USA planen Teilung Syriens und Beeinflussung des russischen Wahlkampfs – Interwiew mit Karin Leukefeld

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Alarmierend die offenheit, mit der hier die imperiale Strategie zugegeben wird.
Und traurig, dass es in den deutschen medien nicht zum Aufschrei kommt !
Es geht den USA über jahrzehnte lang um eine Erweiterung ihrer Militärbasen um Russland und den Nahen Osten herum. Dazu soll der regime change in Syrien dienen.
Die deutsche Kriegsvorbereitungspolitik mischt dabei eifrig mit.
Allein wegen solcher Hinweise lohnt sich ein Abo der jungen Welt:
https://www.jungewelt.de/artikel/328369.teilung-besprochen.html
Auszüge:

k_leukefeldUSA wollen dauerhaft in Syrien bleiben. Protokoll von Diplomatentreffen veröffentlicht

Von Karin Leukefeld

Die syrischen Streitkräfte und ihre Verbündeten konnten am vergangenen Wochenende in den Vororten östlich von Damaskus Geländegewinne verzeichnen. Dabei wurden Versorgungswege der »Islamischen Armee« und ihrer Verbündeten in Duma unterbrochen, landwirtschaftliche Nutzflächen und Wohngebiete im Süden und Osten der Kampfzone unter Kontrolle gebracht.
Die Bodenoffensive wurde von schweren nächtlichen Luft- und Artillerieangriffen begleitet. Beobachter berichteten vom Rückzug der »Islamischen Armee«.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der US-Präsident Donald Trump kritisierten am Freitag die russische Syrienpolitik speziell in der Ostghuta.
In einer Mitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hieß es, Moskau müsse die vom UN-Sicherheitsrat geforderte Waffenruhe in Syrien »umgehend und vollständig« umsetzen und seine Beteiligung an der Bombardierung in den östlichen Vororten von Damaskus stoppen. Außerdem müsse die syrische Regierung zur Rechenschaft gezogen werden.
»Dies gilt sowohl für den Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime als auch für dessen Angriffe gegen Zivilisten und die Blockade humanitärer Unterstützung.«
Der französische Präsident Emmanuel Macron wiederholte die Drohung, Syrien zu bombardieren, sollten »vom Regime« Chemiewaffen eingesetzt werden. Belege für deren Einsatz habe Paris nicht, räumte er ein.

Im Osten des Landes kam es am Wochenende erneut zu Angriffen der US-geführten »Anti-IS-Koalition« auf Gebiete unter der Kontrolle der Regierungsarmee.
Syrische und russische Medien berichteten von mehreren Luftattacken am Freitag auf ein Dorf im Südwesten der Provinz Hasaka. Dabei seien Zivilisten getötet und Dutzende verletzt worden.
Bereits am Tag zuvor waren bei US-Raketeneinschlägen in einem anderen Dorf drei Einwohner getötet worden.

In den vergangenen zwei Wochen waren bei Luftangriffen der US-geführten Allianz in den östlichen Provinzen von Hasaka und Deir Al-Sor entlang des Euphrat mindestens 69 Zivilisten getötet und viele mehr verletzt worden.
Die Pressestelle der US-geführten »Operation Unerschütterliche Entschlossenheit« spricht von 23 Luftangriffen auf Milizen des »Islamischen Staats« in der letzten Februarwoche.
Auch am 1. März seien südlich der Stadt Deir Al-Sor zwei Angriffe auf die Dschihadisten geflogen worden.

Der Euphrat soll nach US-Plänen innerhalb von Syrien eine neue Grenze werden, östlich des Flusses soll das Gebiet »Osteuphrat« entstehen.

Das geht aus einem Protokoll der britischen Botschaft in Washington hervor, über das die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar vor einer Woche berichtete. Internationale Reaktionen darauf blieben bisher fast vollständig aus.
Aufgezeichnet wurde dem Zeitungsreport nach das Treffen einer »Kleinen Syriengruppe« am 11. Januar, zu dem das US-Außenministerium Vertreter aus Großbritannien, Frankreich, Jordanien und Saudi-Arabien nach Washington eingeladen hatte. Der US-Diplomat David Satterfield erläuterte den Teilnehmern die US-Pläne über die Teilung Syriens, die eine andauernde US-Militärpräsenz östlich des Euphrat in den von Kurden kontrollierten Gebieten vorsieht.
Finanziert werden soll die Besatzung mit vier Milliarden US-Dollar jährlich.

Sollte Russland den Forderungen der USA und seiner Verbündeten in bezug auf Syrien nicht nachgeben, werde man vor den russischen Präsidentschaftswahlen »die Angreifbarkeit des Herrn Putin bestens zu nutzen wissen«, wird Satterfield in dem Protokoll laut Al-Akhbar zitiert.
»Wir werden die Stimmung gegen Assad unter den russischen Wählern intensiv anheizen, mehr Sitzungen im UN-Sicherheitsrat beantragen und begleitend eine Medienkampagne gegen ihn« starten.

Dazu hier noch ein aktuelles Interview mit Karin Leukefeld:

Syrien-Krieg: Die selektive Darstellung der Medien und der Politik in Deutschland

https://deutsch.rt.com/meinung/66212-wie-ausgewaehlte-darstellung-in-medien-und-politik-das-bild-von-syrien-in-deutschland-praegt/

Auszüge:

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Die Berichterstattung der Lage in Syrien ist von Einseitigkeit und Interessen geprägt. Das verhindert Aufklärung und vermittelt lediglich Teilansichten eines komplexen Konflikts.
Ein Kommentar von Karin Leukefeld.

Bei einem Vortrag über Syrien berichtete ich einmal über die Arbeit der Versöhnungskomitees. Von Anfang an hatte die syrische Gesellschaft in eigener Initiative versucht, die Gewalteskalation im Land zu stoppen. Viele Persönlichkeiten, die sich für die Versöhnung zwischen Armee und bewaffneten Gruppen in Syrien eingesetzt hatten, bezahlten ihr Engagement mit dem Leben. Andere übernahmen die Arbeit der Getöteten.
Es entstand ein Ministerium für die nationale Versöhnung und 2015 griff Russland die Initiative auf und unterstützte die Suche nach Frieden und Versöhnung mit einem „Russischen Zentrum für die Versöhnung der verfeindeten Seiten in Syrien“ – mit großem Erfolg.

Während ich bei der besagten Veranstaltung Beispiele der Versöhnungsarbeit in Syrien erläuterte, sprang ein Zuhörer auf und rief laut in den Saal: „Sie lügen! Sie haben sich das ausgedacht! Ich habe noch nie irgendwo in den Medien darüber gehört!“

Tatsächlich ist über die Versöhnungsarbeit in Syrien in deutschen Mainstreammedien kaum berichtet worden. Auch Angriffe der so genannten Rebellen auf die zivile Infrastruktur wie die Strom- und Wasserversorgung wurden kaum erwähnt.
Es gab keine Schlagzeilen darüber, dass 2014/15 die „moderaten Rebellen“ im Osten von Aleppo die Wasserversorgung Dutzende Male stoppten.

Und als die Fijeh-Quelle bei Damaskus kurz vor Weihnachten 2016 von bewaffneten Gruppen besetzt wurde, um die syrische Regierung dazu zu erpressen, sich den Forderungen der Kampfgruppen in den östlichen Vororten von Damaskus (Ghuta) zu fügen, schoben deutsche Medien mindestens indirekt die Schuld dafür dem „Assad-Regime“ zu.
Wollte man alles auflisten, was in den vergangenen sieben Jahren über den Krieg in Syrien nicht oder einseitig dargestellt wurde, wäre die Liste lang.

Nicht überprüft, trotzdem gesendet

Die Darstellung des Geschehens in Syrien ist ausgewählt und geprägt von wiederholten, kampagnenartigen Medienhypes. Bestimmte Meldungen werden aufgebauscht und übertrieben und selbst wenn ein Nachrichtensprecher sagt, dass man das Gemeldete „nicht unabhängig überprüfen“ könne, wird es trotzdem gemeldet.
Die Öffentlichkeit wird beeinflusst, Stimmung wird geschürt, auf diese Weise will man Strafmaßnahmen gegen Syrien, von der politischen Isolation über Sanktionen bis hin zu militärischen Angriffen vorbereiten.

In Zeiten des Internets und so genannter Sozialer Medien geschieht das innerhalb kürzester Zeit und je öfter diese „Hypes“ sich wiederholen, desto mehr setzen sie sich in den Köpfen der Öffentlichkeit fest. Kinder sind ein häufiges Opfer solcher Medienhypes. Man denkt, man sieht ihr Leid – das im Krieg zweifelsohne geschieht –, tatsächlich aber werden sie benutzt. Ein Feindbild soll gefestigt, die Akteure des Syrienkrieges in „Gut“ und „Böse“ aufgeteilt werden. Jeder erinnert sich an die kleine Bana Alabed aus Aleppo, die sich die Herzen der „freien Welt“ ertwitterte.

Dass die Tweets von ihrer Mutter verfasst worden war, um Stimmung gegen die syrische Regierung und Russland zu erzeugen, wurde später zwar bekannt, aber kaum berichtet. Fotos des kleinen Omran aus Aleppo, den „Weißhelme“ in einem Rettungswagen fotografierten, gingen um die Welt. Opfer eines Luftangriffs des „syrischen Regimes und Russlands“, berichteten die Medien. Erst später wurde bekannt, dass der kleine Junge ohne Wissen und Genehmigung seiner Eltern in den Krankenwagen gesetzt und fotografiert worden war.

Propagandistischer Kinderkreuzzug

Die Medien sind geschult darin, Tatsachen und wichtige Zusammenhänge auszulassen, um eine Nachricht möglichst griffig und skandalisierend zu verbreiten.
Was bleibt, ist das Bild leidender, angsterfüllter, verlassener Kinder in einem Krieg, für den das „Assad-Regime“ und dessen Unterstützer verantwortlich sind.
Das Bild des Jungen Raslan, dem vor laufender Kamera die Kehle von angeblich „moderaten Rebellen“ durchgeschnitten wurde, war in deutschen Leitmedien nicht zu finden.

Auch Politiker bedienen sich einer ausgewählten Darstellung von Syrien und beeinflussen damit die Sichtweise auf das Land.
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte vor wenigen Tagen (2. Februar 2018) mit US-Präsident Donald Trump.
Beide stimmten darin überein, dass „das syrische Regime und dessen russische und iranische Verbündete zu einer umgehenden und vollständigen Umsetzung der Resolution 2401 (2018) des UN-Sicherheitsrates aufgerufen“ seien, teilte Regierungssprecher Seibert in einer Presseerklärung mit.

Die Resolution fordert alle militärischen Akteure in Syrien zu einer 30-tägigen Waffenruhe auf. Doch Merkel und Trump konzentrierten sich lediglich auf zwei von Dutzenden Akteure im Syrienkrieg, auf Russland und auf das „Assad-Regime“. Russland müsse „seine Beteiligung an der Bombardierung Ost-Ghutas“ beenden und das „Assad-Regime zu einem Stopp der Offensivoperationen gegen zivile Gebiete“ bewegen.
Das „syrische Regime“ müsse „zur Rechenschaft gezogen werden“, so die Regierungsmitteilung. Das gelte „sowohl für den Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime als auch für dessen Angriffe gegen Zivilisten und die Blockade humanitärer Unterstützung.“

Die Meldung, dass der französische Präsident Emmanuel Macron Syrien mit Luftangriffen droht, sollte dort Giftgas eingesetzt werden, findet weite Verbreitung.
Dass sowohl Macron als auch US-Verteidigungsminister James Mattis eingeräumt haben, dass Beweise für einen Giftgaseinsatz der syrischen Regierungstruppen nicht vorliegen, wird kaum gemeldet.
In der deutschen Öffentlichkeit ist die Meinung, dass das „Assad-Regime“ Giftgas einsetzt, weit verbreitet, obwohl zwischen 2013 und 2016 sämtliche Chemiewaffenbestände Syriens unter internationaler Kontrolle abtransportiert und vernichtet worden war.

Umsturz statt Reform

Anstatt auf diese sehr positive Tatsache zu verweisen, wiederholen Medien unbestätigte Gerüchte von „moderaten Rebellen“, die seit 2011 ein Eingreifen der NATO, ein militärisches Eingreifen „wie in Libyen“(2011) fordern.
Auch oppositionelle Gruppen aus Syrien stellen den Konflikt einseitig dar und erhalten viel Raum in hiesigen Medien. Vertreter der „Nationalen Koalition der oppositionellen und revolutionären Kräfte in Syrien“ haben seit 2011 „Waffen, Waffen, Waffen“ für die Opposition in deutschen Medien gefordert. Andere Oppositionelle, die für einen Dialog mit der syrischen Regierung eintreten, finden kein Gehör.

Seit Beginn der türkischen Offensive auf die nordwestsyrische Region um die Kleinstadt Afrin (Provinz Aleppo) schaffen es auch die syrischen Kurden in die Schlagzeilen. Eine Demonstration „Frieden für Afrin“ Anfang März in Berlin brachte nach kurdischen Angaben 20.000 Menschen auf die Straßen, darunter auch Vertreter von Gewerkschaften, der Friedensbewegung und Parteien. *)
So richtig die Kritik an dem Krieg der Türkei gegen die Kurden (nicht nur) im Norden Syriens ist, so einseitig bleibt sie. Krieg wird nicht nur gegen die Kurden in Afrin, sondern seit sieben Jahren in und gegen ganz Syrien geführt.

Die Darstellung der Lage in Syrien ist von Interessen geprägt. Das verhindert Aufklärung und vermittelt in der Öffentlichkeit lediglich Teileinsichten in den komplexen Syrien-Krieg, in den innersyrische, regionale und internationale Akteure verwickelt sind.
Die Bundesregierung prangert Russland, Iran und die syrische Regierung an, weil Deutschland im Bündnis mit den USA, Großbritannien, Frankreich, Jordanien, Saudi-Arabien und Israel Wege zu einer möglichen Aufteilung Syriens erörtert.

Die in Deutschland unterstützte syrische Opposition verbreitet Meldungen, die ihr Anliegen – den Sturz der syrischen Regierung – fördern. Die kurdischen Verbände und Organisationen um die syrische Partei der demokratischen Union (PYD) prangern die Türkei und ihre Verbündeten an und stellen ihr Projekt einer nordsyrischen Föderation unter Selbstverwaltung als einzige Alternative dar.
Dass in ihrem Einflussgebiet im Nordosten Syriens mittlerweile 20 US-amerikanische Militärbasen und Flughäfen gebaut wurden, kommt in ihrer Darstellung nicht vor.

Schwarz-Weiß-Bild wird komplexer Realität nicht gerecht

Aufgabe der Medien wäre es, alle Seiten zu Wort kommen lassen, damit die Öffentlichkeit ein möglichst reales Bild der Lage in Syrien erhält. Ansätze für Versöhnung, für Frieden, Waffenstillstände, staatliche Amnestie, Vorschläge für politische Veränderungen kommen aber in den großen Medien kaum vor.
Und wenn darüber berichtet wird, wie über die „Konferenz für den nationalen Dialog“ in Sotschi oder die Genfer Syriengespräche, geschieht es mit Häme, Zweifel, Skepsis.
Jeder Dialog- und Verständigungsversuch in Syrien wurde niedergeschrieben oder –berichtet, noch bevor die Gesprächspartner überhaupt eingetroffen waren.

Für mögliches oder tatsächliches Scheitern werden Russland, Türkei und Iran verantwortlich gemacht, die Garantiemächte für Deeskalationsgebiete und Waffenstillstände in Syrien. Deren Politik wird nicht in ihren konfliktlösenden Ansätzen und Initiativen dargestellt, sondern als kriegstreibend.
Russland, das das „Assad-Regime“ bei den „Massakern an der eigenen Bevölkerung“ unterstützt. Der Iran, der Israel bedroht und die Türkei, die deutsche Journalisten inhaftiert.

Die interessensgeleitete Darstellung des Krieges in Syrien in deutschen Medien und in der Politik teilt ein in „Gut“ und „Böse“, in „Freund“ und „Feind“.
Das fördert Feindbilder und entspricht einem Weltbild nach dem Motto: Entweder Ihr seid für uns oder Ihr seid gegen uns. Die Welt so zu polarisieren – ob medial, politisch oder militärisch – entspricht nicht der Realität. Nicht in Syrien und auch nicht anderswo.

*) Wie ich bereits Ende Januar voraussagte, https://josopon.wordpress.com/2018/01/28/kurdenmassaker-in-afrin-banale-brutalste-weil-entfesselte-geopolitik/ sind die Kurden mittlerweile auf Unterstützung der regulären syrischen Armee unter dem v.a. von Christen und anderen religiösen Minderheiten gewählten Präsidenten Assad angewiesen.

Jochen

Wehrwirtschaftstagung fordert Bündnis „auf Augenhöhe“ – Kommentar von Albrecht Müller

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Dieses international renommierte Magazin schreibt heute:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59542

Mit dem Begriff „Augenhöhe“ knüpft es damit an den auch hier schon eingestellten Beitrag https://josopon.wordpress.com/2016/05/04/den-usa-kuenftig-auf-augenhoehe-begegnen/ an.

Auszüge:

BERLIN/WASHINGTON(Eigener Bericht) – Vor der heute beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz fordert der deutsche Außenminister ein Bündnis „auf Augenhöhe“ mit den Vereinigten Staaten. Da „Amerika“ nicht „Führungsmacht bleiben kann [!] und will“, solle die EU nun eine gleichberechtigte „Partnerschaft“ einfordern, erklärt Sigmar Gabriel. Zugleich erklärt der Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Brüssel müsse in Zukunft gegenüber Washington „durchaus selbstbewusst auftreten“; es gelte „diejenigen unserer Kerninteressen klar zu kommunizieren, deren Verletzung eine transatlantische Großkrise provozieren würde“.
Während im EU-Establishment Warnungen laut werden, die neue US-Administration könne versuchen, unter Ausnutzung des verbreiteten Unmuts über die deutsche Dominanz die Union zu spalten, empfehlen deutsche Experten, sich Brüche im US-Establishment zunutze zu machen und mit Mitgliedern des US-Kongresses gegen die Regierung Trump zu paktieren.
Berlin kann bei der Abwehr missliebiger Vorhaben des US-Präsidenten erste Erfolge verzeichnen: Am gestrigen Donnerstag hat die NATO eine Reihe antirussischer Maßnahmen beschlossen, die mit Trumps Ankündigung, enger mit Moskau zu kooperieren, kaum vereinbar sind.

Ein stärkeres Europa

Wie Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Interview erklärt, bestehe „die historische Herausforderung“ für Berlin in der Umbruchphase nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump darin, „ein neues, ein stärkeres Europa zu schaffen“.[1]
Dabei könne es sich durchaus um „ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten“ handeln; ein solches sei etwa mit der Euro- oder der Schengenzone schon längst Realität. Für eine engere Kooperation im Rahmen der EU biete sich im nächsten Schritt besonders die Außen- und Militärpolitik an. Ein in der Weltpolitik noch entschlossener um Einfluss kämpfendes „stärkeres Europa“ werde mit den Vereinigten Staaten „eine neue Partnerschaft eingehen“ können.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass „Amerika … nicht die Führungsmacht bleiben kann [!] und will“; deshalb könne die EU in Zukunft „eine Partnerschaft auf Augenhöhe“ beanspruchen – „mit gemeinsamer Verantwortung statt bloßer Gefolgschaft“.

Selbstbewusst auftreten

Ähnlich äußert sich zum wiederholten Male auch der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Der einflussreiche Spitzendiplomat weist zwar in einem ebenfalls gestern publizierten Zeitungsbeitrag darauf hin, dass die EU „kurz- und mittelfristig“ noch „nicht auf die amerikanische Sicherheitsgarantie verzichten“ könne. Deshalb führe aktuell „nichts daran vorbei, die neue amerikanische Regierung so eng wie möglich einzubinden“.[2]
Allerdings könne die EU schon jetzt „durchaus selbstbewusst auftreten“. So seien „diejenigen unserer Kerninteressen klar zu kommunizieren, deren Verletzung eine transatlantische Großkrise provozieren würde“. Zu diesen zähle beispielsweise, „dass ein möglicher Deal zwischen Russland und den USA nicht zulasten Europas geht“ oder dass die EU „nicht bereit“ sei, neue Iran-Sanktionen mitzutragen. Falls Trump tatsächlich „eine Art Herkunftsteuer einführen“ wolle, „um Güter zu fördern, die innerhalb der amerikanischen Grenzen produziert werden“, könne „die EU das Gleiche androhen“; unmittelbare Folge wäre ein transatlantischer Handelskrieg.[3]
„Der Gau in den gegenseitigen Beziehungen“ wäre es freilich, urteilt Ischinger, „wenn es tatsächlich zur neuen Regierungspolitik unter Donald Trump werden sollte, der Europäischen Union als Gegner den baldigen Zerfall zu wünschen“.

Spaltungsstrategie (I)

Genau diese Befürchtung macht sich im EU-Establishment breit, seit sowohl Trump selbst als auch enge Mitarbeiter des US-Präsidenten sich ungewöhnlich kritisch über die Union und die dominante Stellung Deutschlands in ihr geäußert haben und nun auch noch ein erbitterter Kritiker der EU als künftiger Botschafter Washingtons in Brüssel genannt wird (german-foreign-policy.com berichtete [4]).
Die Strategie der neuen US-Administration sei „klar“, heißt es etwa beim European Council on Foreign Relations (ECFR): Sie bestehe darin, „Deutschland zu isolieren und zu schädigen, um die EU“ – als Rivalin der Vereinigten Staaten – „zu schwächen und möglichst zu zerschlagen“.[5]
Dabei könnten die USA davon profitieren, dass ein spürbares „Unbehagen mit der deutschen ‚Hegemonie‘ ein allgegenwärtiges Risiko in Europa“ sei. Tatsächlich hat Berlin mit seinem Dominanzgebaren immer wieder heftigen Unmut bei vielen EU-Verbündeten provoziert; selbst Außenminister Gabriel räumt ein: „Nicht ganz wenige empfinden Deutschland als Lehrmeister, der selbst bei Kleinigkeiten nicht nachgibt, aber selbst Solidarität einfordert, wenn es um eigene Interessen geht.“[6]
Nach Einschätzung des ECFR böte zum Beispiel ein transatlantischer Handelskrieg den USA die Chance, Spaltlinien in der EU zu vertiefen – etwa durch das Angebot, US-Strafzölle auf der Basis bilateraler Absprachen mit Washington unter Umgehung europäischer Übereinkünfte zu vermeiden.[7]
Käme es dazu, dann hätte Berlin zum ersten Mal Konsequenzen seiner bisher bedenkenlos exekutierten Dominanz in der EU zu tragen.

Spaltungsstrategie (II)

Umgekehrt arbeitet Berlin daran, Spaltlinien im US-Establishment zu seinen Gunsten zu nutzen. Schon kurz nach Trumps Wahlsieg hatte der Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin, Thorsten Benner, in einem Beitrag für die führende US-Außenpolitikzeitschrift Foreign Affairs empfohlen, die Beziehungen zu denjenigen Republikanern und Demokraten im US-Kongress zu stärken, die „die Bündnisse und die globale Rolle der Vereinigten Staaten bewahren“ wollten; auf diese Weise könne man Trump in die Parade fahren und seine „schlimmsten Instinkte“ zügeln.[8]
Tatsächlich gibt es im Repräsentantenhaus und im Senat massive Widerstände gegen zentrale Projekte des US-Präsidenten. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat bereits Ende Januar angekündigt, die parlamentarischen Kontakte in Washington auszubauen; „der US-Präsident kann auch nicht alles alleine“, erläuterte Kauder: „Es gibt in Washington auch noch ein Parlament.“[9]
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hat mittlerweile umfassende Gespräche in der US-Hauptstadt geführt; zudem werden an diesem Wochenende zur Münchner Sicherheitskonferenz neben US-Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzminister John Kelly mehr als ein Dutzend Mitglieder des US-Kongresses in der bayerischen Landeshauptstadt erwartet. In den USA gebe es „einen selbstbewussten Kongress“, erklärt Außenminister Gabriel nun mit Blick auf die taktisch nutzbaren Spaltlinien im US-Establishment.[10]

Gegen Russland

Dabei kann Berlin bereits erste Erfolge verzeichnen. Am gestrigen Donnerstag haben die NATO-Verteidigungsminister nicht nur ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit mit Finnland in Sachen Cyberkrieg geschlossen und damit die bisherige Kooperation etwa im Rahmen von Cyber-Manövern ausgebaut – eine Tatsache, die auch deshalb bemerkenswert ist, weil Finnland offiziell noch Neutralität beansprucht. Zudem haben die Minister die Ausweitung der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer angekündigt.
Beides richtet sich gegen Russland und läuft dem einst von Trump angekündigten Abbau der Spannungen mit Moskau diametral zuwider. Ein NATO-Vertreter wird hinsichtlich der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer mit der Aussage zitiert, es gehe dabei unter anderem um die Gewinnung geheimdienstlicher Erkenntnisse zu Aktivitäten russischer Militärs in der Region, unter anderem zur Stationierung russischer Boden-Luft-Raketen.[11]
Berlin hat am Mittwoch zudem die Intensivierung seiner Militärkooperation mit Rumänien per Unterstellung einer rumänischen Brigade unter eine Division der Bundeswehr beschlossen.[12]
Die militärische Formierung gegen Russland schreitet voran.

[1] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[2] Wolfgang Ischinger: Einbinden, Einfluss nehmen. Süddeutsche Zeitung 15.02.2017.
[3] S. dazu Der transatlantische Handelskrieg.
[4] S. dazu Die Stunde der Europäer, Der transatlantische Handelskrieg und Auf- und absteigende Mächte.
[5] Nick Witney: Shooting the ringleader: Trump draws a bead on Germany. www.ecfr.eu 13.02.2017.
[6] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[7] Nick Witney: Shooting the ringleader: Trump draws a bead on Germany. www.ecfr.eu 13.02.2017.
[8] Thorsten Benner: Germany Can Protect the Liberal Order. www.foreignaffairs.com 16.11.2016.
[9] Robert Birnbaum: Kauder schließt EU-Strafzölle gegen USA nicht kategorisch aus. www.tagesspiegel.de 28.01.2017.
[10] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[11] Nato plant mehr Manöver im Schwarzen Meer. www.spiegel.de 16.02.2017.
[12] S. dazu Unter deutschem Kommando

Passend dazu heute Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten:

Rüstung statt Abrüstung. Das deutsche Volk lässt sich mehrheitlich grandios verführen, ohne aufzumucken.

a mueller k

Als im Jahre 1990 die Konfrontation zwischen West und Ost beendet war und man verabredet hatte, gemeinsam für Sicherheit zu sorgen, schrillten im NATO Hauptquartier in Brüssel alle Alarmglocken. Und bei der Rüstungswirtschaft auch. Dann hat man aber spätestens 1999 mit dem Jugoslawien Krieg neue Arbeit für die NATO gefunden und zugleich auch für die Bundeswehr.
Und jedes Mal, wenn einer der vom Westen geführten Kriege sich zu Ende neigte, machte man sich Sorgen um die weitere Beschäftigung von NATO und Rüstungswirtschaft. Jetzt ist der große Durchbruch erzielt. Ursula von der Leyen gibt Trump recht und fordert 2 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr – hier in der Tagesschau zum Beispiel. Mit einer Palette von Tricks wird uns das Fell über die Ohren gezogen.

Auf einige dieser Tricks möchte ich Sie aufmerksam machen. Sie werden in den nächsten Tagen aus Anlass der Münchner Sicherheitskonferenz, die man auch „Münchner Aufrüstungskonferenz im Interesse der Rüstungswirtschaft“ nennen könnte, weiteres zum Thema hören und sehen und Sie werden erleben, dass außer einer kleinen Minderheit von aufrechten Freunden der Demokratie und des Friedens ansonsten alles stumm bleibt: die Partei der Rüstungsministerin von der Leyen sinkt bei den Umfragen nicht in den Keller; Angela Merkel, die Chefin der militanten Verteidigungsministerin, erleidet keinen Imageeinbruch; die Mehrheit der Deutschen denkt, es geht uns gut, warum sollen wir dann über Rüstung meckern.

Ein Beleg dafür, dass manche Leute Angst vor dem Frieden haben:

Zur Einstimmung mache ich auf eine kleine Textpassage in einem FAZ Artikel vom 21.9.2013 aufmerksam. Dort heißt es unter der Überschrift „Zurück zu den Wurzeln. Die NATO denkt über ihre Zukunft nach dem Abzug aus Afghanistan nach“

„Die Nato sieht sich seit einiger Zeit mit einer Frage konfrontiert, die für ein Militärbündnis alles andere als belanglos ist: Was tun ohne Krieg? Ende nächsten Jahres will das Bündnis seine Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen haben, die Rückverlegung der Truppen ist in vollem Gang. Kommt es nicht zu einem neuen Großeinsatz, und das ist wegen der Kriegsmüdigkeit im Westen wahrscheinlich, dann wird die Allianz zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in einem bewaffneten Konflikt stehen. Vor allem den Militärs bereitet das Kopfzerbrechen. Wie soll man die Einsatzfähigkeit erhalten, wenn die Truppen wieder in den Kasernen zurück sind, fragen sich die führenden Offiziere. Eine erste, für Außenstehende vielleicht etwas überraschende Antwort lautet: indem man eine Schlacht gegen Russland übt.

Der letzte Satz ist von mir gefettet. Sie üben die „Schlacht gegen Russland“. Und das Volk schaut zu. Mehrheitlich jedenfalls.
Säbelrasseln wird nicht mehr bestraft. Auch die schlimmste Form nicht, auch die Planung von Atombewaffnung nicht.

Einige Tricks zur Beeinflussung, ehrlicher gesagt: zur Manipulation der Menschen:

Der erste Trick bestand darin, ein altes Feindbild neu aufzubauen und eine Bedrohung zu konstruieren.

Russland bot sich an. Schon alleine wegen der schon mehrmals erprobten Rolle, von den Nazis und dann nach dem Krieg vom konservativen Teil unserer Gesellschaft. Putin bot die Chance zur Personalisierung der Aggression.
Das ist nahezu komplett gelungen und wird ständig unterfüttert durch Behauptungen wie zum Beispiel jene über Hackerangriffe.

Ein ergänzender Trick bei diesem Feindbildaufbau ist es, die Staaten an der Grenze zu Russland, also die baltischen Staaten und Polen, die mit Recht oder Unrecht Rechnungen mit Russland offen haben, als Katalysatoren zu benutzen.

Der zweite Trick: Ein paar Bemerkungen des neuen Präsidenten der USA über die angebliche Überflüssigkeit der NATO (= obsolet) wurden penetrant so interpretiert, als wäre Europa damit der Schutz der USA gegen Russland entzogen.

Das ist eine grandiose Überinterpretation und Falschinterpretation, aber sie wurde von mehreren Stellen gleichlautend und penetrant in die Köpfe und Herzen der Menschen geklopft.
Dort blieb hängen: Mit Trump haben uns die USA verlassen, uns ihren militärischen und vor allem atomaren Schutz entzogen. Also müssen wir das selber machen. Also müssen wir massiv rüsten.

In der Wirklichkeit findet diese Erzählung keine reale Basis. Sie wird nur gebraucht und deshalb wird sie erzählt, um Geld für die Rüstung locker zu machen.

Der dritte Trick: Man sagt B und meint eigentlich A.

Am 29. Juli 2015 haben wir auf den NachDenkSeiten diese Methode beschrieben. Sie wird gerne angewandt, so wie jetzt auch hier: es wird eine Debatte um die deutsche Atombombe vom Zaun gebrochen. Diese läuft in der FAZ und dann bei Panorama und dann im Deutschlandfunk und dann auch in der Zeit.
Das Volk steht verwirrt beiseite, teilweise auch dagegen. Aber die eigentlich beabsichtigte Botschaft A: wir brauchen Militär und Rüstung gegen den neuen Feind, bleibt als berechtigt hängen.

Der vierte Trick wird uns gerade mit der Sicherheitskonferenz in München demonstriert: Rüstungpropaganda und Propaganda für militärische Einsätze unter einem falschen Label: Sicherheit. Und das auch noch auf unsere, der Steuerzahler Kosten.

Früher hieß die Münchner Sicherheitskonferenz „Wehrkundetagung“. Das war eine einigermaßen ehrliche Bezeichnung.
Dann wurde das Ding in Sicherheitskonferenz umbenannt. Und das ist dann keine ehrliche Bezeichnung mehr, jedenfalls für einen größeren Teil dessen, was dort in München passiert.
Ich erinnere an die gleichlautende Propaganda von Bundespräsident Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen. Sie forderten vor zwei Jahren unisono, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Da konnte man als verantwortungsbewusster Mensch ja noch mitfühlen. Aber gemeint und auch so insinuiert war damals schon Verantwortung durch militärische Einsätze.

Diese Propaganda wird zu einem beachtlichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dabei handelt es sich nicht um eine öffentliche Konferenz und auch nicht um eine von einer öffentlichen Instanz ausgerichtete Konferenz. Die Rüstungswirtschaft lässt sich vom Steuerzahler ihre Lobbyarbeit auch noch bezahlen.

Wir sind schon ganz schön blöd.

Jochen