Mehr NATO-Truppen für Osteuropa – DGAP-Präsident und Rüstungslobbyist Thomas Enders fordert Waffen für die Ukraine

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

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Dr. Thomas Enders, Ziehkind der Konrad-Adenauer-Stiftung, Rüstungslobbyist und ehemaliger Vorstandsvorsitzender von  Airbus SE, fordert

Aufstockung des deutschen Wehretats auf womöglich mehr als 100 Milliarden Euro.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8826/

Widerstand in Osteuropa gegen neue NATO-Präsenz.

BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung soll der Ukraine umgehend „Waffen und Munition“ liefern und den deutschen Wehretat binnen fünf Jahren auf bis zu 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstocken – womöglich mehr als 100 Milliarden Euro.

„Wie der französische Pazifismus von 1939“

Nein_zur_Nato_DDR1957Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Thomas Enders, fordert eine drastische Verschärfung der deutschen Russlandpolitik und dramatische Schritte zur Aufrüstung der Bundeswehr. Wie Enders in einem aktuellen Beitrag schreibt, sei das derzeitige Vorgehen der Bundesregierung in der Krise um die Ukraine „verantwortungslos“; Berlin müsse umgehend „auf eine robuste Außen- und Verteidigungspolitik umschalten“.[1]
Zur Begründung spricht Enders von „unverhohlener russischer Aggression“ und nennt Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen „russischen Diktator“. Implizit parallelisiert er zudem Moskaus Politik mit derjenigen des NS-Reichs: Laut Umfragen wolle eine „Mehrheit der Deutschen nicht einmal für Nato-Partner wie die baltischen Staaten in den Krieg ziehen“; das erinnere „an den französischen ‘Mourir pour Danzig?‘-Pazifismus von 1939“.
In der vergangenen Woche hatten schon die Europaabgeordneten Michael Gahler (CDU) und Viola von Cramon-Taubadel (Bündnis 90/Die Grünen) eine Parallele zwischen Russland und dem NS-Reich gezogen (german-foreign-policy.com berichtete [2]).

Waffen für die Ukraine

Enders, der einst im Planungsstab des Bundesverteidigungsministeriums tätig war, bevor er 1991 in die Luft- und Raumfahrtindustrie wechselte und von 2012 bis 2019 als Vorsitzender im Vorstand von Airbus wirkte, fordert zum einen „sofortige militärische Unterstützung … für die Ukraine“.[3]
Die Lieferung von 5.000 Militärhelmen und die Instandsetzung von Bunkeranlagen bei Odessa, die die Bundesregierung bereits zugesagt hat, genügen demnach nicht: Die Bundesrepublik soll laut Enders „Ausrüstung, Waffen und Munition“ liefern, und zwar „in Abstimmung mit den Nato-Partnern“. Darüber hinaus müsse man „zusätzliche Truppenstationierungen in den baltischen und osteuropäischen Nato-Staaten“ in Erwägung ziehen, „sofern dies dort gewünscht wird“.
Ergänzend schlägt Enders Maßnahmen vor, die als Voraussetzung für eine beliebige Konflikteskalation gelten können: Es sollten „sofort erste Schritte eines Umbaus der deutschen Energiepolitik“ gestartet werden – dies „mit dem Ziel“, die „Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen so bald [!] wie möglich und so weit [!] wie möglich zu reduzieren“.

„Schwerpunkt Kampftruppen“

Zum anderen spricht sich Enders für eine Erhöhung des deutschen Wehretats „auf 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den nächsten fünf Jahren“ aus.[4]
Das wäre eine Steigerung des Militärhaushalts von 50,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf einen Betrag, der – je nach Wirtschaftsentwicklung – 2027 erheblich über 100 Milliarden Euro liegen könnte. Damit will Enders unter anderem „eine Aufstockung der drei Teilstreitkräfte auf 200.000 bis 250.000 aktive Soldaten“ finanzieren, „Schwerpunkt Kampftruppen“; Ende 2021 lag die Personalstärke der Bundeswehr bei rund 184.000.[5] Enders äußert zudem, „die Einführung einer allgemeinen Dienst- oder Wehrpflicht für Männer und Frauen“ müsse schnell „auf die Tagesordnung kommen“ – dies unter anderem, „um eine rasch mobilisierbare Reserve zur Landesverteidigung aufzubauen“. Nicht zuletzt sollten „unverzüglich Gespräche mit Frankreich über eine Europäische Verteidigungsunion“ geführt werden, wobei „auch der Aufbau einer europäischen nuklearen Abschreckung auf der Basis der französischen Force de Frappe“ zu vereinbaren sei, fordert der Präsident der DGAP.[6]
Die DGAP ist neben der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) einer der zwei einflussreichsten deutschen Think-Tanks auf dem Gebiet der Außenpolitik.

Offen für NATO-Truppen

Während vor allem transatlantische Kreise – wie Enders – eine weitere Aufstockung der NATO-Truppen in Ost- und Südosteuropa fordern, führt dies dort zu Widerständen sowie zu Anzeichen einer neuen Spaltung in der Region. Prinzipiell befürwortet wird die Entsendung zusätzlicher Soldaten von Polen und den baltischen Staaten.
Großbritannien hat am Wochenende in Aussicht gestellt, seine Truppen in Estland zu verdoppeln; dort sind zur Zeit, im Rahmen der enhanced Forward Presence (eFP) der NATO, gut 900 britische Militärs stationiert.
Die NATO plant, eFP-Truppen, wie sie bisher nur in Polen und den baltischen Staaten installiert wurden, auch in Rumänien und Bulgarien zu etablieren; zuweilen sind Ungarn und die Slowakei als weitere Standorte im Gespräch. Rumänien hat erklärt, für eine eFP völlig offen zu sein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Stationierung französischer Soldaten in Rumänien in Aussicht gestellt – offenbar als Führungsnation beim Aufbau einer rumänischen eFP. Experten spekulieren, um die notwendige Truppenstärke – mindestens 600 bis 800 Soldaten – zu erreichen, könnten die zur Zeit 300 französischen Soldaten aus der eFP in Estland abgezogen werden.[7]
Die von London in Aussicht gestellte Verdopplung der britischen Einheit gliche das mehr als aus.

Russland: „Strategischer Partner“

Aus anderen Staaten Ost- und Südosteuropas wird hingegen Unmut über die NATO-Pläne gemeldet. Bulgariens Verteidigungsminister Stefan Janew hat dem Vorhaben, in seinem Land eine eFP-Einheit zu stationieren, bereits im Dezember eine Absage erteilt und vergangene Woche seine Haltung vor dem bulgarischen Parlament bekräftigt.[8] Bulgarien verfügt über gute Beziehungen nach Russland.
Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde berichtet, die Regierung der Slowakei sei einer eFP-Stationierung ebenfalls abgeneigt; zwar zeige Außenminister Ivan Korčok für die Pläne Sympathien, doch spreche sich eine Mehrheit in der Regierung dagegen aus, auch, weil Unruhen befürchtet würden: Mehr als 60 Prozent aller Slowaken sehen Russland nicht als Bedrohung an, mehr als 50 Prozent betrachten das Land als einen strategischen Partner.[9]
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó nannte Berichte, denen zufolge eine Stationierung von rund 1.000 NATO-Soldaten im Gespräch sei – das ist die übliche Größe einer eFP-Einheit –, „fake news“.[10]
Bereits kürzlich hatte der kroatische Präsident Zoran Milanović mit der Äußerung für Aufsehen gesorgt, bei einer militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts würden alle kroatischen Soldaten aus Bündnistruppen abgezogen. Zwar hat in Kroatien der Präsident nicht die Kompetenz, darüber zu entscheiden, und die Regierung ist strikt NATO-loyal. Allerdings gilt dies nicht für die Bevölkerung: Aktuelle Umfragen ergeben, dass lediglich 44 Prozent „Vertrauen“ gegenüber dem Bündnis haben; 47 Prozent hingegen misstrauen ihm.[11]

Mehr zum Thema: Kriegstrommeln in Deutschland und Kriegsübungen gegen Russland.

[1] Thomas Enders: Für eine realistische deutsche Russlandpolitik. dgap.org 25.01.2022.

[2] S. dazu Die Erwartungen der Ukraine.

[3], [4] Thomas Enders: Für eine realistische deutsche Russlandpolitik. dgap.org 25.01.2022.

[5] Thomas Wiegold: Personalstärke Dezember 2021: Zum Jahresabschluss fast unverändert. augengeradeaus.net 18.01.2022.

[6] S. dazu Griff nach der Bombe (III) und Ein Nuklearschild für die EU.

[7] Philippe Chapleau: Des “centaines” de soldats français bientôt en Roumanie. lignesdedefense.blogs.ouest-france.fr 30.01.2022.

[8] Krassen Nikolov: Defence minister says no decision to deploy NATO troops in Bulgaria. euractiv.com 26.01.2022.

[9] Michal Hudec: NATO mulls sending troops to Slovakia, government reluctant. euractiv.com 28.01.2022.

[10] Szijjártó: Report of 1,000 NATO Troops Deploying to Hungary “Fake News”. hungarytoday.hu 29.01.2022.

[11] Michael Martens: Zagreb und der Westen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.01.2022.

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Jochen

Die „Geoökonomie“ der Exportwalze

Denkfabrik der Regierung legt Papier zur politischen Flankierung der Exporte vor.Wirtschaftsverbände sorgen sich trotz Wachstums um Exporte – auch wegen Problemen in den globalen Lieferketten.

Das jüngste Exportwachstum der deutschen Industrie löst in Medien und Wirtschaftsverbänden ein geteiltes Echo aus. Einerseits sind die Ausfuhren aus der Bundesrepublik im Juli erneut gestiegen und liegen jetzt um 1,6 Prozent überdem Niveau vom Februar 2020, dem Monat vor dem ersten großen pandemiebedingten Einbruch. Andererseits schwächt sich das Exportwachstum bereits wieder ab; zudem beruht der jüngste Anstieg nur auf inflationsbedingten Preissteigerungen, während die ausgeführte Warenmenge schrumpft; als eine wichtige Ursache dafür gelten wachsende Probleme in den globalen Lieferketten, die dazu führen, dass in manchen Branchen, etwa im wichtigen Maschinenbau, schon fast alle Unternehmen über Materialmangel und Produktionsrückgänge klagen. Die Interessen der Industrie finden Eingang in Überlegungen von Denkfabriken wie etwa der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die in einem neuen Strategiepapier unter dem Begriff „Geoökonomie“ grundsätzliche Überlegungen zur politischen Flankierung des exportfixierten deutschen Wirtschaftsmodells formuliert.

15 Monate Exportaufschwung

Der anhaltende Aufschwung der deutschen Exportindustrie hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Wirtschaftsmedien melden, die deutschen Ausfuhren seien im Juli im „15. Monat in Folge“ trotz zunehmender Materialengpässe gewachsen.[1] Auch der weitere Ausblick sei aufgrund der guten Weltkonjunktur „freundlich“. Konkret seien die Exporte gegenüber dem Vormonat Juni um 0,5 Prozent gestiegen; insgesamt habe der pandemiebedingte Einbruch inzwischen ausgeglichen werden können: Deutschlands Ausfuhren lagen demnach im Juli 2021 um 1,6 Prozent über dem Niveau vom Februar 2020, dem „Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie“. Im Jahresvergleich ist der Wert der im Ausland abgesetzten Waren im Juli laut Angaben des Statistischen Bundesamts um 12,4 Prozent auf 115 Milliarden Euro angestiegen; dabei kontrastierte ein überdurchschnittlich hohes Absatzplus von 15,7 Prozent in den USA mit einem schrumpfenden Export nach China, der um 4,3 sank. Die Vereinigten Staaten blieben damit im Juli mit einem Volumen von 10,8 Milliarden Euro klar der größte Absatzmarkt der Bundesrepublik, gefolgt von China mit 8,4 Milliarden Euro. Die deutschen Auslandsgeschäfte mit den Ländern der Eurozone konnten ebenfalls im Jahresvergleich kräftig um 22,4 Prozent zulegen. Aufgrund der guten kurzfristigen Aussichten hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) seine Exportprognose für dieses Jahr erhöht: Deutschlands Ausfuhren sollen 2021 um acht Prozent wachsen, nachdem sie im Pandemiejahr 2020 um neun Prozent eingebrochen waren.

Materialmangel als Konjunkturbremse

Zugleich monieren Leitmedien allerdings, die Wachstumsdynamik der Exportindustrie schwäche sich ab: Schließlich hätten die Ausfuhren im Juni 2021 noch um 1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat zugelegt.[2]
Als ein Hauptgrund dafür wurden zunehmende Materialengpässe genannt, unter denen Deutschland als mit „der Weltwirtschaft eng vernetzte Exportnation“ besonders stark betroffen sei. Laut Branchenvertretern litten im August 70 Prozent der Maschinenbauunternehmen unter einer unzureichenden Versorgung mit Vorprodukten und Rohstoffen – deutlich mehr als im April, als es noch 40 Prozent gewesen seien. Anfang September hieß es dann, nahezu alle Betriebe seien betroffen. Besonders schwierig gestalte sich die Versorgung mit Stahl und Elektronikkomponenten. Branchenvertreter klagen, die prognostizierte Produktionssteigerung im Maschinenbau von rund zehn Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2020 wäre ohne die Lieferengpässe wohl noch größer ausgefallen. Eine angespannte Versorgungslage melden zudem, wie berichtet wird, fast „alle Bereiche des produzierenden Gewerbes“ – von der „Autobranche bis zur Möbelindustrie“, wo ebenfalls 70 Prozent aller Firmen über ausbleibende Lieferungen an Rohstoffen und Vorprodukten klagten. Tatsächlich ist die gesamte Industrieproduktion im zweiten Quartal 2021 zurückgegangen; erst im Juli folgte wieder ein kleines Plus. Demnach ist auch die exportierte Warenmenge im Juli geschrumpft; der Anstieg der Exportwerte beruht auf der zunehmenden Inflation.

Das Uhrwerk der Lieferketten

Als Warnzeichen für die stockende Zufuhr von Materialien aus dem Ausland gilt, wie es heißt, die „Entwicklung der Importe“, die im Juli „überraschend um 3,8 Prozent zum Vormonat“ geschrumpft seien. Der mitunter „tröpfchenweise fließende Nachschub an Vorprodukten“ werde sich bald „auch in den Exportzahlen niederschlagen“. Diese „schwierige Lage“ dauere an, doch man hoffe, sie werde sich in den kommenden Monaten substanziell bessern, erklären Konjunkturexperten. Etliche Wirtschaftsverbände äußern sich hingegen skeptisch bezüglich der mittelfristigen Aussichten ihrer Branchen.[3]
Der Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt, die Versorgungsprobleme samt der „temporären Schließungen chinesischer Häfen“ wegen pandemiebedingter Lockdowns störten das in der Globalisierung ausgeformte „Uhrwerk der internationalen Lieferketten“. Ein BDI-Sprecher moniert, die vollen Auftragsbücher deutscher Konzerne seien „noch keine Garantie für künftige Exporterfolge“, da angespannte Lieferketten, „hohe Logistikkosten und ungeklärte Handelsstreitigkeiten“ die deutsche Exportwirtschaft ausbremsten. Der Außenhandelsverband BGA sorgt sich insbesondere um die rasch steigenden Importpreise, in denen sich die „großen Probleme in den Lieferketten“ spiegelten. Der DIHK warnt bereits vor einer „Flaute“, da 42 Prozent der Exportunternehmen ihre „bestehenden Aufträge nicht abarbeiten“ könnten und 26 Prozent gar ihre „Produktion drosseln oder gar stoppen“ müssten. Laut BDI arbeiten die Konzerne „mit Hochdruck an der Diversifizierung ihrer Lieferketten und alternativen Beschaffungswege“.

„Im strategischen Interesse Deutschlands“

Die Klagen der Industrie finden Eingang in Überlegungen deutscher Denkfabriken wie der DGAP, die in einem Mitte August publizierten Strategiepapier unter dem Begriff „Geoökonomie“ grundsätzliche Überlegungen zur außenpolitisch-geostrategischen Flankierung des exportfixierten deutschen Wirtschaftsmodells formuliert. Da die deutsche Industrie eng mit den globalen Handelsströmen verflochten sei und rund „12 Millionen Arbeitsplätze“ von der Exportwirtschaft abhingen, liege die Aufrechterhaltung eines offenen und „regelbasierten“ Welthandels „im strategischen Interesse Deutschlands“, heißt es in dem Papier.[4]
Daher müsse Berlin gemeinsam mit Brüssel an einer „Reform der Welthandelsorganisation (WTO)“ arbeiten sowie sich mit Hilfe der EU und mittels „Reformen“ der „europäischen Handelspolitik“ in einem verschärften „geoökonomischen Handelsumfeld behaupten“. Die DGAP sieht dabei Freihandelsabkommen als einen zentralen Baustein ihres Konzepts, das Geostrategie bzw. „Geoökonomie“ als Mittel der Exportförderung versteht. Neben einer „engen transatlantischen Partnerschaft“ müsse Deutschland auf die „Durchsetzung“ von „fairen Handelsbeziehungen“ mit China drängen und schnellstmöglich das „Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU/Kanada“ (CETA) umsetzen. Zu erwägen sei auch die Gründung eines supranationalen „Klimaklubs“, um „mögliche Spannungen durch die Festlegung von globalen Mindeststandards für Handel und Klima“ zu minimieren und dem Ausbau der deutschen Ökoindustrie näherzukommen.

„Mehr Durchsetzungsfähigkeit“

Die WTO befindet sich laut DGAP in der „tiefsten Krise seit ihrer Gründung“. Dies stehe, heißt es, im Zusammenhang mit der „wachsenden geoökonomischen Rivalität zwischen den beiden Wirtschaftsmächten USA und China“, die zu „einer Krise des globalen Handelssystems“ geführt habe.[5]
Die WTO weise ein veraltetes Normensystem auf und sei derzeit nicht in der Lage, eine „Modernisierung der Regeln“ und ihre „Streitschlichtungsfunktion“ sowie die „Überwachung der Handelspolitik“ zu gewährleisten. Dies werfe „Fragen nach der Glaubwürdigkeit und Zukunft der WTO auf“. In Reaktion darauf müsse die Handelspolitik der EU neu aufgestellt werden, und zwar „im Hinblick auf mehr Durchsetzungsfähigkeit“ im globalen geoökonomischen Konkurrenzkampf; auch sei die „Ratifizierung eines breiten Netzes an ambitionierten Freihandelsabkommen (FTAs)“ notwendig. Etwaige Widerstände in der Bevölkerung wie diejenigen gegen CETA sollen laut DGAP durch die verstärkte Berücksichtigung von „Klima- und Umweltaspekten“ gedämpft werden. Eine Reform der WTO, die Berlin „ganz oben auf die Agenda“ setzen solle, sei freilich nur mit den USA machbar, wobei es Berlin vor allem um eine effiziente „Reform des Streitschlichtungsverfahrens“ bei Handelskriegen gehen müsse.

Mit Washington gegen China

Die DGAP spricht sich zudem für eine rasche Normalisierung des Verhältnisses zu den USA aus. Es sei wichtig, heißt es, die „transatlantischen Handelsbeziehungen wiederzubeleben und Vertrauen wiederherzustellen“.[6]
Mögliche transatlantische Initiativen könnten in einem eng abgestimmten „Vorgehen gegenüber China“ und in einer verstärkten „Zusammenarbeit bei der Schnittstelle von Handel und Sicherheit“ bestehen. Gegenüber China plädiert die Denkfabrik zudem für eine gemeinsame Haltung der EU, um die bisherige Dominanz „kurzfristiger nationaler Eigeninteressen“ zu überwinden. Deutschland komme laut DGAP bei der Ausbildung einer solchen „europäischen“ Front gegenüber China eine „besondere Rolle“ zu; dies betreffe, heißt es, neben „Wirtschafts-“ auch „Sicherheitsfragen“. Die Denkfabrik wirft der Volksrepublik vor, ein „zunehmend konfliktreiches geoökonomisches Handelsumfeld“ zu schaffen, indem sie neue Märkte erschließe, wirtschaftliche „Zwangsabhängigkeiten“ erzeuge und „chinesische technologische Standards und Normen in Eurasien“ durchsetze, wodurch deutsche Standards wie die DIN-Norm verdrängt würden. Überdies hätten „marktverzerrende Maßnahmen in China“ zu negativen Auswirkungen auf die „Handels- und Investitionsbeziehungen der EU“ geführt. Berlin solle daher im Rahmen einer offenen strategischen Autonomie „Partnerschaften mit Verbündeten wie den USA“ suchen: Es gelte, „gemeinsame Probleme“ anzugehen und „schwierige Partner wie China“ mit Hilfe „neue[r] Handelsinstrumente und strengere[r] Durchsetzungsmechanismen“ zu „offenem Handel“ zu veranlassen.

[1] Deutsche Exporte wachsen den 15. Monat in Folge trotz Materialengpässen. wiwo.de 09.09.2021.

[2] Materialmangel trifft Exportnation. tagesschau.de 09.09.2021.

[3] Weniger Wachstum für deutsche Exporte – Verbände in Sorge. bietigheimerzeitung.de 09.09.2021.

[4], [5], [6] Geoökonomie und Außenhandel. Deutschland muss einen offenen Welthandel fördern. DGAP Memo Nr. 1. Berlin, August 2021.

Kriegshetze auf Steuerzahlers Kosten: EU-Think-Tank EUISS schildert fiktiven russischen Giftgaseinsatz in Litauen, GDAP will Propaganda intensivieren!

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Vor einigen Tagen auf German Foreign Policy https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8484/
Auszüge:

Mehr Truppen gegen Moskau

Deutscher Think-Tank fordert Stationierung zusätzlicher NATO-Soldaten an der russischen Grenze.
EU-Think-Tank schildert fiktiven russischen Giftgaseinsatz in Litauen.

BERLIN/MOSKAU (Eigener Bericht) – Die NATO soll den militärischen Druck auf Russland weiter erhöhen. Dies fordert ein soeben publiziertes Strategiepapier der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Demnach sei Moskau ein Expansionsstreben“ in Richtung Westen zu unterstellen; sollte einmal „die Einheit der NATO hinlänglich unterminiert“ werden, dann drohe „die Ausdehnung russischer Kontrolle über Europa … beinahe automatisch“ zu erfolgen.
Einer der Autoren des Strategiepapiers ist Generalleutnant a.D. der Bundeswehr Brauß, der lange für die NATO tätig war und unter anderem die Federführung bei der gegen Russland gerichteten Neuausrichtung des Kriegsbündnisses im Jahr 2014 innehatte.
Das Papier fordert die Stationierung zusätzlicher Truppen an der russischen Grenze und verlangt, der deutschen Öffentlichkeit, die Russland mehrheitlich nicht als Bedrohung wahrnehme, „die russische Politik zu erklären“.
Unterdessen hat ein einflussreicher EU-Think-Tank ein weiteres Papier publiziert, das in einem Zukunftsszenario einen fiktiven Giftgasangriff der russischen Streitkräfte auf Litauen zum Gegenstand hat.

Von der NATO zur DGAP

Nein_zur_Nato_DDR1957Neue Forderungen, Russland militärisch noch stärker als bisher unter Druck zu setzen, trägt die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einem soeben publizierten Positionspapier vor. Autoren sind András Rácz, Senior Fellow beim Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP, und Heinrich Brauß, Senior Associate Fellow des Berliner Think-Tanks.
Generalleutnant a.D. Brauß hat eine lange militärische Karriere hinter sich, die ihn aus dem Planungsstab von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe zunächst auf den Posten des Stabschefs im Hauptquartier der (völkerrechtswidrigen) NATO-Operation SFOR in Bosnien-Herzegowina führte. Anschließend wirkte er unter anderem als Assistant Chief of Staff im Brüsseler Militärstab der EU, bevor er zur NATO wechselte.
Dem Kriegsbündnis diente Brauß von Oktober 2013 bis Juli 2018 als Beigeordneter Generalsekretär für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung; er hatte insbesondere die Federführung bei der gegen Russland gerichteten Neuausrichtung der NATO im Jahr 2014 inne.[1]
Entsprechend fallen Inhalt und Duktus des DGAP-Positionspapiers aus.

Moskaus „Expansionsstreben“

In dem Dokument unterstellen Brauß und Rácz Russland generell ein „Expansionsstreben“, das „eine ernsthafte geopolitische Herausforderung und eine potenzielle militärische Bedrohung für die europäische Sicherheit“ sei.
Begründet wird dies unter anderem damit, dass Russland unweit seiner westlichen Grenze große Manöver durchführt und dort in gewissem Maß Truppen massiert; Brauß und Rácz interpretieren dies nicht als Verteidigungsmaßnahme mit Blick auf die zunehmende Präsenz von NATO-Truppen unmittelbar jenseits der russischen Westgrenze, sondern als Ausdruck vermeintlicher Aggressionsbereitschaft. Zwar räumen der langjährige NATO-Militär sowie sein DGAP-Kollege ein, dass Moskau „einen direkten militärischen Konflikt mit der NATO und den USA in Europa vermeiden will“ und deshalb „das Risiko einer russischen Militäraggression gegen die baltischen Staaten gegenwärtig gering“ sei.[2]
Allerdings heißt es in dem DGAP-Papier, falls die Vereinigten Staaten sich in Zukunft auf Ostasien konzentrierten und „mit großen Truppen in der Asien-Pazifik-Region gebunden“ seien, könne Russland eventuell „eine aggressivere Haltung in Europa“ einnehmen.

„Unter russischer Kontrolle“

Das gelte erst recht, prognostizieren Brauß und Rácz, sollte „die Einheit der NATO hinlänglich unterminiert“ werden oder das Kriegsbündnis gar zerfallen. Vor allem das Baltikum stelle sich in diesem Fall als „ein offenes Feld“ dar, über das Russland „Kontrolle gewinnen“ werde: „Die Ausdehnung russischer Kontrolle über Europa erfolgte dann beinahe automatisch.“[3]
Zum Beleg angeblicher russischer Aggressionsplanungen führt das DGAP-Positionspapier an, Moskaus Militärhaushalt habe im Jahr 2019 ein Volumen von rund 62 Milliarden US-Dollar erreicht. Das trifft zu; allerdings ist das nicht viel mehr als der offizielle Bundeswehrhaushalt, der im Jahr 2019 bei 54,8 Milliarden US-Dollar lag.
Behelfsweise erklärt die DGAP, berechne man das russische Rüstungsbudget nach Kaufkraftparität – also unter Berücksichtigung der abweichenden Stärke der jeweiligen nationalen Währungen -, dann entspreche es einem westlichen Militärhaushalt in Höhe von rund 164 Milliarden Euro. Der Berliner Think-Tank lässt unerwähnt, dass dies immer noch erheblich weniger ist als die Militärausgaben der europäischen NATO-Mitglieder, die sich im Jahr 2019 zusammengenommen auf 287 Milliarden US-Dollar beliefen – und dies ohne Berechnung nach Kaufkraftparität.

Truppen verstärken, Propaganda intensivieren

Aus der vorgeblichen Bedrohung durch Russland ziehen die Autoren des DGAP-Papiers den Schluss, die NATO müsse den militärischen Druck auf Moskau erhöhen. So sollten etwa die im Baltikum und in Polen stationierten Einheiten – darunter das deutsch geführte Kontingent im litauischen Rukla [4] – verstärkt werden, vorzugsweise durch US-Soldaten.
Die Luft- und Raketenabwehr sei „drastisch“ auszubauen, inklusive Luft-Luft-Raketen, mit denen man russische Marschflugkörper möglichst rasch nach deren Abschuss zerstören könne.
Eine besondere Rolle komme – auch „wegen seiner zentralen geopolitischen Lage, seinen historischen Erfahrungen“ – Deutschland zu. Leider nehme die Mehrheit der deutschen Bevölkerung „keine Bedrohung“ durch Russland wahr. Deshalb gelte es, der deutschen Öffentlichkeit „die russische Politik zu erklären“ und „die vielfältigen Formen von Einschüchterung und Drohungen zu beschreiben, denen östliche Verbündete ausgesetzt“ seien.[5]
Auch müsse man „klarstellen, dass der Schutz und, sofern nötig, die Verteidigung von Deutschlands östlichen NATO-Verbündeten bedeuteten, Deutschlands Sicherheits und territoriale Integrität zu schützen und zu verteidigen“. Es gelte „auf glaubwürdiger Abschreckung zu bestehen“.

Fictional Intelligence

Kurz vor der Publikation des DGAP-Positionspapiers hat der zentrale außen- und militärpolitische Think-Tank der EU, das European Union Institute for Security Studies (EUISS), ein Papier publiziert, das gleichfalls einen Beitrag zum Konflikt zwischen dem Westen und Russland enthält. Das gesamte Papier umfasst 15 Zukunftsszenarien, in denen mögliche Ereignisse im Jahr 2030 beschrieben werden; ausdrücklich heißt es, es handle sich „nicht um Science Fiction, sondern um Fictional Intelligence (FICINT): wurzelnd in der Wirklichkeit„.[6]
Die Methode soll dazu dienen, die Strategiebildung anzuregen. Die Autoren aller 15 Beiträge hätten den Auftrag erhalten, ihre Zukunftsszenarien „nicht allzu fantastisch“ zu konzipieren, sondern „schwache Signale“ der Gegenwart und „Konfliktelemente, die (noch) nicht in den Schlagzeilen sind“, aufzunehmen, heißt es. Das Papier wurde im Dezember 2020 publiziert.

Giftgas

Der Beitrag zum Konflikt zwischen dem Westen und Russland ist pseudoliterarisch in Form einer Kurzgeschichte verfasst. Hauptfigur ist ein deutscher Soldat, der sich auf litauischem Territorium unmittelbar an der Grenze zu Belarus aufhält und Bewegungen in Belarus operierender russischer Truppen beobachtet. Kurz zuvor seien, so heißt es, die letzten in Deutschland stationierten US-Einheiten abgezogen worden; in Europa bestehe deshalb „ein Machtvakuum“.[7]
Die Geschichte beschreibt einen unprovozierten Überfall der russischen Streitkräfte auf Litauen, der mit einem Cyberangriff und elektronischen Störmanövern eingeleitet wird.
Besonderer Höhepunkt der Darstellung ist die Schilderung eines fiktiven Giftgaseinsatzes durch russische Truppen während ihres Einmarschs in Litauen.

[1] Heinrich Brauß. dgap.org.

[2], [3] Heinrich Brauß, András Rácz: Russia’s Strategic Interests and Actions in the Baltic Region. DGAP Report No. 1. Berlin, January 2021.

[4] S. dazu Tote Erinnerung und Jubiläum mit Truppenbesuch.

[5] Heinrich Brauß, András Rácz: Russia’s Strategic Interests and Actions in the Baltic Region. DGAP Report No. 1. Berlin, January 2021.

[6] Florence Gaub: On the future of conflict. In: Florence Gaub (Ed.): Conflicts to Come. 15 scenarios for 2030. European Institute for Security Studies: Chaillot Paper 161. Paris, December 2020. 2-8.

[7] Natasha E. Bajema: Every trick in the book. A story of Russia and Lithuania. In: Florence Gaub (Ed.): Conflicts to Come. 15 scenarios for 2030. European Institute for Security Studies: Chaillot Paper 161. Paris, December 2020. 60-66.

Siehe auch schon dazu hier: https://josopon.wordpress.com/2015/02/08/ein-ring-um-russland-deutschland-ubernimmt-fuhende-rolle-bei-der-einkreisung/
Passend dazu die österreichische „Erste Allgemeine Verunsicherung“: http://www.eav.at/texte/russen-kommen

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Jochen

Mit allen Mitteln und Unterstützung aus der Linkspartei für das große Inferno in Nahost

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Man möchte sich dafür schämen, wie hier führende Genossen agieren, unterstützt offensichtlich von der US- und israelischen Regierung.
Dieser Artikel erschien bereits vor der aktuellen Eskalation. Man kann jetzt genau verfolgen, wie sich die hier genannten Kriegshetzer im aktuellen Nahost-Konflikt äußern.
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Diese Leute sind auch für die Spaltung der Friedensbewegung verantwortlich und bedrohen den Zusammenhalt der gesamten Partei.
Pfui, Petra !
Kritik an den USA, Israel und konsequentes Eintreten für einen Ausbau des Sozialstaates soll als antisemitisch bzw. rechtsradikal angeschwärzt werden.
Siehe auszugsweise hier: https://www.hintergrund.de/politik/welt/mit-allen-mitteln-fuer-das-grosse-inferno/
Die Literaturangaben sind dem (kostenpflichtigen) Herunterladen des Heftes zu entnehmen.

Mit allen Mitteln für das große Inferno

In Deutschland, Österreich und der Schweiz kämpft eine äußerst aggressive und mit ultrarechten US-Denkfabriken vernetzte Lobby für eine Eskalationspolitik gegen Iran – mit Geldern von der Bundesregierung und Schützenhilfe aus der Linken.

Von SUSANN WITT-STAHL | Veröffentlicht in: Weltpolitik

Die Lobby verfolgt einen maximalen Konfrontationskurs gegenüber Iran. Seitdem die Islamische Republik ihren Abwehrkampf gegen den Petrodollar begonnen hat − das war einer der wirtschaftlichen Gründe, die den damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Jahr 2002 dazu bewogen haben, das Land seiner «Achse des Bösen» hinzuzufügen −, und nachdem Iran seine Ölgeschäfte 2007 auf Nicht-US-Dollar-Währungen umgestellt sowie 2008 die iranische Ölbörse eröffnet hat, formiert sich in der westlichen Welt eine immer breiter werdende Front aus transatlantischen NGOs und Medien, unterstützt von der Politik.

Auch hierzulande gründeten sich, propagandistisch flankiert vom Springer-Konzern, eine Reihe von neokonservativen Pressure Groups, die seit Jahren die deutsche Bundesregierung zu einer Eskalation gegenüber Iran drängen wollen.
Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten (der derzeit noch zwischen Isolationismus und Interventionismus changiert), seine Aufkündigung des Atomabkommens im Jahr 2018 und die stetige Verschärfung der Sanktionen, etwa die völkerrechtswidrige Unterbindung des Handels von Drittstaaten mit Iran, geben den Kriegsbefürwortern berechtigten Anlass zur Hoffnung.

Dialog ausgeschlossen

«Die deutsche Regierung muss aufhören, die Bemühungen anderer Staaten zur wirksamen Eindämmung des iranischen Expansionismus zu bremsen», forderte das Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) bereits im Jahr 2008. Die NGO initiiert Konferenzen und tritt als «Berater» für Presse, Regierung und Parlamente in Erscheinung. 1
Das MFFB, das mit Think Tanks wie dem von ExxonMobil und anderen Großkonzernen finanzierten American Enterprise Institute kooperiert, 2 wird nicht müde, die «Unmöglichkeit des Dialogs» mit Iran zu betonen – dabei ist das Land zwar in Konflikte in Syrien, Jemen und Libanon verstrickt, hat aber noch nie einen Angriffskrieg geführt.
Und wenngleich der MFFB-Vorstand unmissverständliche Botschaften sendet wie «Die iranische Bombe muss mit allen Mitteln verhindert werden», 3 werden seine «Bildungsseminare» genannten PR-Veranstaltungen von der Bundesregierung gefördert. 4

MFFB ist auch Initiator der bekanntesten Kampagne gegen Iran mit dem orwellianischen Namen Stop the Bomb (STB), für die die NGO eifrig Spendengelder sammelt. 5 «Anstatt dem antisemitischen Terrorregime im Iran zur Seite zu springen, sollte die EU die neuen US-Sanktionen zum Umdenken nutzen», verlautbarte STB, nachdem US-Präsident Donald Trump die Daumenschrauben im November 2018 angezogen hatte.
«Die bisherige europäische Iran-Politik hat sich als illusorisch erwiesen. Sie hat zu keiner Verbesserung der Situation im Iran und der Region beigetragen. Das iranische Nuklearprogramm wurde durch das Atomabkommen nicht beendet, sondern dauerhaft institutionalisiert und legalisiert.» 6

Mit Abschusslisten, «Spürhunden» und Steuergeldern

Im Jahr 2012 war STB in die Schlagzeilen geraten. Kritisch beleuchtet wurden Einschüchterungsmaßnahmen und Hetze gegen Politiker oder in Deutschland lebende Iraner, häufig Geschäftsleute, die nichts mit Rüstungsgeschäften zu tun haben; treffen kann es jeden, der öffentlich für Verständigung mit Teheran oder auch nur gegen einen Krieg plädiert.
«Gespräche mit Iran werden als alliierte Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland verteufelt und auf Anwendung militärischer Gewalt gedrängt», resümiert der Journalist Fabian Köhler, der über die mehr als fragwürdigen Methoden von STB recherchiert hatte 7 und in der Folge Anfeindungen zum Beispiel vonseiten des rechten Krawall-Blogs HaOlam ausgesetzt war. 8
Was es heißt, auf der Abschussliste von STB zu stehen, musste erst im März der – mittlerweile ehemalige – Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, Peter Schäfer, erfahren, nachdem er es gewagt hatte, den Kulturrat der Islamischen Republik zu empfangen. Das Jüdische Museum sei «in der Vergangenheit bereits durch die Einladung israelfeindlicher Referenten aufgefallen», diffamierte STB die Institution.
Und mit der Behauptung, Schäfer habe «alle roten Linien überschritten», sowie der Forderung, die zuständige Staatsministerin Monika Grütters müsse endlich «personelle Konsequenzen» ziehen, war sein Schicksal besiegelt. Im Juni schließlich nahm er, zermürbt von einer monatelangen, gut orchestrierten Schmutzkampagne, seinen Hut.

Erstmals für Aufsehen gesorgt hatte Stop the Bomb kurz nach ihrer Gründung im Jahr 2007 mit einer Petition für eine rigorose Verschärfung der Sanktionspolitik gegen Iran und Unterstützung der Opposition, die einen Regime Change herbeiführen will. Ein Erstunterzeichner, der israelische Historiker Benny Morris, fand deutliche Worte und warb bereits im Jahr 2008 auf einer Konferenz von STB in Wien für einen Krieg, wenn nötig auch mit Atomwaffen, gegen Iran. 9
Derartige Ausfälle tun dem Zuspruch von Prominenten aus Kultur, Wissenschaft, Medien und Politik allerdings offenbar keinen Abbruch: Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die Schauspielerin Iris Berben, die ARD-Journalistin Esther Shapira, der Herausgeber der nach rechts außen gerückten Achse des Guten, Henryk M. Broder, der Publizist Micha Brumlik, Petra Pau von den Linken und viele andere haben ihre Namen unter die STB-Petition gesetzt − Islamhasser, Militärlobbyisten, Bewunderer des NATO-Menschenrechtsimperialismus und der Netanjahu-Regierung aus dem rechten, dem bürgerlichen wie auch dem linken Spektrum. 10

Ebenfalls nicht zimperlich geht das internationale Akademikernetzwerk Scholars for Peace in the Middle East (SPME) vor, das im Jahr 2008 in den USA entstanden ist und im großen Stil McCarthyistische Denunziationsfeldzüge gegen linke und andere Kriegsgegner an den Universitäten führt.
Zentrale Figur ist der ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Grünen, Matthias Küntzel: Er hat SPME Deutschland mitgegründet, war fünf Jahre lang im internationalen Vorstand der Organisation und ist heute Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik – einer Denkfabrik, die bemüht ist, die deutsche Außenpolitik im Interesse von Großbanken und Rüstungskonzernen, wie etwa Krauss-Maffei Wegmann und Airbus, zu beeinflussen. 11
SPME, ebenfalls Unterstützer von Stop the Bomb, proklamierte bereits im Jahr 2010, dass es «Zeit zum Handeln» gegen Iran sei. 12 Heute trommelt das Netzwerk für Trumps Israelpolitik, inklusive der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des Judenstaates, und nimmt in seinen Publikationen Repräsentanten von sozialen Bewegungen ins Visier, die sich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten engagieren und laut Definition von SPME«antisemitisch» oder «israelfeindlich» eingestellt sind. Sympathisanten werden indes aufgerufen, wie ein «Spürhund» 13 die zivilgesellschaftliche Kampagne gegen die israelische Besatzungspolitik „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) genau zu beobachten und Verdächtige bei SPME «anzuzeigen». 14
Auf der Homepage ihrer deutschen Sektion finden sich Artikel, in denen eine «Fruchtlosigkeit» diplomatischer Lösungen im Konflikt mit Iran angeprangert, 15Legitimationsideologien für einen «Präventivschlag» gegen das Land entfaltet 16 und der Friedensbewegung nahestehende Akademiker attackiert werden, beispielsweise die Wissenschaftler, die im Jahr 2012 die Erklärung «Sanktionen und Kriegsdrohungen sofort beenden» unterzeichnet hatten. 17

Eine wichtige, ebenfalls von Steuergeldern mitgetragene Säule der Pro-Kriegs-Front gegen Iran – sie wird vom Programm «Demokratie leben!» des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert – bildet die Amadeu Antonio Stiftung (AAS). Die im Jahr 1998 von der glühenden Antikommunistin Anetta Kahane ins Leben gerufene Einrichtung hat sich offiziell die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf die Fahnen geschrieben. Sie leistet unter dem Deckmantel der Aufklärung über «israelbezogenen Antisemitismus» finanzielle Unterstützung bei Veranstaltungen mit Referenten vom Mideast Freedom Forum Berlin und Stop the Bomb 18 sowie bei der Veröffentlichung von antiiranischen Broschüren und kooperiert mit der Regime-Change-Lobby in Demonstrationsbündnissen. 19

«Die Menschen im Iran lieben Präsident Trump»

Sogar ein international führender Kopf der rechten exiliranischen Opposition war schon zu Gast bei der AAS: Amir-Abbas Fakhravar («Die Menschen im Iran lieben Präsident Trump» 20), der dort die Frage erörterte, «wie von westlicher Seite säkular-demokratische Kräfte im Iran in ihrem Kampf für Freiheit unterstützt werden können». 21
Kein Geringerer als Sheldon Adelson, einer seiner großen Gönner, gab Auskunft, was Fakhravar ihm anvertraut hatte: «Er sagt, dass das iranische Volk in Ekstase verfallen wird, wenn wir angreifen», zitierte The New Yorker den Multimilliardär, der Donald Trumps Wahlkampf seinerzeit mit großzügigen Spenden unterstützt hat. 22

Nicht zufällig war Fakhravar bereits von George W. Bush während dessen Amtszeit als US-Präsident mehrmals empfangen worden. Er tritt auch regelmäßig bei Fox News und anderen rechten US-Medien als «Iranexperte» auf (in der Vergangenheit hat er ferner europäische Parlamentarier gebrieft, darunter den deutschen CDU-Politiker Ruprecht Polenz 23). Als Senatsabgeordneter des National Iranian Congress, der als die einflussreichste Oppositionellengruppe in den USA gilt, ist sein größtes Ziel, eine knallharte Linie gegen Teheran durchzusetzen: «Wir fordern die Trump-Regierung nachdrücklich auf, die Obama-Politik der Subventionierung der Aktivitäten des Khamenei-Regimes − des weltweit führenden staatlichen Sponsors des Terrorismus – zu revidieren», hatte Fakhravar kurz nach der Präsidentschaftswahl im Dezember 2016 auf Breitbart deutlich gemacht, wohin die Reise gehen soll. 24

An der Seite von John Bolton gegen das «diplomatische Waterloo»

Auch in Österreich und der Schweiz ist die Pro-Kriegs-Lobby gut aufgestellt. Die in Zürich ansässige Internetplattform Audiatur, deren Träger eine Stiftung ist, die von dem Vermögensverwaltungsunternehmer Josef Bollag ins Leben gerufen wurde, geht äußerst rabiat gegen Verweigerer einer Eskalationspolitik gegen die Islamische Republik vor.
Ebenso agiert der auf Initiative des Wiener Stahlunternehmers Erwin Javor gegründete und nach eigenen Angaben «unabhängige Nahost-Think-Tank» Mena-Watch, der im Jahr 2011 aus der Medienbeobachtungsstelle Naher Osten hervorgegangen ist. 25
Meistens genügt es schon, einfach nur der linken Opposition in den USA, einem europäischen Land oder Israel anzugehören, um zur Zielscheibe dieser Pressure Groups zu werden: Wissenschaftler, Journalisten und Politiker, die der Durchsetzung ihrer Agenda hinderlich sind, werden als «Antisemiten», heimliche Verbündete «der Mullahs» oder des islamistischen Terrors gebrandmarkt.
Besonders übel werden jüdische Intellektuelle wie Avraham Burg, Shlomo Sand und Moshe Zuckermann angegangen und als «jüdische Kronzeugen» 26 der erklärten Feinde diffamiert; jene würden «ihr Judentum vermarkten». 27
Den Betreibern von Mena-Watch geht Trumps Außenpolitik nicht weit genug. Sie werfen der US-Regierung «Untätigkeit» vor – angeblich lasse sie zu, dass «der Iran im Golf tun kann, was er will». 28

Solche Positionen korrespondieren weitgehend mit der kruden Weltsicht von Trumps Nationalem Sicherheitsberater John Bolton, einem der wichtigsten Architekten des Irakkrieges von 2003. Er gehört zu den aggressivsten Vertretern der Waffen- und Rüstungslobby in den USA und wünscht sich die Liquidierung von Whistleblowern wie Edward Snowden («Er sollte an einer hohen Eiche aufgehängt werden» 29).
Bolton hält das Atomabkommen mit Teheran für ein «diplomatisches Waterloo» 30 und lässt keine Gelegenheit aus, um das von vielen US-amerikanischen Evangelikalen und anderen Ultrarechten ersehnte Armageddon im Nahen Osten voranzutreiben. So ist es kein Zufall, dass Verbindungen zwischen dem von ihm mitaufgebauten Gatestone Institute, Audiatur, Mena-Watch und anderen Drückerkolonnen für westliche Angriffskriege in Europa bestehen. Boltons Denkfabrik befeuert mit Rassismus aufgeladene Hasskampagnen gegen eine humane Flüchtlings- und Migrationspolitik und kooperiert mit europäischen Rechtspopulisten wie dem Niederländer Geert Wilders.
Nicht wenige Projekte des Gatestone Institute, das immer wieder wegen der Verbreitung von Fake News in die Kritik gerät, werden großzügig durch das Middle East Forum des Islamhassers Daniel Pipes unterstützt. Er ist ebenso Sponsor des regelmäßig «Volksverräter» anprangernden Journalistenwatch-Portals 31, auf dem auch der rechte Verleger Götz Kubitschek und Martin Sellner, Chef der Identitären Bewegung, ihre Sicht der Dinge zum Besten geben, und der Mercer Family Foundation, dem Finanzier von Steve Bannons Breitbart – Geldgeber also, die antisemitisches, sogar neofaschistisches Gedankengut fördern. Das hindert Mena-Watch und Audiatur freilich nicht daran, eine große Anzahl von Publikationen von Gatestone zu übernehmen, zu übersetzen und intensiv weiterzuverbreiten. Und einige ihrer Autoren, beispielsweise Stefan Frank (er skandalisiert einen angeblichen «Krieg gegen die Meinungsfreiheit» in Deutschland, dessen Opfer rechte Medien wie Die Achse des Guten und Breitbart seien 32), verfassen regelmäßig Beiträge für das Institut.

Diese antiiranische Armada im Bündnis mit ultrarechten Hardlinern wie John Bolton, der vor keiner Menschenrechtsverletzung und keinem Völkerrechtsbruch zurückschreckt, wenn es darum geht, die Interessen des US-amerikanischen Kapitals durchzusetzen, ist nicht etwa an einem Regime Change oder sogar an einem Krieg im Nahen und Mittleren Osten interessiert, weil sie um die in der Tat prekäre Lage der unterdrückten Opposition, von Frauen und Minderheiten in der Islamischen Republik besorgt ist.
Dies beweist nicht zuletzt das Verhältnis der Pro-Kriegs-Lobby gegen Iran zum − neben Israel − engsten Verbündeten des Westens in der Region: Die von der Theokratie Saudi-Arabien Tag für Tag verübten Barbareien (inklusive Kreuzigungen politischer Gegner, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen wollen) werden von der Mehrheit konsequent beschwiegen oder offensiv verharmlost. Mena-Watch hat gar den als Schlächter verschrienen Kronprinzen Mohammed bin Salman als Humanisten entdeckt, der viel Zuspruch von einem «bedeutenden Teil vor allem der jüngeren Bevölkerung» ernte: «Saudi-Arabien befindet sich überhaupt in einem Umbruch, der Kronprinz versucht in – für Verhältnisse vor Ort – rasantem Tempo Reformen umzusetzen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar erschienen. So soll es Frauen etwa ab diesem Jahr gestattet sein, Auto zu fahren», verkündete im Jahr 2018 der Autor Thomas von der Osten-Sacken, der auch für die Springer- und andere Konzernmedien schreibt. 33

«Antideutsche»

Männer fürs Grobe und linke Unterstützer

Für derartige ideologische Totalverkehrungen der Realität zugunsten des militärisch-industriellen Komplexes und der westlichen Ölindustrie sind Propagandisten gefragt, die das Handwerk der Manipulation verstehen: Thomas von der Osten-Sacken, Matthias Küntzel, Stefan Frank, ebenso der Mitgründer von Stop the Bomb Stephan Grigat und Vorstandsmitglieder des Trägervereins von Mena-Watch, Florian Markl, Alexander Gruber, viele beim MFFB oder bei SPME Organisierte, etwa Andreas Benl und Sebastian Voigt, sowie zahlreiche ihrer Stammautoren, beispielsweise Alexander Feuerherdt, stammen aus der mittlerweile lupenrein neokonservativen Strömung der «Antideutschen». Dieses Zerfallsprodukt der deutschen und österreichischen Linken, das sich Anfang der 90er Jahre vorwiegend aus den sich auflösenden K-Gruppen rekrutiert hatte, zieht heute immer mehr karriereorientierte Politiker, Studenten und Medienschaffende an, die noch im linken Milieu aktiv sind.

Trotz strammen Rechtskurses stehen den Männern fürs Grobe von Mena-Watch, Audiatur, Stop the Bomb & Co bis heute alle Tore der Linken weit offen: Feuerherdt und Frank gehören zu den Autoren der Zeitschrift Konkret, Osten-Sacken publiziert – sogar auf einem extra eingerichteten Blog Von Tunis nach Teheran – regelmäßig in der Wochenzeitung Jungle World. Stephan Grigat referiert immer wieder bei Antifas, linken Hochschulgruppen, im Jahr 2019 sogar auf Einladung der Rosa Luxemburg Stiftung. 34

Nicht anders sieht es auf parlamentarischer Ebene aus: Der Landesverband Berlin der Partei Die Linke unterstützt, gemeinsam mit CDU, FDP und HaOlam, von Stop the Bomb und anderen Pro-Kriegs-Organisationen initiierte Demonstrationen für eine Regime-Change-Politik gegen Iran; der heutige Kultursenator Klaus Lederer trat bereits im Jahr 2015 als Redner auf. 35
Ebenso treten Mitglieder der Linken-Bundestagsfraktion als Fürsprecher eines iranischen Regime Change auf, beispielsweise ihr verteidigungspolitischer Sprecher Stefan Liebich; Michael Leutert arbeitet sogar mit dem Mideast Freedom Forum Berlin zusammen und hielt im Jahr 2018 mit ihm eine gemeinsame Pressekonferenz ab. 36

Der sehnsüchtige Wunsch nach einer Intervention in Iran macht’s möglich: Im Freundeskreis Israel im Thüringer Landtag kooperieren Politiker der Linken, etwa Katharina König-Preuss, sogar mit der AfD. Auch dort ist Stephan Grigat ein gern gesehener Gast. Im September 2017 gab er in einem Vortrag die passende Antwort auf die Frage: «Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran – eine Gefährdung Israels?». 37

Rechtsfront gegen die Friedensbewegung

Auf HaOlam wächst mehr und mehr zusammen, was womöglich längst zusammengehört: Im Impressum werden als «freie Mitarbeiter» Konkret- und Jungle-World-Autoren ebenso aufgeführt wie Publizisten, die Islamhasser-Positionen der AfD (in der derzeit noch eine Mehrheit für die Einhaltung des Atomabkommens mit Iran ist) verteidigen, etwa Vera Lengsfeld und Rafael Korenzecher, der Herausgeber der Jüdischen Rundschau, die sich zum Sprachrohr der Vereinigung «Juden in der AfD» mausert. 38

Was die Kriegslobby gegen Iran vor allem zusammenschmiedet, ist die Agenda der Zerschlagung der antikapitalistischen Linken und der Friedensbewegung, die sich dem Imperialismus des Westens entgegenstellt und das drohende flammende Inferno im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern sucht.
«Diese ganze antiimperialistische Szene finde ich abstoßend», verkündete die Chefin der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane in der taz. 39
Die Forderungen der Friedensbewegung seien «oft antiisraelisch und typisch antiimperialistisch links, also rückschrittlich und lassen die liberale Demokratie theoretisch ins offene Messer laufen», erklärte der Sprecher einer Partnerorganisation von SPME auf Audiatur-Online. «Paul Spiegels Aussage ‹Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder› trifft auf die deutsche Friedensbewegung größtenteils zu.» 40
Solche Weltbilder, in der Regel gepaart mit antimuslimischem Rassismus, lassen befürchten, dass womöglich schon bald ein großer Albtraum linker wie bürgerlicher Humanisten Realität werden könnte: eine breite Allianz auf allen Ebenen zwischen der transatlantischen und der allerorts erstarkenden nationalistischen Rechten.

Wir werden diese Kriegsschreiber hier weiter beobachten und beschreiben.

Vergleiche auch https://josopon.wordpress.com/2019/12/17/antideutsche-propagandatruppe-ruhrbarone-starten-hetzkampagne-gegen-israelische-menschenrechtsanwaltin/
https://josopon.wordpress.com/2018/09/08/wie-ein-antideutscher-fanatiker-in-wikipedia-seit-jahren-hetzartikel-unterbringt-die-linke-schadigt-und-warum-bish-er-niemand-ihn-bremst/
https://josopon.wordpress.com/2019/08/20/israelische-lobbyorganisationen-die-bild-zeitung-und-die-bundesregierung-tragen-zur-versenkung-des-iran-atomabkommens-bei/

https://josopon.wordpress.com/2016/09/27/salven-aus-den-verlagshausern-der-anteil-der-medien-an-den-kriegen-des-westens/

Jochen

Gekaufter „Werte“-Politiker: Cem Özdemir

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein guter Überblick darüber, wie die „Atlantiker“ sich die Fake-News-Schleudern mit Steuergeldern bezahlen lassen und Sozialdemokraten und Grüne auf ihre Kosten kommen. Die Wegbereiter für Habeck.
Göring-Eckard ist ja auch schon bei der Atlantik-Brücke.
https://www.heise.de/tp/features/Cem-Oezdemir-Der-gruene-US-Boy-4427752.html

Dort auch treffende Kommentare. 

Oezdemir_BW

Foto: junge Welt

Dazu auch noch auszugsweise ein Artikel vom Montag 17.6.19 in der jungen WELT 16.6.19: https://www.jungewelt.de/artikel/356778.kuscheln-mit-der-bundeswehr-tarnfarbe-gr%C3%BCn.html

Manche wundern sich noch immer über die grüne Wende: Weg von der einstigen Friedensbewegung hin zu einer atlantischen NATO- Partei.
Dafür steht der frühere Außenminister Joschka Fischer, aber auch Özdemir

Am 19. November 2017 platzte für den damaligen grünen Parteivorsitzenden Özdemir wohl ein Lebenstraum. Mit dem Scheitern der Verhandlungen von CDU, CSU, FDP und Grünen für eine „Jamaika-Koalition“ entschwand sein Ziel, Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Statt Weltsicherheitsrat winkte nur noch der Vorsitz im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags. Statt neuer chinesischer Seidenstraße nun die Niederungen wie eine B 311- Ortsumfahrung Deppenhausen, 40 Kilometer von Bad Urach, dem Geburtsort des „schwäbischen Türken“ entfernt.

Entsprechend fremdelt er mit dieser ungeliebten Aufgabe. Statt früherer markiger Worte zum Stuttgarter Milliardengrab Stuttgart 21 am nun eigentlich richtigen Platz hört man vom neugebackenen Verkehrsexperten weiterhin mehr zur großen Weltpolitik als zum Thema Verkehr.
Global kommt er so natürlich auch nicht seinem Parteifreund Kretschmann ins Gehege, der als Ministerpräsident im Ländle nach einer fragwürdigen Volksabstimmung zum entschiedenen Projektbefürworter mutierte.
Fragt man Özdemir nach der Beurteilung dieser Wandlung, erntet man Schweigen: „Keine Zeit“, solche Anfragen zu beantworten, lässt sein Büro wissen.

Auch sonst ist Cem Özedemir wenig mitteilsam, sobald es unbequemer wird. Vor allem bei Fragen nach seiner Vergangenheit, in der schon einmal seine Politikkarriere beendet schien. 2001 noch im „Young leader“ Programm des American Council of Germany trat er 2002 als innenpolitischer Sprecher im Bundestag zurück. Es waren mehrere private Flüge für ihn und Dritte unter Verwendung dienstlich erworbener Bundestagsflugmeilen bekannt geworden.

Außerdem wurde damals ein Darlehen des früheren Bonner Politikberaters Moritz Hunzinger in Höhe von 80.000.- Mark öffentlich. Özdemir war zuvor in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil er „vergessen“ hatte, dass auch Mitglieder des Deutschen Bundestags Steuern zu zahlen hätten.
Und so verschwand der „young leader“ vorübergehend von der öffentlichen Bildfläche in Deutschland.

Özdemir erinnerte sich jedoch rasch seiner guten USA-Kontakte und flog damals, auch ohne Bundestagsbonusmeilen, als „Transatlantic Fellow“ und Vortragsreisender des German Marshall Fund über den Atlantik.

Wie kann man sich so ein Leben als Fellow, zu deutsch Kumpel, salonfähiger auch als „Mitglied einer Akademie“ übersetzt, vorstellen? „Keine Zeit“ hat der Schwabe, auf diese Frage zu antworten.
Auffällig ist dennoch, dass Özdemir seinen US-amerikanischen „Kumpeln“ seither äußerst wohlwollend gegenüber steht.

Wertegeleitete Außenpolitik

Kritik kennt er außenpolitisch eigentlich nur an Russland, am Iran oder an der Türkei.
Empfindet er gegenüber den USA also so etwas wie Dankbarkeit oder gar eine Bringschuld, zumal er dort vor dem politischen und persönlichen Absturz bewahrt
wurde?
Denn vor seinem neuen Mandat ab 2004 im Europaparlament, dort bald grüner außenpolitischer Sprecher, war er noch im Brüsseler Büro des GMF tätig. Was arbeitete er dort? „Keine Zeit“.

„Werte“ sind Cem Özdemir besonders wichtig, lässt er besonders häufig verlauten. Dabei bezieht er sich gerne auf keine geringeren Persönlichkeiten als Goethe, Schiller und Shakespeare.

Die Forderung nach einer „wertegeleiteten“ Außenpolitik wird von ihm wie eine Monstranz vor sich hergetragen.
Stehen die USA und die NATO aber tatsächlich für „Werte“, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre von Bush bis Trump verfolgt? „Keine Zeit“, sagt das Büro Özdemir im Bundestag.

Lässt sich seine heutige russlandkritische Einstellung vielleicht mit seinen Aufenthalten in den USA und aus tiefer Dankbarkeit gegenüber seinen Förderern erklären? „Keine Zeit“.
Beim Thema Russland speit der Grüne besonders gerne Gift und Galle. Da läuft dem selbsternannten „Patrioten“ Özdemir das Herz über.

So konfrontierte er in einer Bundestagsdebatte selbst die rechte AfD in seiner „Rede des Jahres“ mit dem Vorwurf, auch fußballerisch nicht hinreichend patriotisch zu sein: „Wenn Sie ehrlich sind: Sie drücken doch den Russen die Daumen und nicht unserer deutschen Nationalmannschaft. Geben Sie es doch zu!“, donnerte er den verblüfften Rechtsaußen im Parlament zu.

Am „testosterongetriebenen Ein-Mann-Regime Wladimir Putin“ lässt der verhinderte Außenminister nie ein gutes Haar. Der sei „skrupellos“, ließ er sich schon verlauten. Möglicherweise liegt er mit dieser Diagnose auch nicht daneben.
Doch wie unterscheidet sich die Skrupellosigkeit eines Putin beispielsweise von jener der drei letzten US-amerikanischen Präsidenten? Stichworte Drohnen, Afghanistan, Syrien, Irak, Libyen etc. ….?

Selbst Ex-Präsident Jimmy Carter hielt die USA kürzlich für das „kriegerischste Land der Welt“.
Frage an Özdemir: „Würden Sie Carter widersprechen? Mit welcher Begründung halten Sie Russland für aggressiver als die USA?“ Auch für eine Antwort hierauf findet der USA-Fan wie gewohnt „keine Zeit“.

War er wenigstens schon mal in Russland, beispielsweise in Samara, der Stuttgarter Partnerstadt, in der Özdemir erfolglos immer das Direktmandat für den Bundestag anstrebt?
Selbst sein Stuttgarter MdB-Kollege von der CDU, Stefan Kaufmann, war immerhin mehrfach vor Ort und unterstützte, wie die örtliche SPD-Frau Ute Vogt, auch schon Projekte der dortigen Germanistikfakultät. Auch dafür: „Keine Zeit“.
Wie übrigens sein grüner Parteifreund und OB der schwäbischen Landeshauptstadt, Fritz Kuhn, der Samara selbst zum 25. Jubiläum der Partnerschaft wie die Pest mied. Grüne nach Russland? Igittigitt.

Atlantische gemeinnützige Vielfalt

Durchaus Zeit kann Özdemir allerdings einem von ihm nach eigener Darstellung mitbegründeten Think-Tank widmen – dem „European Council on Foreign Relations“ (ECFR).

Auskunftsfreudig ist diese „gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ mit Büros in London, Madrid, Paris und Warschau allerdings so wenig wie ihr „council member“ aus Bad Urach. Dort treffen sich, so viel erfährt man wenigstens, neben den Ex- Außenministern Joschka Fischer und Sigmar Gabriel, wohl künftiger Chef der Atlantikbrücke, oder dem Ex-Fellow Niels Annen, heute Staatsminister im Auswärtigen Amt, auch sämtliche antirussischen Hardliner der Union wie Norbert Roettgen, ebenfalls Atlantikbrücke.
Hier versammeln sich, wie praktisch, weitere Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), welche das Auswärtige Amt berät und (natürlich) am bösen Russland gleichfalls kein gutes Haar lässt. Atlantiker und NATO-Getreue, wie deren Ex-Generalsekretär Carl Bildt, wohin man sieht und unter sich parteiübergreifend bestens vernetzt.

Wer in Berlin angesichts dieser atlantischen Vielfalt zudem noch einen weiteren russlandfeindlichen Verein gründet, wie das grüne Paar Marieluise Beck, Ex- Europaabgeordnete und Ralf Fücks, Ex- Chef der grün-atlantischen Böll- Stiftung, das Zentrum für liberale Moderne erfreut sich gleichfalls sofort freundlichster finanzieller Unterstützung der Bundesregierung.
Da fließen die Steuertausender für antirussische und ukrainische Propaganda nur so. Mal sind es 90.000 Euro für eine Tagung hier und eine Tagung dort oder es gibt seit diesem Jahr eben gleich eine institutionelle Förderung dieser Selbstbeschäftigung beider erklärten Putingegner.

Wer finanziert Özdemirs Beratungsunternehmen für auswärtige Politik? Wie ist das Geschäftsmodell dieser „Non-Profit-Organisation“? Immerhin rund 20 Direktoren, Campaign-Manager, Policy Fellows und Research-Assistenten mit ähnlich klingenden Titeln werden von ihr hierzulande beschäftigt.
Mitbegründer Özdemir sollte den pekuniären Background daher eigentlich kennen.

Doch er schweigt auch hierzu wie die „Unter den Linden 17“ angesiedelte „gemeinnützige“ Gesellschaft selbst. Unter dieser Berliner Nobeladresse, zwischen Bundestag und Auswärtigem Amt gelegen, residiert übrigens auch das „Politik-Team“ von Microsoft Deutschland. Für Microsoft ist es nach eigener Beschreibung der Ort, wo „sich Politik trifft“.
Wie praktisch, dann mit Özdemir & Co schon mal Politiker im eigenen Haus zu haben.

Geld ist also auch für den ECFR kein Problem. Für den German Marshall Fund (GMF), der spendable Gastgeber seiner Fellows Özdemir und SPD-Außen- und Staatsminister Niels Annen, ohnehin nicht. Aus Steuermitteln kommen jährlich 2 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt.
„Bis zu einer Million“ lässt sich das deutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zusätzlich den US-Fund kosten. Ins Stiftungskapital flossen in den letzten Jahrzehnten 125 Millionen Euro an deutschen Steuern.

Gar kein Schweigen gibt es bei den Atlantikern, im Gegensatz zum Geld und zu Fellow- Aktivitäten, dagegen im Trommeln gegen deutsch-russische Projekte wie Nord Stream 2 und für eine EU-NATO Aufrüstungsspirale.
Dafür werden Medien und Politik mit den „Expertisen“ dieser gemeinnützigen Vereine im Sinne des großen Bruders jenseits des Atlantiks eingedeckt.
Findet man eine einzige Stellungnahme im Bemühen, die russische „Gegenseite“ zu verstehen? Nein.

Liegt dies im deutschen oder europäischen Interesse? Sicher nicht. Aber Cem Özdemir sieht das anders. Schließlich geht es ihm „nur“ um seine „wertegeleitete“ Außenpolitik.
Persönliche Verbindungen sind zudem auch ein Wert. Und seien sie nur ein Verrat an Heinrich Böll, dem großen alten Mann der mal grünen Friedensbewegung.

Wie sagte der doch so treffend? „Es gilt, auf die Absurdität weiterer Aufrüstung hinzuweisen.“
Böll ist lange tot. Auch eine grüne Urgestalt wie Petra Kelly dürfte im Grab rotieren.
Die US- Boys Cem Özdemir & Co sind dagegen grüne atlantische Gegenwart in den genannten politisch-medial-wirtschaftlichen Netzwerken.
Wundern muss man sich über den heutigen Kurs also wohl nicht.

Nach Fertigstellung des Artikels gab es weitere Nachfragen des Autors und wenige Antworten:

1. Fragen an den ECFR nach der Höhe seines Budgets wurden auch weiterhin nicht beantwortet. Vielmehr wurde statt dessen auf diese Broschüre verwiesen:

Daraus ergibt sich, dass 49% der Mittel des ECFR aus Stiftungen, 32% von Regierungen, 14% von Körperschaften und 5% von Privatpersonen stammen. Allerdings gibt es nichts Aufgeschlüsseltes zur jeweiligen Höhe dieses Beträge.
Mehrfache weitere Anfragen ans Auswärtige Amt (AA) nach dessen (Mit-) Finanzierung des ECFR und des entsprechenden Mitteleinsatzes wurden bisher nicht beantwortet.

2.. Die Förderung des AA für den German Marshall Fund beträgt laut Auswärtigem Amt bis 2020, nochmals bestätigt, 2 Millionen Euro jährlich.
Danach dürfte der Bundestag wie früher eine entsprechende Fortführung bewilligen.

3. Der German Marshall Fund sieht sich wegen „anderweitiger Verpflichtungen“ der „verantwortlichen Kollegin“ mit Bedauern außerstande, Fragen zum Fellowprogramm zeitnah (also innerhalb einiger Wochen) zu beantworten.
Fellows wie Cem Özdemir (Grüne) und Staatsminister Niels Annen (SPD) ließen ebenfalls nichts von sich hören.
Vorgeschlagene Interviews mit weiteren früheren „Fellows“ waren gleichfalls nicht möglich.

(Jörg Tauss)

Kommentare lesen (250 Beiträge)

Die mit Steuergeldern finanzierten ThinkTanks sollten doch etwas auskunftsfreudiger sein.
Marieluise Beck ist mit Verfälschungen und Verdrehungen im Fall Magnitzky dumm aufgefallen. Sie hat dann, als echte wertbewusste Demokratin, eine Menge juristisches Kapital investiert, damit der Dokumentarfilm, der das belegt, in Deutschland nicht mehr öffentlich gezeigt werden darf. So von wegen Zensur.
Wir haben aber noch ein Exemplar dieses Films, russisch mit englischen Untertiteln, das wir bei Gelegenheit im kleinen Kreis gerne vorführen wollen.
Und unter „Werten“ kann im Kapitalismus nur eines verstanden werden:

Money, Money, Money!

Und hier ganz aktuell die junge Welt:

Tarnfarbe Grün

https://www.jungewelt.de/artikel/356778.kuscheln-mit-der-bundeswehr-tarnfarbe-gr%C3%BCn.html

… Bereits am Freitag postete der frühere Vorsitzende Cem Özdemir ein Foto auf dem Selbstinszenierungsportal Instagram, auf dem er zusammen mit seinem Parteifreund Tobias Lindner, dem sicherheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, in der Uniform eines Oberleutnants und mit Barett auf dem Kopf in die Kamera lächelt. Dazu frohlockt Özdemir: »Ein Grüner bei der Bundeswehr – passt das zusammen? Ich finde: Ja.« Es falle ihm und seinem Kollegen Lindner »niemals leicht, die Bundeswehr in einen Auslandseinsatz zu schicken«, so Özdemir weiter.
Die Konsequenz daraus besteht allerdings nicht darin, gegen deutsche Kriegsbeteiligungen zu stimmen, sondern »eine Woche am Alltag der Truppe teilzunehmen« und sich »mit den Soldat*innen intensiv auszutauschen«.

Den dazugehörigen Aufschlag hatten Özdemir und Lindner bereits in der Donnerstagausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gemacht. Unter der Überschrift »Warum grüne Außenpolitik die Bundeswehr braucht« schrieben die Bundestagsabgeordneten dort: »Egal, wie wir zu einzelnen Einsätzen stehen: Die über 260.000 Menschen, die in der Bundeswehr dienen, verdienen die Unterstützung des Parlaments«. Wenn deutsche Soldaten also schon in Kriegen weltweit töten und sterben, dann doch bitte mit der Gewissheit, dass den »Helden« in der »Heimat« geschlossen zugejubelt wird.

»Rheinmetall entwaffnen« – In einer Mitteilung kritisierte das Bündnis, der »Tag der Bundeswehr« sei für Politik und Wirtschaft »wichtig, um eine positive Stimmung in der Gesellschaft gegenüber der Militarisierung aufzubauen«. Zudem sei es »erschreckend zu sehen, wie viele Jugendverbände und Vereine die gezielte Instrumentalisierung und Anwerbung von Kindern mit ihrer Teilnahme unterstützten«.
Um dieser PR-Strategie etwas entgegenzusetzen, sei vom 1. bis 9. September ein Camp im niedersächsischen Unterlüß geplant. Dass sich Cem Özdemir und Tobias Lindner auch für einen »intensiven Austausch« mit Kriegsgegnern eine Woche Zeit nehmen, darf bezweifelt werden.

Jochen

Die künftigen Kriege der EU

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.german-foreign-policy.com/fileadmin/bootstrap_package/Images/header_bg.jpgAlarmierender Bericht auf https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7806/

Auszüge:

BERLIN/LONDON (Eigener Bericht) – Regierungsberater aus Berlin und London skizzieren in einer aktuellen Studie konkrete Einsatzszenarien künftiger EU-Militärinterventionen sowie sich daraus ergebende angebliche Rüstungslücken in der EU.
Wie es in der Studie heißt, die die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und das International Institute for Strategic Studies (IISS) erstellt haben, schreitet die militärpolitische Entwicklung der Union zwar seit Ende vergangenen Jahres rasch voran. Dennoch genügten die Kapazitäten der europäischen Streitkräfte noch nicht, um beispielsweise „friedenserzwingende“ Einsätze oder auch sogenannte Stabilisierungsmissionen in optimaler Form durchzuführen.
Zudem seien die EU-27 auch nach dem Austritt Großbritanniens auf dessen militärische Beteiligung angewiesen. Das gelte erst recht, wenn mehrere Interventionen gleichzeitig unternommen würden. Die DGAP-IISS-Studie entwickelt ihre Mängelanalyse anhand konkreter Einsatzszenarien, etwa am Beispiel einer Entsendung von EU-Truppen in den Südkaukasus oder eines Krieges gegen Jihadisten in Somalia.

Die Armee der Europäer

Die aktuelle Studie zum Stand der Militarisierung der EU, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und dem Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) gemeinsam verfasst worden ist, hält zunächst fest, dass die Union auf militärpolitischem Feld seit Ende vergangenen Jahres eine rasche Weiterentwicklung durchlaufen hat. So ist die Verzahnung der Streitkräfte der Mitgliedstaaten mit Hilfe des PESCO-Projekts angelaufen.[1]
Die Vereinheitlichung der Rüstungsplanung innerhalb der EU ist im Rahmen der Coordinated Annual Review on Defence (CARD) in Angriff genommen worden. Der EU-Rüstungsfonds stellt Geld für die gemeinsame Waffenentwicklung der Mitgliedstaaten bereit. Die EU-Kommission hat zudem die „Strategische Autonomie“ der EU zum Ziel erklärt und treibt diese jetzt auf verschiedensten Ebenen, nicht zuletzt der militärischen, voran.[2]
Zudem läuft die Debatte über die zukünftige „Armee der Europäer“ auf Hochtouren; zuletzt ist sie Ende November auf der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz forciert worden.[3]
Frankreichs Vorstoß zur Gründung einer Europäischen Interventionsinitiative (Initiative européenne d’intervention) treibt die praktischen Maßnahmen zum Aufbau einer europäischen Eingreiftruppe noch weiter voran.[4]

Einsatzvarianten

Vor diesem Hintergrund untersucht die DGAP-IISS-Studie, inwieweit die EU fähig wäre, die Militäreinsätze tatsächlich zu realisieren, die durchzuführen sie laut früheren Beschlüssen in der Lage sein will.
Dabei handelt es sich um fünf Typen: um „friedenserzwingende“ Einsätze, die in einem geographischen Radius von 4.000 Kilometer um Europa machbar sein sollen; um Einsätze zur „Konfliktvorbeugung“ (6.000 Kilometer um Europa); zudem um „Stabilisierungsmissionen“ (8.000 Kilometer um Europa), „Rettungs- und Evakuierungseinsätze“ (10.000 Kilometer um Europa) und „Humanitäre Hilfsoperationen“ (15.000 Kilometer um Europa).[5]
Die DGAP-IISS-Studie trägt dabei dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU Rechnung: Sie geht zwar von gemeinsamen Einsätzen der EU-27 und des Vereinigten Königreichs aus, berücksichtigt aber die Frage, ob die EU-27 in der Lage wären, die jeweiligen militärischen Handlungen auch alleine durchzuführen. Insbesondere stellen die Autoren der Studie die Frage, ob die EU mit ihren militärischen Mitteln in der Lage wäre, mehrere Operationen gleichzeitig durchzuführen. Brüssel hält dies für politisch erforderlich.

Kämpfe in Südkaukasus

Die Autoren legen ihrer Untersuchung konkrete Szenarien zugrunde, die Auskunft darüber geben, welche Art von Militäreinsätzen EU-Strategen in den nächsten Jahren für denkbar halten.
Ein Beispiel bietet ein Szenario, das einen „friedenserzwingenden“ Einsatz im Südkaukasus beschreibt. Dabei wird eine EU Force South Caucasus (EUFOR-SC) nach Armenien und Aserbaidschan entsandt; die beiden Länder haben sich im Szenario soeben über mehrere Monate einen erbitterten, mit allen Mitteln geführten Krieg geliefert, in den schließlich auch jihadistische Terroristen eingegriffen haben.
Die EU wird nun beauftragt, die Einhaltung eines prekären Waffenstillstandes zu erzwingen. In einem ersten Zugriff sollen die zwei EU-Battlegroups, die turnusgemäß stets bereitgehalten werden, binnen kürzester Frist intervenieren, um ein Wiederaufflackern der Kämpfe zu verhindern. Anschließend soll die eigentliche EUFOR-SC, eine Streitmacht von rund 60.000 Soldaten, im Einsatzgebiet eintreffen.
EUFOR-SC verfügt über Land-, Luft- und Seekomponenten und über Spezialkräfte; unter anderem sollen rund 150 Kampfjets entsandt werden und bis zu 250 Einsätze pro Tag fliegen. Laut der DGAP-IISS-Studie würde EUFOR-SC nach heutigem Stand vor allem im Bereich der Land- und der Luftstreitkräfte einige angeblich unzureichende Kapazitäten aufweisen, sofern Großbritannien die EU-27 unterstützte. Beteiligte das Vereinigte Königreich sich nicht, träten noch Lücken bei der Marine hinzu.

Jihadisten „neutralisieren“

Weitere Szenarien, die die DGAP-IISS-Studie darstellt, beschreiben unter anderem Kämpfe gegen Jihadisten. So soll etwa eine EUFOR-HOA (EU Force Horn of Africa) in Somalia intervenieren, wo Jihadisten weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und die Regierungstruppen sowie Einheiten der Afrikanischen Union in die Hauptstadt Mogadischu und nach Nordkenia abgedrängt haben.
EUFOR-HOA habe den Auftrag erhalten, die Jihadisten – 3.000 IS-Kämpfer im Norden des Landes, 4.000 Al Qaida-Milizionäre im Süden, 7.500 Al Shabaab-Jihadisten rings um Mogadischu, alle sehr mobil, hochmotiviert und unter anderem im Besitz tragbarer Luftabwehrraketen – zu „neutralisieren“. Erneut sollen zwei EU-Battlegroups binnen kürzester Frist intervenieren, bevor EUFOR-HOA mit Land-, Luft- und Seestreitkräften sowie Spezialkräften in Bataillonsstärke in den Kampf eingreift.
In einem anderen Szenario geht es um einen Krieg gegen Piraten im Roten Meer und im Indischen Ozean, mit dessen Führung EUFOR-IO (EU Force Indian Ocean) vom UN-Sicherheitsrat beauftragt wird. Gleichzeitig soll EUFOR-IO Attacken der im Jemen operierenden Huthi eindämmen. Dies mache es nötig, heißt es, eine effiziente Raketenabwehr einzusetzen. Die Operationen werden vor allem von Marine und Spezialkräften getragen.
In beiden Szenarien stellen die Autoren der Studie erneut angebliche Mängel in der Ausrüstung fest, die selbst dann vorhanden seien, wenn die EU-27 gemeinsam mit Großbritannien kämpften; sie beträfen demnach alle drei Waffengattungen. Beteilige sich das Vereinigte Königreich nicht, dann schwelle die Mängelliste deutlich an.

Mehrere Interventionen parallel

Als unzulänglich stufen die Autoren die Aufrüstung der EU insbesondere für den Fall ein, dass mehrere Einsätze zur selben Zeit durchgeführt werden sollen. Die DGAP-IISS-Studie nimmt dabei zwei Varianten in den Blick.
Die erste sieht einen sogenannten friedenserzwingenden Einsatz und einen parallel geführten „Rettungs- und Evakuierungseinsatz“ vor.
Die zweite geht davon aus, dass mehrere kleinere Einsätze gleichzeitig durchgeführt werden: Zwei zur „Konfliktvorbeugung“, zwei sogenannte Stabilisierungsmissionen, ein „Rettungs- und Evakuierungseinsatz“ sowie ein Einsatz zur „Humanitären Hilfe“.
Zur ersten Variante urteilen die Autoren, die EU-27 würden selbst dann, wenn Großbritannien sich an beiden Einsätzen beteilige, „zu kämpfen haben“, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Bleibe Großbritannien außen vor, dann werde es „sehr schwierig“ sein, die Operationen zufriedenstellend durchzuführen.
Für die zweite Variante urteilen die Autoren trocken, sie sei „für die EU-Mitgliedstaaten schlicht außer Reichweite“. Allzu weit klaffe bei ihr die Lücke zwischen den militärischen Kapazitäten der EU und den militärischen Anforderungen, die lediglich zu rund einem Drittel gedeckt werden könnten. Die EU werde Unterstützung durch Drittstaaten in Anspruch nehmen müssen. Zwar werde das sicherlich möglich sein; „Strategische Autonomie“ erreiche man damit jedoch nicht.

Aufrüstungspläne? „Unzureichend“

Dabei urteilen die Autoren der Studie, die EU werde auch dann, wenn man die aktuellen Aufrüstungspläne berücksichtige, im Jahr 2030 wohl zumindest bei den Luft- und Seestreitkräften immer noch nicht in der Lage sein, die erforderlichen Kapazitäten für die erste Variante gleichzeitig durchgeführter Einsätze bereitzustellen. Auch die zweite Variante werde sie, selbst gemeinsam mit Großbritannien, nicht durchhalten können.

Die Studie lässt sich denn auch als Aufruf zu einer weiteren Verstärkung der deutsch-europäischen Aufrüstung verstehen.

Mehr zum Thema: „Eine echte europäische Armee“.

[1] S. dazu Der Start der Militärunion.

[2] S. dazu Strategische Autonomie.

[3] S. dazu Die Armee der Europäer.

[4] S. dazu Die Koalition der Kriegswilligen (II).

[5] Zitate hier und im Folgenden: Douglas Barrie, Ben Barry, Henry Boyd, Marie-Louise Chagnaud, Nick Childs, Bastian Giegerich, Christian Mölling, Torben Schütz: Protecting Europe: meeting the EU’s military level of ambition in the context of Brexit. London/Berlin, November 2018.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Golfkrieg gegen China: Ist Deutschland wieder dabei `?

german foreign policy logo

Ganz schön alarmierend. Der Originalartikel ist mittlerweile nur noch für Abonnenten zugänglich:
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7690/
Eine der wenigen Medien, die den Rüstungspolitikern noch auf die klebrigen Finger schauen.
Auszüge:

Golfkrieg gegen China

17.08.2018 TEHERAN/BERLIN (Eigener Bericht) – Deutsche Außenpolitikexperten halten einen Krieg gegen Iran zur Verhinderung chinesischer Einflussgewinne am Persischen Golf für denkbar.
Hintergrund ist, dass die US-Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt werden; das führt dazu, dass die überwiegende Mehrheit auch der in Iran tätigen deutschen Unternehmen das Land verlässt.
Von Berlin und der EU angekündigte Maßnahmen, die dies verhindern sollen, bleiben wirkungslos; sogar die Deutsche Bundesbank hebelt iranische Bemühungen, wenigstens ein Mindestmaß an bilateralem Zahlungsverkehr zu bewahren, aus. Damit steht zu erwarten, dass China, das bereits während der ersten Runde der Sanktionen gegen Iran zu dessen größtem Handelspartner aufsteigen konnte, seine Marktdominanz in dem Land noch weiter steigern wird.
Im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ ist die Volksrepublik inzwischen dabei, den Transportkorridor nach Iran systematisch auszubauen. Experten urteilen, ein dominanter chinesischer Einfluss in dem Land lasse sich nur noch mit Gewalt verhindern.

Rückzug aus Iran

Weil die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen gegen Iran zum 6. August teilweise wieder in Kraft gesetzt haben und die restlichen zum 6. November aktivieren wollen, ziehen sich immer mehr Firmen aus der EU, darunter insbesondere auch deutsche, aus dem Iran-Geschäft zurück.
Wie die Deutsche Bahn gestern mitteilte, wird sie ihre Projekte in dem Land im August bzw. im September beenden.
Ebenfalls gestern hat die Deutsche Telekom bekanntgegeben, T-Systems habe die dortige Tätigkeit bereits im Mai eingestellt.[1]
Schon zuvor hatten diverse deutsche Unternehmen ihre Aktivitäten in dem Land gestoppt, darunter Daimler, Siemens, Wintershall, Merck, Würth, Herrenknecht und der Maschinenbauer Dürr.
Die Begründung ist jeweils die gleiche: Das US-Geschäft der betreffenden Firmen ist weitaus ertragreicher als die Tätigkeit in Iran.
Tatsächlich beläuft sich das Handelsvolumen der EU mit den Vereinigten Staaten auf erheblich mehr als 600 Milliarden Euro, während das Handelsvolumen mit Iran sich nur auf 20 Milliarden Euro beläuft.
Hinzu kommen Finanzierungsprobleme, weil europäische und nordamerikanische Großbanken sämtliche Aktivitäten in Iran eingestellt haben.
Nur wenige Unternehmen bleiben dem Land treu – sie haben keine Verbindlichkeiten in den USA.

Ins Leere gelaufen

Bemühungen der Bundesregierung und der EU, den Abzug europäischer Unternehmen aus Iran zu stoppen, laufen bislang ins Leere. Hintergrund der Bestrebungen ist nicht nur die Absicht, den iranischen Markt für die eigenen Konzerne offenzuhalten; deutsche Wirtschaftskreise hatten kurz nach dem Abschluss des Atomabkommens mit Iran mittelfristig auf ein Handelsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe spekuliert und sich entsprechende Profite erhofft.[2]
Berlin und Brüssel geht es im aktuellen Streit um die Aktivierung der US-Sanktionen allerdings auch darum, eine eigenständige Mittelostpolitik gegen Washington durchzusetzen; während die USA sich mit Saudi-Arabien zusammentun, um in Iran eine kollaborationswillige Regierung an die Macht zu bringen, sucht die EU ein labiles, von außen steuerbares Gleichgewicht zwischen Riad und Teheran zu installieren (german-foreign-policy.com berichtete [3]).
Um seinem Ziel näherzukommen, hat Brüssel nun die „Blocking“-Verordnung 2271/1996 reaktiviert, die es allen Firmen aus den EU-Mitgliedstaaten untersagt, die US-Sanktionen einzuhalten.
Praktisch ist die Verordnung jedoch wirkungslos: Sie schafft keine Option, Schäden aus sanktionsbedingt erlittenen Verlusten im US-Geschäft zu ersetzen; EU-Unternehmen ziehen es deshalb vor, ihr einfach nicht Folge zu leisten.
Ihren Rückzug aus dem Iran begründen viele von ihnen deshalb formal mit angeblich unerfüllten Profithoffnungen; damit kann die „Blocking“-Verordnung auf sie nicht angewandt werden.

Neue Geschäftsbedingungen

Tatsächlich weicht den US-Sanktionsdrohungen sogar die Deutsche Bundesbank. Vor kurzem hatte die auf das Iran-Geschäft spezialisierte Europäisch-Iranische Handelsbank (EIHB) mit Sitz in Hamburg beantragt, rund 300 Millionen Euro vor dem Inkrafttreten der Sanktionen in bar abheben zu dürfen; Ziel sei es, hieß es dazu, iranischen Staatsbürgern Euro-Bargeld zukommen lassen zu können, da sie bei Auslandsreisen in Ermangelung anerkannter Kreditkarten Scheine und Münzen nutzen müssten. Nach geltender Gesetzeslage wäre die Bitte der EIHB problemlos zu realisieren gewesen.
Dennoch hieß es, der iranische Antrag bringe die Bundesbank in eine „Zwickmühle“ – sie sei schließlich dringend auf eine enge Kooperation mit der US-Notenbank Federal Reserve („Fed“) angewiesen.
Um die EIHB abweisen zu können, hat die Bundesbank jetzt binnen kürzester Frist ihre Geschäftsbedingungen geändert. Demnach kann ab sofort die „drohende Beendigung von wichtigen Beziehungen zu Zentralbanken und Finanzinstitutionen dritter Länder“ ein Grund für die Ablehnung von Bargeldgeschäften sein.[4]
Dass die Bundesregierung die Bundesbank, die faktisch den US-Sanktionen Folge leistet, wegen Verstoßes gegen die EU-„Blocking“-Verordnung 2271/1996 zur Rechenschaft ziehen könnte, kann freilich als ausgeschlossen gelten.

Chinas Chance

Mit dem umfassenden Rückzug von Unternehmen aus Deutschland und mutmaßlich allen anderen EU-Staaten entsteht in Iran eine Lücke, in die nun China vorstoßen könnte. Der Volksrepublik ist es bereits in den Jahren der Obama’schen Iran-Sanktionen gelungen, ihren Marktanteil in Iran deutlich zu vergrößern; sie ist damals zum mit Abstand größten Handelspartner des Landes aufgestiegen, stellt 24,6 Prozent der iranischen Importe (vor den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 14,7 Prozent) und kauft 30,2 Prozent aller iranischen Exporte (vor Indien mit 16,8 Prozent).
Zudem ist sie mittlerweile, wie die bundeseigene Wirtschaftsagentur Germany Trade & Invest (GTAI) berichtet, „auch der größte ausländische Investor“ in Iran. Allein die China Exim Bank habe dort „26 Projekte im Wert von 8,5 Milliarden US-Dollar finanziert“.[5]
Hinzu komme, dass die Volksrepublik ihre Aktivitäten in der iranischen Erdöl- und Erdgasförderung stark ausgeweitet habe. Ihr Anteil wird sich weiter vergrößern: Die französische Total hat angekündigt, sich aus der milliardenschweren Entwicklung des attraktiven Erdgasprojekts South Park 11 zurückzuziehen; laut aktuellen Berichten wird CNPC (China National Petroleum Corporation) die Anteile übernehmen.
Darüber hinaus baut Beijing im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ („One Belt, One Road“, OBOR) die Verkehrskorridore nach Iran und weiter in Richtung Türkei in hohem Tempo aus.
Erst kürzlich ist eine neue Schienentransportverbindung zwischen den beiden Ländern eingeweiht worden (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Die Arbeiten werden fortgesetzt.

Ein Strich durch Beijings Rechnung

Unklar ist, wie die westlichen Mächte reagieren werden, sollte es den Vereinigten Staaten nicht gelingen, den erhofften raschen Zusammenbruch der iranischen Regierung herbeizuführen und sie durch kollaborationswillige, prowestliche Kräfte zu ersetzen. Eine chinesische Marktdominanz in Iran und ein erheblich gesteigerter Einfluss Beijings in Teheran wären in diesem Fall sehr wahrscheinlich.
Komme es dazu, dann „werden die USA voraussichtlich Präventivschläge [!] gegen den Iran durchführen“, heißt es in einer aktuellen Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).[7]
Auf diese Weise könnten „Trump und seine Berater nicht nur Irans Nuklearoption verhindern und Regionalmachtambitionen begegnen, sondern auch China einen Strich durch seine geopolitische Rechnung machen“; denn „ein Krieg würde es dem Rivalen China erschweren, dringend benötigte Rohstoffe“ aus Iran zu beziehen und dort „weiteren Einfluss zu gewinnen“.
„Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger in Deutschland und Europa sollten sich darauf einstellen“, rät die DGAP, „dass notfalls militärische Präventivschläge gegen den Iran unter anderem auch verhindern können, dass China einmal mehr Nutznießer westlicher Sanktionen ist“.

[1] Geschäfte im Iran: Bahn und Telekom lassen Projekte auslaufen. handelsblatt.com 16.08.2018.

[2] S. dazu Wettlauf ums Iran-Geschäft.

[3] S. dazu Eine neue Ära in Mittelost (III).

[4] Irans Bargeldwunsch steht vor dem Aus. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.08.2018.

[5] Manfred Tilz: China baut dominante Position in Iran weiter aus. gtai.de 26.06.2018.

[6] S. dazu Deutschlands Prioritäten.

[7] Josef Braml: Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel. DGAPkompakt Nr. 13. Juli 2018.

Jochen

Führung als Schicksal – dem in der Weltpolitik notwendigen „Willen zur Macht“ zum Durchbruch verhelfen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Interessante Beobachtung hier: Deutschland als militärischer Vorposten zum Kampf gegen Russland –
das hatten wir doch schon mal ?
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59634

Entlarvend der Rückgriff dieser Propaganda auf einen Begriff der Psychoanalyse: Die Ich-Schwäche kennzeichnet narzisstische Persönlichkeiten, die sich in der Folge selbst nur sicher fühlen, solange sie ihre Umwelt manipulieren oder bedrohen können.
Die „Drei Ringe der Unsicherheit“ erinnern an ein Märchen der Gebrüder Grimm.
Aber was sollen denn die Russen sagen, an allen Seiten eingekreist von Militärbasen der USA ?
Russland_Krieg983717_827368073942844_6678142217927183622_oStehen etwa in Frankreich, Italien, Dänemark, Polen oder der Tschechei russische Militärbasen ?
Diese Propaganda grenzt ans Kriminelle – Rechtfertigung und Vorbereitung eines Angriffskrieges !
Auszüge:

BERLIN (Eigener Bericht) – Einflussreiche Stimmen aus dem deutschen Establishment verlangen von der Berliner Außenpolitik „mehr Härte“, „mehr Ambitionen“ und entschlossene „Führung“. Deutschland sei durch eine „fundamentale[…] Ich-Schwäche“ eingeschränkt, kritisiert Jan Techau, ein einstiger PR-Spezialist der Bundeswehr in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Internationale Politik; diese „Ich-Schwäche“ gelte es zu überwinden, um dem in der Weltpolitik notwendigen „Willen zur Macht“ zum Durchbruch zu verhelfen. Insbesondere hätten „die Deutschen“ die „schicksalhafte[…] Aufgabe zur Führung in Europa“.
In einem anderen Beitrag in dem Blatt heißt es, um Deutschland hätten sich „drei Ringe der Unsicherheit“ gelegt; um eine „Stabilisierung“ seines Einflusses zu erreichen, müsse Berlin mehr „Härte“ zeigen. Die Stellungnahmen, die um Forderungen etwa nach der Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats oder einer stärkeren Propaganda gegenüber der Bevölkerung ergänzt werden, zeigen exemplarisch die Befindlichkeiten im aufstrebenden Berliner Establishment – in einer Zeit, in der sich die Bundesrepublik anlässlich des G20-Gipfels erstmals offen gegen die Vereinigten Staaten in Stellung bringt.

„Pack mer’s, Deutschland“

Die Forderung nach einem offensiveren weltpolitischen Auftreten Deutschlands dominiert die Schwerpunktbeiträge in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Internationale Politik (IP). Das Blatt wird von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegeben; es gilt als das wichtigste Sprachrohr des deutschen Außenpolitik-Establishments. Die soeben publizierte Nummer ist vor allem der Frage nach den Grundlinien der künftigen Berliner Außenaktivitäten gewidmet. Das Titelbild zeigt die deutsche Kanzlerin nach ihrer Münchner „Bierzeltrede“ vom 28. Mai, in der sie erklärt hatte: „Wir Europäer müssen unser Schicksal in die eigene Hand nehmen.“[1]
Das Motto auf der IP-Titelseite lautet: „Pack mer’s, Deutschland“.

„Ringe der Unsicherheit“

Ein zentraler Bezugspunkt der Überlegungen, die teilweise namhafte Experten in der aktuellen IP anstellen, ist eine angenommene äußere Bedrohung, der sich Deutschland gegenübersehe. So ist beispielsweise von „drei Ringen der Unsicherheit“ die Rede, die sich „über Jahre hinweg … um Deutschland gelegt“ hätten.[2]
Der erste Ring bestehe „aus dem unmittelbaren EU-Umfeld“; er sei unter anderem durch „die Fragilität des Euro“ und „das Gedeihen populistischer Bewegungen im Schatten von deutscher ökonomisch-politischer Übermacht“ geprägt.
Ein zweiter Ring ziehe sich „halbmondförmig von Rabat bis Donezk“; er umfasse neben Krisenstaaten wie Tunesien oder Ägypten auch Kriegsgebiete wie Mali, Libyen, den Jemen und die Ukraine.
Darüber hinaus sei ein dritter Ring „noch kaum im deutschen Bewusstsein verankert“; er verlaufe von umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer bis nach Nordkorea, dessen Raketen mittlerweile „nicht nur befreundete Demokratien wie Südkorea und Japan bedrohen, sondern letztlich auch den NATO-Verbündeten USA“.

Stockende Expansion

Der Autor des Beitrags über die „Ringe der Unsicherheit“ – Jörg Lau, Außenpolitik-Koordinator im Politikressort der Wochenzeitung Die Zeit – attestiert der Bundesrepublik „jeweils abnehmende[…] Einflussmöglichkeiten“. So sei im ersten Ring „der deutsche Einfluss sehr hoch“, wenngleich dort die „Gefahr unerwünschter Rückschläge bei allzu offensichtlicher Dominanz“ Berlins bestehe.[3]
Bereits im zweiten Ring – es handelt sich um das Gebiet, in dem die meisten Auslandseinsätze der Bundeswehr durchgeführt werden – habe Deutschland „nirgendwo unmittelbaren Einfluss“, könne aber „durch Beteiligung an multilateralen Lösungen erheblich mitgestalten“.
Im dritten Ring – in Ostasien – verfüge die Bundesrepublik allenfalls über „indirekte“ Einflussmöglichkeiten.
Aus dem Befund, dass die deutsche Außenpolitik an Grenzen ihrer Macht stoße, zieht der Autor den Schluss, Berlin benötige „mehr Härte“; vor allem komme es auf „Stabilisierung“, auf Bestandssicherung an. Es gebe einen „Bruch mit der Phase zwischen Mauerfall, EU-Erweiterung, Farben-Revolutionen, Grüner Bewegung im Iran und arabischen Revolten“, in der der Westen weit ausgegriffen habe.
Die ein Vierteljahrhundert währende Ära ungehinderter westlicher Expansion ist demnach zumindest vorläufig vorbei.

„Gewaltbereit (win-lose)“

Mit Blick auf die weltpolitischen Machtkämpfe der Zukunft attestiert ein weiterer IP-Beitrag der Bundesrepublik eine „fundamentale[…] Ich-Schwäche“.[4]
„Nicht Freiheit, Frieden und Wohlstand“ seien die obersten Maximen der Berliner Politik, „sondern moralisches Sauberbleiben“, behauptet Jan Techau. Techau, ein ehemaliger PR-Spezialist der Bundeswehr, amtiert heute als Direktor des Richard C. Holbrooke Forums an der American Academy in Berlin. Er behauptet, Deutschland sei durch die NS-Menschheitsverbrechen „tiefentraumatisiert“ und müsse, um „gesunde Ambitionen“ zu entwickeln, „sich selbst vergeben“; nur dann könne es den „außenpolitischen Gestaltungswillen“ entwickeln, der für „die konzeptionelle Weiterentwicklung“ sowie für „die diplomatische und militärische Absicherung“ der Weltordnung vonnöten sei. Techau dringt auf ein „Grundverständnis“ über die Beilegung internationaler Konflikte: Man müsse „sowohl Anreize zum Wohlverhalten schaffen (win-win) als auch, im Notfall, selbst zur Gewalt bereit und in der Lage sein (win-lose)“.

Wille zur Macht

Das gilt laut Techau nicht nur für Deutschland, sondern auch für die EU. „Ein stärkeres Europa“ müsse „den Willen zur Macht beinhalten“, heißt es in seinem Beitrag: „Es wird nicht ohne Machtambitionen und harte, kompromissbehaftete Realpolitik zustande kommen.“ Dabei werde es „auf deutsche Ressourcen als Machtmittel zurückgreifen müssen“. Der Bundesrepublik empfiehlt Techau, sich als Schutzpatron der EU („dienender Führer“) zu geben: Ein „dienender Führer“ trete „als mächtiger Diener hinter die Partner zurück“ und stelle sich, „wenn es darauf ankommt, schützend vor sie“.
Allerdings gebe er auch die politische Richtung vor: „Er entwickelt, wirbt und exponiert sich mit Macht für die Ideen, die der gemeinsamen Sache dienen.“ So entstehe „wahre Größe“, behauptet Techau, der „den Deutschen“ eine „schicksalhafte[…] Aufgabe zur Führung in Europa“ zuschreibt.[5]

Die Isolierung des Rivalen

Die Beiträge werden in der aktuellen IP um ein Interview mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und um weitere Artikel ergänzt, in denen Experten und Bundestagsabgeordnete unter anderem für die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats und für eine intensivere Außenpolitik-PR gegenüber der Bevölkerung plädieren.
Sie geben einen exemplarischen Einblick in die aktuellen Befindlichkeiten im aufstrebenden, machthungrigen deutschen Establishment. Die Publikation der Texte erfolgt zu einer Zeit, zu der es erstmals einer deutschen Bundeskanzlerin zu gelingen scheint, einen US-Präsidenten in einer zentralen Frage der Weltpolitik – nämlich im Streit um Freihandel – international weithin zu isolieren: Vor dem heute beginnenden G20-Gipfel haben zentrale Mächte wie China, Russland oder Japan sich im Kampf gegen den Protektionismus der US-Administration offen an Deutschlands Seite gestellt.[6]
Berlin hat den Kampf um eine führende Position in der Weltpolitik aufgenommen.

[1] S. dazu Das Ende einer Ära.
[2], [3] Jörg Lau: Mehr Härte, mehr Großzügigkeit. Plädoyer für eine neue deutsche Außenpolitik in ungewissen Zeiten. In: Internationale Politik Juli/August 2017. S. 8-13.
[4], [5] Jan Techau: Mehr Ambitionen wagen. Was Deutschland wollen darf und können muss. In: Internationale Politik Juli/August 2017. S. 24-29.
[6] S. dazu Drei Fronten.

Wahre Größe, das hatte Deutschland ja schon mal bis 1945.
Bei erfolgreichen Politikern ist Ich-Schwäche häufig !
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

NATO: Eskalation mit Nuklearpotenzial, genannt „Fähigkeit zur Konfliktdominanz“

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Hier in der internationalen Diplomatenzeitung zur deutschen Außenpolitik wird noch einmal zusammengefasst, was einem richtig Angst machen kann.
Aber erst mal ein Hinweis: Für Leute aus Nordschwaben fährt ein Bus der Augsburger Friedensinitiative zur großen Friedensdemonstration am 8.Oktober in Berlin!

Abfahrt unseres Busses ist am Samstag, 8. Oktober um 3:30 Uhr auf dem Plärrergelände in Augsburg.
Auf dem Plärrergelände stehen auch Parkplätze zur Verfügung.

 Der Bus fährt über Ingolstadt und hält um 4:30 Uhr in Ingolstadt auf dem Saturn-Arena-Parkplatz, Südliche Ringstraße 64.  Rückkehr ist um ca. 24 Uhr in Augsburg und eine Stunde früher in Ingolstadt.

 Eine Fahrkarte kostet 39,00 Euro (ermäßigt für Schüler, Studenten, Arbeitslose: 30,00 Euro).Alle, die nicht mitfahren können, bitten wir mit Spenden oder dem Erwerb von Solikarten zum Preis von 15,00 Euro zur Finanzierung des Busses beizutragen.
Die Fahrkarten und Solikarten können bei der AFI unter info bestellt werden.
Mit der Überweisung des Preises für die Fahrkarte wird diese verbindlich reserviert. Spenden können auch auf dieses Konto überwiesen werden.

 Bankverbindung: AFI Sonderkonto Karl Augart, IBAN DE73720500000250441912, BIC AUGSDE77XXX,
Stichwort: Berlin-Demo, Name

Und hier der Artikel:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59454

BERLIN (Eigener Bericht) – Berliner Regierungsberater und Außenpolitik-Experten warnen vor einer weiteren Zuspitzung der NATO-Eskalationspolitik gegenüber Russland. Im Hinblick auf die gefährlichen Zwischenfälle bei militärischen Flugmanövern beispielsweise über der Ostsee führe „früher oder später“ an „einem Umgang miteinander kein Weg vorbei“, erklärt ein hochrangiger NATO-Funktionär in der führenden Zeitschrift des deutschen Außenpolitik-Establishments.
Man müsse Sorge dafür tragen, dass der Machtkampf zwischen der NATO und Russland „sich nicht zu einem Großkonflikt auswächst“, warnt ein renommierter russischer Experte eines US-Think-Tanks: Der Machtkampf sei zwar „keineswegs trivial“, doch sei er „einen europäischen Krieg … zweifellos nicht wert“.
Auch die vom Kanzleramt finanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dringt darauf, in Abkehr vom bisherigen langfristigen Kurs insbesondere der USA nicht nur Russland, sondern auch ChinaEinflusssphären“ in ihrem jeweiligen regionalen Umfeld einzuräumen – „zur Vermeidung von Kriegsrisiken“. Die SWP weist auf die nukleare Komponente des Konflikts hin – und warnt, auf lange Sicht sei die Stationierung landgestützter nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa nicht mehr auszuschließen.

Die unipolare Welt

Ihre Warnung vor einer weiteren Zuspitzung der Eskalationspolitik gegenüber Russland entwickelt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus einer Analyse der US-amerikanischen Russlandpolitik. Die unlängst publizierte Studie des vom Bundeskanzleramt finanzierten Think-Tanks nimmt unter anderem strategische Grundentscheidungen Washingtons zu Beginn der 1990er Jahre in den Blick. Wie die SWP konstatiert, ist damals in der US-Hauptstadt durchaus diskutiert worden, „ob man den beiden Großmächten Russland und China Einflusssphären zugestehen“ solle – Gebiete in ihrem regionalen Umfeld, in denen man ihre Interessen nicht grundlegend in Frage stelle.[1]
Der Gedanke sei jedoch verworfen worden; man habe entschieden, eine „unipolare Welt unter Führung der USA“ auszubauen. Dazu wurde unter anderem – entgegen mündlichen Zusicherungen gegenüber Moskau aus dem Jahr 1990 – die NATO nach Ost- und Südosteuropa erweitert, obwohl klar gewesen sei, dass das russische Establishment dies „als Fortsetzung des alten Spiels der Gleichgewichts- und Eindämmungspolitik“ begreifen würde.
„Der geopolitische Machtkonflikt“, der sich aus der stetigen Einflussausdehnung der westlichen Mächte in Richtung Osteuropa bei gleichzeitiger Verweigerung einer russischen Einflusssphäre ergab, sei schließlich „in der Ukraine-Frage kulminiert“.

Konfliktdominanz

Hatten sich die USA nach den Umbrüchen um 1990 bei der Durchsetzung ihrer globalen Dominanz zunächst „vor allem auf sogenannte Schurkenstaaten wie Iran, Irak und Nordkorea„, nach dem 11. September 2001 dann „auch auf den transnationalen islamistischen Terrorismus fixiert“, so ist, wie die SWP es formuliert, inzwischen „die machtpolitische Rivalität zwischen den USA auf der einen und einem aufstrebenden China sowie einem wiedererstarkenden Russland auf der anderen Seite in den Fokus gerückt“.[2]
Damit sei auch „das alte, nie verschwundene, aber selten offen artikulierte machtpolitische Kerninteresse der USA“ wieder in den Vordergrund geraten: „nämlich zu verhindern, dass eine oder mehrere feindliche Großmächte die Ressourcen Eurasiens kontrollieren“ und sich „ein Machtpotential aneignen“, das „die amerikanische Überlegenheit gefährden könnte“. Exemplarisch beschrieben hat das Interesse an der Verhinderung eines geeinten „Eurasiens“ der frühere Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, in seinem Geostrategie-Klassiker „The Grand Chessboard“ (deutsch: „Die einzige Weltmacht“).[3]
In der aktuellen Washingtoner Strategie seien Russland und China in der Tat „die potentiellen Gegner, die es mit überlegener militärischer Macht abzuschrecken gilt“, bestätigt die SWP – „und zwar durch die Fähigkeit zur Konfliktdominanz„.*)

Neuer Dialog

Zu größerer Zurückhaltung in dem Konflikt hat vor kurzem die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) publizierte Fachzeitschrift „Internationale Politik“ gemahnt. Mit Verweis auf kontinuierlich wiederkehrende gefährliche Zwischenfälle etwa beim Zusammentreffen russischer sowie westlicher Kampfflieger über der Ostsee urteilte der Leiter des NATO-Referats Energiesicherheit, Michael Rühle, in der Online-Version des Blatts, „früher oder später“ führe „an einem Umgang miteinander kein Weg vorbei“.[4]
„Sollte sich ein neuer Dialog mit Moskau entwickeln – beispielsweise über Gespräche zur Vermeidung militärischer Zwischenfälle -„, dann solle man durchaus auch wieder über weiter reichende „praktische Zusammenarbeit nachdenken“. Diese habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten immerhin „von gemeinsamem Peacekeeping auf dem Balkan bis zu maritimen Such- und Rettungseinsätzen“ sowie „von der Ausbildung afghanischer Militärspezialisten bis zur Drogen- und Terrorismusbekämpfung“ gereicht. Zwar werde „der Umgang mit Russland“ wohl „schwierig bleiben“, vermutet Rühle; dennoch zwinge der aktuelle Konflikt „die NATO nicht nur zu einer militärischen Neujustierung gegenüber Russland, sondern auch zum Ausloten neuer Wege des Dialogs und der Zusammenarbeit“.

„Einen Krieg nicht wert“

Bereits im Juli hat die Onlinepräsenz der Wochenzeitung „Die Zeit“ einen warnenden Beitrag des russischen Außenpolitik-Experten Dmitri Trenin publiziert. Wie Trenin, ein ehemaliger Oberst der sowjetischen Streitkräfte, heute Leiter der Moskauer Außenstelle der US-amerikanischen Carnegie Endowment, erklärt, gehe es zur Zeit vor allem „darum, sicherzustellen“, dass die Konfrontation zwischen der NATO und Russland „sich nicht zu einem Großkonflikt auswächst“.[5]
Erste Schritte zur Verständigung seien auf beiden Seiten unverzichtbar; dabei müsse „der Westen … zur Kenntnis nehmen“, dass „die Konfrontation mit Russland“ nicht allein der russischen Politik anzulasten sei. Versäume man es, „nach einem Großkonflikt“, wie die Systemkonfrontation es gewesen sei, „eine internationale Ordnung zu schaffen, die für die unterlegene Partei akzeptabel ist“, dann führe dies unweigerlich „zu einer neuen Runde des Wettstreits“. Tatsächlich seien die Dominanz des Westens sowie sein Vordringen (per NATO-Osterweiterung) in die russische Einflusssphäre für Moskau auf keinen Fall „akzeptabel“ gewesen. Der aktuelle Konflikt zwischen der NATO und Russland sei „keineswegs trivial“, doch „einen europäischen Krieg ist er zweifellos nicht wert“, schreibt Trenin; nun müssten „gemeinsame Vorsichtsmaßnahmen sicherstellen“, ihn „zu verhindern“.

Mittelstreckenraketen

In diesem Kontext weist die SWP ausdrücklich auf die nukleare Komponente des Konflikts hin. „Schon allein die Stärkung der konventionellen Abschreckung“, etwa „die Vornestationierung von Streitkräften, die Planungen zur Heranführung von Verstärkungen und die notwendige Sicherung der Seeverbindungen“, könne „eine Rüstungsdynamik in Gang setzen, die wechselseitig das Sicherheitsdilemma verschärft“, heißt es in der neuen SWP-Analyse zur US-Russlandpolitik. Doch werde die neue Abschreckungspolitik „kaum … auf die konventionelle Ebene beschränkt bleiben“.[6]
In der Tat hat der jüngste NATO-Gipfel in Warschau nach vorausgegangener Diskussion, in der sich auch deutsche Think-Tanks für den Ausbau des westlichen Atomwaffenarsenals aussprachen (german-foreign-policy.com berichtete [7]), explizit auf den nuklearen Charakter des Bündnisses verwiesen. Im Gegenzug hat Russland jetzt angekündigt, die Vernichtung atomwaffenfähigen Plutoniums auszusetzen.[8]
Die SWP warnt, bei einem weiteren Anheizen der Spannungen sei es „womöglich nur eine Frage der Zeit, bis erste Stimmen nahelegen, den INF-Vertrag aufzukündigen und landgestützte nukleare Mittelstreckenraketen in Europa zu stationieren“.

Kriegsrisiken

Washington stehe „mehr und mehr vor der Herausforderung“, warnt die SWP, einen Kurswechsel vorzunehmen und in Zukunft Russland und China eben doch „Einflusssphären“ in ihrem regionalen Umfeld zuzugestehen – „im Interesse globaler Kooperation und zur Vermeidung von Kriegsrisiken“ – oder aber „Machtrivalitäten mit hohem Eskalationspotential voranzutreiben“.[9] Dabei ist das Eskalationspotenzial nuklear.

[1], [2] Peter Rudolf: Amerikanische Russland-Politik und europäische Sicherheitsordnung. SWP-Studie S 17. Berlin, September 2016.
[3] Zbigniew Brzezinski: The Grand Chessboard. American Primacy and Its Geostrategic Imperativs. New York 1997. Die deutsche Version ist erschienen als: Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Frankfurt am Main 1999.
[4] Michael Rühle: Jenseits der Abschreckung. zeitschrift-ip.dgap.org 15.09.2016.
[5] Dmitri Trenin: Redet miteinander! www.zeit.de 08.07.2016.
[6] Peter Rudolf: Amerikanische Russland-Politik und europäische Sicherheitsordnung. SWP-Studie S 17. Berlin, September 2016.
[7] S. dazu Die Nukleardebatte der NATO, Die Nukleardebatte der NATO (II) und Grundlegende Neujustierung.
[8] Russland stoppt Plutonium-Vernichtung. www.zeit.de 03.10.2016.
[9] Peter Rudolf: Amerikanische Russland-Politik und europäische Sicherheitsordnung. SWP-Studie S 17. Berlin, September 2016.

*) Hiermit ist ganz deutlich die atomare Erstschlagsfähigkeit gemeint.
Das Erwähnte Buch von Brzezinski, mit einem Vorwort von Hans-Dietrich Genscher, habe ich mit großem Entsetzen gelesen.

Jochen

Den USA künftig „auf Augenhöhe“ begegnen

Wichtiger Nachtrag zum Obama-Besuch hier auszugsweise:

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BERLIN/WASHINGTON

(Eigener Bericht) – Zum Deutschland-Besuch von US-Präsident Barack Obama fordert Berlin ein ebenbürtiges Führungsbündnis mit Washington ein. Die Bundesrepublik könne „in vielen Bereichen“ mit den Vereinigten Staaten „sehr gut mithalten“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende. Bereits zuvor hatte der Bundestag verlangt, die Bundesregierung solle den USA künftig „auf Augenhöhe“ begegnen. Die transatlantische Kooperation sei wichtig, um „eine neue globale Ordnung“ zu schaffen, heißt es in einer Erklärung, die eine hochrangig besetzte deutsch-US-amerikanische „Task Force“ schon im vergangenen Jahr erarbeitete.
Involviert waren Journalistinnen zweier überregionaler liberaler Tageszeitungen. Während Berlin und Washington den Ausbau der Zusammenarbeit, die eine Zeitlang vom Konflikt um die Mittelost- und die Russland-Politik spürbar beeinträchtigt war, wieder zu forcieren suchen, warnen Regierungsberater, es sei riskant, allzu stark auf das transatlantische Bündnis zu setzen. Einerseits sei die US-Wirtschaft keinesfalls vor Einbrüchen gefeit, die sich auch auf deutsche Exporteure und Investoren auswirken würden; andererseits bestünden in den USA massive innere Spannungen, die eskalieren könnten. Es sei vorteilhaft, auch im Bündnis mit Washington strikt die Eigenständigkeit zu wahren.

„Offener Dialog“ mit Washington

Deutschland kann „in vielen Bereichen sehr gut“ mit den Vereinigten Staaten „mithalten“.[1] Dies erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende anlässlich des Deutschland-Besuchs von US-Präsident Barack Obama. Obama und Merkel haben am gestrigen Sonntag gemeinsam die Hannover Messe eröffnet, deren Partnerland dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt die USA sind. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, äußerte die deutsche Kanzlerin mit Blick auf die Messe: Man könne von einer „Win-win-Situation“ sprechen. Erst vor wenigen Tagen hat zudem der Deutsche Bundestag in einer Resolution erklärt, man müsse „die transatlantischen Beziehungen zukunftsfest weiterentwickeln“; dazu solle die Bundesregierung „den offenen Dialog mit den USA … auf allen Ebenen weiter … intensivieren und … pflegen, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken“ – und dies „auf Augenhöhe“.[2]
Ein ebenbürtiges Führungsbündnis mit Washington wird in Berlin schon seit geraumer Zeit eingefordert (german-foreign-policy.com berichtete [3]), nachdem eine Zeitlang ernsthafte Konflikte um die Mittelost- und die Russland-Politik die transatlantischen Beziehungen beeinträchtigt hatten. Die Initiative zum erneuten Ausbau der Kooperation geht mit einer massiven Stärkung deutscher Geschäfte in den Vereinigten Staaten einher.[4]

Berlin gewinnt an Bedeutung

Berlin kann sich bei seinen Führungsambitionen darauf stützen, dass seine politische Rolle aus der Perspektive Washingtons in jüngster Zeit deutlich wichtiger geworden ist. Dies bestätigen Berliner Regierungsberater. „Deutschland hat in den vergangenen drei bis vier Jahren für die USA enorm an Bedeutung gewonnen“, erklärt Marco Overhaus, ein Mitarbeiter der „Forschungsgruppe Amerika“ der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der zuletzt auch als Referent im Planungsstab und im Nordamerika-Referat des Auswärtigen Amts tätig war. Hintergrund sei, dass die Vereinigten Staaten ausschließlich der Bundesrepublik genügend Macht zuschrieben, die krisengeschüttelte, aber als Verbündete in den bevorstehenden globalen Machtkämpfen dringend benötigte EU zuverlässig zusammenzuhalten. „Deutschland gilt in Washington als einziger noch wirklich handlungsfähiger Staat in der EU“, resümiert Overhaus.[5]
Nicht zufällig sei US-Präsident Obama der Bundesregierung vor seinem Eintreffen in Berlin beim Kampf um den Verbleib Großbritanniens im europäischen Staatenbund beigesprungen und habe in London massiv gegen einen „Brexit“ Stimmung gemacht. „Es gibt in den USA keine besondere Emotionalität mehr gegenüber den Briten“, lässt sich Overhaus zitieren: „Washington hat einen pragmatischen Blick darauf, wer was zur Lösung internationaler Probleme beitragen kann.“ Berlin verfüge über die größeren Kapazitäten.

Europas Machtzentrum

Ähnliche Überlegungen sind bereits im vergangenen Jahr von einer „Task Force“ zur Zukunft der deutsch-US-amerikanischen Beziehungen angestellt worden. Die Task Force war damals vom German Marshall Fund of the United States aufgestellt worden; ihr gehörten neben US-Politikern und -Wirtschaftsvertetern unter anderem der Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, sowie ein Vorstand des BMW-Konzerns an. Zudem setzte der German Marshall Fund mit der „Task Force“ frühere Bemühungen [6] fort, Medienvertreter in außenpolitische Planungsarbeiten einzubeziehen; in dem Gremium arbeiteten eine Journalistin der Süddeutschen Zeitung und die damalige Chefredakteurin der „taz“, Ines Pohl, mit. Pohl ist heute im Studio der Deutschen Welle in Washington tätig. Wie die Task Force im Mai 2015 in einem Abschlussbericht konstatierte, sei Deutschland mittlerweile „Europas Machtzentrum“ geworden, zumal es „seine dominante ökonomische Stellung um ein stärkeres außenpolitisches Profil ergänzt“.[7]
Washington sei bemüht, Berlin zu veranlassen, „die globale Ordnung aufrechterhalten zu helfen“. Die „Herausforderungen“ an die ökonomische, politische und militärische Weltordnung, die der Westen nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen habe, nähmen zu; man könne diese „Ordnung“ allenfalls gemeinsam verteidigen. Die Task Force plädierte damals dafür, die Wirtschaftsbeziehungen weiter zu stärken; zudem solle man transatlantische Netzwerke und „Runde Tische“ auf allen Ebenen stärken.

Ein eigenständiges Profil der EU

Während die Kooperationsbestrebungen aktuell zunehmen – nicht zuletzt auf der Hannover Messe -, warnen Regierungsberater, es sei riskant, allzu stark auf das transatlantische Bündnis zu setzen. So sei keineswegs sicher, dass die US-Wirtschaft, die in den letzten Jahren dank des Fracking-Booms eine gewisse Reindustrialisierung erlebt habe, langfristig reüssiere, heißt es; Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), warnt etwa, zuletzt sei die Innovativität in wichtigen Branchen gesunken. Auch seien die sozialen Spannungen gestiegen: „Sehr vielen Amerikanern geht es sehr schlecht, während es einigen wenigen sehr gut geht.“[8] Bei der SWP sind ebenfalls kritische Stimmen zu hören. Der Think-Tank hat kürzlich ein fiktives Szenario durchgespielt, in dem es nach einem erneuten Fall rassistischer Polizeigewalt in den USA zu massiven Protesten, verstärkten Aktivitäten ultrarechter Milizionäre und einem Armeeeinsatz im Inland kommt. „Das globale Medienecho ist gewaltig“, fährt die SWP im fiktiven Szenario fort: „Debatten über den Niedergang der USA und die Folgen einer Abwendung Washingtons von Europa wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder geführt. Nun stellt sich die Frage nach den Konsequenzen solcher Gedankenspiele mit neuer Dringlichkeit.“ Es sähen sich diejenigen gestärkt, „die für ein eigenständiges globales Profil der EU und eine unabhängige Politik plädieren“.[9]

Deutsche Prioritäten

Wenig später hat ein SWP-Experte diese Auffassung bekräftigt. „Eine Amerikapolitik, die sich ganz auf gute transatlantische Beziehungen fokussiert, verwechselt Mittel und Zweck“, urteilt Johannes Thimm von der SWP-Forschungsgruppe Amerika. Zwar sei es „richtig, dass sich viele Herausforderungen nur bewältigen lassen, wenn die USA und Europa an einem Strang ziehen“.[10] Doch könnten „gute transatlantische Beziehungen nicht das Hauptziel deutscher Außenpolitik sein“; vielmehr sei es „entscheidend …, inwieweit diese Beziehungen dazu beitragen, die eigentlichen Probleme zu lösen“. Berlin und Brüssel müssten ihre Positionen „unabhängig“ von Washington erarbeiten.
Zwar könne man „im zweiten Schritt“ überlegen, „wie man mit etwaigen Differenzen umgeht“; Prioritär müssten jedoch die eigenen deutsch-europäischen Interessen sein. Dies entspricht im Kern der Forderung des Bundestags, die deutsch-amerikanischen Beziehungen künftig „auf Augenhöhe“ zu gestalten: ein Ausdruck des deutschen Strebens nach einer eigenständigen Machtposition an der Spitze der Weltpolitik.
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