Brauchen wir einen neuen Marx? Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht im ZDF

Erstaunlich, dass Sarah hier so ausführlich zu Wort kommt:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/marx-analysen-treffen-auch-2018-noch-zu-100.html

wagenknecht2013Brauchen wir einen neuen Marx?

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Seitdem ist die Welt in vieler Hinsicht eine andere geworden. Brauchen wir einen „neuen Marx“, um aktuelle Entwicklungen zu begreifen?

Nun ja, große Denker und schonungslose Analytiker haben noch keinem Zeitalter geschadet. Aber genauso wahr ist: Marx ist immer noch aktuell.
Er hat die inneren Widersprüche, die Bewegungsgesetze, die Krisen des Kapitalismus nicht nur als Erster klar analysiert.
Er bietet bis heute ein unersetzliches theoretisches Instrumentarium, um zu verstehen, wie unsere Wirtschaft funktioniert.

Noch immer gilt: Aus Geld mehr Geld machen

Denn trotz aller Veränderungen: Noch heute leben wir in einer Wirtschaftsordnung, die um den Selbstzweck kreist, aus Geld mehr Geld zu machen. Die nach der Logik des „immer mehr“ funktioniert.
Heute werden Produkte von den Herstellern teilweise extra so konstruiert, dass sie nach relativ kurzer Zeit kaputt gehen und sich kaum reparieren lassen. Damit möglichst schnell das nächste Modell verkauft werden kann. Ökologisch ist das verheerend.
Um den Zugang zu Rohstoffen werden Kriege geführt. Milliarden werden für Rüstung verschleudert. Das große Geld kauft sich die Politik, die seinen Interessen nützt.

Noch immer befinden sich entscheidende wirtschaftliche Ressourcen – von Fabriken und Kraftwerken über Software bis hin zu digitaler Infrastruktur und Information – in der Hand einer kleinen, privilegierten Minderheit.
Niemand kann sich ein Vermögen von hunderten Millionen oder Milliarden selbst erarbeiten. Dass es Privatvermögen in dieser Größenordnung überhaupt gibt, zeigt, dass einige die Macht haben, sich die Arbeit anderer anzueignen und davon reich zu werden. Oft ohne eigene Leistung, denn was den Kapitalisten vom Unternehmer unterscheidet, ist ja gerade, dass er in dem oder den Unternehmen, von dessen Erträgen er profitiert, keine produktive Rolle mehr spielt.
Deshalb können auch Finanzinvestoren und Hedge Fonds heute Eigentümer von Unternehmen sein. Gerade dann dreht sich in der Regel alles nur noch um die Erhöhung der Rendite.
Leidtragende sind die Beschäftigten, deren Löhne durch Tarifflucht oder Leiharbeit gedrückt werden oder deren Leistungsstress erhöht wird.

Mehr Dividende seit Agenda 2010

Auch diesen Interessengegensatz gibt es seit Marx: Je schlechter die bezahlt werden, die den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, desto üppiger fließen Gewinne.
In Deutschland, wo die Agenda 2010 einen großen Niedriglohnsektor geschaffen hat und viele von ihrer Arbeit nicht mehr gut leben können, werden seither mehr Dividenden ausgeschüttet als je zuvor.

Marx‘ Theorie erklärt, warum Wirtschaftskrisen im Kapitalismus immer wieder auftreten. Manche seiner Analysen – etwa zur Globalisierung, zu Konzentrationsprozessen oder zum „fiktiven Kapital“, das der scheinbaren Verselbständigung der Finanzsphäre zugrunde liegt – sind heute sogar aktueller als vor 200 Jahren. Marx liefert auch Hinweise, warum so viele den Kapitalismus als alternativlos begreifen. „Geld regiert die Welt“ ist ein geläufiges Sprichwort.
Aber Kapital ist mehr als nur Geld. Es ist ein Verhältnis zwischen Menschen. Ein Herrschaftsverhältnis, das uns als scheinbarer „Sachzwang“ gegenüber tritt. Doch Herrschaftsverhältnisse sind keine Naturgewalt, sie werden von Menschen geschaffen und sind durch Menschen änderbar.

Lösung bleibt die Herausforderung

Finden wir bei Marx fertige Lösungen für unsere Probleme? Leider nein. Marx war ein Analytiker, kein Prophet. Er hat uns nur wenige Anregungen für eine Alternative zum Kapitalismus hinterlassen.
Sie kreisen um eine veränderte Gestaltung des Wirtschaftseigentums. In Zukunft soll, so Marx, privates Eigentum den individuellen Lebensbereich schützen, aber nicht mehr gesellschaftliche Machtstellungen.
Neue Formen des Wirtschaftseigentums sollten zu Anstrengung, Kreativität und Leistung motivieren, aber nicht länger individuelle Bereicherung auf Kosten anderer ermöglichen.
Ideen zu entwickeln, wie ein vernünftiges Wirtschaftseigentum, das diese Kriterien erfüllt, aussehen kann, überlässt er uns. Wir sollten seine Herausforderung annehmen.

Karl Marx in Daten

5. Mai 1818 Geburt von Karl Marx in Trier

1836 Marx geht zum Studium nach Berlin

1842
Übernahme der Leitung der „Rheinischen Zeitung“ in Köln

19. Juni 1843 Karl Marx heiratet Jenny von Westphalen

1844 Friedrich Engels lernt Marx in Paris kennen, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelt

1845 Marx wird aus Frankreich ausgewiesen, geht nach Brüssel und gibt die preußische Staatsbürgerschaft auf

8. Dezember 1847 Gründung des „Bundes der Kommunisten“ unter Marx und Engels in London

21. Februar 1848 Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifests“

1849 Marx findet Zuflucht in London

11. September 1867 „Das Kapital“ erscheint als erster Band einer groß angelegten Abhandlung zur Wirtschaftslehre

14. März 1883 Karl Marx stirbt in London

5min Doku | Terra X: Karl Marx und das Kommunistische Manifest

Es ist eine der einflussreichsten Streitschriften der Moderne: das Manifest der kommunistischen Partei, verfasst von Karl Marx und Friedrich Engels. Im Februar 1848 geht die Urschrift in den Druck.

Jochen

Eine finanzpolitische Zeitbombe: Die geplante Kapitalmarktunion

Die geplante Kapitalmarktunion setzt auf noch mehr Deregulierung in der EU

https://monde-diplomatique.de/artikel/!5264078

von Frédéric Lemaire und Dominique Plihon

Auszüge:

Knapp sieben Jahre nach Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise steht die nächste Deregulierungswelle bevor. Die Panik, die im Herbst 2008 die Chefetagen der Banken erfasst hat, ist nur noch ferne Erinnerung, ebenso die seinerzeit geplanten Maßnahmen gegen diverse halsbrecherische Finanzoperationen.

EU-Finanzkommissar Jonathan Hill meint, es sei an der Zeit, in Europa „alte Schranken einzureißen und den freien Kapitalverkehr zwischen allen 28 Mitgliedstaaten zu erleichtern“ – weshalb die EU-Kommission der Kapitalmarktunion höchste Priorität einräumt. Der dazu im September verkündete Aktionsplan sieht bis 2019 eine Reihe von Konsultationen, Überprüfungsmaßnahmen und Gesetzesinitiativen vor.

Kritiker der neuerlichen Deregulierung speist Jonathan Hill mit den üblichen Argumenten ab: Das größte Risiko für die Stabilität sei nun einmal fehlendes Wachstum, deshalb sei die Belebung der Investitionstätigkeit so wichtig. Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die das Rückgrat der Gesamtwirtschaft bilden, könnten sich derzeit nicht angemessen finanzieren, weil die herkömmlichen Quellen für Investitionsgelder blockiert sind. Die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe beeinträchtige auch die kapitalaufwendigen Programme zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur, zumal die öffentlichen Investitionen aufgrund der Sparpolitik zurückgehen. Heute müsse, so Hill weiter, die Kapitalbeschaffung wieder vermehrt über die Finanzmärkte laufen, wozu eine Reihe von Reformen notwendig seien.

Maßgeschneiderte Verfahren sollen den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen reduzieren, die Bonitätsprüfung vereinfachen und vor allem die „Privatplatzierungen“ fördern. Letztere erlauben es nicht börsennotierten Unternehmen, sich statt an kreditvergebende Banken direkt an Finanzinvestoren zu wenden, zum Beispiel an spezialisierte Anlagefonds und Versicherungen. Diese unterliegen weniger strengen Vorschriften als die Publikumsgesellschaften,1 die in der Regel der Börsenaufsicht und geregelten Berichtspflichten unterliegen. Dieser Markt für privates Beteiligungskapital erlebt derzeit einen enormen Aufschwung, sein Umsatz könnte in den nächsten Jahren auf bis zu 60 Milliarden Euro steigen.

Die französische Regierung unterstützt diese Formen der Direktvermittlung und damit die Rückkehr zu bankfremden Finanzierungsmethoden. Das von Wirtschaftsminister Macron eingebrachte und am 7. August 2015 verkündete „Gesetz für Wachstum, Beschäftigung und wirtschaftliche Chancengleichheit“ fördert die Kreditvergabe zwischen Unternehmen, die ohne Vermittlung der Banken abläuft und damit jeglicher Regulierung entzogen ist.

Andere Maßnahmen erleichtern privaten Investoren den Rückkauf von Kreditverpflichtungen der Unternehmen gegenüber Banken. Die Kommission schlägt zudem für institutionelle Investoren (vor allem Pensionsfonds und Versicherungen) steuerliche Anreize für den Erwerb von Verbindlichkeiten nicht börsennotierter Unternehmen vor, was für Investoren weitaus rentabler – weil riskanter – ist als der Kauf von Staatsanleihen. So hat die französische Großbank Société Générale 80 Prozent ihrer Kredite mit mehr als fünfjähriger Laufzeit an KMU oder Midcap-Unternehmen2 an die Versicherungsgesellschaft Axa veräußert. Ähnliche Geschäfte laufen zwischen den Großbanken Crédit Agricole, BNP Paribas und Natixis und anderen Versicherungsunternehmen.

Das Leuchtturmprojekt der Kommission ist jedoch die Verbriefung der Bankenkredite. Sie erlaubt es den Banken, die von ihnen ausgegebenen Kredite auf den Kapitalmärkten weiterzuverkaufen und damit ihre Risiken zu entsorgen, ohne Verlust der Provisionen, die sie bei der Darlehensvergabe eingestrichen haben. Diese Möglichkeit haben sie Mitte der nuller Jahre exzessiv genutzt, als sie den Investoren massenhaft die zu Aktienpaketen „umgestrickten“ US-Immobiliendarlehen andrehten.

Freilich haben diese Verbriefungen, über die die Banken ihr Risiko an andere weiterreichen, nicht nur die Komplexität, sondern auch die Vernetzung und die wechselseitige Abhängigkeit der Finanzmärkte erhöht. Die Folge war, dass 2008 die Subprime-Blase platzte und die Finanzmarktkrise sich zu einer globalen Wirtschaftskrise ausweitete.

Legende vom Nutzen für kleinere Unternehmen

Weil die EU-Kommission um die Brisanz des Vorhabens weiß, plädiert sie für eine „hochwertige“ und möglichst „transparente“ Verbriefung – während die Bankenlobby schon an der Formulierung möglichst schwacher Regeln arbeitet. Finanzkommissar Hill hat bereits angekündigt, er werde eine Abmilderung der Regeln nicht verhindern, nach denen die Banken bislang wenigstens einen Teil der aus verbrieften Schuldforderungen resultierenden Risiken in ihren Bilanzen halten müssen.

In den Augen der europäischen Regierungen ist das stärker von den Märkten bestimmte US-Finanzsystem geradezu vorbildlich – und eine Sicherheitsgarantie für die Unternehmen. So erklärt die Kommission in ihrem Grünbuch allen Ernstes: „Die stärkere Abhängigkeit von Bankkrediten macht die europäische Wirtschaft und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KUM) insgesamt anfälliger, wenn die Bedingungen für die Vergabe von Bankkrediten – wie in der Finanzkrise der Fall – strenger werden.“3 Dass ebendiese Finanzmärkte und ihre Deregulierung die Krise verursacht haben, ist offenbar längst vergessen.

Die Anwälte der Liberalisierung legen sich argumentativ schwer ins Zeug. So behaupten sie etwa, die Anpassung des europäischen Finanzsystems an die angelsächsischen Regeln werde der Kapitalmarktunion dauerhaft mehr Wachstum und Beschäftigung und den KMU einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln bescheren. Gerhard Hue­mer, Chefökonom beim Europäischen Dachverband der KMU (­UEAPME), hat da erhebliche Zweifel: „Für die überwältigende Mehrheit der Kleinunternehmen wird der Bankkredit auch künftig die Hauptfinanzierungsquelle bleiben. Die Kapitalmarktunion kann die Funktionsstörungen der Bankenfinanzierung und deren Folgen nicht ausgleichen.“4 Auch beim marktfreundlichen Washingtoner Thinktank Brookings Institution hält man die Vorteile der Kapitalmarktunion für die KMU für „stark überschätzt“.5

Hill hat selbst zugegeben, dass er den Nutzen seines Projekts für die kleinen Unternehmen übertreibt, um die eigentlich Geprellten zu besänftigen – nämlich die europäischen Bürger. So erklärte er bei einer Diskussion in Washington: „Wenn wir in der europäischen Debatte über die Kapitalmarktunion die kleinen und mittleren Unternehmen in den Vordergrund stellen, dann deshalb, weil sie als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor wahrgenommen werden und weil es leichter ist, die Öffentlichkeit mit Vorschlägen zu überzeugen, die diese Unternehmen stärken.“6 Dagegen kritisieren die Nichtregierungsorganisation Finance Watch und der deutsche Spitzenverband der genossenschaftlichen Kreditwirtschaft (BVR) die Kapitalmarktunion als ein Vorhaben, dessen Hauptziel die Rentabilitätssteigerung der Großbanken sei.

Die Kapitalmarktunion wird überdies die Schattenbanken begünstigen, die schon für die Krise 2008 maßgeblich verantwortlich waren und deren Verbriefungsprodukte nun bewusst gefördert werden, um die strengeren Regeln, denen das offizielle Bankensystem unterstellt ist, zu umgehen.

Die verstärkte Beteiligung von Versicherungen, Pensionsfonds und spekulativen Zweckgesellschaften an der Finanzierung der Wirtschaft birgt ein weiteres Risiko. Solche Investoren haben oft zu wenig Erfahrung, um die Qualität der gehandelten Anleihen zu beurteilen. Sie glauben, sie könnten den Sachverstand und den Kundenkontakt der Banken durch abstrakte Risikokalküle ausgleichen. Aber genau die versagen bekanntlich, wenn es auf den Finanzmärkten zu überraschenden Turbulenzen kommt. Das Platzen einer Kreditblase wäre für die Verbriefungsmärkte besonders dramatisch, weil spekulative Investoren im Fall der Fälle nicht – wie die Bankhäuser – auf die Rettungsmaßnahmen der Zentralbanken zählen können.

Eigentlich müssten sich die Banken gegen die Kapitalmarktunion wehren, denn damit schwindet ihr Einfluss. Aber sie sind eifrige Befürworter, und zwar, weil sie selbst längst im System der Schattenbanken mitmischen. Das Engagement auf den Verbriefungsmärkten erlaubt auch ihnen, die für herkömmliche Bankenkreditgeschäfte geltenden Vorschriften zu umgehen, etwa dank neuer komplexer Finanzprodukte, die außerhalb der Börse auf dem ungeregelten und undurchsichtigen „Over-the-counter“-Markt gehandelt werden.

Zutaten für die nächste schwere Krise

Zur Finanzierung ihrer spekulativen Transaktionen können die Banken in Zukunft sogar die Europäische Zentralbank (EZB) in Anspruch nehmen, die beschlossen hat, die Hinterlegung solcher verbrieften Kredite beim Austausch gegen frisches Geld als Sicherheitsgarantie anzuerkennen. Diese Beihilfe der EZB soll die Kreditvergabe an die „Realwirtschaft“ beleben. Dabei deutet alles darauf hin, dass damit vor allem die Geschäfte der Schattenbanken gefördert werden: Die von der EZB bereitgestellte Liquidität kann für spekulative Anlagen eingesetzt werden, so dass wiederum neue Spekulationsblasen entstehen – und platzen – können.

Die geplante Kapitalmarktunion droht also, die großen „Universalbanken“ in finanzielle Zeitbomben zu verwandeln. Dabei schützt der scheinbar rein fachliche Charakter des Themas das Projekt vor den Blicken der Öffentlichkeit, sodass die EU-Kommission in aller Ruhe die Zutaten für die nächste schwere Krise zusammenmischen kann.7 Im Oktober hat sie unter Leitung ihres Präsidenten Juncker ein Beratungsverfahren eingeleitet – unter anderem, um „unnötige regulatorische Belastungen und andere Faktoren“ zu ermitteln, „die sich langfristig negativ auf Investitionen und Wachstum auswirken.“8 Mit dem Argument könnte man auch die Finanztransaktionssteuer (Financial Transaction Tax, FTT) aushebeln, über die derzeit mühselige Verhandlungen zwischen elf europäischen Regierungen laufen.9 So forderten in einem Schreiben vom 6. November 2015 elf nationale Unternehmerverbände – unter der Führung des Dachverbands Business Europe – die europäischen Finanzminister auf, die FTT zu begraben. Schließlich gebe es „klare Beweise für die schädlichen Wirkungen der FTT im Hinblick auf Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze“.10

Nutzen zweifelhaft, Risiken beträchtlich – die „Bilanz“ der Kapitalmarktunion fällt eher negativ aus. Sie beruht von vornherein auf einer Fehldiagnose, weil die Kommission eine der zentralen Ursachen für die wirtschaftlichen Stagnation im Euroraum schlicht verdrängt: die staatliche Sparpolitik und die Lohnzurückhaltung. Dass die kleineren und mittleren Unternehmen nicht genug investieren, liegt vor allem an der geringen Nachfrage. Und die wird auch dadurch abgewürgt, dass die öffentliche Hand „den Gürtel enger schnallt“.

Bleibt die Frage, warum die EU dieses riskante Projekt so rasch vorantreibt? Ob das Ganze nur als Beruhigungssignal an Großbritannien gedacht ist, um einen „Brexit“ abzuwenden? Misstrauisch stimmen auch die Verbindungen, die Juncker und Hill zu Finanzkreisen unterhalten. Juncker war immerhin von 1995 bis 2013 Regierungschef in Luxemburg, einer der großen europäischen Steueroasen. Und Hill ist der Gründer von Quiller Consultants, einer auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensberatung, die in der Londoner City unter anderem für die britische HSBC Bank gearbeitet hat.

1 Publikumsgesellschaften sind Personen- oder Kapitalgesellschaften mit vielen Großanlegern oder Anteilseignern, wie zum Beispiel Aktiengesellschaften.

2 Mid Caps sind Unternehmen mit einem Börsenwert zwischen 500 Millionen und 2 Milliarden Euro/Dollar.

3 „Schaffung einer Kapitalmarktunion“, Grünbuch der EU-Kommission, Brüssel, 18. Februar 2015, S. 8.

4 Siehe: Maximising the Capital Market opportunity for SMEs and Start-ups; www.accaglobal.com/za/en/discover/news/2015/05/capital-markets.html.

5 Douglas J. Elliott, „Capital markets union in Europe: Initial impressions“, Brookings Institution, 23. Februar 2015; http://ec.europa.eu/finance/consultations/2015/capital-markets-union/docs/green-paper_de.pdf.

6 Diskussionsforum am 25. Februar 2015.

7 Siehe Sven Giegolds Blog-Eintrag vom 30. September 2015: www.sven-giegold.de/2015/kapitalmarktunion-darf-nicht-fuer-deregulierungswelle-missbraucht-werden.

8 „Kapitalmarktunion: Ein Aktionsplan für mehr Unternehmens- und Investitionsfinanzierung“. Pressemitteilung der Europäischen Kommission, 30. September 2015: europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5731_de.htm.

9 Siehe Stephan Schulmeister „Die vernünftigste Steuer in diesen Zeiten“, Le Monde diplomatique, Dezember 2014.

10 Siehe: www.sven-giegold.de/wp-content/uploads/­2015/­11/2015-11-06-Letter-on-FTT-to-ECOFIN-Council-No­vember-Min-Gramegna-LU.pdf.

Aus dem Französischen von Ulf Kadritzke

Frédéric Lemaire ist Doktorand am Centre d’économie der Universität Paris-Nord (CEPN). Dominique Plihon ist Professor für Finanzökonomie an der Universität Paris XIII. Beide sind Mitglieder von Attac France.