Klinikum mehr als 3.000 Unterschriften. (Bezahlschranke) https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/petition-fuer-notaufnahme-an-franz-von-pruemmer-klinik-von-hoffnung-bis-realitaetsverlust-art-10911613
  3. September, Berliner Zeitung: Nach der Schließung der Wenckebach-Klinik ist die Zukunft der Gebäude unsicher. Die Wenckebach-Initiative, Mitglied im Bündnis Klinikrettung, fürchtet deren Übernahme durch Investoren und kämpft weiter: „Wir fordern, dass das Wenckebach-Krankenhaus erhalten und die stationäre Versorgung wieder aufgebaut wird“, so die Aktive Charlotte Rutz-Sperling. https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wenckebach-krankenhaus-vor-dem-aus-doch-wie-geht-es-in-tempelhof-weiter-berlin-rettungsstelle-li.266181

Über entsprechende Einsendungen sowie Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Ralph von aufstehen! hat bereits kommentiert:

KnorkatorDieses „Lied“ von Knorkator eignet sich als Protestsong gegen die Neoliberale Agenda, also auch die angesagten Gesundheitskatastrophen. Es lässt sich sogar singen (also nicht von mir):

https://www.youtube.com/watch?v=6kh5CJ90KAU

Brüllt es auf der Strasse!

Ralph

Jochen

Erhöhung des Mindestlohns: Kein Schutz vor Armut !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein Kommentar des Hauptgeschäftsführers des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider in der jungen Welt:

https://www.jungewelt.de/artikel/334913.kein-schutz-vor-armut.html
Auszüge:

Als 2015 endlich auch in Deutschland ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn eingeführt wurde, war dies ein Fortschritt, der keinesfalls kleingeredet werden darf. Dies sorgte für eine gewisse Hygiene auf dem Arbeitsmarkt.
Ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen wurde eine Grenze gezogen.
Ein weiteres Signal: Wenn es auch die vornehmste Aufgabe der Tarifpartner ist, sich auf Löhne und damit auch auf Mindestlöhne zu verständigen, findet dieser Vorrang dort ein Ende, wo es die Tarifautonomie offensichtlich nicht vermag, derlei Ausbeutung zu verhindern und arbeitende Menschen vor Armut zu schützen.

Die Einführung des Mindestlohnes war ein Meilenstein, zweifellos. Warum man jedoch nicht von einem historischen Ereignis sprechen mag, liegt in seiner Höhe begründet.
Eine wirklich rationale und stichhaltige Begründung für die 8,50 Euro, mit der der Mindestlohn im Januar 2015 startete, gab es nicht.
Es dürften vor allem die massiven Einschüchterungen von Unternehmern und der neoliberalen Professorenschaft gewesen sein, die zu diesem Betrag führten, der zwar die schlimmsten Hungerlöhne unterband, gleichwohl jedoch armutspolitisch so gut wie keinerlei Bedeutung hatte. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wer Vollzeit für einen Mindestlohn arbeitet, schafft es zwar, die EU-Armutsgrenze knapp zu überspringen. Doch nur dann, wenn er keine Kinder durchzubringen hat.
Ansonsten schützt auch der Mindestlohn nicht vor der Armut seiner Familie. Für Menschen, die ohnehin nicht Vollzeit arbeiten können, sei es weil sie gesundheitlich eingeschränkt oder alleinerziehend sind, bewahrt der Mindestlohn nicht einmal vor Hartz IV mit seinem Sanktionierungsapparat.

Kaum eingeführt, ist es also an der Zeit, den Mindestlohn so auszugestalten, dass er auch armutspolitisch eine Bedeutung bekommt. Die Messlatte dafür muss sein, ob Menschen, die ein Berufsleben lang sozialversicherungspflichtig und voll erwerbstätig für einen Mindestlohn gearbeitet haben, im Alter mit ihren Rentenansprüchen vor Armut geschützt sind.
Nach jüngsten Aussagen des Arbeitsministeriums müsste der Mindestlohn derzeit 12,63 Euro betragen, um dies zu bewirken. Damit ist klar, wo die Latte aufzulegen ist.
Das allein wird wiederum nicht reichen: Der Mindestlohn ist mit einem Kinderleistungsausgleich zu flankieren, der Bezieher in die Lage versetzt, mit ihren Familien über den Monat zu kommen.
Eine echte Kindergrundsicherung muss her, die bei einkommensschwachen Haushalten das Existenzminimum der Kinder in voller Höhe abdeckt.
Notwendig ist eine Infrastruktur für Familien, die auch mit wenig Geld Bildung und Teilhabe ohne Diskriminierung und ohne Stigmatisierung sicherstellt. Es wird damit gewährleistet, dass der Mindestlohn seinen Beitrag leisten kann, diese Gesellschaft wieder stärker zusammenzuführen und mehr Chancengerechtigkeit*) herzustellen.

»Mangellohn«

Kritisch zeigte sich am Dienstag auch die Bundestagsfraktion der Linkspartei https://www.jungewelt.de/artikel/334898.komanagement-in-aktion.html. »Trotz der geplanten Erhöhung bleibt der Mindestlohn ein Mangellohn«, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Susanne Ferschl. Der Mindestlohn sei von Anfang an zu niedrig angesetzt gewesen, und »die Regeln für die Anhebung sorgen dafür, dass er es auch bleibt.« Er beseitige weder Erwerbs- noch Altersarmut, sondern zementiere sie. Das sei kein ­Konstruktionsfehler, sondern politisch gewollt. Ferschl wies darauf hin, dass der geringe Mindestlohn in Deutschland das Lohnniveau in ganz Europa drücke und die Konkurrenz unter den Beschäftigten verschärfe. Der Mindestlohn sei ein Baustein in »Europas größtem Niedriglohnsektor«. Sie unterstrich die Forderung ihrer Partei, den gesetzlichen Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro zu erhöhen und sämtliche Ausnahmeregelungen abzuschaffen.

Auch die Landesvorsitzende der hessischen Linkspartei, Heidemarie Scheuch-Paschkewitz, erhob diese Forderung. Zwölf Euro pro Stunde seien nötig, um den Niedriglohnsektor endlich auszutrocknen. Wer den Mindestlohn auf dem jetzigen Niveau belasse, nehme »Altersarmut bewusst in Kauf, selbst bei Menschen, die ihr Leben lang in Erwerbsarbeit sind«. Man darf gespannt sein, ob Ferschl und Scheuch-Paschkewitz mit diesem Standpunkt Körzell und andere Freunde der »wirtschaftlichen Gesamtabwägung« in den Gewerkschaftsvorständen beeindrucken.

* Achtung: der Begriff „Chancengerechtigkeit“ enstammt selbst dem neoliberalen Vokabular.
Die Millionäre würden es sehr ungerecht finden, wenn sie sich z.B. die besseren Chancen für die Bildung ihrer Kinder nicht mehr kaufen könnten, sei es durch eine auskömmliche Investition in gesellschaftliche Grundleistungen der Daseinsvorsorge entgegen der Privatisierung, sei es durch eine entsprechende Besteuerung, oder beides.
Solange man sich von denen ein schlechtes Gewissen machen läst, kommt eben dieser erbärmliche Mindestlohn zu Stande.
Bevor dieser Begriff vor ca. 30 Jahren mit viel Meinungsmache eingeführt wurde, forderten Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und andere Linke mal ChancenGLEICHHEIT.
Ich denke, wir sollten diesen Begriff wieder beleben.

 

Jochen

Von der Selbst- zur Fremdverwaltung – Zu Privatisierung und Re-Kommunalisierung in den Kommunen – Vortrag von W.Rügemer

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Erstveröffentlichung hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22792

DSC_0046Beim „Arbeitnehmerempfang“ der Stadt Pforzheim (Motto: „Gewerkschaft trifft Politik“) am 29.4.2016 hielt Werner Rügemer auf Einladung des Oberbürgermeisters Gert Hager und des Landrats des Enzkreises Karl Röckinger den folgenden Vortrag.
Das offizielle Thema lautete:

„Zwischen Privatisierung und Re-Kommunalisierung – die kommunale Leistungserbringung“

Die Stadt Pforzheim ist „führend“ bei der Privatisierung der kommunalen Infrastruktur. Anfang 2016 beschloss der Gemeinderat die Übertragung des öffentlichen Nahverkehrs an eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG, zunächst für 10 Jahre. Die städtische Verkehrsgesellschaft SVP wird aufgelöst, die 240 SVP-Beschäftigten werden gekündigt.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich hoffe, Sie sind nicht über die bürokratische Sprache im Titel meines Vortrages gestolpert. Es geht um eine zentrale Frage für Bürgerinnen und Bürger, für Alt und Jung, es geht um die Sicherheit des alltäglichen Lebens, um günstige Wohnungen, ordentliche Schulen, sauberes Trinkwasser und funktionierende Abwasserentsorgung, um anregende Kultur, günstigen Nahverkehr, bezahlbare Energieversorgung, sichere Straßen, offene Freizeit- und Sportanlagen, ja auch um eine freundliche und schnelle Verwaltung und noch einiges mehr, und nicht zuletzt um gewählte Stadt- und Gemeinderäte, die Bürgerinteressen vertreten und nicht vor sich hinmauscheln. Das ist schon eine Menge. Das ist ein Kernbestand jeder Demokratie.

Wie es den Kommunen geht, auch daran zeigt sich der demokratische Zustand einer Gesellschaft. Bekanntlich haben die Gemeinden in Deutschland nach dem Grundgesetz von 1949, Artikel 28 die Garantie für gemeindliche Selbstverwaltung. So ähnlich wurde es auch für die Landesverfassungen beschlossen. Da gilt das Universalitätsprinzip, das heißt Allzuständigkeit. Die Gemeinden haben sogar das Aufgabenfindungsrecht, das heißt sie können im Interesse der Bürger auch neue Aufgaben übernehmen.

Das klingt gut. Aber wie ist die Realität? Aus der Selbstverwaltung ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland weithin eine Fremdverwaltung geworden. Diese Entwicklung wurde nach der deutschen Wiedervereinigung wesentlich beschleunigt. Und diese Entwicklung ist noch immer nicht zu Ende.

In Pforzheim sind Sie gegenwärtig schon wieder in einem solchen Übergang von der Selbst- zur Fremdverwaltung. Wie wird es mit dem öffentlichen Nahverkehr in Pforzheim weitergehen? Was wird mit den bisherigen Angestellten des gemeindlichen Unternehmens Stadtverkehr Pforzheim, SVP? Und wie werden die Fahrpreise und Transportleistungen durch das neue private Unternehmen gestaltet werden, auch auf mittlere und längere Sicht?

 Kommune: Kernbestand der Demokratie

Aber kommen wir erstmal zurück zu dem, was eine Kommune, eine Gemeinde ist oder sein soll. Sie soll ein Kernbestand der Demokratie sein. „In der Gemeinde fängt die Demokratie an“, verkündete der erste Kanzler der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer. Daran hat sich dieser autoritäre Knochen nicht unbedingt gehalten. Außerdem musste er den westlichen Siegermächten gehorchen. Aber sein Satz war gut.

Die Demokratie in den Gemeinden geht auf Kämpfe zurück, die in der Geschichte ausgefochten werden mussten, nicht im Himmel der Theorie und der Wünsche, sondern auf der Erde in Deutschland. Immer wieder wurde die kommunale Selbstverwaltung abgeschafft – im finsteren wie dann auch im etwas helleren Mittelalter, durch die Feudalherrschaft. Einzelne Städte konnten sich teilweise daraus befreien, aber nie nachhaltig. Durch demokratische Bewegungen und besonders gefördert durch die französische Revolution wurden die Gemeinden wieder freier, sogar zeitweise auch in den Monarchien von Preußen und Bayern. Ein kräftiger Schub in Deutschland kam durch die bürgerliche Revolution von 1848/1849. Das schlug sich in der Verfassung der Paulskirche nieder, dann auch wieder in der Weimarer Verfassung. Davor musste aber erst das wilhelminische Kaiserreich abgeschafft werden. Dann erst war eine demokratische Ordnung möglich, mit selbstverwalteten Gemeinden.

Die Nazis gingen besonders antidemokratisch mit den Gemeinden um. Sofort im Februar 1933 ließ Innenminister Hermann Göring alle Gemeindevertretungen zwangsweise auflösen. Wer dem nicht folgte, wurde vertrieben oder verhaftet. Alle Parteien wurden aufgelöst beziehungsweise verboten. Es blieb nur noch die NSDAP übrig. Das Gesetz zur Gemeindeverfassung von 1933 schaffte alle kommunalen Wahlen ab. Die Bürgermeister spielten nach dem Führerprinzip den Gemeindeleiter, er wurde nicht von den Bürgern gewählt, sondern von der NSDAP beziehungsweise von den Gauleitern und den Regierungspräsidenten ernannt, und zwar auf 12 Jahre, wie im wilhelminischen Kaiserreich. In wichtigen Fälle wie in Köln griff Göring aus Berlin ein: Da durfte nicht der örtliche Gauleiter Oberbürgermeister werden, sondern ein katholischer Bankier, damit das gehobene Bürgertum mitzog.

Der Gemeindeleiter fällte seine Entscheidungen ohne Gemeinderat und in vollkommener Intransparenz. Auch die „Ratsherren“ wurden nicht gewählt, sie wurden ebenso ohne Wahl ernannt, nannten sich aber weiter Ratsherren. Und natürlich waren es fast ausnahmslos Herren. Sie besetzten auch die lukrativen Posten in den Vorständen und Aufsichtsräten der Stadtwerke und der Wohnungsgenossenschaften. Die Gemeinden wurden vom Zentralstaat gelenkt.

Die Nazis legten übrigens im Jahressteuergesetz 1933 fest, dass Schmiergelder von Unternehmen als steuerbegünstigte Betriebsausgaben anerkannt wurden. So kamen zum Beispiel Bau- und andere Unternehmer ganz „unbürokratisch“ auch an ihre kommunalen Aufträge. Und die Gemeindeleiter und hohen Beamten hatten ihren heimlichen Nebenverdienst.
Wissen Sie übrigens, wann die Steuerbegünstigung für Schmiergelder aufgehoben wurde? Das war nicht nach dem Ende der Nazizeit. Die Adenauer-Regierungen behielten das bei, auch die Nachfolgeregierungen bis 1999 betrachteten die sogenannten „nützlichen Ausgaben“ als steuerfreie Wirtschaftsförderung nicht nur im als korrupt verschrienen Ausland, sondern auch in der Bundesrepublik selbst. Erst durch öffentlichen und internationalen Druck beendete die rot-grüne Bundesregierung 1999 diesen skandalösen Zustand. Bekanntlich wurden in vielen deutschen Städten, in Nordrhein-Westfalen wie in Baden-Württemberg, während der 1990er Jahre private Müllverbrennungsöfen durch die Bestechung von Kommunalpolitikern angeschoben, zum Beispiel.

Kommunale Selbstverwaltung schrittweise ausgehöhlt

Die im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung wurde seit der deutschen Vereinigung schrittweise ausgehöhlt. Das geschah und geschieht in den unterschiedlichsten Formen. In den 1990er Jahren begann es mit der Privatisierung öffentlichen Eigentums. Diese Entwicklung wurde durch die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP eingeleitet und nicht nur auf der Bundesebene praktiziert, etwa bei der Post, sondern auch auf der Landesebene und in den Gemeinden. Die private Müllentsorgung habe ich schon genannt. Sie wird ja bis heute praktiziert. In der Regel liegt sie in der Hand der großen Strom- und Energiekonzerne.

Diese Konzerne stiegen aber auch auf andere Weise in die Gemeinden ein und kauften zum Beispiel Anteile an den Stadtwerken. Als Miteigentümer der städtischen Unternehmen für Strom, Fernwärme und Gas konnten die Konzerne gleichzeitig über die Preise der von ihnen gelieferten Energie mitbestimmen. Und gleichzeitig geben die Gemeinden einen Teil ihrer Stadtwerksgewinne an diese Konzerne ab, und zwar dauerhaft. Auch deshalb wachsen die kommunalen Schulden und auch deshalb wird die kommunale Selbstverwaltung unterhöhlt.

Wahrscheinlich erinnern sich einige von Ihnen an das sogenannte Cross Border Leasing. Da haben in allen Bundesländern Städte ihre Kanalisationen, Kraftwerke, Trinkwasseranlagen, Messehallen und andere Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur an Investoren in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft, und zwar teilweise für 100 Jahre und wieder zurückgemietet. Das ließen sich die Gemeinden von sogenannten renommierten Banken wie der Deutschen Bank, der United Bank of Switzerland und auch Landesbanken aufschwatzen. Die Investoren hatten schon damals ihren juristischen Sitz zwar nicht in Panama, aber in der größten Finanzoase der Welt, im US-Bundesstaat Delaware – keine Bundesregierung, keine nordrhein-westfälische Landesregierung und kein schwäbischer Bürgermeister haben sich daran gestört. In Baden-Württemberg etwa war Daimler Financial Services besonders aktiv, die Finanztochter des Autokonzerns Daimler. Da fielen so manche Bürgermeister und Gemeinderäte auf die versprochenen „Barwertvorteile“ von ein paar Millionen DM herein, die am Anfang ausgezahlt wurden. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen und Landeswasserverbände war eingeschränkt, etwa bei der Bewilligung von Bauland. Die Auflösung dieser dubiosen Verträge hat in manchen Städten zur zusätzlichen Verschuldung beigetragen – statt Schulden abzubauen, wie versprochen worden war.

 Public Private Partnership – Finanzieller Irrsinn

Ein noch wesentlich schädlicheres Finanzinstrument hat die Bundesregierung aus SPD und Grünen Anfang der 2000er Jahre nach Deutschland gebracht. Es wurde aus der Finanzoase London in Großbritannien abgekupfert. Es heißt Public Private Partnership, PPP, Öffentlich-private Partnerschaft. Aber das ist keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Die meist 30 Jahre lang laufenden Mietverträge für Schulen, Rathäuser und andere öffentliche Gebäude sollen die klammen städtischen Haushalte entlasten. Der juristischen Form nach nehmen die Gemeinden keinen Kredit auf, sie sollen ja die schwarze Null einhalten oder erreichen. Aber die Erfahrungen zeigen, dass diese Verträge in der Mehrheit zulasten der Gemeinden gehen. Pleiten der beauftragten Subunternehmen führen zu Mehrkosten ebenso wie häufige Nachforderungen der Generalunternehmer. Das ist eigentlich ein finanzieller Irrsinn, gerade heute, wo die öffentliche Hand so günstig wie nie Kredite bekommt, während auch der cleverste Investor wesentlich mehr Zinsen für seine PPP-Kredite bezahlen muss. Diese jahrzehntelang überhöhten Zinsen gehen ebenfalls in die Mieten ein, die die Gemeinden zwei bis drei Jahrzehnte zahlen müssen. Wie soll kommunale Selbstverwaltung unter solchen jahrzehntelang bindenden Verträgen möglich sein? (1)

Auch in dieser Stadt, so habe ich gehört, haben sich Bürgermeister und Bürgermeisterinnen an Zinswetten etwa der Deutschen Bank und der Bank J.P. Morgan beteiligt. Die Risiken waren nicht überschaubar. Da werden seitdem jahrelange Gerichtsverfahren geführt, die Zeit und Geld kosten und ebenfalls in so mancher Stadt zu zusätzlicher Verschuldung führen. Aber von diesen vergleichsweise kleinen Sünden am Rande will ich gar nicht reden.

Da bahnte sich jedenfalls ein Ende der kommunalen Selbstverwaltung an, und das Ende ist noch gar nicht in Sicht, wenn es so weitergeht. Bei den genannten Privatisierungen, den Stadtwerksverkäufen, dem Cross Border Leasing, den PPP-Verträgen und den diversen Spekulationsgeschäften spielen private Beratungsfirmen überall eine entscheidende Rolle. Die Gemeinden und auch ihre überregionalen und bundesweiten Zusammenschlüsse wie der Deutsche Städtetag haben es bis heute nicht geschafft, sich die notwendigen Kompetenzen im Umgang mit neuen Finanzprodukten und gewieften Investoren zu verschaffen.

Ich habe gehört, dass auch bei den beiden Entscheidungen, den Stadtverkehr Pforzheim damals vor einigen Jahren an den Energiekonzern Veolia und jetzt an eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG zu vergeben, nicht nur eine Beratungsfirma bezahlt wurde, sondern mindestens drei.

Die Abhängigkeit von gut honorierten privaten Beratern ist zum Dauerzustand geworden, von der Bundesregierung angefangen über die Landesregierungen und in großem Umfang in den Gemeinden. Die Berater sind selbst gewinnorientierte Unternehmen, und sie nutzen die geringen Kenntnisse in den öffentlichen Verwaltungen und bei den ehrenamtlichen Bürgervertretern aus. Der Vorteil für die Gemeinden ist, so meine Erfahrung, für die öffentliche Hand auf die Dauer und im Durchschnitt sehr zweifelhaft. Die Berater verdienen gut an der Verschuldung der Gemeinden, und die Verschuldung ist nach einigen Jahren noch höher als zuvor.

 Steuerschlupflöcher für Vermögende

Eigentlich wird, wie schon erwähnt, die kommunale Selbstverwaltung durch das Grundgesetz garantiert. Aber diese Garantie wird gerade durch den immer stärker ausgebauten Zentralstaat nicht mehr praktiziert, im Gegenteil. Die Bundesregierungen und ihre parlamentarischen Mehrheiten in Berlin lassen großflächige Steuerflucht für inländische ebenso wie für ausländische Konzerne zu. Steuerschlupflöcher für Vermögende, wie sie etwa der hier sowieso sehr nahe Nachbarstaat Schweiz dauerhaft bietet, werden auch von der gegenwärtigen Bundesregierung und ihrem schwäbischen Finanzminister nicht geschlossen. Im Gegenteil, er schützt sie verbissen, genauso wie bei Luxemburg und jetzt Panama, zum Nachteil auch der Gemeinden.
Wenn sich die Bundeskanzlerin wie die „schwäbische Hausfrau“ verhalten würde, wie sie behauptet, dann hätte sie ihren Finanzminister längst nachhause schicken müssen.

Überall müssen die Bürger Mehrwertsteuer bezahlen, und diese Steuer wurde immer weiter erhöht, schneller als alle anderen Steuern. Aber warum erhebt der Staat zum Beispiel auf Aktien- und Wertpapierkäufe und –Verkäufe überhaupt keine Mehrwertsteuer? Auf Autobenzin ja, aber nicht auf Flugbenzin? Das ist eine systemwidrige Ungleichbehandlung. Und es gibt überhaupt keinen Sinn, die heute rein spekulativen Börsengeschäfte, an denen sowieso nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung sich beteiligt, solcherart zu bevorzugen. Was meinen Sie, wieviele Milliarden Euro der Staat da jährlich an die Falschen verschenkt? Und die Gemeinden schauen in die leere Röhre.

Leider ist die Liste der Maßnahmen noch nicht zu Ende, mit denen die Selbstverwaltung der Gemeinden weiter ausgehöhlt wird. Das neue Personen-Beförderungsgesetz von 2013 haben Sie bei der damit erzwungenen Vergabe des Stadtverkehrs Pforzheim schon zu spüren bekommen.

 CETA: Rückfall hinter Europäische Wasser-Richtlinie

Aber nun sollen noch mehr internationale private Investoren, Berater und Dienstleister zum Zuge kommen, noch mehr als bisher schon möglich. Sie werden die gegenwärtig hinter verschlossenen Türen verhandelten Freihandelsverträge mitverfolgt haben. Ständig werden in den Medien und Regierungserklärungen Abkürzungen wie CETA und TTIP genannt. TISA gehört auch zu dieser Art. TISA steht für Trade in Services Agreement, also Handel mit Dienstleistungen. Da geht es ganz gezielt um die bisher noch öffentlichen Dienstleistungen, die für transatlantische Investoren geöffnet werden sollen.

Bekanntlich ist der Freihandelsvertrag CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada zu Ende verhandelt. Im Internet können Sie die 1.650 Seiten nachlesen. Eine deutschsprachige Fassung hält die Bundesregierung zur Unterrichtung der Abgeordneten und der Bürger übrigens nicht für nötig. So können Sie sich, wenn Sie das trickreiche Handelsenglisch gut beherrschen und sich mal zwei Wochen Urlaub nehmen und sich mit einigen Fachbüchern und Lexika zum Studium zurückziehen, genauer kundig machen.

Aber wir haben Glück. Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft AöW hat sich aus eigenem Interesse mal die CETA-Kapitel zu Trinkwasser und Abwasser genauer vorgenommen. Die Experten der deutschen Wasserwerke haben herausgefunden: CETA fällt hinter die Europäische Wasser-Richtlinie zurück. Privatisierung in den Kommunen soll möglich sein, jedenfalls in bestimmten Teilbereichen. Und eine Re-Kommunalisierung wäre nicht möglich. Die Sonderrechte insbesondere für ausländische Investoren können in die kommunalen Rechte des Anschluss- und Benutzungszwangs, der Gebührenfestsetzung, der Festlegung von Wasserschutzgebieten, der Wegenutzung, der Wasserentnahme und Wassereinleitung eingreifen. Investoren könnten der interkommunalen Zusammenarbeit Grenzen setzen. (2)

Meine Aufzählung ist, wie Sie schon vermuten, keineswegs vollständig. Zum Beispiel von den Kosten für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen habe ich hier gar nicht erst gesprochen. 

Kommunale Selbstverwaltung zu schädlicher Fremdverwaltung geworden

 Jedenfalls, die kommunale Selbstverwaltung ist über weite Strecken zu einer für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger schädlichen Fremdverwaltung geworden. Können Bürgerinnen und Bürger dagegen etwas tun?

Ich hoffe, mit vielen anderen, dass das möglich ist. Es war ja schon in der Vergangenheit möglich. Bürgerinitiativen haben zumindest einige Privatisierungen und einige Cross Border Leasing und Public Private Partnership-Verträge verhindert. Vielleicht waren Sie aus Pforzheim ja schon bei einer der vielen kleinen und auch der großen Aktionen gegen das Freihandelsabkommen TTIP dabei?

Und vielleicht kennen Sie Initiativen aus dem bürgerschaftlichen und politischen Raum, die die große Steuerflucht verhindern wollen, die die Vermögensteuer wieder einführen wollen, die den Handel mit Aktien und anderen Wertpapieren endlich mit der Mehrwertsteuer belegen wollen und dergleichen? Überall auf diesen Gebieten regt es sich, auch wenn Sie das in Ihren beiden Lokalzeitungen und in der Tagesschau und im heute-journal noch nicht lesen und sehen können.

Wie es mit der Demokratie überhaupt und auch mit der kommunalen Selbstverwaltung ist: Sie musste immer erkämpft und dann gesichert werden. Wir sind wieder an einem solchen Punkt in der Geschichte angekommen, eigentlich schon länger. Aber jetzt bemerken das mehr Menschen als bisher.

Vor einer Woche haben sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und gewählte Vertreter und Initiativen aus 40 Städten und Landkreisen Europas in Barcelona getroffen. Aus Spanien, Frankreich, Österreich, Großbritannien, den Niederlanden und Belgien und auch aus Deutschland war man dabei. Vertreten waren auch die Großstädte Barcelona, Madrid, Birmingham, Wien, Grenoble und Köln. Es gibt übrigens schon 1.600 Gemeinden in der Europäischen Union, die sich per Gemeinde- und Stadtratsbeschluss für TTIP-frei erklärt haben.

Bei dem Treffen in Barcelona wurde erklärt: „Die Kommunen sind nicht nur von den intransparenten Verhandlungen völlig ausgeschlossen, die Abkommen schränken auch ihr demokratisches Selbstbestimmungsrecht massiv ein. Durch den verstärkten Privatisierungsdruck gefährden die Abkommen die öffentliche Daseinsvorsorge wie Wohnen, Gesundheit, Umwelt, soziale Dienste, Bildung, die lokale wirtschaftliche Entwicklung und Ernährungssicherheit.“ Die in Barcelona anwesenden Vertreter aus Brüssel und Grenoble haben sich bereit erklärt, die nächste Versammlung der europäischen Gemeinden auszurichten. (3)

Hoffentlich können Sie Ihren Kindern und Enkeln sagen: Ja, ich habe mich gewehrt. Ja, ich bin aktiv geworden.
Oder: ich hatte zwar keine Zeit, ich musste arbeiten und noch meinen Zweitjob machen und eine neue Stelle als Busfahrer suchen und den Haushalt und die Kinder versorgen – aber ich habe diejenigen unterstützt, die aktiv sein konnten.

Ich hoffe, dass ich Sie auf diesem Wege ermutigen kann. Sie werden feststellen, dass Sie nicht alleine sind.
Schauen Sie sich um.

Fussnoten:

1 Werner Rügemer: „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments, Bielefeld 2012. Siehe auch www.gemeingut.org

2 AöW: Wasserwirtschaft im Sog des Freihandels – CETA, Positionspapier, Berlin April 2016, S. 5

3 Attac Deutschland: TTIP-freie Kommunen in der EU formieren sich – Konferenz in Barcelona als Startschuss, Pressemitteilung 24.4.2016

Jochen

Obama und Merkel kommen – wir zeigen es denen: TTIP&CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel!

Aufruf zur überregionalen Demonstration am 23. April 2016 in HannoverTTIP-CETA2016

Die Hannover Messe 2016 wird zusammen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama eröffnet: Ihr Ziel ist es, die TTIP-Verhandlungen gemeinsam voranzubringen.

Doch das Handels-und Investitionsabkommen der EU mit den USA droht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.

Ebenfalls in diesem Jahr will die Europäische Kommission das CETA-Abkommen mit Kanada dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Ratifizierung vorlegen. Es dient als Blaupause für TTIP. Schon mit ihm könnten Großunternehmen über kanadische Tochtergesellschaften EU-Mitgliedsstaaten auf Schadensersatz verklagen, wenn neue Gesetze ihre Profite schmälern.

Dagegen tragen wir unseren Protest auf die Straße! Getragen von einem breiten Bündnis demonstrieren wir mit zehntausenden Menschen am Samstag, den 23. April in Hannover – unmittelbar vor dem Besuch Obamas.

Dabei sind wir Teil einer transnationalen Protestbewegung: Auf beiden Seiten des Atlantiks streiten wir zusammen mit unseren Freund/innen und Partner/innen in Kanada und USA gegen Abkommen, die vor allem mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppen dienen. Hier wie dort treten wir für eine Handels-und Investitionspolitik ein, die auf hohen ökologischen und sozialen Standards beruht und nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördert. Sie muss insbesondere

  • Demokratie und Rechtsstaat fördern sowie die Gestaltungsmöglichkeiten von Staaten, Ländern und Kommunen für die Zukunft sichern,
  • nationale wie internationale Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt stärken sowie
  • die Entwicklung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung fördern.

Wir brauchen soziale und ökologische Leitplanken für die Globalisierung. Doch TTIP und CETA gehen in die falsche Richtung: Der „Wert“ des Freihandels wird über die Werte ökologischer und sozialer Regeln gestellt. Sonderklagerechte für Investoren gefährden parlamentarische Handlungsfreiheiten.

Beide Abkommen setzen öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen und Daseinsvorsorge, kulturelle Vielfalt und Bildungsangebote unter Druck. Sie ziehen die falschen Lehren aus der Finanzkrise, stärken transnationale Konzerne und schwächen kleine und mittelständische Unternehmen, auch in der Landwirtschaft. TTIP und CETA grenzen die Länder des globalen Südens aus, statt zur Lösung globaler Probleme wie Hunger, Klimawandel und Verteilungsungerechtigkeit beizutragen.

Wir treten daher für internationale Abkommen ein, die

  • Umwelt-, Sozial-, Daten-und Verbraucherschutzstandards erhöhen statt sie zu senken oder auszuhebeln;
  • Arbeitsstandards wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festschreiben statt sie auszuhöhlen;
  • öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen und Daseinsvorsorge stärken statt sie zu schwächen;
  • kulturelle Vielfalt und öffentliche Bildungsangebote fördern statt sie als Handelshemmnis zu betrachten;
  • bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft sowie artgerechte Tierhaltung voranbringen statt Gentechnik und industrielle Landwirtschaft zu fördern;
  • die Macht von Konzernen und Finanzmarkt-Akteuren begrenzen statt sie zu vergrößern;
  • global ausgerichtet sind statt die Mehrheit der Menschen auszugrenzen und
  • transparent und offen verhandelt werden statt geheim und in Hinterzimmern.

 

Hierfür gehen wir am Samstag, den 23. April in Hannover auf die Straße – Demonstrieren Sie mit!

Der Aufruf kann hier unterzeichnet werden:

http://ttip-demo.de/home/aufruf/aufruf-unterzeichnen/

Frohe Feiertage mit mineralölfreien Schokoladenosterhasen

Euer Jochen

TTIP-Propaganda auf unsere Kosten – Will Sigmar Gabriel uns für dumm verkaufen?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das bezahlen wir natürlich aus unseren Steuergeldern.
Und es machen sich sicher schon eine Menge SPD-Genossen Hoffnung auf die zahlreichen Verwaltungsposten, die so ein Abkommen mit sich bringt.
Mit ehrlicher Arbeit will von denen kaum jemand Geld verdienen.
Hier Jens Berger auf den NachDenkSeiten:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=25356

Dass Sigmar Gabriel ein großer Freund des Freihandelsabkommens TTIP ist, ist bekannt. Bekannt ist auch, dass TTIP zwar bei den großen Konzernen dies- und jenseits des Atlantiks sehr beliebt ist, die Menschen das Abkommen jedoch mehrheitlich ablehnen. Das gilt auch für die Wähler der SPD und deren Parteibasis.
Anstatt ernsthaft auf die Kritik an TTIP einzugehen, wählt Gabriel jedoch lieber die Vorwärtsverteidigung. Nun trommelt er sogar schon in einem Gastartikel mit dem Titel „5 Gründe, warum TTIP gut für uns ist“ in der BILD mit Allgemeinplätzen und Verdrehungen für TTIP.
Offenbar hält Sigmar Gabriel „sein Volk“ für unterbelichtet. Anders ist seine skurrile PR-Offensive für Freihandelsabkommen kaum zu verstehen.
Von Jens Berger.

Wenn Sigmar Gabriel über TTIP spricht und schreibt, dann geht es streng genommen nie um TTIP. Wer nicht weiß, was TTIP ist oder welche Inhalte überhaupt im Rahmen der TTIP-Verträge verhandelt werden sollen, erfährt dies vom Wirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzenden auch nicht. Stattdessen wirft Gabriel in stetiger Regelmäßigkeit mit Allgemeinplätzen um sich und baut rhetorische Strohmänner, auf die er dann mit Vorliebe eindrischt. Beispiel gefällig?

Europa und die USA sind die größten Handelsräume der Welt. Und gerade Deutschland lebt vom Export – ein Viertel unserer Arbeitsplätze hängt davon ab!

Sigmar Gabriel in der BILD

Obgleich es überfällig wäre, die deutsche Exportfixierung einmal unter die Lupe zu nehmen, geht dieses „Argument“ doch ins Leere.
Deutschland ist bereits Exportüberschussweltmeister … ganz ohne TTIP. Und es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass ein Scheitern der TTIP-Verhandlungen mittel- oder langfristig negative Auswirkungen auf die deutschen Exporte hätte.
Die USA sind übrigens auch nicht dumm. Wäre TTIP so konstruiert, dass nur deutsche Exporteure davon profitieren würden, würden die USA ein solches Vertragswerk sicher nicht unterzeichnen.

Auch dies ist jedoch noch nicht einmal der Kern der Kritik an TTIP. TTIP hat nur der Verpackung nach etwas mit dem Außenhandel zu tun.
Im Kern geht es darum, verschiedene Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards in der EU und der USA „anzupassen“ – also zu senken.
Über den Umweg von Freihandelsabkommen werden so vor allem nationale Gesetze außer Kraft gesetzt, die man in einem geordneten demokratischen Verfahren nur durch massiven Popularitätsverlust beim Wähler abschaffen könnte. Darauf geht Gabriel jedoch – wenn wundert es? – in keinem einzigen Satz ein. Stattdessen fokussiert er seien Vorwärtsverteidigung ausschließlich auf den Außenhandel und auch hier argumentiert er unlauter:

Es gibt viele Barrieren gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Zölle und Doppelregulierungen machen den Handel unnötig teuer. Allein die deutsche Autoindustrie muss jedes Jahr eine Milliarde Euro ausgeben, um Autos aus Deutschland in die USA exportieren zu können.

Sigmar Gabriel in der BILD

Eine Milliarde – das hört sich natürlich viel an. Ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass das Exportvolumen in diesem Segment fast 20 Mrd. Euro und die Zollgebühr gerade einmal 2,5% beträgt . Natürlich könnten die USA und die EU ihre Einfuhrzölle auch ganz ohne TTIP abschaffen.
Doch darum geht es nicht. Es geht darum, die „Doppelregulierungen“, wie Gabriel es nennt abzuschaffen. Die machen – laut Gabriels Zahlenbeispiel – noch einmal 2,5% des Preises aus, was aber auch nicht gerade existenzbedrohend viel ist.
Was sind diese „Doppelregulierungen“? Dazu zählen im konkreten Beispiel unterschiedliche Abgasnormen, Crashtest-Verfahren und technische Normen, wie beispielsweise die Farbe der Blinker. Auch dies ließe sich problemlos im Rahmen bilateraler oder internationaler Normenkommissionen aus dem Wege schaffen.

Warum also TTIP? Eins vorweg – Sigmar Gabriel hat nicht ohne Grund das Beispiel Autoindustrie vorgebracht. Dem deutschen Wähler ist wahrscheinlich herzlich egal, wenn in der EU künftig europäische Abgasnormen gelten, dafür in den USA die europäischen Crashtest-Normen und gelbe Blinker vorgeschrieben werden. Das sind Spiegelfechtereien, die nichts mit dem Thema zu tun haben.
Wie sieht es aber mit dem Zugang amerikanischer Finanzunternehmen auf bislang regulierten europäischen Sektoren, wie beispielsweise der öffentlichen Daseinsvorsorge aus? Wie sieht es mit den Sozial- und Arbeitsstandards aus, die ebenfalls eine „Doppelregulierung“ sind? Und vor allem, wie stellt sich der deutsche Wirtschaftsminister die Frage des Investitionsschutzes vor – dem Kernelement von TTIP?
Zu diesen Punkten gibt sich Gabriel wie üblich wortkarg.

Niemand muss Angst vor diesen Freihandelsabkommen haben: Sie werden nicht die Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards in Deutschland oder in Europa absenken.

Sigmar Gabriel in der BILD

Es wäre schön, wenn Sigmar Gabriel für diese Aussage seine Hand ins Feuer legen würde. Er könnte ja – um Zweifler zu besänftigen – seine politische Zukunft davon abhängig machen. Warum sagt er nicht: „Wenn durch die Freihandelsabkommen die Sozial-, Umwelt oder Verbraucherschutzstandards in Deutschland oder Europa abgesenkt werden, trete ich mit sofortiger Wirkungen von allen meinen Ämtern zurück“.
Das werden wir aber nicht hören, da es sich bei diesem Satz um eine glatte Lüge handelt.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold hat im Internet eine kommentierte Version des TTIP-Mandats der EU veröffentlicht. Bereits in diesem als geheim eingestuften Dokument gibt es zahlreiche Punkte, die darauf hinweisen, dass TTIP keinesfalls die jeweils strengeren Standards anpeilt.
Ganz im Gegenteil. Aber das ist ja auch nur logisch. Wer „Barrieren“ abbauen will, hat schließlich nicht vor, strengere Standards einzuführen.

Außerdem kann Sigmar Gabriel überhaupt nicht wissen, was im Detail verhandelt wird. Wenn es erst einmal ernst wird, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit neue transatlantische Institutionen, in denen auch die Lobbyisten der Verbände sitzen, die Einzelheiten aushandeln. Und da will Gabriel dem Volk erzählen, dass es in keinem Fall zu einer Absenkung der jetzigen Standards kommen wird? Das ist eine dummdreiste Täuschung der Öffentlichkeit.

Aber was soll man auch von einem Mann erwarten, der seinen Wählern noch nicht einmal reinen Wein einschenkt, wenn es um die Gründe für die geplanten Freihandelsabkommen geht. In Gabriels BILD-Artikel liest sich das folgendermaßen:

Selbst das starke Deutschland wird in ein paar Jahren gegenüber den neuen Riesen in der Welt – China, Indien, Lateinamerika – zu klein sein, um gehört zu werden. Unsere Kinder haben entweder eine europäische Stimme oder keine Stimme in der Welt. Doch selbst als Europäer alleine sind wir zu klein, denn der Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung sinkt.
In China und Indien leben heute 2,6 Milliarden Menschen, 2050 werden es 3 Milliarden sein. In Deutschland schrumpfen wir dagegen von heute 80 Millionen auf dann 75 Millionen. Wenn wir also die Balance in der Welt halten wollen, brauchen wir Partner. Zuallererst die USA.

Sigmar Gabriel in der BILD

Und nun lesen Sie einmal, wie Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung im Dezember 2012 die Entscheidung zum Fiskalpakt begründet hat:

Schauen Sie – wenn ich das einfach noch einmal sagen darf -: Die Welt hat 7 Milliarden Einwohner. Alle möchten in Wohlstand leben. Als Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag gesprochen hat, gab es auf der Welt 2,5 Milliarden Einwohner. Wir Europäer waren 500 Millionen. Wir Europäer sind heute noch 500 Millionen. Wir stellen inzwischen noch 8 bis 9 Prozent – genau: 8,7 Prozent – der Welteinwohnerschaft. Wir erarbeiten 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt. Wir haben ungefähr 50 Prozent der Sozialleistungen auf der Welt. Wenn wir für dieses Sozialmodell, für das wir alle bzw. mehr oder weniger alle in verschiedenen Variationen einstehen, wenn wir für die soziale Marktwirtschaft der Zukunft kämpfen wollen, dann müssen wir sehen: Wir werden ohne Wettbewerbsfähigkeit den Wohlstand unseres Landes und Europas nicht erreichen. Wettbewerbsfähigkeit ist kein Selbstzweck. Wettbewerbsfähigkeit sagt doch nicht anderes aus, als dass unsere Unternehmen in der Lage sind, auch außerhalb Deutschlands ihre Waren zu verkaufen: Autos von VW und anderen Automobilunternehmen, chemische Produkte und vieles andere mehr. Das bedeutet Wettbewerbsfähigkeit.

Angela Merkel am 29. Februar 2012 im Bundestag

Ideologisch passt offenbar zwischen die Kanzlerin und ihren Vize kein Blatt. Und das ist vor allem in diesem konkreten Punkt tragisch.
Die demografische Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt hat schließlich weder etwas mit TTIP, noch mit dem Fiskalpakt zu tun. Sowohl Gabriel als auch Merkel greifen zur Verteidigung komplett unsinniger und bürgerfeindlicher Gesetze auf abstrakte globale Entwicklungen hin, die wir ohnehin nicht beeinflussen können.
Eine unabwendbare globale Bedrohung wird an die Wand gemalt. Die Welt ändert sich und wir müssen darauf reagieren, sonst gehen wir unter – so die Botschaft. Darüber kann man ja diskutieren, wenn die konkreten Fragen, wie TTIP bei Gabriel oder der Fiskalpakt bei Merkel, denn wenigstens mit diesen globalen Entwicklungen im Zusammenhang stehen würden. Das tun sie aber nicht.
Und nicht nur das – bereits die immanente Logik dieses Bedrohungsszenario ist falsch.

Es ist nicht ersichtlich, was der wachsende Wohlstand mit der Größe der betroffenen Volkswirtschaft oder demografischen Entwicklungen zu tun haben soll. Für die Menschen ist es ziemlich egal, welchen Anteil das „Tortenstück“ der heimischen Volkswirtschaft am großen „Weltwirtschaftskuchen“ hat. Wenn Sie das nicht glauben, dann fragen Sie mal einen Luxemburger, einen Schweizer oder einen Dänen, deren Volkswirtschaften bekanntlich deutlich kleiner als die deutsche Volkswirtschaft sind.
Entscheidend ist doch, auf wie viele „Mitesser“ ein „Tortenstück“ sich verteilt. Alles andere ist lediglich eine abstrakte Definitionsfrage. Es erschließt sich auch nicht, was sich an dieser simplen Logik ändern sollte, wenn man nun das europäische und das amerikanische Tortenstück zusammen betrachtet.

Wenn Merkel und Gabriel es problematisch finden, dass Deutschland oder die EU relativ (und nicht absolut!) weniger Anteile an der Weltwirtschaft haben könnten, so zeigt sich, dass es ihnen nicht um die Menschen geht, sondern einzig und allein um die Frage der relativen Macht von Nationalstaaten und Regionen. Dies im Hinterkopf wird auch klar, warum Sigmar Gabriel in der BILD bei seiner Vorwärtsverteidigung des Freihandels sogar noch über TTIP hinausgeht:

Nur mit den USA und Russland zusammen wird es Europa auf Dauer schaffen, die wirtschaftliche und politische Balance in diesem neuen „asiatischen Jahrhundert“ zu halten.

Sigmar Gabriel in der BILD

Offenbar hat Gabriel seinen Zbigniew Brzeziński gelesen. In seinen jüngeren Werken malt Brzeziński nämlich exakt dieses Bild: Die USA und Europa sollten Russland als Kernstück Eurasiens dem asiatischen Block entreißen, um im kommenden Großkonflikt zwischen den transatlantischen Mächten und China die strategische Oberhand zu gewinnen.
Auch Brzeziński legt Wert darauf, dass dies im Idealfall nicht militärisch, sondern durch Handelspolitik erfolgen soll. Es ist schon erstaunlich.
Da übernimmt der Parteivorsitzende der SPD, deren Ostpolitik früher vor allem dafür bekannt war, Konflikte durch Annährung abzubauen, die strategischen Visionen eines transatlantischen Falken.

Über die geostrategischen Visionen des Vizekanzlers kann man sicherlich vortrefflich diskutieren. Das hat aber doch alles nichts mit einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zu tun, dessen eigentlicher Zweck der Abbau von Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards ist. Oder doch?

Jochen

Märchenonkel Gabriel: Zu TTIP ein Schreiben an die Genossen voller Halbwahrheiten, Allgemeinplätzen und Auslassungen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Thorsten Wolff hat genau hingeschaut und seine Hinweise bei Jens Berger auf den NachDenkSeiten eingestellt:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=24825
Dort findet sich auch das vollständige Schreiben.
Hier Auszüge:

Sigmar Gabriels Schreiben an die SPD-Mitglieder: Mit Halbwahrheiten zum Freihandelsabkommen?

Verantwortlich: Jens Berger

Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich jüngst per E-Mail an die Mitglieder seiner Partei gewandt. Thema seines Schreibens: Das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen “TTIP” zwischen der Europäischen Union und den USA sowie das “CETA”-Abkommen mit Kanada.
Ziel seines Schreibens: Die SPD-Mitglieder zu beruhigen und auf Linie bringen.
Überzeugend sind Gabriels Argumente nicht. Auch, weil er so manches verschweigt und anderes herunterspielt. Eine Analyse von Thorsten Wolff.

Der Mitgliederbrief wurde am 28. Januar per E-Mail versandt. Wir kommentieren im Nachstehenden zunächst einzelne Passagen des Schreibens (in kursiv) und dokumentieren dieses anschließend nochmals komplett.

  1. Analyse zentraler Passagen des Mitgliederbriefs:

    Viele Bürgerinnen und Bürger, auch uns nahestehende Verbände und Organisationen, äußern teils heftige Kritik an diesen geplanten Freihandelsabkommen, sind verärgert über die mangelnde Transparenz der Verhandlungen und haben die Befürchtung, dass durch die Freihandelsabkommen bewährte europäische Standards etwa im Verbraucher- und Umweltschutz, bei den Arbeitnehmerrechten, in der Daseinsvorsorge und der Kultur ausgehöhlt werden könnten. Insbesondere auch die Frage des Investorenschutzes weckt großes Misstrauen.

    Freihandelsabkommen ja, aber nicht um jeden Preis.

    In den Gesprächen, die ich in unserer Partei führe, nehme ich Unbehagen und Unsicherheit wahr. Manchmal gibt es auch die Sorge, dass sich die SPD auf Bundesebene oder in der Bundesregierung bereits auf eine bedingungslose Zustimmung zu diesen geplanten Freihandelsabkommen festgelegt habe. Weil gerade das nicht stimmt, möchte ich Dich zu Beginn des neuen Jahres über den Stand der Verhandlungen auf europäischer Ebene, über meine Haltung als Vorsitzender der SPD und als Bundeswirtschaftsminister informieren.

    In den hier zitierten Absätzen macht Gabriel deutlich, worum es ihm geht: Die Menschen glauben zu machen, dass Freihandelsabkommen (TTIP, CETA) gar nicht so schlimm seien, wie alle denken, und dass die SPD nicht um jeden Preis zustimmen werde. Hierzu beginnt er mit einer sachlichen, inhaltlich zutreffenden Hinführung zum Thema.
    Diese Passage ist taktisch durchaus klug formuliert: Gabriel schreibt von “heftige[r] Kritik”, er schreibt, die “Bürgerinnen und Bürger” seien “verärgert” und hätten eine “Befürchtung”. Damit weckt er die Erwartung, dass Kritik, Verärgerung und Befürchtung im Nachfolgenden widerlegt werden. Was er dann ja auch versucht.

    Früh und recht direkt spricht Gabriel auch das Hauptproblem der SPD im Allgemeinen und seiner Person im Besonderen an, nämlich mangelnde Glaubwürdigkeit.
    Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Partei (mindestens) in der Haltung zu internationalen Abkommen sind berechtigt. Man erinnere sich etwa an den europäischen “Fiskalpakt” 2011/2012, den die damals oppositionelle SPD hätte verhindern können, den sie aber nicht verhindert hat. Und das, obwohl sie monatelang so tat, als sei eine Ablehnung eine ernsthaft ins Auge gefasste Option. Am Ende aber siegte die Staatsräson, wollte sich die Partei nicht als einziger Akteur in Europa gegen diesen ausverhandelten internationalen Vertrag wenden.

    Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass sich Gabriel und die SPD bei internationalen Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP anders verhalten.
    Denn genau das eben am Beispiel des “Fiskalpakts” geschilderte Verhalten hat Gabriel am 27. November 2014 im Bundestag, bezogen auf CETA, sogar schon angekündigt: “Es ist überhaupt kein Problem für mich, zu wiederholen, dass wir im Hinblick auf CETA am Ende vor der Frage stehen, ob unser Unwohlsein und die Kritik an dem ‘Schweizer Käse’ des Investitionsschutzes – der Gutachter hat es so bezeichnet; so schwach findet er es – dafür ausreichen, dass Deutschland als alleiniges Land in Europa den gesamten Prozess anhalten kann. Sie werden sich als grüne Fraktion fragen müssen, wie Sie als europäisch-orientierte Partei, die Sie ja sind, mit Ihrer Position umgehen, wenn der Rest Europas dieses Abkommen will. Ich sage Ihnen: Deutschland wird dem dann auch zustimmen. Das geht gar nicht anders.”

    Wenn Gabriel im Mitgliederbrief also behauptet, die SPD hätte sich noch nicht auf eine “bedingungslose Zustimmung” festgelegt, so sind an dieser Äußerung mindestens Zweifel angebracht.

    Der Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren liegt im natürlichen Interesse einer Exportnation wie der deutschen. Millionen Arbeitsplätze hängen in unserem Land vom Export und von möglichst freien Handelswegen ab. Deshalb hat sich die SPD mit CDU und CSU im Koalitionsvertrag auch darauf verständigt, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) zu unterstützen und den Freihandel zu stärken. Dies gilt auch für das Abkommen mit Kanada (CETA).

    Der transatlantische Handel ist heute schon in hohem Maße “frei”. Zölle spielen kaum noch eine Rolle.
    Eine demgegenüber größere Rolle spielen die so genannten “nichttarifären Handelshemmnisse”, von Gabriel hier als “andere Handelsbarrieren” bezeichnet: Gemeint sind damit staatlich-öffentlichen Regularien und Verfahren, die von Unternehmen als “Hindernisse” im transatlantischen Handel empfunden werden können. BefürworterInnen von Freihandelsabkommen nennen als Beispiele gerne etwa (doppelte und unterschiedliche) Zulassungsverfahren und technische Vorschriften. Sie leiten daraus die Forderung ab, Verfahren und Vorschriften einander anzugleichen oder wechselseitig anzuerkennen.
    Sofern beide Seiten das gleiche Schutzniveau haben, ist dies halbwegs unproblematisch. Wenn das Schutzniveau allerdings unterschiedlich ist, besteht durchaus die Gefahr, dass Standards nach unten angeglichen (und damit abgesenkt) werden. Dass dies nicht passieren werde, wie Gabriel oben schreibt und wie auch andere immer wieder behaupten, kann man glauben oder auch nicht.

    Darüber hinaus werden oft sogar Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards schlechthin als Handelshemmnisse angesehen – meist mit der Begründung, diese seien unnötig und dienten alleine dem Zweck, ausländischen Unternehmen den Zugang zum Markt zu verwehren. Tatsächlich können sie den grenzüberschreitenden Handel von Waren und Dienstleistungen erschweren, weshalb die Forderung nach Absenkung dieser Standards zu einer Hauptforderung der Unternehmenslobby in Sachen TTIP geworden ist.
    Die Spielzeugproduzenten beider Kontinente etwa fordern, die höheren europäischen Standards bei Spielzeugen einer kritischen Prüfung anhand wissenschaftlich-objektiver Kriterien zu unterwerfen; umgekehrt wünschen die europäischen Rohmilchkäse-Produzenten einen Zugang zum US-Markt, der ihnen heute aus hygienischen Gründen versagt ist.

    Ähnliches bei Sozialstandards: So ist es in der Freihandelszone “Europäischer Binnenmarkt” heute beispielsweise nicht mehr möglich, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Tarifbindung vorzuschreiben, wenn die Tarifverträge nicht Gesetzescharakter haben (also allgemeinverbindlich sind). Der Grund: Die Einhaltung von Tarifverträgen ist für ausländische Unternehmen schwieriger umzusetzen als für inländische, insofern würden ausländische Unternehmen benachteiligt, wenn Tarifbindung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgeschrieben wird. So legen es jedenfalls die Freihandelslogiken nahe, die dem Europäischen Binnenmarkt wie auch klassischen Freihandelsabkommen (TTIP, CETA) zu Grunde liegen.

    Die Gefahr der Absenkung von Standards durch Freihandelsabkommen ist also real. Über all das verliert Gabriel in seinem Mitgliederbrief allerdings kein Wort – von oberflächlichen Bekundungen abgesehen, dass er Standards nicht absenken wolle. Der Begriff der “anderen Handelsbarrieren” hätte da durchaus einige Anmerkungen verdient gehabt.

    Stattdessen bringt Gabriel das standortnationalistische Argument der Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft ins Spiel. Eine Erklärung, weshalb eine weitere Liberalisierung des transatlantischen Handels notwendig und nützlich sein soll, bleibt er dabei allerdings ebenso schuldig wie eine ökonomische Erklärung für den behaupteten Zusammenhang zwischen Handelsliberalisierung und Arbeitsplätzen.
    Mehr als unbegründete Allgemeinplätze (“natürliche[s] Interesse”, “Millionen Arbeitsplätze hängen…”) hat er nicht zu bieten. Nicht zuletzt die zweifelhaften ökonomischen Studien über angebliche positive Effekte eines TTIP-Abkommens lassen Skepsis gegenüber seinen Ausführungen berechtigt erscheinen.
    Von der Fragwürdigkeit des von Gabriel gefeierten deutschen Exportwahns ganz abgesehen.

    Danach haben wir auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem DGB auf unserem Parteikonvent beschlossen, dass wir grundsätzlich die geplanten Freihandelsabkommen begrüßen – allerdings nicht um jeden Preis. Vor allem ist für SPD und DGB wichtig:

    Der Verweis auf das gemeinsame Papier seines Ministeriums (und indirekt der SPD) mit dem DGB soll den Eindruck erwecken, dass SPD und DGB in der Frage der Freihandelsabkommen gemeinsame Positionen vertreten. Allerdings bleibt Gabriels Bezug auf das Papier oberflächlich, selektiv und unvollständig, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. Nur durch diese selektive und unvollständige Wiedergabe gelingt es Gabriel, den Eindruck gemeinsamer Positionen beider Organisationen zu wecken.

    • dass die Verhandlungen endlich transparent und für alle Bürgerinnen und Bürger Europas nachvollziehbar geführt werden,

    Das Thema der Transparenz ist in der Tat Bestandteil des Papiers, allerdings nur einer von vielen und gewiss nicht der wichtigste. Dass Gabriel gleich zu Beginn seiner Aufzählung von Inhalten des SPD-DGB-Papiers hierüber spricht, kann getrost als Ablenkungsmanöver gelten.

    • dass die geplanten Freihandelsabkommen keine sozialen, ökologischen oder kulturellen Standards gefährden dürfen, dass weitere Verbesserungen dieser Normen möglich sein müssen und dass die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die öffentliche Daseinsvorsorge unberührt bleibt,

    Wenn Gabriel schreibt, er wolle, dass “weitere Verbesserungen dieser Normen möglich sein müssen”, dann wirft er eine Nebelkerze. Denn in den allerwenigsten Fällen wird ein Freihandelsabkommen explizit vorschreiben, dass “Normen” nicht weiter “verbessert” werden dürfen. (Wobei sich im Einzelfall ohnehin die Frage stellt, was mit “Verbesserungen” gemeint ist.) Die realen Gefahren sehen anders aus:

    • Erstens besteht die Gefahr, dass Freihandelsabkommen Möglichkeiten der Regulierung einschränken, etwa der Regulierung von Finanzmärkten oder von Produktmärkten. Dies muss nicht explizit mit einem Verbot einhergehen, “Normen” zu “verbessern”.
    • Zweitens führen Freihandelsabkommen zu verstärkter Konkurrenz zwischen den Unternehmen der beteiligten Länder. Hier besteht die Gefahr, dass höhere Standards in einem Land zu Nachteilen gegenüber anderen Ländern führen. Um “Wettbewerbsfähigkeit” wiederzuerlangen, werden Staaten dann von sich aus Normen absenken oder zumindest nicht weiter erhöhen. Dies geschieht bei arbeits- und sozialrechtlichen Normen derzeit etwa in Südeuropa (in Griechenland jetzt nicht mehr), und es geschah vor 10-15 Jahren unter Rot-Grün in Deutschland. Das SPD-DGB-Papier spricht die Gefahr eines Dumping-Wettbewerbs in Punkt 3 durchaus offen an, Gabriel aber schweigt sich in seinem Mitgliederbrief darüber aus. Mehr noch: Im SPD-DGB-Papier wird sogar gefordert, dass Freihandelsabkommen dazu beitragen sollen, “Mitbestimmungsrechte, Arbeits-, Gesundheits- und Verbraucherschutz- sowie Sozial- und Umweltstandards zu verbessern”. Gabriel aber stellt es so dar, als müsse es laut SPD und DGB lediglich möglich bleiben, Normen weiter zu verbessern. Er bleibt damit weit hinter dem zurück, was tatsächlich in dem Papier steht.

    Was Gabriel darüber hinaus auch hätte schreiben können und vielleicht müssen: Im DGB-Kongress-Beschluss zu TTIP wird gefordert, dass Arbeits- und Sozialstandards international auf höchstem Niveau einander angeglichen werden müssen. Diese Positionierung geht sogar noch einen Schritt über die Formulierung im SPD-DGB-Papier hinaus. Spätestens hier wird deutlich: In der Frage der Erhaltung/Setzung von Standards gibt es zwischen Gabriel und Gewerkschaften deutliche Differenzen, deren Darstellung Gabriel nur umschiffen kann, indem er entscheidende Sachverhalte schlicht verschweigt.

    Eine weitere kurze Bemerkung: Wenig beruhigend klingt es auch, wenn Gabriel schreibt, dass die “Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die öffentliche Daseinsvorsorge unberührt” bleiben müsse. Denn erstens ist diese Formulierung schwammig. Zweitens und vor allem aber findet öffentliche Daseinsvorsorge nicht nur auf regionaler Ebene statt, sondern auch auf Bundesebene.
    Gabriels Formulierung schließt damit insbesondere eine unwiderrufliche Liberalisierung des Bahnverkehrs durch Freihandelsabkommen nicht aus.

    • dass beide Vertragspartner sich verpflichten sollen, internationale Übereinkünfte und Normen in den Bereichen Umwelt, Arbeit und Verbraucherschutz zu beachten und umzusetzen – insbesondere die ILO-Kernarbeitsnormen, auf deren Einhaltung im Rahmen von EU-Handelsabkommen auch der Koalitionsvertrag verweist,

    Hier gilt, was eben schon angesprochen wurde: Zwar gibt es Passagen im SPD-DGB-Papier, die diese Formulierungen Gabriels rechtfertigen. Es gibt aber eben auch Passagen, in denen weitergehende Forderungen erhoben werden – und die bleibt Gabriel schuldig.

    • dass die europäischen oder nationalen demokratischen Willensbildungsprozesse und Entscheidungen in Parlamenten und Regierungen durch die Freihandelsabkommen weder direkt noch indirekt eingeschränkt werden dürfen,

    Das SPD-DGB-Positionspapier ist auch hier konkreter und weitergehender, als Gabriel es wiedergibt. Unter Punkt 8 heißt es dort: “Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf auch nicht durch die Schaffung eines ‘Regulierungsrates’ im Kontext regulatorischer Kooperation oder durch weitgehende Investitionsschutzvorschriften erschwert werden.”

    • Das SPD-DGB-Papier nennt explizit einen “Regulierungsrat” sowie “Investitionsschutzvorschriften” als Mechanismen, durch die die genannten demokratischen Entscheidungen erschwert werden. Gabriel verschweigt dies – denn wenn er sie nennen würde, müsste er sie ablehnen. Dann hätte er sie als rote Linien ebenso benannt, wie sie im SPD-DGB-Papier als rote Linien benannt sind. Das möchte er offenbar nicht.
    • Das SPD-DGB-Papier spricht davon, dass demokratische Entscheidungen nicht “erschwert” werden dürfen, Gabriel aber will sie lediglich nicht “einschränken”. Etwas zu “erschweren”, bedeutet nicht, etwas ganz oder teilweise unmöglich zu machen. Etwas “einzuschränken” aber bedeutet genau das. Man kann Handlungen “erschweren”, ohne sie im Wortsinne “einzuschränken”. Damit schwächt Gabriel einmal mehr die Aussage des SPD-DGB-Papiers ab. Dies ist keineswegs zu vernachlässigen.
      Ein Beispiel: Ein Regulierungsrat oder Investitionsschutzvorschriften können sehr wohl das Handeln von Parlamenten und Regierungen erschweren, etwa, wenn bestimmte Gesetze oder Vorhaben zunächst auf ihre Notwendigkeit und Angemessenheit geprüft werden müssen. Das bedeutet noch nicht, dass das Handeln auch tatsächlich eingeschränkt würde.
    • dass die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Investitionen und Investoren durch die ganz normalen verfassungsmäßig verbrieften Rechte und den demokratischen Rechtsstaat gesichert werden und wir im Rahmen der Verträge keine Investor-Staat-Schiedsverfahren einführen wollen. Wir entwickeln rechtsstaatliche Alternativen zu den bislang geplanten Schiedsgerichten. z.B. die Berufung oberer Bundesrichter oder die Einrichtung eines echten zwischenstaatlichen Handelsgerichtshofs zur Entscheidung über Handelsstreitigkeiten.

    Hier widerspricht sich Gabriel wohl selbst. Im ersten Satz schreibt er, er wolle “im Rahmen der Verträge keine Investor-Staat-Schiedsverfahren” einführen. Im zweiten Satz aber möchte er “Alternativen zu den bislang geplanten Schiedsgerichten” entwickeln. Gabriel würde sich nur dann nicht widersprechen, wenn solche “Alternativen” außerhalb der Freihandelsverträge verankert würden. Von entsprechenden Verhandlungen und Plänen aber ist bislang nichts bekannt.
    Im Gegenteil: In CETA, das schon ausverhandelt ist, soll es Schiedsverfahren geben, die direkt in den Verträgen geregelt sind. Zumindest bezogen auf CETA spricht Gabriel damit die Unwahrheit. Und da TTIP sich an CETA orientieren dürfte, wohl auch für TTIP.

    Möglicherweise versucht Gabriel hier lediglich, so zu argumentieren, wie es auch die Europäische Kommission tut: Man kritisiert “alte” Investor-Staat-Schiedsverfahren und gibt als Ziel aus, in jüngeren Freihandelsabkommen “neue” und “bessere” Verfahren zu etablieren. (Sollte Gabriel so argumentieren wollen, so würden sich sein Satz 1 und sein Satz 2 allerdings nach wie vor widersprechen.) Diese “neuen” Verfahren sollen beispielsweise Berufungsmöglichkeiten und Transparenz vorsehen, auf klareren Formulierungen beruhen und bisherige Interessenkonflikte der handelnden Akteure beenden. Sie beheben also ein paar Schwächen der bisherigen Verfahren – ein paar jener Schwächen, deretwegen die Investor-Staat-Schiedsverfahren zu Recht immer wieder in der Kritik stehen.
    Allerdings wird auch mit diesen “besseren” Verfahren eine Gerichtsbarkeit außerhalb des Rechtsstaats etabliert, die undemokratisch und rechtsstaatlich fragwürdig ist.

    In jedem Fall tut Gabriel so, als sei diese Positionierung Bestandteil des SPD-DGB-Papiers. Dies ist sie aber nicht, denn dort heißt es unmissverständlich: “Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden. In jedem Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren […] abzulehnen.” Einmal mehr gibt Gabriel Inhalte des Papiers unzutreffend, abgeschwächt und im eigenen Sinne wieder.

    Exakt auf dieser Linie versuchen die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium auf die Verhandlungen der Europäischen Kommission Einfluss zu nehmen. Außerdem haben wir einen nationalen Beirat zu den Verhandlungen auf europäischer Ebene eingerichtet, bei dem die Verbände und Organisationen von Wirtschaft, Gewerkschaften, Kultur, dem Umwelt- und Sozialbereich und dem Verbraucherschutz vertreten sind und regelmäßig informiert werden.

    Fragt sich, weshalb Gabriel hier einerseits die Europäische Kommission, andererseits die Zivilgesellschaft (über den genannten Beirat) als Zielobjekt sozialdemokratischer Einflussnahme/Information nennt. Offenbar beansprucht er für die Sozialdemokratie, eine dritte Position zu vertreten – einerseits etwas reflektierter als die Kommission, aber andererseits auch weniger freihandelskritisch als viele Akteure der Zivilgesellschaft.
    Immerhin macht er damit deutlich, dass die SPD nicht jene vertritt, die Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA ablehnen. Dies gilt umso mehr, als Gabriel die Akteure der Zivilgesellschaft in seinem Beirat lediglich “informieren” möchte, was umgekehrt bedeutet, dass er sich nicht auf deren Argumente einzulassen beabsichtigt. Genau dies haben einige Mitglieder des Beirats jüngst in einem Brandbrief kritisiert.

    Vor diesem Hintergrund habe ich bereits deutlich gemacht: Auch wenn der Teil zum Investorenschutz in CETA gegenüber vorherigen Abkommen erhebliche Fortschritte an Transparenz enthält, halte ich die Zeit noch nicht für reif, CETA nach jetzigem Stand zuzustimmen.

    Gabriel schreibt hier explizit nicht, dass er CETA nicht zustimmen wird. Denn wenn “die Zeit noch nicht […] reif” ist, um “CETA nach jetzigem Stand zuzustimmen”, so bedeutet dies, dass die Zeit irgendwann durchaus reif sein kann oder wird, um “CETA nach jetzigem Stand zuzustimmen”.
    Dies entspricht auch der Position, die Gabriel Ende November 2014 im Bundestag geäußert hat und die von Medien und Verbänden zu Recht als Umfallen gewertet wurde (die Rede ist oben schon zitiert).

    Unser Ziel ist, weitere Verbesserungen zu erreichen.

    Man mag Gabriel glauben, dass er sich bemüht, “Verbesserungen” zu erreichen. Wird die SPD aber gegen das Abkommen stimmen, wenn diese Verbesserungen nicht erreicht werden? Und genügen die Verbesserungen, die Gabriel anstrebt, damit das Abkommen akzeptabel wird? Die voranstehenden Ausführungen legen die Vermutung nahe, dass beide Fragen mit “Nein” zu beantworten sind. Auch, weil Gabriel an keiner Stelle gewillt ist, rote Linien zu formulieren und auch, weil er die im SPD-DGB-Papier benannten roten Linien verschweigt oder abschwächt.

    Was wir nicht für richtig halten, ist der von manchen öffentlichen Kritikern der Freihandelsabkommen geforderte Abbruch der Verhandlungen.

    Gabriel scheint es wichtig zu sein, eine Nähe seiner eigenen Person und seiner Partei zu den Gewerkschaften zu suggerieren. Dies wird an mehreren Stellen des Mitgliederbriefs deutlich. Vermutlich deshalb verschweigt er, dass der von ihm abgelehnte, “von manchen öffentlichen Kritikern der Freihandelsabkommen geforderte Abbruch der Verhandlungen” auch von den Gewerkschaften gefordert wird. Der DGB-Kongress-Beschluss aus 2014 ist da schon im Titel eindeutig: “Freihandelsverhandlungen mit den USA aussetzen”.

    Denn letztlich geht es bei den Freihandelsabkommen um die Regeln der Globalisierung. Nach dem Scheitern weltweiter Handelsstandards in der Welthandelsorganisation (WTO) versuchen jetzt die großen Wirtschaftsräume die politischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Standards im Welthandel zu beeinflussen. Die Verlagerung der Zentren der Weltwirtschaft nach Asien und China setzen Europa unter Druck. Während bei uns die Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum abnehmen und die sozialen und ökologischen Standards hoch sind, ist es im Asien-Pazifik-Raum eher umgekehrt. Noch sind die USA und Europa die größten Handelsräume, aber man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass wir diese Stellung nicht auf Dauer haben werden. Die Standards des Welthandels – auch die ökologischen und sozialen – werden in Zukunft weit mehr durch die Asien-Pazifik-Region bestimmt werden als durch Europa oder Deutschland. Im Grunde stehen wir vor der Alternative: Schaffen wir Europäer es, die politischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Standards im Welthandel mit zu bestimmen, oder werden wir uns in absehbarer Zeit an die Standards anderer anpassen müssen?

    Wir setzen darauf, dass auch in den rasant wachsenden Schwellenländern und den neuen globalen Wirtschaftsmächten das Bedürfnis zunimmt, soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung zu bekämpfen. Europa hat mit seinen eigenen Standards dabei etwas anzubieten. Doch der Erfolg hängt davon ab, ob wir unseren politischen Einfluss aktiv zur Geltung bringen.

    In den eben zitierten Passagen erweckt Gabriel den Eindruck, dass Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP dazu dienten, soziale und ökologische Standards zu sichern und weltweit zu verbreiten. Dies ist eine oft vorgetragene Behauptung der FreihandelsbefürworterInnen, die aber nicht dadurch richtiger wird, dass man sie immer wieder wiederholt.
    Da in Freihandelsabkommen allenfalls Mindeststandards festgeschrieben werden, und auch die nur unzureichend und unverbindlich, können Freihandelsabkommen keine Standards systematisch sichern oder gar ausbauen. Im Gegenteil, sie gefährden sie aus den bekannten Gründen.
    Standards zu sichern, ist letztlich auch gar nicht die Aufgabe und gar nicht das Ziel solcher Abkommen. Das weiß Gabriel auch, weshalb er seine Ausführungen im Anschluss sogleich wieder relativiert:

    Als Sozialdemokraten wissen wir: Die Globalisierung und der Welthandel werden nicht von heute auf morgen Spielregeln entwickeln, die aus unserer Sicht wirklich sozial gerecht und ökologisch verantwortungsbewusst sind. So wie der soziale Fortschritt in Deutschland jahrzehntelang Schritt für Schritt und über viele Reformen hinweg erkämpft werden musste, wird es auch bei der demokratischen, sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung eines langen Atems bedürfen. Aber die Geschichte der SPD zeigt: Mut, Selbstbewusstsein und Optimismus lohnen sich. Und wegducken hat das Leben noch nie besser gemacht. Darum geht es auch jetzt wieder.

    Gabriel tut hier so, als seien soziale Errungenschaften auf nationaler Ebene und auf globaler Ebene unabhängig voneinander, als existierten sie in Parallelwelten – denn während Globalisierung und Welthandel bei sozialen Standards hinterherhinkten, wie er schreibt, habe und behalte Deutschland seine Standards.
    Damit suggeriert Gabriel, dass Freihandelsabkommen und Globalisierung die sozialen Errungenschaften auf nationaler Ebene nicht gefährdeten. Diese Annahme ist falsch: Erstens können Freihandelsabkommen direkten Druck auf soziale Standards ausüben. Zweitens setzen niedrigere Standards in manchen Ländern diejenigen Länder unter Druck, die höhere Standards haben – denn Arbeitsrechte, Sozialleistungen und ähnliches kosten die Unternehmen Geld und sind damit Wettbewerbsnachteile. Es braucht vor diesem Hintergrund soziale Errungenschaften auf globaler Ebene gerade deshalb, weil andernfalls soziale Errungenschaften auf nationaler Ebene unter Druck geraten.
    Damit aber muss die Reihenfolge umgekehrt werden: Nicht zuerst klassische Freihandelsabkommen und Globalisierung einführen in der Hoffnung, globale soziale Standards würden später folgen, sondern Höchststandards für alle beteiligten Länder vom Beginn an. Freihandelsabkommen, die dies nicht gewährleisten, sind abzulehnen.

    Davon abgesehen, sei auch auf die Geschichtsvergessenheit dieser Gabrielschen Formulierungen hingewiesen. Denn nicht nur durch “Reformen”, wie er schreibt, sondern auch und vor allem durch Revolutionen, Proteste und Streiks wurde der “soziale Fortschritt” in Deutschland erreicht. Er wurde erkämpft. Und zwar gegen die herrschenden Eliten. Proteste und Streiks aber scheinen für Gabriel im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr stattzufinden oder nicht mehr notwendig zu sein. Gabriel suggeriert, dass die in Nationalstaaten hart erkämpften sozialen Errungenschaften durch die Sozialdemokratie auf globaler Ebene in Freihandelsverträgen erreicht werden können und sollen. Das ist an Selbstüberschätzung kaum mehr zu überbieten. Das Gegenteil ist wohl eher wahr: Die SPD ist längst Teil der Eliten, und gegen diese SPD müssen soziale Errungenschaften – auch durch Proteste und Streiks – auf globaler Ebene erkämpft sowie auf nationaler Ebene verteidigt werden.

  2. Fazit Gabriel schreibt seinen SPD-Mitgliedern eine E-Mail, die von taktischer Wortwahl und unverbindlichen Inhalten geprägt ist.
    Sein Ziel ist es, Zustimmung zu Freihandelsabkommen – TTIP, CETA – zu gewinnen. Um dies zu erreichen und um sich an einigen Punkten zugleich nicht zu sehr festzulegen, lässt Gabriel manches weg, was er der Ehrlichkeit und Vollständigkeit halber hätte erwähnen müssen. Er arbeitet mit Halbwahrheiten, Allgemeinplätzen und Auslassungen.
    Im Ergebnis

    • spielt Gabriel die Gefahren herunter, die von Freihandelsabkommen ausgehen, und
    • suggeriert er eine Nähe zwischen sich, der SPD und den Gewerkschaften, die in dieser Frage bei Weitem nicht existiert.

Mein Fazit: Wer in der SPD sich noch als Sozialdemokrat versteht, soll bitte auf den Barrikaden gegen TTIP, TISA u.s.w. bleiben und das Gabriel und denen, die ihn bezahlen, unmissverständlich mitteilen!

Vergleiche dazu auch meine bisherigen Beiträge vom Dezember 2014:

https://josopon.wordpress.com/2014/12/04/transparenz-versus-ttip-nebelkerzen-der-eu-kommission-und-der-bundesregierung/

https://josopon.wordpress.com/2014/12/04/nochmal-zur-erinnerung-ttip-gefahrdet-hunderttausende-jobs/

Jochen