Brauchen wir einen neuen Marx? Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht im ZDF

Erstaunlich, dass Sarah hier so ausführlich zu Wort kommt:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/marx-analysen-treffen-auch-2018-noch-zu-100.html

wagenknecht2013Brauchen wir einen neuen Marx?

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Seitdem ist die Welt in vieler Hinsicht eine andere geworden. Brauchen wir einen „neuen Marx“, um aktuelle Entwicklungen zu begreifen?

Nun ja, große Denker und schonungslose Analytiker haben noch keinem Zeitalter geschadet. Aber genauso wahr ist: Marx ist immer noch aktuell.
Er hat die inneren Widersprüche, die Bewegungsgesetze, die Krisen des Kapitalismus nicht nur als Erster klar analysiert.
Er bietet bis heute ein unersetzliches theoretisches Instrumentarium, um zu verstehen, wie unsere Wirtschaft funktioniert.

Noch immer gilt: Aus Geld mehr Geld machen

Denn trotz aller Veränderungen: Noch heute leben wir in einer Wirtschaftsordnung, die um den Selbstzweck kreist, aus Geld mehr Geld zu machen. Die nach der Logik des „immer mehr“ funktioniert.
Heute werden Produkte von den Herstellern teilweise extra so konstruiert, dass sie nach relativ kurzer Zeit kaputt gehen und sich kaum reparieren lassen. Damit möglichst schnell das nächste Modell verkauft werden kann. Ökologisch ist das verheerend.
Um den Zugang zu Rohstoffen werden Kriege geführt. Milliarden werden für Rüstung verschleudert. Das große Geld kauft sich die Politik, die seinen Interessen nützt.

Noch immer befinden sich entscheidende wirtschaftliche Ressourcen – von Fabriken und Kraftwerken über Software bis hin zu digitaler Infrastruktur und Information – in der Hand einer kleinen, privilegierten Minderheit.
Niemand kann sich ein Vermögen von hunderten Millionen oder Milliarden selbst erarbeiten. Dass es Privatvermögen in dieser Größenordnung überhaupt gibt, zeigt, dass einige die Macht haben, sich die Arbeit anderer anzueignen und davon reich zu werden. Oft ohne eigene Leistung, denn was den Kapitalisten vom Unternehmer unterscheidet, ist ja gerade, dass er in dem oder den Unternehmen, von dessen Erträgen er profitiert, keine produktive Rolle mehr spielt.
Deshalb können auch Finanzinvestoren und Hedge Fonds heute Eigentümer von Unternehmen sein. Gerade dann dreht sich in der Regel alles nur noch um die Erhöhung der Rendite.
Leidtragende sind die Beschäftigten, deren Löhne durch Tarifflucht oder Leiharbeit gedrückt werden oder deren Leistungsstress erhöht wird.

Mehr Dividende seit Agenda 2010

Auch diesen Interessengegensatz gibt es seit Marx: Je schlechter die bezahlt werden, die den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, desto üppiger fließen Gewinne.
In Deutschland, wo die Agenda 2010 einen großen Niedriglohnsektor geschaffen hat und viele von ihrer Arbeit nicht mehr gut leben können, werden seither mehr Dividenden ausgeschüttet als je zuvor.

Marx‘ Theorie erklärt, warum Wirtschaftskrisen im Kapitalismus immer wieder auftreten. Manche seiner Analysen – etwa zur Globalisierung, zu Konzentrationsprozessen oder zum „fiktiven Kapital“, das der scheinbaren Verselbständigung der Finanzsphäre zugrunde liegt – sind heute sogar aktueller als vor 200 Jahren. Marx liefert auch Hinweise, warum so viele den Kapitalismus als alternativlos begreifen. „Geld regiert die Welt“ ist ein geläufiges Sprichwort.
Aber Kapital ist mehr als nur Geld. Es ist ein Verhältnis zwischen Menschen. Ein Herrschaftsverhältnis, das uns als scheinbarer „Sachzwang“ gegenüber tritt. Doch Herrschaftsverhältnisse sind keine Naturgewalt, sie werden von Menschen geschaffen und sind durch Menschen änderbar.

Lösung bleibt die Herausforderung

Finden wir bei Marx fertige Lösungen für unsere Probleme? Leider nein. Marx war ein Analytiker, kein Prophet. Er hat uns nur wenige Anregungen für eine Alternative zum Kapitalismus hinterlassen.
Sie kreisen um eine veränderte Gestaltung des Wirtschaftseigentums. In Zukunft soll, so Marx, privates Eigentum den individuellen Lebensbereich schützen, aber nicht mehr gesellschaftliche Machtstellungen.
Neue Formen des Wirtschaftseigentums sollten zu Anstrengung, Kreativität und Leistung motivieren, aber nicht länger individuelle Bereicherung auf Kosten anderer ermöglichen.
Ideen zu entwickeln, wie ein vernünftiges Wirtschaftseigentum, das diese Kriterien erfüllt, aussehen kann, überlässt er uns. Wir sollten seine Herausforderung annehmen.

Karl Marx in Daten

5. Mai 1818 Geburt von Karl Marx in Trier

1836 Marx geht zum Studium nach Berlin

1842
Übernahme der Leitung der „Rheinischen Zeitung“ in Köln

19. Juni 1843 Karl Marx heiratet Jenny von Westphalen

1844 Friedrich Engels lernt Marx in Paris kennen, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelt

1845 Marx wird aus Frankreich ausgewiesen, geht nach Brüssel und gibt die preußische Staatsbürgerschaft auf

8. Dezember 1847 Gründung des „Bundes der Kommunisten“ unter Marx und Engels in London

21. Februar 1848 Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifests“

1849 Marx findet Zuflucht in London

11. September 1867 „Das Kapital“ erscheint als erster Band einer groß angelegten Abhandlung zur Wirtschaftslehre

14. März 1883 Karl Marx stirbt in London

5min Doku | Terra X: Karl Marx und das Kommunistische Manifest

Es ist eine der einflussreichsten Streitschriften der Moderne: das Manifest der kommunistischen Partei, verfasst von Karl Marx und Friedrich Engels. Im Februar 1848 geht die Urschrift in den Druck.

Jochen

Frank-Walter Steinmeier: Wie der „Bock zum Gärtner“ wurde

vakanz13blog

Karl Marx, der geniale Vordenker der revolutionären Arbeiterbewegung, begeht am 5. Mai 2018 seinen 200. Geburtstag.
Am 30. August 2017 teilte die „Karl Marx 2018 – Ausstellungsgesellschaft mbH“ in Trier mit:

„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft für die große Landesausstellung KARL MARX 1818 – 1883. LEBEN. WERK. ZEIT. übernommen, wie das Bundespräsidialamt mitteilte. …“ [1]

Herr Frank-Walter Steinmeier ist als Bundespräsident der Spitzenrepräsentant des bürgerlichen kapitalistischen Staates BRD. Frank-Walter Steinmeier ist gleichzeitig Mitglied der SPD und einer der führender Köpfe dieser Partei. Nun stellt sich nicht nur dem Marxisten die Frage, welches nennenswerte Interesse haben der kapitalistische deutsche Staat und die SPD an Karl Marx?

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Daniela Dahn auf der Münchner Friedenskonferenz 2017: Kooperation oder Konfrontation mit Russland?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Zur Erinnerung und Mahnung angesichts der neuen Kriegsvorbereitung des Imperiums
https://www.danieladahn.de/muenchner-friedenskonferenz./

Bayrischer Rundfunk 17.2.17

Parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz fand auch 2017 im alten Rathaus wieder die aus der Bürgerschaft kommende Münchner Friedenskonferenz statt. Diese darf seit einigen Jahren zwei Beobachter zur Sicherheitskonferenz entsenden.
Eine dieser Beobachterinnen war diesmal die Schriftstellerin und Publizistin Daniela Dahn.
Ihre Eröffnungsrede auf der Friedenskonferenz der Bürger hat sie später durch das auf der Sicherheitskonferenz der Eliten Gehörte durch kursive Passagen ergänzt.

Kooperation oder Konfrontation mit Russland?

Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Wer aber für Kooperation ist, muss sich mit der Konfrontation beschäftigen.

Noch keine Münchner Sicherheitskonferenz war so aufgeladen mit Erwartungen und hatte einen solchen Andrang von einst und gegenwärtig hochrangigen Politikern wie diese. Erstmals standen die transatlantischen Beziehungen zur Disposition. Konferenzchef Wolfgang Ischinger fragte eingangs besorgt, ob wir vor einem post-westlichen Zeitalter stünden.
Auch von anderen Rednern wurde der womögliche Wechsel zu einer „neuen Weltordnung“ beschworen, was den auf Verständigung Bedachten Anlass zu großer Sorge bot, da Weltordnungen erfahrungsgemäß durch Kriege verändert werden.
Der Auftritt von US-Vize Mike Pence wurde atemlos verfolgt, wie der eines Messias. Dass es die intellektuell magerste Rede von allen war, fiel nicht weiter auf, denn der erlösende Satz nahm die Ängste: Die USA ist und wird immer ihr größter Verbündeter sein. „Unter Präsident Trump werden wir die stärkste Armee der Welt sein.“
Die USA unterstütze die NATO energisch, aber Donald Trump erwarte, dass alle Mitglieder jene zugesagten zwei Prozent zur Aufrüstung beitrügen.
Mit ihm jedenfalls, so die wiederholte Botschaft, werde die USA so stark wie nie zuvor.

  1. Die Geschichte der Konfrontation jenseits von Propaganda erzählen

Der völkerrechtswidrige Jugoslawienkrieg, die Expansion der NATO nach Osten, neue Raketensysteme, die Einmischung des Westens in die inneren Angelegenheiten Russlands und dessen traditionell Verbündeten, die Sanktionen, die Propaganda, – all das hat zu einer neuen Ära der Konfrontation mit Russland geführt.
Die NATO-Mitglieder behaupten natürlich, das Gegenteil sei wahr, Russlands aggressive Politik sei der Grund der Spannungen.
Wer angesichts solcher Antagonismen kapituliert und meint, wir seien endgültig im Postfaktischen angekommen, verkennt wohl, dass genau diese Ratlosigkeit ein Herrschaftskonstrukt ist, mit dem man sich vor belastenden Tatsachen schützen will. Es soll nur noch auf die „gefühlte Wahrheit“ ankommen.
Allein im Pentagon arbeiten 27.000 PR-Spezialisten mit einem Jahresbudget von fünf Milliarden Dollar. Sie beeinflussen Agenturen mit gezielten Nachrichten, Fernsehspots und Rundfunkinterviews.

Als Gegengewicht gegen russisches Fernsehen sendet seit dem 7. Februar der vom US-Kongress finanzierte, russischsprachige Kanal Nastojaschee Wremja – Current Time. Die Deutungshoheit über die Meinung von Mehrheiten ist im digitalen Zeitalter die wichtigste Waffe geworden. Hier findet die eigentliche Aufrüstung statt, auch wenn die herkömmliche sich wahrlich nicht lumpen lässt.
Gleichzeitig verteidigen sich derzeit viele Medien und Institutionen mit Faktenchecks , bei denen man auch genau hinsehen muss. Das ist mühsam, aber der einzige Weg: Desinformation widersprechen, neuer Desinformation besser widersprechen.

Fangen wir gleich beim diesjährigen, überall verteilten Report der Münchner Sicherheitskonferenz an. Unter Berufung auf „zahlreiche Menschenrechtsorganisationen“ wird dort behauptet, 80 Prozent der russischen Luftangriffe auf Syrien galten nicht dem IS, sondern zielten auf Rebellen und Zivilisten. „Damit ist das russische Märchen des Kampfes gegen den Terror in Syrien endgültig bloßgestellt“, sekundierte die Bild-Zeitung.
Immer wenn wieder das Ende einer Geschichte verordnet wird, muss man misstrauisch werden und die Geschichte von vorn erzählen. Denn hier liegt ein klassisches Beispiel vor, wie man mit Zahlen, die vielleicht sogar stimmen, durch Fehlinterpretation manipulieren kann.
Russland und Syrien haben nie behauptet, nur den IS zu bekämpfen, sondern alle islamistischen Terroristen, die gewaltsam die Regierung stürzen wollen. Einer der Hauptgegner ist daher die al-Qaida zugehörige al-Nusra-Front, die sich im letzten Sommer aus taktischen Gründen in Eroberungsfront der Levante umbenannt hat, um nicht mehr als Terroristen wahrgenommen zu werden.
Ihr Ziel ist aber unverändert ein islamisches Kalifat, in dem alles Säkulare ausgerottet und die alawitische und christliche Minderheit vertrieben wird.
Diese vom Westen jetzt verharmlosend zu den Rebellen gezählten Kämpfer, haben nach Erkenntnissen der Geheimdienste auch das Nervengas Sarin im syrischen Ghouta und später nahe Aleppo eingesetzt, um den Verdacht auf Assad zu lenken. Der UN-Sicherheitsrat hat sie als Terrororganisation eingestuft.

Diese sogenannte Eroberungsfront und die mit ihnen verbündeten Gruppen machen nach Angaben von Experten, auf die sich die Korrespondentin Karin Leukefeld beruft, die Hälfte der Anti-Assad Kämpfer aus. Zählt man die Luftangriffe auf sie zu denen auf den IS, sind wir statt 20 schon bei 70 Prozent, die sich gegen Terroristen richteten.
Soviel also präzisierend zum Report der Sicherheitskonferenz.

Bleibt immer noch die Frage, warum die Russen im Verbund mit der syrischen Armee angeblich so gern Zivilisten bombardieren. Dabei unterscheidet sich die gegenwärtige US-Offensive auf das irakische Mossul nicht von der russischen Offensive auf Aleppo.
Wenn die US-Koalition Tag und Nacht mit Langstreckenraketen Wohngebiete in Mossul angreift, auch gezielt die Universität, Krankenhäuser, ja die gesamte zivile Infrastruktur zerstört, dann heißt es, das waren alles Orte, die die Terroristen als Basis benutzt hätten. Bei den russischen Bombardements in Syrien dagegen wird verlangt, ganz sauber zwischen Zivilisten und Terroristen zu unterscheiden.
Da aber Terroristen nun mal keine Armeen befehligen, die in ordentlichen Kompanien kämpfen und anschließend in ihren Kasernen ein übersichtliches Ziel abgeben, wird dies nie und nirgends möglich sein.

Aber diese Einsicht müsste alle Seiten zu der Frage bewegen, ob die Bombardiererei im Kampf gegen islamischen Terrorismus überhaupt etwas ausrichten kann. Außer unermesslichem Leid.

Die Idee, den Terrorismus zu bekämpfen, ohne dessen Ursachen zu erkennen und zu eliminieren, ist falsch, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in seiner von den Medien kaum beachteten Rede. Dabei war dies die mutigste und analytischste Rede der ganzen Münchner Sicherheitskonferenz. Sie enthielt einen der beiden Schlüsselsätze, die die Frage von Krieg und Frieden von entgegengesetzten Positionen beschrieben.
Auf die schwere Anklage von Guterres ging wie zu erwarten niemand ein: „Die größte Bedrohung für die Sicherheit ist das politische Establishment.“ Er beklagte dessen mangelnde Kapazität für Analysen, die Lücke in den Erkenntnissen, dessen disfunktionale Strukturen. Die Globalisierung habe viele Verlierer – eine Jugend ohne Chance sei anfällig für Extremismus. Der UNO-Chef forderte Langzeitstrategien für Bildung und Armutsbekämpfung, für Klimaschutz und Wasserversorgung. Es fehle an Visionen und Investitionen zur Friedenssicherung.

Diesen Eindruck hatte man auch beim Statement des afghanischen Präsidenten Mohammad Ashraf Ghani. Er sah etwas anderes als die größte Bedrohung, nämlich dass sich etwas wie der 11. September wiederhole. Man hätte den Terrorismus bisher nie mit friedlichen Mitteln in den Griff bekommen.
Afghanistan sei daher „in höchstem Maße dankbar für das globale Handeln“ in seinem Land – die Taliban seien zurückgeschlagen worden, behauptete er.
Man werde den Daesh (IS) „zerschmettern“, versprach auch der irakische Premierminister Haider Al-Abadi. Zwar sei es schwierig, den Feind zu identifizieren, denn er trage keine Uniform und stelle sich als Zivilist dar. Aber Ramadi, Falludscha und Teile von Mossul seien zurück erobert worden, und das habe „nicht unmäßig viele Menschenleben gekostet“. Diese Erfolgsgeschichte müsse gemeinsam auf die ganze Region ausgeweitet werden.
Nur der pakistanische Verteidigungsminister Khawaja Asif klang weniger begeistert über die westliche Einmischung. Die Terroristen hätten nichts mit islamischer Religion zu tun, sie seien Kriminelle. Die Frage, ob die militärische Gewalt nicht kontraproduktiv war und Elend in die Region gebracht habe, sei offen.
Zwar seien die Anschläge derzeit zurückgegangen, aber nun müsse man die Opfer der Interventionen prüfen.

Eine andere Sprache als Gewalt verstehen Terroristen nicht, heißt es unversuchter weise. Welch verstörender Gedanke: Terrorismus, dieser auf teuflische Weise politisch erzeugte Homunkulus, kann nur politisch gebändigt werden. Indem man nämlich mit diesen selbsterzeugten, vermeintlichen Ungeheuern redet.
Terrorismus ist ein Schrei, der gehört werden will.

Was aber, wenn diese, oft gekauften und vom Ausland hochgerüsteten Söldner, tatsächlich nicht zu stoppen sind. Am 11. September 2013 veröffentlichte die New York Times einen offenen Brief Putins an das amerikanische Volk. Gewalt hat sich als unwirksam und sinnlos erwiesen, hieß es darin.
Es war ein geradezu flehender Appell, zum Weg zivilisierter, politischer Vereinbarungen zurück zu kommen, das Völkerrecht einzuhalten und militärische Interventionen wegen innerer Konflikte in anderen Ländern zu unterlassen. Doch das Morden der von den USA, Saudi Arabien und anderen mitfinanzierten islamistischen Terroristen ging weiter.

Der UN-Syrienbeauftrage Staffan de Mistura sagte bewegt, er habe noch nie einen so grausam ausgetragenen Konflikt gesehen, mit mittelalterlichen Belagerungen von beiden Seiten. Daesh und al-Nusra seien die Feinde von uns allen.
Die Russen hätten die selbe Priorität, „sie haben was geleistet“. Das russische Militär habe vermieden, dass es in Aleppo zum Allerschlimmsten gekommen sei und nochmals 100 000 Flüchtlinge in Bewegung gesetzt würden. Der Waffenstillstand halte besser, als bei früheren Versuchen.
Es bedürfe jetzt einer Verfassung, die von Syrern und nicht von Ausländern geschrieben würde und Wahlen unter UN-Aufsicht. Die UN-Resolution 2254 zum politischen Übergang sei seine Bibel, sein Koran.
Konstantin Kosachev, Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Parlament, kritisierte, dass zur Unterstützung dieses Prozesses niemand aus Damaskus auf der Konferenz sprechen könne.

Von mindestens 400 000 Toten in den Jahren vor dem russischen Eingreifen in Syrien geht der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura aus. Aktivisten zufolge, schrieb die Zeit, soll Russland mit seiner Offensive dann für 10 000 Tote verantwortlich sein. Ist das ein zu rechtfertigender Preis für die Befreiung von Aleppo und die jedenfalls vorläufige Eindämmung der Gewalt in Syrien? Darf man überhaupt so fragen? Ich weiß es nicht.

Bringt das nicht alle Überzeugungen auch der Friedensbewegung durcheinander, wonach Krieg niemals Mittel der Politik sein darf? Oder war das legale Hilfe für die Verteidigung der Regierung, ein Befreiungskrieg, um den Zerfall Syriens zu einem weiteren failed state zu vermeiden? Dominiert von strategischen Interessen Russlands, aber vielleicht doch ein Beginn für einen langwierigen Prozess der Befriedung? Der der NATO noch nirgends gelungen ist?
Wird das Schicksal des Nahen Ostens jetzt vom fernen Trump-Kurs abhängen? Gewissheiten sind rar geworden. Frühere Gewissheiten waren allerdings oft auch nicht besser.

Eigene Zweifel sollten offen debattiert werden, denn hinter vorgehaltener Hand braut sich nur Unheil zusammen.

Ein Beispiel aus jüngster Zeit. Am 7. Februar meldeten die Medien knapp, dass die Dienste nach einjähriger Untersuchung keine Beweise für russische Desinformationskampagnen gegen die Bundesregierung gefunden haben. Nur feindselige Berichterstattung auf RT Deutsch und Sputnik News. Die Art von russischen Faktenchecks eben.
Putlitzer Preisträger Seymour Hersh kritisierte die US-Medien für die unkritische Übernahme der russischen Hacker-Story der Geheimdienste. Wenn es nicht genügend Beweise gäbe, um jemanden vor ein US-Gericht zu stellen, dann gäbe es auch nicht genügend Gründe, um Sanktionen gegen eine Atommacht zu verhängen.

Der Republikanische Senator Lindsey O. Graham kündigte an, man werde Präsident Trump wegen Russlands hybrider Kriegsführung und dessen Expansionismus einen neuen Plan für Sanktionen auf den Schreibtisch legen. Sein Versprechen, man werde die russischen Einmischungen nicht durchgehen lassen, brachte ihm Beifall im Plenum der Sicherheitskonferenz. „2017 ist das Jahr, in dem wir Russland in den Hintern treten müssen.“

Der unbewiesene Vorwurf, Trump sei mit Hilfe russischer Hacker an die Macht gekommen, bleibt fatal. Falls dieser Präsident je die Absicht hatte, das Verhältnis zu Russland zu entspannen, wird er sich das nun gut überlegen müssen. Jeder Versuch wird als Beweis dafür gewertet werden, wie abhängig ihn der den Russen geschuldete Dank macht.
Dabei lohnt es, sich zu erinnern, worin genau die Wahlbeeinflussung bestanden haben soll. Es ging bei diesen unbekannten Hackern weder um Fake News, noch um die wirklich widerwärtigen, egal ob echten oder gefälschten Sex-Videos, für die das prüde Amerika so anfällig ist. Es ging um Mails der Demokraten zu ihrer Taktik im Wahlkampf, speziell zur Abdrängung von Bernie Sanders. Wahlfälschung durch Veröffentlichung der Wahrheit? Weil es nur auf einer Seite geschehen ist?
Vielleicht. Doch wann sind Hacker eigentlich Whistleblower, die öffentlich machen, was Wähler wissen sollten?

Das nicht zufällig kurze Gedächtnis der Medien hat längst in Vergessenheit geraten lassen, dass die Russen allen Grund hätten, den Amis eine schicksalhafte Wahlbeeinflussung in Moskau heimzuzahlen. Denn die Amerikaner hatten 1996 Boris Jelzins Wahlfeldzug organisiert. Sie hatten alles Interesse daran, dass der Mann wiedergewählt würde, der mit der Schocktherapie des Washington Consensus, also Privatisierung und Deregulierung, die Wirtschaft des Kontrahenten ruinieren und eigene Interessen berücksichtigen würde. Als Jelzins Popularität auf fünf Prozent abgesunken war, zogen US-Experten ins Moskauer Hotel „President“.
Zu diesem Team gehörten Bill Clintons Wahlhelfer Richard Dresner und der PR-Mann Steven Moore.
Diese rieten zu einer Diffamierungskampagne gegen den kommunistischen Gegenkandidaten Sjuganow, u.a. durch „Wahrheitsschwadronen“, die ihn auf seinen Veranstaltungen mit (damals noch nicht so genannten) Fake News aus der Fassung bringen sollten. Jelzin willigte ein, als zentrale Botschaft die Gefahr eines Bürgerkrieges zu beschwören, falls die kommunistische Mangelwirtschaft wiederkehre. Bis dahin hatten die Staatsmedien Jelzin wegen seines Tschetschenien-Krieges verdammt – wie von Zauberhand brachten die großen Fernsehsender in der Woche vor der Stichwahl 158 kritische Beiträge zu Sjuganow und 114 positive zu Jelzin. Für Jelzins Wahlkampf waren 100 Millionen Dollar von privaten Sponsoren eingegangen.

Nach seinem Sieg schilderte das US-Magazin Time am 15.7.1996 detailgenau, wie man sich massiv in Russlands innere Angelegenheiten eingemischt hatte: Verdeckte Manipulation führt zum Erfolg, hieß es dort. Man konnte auch noch Meinungsfreiheit demonstrieren, Kritik an solchen Machenschaften war nicht zu erwarten. Inzwischen war eine Kaste russischer Oligarchen mächtig geworden. In der Amtszeit dieses protegierten Präsidenten halbierte sich das Nationaleinkommen, bis Russland 1998 zahlungsunfähig war.

  1. Die Interessen der anderen Seite zur Kenntnis nehmen

„Die Grundprinzipien der europäischen Friedensarchitektur“ sind eben nicht erst durch die „Annexion der Krim“ in Frage gestellt worden, wie unser alter Außenminister und neuer Bundespräsident beklagte, sondern mit solchen Einmischungen und spätestens 1999 durch die NATO. Auch damals ging es um Separatisten – kroatische, slowenische, vom Westen unterstützt, auch um russischen Einfluss zu schwächen.
Vier Jahre nach dem Gemetzel in Srebrenica, als die Konflikte längst weitgehend unter Kontrolle waren, hat der Westen mit aktiver deutscher Beteiligung unter dem fadenscheinigen Vorwand, einen Völkermord verhindern zu wollen, einen sinnlosen, zerstörerischen Angriffskrieg gegen Restjugoslawien geführt. Wochenlang wurde eine europäische Hauptstadt bombardiert. Da spielten das Völkerrecht und territoriale Unversehrtheit keine Rolle, da wurden vom Verbündeten Russlands Gebiete abgetrennt, neue Grenzen gezogen und im Kosovo ungefragt die größte ausländische Militärbasis der US-Armee errichtet.

Die interessengeleitete Demagogie des Westens in diesem Konflikt war, der Ukraine weiszumachen, ein Assoziationsabkommen mit dem traditionell verbündeten Russland sei eine Entscheidung gegen Europa und gegen Demokratie und müsse daher bekämpft werden. Als ob die kulturell gespaltene Ukraine nicht friedliche Beziehungen zu beiden Seiten hätte haben können.
Durch den vom Westen beförderten Machtwechsel in Kiew war plötzlich der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte gefährdet, den Zarin Katharina 1783 in Sewastopol begründete. Seine Rückeroberung von der deutschen Wehrmacht 1944 durch die Rote Armee hat einen hohen Stellenwert im russischen Geschichtsbewusstsein.
Der andererseits als Russlandversteher beschimpfte Steinmeier hatte gemahnt, dass den Deutschen die Erfahrung der schuldbeladenen Vergangenheit nicht verloren gehen dürfe. Der deutsche Angriff auf die Sowjetvölker hat mehr als doppelt so viel Menschenleben ausgelöscht, wie im ganzen übrigen Europa. Wenn nicht billigen, so könnte man doch bedenken, warum die von den Bewohner der Krim gewollte Abtrennung als Akt verteidigungspolitischer Notwehr gesehen wird. Nötig, bevor man durch weitere Landnahme der Nato nicht mehr handlungsfähig ist.
Von Sewastopol bis Moskau sind es nur 1270 km – was eine BGM-109 Tomahawk Rakete mühelos erreicht, auch mit atomarem Gefechtskopf.

Die russischen Streitkräfte auf der Krim haben die ihnen im Vertrag mit der Ukraine zugebilligte Obergrenze von 25 000 Mann nie überschritten. Es gab keinen Grund, da auf der Krim kein Schuss und kein Tropfen Blut fiel.

Die Frage, ob im Völkerrecht das Selbstbestimmungsrecht der Völker oder die Unverletzlichkeit der territorialen Souveränität Vorrang hat, ist offen. Die Rückkehr zu kaum lebensfähiger, nationalistischer Kleinstaaterei wie im einstigen Jugoslawien ist sicher ein Anachronismus in der globalisierten Welt.
Wenn aber durch Kriege und koloniale Arroganz willkürlich gezogene Grenzen auch nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bei der Bevölkerung keine Akzeptanz finden, dann wären verbindliche internationale Spielregeln für Autonomie bis zu mehrheitlich gewollter Separation womöglich hilfreich, um Blutvergießen zu vermeiden.
Dann hätte man jetzt zum Beispiel ein Druckmittel gegen die Regierung in Kiew, den im Minsker Abkommen vor zwei Jahren mit sofortiger Wirkung vorgesehenen Sonderstatus im Donbass, mit nachfolgender Verfassungsänderung, auch durchzusetzen.

Der russische Außenminister Sergey Lavrov zeigte sich vom Konferenzgeschehen genervt. Die NATO sei eine Institution des Kalten Krieges im Denken und im Herzen geblieben. Dies zeigten auch Erklärungen auf dieser Bühne. Der gesunde Menschenverstand sei für russophobische Elemente geopfert worden. Ein Eliteclub von Staaten regiere die Welt. „Unsere Vorschläge zum NATO-Russland-Rat sind nicht beantwortet worden.“
In der Ostukraine hätten beide Seiten den Waffenstillstand verletzt, aber der Westen blende in einer Art Selbstzensur die zivilen Opfer und die viel stärkere Zerstörung der Infrastruktur durch ukrainische Milizen aus. Der Mangel an Informationen sei das Hauptproblem.
Russland wolle die volle Umsetzung des Minsker Abkommens, mit Verfassungsreform, Amnestie, Begnadigung der Maidan-Aktivisten, Wahlen und Wiedereinsetzung der Regierung im besetzten Gebiet. Aber Russland werde die ganze Schuld unterstellt, man höre nur Anschuldigungen, keine Fakten.

Der frisch gekürte Außenminister Sigmar Gabriel fragte, ob „unser Politik-Verständnis“ noch kompatibel mit der heutigen Welt sei. Krieg sei leider als Instrument der Politik zurückgekehrt. „Die Außenpolitik muss der Verteidigungspolitik voran gehen, nicht umgekehrt.“
Während Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sich ungeachtet Trumpscher Tiefschläge als Transatlantikerin „ohne Wenn und Aber“ anbiederte und von der endlich gelungenen Kehrtwende zu mehr Aufrüstung schwärmte, warnte Gabriel, dass mehr Militärausgaben nicht zwangsläufig mehr Sicherheit brächten.
Deutschland gäbe jährlich 30 bis 40 Millionen Euro für Flüchtlinge aus, weil militärische Interventionen schief gegangen seien. Dies sei auch Stabilisierung.
Er verspüre „keine Glückseligkeit über eine neue Aufrüstungsspirale“. Die Richtung sei klar, wurde er dann doch kleinlaut, aber kurzfristig wisse er nicht, woher er das Geld nehmen solle.

  1. Wie kommen wir zu einer gemeinsamen Friedenspolitik?

Der Stein der Weisen ist nicht in meinem Besitz. Über diese Frage aller Fragen müssen wir schon gemeinsam nachdenken.
Der Frieden betrifft uns alle so existentiell, dass man ihn nicht allein den Politikern überlassen kann. Auch nicht den Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz. Auch uns nicht – aber die Gefahr besteht ja kaum.

Die Mächtigen müssen von der Militärlogik zu ziviler Logik zurück finden – wer würde da widersprechen. Denkt man. „Wenn eine Idee mit einem Interesse zusammenstößt, ist es allemal die Idee, welche sich blamiert“, so die zeitlose Einsicht von Friedrich Engels.
Der Gewinn des internationalen Waffenhandels beträgt so viel wie das Einkommen der Hälfte der Weltbevölkerung. Zumindest diese Hälfte ist ziemlich sicher dagegen – aber welchen Einfluss hat sie?
Krieg wird sein, solange auch nur ein Mensch am Krieg verdient, prophezeite Bertolt Brecht.
Denkbar aber ist, eine Ordnung zu schaffen, in der Frieden das bessere Geschäft ist.

Schwerter zu Pflugscharen. Gemeinwohl vor Eigennutz.

Die Realität könnte davon weiter nicht entfernt sein. Die Ausgaben aller NATO-Staaten für Verteidigung betragen über eine Billion Dollar im Jahr. Seit Existenz der NATO ist aber kein Verteidigungsfall eingetreten. (Den Kampf gegen die Schwerstkriminalität terroristischer Anschläge zum Krieg zu erklären und so jahrelang vor allem Unschuldige zu töten, ist selbst kriminell.)
Es gibt keinen einzigen Fall, in dem das gewaltsame Eingreifen dieses US-dominierten, größten Militärbündnisses der Welt, nicht vielfach mehr Menschenleben gekostet hat, als zu schützen vorgeben wurde. Kein einziger Fall, in dem alle in der UN-Charta geforderten Voraussetzungen erfüllt gewesen wären.
Die Menschenrechte wurden zu einem ideologischen Instrument degradiert, um in deren Windschatten mit Gewalt geostrategische Macht zu erobern. Keine bewaffnete „humanitäre Intervention“ hat Humanismus gebracht. Die angeblich „friedenserzwingenden Maßnahmen“ haben nur Hass und Fundamentalismus erzwungen.
Das ist das Gegenteil von Sicherheit. Das rückt ganze Teile Europas in nationalistische Abwehr.

Der neue US-Verteidigungsminister James N. Mattis, der früher NATO-Funktionen innehatte, versprach, die Abschreckung der NATO zu verstärken, eine „verstärkte Vorwärtspräsens“. „Die NATO dient dazu, unseren Lebensstil zu bewahren.“ Dies war der zweite Schlüsselsatz auf dieser Konferenz. Wessen und welchen Lebensstil genau? Verteidigung nicht mehr als Schutz vor kriegerischer Gewalt, sondern als Behauptung der eigenen, elitären Ansprüche gegenüber dem Rest der Welt.

Alle sind schuldig, vor allem wir Politiker, bekannte Putin vor nunmehr 15 Jahren in seiner heute verdrängten Rede vor dem Bundestag. Wir hätten es noch nicht gelernt, uns von den Stereotypen des Kalten Krieges zu befreien.
Soviel selbstkritisches Entgegenkommen hört man von westlichen Politikern selten. Ohne eine moderne europäische Sicherheitsarchitektur lasse sich kein Vertrauensklima schaffen, so Putin. Doch von einem Bündnis unter Einbeziehung Russlands wollte die NATO nichts wissen. Sie setzte auf verharmlosend „Abschreckung“ genannte existentielle Bedrohung: bis zu Bundeswehreinsätzen in Ex-Sowjetrepubliken, in denen einst die Wehrmacht wütete.
Wandel durch Annäherung hat zu Entspannung geführt, nicht Wandel durch Abschreckung.

Russland ist kein Gegensatz zu Europa, sondern sein Bestandteil. Bis zum Ural auch geografisch. Seine Kunst hat die europäische tief beeinflusst: Dostojewski, Tolstoi, Bulgakow, Eisenstein, Tschaikowski, Schostakowitsch, Chagall, El Lissitzky und ungezählte andere, bis heute.
Europa verstümmelt sich mit der Absonderung von Russland – kulturell, ökonomisch, touristisch, menschlich. Europa ist auf Russland angewiesen, um in Frieden zu leben.

Doch auf dieser Konferenz ging es nicht um Annäherung oder Entspannung, viele Redner setzten stattdessen auf Abschreckung und Aufrüstung. Zu den Sponsoren der Tagung gehören traditionell die Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann, MBDA und Lockheed Martin. Auch aus dem Etat für „sicherheitspolitische Öffentlichkeitsarbeit“ des Verteidigungsministeriums kam eine halbe Million Euro.
Doch, es gab abweichende Meinungen, auch aufschlussreiche site-events, etwa zur Klima-Bedrohung. Oder erstmalig ein nobles literarisches Rahmenprogramm mit drei Nobelpreis-Trägern. Die eigentlichen Gespräche fanden in den Hinterzimmern statt, ohne Öffentlichkeit. Sie können hilfreich sein, für wen aber – das erfährt man nicht. Was auf offener Bühne stattfand war inszenierte Glasnost, ohne Perestroika. Die Logik der Militärs hat die Oberhand, das ist mehr als beunruhigend, es ist hoch gefährlich.

Es ist höchste Zeit über andere Ansätze nachzudenken. Gerade angesichts einer sogenannten Sicherheitskonferenz.

Der von den Nazis umgebrachte Theologe Dietrich Bonhoeffer dachte wahrlich christlich-abendländisch: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine, große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung.“

Frieden ist der feste Wille, miteinander auszukommen. Weil die übergroße Mehrheit der Menschen im Krieg nichts zu gewinnen hat, aber alles zu verlieren.
Das Wagnis liegt in der Bereitschaft, sich gegenseitig zu vertrauen. Indem man die Interessen des anderen respektiert, also gleichberechtigt zusammenarbeitet, sich beim Ringen um Einfluss nicht übervorteilt.
Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst als belastet anzusehen und Kritik an der Gegenseite ohne einseitige Schuldzuweisungen vorzubringen. Unsere Freiheit wird am Humanen verteidigt, nicht am Hingekuschten – diesem Machtkampf um Energie und Einfluss.
Krieg ist die exzessivste Form von Terrorismus. Er ist seit 1929 für alle Zeiten völkerrechtlich geächtet. Die wichtigsten Unterzeichnerstatten haben sich nicht daran gehalten.

Demokratie heißt auch selber schuld sein. Wenn wir uns angesichts all der Kriege, all der vermeintlichen Schutzverantwortung, die nur die Interessen der Macht schützt, nicht schuldig fühlen, fühlen wir uns auch nicht als Teilhaber einer Demokratie.
Obwohl wir Aktivbürger die Verfehlungen, die mit unserem Geld in unserem Bündnis gemacht werden, so gut wie nicht verhindern können, sind wir doch zuständig dafür. Eine gesellschaftliche Debatte über all das gibt es kaum.
Die Kampagne Stopp Ramstein mobilisiert derzeit immerhin viele Menschen.
Die Friedensbewegung scheint sich von interessierter Seite nicht mehr spalten zu lassen. Es geht nicht darum, Krieg zu gewinnen. Der Friede muss gewonnen werden.

Die herrschenden Eliten nennen uns gern Steuerzahler. Wir sollen ihre Pläne finanzieren und ansonsten nicht weiter stören. Als aktive Bürger sind wir nicht gefragt. Unseren Drang nach Freiheit sollen wir als Konsumenten austoben. Für hinreichend Waren und Zerstreuung ist gesorgt.
Das funktioniert leider recht planmäßig. Der schon zitierte Brecht hat die Obrigkeit beim Wort genommen: „Man hat gesagt, die Freiheit entsteht dadurch, dass man sie sich nimmt. Nehmen wir uns also die Freiheit, für den Frieden zu arbeiten!“

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Jochen

Quellen des Reichtums – die Familie Albrecht

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://diefreiheitsliebe.de/wirtschaft/quellen-des-reichtums-die-familie-albrecht/
Auszüge:

ALDI_logoAls die beiden „Springquellen des Reichtums“ bezeichneten Karl Marx und Friedrich Engels die menschliche Arbeit und die Natur. Und tatsächlich ist im modernen Kapitalismus die weltweite Ausbeutung der lebendigen Arbeitskraft und der Boden- und Naturschätze die Grundlage für den Reichtum unserer Gesellschaft.
Aber der Reichtum ist keineswegs gleich verteilt. Die Länder des globalen Südens sind bitterarm, obwohl dort die reichsten Naturschätze gehoben werden und dort die Menschen am härtesten arbeiten müssen. Doch die Erträge fließen in die reichen Länder des Nordens, in die USA und nach Europa. Wo ist also der Reichtum zu finden?

pexels-photo-259027.jpegHeute konzentriert sich der Reichtum dieser Welt in den Händen einer kleinen Gruppe von Menschen. Es sind die Oligarchen, die Multimilliardäre, bei denen alles Geld zusammenfließt und immer mehr anwächst. In Deutschland befindet sich der Reichtum zu einem großen Teil im Besitz von Familiendynastien, zum Beispiel den Familien Quandt, Oetker und Albrecht.

In Essen ist der Name Albrecht ein Begriff. Wo die „Hauptstadt“ zwar nicht politisch, aber landschaftlich tatsächlich grün ist, im beschaulichen Stadtteil Schuir, ist die Familie Albrecht zu Hause. Aber die Albrechts sind keine normale Durchschnittsfamilie, sie zählen zu den reichsten Menschen der ganzen Welt! Die Familie Theo Albrecht jr. („Aldi Nord“) besitzt mehr als 17 Milliarden Euro.
Wie kam die Familie Albrecht zu ihrem Reichtum? Durch harte Arbeit! So sagen sie es selbst – und so stimmt es auch. Allerdings nicht durch die eigene Arbeit, sondern durch die Ausbeutung fremder Arbeitskraft, wuchs und wächst das Vermögen des Clans.
Im Kapitalismus gilt nun mal das Gesetz: Je größer die Ausbeutung, umso größer der Profit.

Reichtum verpflichtet

coins-currency-investment-insurance-128867.jpegIn den Aldi-Märkten herrscht für die Mitarbeiter ein brutaler Leistungsdruck. Das Management sorgt dafür, dass die Angestellten die höchstmögliche Leistung zum geringstmöglichen Gehalt erbringen. Wehren sich die Menschen und gründen gar einen Betriebsrat, werden sie durch die Geschäftsleitung massiv bekämpft.
In der globalen Lieferkette sind die Discounter das, was die Haie in der Nahrungskette sind. Vor allem die Erzeuger, die Speditionen und Zwischenhändler sind einem extrem hohen Arbeitsdruck ausgesetzt, um die Bedingungen der Supermärkte zu erfüllen. Tariflöhne, Gewerkschaften und Betriebsräte sind hier nur Störfaktoren!
Diese Arbeitsbedingungen machen viele Menschen krank – und der Reichtum der Milliardenerben wächst und wächst. In anderen Ländern sorgt der gigantische Reichtum der Familie Albrecht für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und die Zerstörung der Umwelt.
Warum sind die Waren im Discount-Laden so billig? Im System Aldi bestimmt der Einkäufer den Preis, und um die Preise zu drücken, werden die Rechte der Arbeitenden und der Schutz der Umwelt ignoriert.
In den Sweat-Shops von Bangladesch und China zum Beispiel, in denen die Textilien, Spielzeugartikel und Mobiltelefone für die Aldi-Märkte produziert werden, herrscht extreme Ausbeutung. Die jungen Frauen in diesen Fabriken müssen durch diese Arbeitsbedingungen ihre Gesundheit ruinieren, denn für Umwelt- und Arbeitsschutz oder Menschenrechte gibt es da keinen Platz.
Der Reichtum der Familie Albrecht aus dem romantischen Essener Süden wird mit jedem Tag größer, doch das Leiden derjenigen, die ihn schaffen, der Lohnsklavinnen in Bangladesch und China, wird dadurch immer unerträglicher! Reichtum verpflichtet!

So steht es schon im Grundgesetz. Nämlich zu noch mehr Reichtum! Aus Geld muss immer mehr Geld werden. Das ist die goldene Regel des Kapitalismus.
Deshalb legen die Superreichen ihr Geld auch nicht unters Kopfkissen oder auf ihr Konto bei der örtlichen Sparkasse. Um sicherzugehen, dass ihr Reichtum immer weiter anwächst, wird das Geld gewinnbringend investiert.

Die Essener Familie Theo Albrecht jr. investiert gerne in Immobilien. Also eine Eigentumswohnung? Aber die haben doch viele.
Nun, nicht wirklich eine Eigentumswohnung. Die Reichen streuen ihr Geld bei so genannten „institutionellen Investoren“, also großen Investmentfonds und Versicherungsunternehmen. Wo genau ihr Geld überall ist, das wissen sie wohl selbst nicht so genau.
Zum Beispiel sind über 72 Prozent der Aktien von Vonovia, Deutschlands führendem Immobilienunternehmen mit400.000 Wohnungen in ganz Deutschland und über 12.000 Wohnungen in Essen, im so genannten „Streubesitz“. Das heißt im Börsianerdeutsch: Die Aktien sind breit „gestreut“ und ihre Inhaber nicht im Einzelnen bekannt.
Gut möglich, dass Sie in einer dieser Wohnungen leben. Und gut möglich, dass Sie den Reichtum der Albrechts durch ihre monatliche Miete mehren.

Auch international sind diese „Investoren“ aktiv. Das amerikanische Finanzunternehmen BlackRock hält mehr als acht Prozent der Aktien der Wohnungsgesellschaft Vonovia. Damit übt der größte Finanzkonzern der Welt enormen Einfluss auf die Entwicklung des Wohnungsmarkts und damit auch der Mieten in Essen aus. Ziel des Konzerns ist natürlich, das Geld seiner Anleger zu vermehren. Sozialer Wohnungsbau kann hier nur stören!
Unternehmen wie BlackRock verwalten das Geld der Reichen und Superreichen. In der Sprache der Vermögensverwalter heißen solche Leute „High Net Worth Individuals“ beziehungsweise „Ultra High Net Worth Individuals“. Die letzteren sind Personen mit einem Nettovermögen von mindestens 30 Millionen US-Dollar.
In der Stadt Essen soll es nach Angaben von „Wealth Insight“ um die 200 dieser Spezies geben. Sie sind also mitten unter uns!

Aber ist die Stadt Essen nicht mit 3,6 Milliarden Euro verschuldet? Fragt sich nur: bei wem? Lars-Martin Klieve, der letzte Kämmerer der Stadt, sagte dazu in einem Interview mit dem Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V: „Bildlich gesprochen gehört die Stadt Essen nicht mehr ihren Bürgerinnen und Bürgern, sondern den Banken.“
Aber wem gehören die Banken? Ist es im Grunde nicht so, dass die Stadt Essen sich bei den Millionären und Milliardären Geld ausleiht und dafür die Bürgerinnen und Bürger in Haftung nimmt? Denn wir alle zahlen diese Kredite ab, sei es durch höhere Ticketpreise bei der EVAG oder durch den Abbau von sozialen Dienstleistungen wie dem Schließen von Bürgerämtern und Bibliotheken.
Wäre es nicht sinnvoller, den vorhandenen Reichtum, wie den der Essener Familie Albrecht, an den Aufgaben des Gemeinwesens zu beteiligen?

Essen – Stadt der Konzerne

Die Stadt Essen ist auch die Stadt der Konzerne, bezeichnet sich sogar selbst als „Konzern“. Die beiden Energiegiganten E.ON und RWE haben hier ihren Hauptsitz und der Rüstungskonzern Thyssen-Krupp seinen Prachtbunker. Auch unsere lieben Nachbarn, die Albrechts aus dem Süden, unterhalten in Essen ihre Konzernzentrale.
Alle vier Konzerne zusammen brachten es im Jahre 2015 auf einen Jahresumsatz von 237,5 Milliarden Euro. Wo ist eigentlich das ganze Geld geblieben?
Artikel eins des kapitalistischen Grundgesetzes lautet: Das Eigentum des Kapitalisten ist unantastbar. Es zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Tatsachlich ist das Eigentum das höchste Rechtsgut unserer Gesellschaft. Gemessen wird das Eigentum in Geld.
Wer sind also die Eigentümer der vier Essener Konzerne? Die nette Familie Albrecht haben wir bereits kennengelernt. Wie sind die Eigentumsverhältnisse beim Energiekonzern E.ON? 75 Prozent der Aktien des Energieriesen sind in der Hand von Investoren, und die Finanzhaie von BlackRock sind dabei mit fünf Prozent Aktienanteil der größte Anteilseigner!
Hier schließt sich der Kreis: Die Verwalter der großen Privatvermögen beteiligen sich am Eigentum der Konzerne und vermehren auf diesem Wege das Vermögen der Geldkaste. Durch künstlich hochgetriebene Energiekosten muss jeder Haushalt in Essen die Rendite der Energiekonzerne garantieren!

Auch bei RWE waren Ende 2015 rund 86 Prozent der Aktien im Eigentum institutioneller Investoren. BlackRock hält einen Aktienanteil von mehr als drei Prozent.
Beim neugegründeten RWE-Sprössling Innogy beteiligt sich BlackRock sogar mit knapp fünf Prozent am Eigentum des Unternehmens.
Ganz im Gegensatz zur Kommune Essen gehen freilich die Kunden von BlackRock nicht leer aus. Wo die Stadt in die Röhre schaut, klingeln bei den Investoren die Kassen. Durch Entlassungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird die Arbeitsintensität erhöht und somit eine hohe Profitrate gewährleistet. Die mafiösen Kartellstrukturen in der Energiewirtschaft erlauben den Monopolkonzernen, die Strompreise künstlich hochzutreiben. Und wieder zahlen die Essener Bürgerinnen und Bürger die Zeche! ThyssenKrupp ist heute im Grunde kein Stahlkonzern mehr, sondern ein Finanzkonzern. Über die Hälfte der Anteile am Konzern ist in den Händen von institutionellen Anlegern. Auch unsere Freunde von BlackRock sind mit über drei Prozent am Unternehmen beteiligt.
Mit mehr als 15 Prozent Aktienanteil übt der in Schweden gegründete Hedgefonds Cevian Capital massiven Einfluss auf die Geschäftspolitik aus. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „aktivistischer Investor“ und verfügt über ein Investitionsvolumen von 14 Milliarden Euro. Ziel der schwedischen Heuschrecke ist es, ThyssenKrupp „wettbewerbsfähiger“ zu machen, um auf diesem Wege den Wert der Aktie zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden zunächst die Kosten gesenkt.
So hat der Konzern im Geschäftsjahr 2015/16 rund eine Milliarde Euro eingespart. Kosten senkt man freilich zuerst durch die Entlassung von Menschen in die Arbeitslosigkeit und durch höheren Leistungsdruck auf die eingeschüchterte Restbelegschaft. Die hohe Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet hängt zusammen mit der Strategie des ehemaligen Essener Familienkonzerns, den obszönen Reichtum der Superreichen noch weiter in die Höhe zu treiben.

Und die Politik?

Aber warum berichtet die größte Essener Zeitung, die WAZ, nicht kritisch über die skandalösen Vermögensverhältnisse in der Stadt? So könnte doch die Bevölkerung über die Zustände aufgeklärt werden. Vielleicht hängt dieses Verschweigen damit zusammen, dass die WAZ zum Funke-Zeitungskonzern gehört. Und der ist zu zwei Dritteln im Besitz der Grotkamps, einer steinreichen Essener Milliardärsfamilie.
Petra Grotkamp, die Mehrheitseignerin des Konzerns, kam allerdings selbst in die Schlagzeilen, als Kritik an Massenentlassungen und Redaktionszusammenlegungen laut wurde.

Die „politische Dienstklasse“ im Rat der Stadt Essen hat sich offenbar mit den Verhältnissen abgefunden. Die wahren Ursachen der Verschuldung der Kommune oder gar die Verursacher werden nicht benannt.
Stattdessen spielt die große Koalition aus SPD und CDU lieber Flüchtlinge gegen Langzeiterwerbslose aus. Damit lenken die demokratisch gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zwar von den wahren Gründen für die gesellschaftlichen Missverhältnisse ab, aber sie fördern auch eine feindliche Stimmung gegen hilfebedürftige Menschen. Freilich sind die etablierten Parteien schon lange derart verwoben mit dem System der Reichtumsvermehrung für ihre Auftraggeber aus der Finanzindustrie, dass man durch politische Entscheidungen aus dieser Richtung keine Veränderung erwarten kann. Aber was bleibt dann noch übrig?

Wenn die Eigentumsverhältnisse so sind, dass immer weniger Reiche fast alles besitzen und immer mehr Menschen fast gar nichts, und das nicht nur in Essen, sondern weltweit, dann sind diese Verhältnisse falsch und müssen verändert werden!

Mit welchem Recht hat die Essener Familie Albrecht 17 Milliarden Euro Vermögen, während gleichzeitig viele Kinder in Essen in Armut leben müssen?
Die Partei DIE LINKE stellt dieses Unrecht in Frage und führt ihren politischen Kampf mit dem Ziel, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung zu ermöglichen.
Eine Gesellschaft, in der die Menschen nicht für den Wert einer Aktie arbeiten, sondern um die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Eine Gesellschaft, in der nicht das Eigentum des Kapitalisten, sondern die Würde des Menschen unantastbar ist.

Ein Artikel von Patrick München, zuerst erschienen in der Zeitung E:MO

Dazu auch sehr informativ: https://www.forbes.com/profile/beate-heister-karl-albrecht-jr/?list=billionaires
und https://www.forbes.com/profile/theo-albrecht-jr/?list=billionaires

Jochen

So schottet sich die deutsche Justiz gegen Norbert Blüms öffentliche Kritik ab und errichtet eine Mauer des Schweigens

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Auch wenn ich nicht unbedingt ein Freund von N.Blüm bin, so denke ich, braucht er auch ein Forum, um sich gegen Diffamierungen seitens eines Bundesrichters zu wehren. Albrecht Müller macht hier darauf aufmerksam: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25956
Auszüge:

So schottet sich die „Justiz“ gegen öffentliche Kritik ab und errichtet mit Hilfe von Medien eine Mauer des Schweigens

Verantwortlich: Albrecht Müller

N_Bluem_kDavon berichtet Norbert Blüm, Bundesminister a. D. und Autor des im Westend Verlag erschienenen Buches über die aus seiner Sicht herrschende Willkür an deutschen Gerichten. Was ist geschehen: 1. Sein Buch „Einspruch – Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ wurde vom Bundesrichter Professor Dr. Thomas Fischer in der „Zeit“ vehement rezensiert.
2. Norbert Blüm bot der „Zeit“ eine Entgegnung an. Diese wurde nicht aufgenommen.
3. Blüm bot dem Bundesrichter einen öffentlichen Disput an. Dieses Angebot wurde zunächst angenommen und dann verweigert.
4. Daraufhin versuchte Norbert Blüm, seine Entgegnung beim Berliner Tagesspiegel, bei der Frankfurter Zeitung am Sonntag (FAS) und bei der TAZ unterzubringen. Auch diese lehnten ab. Das ist angesichts der Dringlichkeit des Themas höchst erstaunlich. Normalerweise suchen Blätter interessante Texte.
Wir dokumentieren die Entgegnung Norbert Blüms.

Nachspiel

Bemerkungen zu „Einspruch: Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ von Norbert Blüm

Noch nie habe ich so viele Briefe erhalten wie nach dem Erscheinen meines Buches „Einspruch: Wider die Willkür an deutschen Gerichten“. Es sind viele hunderte von Briefen. Ich habe sie nicht gezählt, aber alle gelesen. Die meisten Briefe sind verzweifelte Notschreie oder letzte Hilferufe. Wenn nur ein Fünftel der Klagen, die mich erreichen stimmt, dann ist „Land unter“ im Rechtsstaat Deutschland.

Ich fühle mich so hilflos wie die Briefeschreiber. So muss es in einem Rettungsboot zugehen, das überfüllt ist und keine weiteren Schiffbrüchigen aufnehmen kann.

Wer es mit dem „System“ verdorben hat, vom Pech betroffen, einen Rechtsanwalt an seiner Seite hat, der nichts kann oder nichts will, oder es gar mit einem Richter zu tun bekommt, der seine Ressentiments nicht zu bändigen vermag und zudem auch noch faul ist, der kann alle Hoffnung fahren lassen.

Justiz: die Prinzessin auf der Erbse

Von keinem Zweifel an sich selbst erfasst, verbarrikadiert sich das Justizsystem hinter seiner Unabhängigkeit. Gott weiß alles. Mancher Richter weiß alles besser.

„Das Buch strotzt voller Unwahrheiten“ schreit einer in dem Saal, in dem ich gerade aus dem Buch vorgelesen habe. Er ist jedoch nicht in der Lage, kulanterweise wenigstens zwei oder drei Fälle aus der angeblich strotzenden Menge der Unwahrheiten zu nennen.
Ein anderer behauptet kühn, das Buch sei ohne jede Recherche geschrieben. Woher weiß er das? Urteil ohne Beweisaufnahme. Viele Jahre habe ich an dem Buch gearbeitet. Behauptung ist schon Begründung. Wer kümmert sich schon um Wahrheit?

„Die Wahrheit interessiert mich nicht“ hatte ein Richter behauptet, den das Verfassungsgericht rügte, allerdings erst nachdem zwei Instanzen ihn zuvor ungeschoren davonkommen ließen. Was würde passieren, wenn ein Arzt feststellte: „Die Diagnose interessiert mich nicht“? Wahrscheinlich würde er die Approbation verlieren. Können Richter sich alles leisten?

An drei Orten verließen Richter mit beträchtlichem akustischen Aufwand den Saal, in dem ich das Buch vorgestellt hatte, bereits bevor die Diskussion begonnen hatte. Zweifel an ihrer Amtsführung sind offenbar nicht zumutbar. Die hohen Herren sind das nicht gewohnt.

Über alles kann in der offenen Gesellschaft diskutiert werden, nur Richter und ihre Urteile sind gleichsam tabu. Richterschelte ist sogar gefährlich. Das Strafrecht winkt.
Die Prinzessin auf der Erbse war ein Dickhäuter im Vergleich zur richterlichen Empfindlichkeit.

Ich soll mich doch in Afrika, Asien, Lateinamerika oder sonstwo in der Dritten Welt umsehen, um zu erkennen, wie gut der deutsche Rechtsstaat sei. Das bekomme ich oft entgegengehalten. Da werden Erinnerungen wieder wach an alte Zeiten des Kalten Krieges, in denen Kritikern empfohlen wurde: „Geht doch rüber, wenn es euch hier nicht gefällt!“.

Es beruhigt mich auch der Trost nicht, unser Recht sei „in Ordnung“, wenn seine Anwender unordentlich sind. Die Praxis entscheidet schließlich über den Zustand der Gerechtigkeit. Es ist auch keine Beruhigung für mich, wenn manche Richter und Anwälte mir nach der Veranstaltung streng vertraulich zuflüstern: Sie haben Recht, es ist etwas faul im Rechtsstaat Deutschland.

Warum aber meldet sich keiner zu Wort?

Was mich allerdings überrascht (und bestätigt), ist die ungehemmte Aggression, mit der Spitzenrepräsentanten der Justiz auf das Buch reagieren.
„Der Fisch stinkt vom Kopf“ behauptet der Volksmund, aus dem bekanntlich generationenerprobte Weisheit spricht.

Richter Fischer: von Gottes Gnaden?

Professor Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, schreibt in der ZEIT, deren Starjurist er offensichtlich ist, eine fulminante Kritik meines Buches.
Man muss es zu schätzen wissen, dass ein so vielbeschäftigter Mann wie Richter Fischer, der mit 600 Revisionen im Jahr – wie er voll Selbstmitleid klagte – so überlastet ist, dass er „weder Zeit noch Lust hat auch noch in den Landgerichten nachzuschauen, ob dort vielleicht eine Spur übersehen wurde“, dennoch Zeit findet, Blüm in der ZEIT seine Zeilen zu gönnen, um nebenbei seinen Sachverstand glänzen zu lassen.

Aber ausgerechnet „Zur Sache“ bietet Richter Fischer zwischen wenig und nichts. Ad personam ist offensichtlich sein Hobby. Er konzentriert sich auf Personalfeststellungen. Im Fischerschen Panoptikum bin ich „eine liebenswerte Märchenfigur“ und mit der Fähigkeit ausgestattet, „frühkindliche Ahnungslosigkeit zu simulieren“.
Es gelingt Blüm nach Fischer, „den Geruch von Altöl und Waschpaste aus den Werkshallen seiner Jugend zu verbreiten“. Als „Robin Blüm von Locksley“ verteidigt er „der Oma ihr klein Häuschen, als habe er es mit eigenen Händen errichtet“ stellt Fischer fest.

Nach dieser habituellen, olfaktorischen und historischen Einordnung wendet sich Richter Fischer spekulativ meinen Einkommensverhältnissen zu und behauptet kühn, „vom Wert des Blümschen Einkommens können fünf Rechtspfleger und drei Sozialrichter leben“. Er fügt einfühlsam hinzu „das Richtergehalt sei die Belohnung dafür, dass sie Jahrzehnte lang versucht haben, des Ministers Eingebungen halbwegs verlässlich in Rechtspraxis umzusetzen.“

Des Richters Kenntnis der Gewaltenteilung scheint verbesserungsfähig. Jedenfalls entspricht sie nicht dem letzten Stand der Entwicklung, nach der des Ministers Eingebungen noch lange nicht Gesetz sind.

Hoppla: im Zitat vergriffen!

Die Verlässlichkeit der Fischerschen Beweisführung lässt im übrigen zu wünschen übrig. Sie ist mangelhaft, um nicht zu sagen schludrig.
Das Zitat „Vom Recht versteht er zwischen Nichts und Wenig“ ordnet Fischer als „radikales Bekenntnis“ dem Vorwort meines inkriminierten Buches zu.

„Sorry Euer Ehren“ – das Zitat befindet sich weder im Vor- noch im Nachwort noch sonstwo in dem Buch. Es ist peinlich für Fischer und auch für die ZEIT, dass aus dem falschen Zitat sogar ungeprüft die Überschrift für die Buchbesprechung gemacht wurde.
Blinder Eifer und devote Verehrung eines Autors vernebelt offenbar auch die liberale Sichtweise einer angesehenen Wochenzeitung.

Richtig heißt es in dem Buch: „Von Justiz verstehe ich wenig bis nichts“.

Zwischen „Recht“ und „Justiz“ klafft eine spezifische Differenz, die der Rezensent leichtfertig übersah.

Oder ist der Vorsitzende Richter, Prof. Dr. Thomas Fischer, in der Hast seiner Verfolgungsjagd gar zum Opfer einer Freudschen Fehlleistung geworden, indem er sich selbst und seine juristische Funktion mit „Recht“ verwechselt? Der Richter als Verkörperung des Rechts ist jedoch ein Missverständnis.

Wenn Herr Richter Fischer so leichtfertig argumentiert und so schlampig vor Gericht agiert wie in seiner Besprechung, dann Gnade Gott dem armen Kerl, der vor Gericht in seine Hände fällt.

Fischers Stärke ist nicht die Beweisführung, seine Begabung liegt mehr in der Diffamierung.

Feige ist er außerdem. Die Einladung zu einem öffentlichen Disput nimmt er an, um sie Stunden später wieder mit einer armseligen Ausflucht zurückzunehmen, ich hätte die Einladung seiner Chefin, der Präsidentin des Bundesgerichtshofes, „zugeleitet“. Er fügt der falschen Behauptung noch die Vermutung hinzu, damit eine „Einschüchterung“ zu verbinden, um „meine Machtposition zu demonstrieren“. Wie kann man mit einer höflichen Einladung Machtpositionen verbinden?

Wie kommt man mit solchen Kindereien auf höchste Richterstühle? Richter Fischer teilt die paradoxe Fähigkeit, stark im Austeilen, aber schwach im Nehmen zu sein, mit der Kondition vieler Meisterboxer, deren Schlagkraft enorm, aber ihr Kinn empfindsam ist. Versteckt sich hinter diesen Konstellationen vielleicht eine professionelle Deformation, die man als richterliche Berufskrankheit bezeichnen könnte?

Berufskrankheiten

Berufskrankheiten markieren Anfälligkeiten von Schwachstellen eines Berufes. Bergleute sind z.B. durch die Staublunge gefährdet. Politiker, die um Mehrheiten kämpfen, stehen in der Versuchung, dem Volk nach dem Maul zu reden.

Die Krankheitsgefahren für Richter lauern an anderen Stellen. Die Unabhängigkeit der Richter verleitet offenbar manche Amtsinhaber, sich für „unantastbar“ zu halten.
So schnell passiert einem Richter als Konsequenz aus Fehlleistungen auch nichts. Vor wem sollte er sich auch in Acht nehmen müssen?
Eher wird ein Mensch vom Blitzschlag erwischt als ein Richter von Entlassung bedroht, stellt Felix Merth fest, der es wissen muss. Er ist selber Richter am Oberlandesgericht Schleswig und dort fürs Personal zuständig.

Die justiziable Trinität: unabhängig, unantastbar, überheblich?

Richter sind unabhängig. Unabhängigkeit schlägt leicht in Überheblichkeit um, wenn sie sich als Unangreifbarkeit versteht. David Jungblut, ein junger resignierter Richter, nennt diese Gefahr „amtsanmaßende Ignoranz“.
Ein erfahrener und international renommierter Rechtsanwalt schreibt mir: „Was ich in meiner Berufszeit bei Richtern an Selbstdarstellung, fachlicher Überforderung, eklatanter Indisponiertheit, fallbezogener Unfähigkeit und offener Bequemlichkeit erlebt habe, trägt kabarettreife Züge…“ „Jeder Richter richtet im Schutze seiner weitgehend instrumentalisierten Unantastbarkeit die eigene berufliche Charakterdarbietung selbstbezüglich ein“.

Fehlende Selbsterkenntnis versperrt den Weg zur Besserung

Nicht die Fehlurteile „Mollath, Wörz, Gill, Arnold, Rupp, Uhlac“ sind die eigentlichen Skandale, sondern die Unwilligkeit des Systems, Fehler aufzuspüren und die Bockigkeit, sie zu korrigieren. Selbst wenn die Fehler offenkundig geworden sind, Zeugen ihre Lügen zugeben, Gutachter sich bis auf die Knochen blamiert haben, ganze Aufklärungsgebäude zusammenkrachen, dauert es oft Jahre, bis der Verurteilte rehabilitiert ist.
Fehler zugeben gehört nicht zu den Tugenden, die Richter und Staatsanwälte üben. Acht Jahre musste Wörz auf Gerechtigkeit warten, nachdem ein Zivilgericht den gleichen Sachverhalt anders beurteilt hatte als drei Jahre zuvor das Strafgericht. Gill harrte fünf Jahre seiner Rehabilitation, nachdem seine Tochter zugegeben hatte, dass die Verurteilung ihres Vaters auf ihrer Lüge beruhte. Arnold erreichte die Entschädigung gar nicht mehr, er starb als Hartz-IV-Empfänger. Das Gericht hatte sich zuviel Zeit für die Wiedergutmachung des Schadens genommen, den es angerichtet hatte.

Es fehlt im Justizsystem eine Kultur, welche das Eingeständnis von Fehlern nicht wie eine Schande behandelt.

Richter ohne Gewissensbisse

Wenn Ralf Eschenbach, Richter am Bundesgerichtshof, annimmt, dass jedes vierte Strafurteil nicht stimmt, und wenn die Fernuniversität Hagen nach einer ausführlichen Untersuchung jedes zweite Urteil an Familiengerichten für fehlerhaft hält, dann steht das in schreiendem Kontrast zur Selbstzufriedenheit der Richter.
Dass dreiviertel von fünfhundert befragten Strafrichtern nie oder selten Zweifel an ihren Urteilen haben, bereitet mir Angst.
Richter, denen die Sensibilität für Gewissensbisse abhanden gekommen ist, gefährden unser System. Als Holzfäller oder Steinbrucharbeiter wären sie ungefährlich. Gerichtsurteile aber werden auf der dünnen Haut von Menschen geschrieben.

Bräsig-dumpf stellte einst Bundesrichter Armin Nack fest: „Auch im Straßenverkehr gibt es Unfälle, und nicht alle sind vermeidbar.“ Wenn eine Fluggesellschaft mit einem solchen Vergleich Flugzeugabstürze kommentieren würde, gingen ihr die Fluggäste laufen. „Ohne Fehlurteile müsste man alle Angeklagten freisprechen“ räsonierte dieser Richter Nack. Ohne Abstürze funktioniert der Flugbetrieb nur, wenn keine Flugzeuge starten, wäre ein analoger fliegerischer Zynismus.

Im Unterschied zur Justiz wird im Flugverkehr akribische Fehleranalyse betrieben. Keine Kosten und Mühen werden gescheut, dem Fehler auf die Spur zu kommen.
Wenn es sein muss, wird der Flugschreiber noch 6000 Meter unter der Meeresoberfläche gesucht.
Auch anderswo pflegt man die Ursachenanalyse und zieht daraus Konsequenzen. Die Bundesärztekammer zählt jeden Fehleingriff. Die Verkehrswacht ermittelt Jahr für Jahr die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten, um daraus Schlüsse für die Unfallverhütung herzuleiten.
Vergleichbares Interesse der Justiz ist unbekannt. Die fatale Selbstgewissheit der Justiz gefährdet das Vertrauen in die Rechtspflege.

Recht und Ethik

Vielleicht ist die Quelle der Verlotterung von Rechtssitten der Verfall des ethischen Rechtsbewusstseins.
„Erlaubt ist, was nicht verboten ist“ erklärte der Vorsitzende der Ethikkommission der Bundesrechtsanwaltskammer Dr. Michael Krenzler.

Es gibt jedoch Sachen, die macht man nicht, auch wenn sie nicht verboten sind. Und es gibt Pflichten, die man einhält, auch wenn die Verstöße gegen sie nicht bestraft werden. Wenn alles, was richtig ist, erzwungen würde, schwände Freiheit aus der Sittlichkeit und aus unserer Gesellschaft.
Wir sollen das Gute tun, auch wenn wir es nicht tun müssen.

Das Recht ist auf Ethik auch deshalb angewiesen, weil das Leben mehr Fälle kennt, als das Recht Gesetze.

Ein Rechtsstaat ohne Moral geht vor die Hunde, und Richter ohne moralische Autorität verlieren die Achtung. Auf Achtung vor Richtern und Rechtsanwälten aber ist die Anerkennung des Rechtsstaates angewiesen.

Ein Hoffnungsschimmer erreichte mich: Der Vorsitzende des Richterbundes Frank und der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer Dr. Krenzler stellten sich der Diskussion. Ist das der Beginn einer aufklärerischen Morgendämmerung?

Ich gebe nicht auf!

Mein Kommentar: Über Gründe für den den Verfall ethischer Normensysteme, wie z.Zt. auch in der Medizin, haben Karl Marx und Friedrich Engels schon recht viel gesagt. Um damit etwas anzufangen, braucht man nicht nur das Herz Jesu, sondern auch das Hirn Einsteins und die Ungeduld Bertold Brechts.

Jochen