Nur keine Angst vor dem Atomkrieg, oder? – Interview mit Atomwaffenexperte Ted Postol

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Wieder ein treffender Kommentar von Dagmar Henn auf RT Deutsch, dort unter neuer Adresse aufrufbar:
https://ifucktheeu.rtde.live/meinung/137107-nur-keine-angst-vor-atomkrieg-oder-ein-freund-ein-guter-freund/
Es hat schon seine Gründe, weshalb die US- und EU-Regierungen versuchen, ihre Bevölkerung davor zu schützen, an ihren gesunden Menschenverstand erinnert zu werden… sazu trägt jetzt auch Twitter bei. Und ganz aktuell ein Interview mit Atomwaffenexperte Ted Postol

Auszüge:

Panzerlieferungen? Abgehakt. Jetzt ist es angesagt, über Befürchtungen zu spotten, es könnte zu einem Atomkrieg kommen.
Atombombenexplosion

Wie hasenfüßig, wo es doch darum geht, treu an der Seite unserer US-Freunde Solidarität mit der Ukraine zu zeigen …

Es wird zunehmend schwerer, den galoppierenden Irrsinn in der deutschen Politik zu kommentieren. Schließlich finden sich bei Politikern wie in den Medien mittlerweile Aussagen, die vor 50 Jahren noch für einen längeren Urlaub in der geschlossenen Psychiatrie gut gewesen wären.
So, wenn inzwischen auf Warnungen vor einem Atomkrieg mit Bemerkungen reagiert wird, man dürfe sich von dieser „Angstmacherei“ nicht „abschrecken“ lassen.
Besonders herzig wird das, weil das unter dem Etikett „Solidarität mit der Ukraine“ verkauft wird. Schließlich geht es momentan um Panzerlieferungen.
Nicht, dass diese Panzer irgendetwas am militärischen Ergebnis ändern werden oder daran, dass man eine Einschätzung, die Ukraine könne den Krieg gewinnen, allerhöchstens als Ergebnis einer zerebralen Schädigung durch Long COVID verbuchen kann.
Aber inzwischen liegt es auf dem Tisch, dass der zynische Spruch, die USA kämpften gegen Russland bis zum letzten Ukrainer, der Realität näher ist als alles, was die deutschen Gazetten servieren, und seitens der wahren Betreiber dieses Krieges, den USA und der NATO, ein Ende überhaupt nicht gewünscht ist.

So geht es scheibchenweise dahin, und mit der heutigen deutschen Realität können nur noch Karl Krauss‚ „Letzte Tage der Menschheit“ konkurrieren. Denn eines sollte klar sein – um eine vernünftige Entscheidung zu treffen, muss man die Fakten betrachten.
Fakten allerdings sind nicht erwünscht *) ; weder bei der Bewertung der militärischen Lage, die zu einem anderen Schluss kommen müsste als der ständig wiederholten Beschwörung eines möglichen ukrainischen Sieges, noch bei der Betrachtung der Ereignisse im Detail, wie man an den hysterischen Schlagzeilen zu vermeintlichen russischen Kriegsverbrechen sehen kann, die sich über kurz oder lang in Luft auflösen, sei es Butscha, sei es Kramatorsk. **)

Wird irgendwo noch erwähnt, dass das russische Kontingent in der Ukraine relativ klein ist? Auch im Verhältnis zur ukrainischen Armee, die, wenn man die zugegeben militärisch ziemlich wertlosen Territorialbataillone mitzählt, immerhin etwa 600.000 Mann umfasst? Nein, das kann man nicht erwähnen, denn täte man das, müsste jeder Meter Bodengewinn ein Beleg für technische und strategische Überlegenheit der Russen sein.
Wird irgendwo erwähnt, dass das Vorgehen der russischen Armee tatsächlich versucht, sogar die ukrainischen Truppen zu schonen? Ebenfalls nicht.
Und kann man in der hiesigen Presse lesen, dass schon mehrere Depots mit westlichen Lieferungen kurz nach ihrem Eintreffen in Rauch aufgingen? Mitnichten.

Aber ist es realistisch, zu glauben, der politischen Spitze läge kein anderes, ehrlicheres Material vor als die wüsten Fantasien, die sich in den Zeitungen lesen lassen? Kann man wirklich davon ausgehen, sie hätten alle miteinander nichts von der Ermordung russischer Gefangener durch georgische Söldner erfahren oder wüssten tatsächlich nicht, dass ukrainische Truppen ihre eigenen Städte beschießen? Wenn sie es nicht bereits aus den acht Jahren Krieg im Donbass gewusst hätten, Kramatorsk zeigte deutlich genug, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij jeden und alles in der Ukraine für einen kleinen propagandistischen Sieg zu opfern bereit ist. Kann man davon ausgehen, dass sie alle blind dafür sind, wenn die Entscheidungen Selenskijs bezüglich der Truppen im Asowstahlwerk an Hitlers Durchhaltebefehl an Offizier Friedrich Paulus während der Schlacht um Stalingrad erinnern?

Zugegeben, das Personal dieser Bundesregierung ist begrenzt intelligent. Aber es gibt darunter noch einen großen Apparat, und Teile dieses Apparats müssen imstande sein, die Realität zu erkennen. Manchmal ploppt ein Bröckchen davon nach oben, ins Sichtbare, wenn auch meist mit einer ganz anderen Absicht.
So hat die Bild https://www.bild.de/bild-plus/politik/ausland/politik-ausland/ukraine-krieg-munition-fuer-20-minuten-gepard-panzer-nicht-einsatzfaehig-79886808,view=conversionToLogin.bild.html durchgerechnet, die Menge der Munition, die mit den Flugabwehrpanzern Gepard geliefert werden solle, genüge gerade für 20 Minuten.
Sie schreibt nicht dazu, dass das Ding eine Reichweite von sechs Kilometern hat, aber moderne Kampfflugzeuge gar nicht so nahe an das Ziel herankommen müssen, um treffen zu können. Aber immerhin, ein Häppchen Wirklichkeit.

Nein, man muss davon ausgehen, dass sie wissen, dass sie am Verlauf dieser militärischen Operation (die übrigens beide Beteiligte keinen Krieg nennen, auch die Ukraine nicht, weil das Probleme mit den IWF-Krediten gäbe) weder mit diesem Zeug noch mit den alten Sowjetbeständen in Polen, Tschechien und sonst wo etwas ändern können.
Dass sie eigentlich, und zwar im Interesse der Ukraine, auf Verhandlungen drängen müssten.
Dass die Option, die Volksrepubliken Donezk und die Lugansk zurück in die Ukraine zu zwingen, nicht existiert und durch die Missachtung der Minsker Vereinbarungen durch den Westen endgültig ausgelöscht wurde, von der Krim ganz zu schweigen.
Welchen Sinn hat dann das ganze Theater? Nun, für die USA ergibt es Sinn, auf eine perverse Art und Weise. Indem sie ihre „Verbündeten“ (die ehrliche Bezeichnung für die USA aus deutscher Sicht wäre mittlerweile „Feind“) dazu bringen, immer mehr Waffen an die Ukraine zu liefern, die sie zur Geisel genommen haben, um den Anschein ihrer Macht aufrechtzuerhalten, machen sie sie zu Komplizen bei ihrem Verbrechen. Das ist eine Taktik, die man in Deutschland ebenfalls kennen sollte.
Einer der Gründe, warum die Wehrmacht tief in die Verbrechen der Nazis verstrickt wurde, war schlicht, dass die Soldaten, die an ihnen teilgenommen oder sie auch nur gesehen hatten, durch die Angst vor Vergeltung unter Kontrolle gehalten wurden. Eine Angst, die mit dazu beitrug, dass sie nicht an dem Punkt aufgaben, an dem es militärisch vernünftig gewesen wäre.
Ein bösartiger Trick, der im Zusammenhang mit der Ukraine gleich auf zwei Ebenen angewandt wird. In den ukrainischen Truppen, nach dem Muster der Naziwehrmacht, und im Binnenverhältnis des NATO-„Bündnisses“.

Und natürlich lenken diese Waffenlieferungen auch das geblendete westliche Publikum davon ab, dass eigentlich längst ernsthafte Verhandlungen durch Kiew angesagt wären, folgte dieser Konflikt den Regeln normalen militärischen Handelns.
Die ukrainischen Truppen, die im Donbass stehen, sind die kampfkräftigsten, die die Ukraine noch hat. Es wäre also vernünftig von einer ukrainischen Regierung, diese Truppen über Verhandlungen zu retten, weil dann zumindest das, was als Ukraine noch übrig bleibt, noch verteidigt werden kann.
Selenskij tut auch das nicht, und er tut es im Auftrag der US-Amerikaner. Er wirft gerade einige Zehntausende seiner eigenen Bürger in den Fleischwolf. Und vor den Augen des westlichen Publikums werden Panzer hin- und hergeschoben, um davon abzulenken, dass dieses Handeln für die Menschen des Landes, deren Präsident Selenskij zu sein vorgibt, absolut schädlich ist und nur dem NATO-Interesse an einem möglichst langen Krieg folgt.

Tatsächlich sind es Selenskij und seine US-amerikanischen Marionettenspieler, die gerade ein ungeheures Verbrechen am Volk der Ukraine begehen. Die Deutschen lassen sich, wie alle übrigen NATO-Kumpane, brav in dieses Verbrechen verstricken.
„Die Ukraine darf nicht verlieren“? Die Ukraine verliert auf jeden Fall. Sie hätte selbst dann verloren, nein, vielleicht sogar am schlimmsten verloren, wenn Selenskij und die Macht hinter ihm ihre Pläne erfolgreich verwirklichen könnten, die Ukraine zu nutzen, um Russland auszubluten; denn sie würde dieses Schicksal teilen.
Und gleichzeitig der finstersten, menschenverachtendsten Herrschaft ausgeliefert bleiben, die Europa zu bieten hat.

Aber in Deutschland führt es mittlerweile bereits zur öffentlichen Aburteilung, wenn man leise Kritik an dem größenwahnsinnigen, nazistischen Tertiär-Ami (wenn man Selenskij als Sekundär-Ami zählt) Andrei Melnyk übt, wie der Düsseldorfer Ex-OB Thomas Geisel, der seine Aussagen https://web.archive.org/web/20220423155014/https://www.thomasgeisel-wasmichumtreibt.de/post/es-reicht-herr-melnyk inzwischen wieder gelöscht hat.
Übrigens, der US-Kriegsminister Lloyd Austin gab in seiner Aussage zum seiner Meinung nach beeindruckenden Widerstand der Ukrainer ganz nebenbei zu erkennen, wo er sie einsortiert: „Die Schlacht um Iwo Jima im Pazifik habe 36 Tage gedauert, die Ardennenoffensive an der Westfront in Europa 40 Tage. Die Ukrainer indessen kämpften nun schon 62 Tage.“
So zitiert ihn die FAZ: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ukraine-treffen-in-ramstein-kann-russlands-offensive-gestoppt-werden-17984082.html.
Jenseits der Tatsache, dass die wirklich großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs andernorts stattfanden – die US-Amerikaner waren in diesen Gefechten die Angreifer (wie meist; selbst, wenn damals ausnahmsweise auf der richtigen Seite). Die Verteidiger waren in beiden Fällen Faschisten; Japan und Nazideutschland.
Und in beiden Fällen war es eine verlustreiche Verteidigung jenseits militärischer Vernunft. Er hätte die US-Geschichte bemühen können, den Bürgerkrieg beispielsweise, aber eingefallen sind ihm diese beiden Ereignisse.

Es gibt nur einen Grund, warum die Ukraine nicht verlieren darf. Weil die Welt außerhalb jener schrumpfenden „Weltgemeinschaft“ weiß, dass das ein Krieg der USA ist, den sie sich ausgedacht und angezettelt haben. Es sind die USA, die nicht verlieren dürfen, weil sie sich einbilden, dadurch ihre Macht noch ein wenig zu retten.
Gods_Own_CountryFür diese USA lässt sich auch die Bundesregierung instrumentalisieren, zumindest jene Teile, deren Verstand den eines Hamsters übersteigt.
Aber wie weit wollen sie noch gehen, nachdem sie schon den wirtschaftlichen Ruin Deutschlands abgenickt haben? Glauben sie wirklich, der Krieg in der Ukraine könne Russland brechen und den kostenfreien Zugriff auf russische Ressourcen ermöglichen?
Das hatte sich ein Herr Hitler auch einmal eingebildet, aber auch der schaffte es nur bis Stalingrad und nicht bis Baku. Oder glauben sie, wenn der Krieg in der Ukraine bis zum Weltkrieg aufgeblasen würde, wäre die westliche Vorherrschaft zu retten?

Sie ist es nicht. Nicht nur die Ukraine wird sinnlos für Uncle Sam geopfert. Eigentlich hätte allein die Forderung aus den USA, Nord Stream 2 nicht zu nutzen, genügen müssen, um zu zeigen, dass da kein Freund etwas fordert, sondern ein Feind.
Diese USA, das muss man aus den Folgen der Sanktionen folgern, die verheerend genug sind, sind bereit, Europa zu opfern. Nicht nur ökonomisch.
Aber es gibt niemanden, der diese Bundesregierung noch zu warnen vermöchte. Wenn der russische Außenminister Sergei Lawrow das tut, wird das unter „Angstmachen“ verbucht: https://www.focus.de/politik/deutschland/ein-kommentar-von-ulrich-reitz-lieferung-von-gepard-panzern-entlarvt-die-angstpolitik-von-kanzler-scholz_id_89855545.html.
Als gäbe es irgendwo ein Fleißbildchen für besonderen Mut, wenn man so tut, als wäre ein Atomkrieg kein Anlass zur Sorge https://www.welt.de/politik/deutschland/article238383059/Lawrow-Keine-Verhandlungsloesung-fuer-Ukraine-bei-Waffenlieferungen.html.

Es wird keine Fleißbildchen geben. Auch keine Tapferkeitsmedaillen. Leider auch keine Denkmäler für besonders ausgeprägte Idiotie, für Lakaientum und Unterwürfigkeit.
Die USA wollen, das zeigen sie deutlich genug, ihren Abstieg auf keinen Fall hinnehmen. Sie können ihn aber nicht verhindern.
Also signalisieren sie ihre Bereitschaft, große Teile der Menschheit bei ihrem Untergang mitzunehmen.

Wenn die Vernunft etwas gebieten würde, dann wäre es maximaler Abstand von diesen USA. Im direkten deutschen Interesse. Nicht nur im Interesse eines ökonomischen, nein, inzwischen gar im Interesse eines physischen Überlebens.
Jedes Kleinkind kann vorrechnen, dass diese Waffenlieferungen Show sind und die Ukraine nur auf eine Art gewinnen kann – indem sie von der Herrschaft der US-Kriegstreiber und ihrer heimischen Fußtruppen befreit wird.
Was, dank der europäischen Liebesdienerei den USA gegenüber, die Aufgabe der russischen Armee zu sein scheint.

In Deutschland wird jedenfalls die Beschwörung, es sei doch kein Problem, auf Nord Stream 2 zu verzichten, inzwischen durch die Beschwörung ersetzt, vor Atomkriegen müsse man keine Angst haben.
Wenn man sieht, dass der erste Fall in der völligen Preisgabe eigener Interessen endete, kann man sich schon ausmalen, wo der zweite endet.

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Nuklearkrieg mit Russland?

Es diskutiert der Atomwaffenexperte Ted Postol mit Robert Scheer darüber, wie die Ukraine-Krise die Welt über den „Point of no Return“ hinausführen könnte.

Auszüge aus https://seniora.org/politik-wirtschaft/nuklearkrieg-mit-russland

Wenn sich der Krieg in der Ukraine zu einem Atomkrieg zwischen USA/NATO und Russland ausweitet, wäre die US-Air Base Ramstein ein Primärziel. Ihre herausragende militärische Bedeutung wurde durch das von Pentagon-Chef Austin dorthin einberufene Treffen wieder einmal überdeutlich. Was dann nicht nur in Ramstein passieren würde, geht aus dem nachfolgend abgedruckten Interview hervor.

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien die Gefahr eines Atomkrieges jahrzehntelang in den Hintergrund zu treten. Der Klimawandel rückte als existenzielle Krise unserer Zeit in den Mittelpunkt, und für ein paar kurze Jahre schien es, als hätten die Atommächte durch Verträge und Diplomatie, wie fehlerhaft sie auch (gewesen sein mögen, s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP03319_180319.pdf ), die Möglichkeit eines erneuten Einsatzes von Atomwaffen beiseite geschoben. [Bis heute haben nur die USA Atomwaffen gezündet   – beide in Japan   – und sie sind nach wie vor das Land mit dem bei weitem größten Atomwaffenarsenal.]

Nun, da mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine eine neue, beängstigende Ära begonnen hat wird immer deutlicher, dass die Gefahr eines Atomkriegs uns alle wieder nachts wach hält. Ted Postol, Physiker und Atomwaffenexperte sowie emeritierter MIT-Professor, erklärt Robert Scheer in der aktuellen Ausgabe von Scheer Intelligence, wie tödlich das derzeitige Vabanquespiel zwischen den USA und Russland ausgehen könnte. Postol hat vor seiner Zeit am Massachusetts Institute of Technology an der Stanford University und in Princeton gelehrt und war außerdem wissenschaftlicher und politischer Berater des Chefs der Marineoperationen sowie Analyst im Office of Technology Assessment. Sein Fachwissen über Atomwaffen veranlasste ihn, die Behauptungen der US-Regierung über die Raketenabwehr zu kritisieren, wofür er 2016 den Garwin-Preis der Federation of American Scientists erhielt.

Fee Strieffler und Wolfgang Jung haben in dankenswerter Weise dieses lange Interview mit Deeple-Unterstützung übersetzt, die Ergänzungen und Links in runden Klammern hinzugefügt und uns mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

RS: Hallo, hier ist Robert Scheer mit einer weiteren Ausgabe von Scheer Intelligence, und die Informationen stammen natürlich wie immer von meinen Gästen: In diesem Fall von Theodore Postol, Ted Postol, einem unserer führenden Experten auf dem Gebiet der nuklearen Kriegsführung und der gesamten Bedrohung durch einen Atomkrieg. Von einem wirklichen Experten, den ich vor drei Jahrzehnten am Stanford Center   – es heißt Stanford Center for International Security and Cooperation   – kennen gelernt habe. Wir hatten beide an einem Seminar teilgenommen – ich hatte gerade ein Buch über nukleare Kriegsführung geschrieben und war dazu eingeladen worden. Auch Condoleezza Rice war dabei. Sie wurde dann Rektorin in Stanford und später nationale Sicherheitsberaterin des ersten Präsidenten Bush und Außenministerin. Es war also eine hochkarätige Gruppe von Spitzenphysikern, angeführt von einem Mann namens Sidney Drell, der Zugang zu den geheimsten Informationen hatte. Wir waren damals sehr besorgt darüber, dass ein Plan für einen Atomkrieg entwickelt werden sollte, den man gewinnen könne und gewinnen wollte. Mit dem Ende der Sowjetunion und dem eigentlich erwarteten Ende des Kalten Krieges ist die nukleare Bedrohung dann angeblich von der Bildfläche verschwunden, aber im Moment ist sie wieder größer als je zuvor.

(Nicht nur) Wladimir Putin hat die Möglichkeit angesprochen, diese Waffen tatsächlich einsetzen zu wollen, wenn andere Mittel versagen. Wir befinden uns also mitten in einer Diskussion   – und die meisten Medien und Politiker ignorieren diese Gefahr   – in der sogar schon an den Einsatz kleinerer Atomwaffen gedacht wird. ****) Es gibt eine ganze Reihe neuer Technologien, die sie „verwendbar“ machen sollen. Deshalb wende ich mich an jemanden, der, wie ich schon sagte, auf diesem Gebiet führend war. Ted, erzählen Sie uns etwas über Ihren Hintergrund, Ihre Arbeit im Pentagon, Ihre akademische Arbeit und was Sie über die aktuelle Gefahr eines Atomkriegs denken. Bin ich ein Panikmacher?

TP: Nein, ich glaube nicht, dass Sie ein Panikmacher sind. Ich denke, dass die Dinge extrem gefährlich sind. Es ist sehr schwer, das zu quantifizieren, weil es so viele Unbekannte gibt, aber die Gefahr ist mindestens so groß wie während der Kuba-Krise. Und mein Bauchgefühl, und das ist alles, worauf ich mich stützen kann, sagt mir, dass die heutige Situation sogar noch viel gefährlicher ist.

Aber lassen Sie mich Ihnen ein wenig über meinen Hintergrund erzählen, damit Ihre Zuhörer eine Vorstellung davon bekommen, woher meine Erfahrung kommt. Ich bin kein normaler Akademiker, kein Karrieretyp; ich bin erst zur Wissenschaft gekommen, nachdem ich einige Jahre im Pentagon verbracht hatte. Ich arbeitete als wissenschaftlicher und politischer Berater des Chefs der Marineoperationen, und während dieser Zeit konnte ich ein sehr breites Spektrum an Erfahrungen sammeln und an vielen Verantwortlichkeiten teilhaben. So habe ich zum Beispiel technische und politische Ratschläge zu den Entscheidungen gegeben, die wir in Bezug auf den ballistischen Flugkörper Trident II treffen mussten. Dieser Flugkörper war damals noch nicht auf unseren U-Booten stationiert, denn das war in den frühen 1980er Jahren; wir hatten die Trident I, aber wir bereiteten die Marine damals auf die Trident II vor, und es gab viele technische Kompromisse, über die wir nachdenken mussten.

In dieser Zeit war ich auch stark in die eigentliche Atomkriegsplanung eingebunden. Ich arbeitete also an der Lösung von Problemen, wenn man es so nennen will, die bei der Planung eines Atomkriegs auftreten. Ich war also bestens mit den Plänen vertraut und befasste mich auch mit der politischen Umsetzung dieser Pläne   – wobei ich klarstellen sollte, dass ich die ganze Sache damals noch nicht für verrückt hielt. Aber das hatte keinen Einfluss auf meine technische Verantwortung innerhalb der Navy-Struktur. Ich hatte die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass bestimmte Dinge in Anbetracht dessen, worüber die Leute nachdachten, in angemessener Weise getan wurden. Ich habe sicherlich viele Male deutlich gemacht, dass ich den Rahmen für die Planung nicht für sehr solide hielt, aber das ist eine andere Diskussion.

Ich war auch an der Bewertung der strategischen Fähigkeiten zur Bekämpfung der U-Boote beteiligt, die von den Russen gegen die USA eingesetzt werden konnten, auch an der Bewertung der Fähigkeiten, die den USA damals gegen die Russen zur Verfügung standen. Damals waren die russischen U-Boote sehr laut, was heute nicht mehr der Fall ist. Und sie waren so laut, dass wir sie über große Entfernungen verfolgen konnten. Wir wussten im Grunde genommen sehr genau, wo sich viele dieser U-Boote aufhielten, wenn sie auf See waren. Dies war also eine enorme Schwachstelle der russischen U-Boote, die sie heute nicht mehr haben.

Ich habe auch an der Raketenabwehr gearbeitet. Insbesondere habe ich mich eingehend mit den russischen Systemen zur Raketen- und Luftabwehr befasst, die einige Merkmale aufwiesen, die darauf hindeuteten, dass sie für einen doppelten Zweck konzipiert waren, nämlich auch für den Angriff auf Interkontinentalraketen. In Wirklichkeit waren sie dazu aber nicht in der Lage. Die Russen hatten keine realistische Möglichkeit, ICBMs der USA abzufangen. Nur die US-Geheimdienstler hatten diese Idee, obwohl fast keine Abfang-Chance bestand, und bliesen sie zu einer Bedrohung auf. Zu dieser Zeit wurde das aber als echtes Problem betrachtet, das in den ABM-Vertrag von 1972 einfloss.

Ich untersuchte die amerikanischen Raketenabwehrsysteme und die Technologie, die uns zur Verfügung stand, und beschäftigte mich intensiv damit, was mich zu einem ausgesprochenen Kritiker der Strategischen Verteidigungsinitiative (Strategic Defense Initiative, SDI) werden ließ, denn es war klar, dass diese Technologie nicht einmal annähernd in der Lage war, das zu leisten, was behauptet wurde. Das ist also das Spektrum, mit dem ich mich damals beschäftigt habe.

RS: Übrigens, nur eine Fußnote zur Strategischen Verteidigungsinitiative, die umgangssprachlich als Star Wars bekannt ist. Als ich mit Ihnen auf diesem Rüstungskontrollseminar war, traf ich auch Edward Teller, den Vater der Wasserstoffbombe, der ein großer Befürworter der Star Wars-Raketenabwehr war. Die Idee, dass man feindliche Raketen abschießen könnte, hielten einige vorsichtige Leute für „destabilisierend“, weil dadurch ein atomarer Erstschlag der USA gegen Russland möglich werde. Mit den angeblich von den Russen entwickelten Hyperschallwaffen dürfte das aber wieder unmöglich geworden sein.

Nichtsdestotrotz saß ich auf dem Weg von L.A. nach San Jose zu unserem Seminar zufällig in einem Flugzeug mit Edward Teller. Als wir aus dem Flugzeug stiegen, fragte er: „Was machst du hier oben? Und ich sagte, ich gehe zu dem Seminar, das Sid Drell gibt. Er sagte mir, stell sicher, dass Sid dir von den großartigen Ergebnissen erzählt, die wir mit dem Cottage-Test erzielt haben. Das war damals das größte Geheimnis, und er behauptete, sie seien fündig geworden und hätten wirklich die Mittel, um die SDI-Waffe herzustellen. Als ich aber Sid Drell, der Zugang zu allem hatte, danach fragte, wurde der ganz blass, nahm mich mit aus dem Gebäude und sagte: „Was hat Teller da wieder erzählt? Er hätte überhaupt nicht darüber reden dürfen; ich werde jedenfalls nicht darüber reden, denn das ist ein gigantischer Betrug.“ Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment, denn später kam heraus, dass der Test tatsächlich fehlerhaft war und keine positiven Ergebnisse gebracht hatte.

Aber Präsident Reagan hat trotzdem an SDI geglaubt. Viele Jahre später hatte ich die Gelegenheit, ihn zu interviewen, als er für das Präsidentenamt kandidierte. Wir sprachen über Fragen der nuklearen Kriegsführung, und er hatte immer noch Ideen dazu. Aber als er sich in diesem historischen Moment mit Gorbatschow traf, sahen sie sich beide an, sprachen miteinander und sagten, was Reagan schon mehrmals gesagt hatte   – dass sie diese Waffen loswerden wollten. Und sie begannen tatsächlich einen Abrüstungsprozess.

Versetzen Sie uns also zurück. Wie sind wir von diesem Moment des Optimismus über das Ende des Kalten Krieges dahin gekommen, wo wir jetzt stehen? Und Sie haben auch noch nicht die Frage beantwortet: Wie alarmierend ist die derzeitige Situation? Es ist also eine zweigleisige Frage. Wie sind wir vom Gorbatschow-Reagan-Treffen in Reykjavík hierher gekommen, und wie besorgniserregend ist die aktuelle Situation, in der Wladimir Putin den Westen daran erinnert hat, dass er über ein riesiges Atomwaffenarsenal verfügt?

TP: Nun, ich denke, Gorbatschow und Reagan waren ernsthaft (um atomare Abrüstung) bemüht. Aber die Leute, die sich selbst als Experten für Politik halten   – Leute wie Richard Pearl, der damals eine große Figur war   – hielten Gorbatschow und Reagan für naiv. Dem stimme ich im Übrigen nicht zu; ich denke, die Politiker hatten Recht, und naiv waren die so genannten Experten. Ich habe in dieser Expertengemeinschaft gelebt, und ich habe so vieles gehört, was man, wenn man sich intellektuell klar und gut informiert und mit den Dingen auseinandersetzt, sofort als völligen Unsinn erkennen konnte. Nur Ignoranten beharren auf den Atomwaffen.

Und leider wird das meiste von dem, was diese „Experten“ behaupten   – sogar von selbst gut ausgebildeten Leuten   – einfach ungeprüft übernommen. Nur wenn man ein echter Experte ist   – und das waren diese Leute nicht, auch wenn sie sich selbst dafür hielten   – versteht man etwas von der Realität dieser Waffen. Um einen Begriff zu verwenden, der oft überstrapaziert wird, ich denke, dass der „tiefe Staat“ sowohl in Russland als auch in den Vereinigten Staaten   – aber mehr bei uns als in Russland, zumindest soweit ich das beurteilen kann   – dass der tiefe Staat in den USA im Grunde die Ideen und Ziele von Ronald Reagan untergraben hat. Und natürlich war auch Gorbatschow in Russland mit einem ähnlichen Problem konfrontiert.

Es gibt also diese einflussreichen Institutionen in beiden Ländern. Sie sind voll von Leuten, die wirklich an diese schrecklichen Waffen glauben oder zumindest glauben, dass sie nützlich sein könnten. Und weil sie das glauben, sind sie auch davon überzeugt, dass es im besten Interesse ihrer Länder ist, auch weiterhin auf Atomwaffen zu setzen. Dabei verwechseln sie nur ihr eigenes Interesse mit dem Interesse ihrer jeweiligen Länder. Sie ergreifen Maßnahmen, um die Direktiven der Präsidenten zu unterlaufen, und deshalb setzen sie sich immer wieder durch, ohne dass dieses System wirklich hinterfragt wird   – trotz des bemerkenswerten und tatsächlich außerordentlich einsichtigen Urteils der beiden genannten Politiker.

Es war also das System (des tiefen Staates), das gesiegt hat. Und weil ich kein Soziologe bin, fällt es mir sehr schwer, das überhaupt zu verstehen. Ich glaube aber, dass diese (verdeckt arbeitenden) Organisationen so groß und so voll von Menschen sind, von denen viele an die falschen Dinge glauben. Diese gigantischen Organisationen sind außerordentlich schwer zu verändern, was einer der Gründe ist, warum dieser außergewöhnliche Vorschlag   – der uns vor der gegenwärtigen Situation hätte retten können   – nie umgesetzt wurde.

Und nun befinden wir uns in einer Situation, in der die atomare Vernichtungskraft der USA gegen Russland, also die besondere Fähigkeit, die russischen Interkontinentalraketen zu zerstören, darin besteht, nukleare US-Sprengköpfe nahe genug an die gehärteten russischen Silos für ICBMs (Intercontinental Ballistic Missiles) zu platzieren, um sie mit den darin befindlichen Raketen zerstören zu können. Das erfordert eine Treffgenauigkeit in der Größenordnung von bis zu 100 Metern. Die US-Nuklearwaffe, die uns dafür zur Verfügung steht, würde ausreichen, um ein Stadtgebiet mit einem Radius von vier bis fünf Meilen (ca. 5-8 km) zu zerstören. Das ist ein Gebiet von knapp 79 Quadratmeilen (gut 200 km²). Wenn also von atomarer Kriegsführung die Rede ist, geht es um eine ganz spezielle Eigenschaft der Waffe: um ihre Fähigkeit, sie gegen sehr harte unterirdische Strukturen einsetzen zu können.

Aufgrund eines Modernisierungsprogramms, das in den letzten zehn Jahren durchgeführt wurde, sind wir jetzt in der Lage, alle 1.000 landgestützten russischen ICBMs,   – das ist etwa die Hälfte ihrer Langstreckenraketen   – mit 20% der US-Sprengköpfe zu zerstören. Das bedeutet, dass 80% der Sprengköpfe, die uns zur Verfügung stehen, für andere Zwecke genutzt werden könnten   – für die Zerstörung von verbunkerten Kommandozentralen, und anderen russischen Zielen oder von Zielen in anderen Ländern, zum Beispiel in China (oder in der Bundesrepublik Deutschland).

Ich würde sagen, dass es derzeit viel mehr Waffen als legitime Ziele gibt, was auch immer das bedeuten mag. Wir haben also diese enorme Feuerkraft, und die Russen wissen, dass wir uns in den letzten 10 Jahren sehr bemüht haben, diese enorme Feuerkraft aufzubauen. Stellen Sie sich also vor, Sie wären der Offizier, der die russischen Atomstreitkräfte kommandiert. Ihre Aufgabe wäre es, im Falle eines Angriffs auf Russland eine nukleare Antwort zu geben, das ist Ihr Beruf. Bei der Einschätzung des Gegners USA würden Sie sicher sagen: „Mein Gott, diese US-Amerikaner planen einen Atomkrieg gegen uns zu führen und ihn zu gewinnen.“

Der Russe könnte daraufhin vielleicht zu sich selbst sagen: „Ich weiß doch, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist, weil unsere beiden Länder dadurch völlig zerstört würden. Aber die Amerikaner scheinen das nicht zu verstehen, oder sie tun wenigstens so, als ob sie das nicht verstünden und wollen es trotzdem darauf ankommen lassen. Ich muss also darauf vorbereitet sein, denn wenn sie wirklich einen Atomkrieg anzetteln wollen, dann sollte ich ihnen besser zeigen können, dass es eine sehr schlechte Idee wäre, es zu versuchen, weil dabei nicht nur Russland und die USA, sondern ganz Europa und die ganze nördliche Hemisphäre untergingen, und zwar sofort. Und nur Gott weiß, was sonst noch passieren würde.“

Der russische Offizier wird wegen der undurchsichtigen US-Aktivitäten seinen Finger also ganz dicht an dem Alarmknopf zur Auslösung eines Atomkrieges haben, obwohl er genau weiß, was dann geschieht. Wer denkt, solche Offiziere seien verrückt, kann sich nicht in ihre Lage versetzen. Sie wollen keinen Atomkrieg beginnen, müssten ihrem Land aber trotzdem diesen „letzten Dienst“ erweisen, der kaum als Dienst zu bezeichnen ist.

Der russische Offizier befindet sich also ständig in erhöhter Alarmbereitschaft, weil er weiß, dass sein Frühwarnsystem viel weniger leistungsfähig als unseres ist. Russland hat nicht die umfassenden Frühwarnmöglichkeiten, die wir haben. Er kann auch nicht warten, bis die ersten US-Raketen einschlagen, weil es dann schon zu spät wäre. Er kann auch nicht auf die Entscheidung seiner politischen Führung hoffen, weil er wegen der extrem kurzen Vorwarnzeit schon tot wäre, bevor diese einträfe.

Die Russen   – die weder verrückt sind noch Selbstmord begehen oder die US-Amerikaner zuerst ermorden wollen   – können nur eins tun, um die Begeisterung der US-Amerikaner für einen atomaren Angriff zu bremsen: Sie müssen Vorbereitungen für eine automatisierte Reaktion treffen. Dazu bräuchten sie eigentlich eine Art „Weltuntergangswaffe***), wobei ich nicht weiß, ob sie diewirklich wollen. Im Grunde müssten sie aber so eine Weltuntergangsreaktion vorbereiten, für den Fall, dass die russische Führung bei einem überraschenden atomaren Erstschlag der USA getötet wird.

Die Russen müssten also auch Vorkehrungen für diesen „Worst Case“ treffen. Das erfordert ein sehr kompliziertes System, in dem Fehler auftreten und zu unbeabsichtigten Frühstarts russischer Atomraketen führen können. Im Grunde genommen haben die amerikanische Modernisierungsbemühungen und die bedauerliche Unfähigkeit Russlands, sein Frühwarnsystem gleichwertig zu verbessern, zu einer Situation geführt, die potenziell noch viel gefährlicher als vorher ist, weil viel leichter eine fatale Störung einen Atomkrieg auslösen könnte. Und das kann sowohl ein soziales, ein politisches als auch ein technisches Problem sein..

RS: Sie sprechen von der Modernisierung der letzten 10 Jahre, die unter Barack Obama begonnen hat.

TP: Ja, auf jeden Fall, auf jeden Fall.

RS: Wir können nicht alles auf Obama schieben, denn Trump hat die Modernisierung zwar nicht initiiert, aber fortgesetzt. Dabei war Obama auch deshalb gewählt worden, weil er versprochen hatte, Atomwaffen abbauen zu wollen. Mit parteiübergreifender Unterstützung hat er dann aber (durch die Errichtung eines US-Raketenabwehrschildes in Europa, s. auch dazu http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP14117_010917.pdf ) ihren Einsatz sogar noch wahrscheinlicher gemacht. Es macht also Sinn, wenn Putin mit seinen Hyperschallwaffen prahlt, von denen er bereits eine oder zwei in der Ukraine eingesetzt haben will. Sie könnten auch Atomwaffen tragen und sind (wegen ihrer hohen Geschwindigkeit nicht (durch den US-Raketenabwehrschild) aufzuhalten. Ich erinnere mich noch gut an die Pressekonferenz, in der Putin als Reaktion auf die Modernisierungswelle der USA seine neuen Raketen vorgestellt hat. (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP02918_050318.pdf ).

TP: Nun, ich denke, ein großer Teil dieses gefährlichen Wettrüstens entsteht aus dem Bedürfnis der nationalen Führer, erstens zu zeigen, dass sie stark sind, und zweitens zu zeigen, dass sie innovativ sind und immer neue Wege finden, um den anderen zu zerstören, der sich deshalb keinesfalls mit ihnen anlegen sollte. Eigentlich sind die Hyperschallraketen, mit denen China und Russland prahlen, aber völlig bedeutungslos. Auch diese beiden Staaten sind   – genau wie die USA   – nicht in der Lage, auch nur irgendeine Interkontinentalrakete abzufangen, die auf sie abgeschossen wird. Die derzeitigen Systeme haben einfach keine Chance, selbst unter den besten Bedingungen zu funktionieren. Es ist unmöglich. Ich habe mich sehr eingehend damit befasst und Artikel darüber geschrieben. Sie funktionieren wirklich nicht, auch nicht unter den besten Bedingungen.

Man glaubt, dass nur eine Hyperschallrakete einen Raketenabwehrschild durchbrechen kann, während normale ballistische Raketen abzufangen seien. Bei hunderten von gleichzeitig freigesetzten Täuschkörpern hat aber niemand eine Chance, nur die echten Gefechtsköpfe abzufangen.

Das würde nur funktionieren, wenn die Abfangraketen die Gefechtsköpfe erkennen und nur diese anfliegen und zerstören würden. Die technologischen Möglichkeiten und die Zuverlässigkeit der Abfangraketen reicht aber selbst unter „choreografierten“, idealisierten Bedingungen dazu nicht aus. Wenn man also irgendetwas tut, um sie zu stören, werden sie nichts abfangen, nicht einmal die Täuschkörper. Auch ohne Täuschkörper können sie ein Ziel nicht zuverlässig abfangen. Wenn man nun gleichzeitig Hunderte von Täuschkörpern pro Sprengkopf freisetzt und Störsysteme und Spoofing-Systeme nutzt, können Abfangraketen überhaupt nichts ausrichten. Deshalb ist die Behauptung, ein Hyperschallfahrzeug ändere das Spiel, eigentlich nur albern. Es ist allerdings nicht albern, wenn man dem Gegner nur Angst einjagen und ihn an voreiligen Schritten hindern will.

Es ist also kein Zufall, dass die Russen uns   – ich glaube schon im Jahr 2010   – ihr gigantisches Roboter-U-Boot gezeigt haben; ich müsste in meinen Notizen nachsehen. Dieses ferngesteuerte U-Boot war eigentlich ein Riesentorpedo, hatte einen Durchmesser von etwa drei Metern und einen Atomantrieb. Dieser Riesentorpedo kann einen Atomsprengkopf von 100 Megatonnen tragen. Er könnte in den Hafen einer großen Stadt oder in einen Fluss gelenkt werden, dort detonieren und ein Gebiet mit einem Radius von 40 Meilen zerstören. Eine einzige Atomwaffe dieser Art kann also ein Gebiet von vier- bis fünftausend Quadratmeilen (bis zu 13 000 km²) auslöschen.

RS: Im Gegensatz zu den Flugzeugen, die in das World Trade Center flogen, gäbe es also (bei einem Angriff mit einem solchen Torpedo) kein New York mehr.

TP: Es gäbe keinen Staat New York und kein New Jersey mehr. Die Hälfte von Long Island wäre zerstört. Das ist also eine fantastisch zerstörerische Waffe. Und wir wissen, dass sie sie bauen können, denn sie haben bereits 1957 eine ähnliche Waffe gebaut und zur Explosion gebracht. Das ist zwar schon lange her, aber es ist kein Zufall, dass Putin diese Waffe erst vor kurzem wieder angepriesen hat. Vermutlich glaubte er, den US-Präsidenten darauf aufmerksam machen zu müssen, weil er ihn für schlecht informiert hält. Es gab ja auch schon einige ziemlich falsch informierte Präsidenten   – darunter auch Ronald Reagan während der Star-Wars-Episode. Und ein falsch informierter US-Präsident könnte einen schrecklichen Fehler machen.

Putin scheint also Angst davor zu haben, dass ein falsch informierter US-Präsident etwas tun könnte, das unser aller Tod zur Folge hätte. Er macht sich sicher weniger Sorgen um die USA als um Russland, will aber jedem   – selbst einem Kind auf einem Fahrrad   – klar machen, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist. Russland könnte die USA vernichten, weil wir uns nicht gegen eine Unterwasserwaffe mit Nuklearantrieb verteidigen können, die den Atlantik oder den Pazifik überqueren, in unsere Häfen eindringen und die gesamte Küste der Vereinigten Staaten zerstören könnte, wo ein sehr hoher Prozentsatz unserer Bevölkerung lebt und unsere wichtigste Industrie angesiedelt ist. Das könnten die Russen allein mit dieser Waffe tun. Sie haben aber auch noch andere (s. unter https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/machtdemonstration-russland-testet-interkontinentalrakete,T3ZRNbC ).

RS: Ich möchte sie auch nach der Rolle der New York Times fragen, die meiner Meinung nach inzwischen zu den kriegsgeilen Medien gehört, die US-Truppen gegen die Russen in der Ukraine einsetzen und in diesem Land einen weiteren Stellvertreterkrieg wie in anderen Teilen der Welt anzetteln wollen. Neulich gab es sogar eine ganze Reihe von Berichten über den Einsatz kleinerer Atomwaffen. Sie wissen schon, solche mit zwei Prozent der Sprengkraft von Hiroshima und so weiter   – also atomare Gefechtsfeldwaffen mit geringerer Reichweite, deren Wirkung uns   – anders als bei der Kuba-Krise   – erspart bliebe.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die NATO-Osterweiterung zu sprechen kommen. Reagan und Gorbatschow haben doch unter anderem auch über das Ende der militärischen Konfrontation und des Kalten Krieges gesprochen. Man hätte meinen können, das sei der Anfang vom Ende der Militärbündnisses NATO und ihres sowjetischen Pendants, des Warschauer Paktes. Warum ist das heute nicht mehr möglich? Für Putin scheint die NATO-Osterweiterung doch das eigentliche Problem zu sein.

TP: Ja, lassen Sie mich kurz auf den Artikel in der New York Times eingehen, der von dem normalerweise recht guten Wissenschaftsjournalisten Bill Broad, geschrieben wurde (s. https://www.nytimes.com/2022/03/21/science/russia-nuclear-ukraine.html ). Eines der beunruhigenden Dinge an diesem Artikel ist, dass Broad von Waffen spricht, die nach seiner Beschreibung wahrscheinlich eine Sprengkraft von vier oder fünf Kilotonnen haben. Eine Kernwaffe mit einer Sprengkraft von vier oder fünf Kilotonnen würde 70 % der Fläche zerstören, die in Hiroshima zerstört wurde. Wenn Sie das für unbedeutend halten, ist das Ihre Entscheidung. Ich halte das aber nicht für eine unbedeutende, kleine Waffe, die jemand ignorieren würde. Der Artikel lässt also Fragen des Maßstabs und des Realitätsbezuges offen, und das finde ich beunruhigend.

Die NATO-Frage ist Teil der Geschichte und der Versäumnisse der politisch Führenden. Zunächst einmal möchte ich aber ganz klar sagen: Es gibt keine Entschuldigung für das, was Putin getan hat. Er hat einen gewaltigen Fehler begangen, selbst wenn man kaltherzig ist und nur seine strategischen Ziele berücksichtigt. Es ist einfach entsetzlich, was in der Ukraine geschieht . Aber es gibt auch eine Menge Schuld (an andere) zu verteilen, denn die Bedingungen, die zu dieser Konfrontation geführt haben, wurden von der NATO geschaffen. Und ich denke, dass diejenigen, die solche Dinge in Zukunft vermeiden wollen, nicht nur an Rüstungskontrolle denken sollten. Wir sollten zwar Rüstungskontrolle betreiben, aber auch über unser politisches Verhalten nachdenken.

So verkündete die NATO 2008 gegen den Widerstand der beiden wichtiger NATO-Mitglieder Deutschland und Frankreich, dass sie Georgien und die Ukraine zu einem späteren Zeitpunkt willkommen heißen würde. Natürlich war keines dieser beiden Länder auch nur annähernd für einen NATO-Beitritt qualifiziert, denn sie haben interne Probleme und vor allem Probleme mit der Korruption, die sie disqualifizieren. Vielleicht können sie diese Probleme irgendwann lösen, aber damals waren sie sicherlich ein Jahrzehnt oder sogar Jahrzehnte davon entfernt, jemals auch nur zu möglichen Kandidaten zu werden.

Warum hat sie die NATO dann trotzdem zum Beitritt eingeladen? Putin hat sofort gesagt, das mit der Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO für Russland eine „rote Linie“ überschritten würde. Er fügte hinzu: „Sie liegen an unserer Grenze, sie sind traditionell Teil dessen, was die Sowjetunion war, und sie stehen uns kulturell nahe. Deshalb werden wir nicht dulden, dass diese Länder Teil einer gegen uns gerichteten feindlichen Militärallianz werden. Und dann noch dieser ganze Unsinn, dass die NATO kein feindliches Bündnis gegen uns sei   – man muss nur die Erklärungen und Aufzeichnungen der NATO lesen , um zu wissen, was sie vorhat, was sie plant und wofür sie es plant.“ Es ist einfach nur lächerlich zu behaupten, die NATO sei kein feindliches Bündnis gegen Russland.

Putin sieht die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO also als grundlegendes Sicherheitsrisiko für Russland an, weil sie dann zum feindlichem Ausland gehören würden. Das Aufnahmeversprechen der NATO erfolgte im April 2008. Bereits im August 2008 befanden sich Russland und Georgien im Krieg, den Georgien natürlich verloren hat. Das sollte der NATO eigentlich eine Lehre sein. Die Details sind komplex, und deshalb will ich nur kurz darauf eingehen (weitere Infos dazu s. unter https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_08/LP12908_100808.pdf und https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_08/LP13508_140808.pdf ). Es war nicht Russland, das damit angefangen hat; es war Saakaschwili, der georgische Staatschef, der sich dazu ermutigt fühlte, weil er glaubte, die NATO werde ihn unterstützen. Die Erklärungen der NATO haben diesen Mann   – der meiner Meinung nach von Anfang an instabil war und jetzt in Georgien wegen Korruption im Gefängnis sitzt   – dazu ermutigt, die russischen Friedenstruppen in Südossetien und Abchasien anzugreifen, und die Russen haben nur hart darauf reagiert.

Ich will übrigens nicht behaupten, dass die Russen völlig unschuldig waren. Aber lassen Sie uns eines klarstellen: Georgien hat angefangen. Und Georgien wurde von der NATO ermutigt, woraufhin Russland Georgien zerstörte. Und was passiert jetzt? Wir schreiben das Jahr 2022, und auch die Ukraine wurde ermutigt, sich einem feindlichen Militärbündnis gegen Russland anzuschließen. Dabei hätte Georgien uns lehren können, dass die Russen ihre Warnungen ernst meinen. Die NATO ist   – soweit ich sehen kann   – total unbelehrbar. Schauen Sie sich diesen Stoltenberg an   – wenn er anfängt zu reden, möchte man sich einfach nur an den Kopf fassen und weinen. Dabei bestimmen natürlich die USA, was die NATO zu tun und zu lassen hat. Warum lassen wir überhaupt zu, dass über einen Beitritt der Ukraine zur NATO auch nur geredet wird, obwohl sie natürlich schon lange nicht mehr dafür in Frage kommt. So machen wir die Russen nur noch wütender   – wegen der Bedrohung die von einem NATO-Mitglied Ukraine für sie ausgehen könnte.

Zählen sollte doch nur die Diplomatie und nicht die Rhetorik. Die Diplomatie hat die Aufgabe, Konflikte durch Kommunikation zu vermeiden. In der Ukraine passiert aber gerade das genaue Gegenteil. Die USA hätten auch sagen können: „Wir möchten, dass die Ukraine ein modernes, unabhängiges, wohlhabendes Land wie Finnland wird.“ Auch Finnland liegt an der Grenze zu Russland, ist Mitglied der EU, treibt aber auch regen Handel mit Russland. Finnland ist (noch) kein Mitglied der NATO, es gehört keinem feindlichen Bündnis gegen Russland an, und diesem Land geht es sehr gut. Aber statt auch die Ukraine zu einem neutralen Land zu machen und daran zu arbeiten, ihren Lebensstandard zu heben und ihr zu helfen, eine moderne Demokratie zu entwickeln, haben wir die Ukrainer in Lebensgefahr gebracht. Und Stoltenberg wird sich so lange für die Ukraine einsetzen, bis auch der letzte wehrfähige Ukrainer von den russischen Streitkräften getötet wird.

RS: Sie sollten Stoltenbergs Position nennen. Er ist der Chef der…

TP: Er ist der Generalsekretär der NATO, also eigentlich ein Diplomat. Nochmals, ich möchte nicht so aussehen, als würde ich dem Westen die alleinige Schuld für die aktuelle Entwicklung geben. Mit dem Einmarsch in die Ukraine hat Putin einen unglaublicher Fehler begangen   – selbst wenn man nur in kalten, strategischen Begriffen denkt. Daran besteht kein Zweifel. Und ich möchte auf keinen Fall wie ein Verteidiger Putins aussehen. Aber wissen Sie, es ist wichtig, dass Sie sich auch ansehen, was wir getan haben. Wann immer ich einen Fehler mache, ist die erste Frage, die ich mir stelle: Hätte ich es auch anders machen können? Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die USA und die NATO aus ihren Fehlern gelernt haben. Sie haben im Gegenteil in großem Maße dazu beigetragen, eine Krise auszulösen, aus der nur extrem schwierig herauszukommen ist, und die zum Dritten Weltkrieg führen könnte. Das wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Und wenn die Menschen nicht anfangen, sich auch der Diplomatie zu bedienen, werden wir in den Dritten Weltkrieg stolpern, wenn nicht jetzt, dann bald irgendwo anders.

RS: Ich möchte darauf jetzt nicht weiter eingehen, denn ich habe Sie ja auf einem Waffenkontrollseminar kennengelernt. Ich glaube, das war sehr prestigeträchtig, und ich war dankbar, dass ich dazu eingeladen wurde. Es wurde zur beängstigendsten Erfahrung meines Lebens, obwohl ich vorher schon in einigen Kriegsgebieten und mehrmals als Journalist in Vietnam gewesen war. Ich war am Ende des Sechs-Tage-Krieges im Nahen Osten, und ich habe auch die Sowjetunion besucht. Ich hatte schon viele knifflige Situationen erlebt. In diesem Seminar habe ich mich aber genau so unbehaglich gefühlt, wie bei den Seminaren, die Ed Teller in Livermore oder in Los Alamos abhielt. Auch dabei ging es immer nur um den Atomkrieg. Deshalb habe ich ja das Buch „With Enough Shovels“ (Man braucht nur genug Schaufeln) geschrieben, weil auf den Seminaren so selbstverständlich über den Atomkrieg diskutiert wurde, als sei er unvermeidlich (und einfach zu überleben).

An diesem Seminar nahmen Spitzenleute teil, auch solche, die höhere Militärs berieten, und sie diskutierten ganz offen über den Dritten Weltkrieg. Dabei spielte es keine Rolle, ob er durch ein Versehen oder eine Fehlkalkulation ausgelöst werden würde. In den Medien gab es große Aufregung darüber. William Broad, der Mann, von dem auch der aktuelle Artikel in der New York Times stammt, hat über unsere damaligen Diskussionen und das Aufsehen geschrieben, das sie erregt haben. Das scheint jetzt alles nicht mehr wahr zu sein. Ich frage sie also nochmals, worüber reden wir hier eigentlich? Wir reden doch nicht über einen weiteren Irak oder ein weiteres Vietnam. Wir reden über Hiroshima und Nagasaki und was ihr Schicksal für Städte in den USA bedeutet.

TP: Wir reden von einer Feuerwand, die alles um uns herum mit der Temperatur des Sonnenmittelpunkts einschließt. Die Explosion von Nuklearwaffen würde uns buchstäblich in weniger als Asche verwandeln. Ich kann nicht genug betonen, wie mächtig diese Waffen sind. Wenn sie detonieren, sind sie vier- oder fünfmal heißer als das Zentrum der Sonne, das 20 Millionen Grad Kelvin hat. Im Zentrum einer Detonation dieser Waffen herrschen 100 Millionen Grad Kelvin.

Menschen können sich das Ausmaß dieser Hitze nicht vorstellen. Ich habe wiederholt Artikel über die Folgen der Explosion von Atomwaffen auf Städte geschrieben. Sie sind so schwerwiegend, dass sie die menschliche Vorstellungskraft sprengen.

Im Zentrum der Explosion wird die Erdoberfläche fünfmal so heiß, wie das Zentrum unserer Sonne. Im Explosionsgebiet wird buchstäblich alles in weniger als Asche verglühen. Mir fehlen einfach die Worte, um vor dem wirklichen Ausmaß der Gefahr zu warnen.

RS: Ich verstehe eigentlich nicht, warum man Menschen, die vor dieser großen Gefahr warnen, als Verteidiger Putins verunglimpft. Wir machen uns doch auch Sorgen über den Klimawandel und die Erderwärmung, fangen endlich an, etwas dagegen zu tun, und das erfordert doch die Zusammenarbeit der ganzen Welt. Die heraufziehende Gefahr eines Atomkrieges ist auf kurze Sicht sicherlich viel größer. Warum wird darüber nicht ernsthaft diskutiert?Das ist merkwürdig, denn auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges wurde heftig darüber diskutiert   – auch während der Kuba-Krise. Präsident Kennedy war die damalige Gefahr ziemlich klar. Auch McNamara hat darüber geschrieben und gesprochen. Tatsächlich hat McNamara, der während des Vietnamkriegs unser Verteidigungsminister war, die letzten Jahre seines Lebens damit verbracht, den Vietnamkrieg zu bereuen und über die reale Gefahr von Atomwaffen zu sprechen. Vielleicht ist das etwas, worüber man nachdenken sollte. Was hat unser Bewusstsein in dieser Frage so sehr eingeschläfert?

TP: Nun, ich denke, das ist eigentlich eine Frage für einen Soziologen.

RS: Sie haben zu viel Vertrauen in Soziologen. Tun Sie doch so, als ob Sie einer wären. [Gelächter]

TP: Ich habe nicht gesagt, dass ich Vertrauen in sie habe. Es gibt aber auch gute Leute unter ihnen. [Lacht] Ich habe mit einem sehr guten gearbeitet.

RS: C. Wright Mills war ein großartiger Mann. Er hat ja auch ein Buch mit dem Titel [The Causes of] World War Three geschrieben und uns davor gewarnt.

TP: Wissen Sie, Verantwortungsbewusstsein erfordert Bildung. Nebenbei bemerkt, ich kenne einige der Personen, die (auf dem Gebiet der Atomwaffen) für Obama gearbeitet haben und jetzt für Biden arbeiten. Ich weiß, dass man es für arrogant halten wird, wenn ich sage, dass sie einfach ignorant sind. Lassen Sie mich das ganz klar sagen: Das ist keine Verunglimpfung meinerseits. Sie sind wirklich ignorant. Eigentlich sind sie ein Haufen von   – Sie wissen schon. Sie wurden zwar an diesen Eliteschulen ausgebildet, wissen aber nichts. Sie denken nur, sie wüssten etwas, und …

RS: Sie waren doch auch in Stanford und haben den letzten Teil Ihres Lebens am MIT verbracht, das sicherlich eine Elite-Universität ist. Konnten Sie dort nicht die nötigen Kenntnisse vermitteln?

TP: Ich habe in Stanford, am MIT, in Princeton und in Harvard unterrichtet. Ich kenne also diese Leute und ihre Privilegien. Darunter gibt es sicherlich auch einige sehr intelligente und nachdenkliche Menschen. Aber ein Großteil dieser Typen ist einfach nur selbstverliebt und glaubt, schon alles zu wissen. Sie hören nicht zu und sind eigentlich nicht daran interessiert, etwas zu lernen. Wenn man versucht, ihnen Fakten zu präsentieren, laufen sie kichernd davon. Wissen Sie, es ist wie bei Law and Order im Fernsehen, wo privilegierte Kinder an den Colleges immer ungestraft davonkommen.

Dass Studenten noch keine Experten sind, ist überhaupt kein Problem. Das Problem ist, dass sie nicht daran interessiert sind, es zu werden. Ich erinnere mich besonders an eine Figur, einen Typ namens Colin Kahl, der jetzt stellvertretender Sekretär für Politik im Pentagon ist. Der hat nicht die geringste Ahnung, obwohl er in Stanford studiert hat. Trotzdem haben sie ihn zum Co-Direktor des dortigen Zentrums gemacht. Er war unglaublich snobistisch. Als ich einmal versucht habe, etwas mit ihm zu besprechen drehte er sich weg und sagte: „Ich habe einen Job, ich habe einen richtigen Job, ich habe keine Zeit mehr für so etwas.“ Und dieser Mann ist jetzt auf höchster Ebene im Verteidigungsministerium tätig und möglicherweise Bidens Berater.

Der Typ ist also zu einer echten Gefahr geworden. Auch in der Obama-Regierung gab es schon derart gefährliche Leute. Im Atlantic Monthly ist ein interessanter Artikel von einem Mann namens Ben Rhodes erschienen. Rhodes war der nationale Sicherheitsberater für Kommunikation im Weißen Haus. Er hat der US-Regierung einen angeblich nachrichtendienstlich abgesicherten Bericht über einen Anschlag mit einem Nervenkampfstoff in Damaskus im August 2013 vorgelegt ( s. unter https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2013/06/13/statement-deputy-national-security-advisor-strategic-communications-ben- ), der auch veröffentlicht wurde, obwohl er nur auf Fälschungen beruhte.

Dieser Atlantic Monthly-Artikell ist auch heute noch sehr interessant; ich möchte Ihren Lesern dringend empfehlen, ihn zu lesen (s. https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/06/inside-the-white-house-during-the-syrian-red-line-crisis/561887/ ). Damit wollte Ben Rhodes zeigen, wie schlau er ist. Er enthüllt darin, dass es sein Hauptziel war, den Präsidenten Obama in einen Krieg mit Syrien zu treiben, bevor die öffentliche Empörung über den angeblichen Giftgasanschlag abebbte. Das wäre zu einer weiteren Katastrophe für die USA geworden..

Und in diesem Artikel prahlt er auch noch damit. Das ist ein echtes Fenster, das Ihre Leser nutzen sollten, um einen Blick auf die Denkweise einer Person zu werfen, die im Grunde nur durch Privilegien und Zufall zum nationalen Sicherheitsberater wurde, ohne wirklich zu wissen, was im Geheimdienstsystem vor sich geht.

Wir befinden uns also in einer gefährlichen Situation. Es gibt einen ganzen Haufen verantwortungsloser „Punks“ in der Politik, und das beunruhigt mich sehr. Ich meine die 30-jährigen Punks, die aus privilegierten Verhältnissen kommen und behaupten, Experten in Sachen Politik zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit noch nicht einmal über das dafür erforderlich Grundwissen verfügen. Und sie sind Berater von Präsidenten. Das ist kein gutes professionelles System, dagegen müssen wir etwas tun.

RS: Oh Mann, aber lassen Sie uns noch über Anderes reden. Als ich Sie kennenlernte, traf ich im Pentagon den Kollegen, T.K. Jones (s. https://www.nytimes.com/2015/05/24/us/thomas-k-jones-us-arms-negotiator-dies-at-82.html ), der zu denen gehörte, die davon überzeugt waren, dass man einen Atomkrieg führen und überleben könnte. Der Titel meines Buches lautete „With Enough Shovels“, was besagt, man braucht nur genug Schaufeln, um eine tiefes Loch in die Erde graben zu können, muss es mit ausgehängten Türen belegen, die mit etwas Erde bedecken und schon kann man einen Atomkrieg überleben. Und diese (naive) Ansicht war wesentlicher Bestandteil unserer nuklearen Verteidigung und unserer gesamten Star Wars-Strategie. Nun befürchte ich, und damit greife ich Ihren Punkt auf, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir uns von dieser Ansicht verabschieden müssen, wenn wir überleben wollen. Ich stimme mit Ihnen in der Verurteilung von Putins Invasion überein, aber trotzdem können wir die Folgen eines Atomkrieges nicht einfach beiseite schieben, als gäbe es sie nicht   – auch wenn Madeline Albright und sogar Hillary Clinton gefragt haben, warum wir diese Waffen überhaupt bauen, wenn sie nie benutzen.

Und jetzt reden wir nicht einmal mehr über die Bedrohung, die von Atomwaffen ausgeht. Vielleicht sollten wir doch mehr über Diplomatie oder über Alternativen nachdenken. Ich überlasse Ihnen also das letzte Wort, und dann beenden wir die Diskussion.

TP: Nun, ich weiß nicht, was sich die beiden Frauen dabei gedacht haben, als sie die von Ihnen zitierten Aussagen machten.

RS: Ich bin mir nicht mehr sicher, wer von ihnen was gesagt hat.

TP: Das spielt auch kein Rolle. Ich kann Ihnen nur sagen, der Grund, warum diese Waffen nicht eingesetzt werden können, ist der, dass wir alle sterben werden, wenn wir sie einsetzen. So einfach ist das. Und ich könnte auch noch viel ausführlicher erklären, warum das, was ich gerade gesagt habe, richtig ist. Wenn sie also wieder die Frage stellen, warum wir diese Waffen nicht einsetzen können, ist die einfache Antwort: Wenn wir es tun, sind wir alle tot.

RS: Als Herausgeber dieser Diskussion möchte ich Sie bitten, sich noch ein oder zwei Minuten Zeit zu nehmen, um uns zu sagen, warum das so wäre, denn die Leute haben es offensichtlich vergessen.

TP: Nun, wenn wieder eine Atomwaffe eingesetzt würde, wird zunächst niemand wissen, was eigentlich passiert ist und was als nächstes kommt. Denken Sie an die Situation nach dem Anschlag auf das World Trade Center, als wir nicht mit einer Atomwaffe angegriffen wurden. Unsere Kommunikations- und Sensorsysteme waren alle in Ordnung und funktionierten einwandfrei. Aber als die zwei Flugzeuge in das World Trade Center einschlugen, hatten wir keine Ahnung, was vor sich ging. Der Präsident wurde nach Alabama in Sicherheit gebracht und anschließend zu verschiedenen Orte weit weg von Washington geflogen, weil wir nicht wussten, ob in Washington eine Atomwaffe explodieren würde. Condi Rice und Dick Cheney versteckten sich im Keller des Pentagons, während sie meiner Meinung nach in ihrer Führungsrolle zu unserem Land hätten sprechen und versuchen müssen, die Menschen zu beruhigen. Stattdessen versteckten sie sich im Keller. Gott sei Dank hat Joe Biden, der damals Vorsitzender des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen war, eine Führungsrolle übernommen. Er stand auf den Stufen des Kapitols – und riskierte sein Leben, ohne es zu wissen, denn auch das Kapitol war eines der Anschlagsziele. Er versuchte, den Menschen zu versichern, dass die USA noch funktionierten, und dass die Regierung arbeitet und sich um die Verteidigung kümmern wird.

Dies geschah, ohne dass unsre Land wirklich beeinträchtigt wurde. Die Schäden an den Einschlagsorten waren zwar entsetzlich, aber alles andere war in Ordnung und funktionierte. Alle Kommunikations- und Ortungssysteme waren zwar intakt, wir hatten aber keine Ahnung, was vor sich ging. Wenn eine Atomwaffe auf dem Gefechtsfeld gezündet wird, weiß zunächst niemand, was das bedeutet. War es eine einzelne Waffe? Werden ihr in wenigen Minuten oder Stunden weitere Atomexplosionen folgen? Wird der Gegner, den Sie gerade angegriffen haben, sofort oder erst in einigen Tagen mit einer oder mehreren Waffen nachziehen? Wird er versuchen, ihre Atomwaffenstandorte anzugreifen (und ihre wichtigen Kommandozentralen in Bündnisstaaten wie zum Beispiel die US Air Base Ramstein, weitere Infos dazu s. unter https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP14415_060815.pdf )?

Keiner weiß, was der andere tun wird. Es ist wie ein Schachspiel auf einem Brett, bei dem man immer nur die Figur sehen kann, die gerade bewegt wird. Sie und ihr Gegner könnten auch schon die Kontrolle über die eigenen Figuren und die gegnerischen Züge verloren haben. Es herrscht ein totalen Chaos, und ehe man sich versieht, explodieren nicht nur ein paar Dutzend oder Hunderte, sondern Tausende von Atomwaffen. Das ist einfach unvermeidlich. Es ist wie bei der Finanzkatastrophe von 2008/09 (in den tatsächlichen Auswirkungen aber unvorstellbar desaströser). Bei den bestehenden Instabilitäten wird die Katastrophe nicht aufzuhalten sein. Deshalb sollten alle wirklich davor zurückschrecken, Atomwaffen auch nur auf niedrigstem Niveau einsetzen zu wollen.

RS: Sie haben ja darauf hingewiesen, dass nicht nur die USA, sondern auch Russland und andere Mächte ihre Atomwaffen modernisiert haben. Weil das russische Frühwarnsystem nicht so effektiv wie das der USA ist, hat Russland seine atomare Reaktion automatisiert. (Einmal in Gang gesetzt, kann sie also nicht mehr aufgehalten werden.) Ich erinnere mich an Interviews mit Leuten aus unseren eigenen Waffenlaboren, aus dem Pentagon und im Moskau der alten Sowjetunion. Sie und ich haben tatsächlich an Rüstungskontrollkonferenzen mit Leuten aus der alten sowjetischen Führung und der US-Regierung teilgenommen. Es steht also außer Frage, dass es kein Zurück mehr gibt, wenn eine Atomwaffe egal welcher Tonnage explodiert. Das scheinen wir aber aus den Augen verloren zu haben. Nach der Explosion eines Reaktors in Tschernobyl herrschte blankes Entsetzen. und das war angeblich eine sichere Anlage. Wenn jetzt, in einer angespannten weltweiten Situation, eine einzige Atomwaffe explodiert, gibt es kein Zurück mehr. Das wäre das Ende der Menschheit. Wissen die Politiker nicht, dass sie mit ihrem leichtfertigen Gerede über den Einsatz von Atomwaffen das Ende der Menschheit riskieren?

TP: Dabei ist es doch ganz einfach. Wer den Einsatz kleiner Atomwaffen propagiert, will uns einreden, ein kleiner Funke in einem mit Benzindämpfen gefüllten Raum wäre kein Problem. Das ist keine schlechte Analogie. Es ist zwar eher ein physikalisches als ein soziales Phänomen, aber im Grunde ist es die gleiche Situation. Man kann keinen kleinen Funken in einem Raum auslösen, der mit Benzindämpfen gefüllt ist. Das würde kein gutes Ende nehmen.

RS: Es ist aber gut, dass wir bis zu diesem Punkt diskutiert haben. . Ich danke Ihnen, dass Sie mir und unseren Zuhörern diese Zeit geschenkt haben. Ich hoffe zwar immer noch, dass die von uns geäußerten Befürchtungen nicht eintreten werden. Ich fürchte aber , das unsere Situation, seit wir uns in den 1980er Jahren zum ersten Mal trafen, noch bedrohlicher und beängstigender geworden ist. Und ich glaube auch, dass wir uns in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen.

Quelle: ( https://scheerpost.com/2022/03/25/ted-postol-what-you-really-need-to-know-about-the-threat-of-nuclear-war/ )

Mit freundlicher Genehmigung von Fee Strieffler und Wolfgang Jung

*: Thomas Röper berichtet https://www.anti-spiegel.ru/2022/was-nicht-ins-bild-passt-wird-geloescht-soziale-medien-zensieren-informationen-ueber-butscha/?doing_wp_cron=1651191998.3833250999450683593750
dass bei Twitter Informationen, die die staatliche Lügenkampagne betreffend Butscha richtigstellen, zensiert werden.  Das wird sich wohl auch nicht nach dessen Übernahme durch Elon Musk ändern. Siehe hier:Twitter_Zensur_Butcha

**: Zu Butscha und Kramatorsk siehe hier:
https://josopon.wordpress.com/2022/04/12/wie-man-ein-massaker-inszeniert-und-das-narrativ-des-massakers-unter-kontrolle-behalt-und-welcher-fotogra-f-sich-dafur-gut-eignet/

***: genau um diesen Fall ging es schon in dem Stanley-Kubrick-Film: Dr.Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben. (Dr.Strangelove or how I learned to love the bomb)

****: Siehe dazu https://josopon.wordpress.com/2021/08/23/die-vereinigten-staaten-proben-den-nachsten-weltkrieg-large-scale-exercise-lse/

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Verhandeln statt Schießen! Aufruf des Netzwerks Friedenskooperative

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.friedenskooperative.de/statement-ukrainekrise-verhandeln-statt-schiessen

Gemeinsame Sicherheit in Europa kann es nur mit Russland geben – Militärische Eskalation im Ukrainekonflikt muss gebannt werden

Es droht eine militärische Eskalation des Ukrainekonflikts. Selbst eine größere Konfrontation zwischen NATO und Russland ist nicht auszuschließen, angesichts der fortlaufenden Provokationen durch Manöver und des stetigen Aufbaus von Drohkulissen durch Truppenverlegungen beider Seiten.
Weder NATO noch Russland zeigen sich aktuell zu substantiellen Schritten des Entgegenkommens bereit, um die gefährliche Lage zu entspannen.

Jedes Menschenleben, welches der Krieg in der Ukraine in den vergangenen Jahren gekostet hat, war eines zu viel. Doch jetzt droht eine neue Eskalationsstufe, die zu einem größeren Krieg in Europa führen kann.

Das Netzwerk Friedenskooperative mahnt zur Deeskalation und fordert alle involvierten Parteien auf, miteinander zu sprechen, um die Spannungen zu beenden und die Grundlagen für eine gemeinsame europäische Sicherheitsstruktur zu schaffen.

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • Eine friedliche und diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts mit allen Mitteln der zivilen Konfliktbearbeitung zu fördern.
  • Sich für die Fortsetzung und Stärkung von Diplomatie und Gesprächsformaten mit Russland und der Ukraine einzusetzen, wie etwa das Abkommen Minsk II und das Normandie-Format, damit der Ukrainekonflikt bearbeitet und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann.
  • Den Export von Rüstungsgütern in Krisenregionen zu unterlassen. Dies würde nicht zur Konfliktlösung beitragen, sondern Öl ins Feuer gießen.
    Dies gilt gerade im Sinne der im Koalitionsvertrag vereinbarten feministischen Außenpolitik, die Abrüstung und Demilitarisierung der Gesellschaft zum Ziel hat.
  • Einen Neustart der Beziehungen mit Russland auf europäischer Ebene einzuleiten, damit eine gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa unter Einbeziehung der Sicherheitsinteressen aller beteiligten Staaten errichtet werden kann.

Europa braucht einen Neustart der Beziehungen zu Russland – Konkrete Schritte für Verhandlungen sind nötig

Für eine neue gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa braucht es erste Schritte und Verhandlungsangebote. Dies könnte beispielsweise von Seiten der NATO die Bereitschaft sein, die US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa abzuziehen.
Beidseitig sollte ein Verzicht auf die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraten in Europa verhandelt werden.
Auch ein Teilabzug der NATO-Truppen aus Osteuropa und das Einstellen militärischer Großmanöver in der Region (u.a. Defender) wären weitere wichtige Verhandlungsangebote hin zu Deeskalation und Diplomatie.

atomwaffen illegal

atomwaffen illegal

Ebenso muss das Ende der Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt, die NATO-Osterweiterung kritisch hinterfragt und im Sinne der Entspannung gestoppt werden. Denn insbesondere die Ostererweiterung trug und trägt zu den schlechten Beziehungen bei und erschwert eine Lösung.
Die russische Seite könnte beispielsweise als Gegenangebot die Truppen an der ukrainischen Grenze und aus Belarus abziehen und ebenfalls ihre Militärmanöver beenden. Außerdem sollte Russland ernsthaft den Friedensprozess für die Ukraine stärken, indem es zum Beispiel auf Einhaltung des Waffenstillstandes und auf freie Wahlen hinwirkt. Zu zentralen Grundpfeilern des friedlichen Miteinanders in Europa, wie die Unverletzbarkeit von Grenzen, muss zurückgekehrt werden.

Alle Konfliktparteien sollten einem Sicherheitsbereich beiderseits der ukrainisch-russischen Grenze zustimmen, in dem keine Manöver stattfinden und alle Truppenbewegungen nur unter strengen Auflagen und transparent durchgeführt werden.

Diese Forderungen und Vorschläge sind Lösungsansätze zur Deeskalation eines zunehmend komplexer werdenden Konfliktes, der das Potential hat, sich zu einem weitreichenden Krieg auszuweiten, der nur Verlierer*innen kennen würde. Verhandeln statt schießen muss oberstes Gebot bleiben!

Gemeinsame Sicherheit mit Russland Schlüssel für Frieden und Abrüstung in Europa

Der Schlüssel für umfangreiche Abrüstungsbemühungen liegt in einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, die Russland miteinschließt. Wird Russland nicht mehr als Gefahr für die Sicherheit in Europa angesehen und umgekehrt, fällt die Aufrüstungslogik in sich zusammen.

Den vorgetragenen Begründungen für Aufrüstungsprojekte wie der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO, neuen Trägersystemen für die Atombomben in Büchel oder dem milliardenschweren Rüstungsprojekt FCAS würde so die Grundlage entzogen werden.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels ist es dringend notwendig, mit Russland zukünftig in Frieden zu Leben. Die Unterhaltung des militärischen Apparates, stetige Aufrüstung oder gar ein Konflikt, sind absolut schädlich für das Klima. Um die Bemühungen für eine klimafreundliche Transformation der Weltwirtschaft voranzubringen, ist es unabdingbar, dass die Spannungen zwischen den Großmächten bearbeitet und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen gestärkt wird.

Friedensbewegung ist gefordert

Die Friedensbewegung muss Zeichen für Völkerverständigung in die Öffentlichkeit tragen und die Gefahr eines Krieges ins Bewusstsein der Menschen und vor allem der Politik holen. Sie muss klar sagen und zeigen, dass eine weitere Eskalation nicht hinnehmbar ist. In Richtung der Bundesregierung braucht es klare Ansagen, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland kein Interesse an einer Konfrontation mit Russland und einem Krieg in Europa hat, sondern in Frieden leben möchte. Die Kontakte zwischen den Bevölkerungen in Russland und Deutschland sowie den anderen osteuropäischen Ländern müssen ausgebaut, damit Feindbilder abgebaut werden können.

Wichtig für die Friedensbewegung werden die Ostermärsche vom 14.-18. April 2022 sein, bei denen eine neue Friedenspolitik mit Russland zentrales Thema sein wird. Weitere bereits feststehende Termine für mögliche Protestaktionen und Diskussionen sind die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und die Münchner Friedenskonferenz am 18./19. Februar sowie die Konferenz der Kooperation für den Frieden am 18. und 19. Februar. Darüber hinaus ermutigt das Netzwerk Friedenskooperative Friedensgruppen zu dezentralen Aktionen!

Übersicht mit Stellungnahmen und Aktivitäten aus der Friedensbewegung (wird fortlaufend aktualisiert):

  • IPPNW-Pressemitteilung vom 14. Januar 2022: Friedensnobelpreisträgerorganisation fordert beidseitiges Entgegenkommen, hier lesen.
  • Erklärung des pax christi-Bundesvorstandes vom 27. Januar 2022, Dialog statt militärische Eskalation, hier lesen.
  • Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ vom 27. Januar 2022, Keine Waffenlieferungen in die Ukraine!, hier lesen.
  • „Appell zur De-Eskalation des Konflikts in der Ukraine “ von WILPF Germany vom 27. Januar 2022, hier lesen.
  • Internationaler Versöhnungsbund, „Ukraine-Konflikt: Eskalation durch Drohnen stoppen! – Briefaktion zum Mitmachen!“ vom 01. Februar 2022, hier lesen.
  • Erklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom 03. Februar 2022, „Ukraine-Konflikt deeskalieren – gemeinsame Sicherheit mit Russland suchen!, hier lesen.
  • Erklärung des Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zum Ukraine-Konflikt vom 1.02.2022 „Die Eskalation im Ukraine-Konflikt muss beendet werden“, hier lesen
  • Pressemitteilung des Forums Ziviler Friedensdienst (ForumZFD), „Ukraine-Krise: Den Krieg abwenden, den Frieden vorbereiten“, hier lesen
  • Kommrntar von Martina Fuscher (Brot für die Welt) „Warum es in der Ukraine-Krise Kooperation braucht“ vom 7.2., hier lesen

Hier dazu noch ein 1 Jahr alter Kommentar von Albrecht Müller auf den NDS, der sich mit der Vasallenrolle und der Unterwürfigkeit deutscher Politiker auseinandersetzt:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=68340
Auszüge:

Vasall der USA

Viele Deutsche (West) sehen in den USA eine Nation und in den dortigen Menschen ein Volk, das uns sehr geholfen hat: mitgeholfen bei der Befreiung von den Nazis, geholfen bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Viele Deutsche sehen in den USA jene, die uns vor den Sowjets und den Kommunisten geschützt haben. Auch wenn man das anders sehen kann, generell kann man wohl sagen, dass in den 1950er- und 60er-Jahren so etwas wie ein abschreckendes Gleichgewicht der Kräfte bestand.
Damals wurden wir von den USA geschützt – so sah es zumindest aus –, heute werden wir benutzt.

Nato und RußlandDie Vereinigten Staaten von Amerika verfolgen vornehmlich ihre eigenen Interessen und diese Position hat einen ziemlich imperialen und auf eigene Interessen bedachten Charakter. Das ist nicht erst mit der Präsidentschaft Donald Trumps so gekommen. Es war vorher schon nicht viel anders. Mit Trump ist diese Haltung nur etwas deutlicher geworden, weil er auch die entsprechenden Formulierungen lieferte.
»America first« sollte eigentlich jedem deutlich machen, was hier gespielt wird. Da ist von Partnerschaft nicht die Rede. Es wird offen bekannt, dass die Interessen der USA Vorrang haben. Aber wie gesagt, das ist nicht neu. Das galt auch schon für Barack Obama, für Hillary Clinton, für Bill Clinton und die Bushs sowieso.

Versetzen Sie sich in die Lage des US-amerikanischen Präsidenten, zum leichteren Verständnis einfach in die des Präsidenten Trump.
Dann wird Ihnen vieles von dem, was im Folgenden zu lesen ist, sehr viel leichter einleuchten als ohne Nutzung dieser Verständnishilfe.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der US-Präsident oder Vordenker beim zuständigen Geheimdienst. Was würden Sie dann tun?

Sie würden überlegen, wie Sie den Wohlstand der US-Nation und vor allem der führenden Kräfte auch in Zukunft erhalten können. Deshalb würden Sie zum Beispiel darüber nachdenken, wie man sich die Ressourcen in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Eurasien oder im Mittleren Osten, zu eigen machen kann. Und Sie würden überlegen, wie man potenzielle Konkurrenten, insbesondere die großen Konkurrenten China und Russland, in Schach halten und kleinere Störfaktoren wie den Iran ausschalten kann.
Sanktionen sind eines der Instrumente, mit denen die USA ihre Gegner oder vermeintlichen Gegner zu beeinflussen und ihnen zu schaden versuchen. Sanktionen wirken dann erst richtig, wenn sie nicht von den USA alleine ausgesprochen und vollzogen werden. Die USA haben deshalb immer auch wieder versucht und erfolgreich versucht, andere Völker und Nationen in diese Sanktionspolitik zu integrieren.

Wenn Sie Präsident der USA wären, dann würden Sie selbstverständlich überlegen, wie Sie den Einfluss der USA auf wichtige Akteure in befreundeten Nationen sichern können, in Deutschland zum Beispiel und in Europa. Da würden Sie auf die naheliegende Idee kommen, dass der Einfluss über Parteien läuft, über Medien und über einzelne Gruppen sowie NGOs. Gegebenenfalls würden Sie eigens NGOs gründen oder dieses veranlassen.
Und Sie würden mithelfen, dass Ihre Freunde in angesehenen Organisationen, wie zum Beispiel der Heinrich-Böll-Stiftung oder im German Marshall Fund, das Sagen bekommen und behalten.

Sie würden dafür sorgen, dass diese Gewährsleute – die man auch Einflussagenten nennen könnte – in schwierigen Situationen ihre Stimme zugunsten der US-Politik erheben. Hier ist ein Musterbeispiel dafür. Das Beispiel betrifft die Debatte nach der Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani im Irak. Der Bundestagsabgeordnete Michael Roth twitterte:

»Bei aller berechtigten Kritik an Präsident #Trump: Die von einigen bemühte Gleichsetzung von #USA und #Iran als globales Sicherheitsrisiko ist bescheuert & unanständig. Die USA sind eine liberale Demokratie. Im Iran werden Schwule & Dissidenten an Baukränen erhängt. #Soleimani«41

Dass gerade der Abgeordnete Michael Roth (SPD) jetzt schon seit 2013 Staatsminister im Auswärtigen Amt ist und schon zwei Außenminister überdauert hat, kann ich mir nur so erklären, dass mächtige Kräfte ihre Hand über ihn halten. Und er sich dann mit solchen Äußerungen und mit vielem anderen revanchiert.
Die Behauptung, die USA seien eine »liberale Demokratie«, kann nur von jemandem kommen, der als Propagandist engagiert ist und deshalb übersehen muss, dass in den USA nur Milliardäre oder ihre Gewährsleute Präsidenten werden können – alle Macht geht vom Gelde aus und nicht vom Volk.
Und er muss auch übersehen, dass radikale, rechts-religiöse Ideologen über weite Strecken das Sagen haben und Schwule, Dissidenten und übrigens auch Schwarze dort auf andere Weise fertiggemacht werden.

Der Einfluss auf die Personalpolitik in anderen Ländern und Kontinenten

Wenn Sie US-Präsident, CIA-Chef oder ein einflussreicher Berater wären, dann würden Sie selbstverständlich versuchen, die Personalpolitik anderer Völker und Völkergemeinschaften zu beeinflussen, bei befreundeten Nationen und bei fremden. Fangen wir mit Letzterem an:

Es ist ja kein Geheimnis, dass die USA die Präsidentschaft Boris Jelzins nutzten, um die Politik Russlands der 1990er-Jahre auch im Inneren zu bestimmen.
Die USA haben massenweise Berater geschickt und Jelzin sogar geholfen, eine für ihn gefährdete Wiederwahl zu gewinnen.Schock-Strategie_Naomi_Klein In Naomi Kleins Schock-Strategie wird das ziemlich detailliert beschrieben. Und weil heute mit Präsident Putin der Einfluss auf die Politik Russlands geschwunden ist, wird gegen diesen Stimmung gemacht – von den USA und im Verein damit von allen von den USA beeinflussten Politikern anderer Länder und der dort tätigen Medien, Sachverständigen, Beobachtern, sogenannten Experten.
Diese Stimmungsmache ist so wirksam, dass heute in der allgemeinen Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, Russlands Wohlbefinden habe sich mit dem Wechsel von Jelzin zu Putin verschlechtert. Das ist schlicht die Unwahrheit.

Bei befreundeten Nationen funktioniert sowohl der personalpolitische Einfluss als auch der Einfluss auf Sachentscheidungen über ein Heer von Beratern:

stern

stern

Von der Leyen hat sich als Bundesverteidigungsministerin bei der Frage der Erhöhung der Militärausgaben so verhalten, wie der US-Präsident es gefordert hat: Militärausgaben erhöhen, Aufrüstung statt Abrüstung. Und obwohl diese Ministerin wegen ihrer hohen Ausgaben für Beratungsfirmen und verschiedenen Personalentscheidungen in Schwierigkeiten geraten und alles andere als ein Vorbild war, wurde sie Präsidentin der EU-Kommission.
Das ist eine Schlüsselfunktion und sie ist wichtig für die USA. *)

Die Personalentscheidung für von der Leyen ist lautlos über die Bühne gegangen. Kein vernünftiger Mensch kann erklären, wieso gerade sie dieses wichtige Amt bekommen hat.
Eine richtungsweisende Teilerklärung: Sie hatte die Unterstützung wichtiger Länder aus Osteuropa. Auf diese Staaten haben die USA einen großen Einfluss.

Von der Leyen hat beim ersten großen kritischen Fall sofort und eindeutig die Position der USA vertreten: Schuld an der Konfrontation im Nahen Osten und an der Hinrichtung des iranischen Generals sei der Iran selbst.
Mit ihr können die USA vermutlich auch bei anderen Gelegenheiten Pflöcke einschlagen und die innere Gestaltung der Europäischen Union maßgeblich mitgestalten. Ursula von der Leyen ist das Musterbeispiel einer »Einflussagentin«.

Warum Heiko Maas bei uns Außenminister geworden ist, erschließt sich den meisten Menschen und Beobachtern nicht. Solche Zweifel galten vorher schon für Sigmar Gabriel und den früheren Außenminister und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Bei Gabriel hat sich hinterher flugs gezeigt, in wessen Diensten er steht. Er wurde zum Vorsitzenden der Atlantikbrücke gewählt – als Nachfolger von Merz.

Letzterer gehört zum Kreis der bewährten US-Einflusspersonen. Bei ihm ist die Verflechtung auch institutionell gesichert. Er stand bis zu seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Diensten des großen US-Finanzkapitals, konkret: BlackRock.

Wie sehr die USA und die mit ihnen unmittelbar verbundenen Institutionen wie die NATO in den deutschen Medien verankert sind, wird verdrängt.
Umso wichtiger ist, dass die Anstalt des ZDF am 29. April 2014 detailliert dargestellt hat, welche Personen in deutschen Medien im Dienste atlantischer Interessen stehen. Wichtige deutsche Journalisten und Journalistinnen sind eng mit Institutionen wie der Atlantikbrücke verbunden und geben dieser Verbundenheit mit US-amerikanischen und NATO-Interessen in ihren Berichten und Kommentaren regelmäßig Raum. Das Feindbild Russland wieder neu aufzubauen, wäre ohne diese mediale Unterstützung nicht möglich gewesen.

Der Einfluss der USA auf politische Entscheidungen in anderen Ländern läuft heute schon und künftig wahrscheinlich noch sehr viel mehr über die wirtschaftlichen Verflechtungen, konkret über die Beteiligung großer angelsächsischer Kapitalsammelstellen wie BlackRock und Blackstone an allen wichtigen Unternehmen in Europa und in der Welt. Darüber wurde ausführlich in II. 3 und II. 4 berichtet.

Es gibt noch ein paar besondere Methoden der Einflussnahme. Eine ist schon erwähnt worden: der Aufbau von NGOs, die US-amerikanische Interessen in fremden Ländern vertreten. In der Ukraine haben die USA fünf Milliarden Dollar investiert, um die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszulösen. Auch die Proteste auf dem Maidan im Winter und Frühjahr 2013/2014 sind mithilfe solcher NGOs befeuert worden. Im konkreten Fall gab es auch eine enge finanzielle Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Milliardär Soros.

In den USA sind zum Zwecke der Beeinflussung anderer Völker eine Reihe von Institutionen aufgebaut worden. Eine von besonderer Bedeutung ist die National Endowment for Democracy (NED). Sie wurde 1983 gegründet und soll die liberalen Demokratien in der Welt fördern. Diese Einrichtung war in der Ukraine sehr engagiert. – Man kann ja diese Formen der Einflussnahme für unproblematisch halten. Ja, manche halten diese Mechanismen der Beeinflussung anderer Völker sogar für ehrenwert. Mit zwei anderen Methoden dürften aber selbst dicke Freunde der USA Probleme haben:

Wenn Sie sich in die Rolle des US-amerikanischen Präsidenten versetzen, dann ist Ihnen die hier beschriebene Praxis der weltweiten Machenschaften des US-Finanzministeriums ein Begriff. Sie sind der steuernde Hintermann, Sie nutzen »die Superwaffe des Mr. Glaser. [Nämlich] Sanktionen gegen Russland und den Iran« mit nachhaltigem Erfolg. Sie bringen mithilfe der Sanktionen Völker reihenweise in ökonomische Schwierigkeiten. Sie sorgen auf diese Weise auch dafür, dass Tausende unschuldiger Menschen verhungern oder auf andere Weise sterben.

Leserinnen und Leser, die befürchten, hier würden Verschwörungstheorien ausgebreitet, sollten den Zeit-Artikel über die »Superwaffe des Mr. Glaser« lesen.
Er stammt von 2014 und beschreibt die Instrumente des US-Präsidenten zur Beeinflussung der Finanzmärkte in anderen Regionen und Ländern.

John Perkins berichtet in seinem 2004 erschienenen Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man, wie das aus anderem Anlass und in einem anderen Milieu in der Praxis funktioniert hat. Der Autor schildert, dass er als Angestellter einer Unternehmensberatung im Auftrag der United States Agency for International Development (USAID), der Weltbank und weiterer Institutionen mit Erfolg versucht hat, Repräsentanten anderer, meist kleinerer Staaten dazu zu veranlassen, ihr Land zu verschulden und damit so in Abhängigkeit zu bringen, dass sie sich bei Abstimmungen der UNO und anderen Gelegenheiten dem Willen der USA beugen. Todesopfer waren bei diesen Operationen nicht ausgeschlossen. Auch er schildert die Auslagerung der eigentlichen Drecksarbeit an Dritte.

Dies alles hat mit den hehren Vorstellungen von Freundschaft und Ebenbürtigkeit zwischen USA, uns und anderen Völkern wenig zu tun. Und es ist schlimmer geworden. Wir waren schon einmal autonomer und mutiger, uns dem Einflussbereich der USA zu entziehen.

Dafür will ich nur zwei Beispiele nennen. Sie stammen aus der eigenen Erfahrungswelt:

Erstes Beispiel: Es ist ja allgemein bekannt, dass Brandt nach dem Zweiten Weltkrieg bei seiner politischen Arbeit in Berlin mit den West-Alliierten und insbesondere mit den USA eng zusammengearbeitet hat und von diesen wohl auch gestützt worden ist. Er hat auch den Beginn der Ostpolitik im Dezember 1966 als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland eng mit den westlichen Alliierten und der NATO abgestimmt.
Anders wäre das damals gar nicht möglich gewesen. Als sein Mitarbeiter habe ich ihn dann allerdings während der ganzen Zeit meiner Mitarbeit als autonom und US-kritisch erlebt. Dass die Verantwortlichen in den USA das ähnlich empfunden haben, wird schlagartig an dem bekanntgewordenen Dialog zwischen Präsident Nixon und Sicherheitsberater Kissinger sichtbar. Davon berichtete der Spiegel. Ich zitiere das ganze veröffentlichte Stück, weil daran der Geist dieser Freundschaft wie auch der weitere Niedergang sichtbar wird:

»Todeswünsche für Willy Brandt

kissinger2018

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NixonUS-Präsident Richard Nixon und sein Sicherheitsberater Henry Kissinger haben Kanzler Willy Brandt bekanntlich nie getraut. Neu ist allerdings, dass sie ihm den Tod an den Hals wünschten.
Das zeigt eine Tonbandaufnahme, die nun das US-Außenministerium veröffentlicht hat. Es geht um ein Gespräch am 3. Februar 1973. Brandt litt an einer Stimmbandentzündung und hatte eine Geschwulst entfernen lassen.

Nixon: Wie sieht es mit Brandts Kehle aus?
Kissinger: Leider ist sie (die Geschwulst – Red.) nicht bösartig. Es ist schrecklich, so etwas zu sagen …
Nixon: Ich weiß, was Sie meinen …
Kissinger: Ich meine …
Nixon: Sie meinen, dass er unglücklicherweise bei sehr guter Gesundheit ist.
Kissinger: Leider wird er uns erhalten bleiben, yeah.
Nixon: Er ist ein Trottel.
Kissinger: Er ist ein Trottel …
Nixon: Er ist ein Trottel …
Kissinger: … und er ist gefährlich.
Nixon: Tja, leider ist er gefährlich

Keine Sorge: Die heute amtierenden Politikerinnen und Politiker in Europa wurden und würden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von solchen Todeswünschen verschont. Man ist sich ihrer Zuneigung und Zuarbeit offensichtlich sicher.

Zweites Beispiel: Am 7. Januar 2020 gab es im rheinland-pfälzischen Landtag eine Feierstunde »100 Jahre amerikanische Präsenz an Rhein und Mosel«. Anwesend war der Kommandeur der US-Armee im Europa-Hauptquartier (Wiesbaden), General Christopher Cavoli.
Die pfälzische Zeitung Pfalz Express berichtete: »Landtagspräsident Hendrik Hering und Innenminister Roger Lewentz (SPD) dankten den US-Amerikanern für ihren Beitrag zur Demokratiebildung in Deutschland und für 75 Jahre Frieden.«
Ein kurzer Blick zurück zeigt, wie anders das Verhältnis einmal war. Im Landtagswahlkampf 1990/91 hat der damalige Spitzenkandidat der SPD, Rudolf Scharping, gefordert, Rheinland-Pfalz dürfe nicht weiter der »Flugzeugträger der USA in Europa« sein.

Jetzt wird die Präsenz der Alliierten gefeiert. Wir waren schon mal viel weiter. Heute sieht es jedenfalls nicht so aus, dass wir uns jemals aus den Fängen der USA und der NATO befreien können.

Die USA sind ein interessantes Land. Die US-Amerikaner sind oft kreativ und menschenfreundlich. Ich habe als junger Mensch in Heidelberg, meiner Heimatstadt, eine Reihe von produktiven kulturellen Erfahrungen mit US-Bürgern gemacht. Im Jazzclub Cave 54, mit dem Amerika-Haus und bei vielen weiteren Gelegenheiten.

Es gibt keinen Grund, ein schlechtes Verhältnis zu US-Amerikanern zu haben.

Aber es gibt einige Gründe, die USA als imperiale Macht nicht mehr zu akzeptieren. Weil das gefährlich ist, weil der grundlegende Geist der Beherrschung und der Konfrontation einem friedlichen Zusammenleben der Menschen nicht guttut und im konkreten Fall Europas äußerst gefährlich wird.

Deshalb wird es die Hauptaufgabe der deutschen Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein, uns aus der Vormundschaft der USA zu lösen. Das ist eine Herkulesarbeit. Und sie ist nicht leichter geworden.

Auszug aus Albrecht Müller: Die Revolution ist fällig. Aber sie ist verboten.

Ein drittes Beispiel in dieser Reihe wäre der Umgang der USA mit Schweden (U-Boot-AAffäre) und dem Mord an Olof Palme als Vertreter eines humanisierten dritten Weges gibt es hier ein Video von Dirk Pohlmann 2014 für arte:
https://mega.nz/folder/XYkkGKTb#l-saBKkGnMo4fYJvbRgpJA
Das Video braucht Zeit zum Herunterladen!

*: Nebenbei ist sie, wie Thomas Röper nachgewiesen hat, umgeben von Beratern:= Einflussagenten aus dem Bill-u.Melinda-Gates-Netzwerk.

Die heutigen NachDenkSeiten haben auch das Verhalten des aktuellen kanzlers Scholz analysiert, s.hier:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=80522

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Der Niedergang der Linkspartei, die Sehnsucht der Vielen und eine Wiederauferstehung von „aufstehen“

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Es wird immer deutlicher, wie wichtig eine Reaktivierung unserer aufstehen-Bewegung ist.

Im folgenden Artikel aus den NachDenkSeiten wird deutlich gemacht, wie geschickt und erfolgreich das universitäre, neoliberale Geflecht sich innerhalb der Linken ausgebreitet und dabei die alten „Klassenkämpfer“ verdrängt hat. Wie erfolgreich dabei auch die Initiative „unteilbar“ eingesetzt wurde, das kann man in dem Artikel von Dagmar Henn 2018 schon nachlesen: Unteilbar-Aufbruch_ins_Ungefaehre

Der Niedergang der Linkspartei und die Sehnsucht der Vielen

Die Linkspartei ist bei der Bundestagswahl krachend gescheitert und muss um ihr Überleben bangen. Damit sind alle Voraussagen insbesondere linker Kritiker eingetroffen, dass die Linkspartei scheitern werde, wenn sie die sogenannte „Identitätspolitik“ (Gendern, politische Korrektheit, Antirassismus, feministische Themen) weiterhin so betone.
Eine neue „Klassenpolitik“ sei nötig, heißt es von linken Kritikern oft. In dieser Sichtweise steckt ein Denkfehler, meint unser Autor Udo Brandes.

Der Niedergang der Linkspartei wird von ihren (linken) Kritikern häufig damit begründet, dass sie sich viel zu sehr der Identitätspolitik widme, ein Thema, das vor allem einem urbanen akademischen Milieu wichtig sei, aber nicht den klassischen Wählerzielgruppen der Linken.
Diese Identitätspolitik führe u. a. zu der absurden Logik, dass ein schwarzer Arzt sich aufgrund seiner Hautfarbe als gesellschaftlich Benachteiligter sehen könne, ein weißer Arbeiter in der deutschen Fleischindustrie aber aufgrund seiner Hautfarbe als Privilegierter anzusehen wäre.
So müsse man sich nicht wundern, wenn die traditionelle Wählerschaft sich von der Linkspartei abwende. Krankenschwestern, Postboten, Bauarbeiter usw. hätten andere Sorgen als die politische Korrektheit.

Linke Kritiker dieser Entwicklung haben deshalb immer wieder gefordert, dass die politische Kategorie der „sozialen Klasse“ Maßstab linker Politik sein müsse und eine neue, sogenannte „Klassenpolitik“ (= Durchsetzung der Interessen einer Klasse) notwendig sei.
Das würde konkret bedeuten, dass die Linkspartei wieder primär für eine materielle Umverteilungspolitik von oben nach unten steht und die Interessen der unteren, benachteiligten Klassen der Bevölkerung vertritt.

Der Denkfehler dabei

Auch wenn diese Diagnose im Grundsatz stimmt, steckt in dieser Sichtweise doch ein Denkfehler: Identitätspolitik ist bereits „Klassenpolitik“.
Nur eben nicht für die unteren Klassen. Sondern für eine ambitionierte, akademisch gebildete Schicht, die sich von denen „da unten“ abgrenzt und mit Identitätspolitik Klassenkampf von oben betreibt.
Und es sieht so aus, als ob sich in der Linkspartei diese Fraktion durchgesetzt hat und auch zukünftig den Kurs bestimmen wird. Was sich unter anderem daran erkennen lässt, dass die wichtigste Repräsentantin einer wirklichen linken Politik in der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, nach wie vor massiv angegriffen wird. Wie die taz kürzlich berichtete (siehe hier), überlegt die Gruppe in der NRW-Linkspartei, die vergeblich versucht hat, Wagenknecht aus der Partei auszuschließen, einen Gang vor die Bundesschiedskommission der Partei, um ihr Ziel doch noch zu erreichen.
Und inzwischen wird Sahra Wagenknecht sogar allen Ernstes nahegelegt, die Linkspartei zu verlassen und der AfD beizutreten (siehe dazu den Bericht des Spiegels hier), nur weil sie es gewagt hat, die Unlogiken der Coronapolitik öffentlich zu benennen (zum Beispiel, dass Geimpfte genauso die Infektion weitergeben können wie Ungeimpfte).

Eine echte Kursänderung der Linkspartei ist nicht zu erwarten

Wie es derzeit aussieht, wird es in der Linkspartei keine wirkliche Diskussion und Analyse über die Ursachen der krachenden Wahlniederlage geben. Und dann auch keine wirkliche Neupositionierung und Kursänderung.
Mit anderen Worten: Die Linkspartei hat im Grunde mehrheitlich die Entscheidung getroffen, dass sie nicht oder bestenfalls nur nebenbei die Interessen der „Normalo-Arbeitnehmer“ vertreten will. Das heißt: Nicht das Arbeitermilieu und kleinbürgerliche Schichten, die einen eher traditionellen Lebensstil pflegen, sind ihre Hauptzielgruppe, sondern eine gut qualifizierte, urbane Akademikerschicht.

Dementsprechend ist Identitätspolitik auch keine linke Politik, sondern eine Politik für die Interessen einer privilegierten Akademikerschicht.
Die profitiert einerseits wirtschaftlich davon. Andererseits erhöht sie ihren eigenen sozialen Status, indem sie ihren Sprachcode und ihre Moral politischer Korrektheit zum einzig legitimen moralischen Maßstab erklärt.
Was konkret bedeutet, dass die Kultur anderer sozialer Schichten herabgesetzt, abgewertet und teilweise sogar aggressiv bekämpft wird.

Das Gendern ist so etwas wie ein Ausweis der „richtigen“ Gesinnung

Wenn man Identitätspolitik mit dem alten Zunftwesen der Handwerker vergleicht, wird der ökonomische Aspekt sehr schön deutlich.
Bei Wikipedia wird das Zunftwesen u. a. wie folgt beschrieben:

„Das Leben des einzelnen Gruppenmitgliedes wurde von der Zunft entscheidend bestimmt. Nur in dieser Einbindung konnte der Zunfthandwerker seiner Arbeit nachgehen. Die Gemeinschaft der Amtsmeister regelte die Arbeit und Betriebsführung des Einzelnen, die Qualität seiner Produkte, kontrollierte seine sittliche Lebensführung, sicherte ihn in individuellen Notfällen und betete für das Seelenheil ihrer verstorbenen Mitglieder.“

Auf diese Weise waren die Zunftangehörigen wirtschaftlich abgesichert und vor Konkurrenz geschützt. Aber kann man das wirklich mit der gegenwärtigen Identitätspolitik vergleichen?

Ich glaube schon. Jemand wie ich könnte nicht mehr so ohne Weiteres für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten. Also jemand, der darauf besteht, seine Texte in korrektem Deutsch zu schreiben, und sich u. a. weigert, das Partizip Präsens als geschlechtsneutrale Bezeichnung zu verwenden, weil dies sprachlogisch falsch ist (kurze Erläuterung dazu: Ein Fahrradfahrer kann bei einem Unfall ums Leben kommen; aber man kann kein toter Fahrradfahrender sein, weil Tote nach bisherigem Erkenntnisstand nicht mehr Fahrrad fahren können).

Auch bei vielen anderen Institutionen hat sich der Trend zur politischen Korrektheit durchgesetzt, und von Mitarbeitern wird erwartet, sich sprachlich daran anzupassen. Eine kleine Anekdote dazu: Ich habe mal ein Interview mit einem Repräsentanten einer Stadtverwaltung geführt und den Text zur Freigabe an die Pressestelle geschickt. Ich bekam das vorher ungegenderte Interview komplett gegendert zurück. Ich habe es dann natürlich wieder entgendert. So etwas ist kein Einzelfall. Immer mehr Städte führen jetzt sogar gegenderte Verkehrsschilder ein (ein neueres Beispiel siehe hier).

pexels-photo-210600.jpegDarüber hinaus ist Politische Korrektheit auch ein lukratives Geschäftsmodell. Konzerne veranstalten z. B. Antirassismusseminare oder sie beauftragen Coaches mit Trainings für sensible Sprache. Vereine wie „Decolonize Berlin“ werden vom Berliner Senat mit Millionenbeträgen finanziert.

Politisch korrekte Akademiker bestimmen bereits, was gesellschaftlich legitim ist und was nicht

Man kann deshalb inzwischen sagen: Das Milieu der politisch korrekten Akademiker bestimmt sehr weitgehend, was in unserer Gesellschaft legitim ist und was nicht. Oder politologisch gesprochen: Sie haben bereits die kulturelle Hegemonie (Vorherrschaft) erobert oder sind zumindest kurz davor.
Um dies mal an einem Beispiel zu demonstrieren: Svenja Flaßpöhler, die ein kritisches Buch über die zunehmende Sensibilität in unserer Gesellschaft geschrieben hat (siehe dazu meine Rezension auf den NachDenkSeiten hier), kritisiert in ihrem Buch, dass das Wort „Neger“ nicht einmal in einem kritisierenden Kontext mehr gebraucht werden dürfe – und spricht selber immer nur vom „N-Wort“ – in ihrem Buch und ihren Interviews dazu.
Diese gesellschaftliche Praxis ist letztlich die Abkehr von der Aufklärung und die Hinwendung zum magischen Denken. So als wenn ein Wort an sich das Böse in sich tragen könnte. Auch gläubige Katholiken verhielten sich früher so. Der fromme Katholik wagte es nicht, das Wort „Teufel“ auszusprechen, aus Angst davor, ihn damit herbeizuholen. Deshalb sprach man vom „Gott-sei-bei-uns“.

Gendertheorien infrage zu stellen – das kann gefährlich werden

Wer die Theorien der Genderideologen nicht teilt und nicht willens ist, sich diesen sprachlich, in der wissenschaftlichen Arbeit oder im Unternehmensmanagement zu unterwerfen, dem sind im besten Fall Wege für eine Karriere als Akademiker versperrt.
Im schlimmsten Fall aber muss so jemand mit gewalttätigem Mobbing rechnen. So erging es kürzlich der britischen Philosophieprofessorin Kathleen Stock, die an einer Universität in der Nähe von Brighton lehrte.

Sie ist selbst lesbisch und seit langem in der LGBT-Community aktiv (LGBT = die inzwischen auch in Deutschland verbreitete Abkürzung für Lesbians, Gays, Bisexuals und Transgender).
Politisch ordnet sie sich links ein. Nachdem ihr Buch „Material Girls. Why Reality Matters for Feminism“ erschienen war, begann ihr Martyrium. Darin vertrat sie ähnliche Ansichten wie die Schriftstellerin J. K. Rowling (Autorin der Harry-Potter-Romane), die im vergangenen Jahr dafür ebenfalls massive Anfeindungen zu ertragen hatte. Stock kommt in ihrem Buch zu dem Schluss, dass zwar die selbstgewählte Gender-Identität eines Menschen respektiert werden solle. Jedoch lasse sich das biologische Geschlecht von Männern und Frauen nicht ändern (siehe dazu den Bericht der NZZ hier). In einem BBC-Interview (siehe hier) berichtete sie, dass sie auf dem Weg zur Arbeit immer wieder von einem wütenden Mob beschimpft und bedroht wurde. Die Wände eines Fußgängertunnels, den sie auf dem Weg zu ihrem Büro durchqueren musste, waren vollgeklebt mit Hetzplakaten gegen sie. Ebenso die Wände der Toiletten im Uni-Gebäude. Und natürlich wurde im Internet gegen sie gehetzt.
Nach dem Bericht der NZZ bekam Stock von der Universität keine bzw. so gut wie keine Unterstützung. Sie war schließlich mit den Nerven am Ende und gab auf. Wahrscheinlich ist es in Deutschland noch nicht ganz so schlimm. Aber weit davon entfernt sind wir auch nicht. Nicht ohne Grund haben Wissenschaftler jetzt ein Netzwerk für Wissenschaftsfreiheit gegründet (www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de).

Warum waren identitätspolitische Ideologien so erfolgreich?

Man fragt sich: Wieso konnten sich die Verfechter Politischer Korrektheit bzw. der Identitätspolitik in der Gesellschaft so weitgehend durchsetzen, dass schon fast jede Pommesbude gendert? Ich glaube, es gibt dafür zwei Gründe:

Identitätspolitik, Genderideologie, Politische Korrektheit – das alles ist an den Elite-Universitäten der USA entstanden. Es war dort also von Anfang an eine Ideologie des herrschenden Establishments.
Denn das Establishment dort speist sich zu einem großen Teil aus den Absolventen der US-Elite-Universitäten. Von dort aus wanderte es an die europäischen Universitäten und von dort aus in die Institutionen der Gesellschaft, also Verwaltungen, Medien, Unternehmen usw. Und auch hier ist es eine Ideologie des Establishments.
Und wie Marx und Engels in „Die Deutsche Ideologie“ so schön formuliert haben:

„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, das heißt die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“

Hierbei ist zum Verständnis ein Begriff der US-amerikanischen Soziologen Barbara und John Ehrenreich nützlich. Sie prägten in den 70er Jahren den Begriff der Professionellen Mittelklasse (im englischen Original: professional-managerial class, kurz: PMC). Dieser besagt einfach formuliert, dass es eine akademisch gebildete Mittelklasse gibt, die die Normen und Werte – und vor allem: Interessen – der herrschenden Klasse im Alltag umsetzt, seien es nun Journalisten, Lehrer, Ärzte, Manager, Juristen usw. Diese Klasse profitiert durch Privilegien (hohes Einkommen, Macht, Ansehen) davon, sich mit der Ideologie der herrschenden Klasse zu identifizieren und diese zu vertreten.

Zum anderen sind identitätspolitische Ideologien geradezu ideal für die neoliberale Machtelite. Denn so können die durch soziale Ungleichheit bedingten Konflikte quasi stillgelegt werden. Denn Gerechtigkeit ist dann ein Problem von „Diversität“, und nicht ein Problem der Benachteiligung sozialer Klassen und der falschen Verteilung.
Was natürlich hochgradig verlogen ist. Denn für einen Fahrer von Amazon ändert sich nichts an den Arbeitsbedingungen und Löhnen, wenn der Vorstand des Konzerns diverser wird. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet die reaktionäre, neoliberale Hillary Clinton ein Anhänger politischer Korrektheit ist.

Es gibt eine Sehnsucht nach echter sozialdemokratischer Politik

Reichtum_umverteilen_2017-09-15Ich bin überzeugt, es gibt in der Bevölkerung eine große Sehnsucht nach einer wahrhaft sozialdemokratischen Politik. Also einer Politik, die den Kapitalismus nicht abschafft, aber ihn im Interesse der Gemeinschaft wirkungsvoll reguliert. Und wichtige Bereiche der Gesellschaft einer kapitalistischen Profitorientierung entzieht. Wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, die Energieversorgung, die Müllentsorgung und anderes mehr.
Auf die SPD, die Grünen und die Linkspartei kann man dabei nach meiner Einschätzung aber nicht mehr zählen. Wann immer sie in letzten Jahren an der Macht waren, haben sie neoliberale Politik gemacht oder unterstützt.
Deshalb glaube ich, dass nicht nur die Linkspartei, sondern auch Grüne und SPD sich schon bald in einer Krise wiederfinden könnten. Von den verbesserten Wahlergebnissen der beiden Parteien sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn nach dem, was bisher bekannt ist aus den Koalitionsverhandlungen für eine Ampel-Regierung, wird es im Kern ein „Weiter-so“ mit der neoliberalen Politik der letzten Jahre geben.

Was also tun? Braucht unser Land eine neue, wirklich linke Partei? Und wäre das die Lösung? Vielleicht.
Aber es könnte auch sein, dass eine neue linke Partei nach wenigen Jahren wieder von angepassten Funktionären beherrscht wird und keine Alternative mehr darstellt. Der deutsch-italienische Soziologe Robert Michels nannte so eine Entwicklung schon 1907 das „Eherne Gesetz der Oligarchie“. Es besagt, dass Großgruppen wie Parteien aus Effizienzgründen eine Bürokratie aufbauen, deren Spitze sich zu einer oligarchischen Machtelite entwickelt, die eigene Interessen verfolgt, statt die ihrer Basis.
Ich bleibe trotzdem Optimist. Denn wie der Fall der Mauer zeigte: Die Geschichte hält immer wieder Überraschungen bereit.

Mein Kommentar: Offensichtlich hat Robert Michels recht. D.h. dass eine neue politische Kraft sich nicht auf die Organisationsform einer Partei beschränken darf. Da, wo die SPD politisch und kulturell erfolgreich war, wurde sie von einer breiten außerparlamentarischen Bewegung begleitet aus Gewerkschaften, Kulturschaffenden, Akademikern und Studenten.
Nachdem zum Ende der 1970er Jahre diese menschlichen Bindeglieder entwertet, desillusioniert und korrumpiert worden waren, lebte die Bewegung zunächst wieder bei den Grünen auf, nach der neoliberalen und bellizistischen Korruption der rot-grünen Bundesregierung für kurze Zeit bei der Linkspartei.
Offensichtlich bedarf es jetzt einer Neuauflage von aufstehen, um allen diesen neoliberal "versifften"  Parlamentariervereinen eine antikapitalistische Alternative gegenüber zu stellen.
Und dafür stehe ich auch jeden Morgen wieder auf.
 
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Norbert Häring zum Migrationspakt: Wie die Konzerne die Vereinten Nationen unter ihre Kontrolle brachten

Eine kleine solidarisch gemeinte Ergänzung zu Kathrin Voglers Artikel im aktuellen RotFuchs, S.11
http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2019/RF-252-01-19.pdf

n_haeringhttp://norberthaering.de/de/27-german/news/1091-un-foundation
Der UN-Migrationspakt geht in weiten Teilen auf die Wünsche der multinationalen Konzerne zurück. Ihren Feldzug gegen das Bargeld dürfen Visa, Mastercard und Co. unter dem Banner der Vereinten Nationen führen. Das sind nur zwei von vielen Beispielen.
An der UN Foundation lässt sich zeigen, wie die Konzerne es anstellten, dass der UN-Apparat immer mehr nach ihrer Pfeife tanzt.

Wie die UN funktioniert, ist unter anderem deshalb wichtig, weil viele linke Internationalisten die Vorstellung haben, die Welt würde ein besserer Ort, wenn man den Nationalstaat überwinden und Entscheidungen auf globaler Ebene treffen würde.
Dabei bleibt meist im Dunkeln wie solche Entscheidungen im globalen Interesse gefällt werden sollen. Oder die Idee ist, dass man nur die UN irgendwie stärken müsse. Ein Blick in die Studie „The UN Foundation – A foundation for the UN?“ von Barbara Adams und Jens Martens von April 2018 könnte die eine oder den anderen von solchen Illusionen befreien. Sie nährt die Sorge, dass unter derzeitigen Bedingungen Verlagerung von Macht auf die UN darauf hinausläuft, sie an die großen amerikanischen Konzerne zu übertragen und dabei die demokratische Kontrolle völlig auszuhebeln.

Adams war unter anderem stellvertretende Koordinatorin der UN für die Beziehungen zu Nichtregierungsorganisationen und Leiterin Strategische Partnerschaften und Kommunikation des United Nations Development Fund for Women (UNIFEM). Martens ist Geschäftsführer von Global Policy Forums (New York) und Global Policy Forum Europe (Bonn).

Das Geld und die UN-Stiftung des Medien Moguls Ted Turner spielte eine wesentliche Rolle dabei, dass die UN immer mehr Partnerschaften eingegangen ist, mit Großkonzernen, deren Lobbys wie dem Weltwirtschaftsforum, und deren Stiftungen. Diese geben Geld und bekommen dafür Einfluss.
Seit sie genug Einfluss haben, geben sie der UN immer weniger Geld, schmücken ihr Tun aber mit dem UN-Banner oder UN-Zielen.
Die Ziele sind nebulös genug, dass die Konzerne und ihre Stiftungen auch Aktionen, die allein ihrem Geschäftsinteresse dienen, mit einem UN-Mäntelchen der Wohltätigkeit umhüllen können.
Der Kampf von Visa, Mastercard und Co. gegen das Bargeld unter dem Vorwand der „finanziellen Inklusion“ und die Förderung der Arbeitskräftemigration zum Drücken der Löhne und zur Sprengung der Sozialstaatsfesseln sind nur zwei besonders krasse Beispiele.

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit habe ich im Folgenden auf wiederholte Hinweise auf die Quellenstudie verzichtet. Die folgende Darstellung basiert bis zum Absatz „Kooperation mit dem Weltwirtschaftsforum“ (dieser nicht mehr) auf der genannten Studie.Zitate durchgängig meine unautorisierte Übersetzung aus dem Englischen.

1997: Ted Turner schenkt der UN ein Trojanisches Pferd

Um zu sehen, wie es dazu kam, muss man sich zurück ins Jahr 1997 begeben. Gegen Ende dieses Jahres kündigte der Milliardär Ted Turner, Gründer von CNN und Co-Chairman von Time Warner, an, der UN eine Milliarde Dollar in Time-Warner-Aktien zu schenken. Er reagierte damit auf die Weigerung des US-Kongresses die aufgelaufenen Rückstände der US-Regierung aus nicht überwiesenen Beiträgen zu begleichen.
Das Geschenk, das letztlich viel kleiner ausfiel als versprochen, sollte sich als Trojanisches Pferd erweisen, mit dem die amerikanischen Großkonzerne ihre Ziele und Werte in die UN einschleusten.

Da die UN keine gemeinnützige Organisation im steuerlichen Sinne ist, gründete Turner für den Transfer des Geldes die UN Foundation.
Die UN gründete zur Entgegennahme des Geldes den United Nations Fund for International Partnerships (UNFIP).

Den Grundgedanken hat die bei der UN Foundation untergebrachte Organisation UN Association of the USA so ausgedrückt: Die UN finanziell auszutrocknen könne nicht nur die nationale Sicherheit der USA untergraben, sondern auch „unsere Fähigkeit verringern, die UN für die Unterstützung vitaler US-Interessen einzuspannen“.

Die UN-Stiftung selbst schreibt über Turners Motivation:

„Teds Ziel bei der Gründung der Stiftung war es, den Wert von Investitionen in die UN zu zeigen, neue Partner zu motivieren, mit der UN zu arbeiten, und eine starke Führungsrolle der USA bei der UN zu fördern.“

Am Anfang gingen noch fast alle Ausgaben der UN Foundation an die UN. Im Gegenzug durfte der Vorstand von Turners Stiftung die damit geförderten UN-Projekte absegnen.

Katalysator für die Einflussnahme auf die UN

Im Lauf der Jahre wurde der Anteil des Geldes, das an die UN ging stark reduziert. Stattdessen wurden immer mehr Aktivitäten von (überwiegend amerikanischen) Organisationen außerhalb der Regie der UN finanziert.
Es gab noch eine zweite Veränderung: Anstatt der UN nur eigenes Geld zu überweisen, betätigte sich die Stiftung bald vorrangig als Sammelstelle für UN-Unterstützungsgelder. Von den 52 Millionen Dollar, die die Stiftung 2013 an das Kinderhilfswerk UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO überwies, stammten nur noch zwei Millionen aus Turner-Geld, der Rest von externen Geldgebern. 2015 und 2016 kam gar kein Geld mehr von Turner.
Auch das von der Stiftung an die UN überwiesene Geld insgesamt ging immer mehr zurück. Nach zehn Jahren waren 650 Millionen Dollar von Turners Geld an die UN geflossen. Die Stiftung entschied, mit Zustimmung der UN (die sich kaum weigern konnte), das restliche Drittel aus dem Milliardenversprechen dafür einzusetzen, die Stiftung dauerhaft zu etablieren, das Geld also nicht der UN zu geben.

Viel von dem extern beigesteuerten Geld wäre sicherlich ansonsten direkt an die UN-geflossen. Das gilt insbesondere für die 200 Millionen Dollar, die Regierungen bis 2016 über Turners Stiftung an die UN leiteten. Für die Stiftung hatte die Funktion als Durchleitungsstation den schönen Effekt, dass sie ihre Macht über das finanzielle Gebaren der UN weit über das durch die geringen eigenen Beiträge gerechtfertigte Maß hinaus steigerte.
Man muss sich das klar machen: Regierungen leiten Geld an die UN über eine private, unternehmensnahe Stiftung, damit diese dafür sorgt, dass die UN sich beim Geldausgeben nach den Vorlieben dieser privaten Stiftung und deren privater Partner richtet.

2016 war der mit Abstand größte Geldgeber der UN-Stiftung die Bill & Melinda Gates Stiftung des Microsoft Gründers Gates und seiner Frau.
In meinem Buch „Schönes Neues Geld“ und meinem Blog zeichne ich nach, wie Gates und Mastercard der von ihnen maßgeblich betriebenen Better Than Cash Alliance durch Geldspenden eine UN-Adresse kauften.

Im Dunkeln ist gut Munkeln

Die ursprüngliche Vereinbarung zwischen UN und UN-Stiftung ist öffentlich. Eine interne Prüfung des UNFIP für die Jahre 2008 bis 2012 monierte, dass der UN Fonds, der das Geld der UN-Stiftung entgegennahm, bei der Auswahl und Prüfung der zu fördernden Programme fast nichts zu sagen hatte, und auch oft über die Geldgeber im Dunkeln blieb.
Als Konsequenz wurde die Beziehungsvereinbarung mit dem UN-Fonds revidiert und der Gemeinsame Koordinationsausschuss geschaffen. Die Verhandlungen fanden ohne Aufsicht von UN-Mitgliedsregierungen  hinter verschlossenen Türen statt. Das Abkommen wird geheim gehalten.
Wer im Joint Coordination Committee Mitglied ist, ist ebenfalls geheim, und auch die Protokolle des Ausschusses.

Türöffner für Konzerne

Von Anfang an betätigte sich die UN Stiftung als Türöffner für die Privatwirtschaft bei der UN, sei es als Werber für und Finanzierer von gemeinsamen öffentlich-privaten Programmen, sei es durch die Förderung von Lobbyeinrichtungen der Privatwirtschaft bei der UN. Sie ging sogenannte Anker-Partnerschaften mit etwa zwei Dutzend Großkonzernen ein, darunter Exxon, Mobile, Shell, Goldman Sachs und Bank of America. Seit 2010 gibt es einen Business Council for the United Nations (BCUN), einen Rat der Konzerne, bei der Stiftung. Der BCUN wirbt damit, dass er genau über Geschäftsgelegenheiten für Mitgliedsunternehmen bei und mit der UN Bescheid weiß:
„Der Business Counccil for the United Nations bietet seinen Mitgliedern einzigartige Gelegenheiten direkt mit der UN in Kontakt zu kommen. Unsere Beziehungen zu Schlüssel-Entscheidern und Diplomaten bei der UN, die an globalen Themen von Bedeutung für unsere Mitgliedsunternehmen arbeiten, ermöglichen relevanten und aktuellen Informationsaustausch.“

Die Konzerne wollen bei der gewinnträchtigen Ausnutzung von Geschäftsgelegenheiten ungern von den Regeln und Prozeduren der UN eingeschränkt werden. Deshalb sind die UN-Stiftung und ihre Geldgeber aus der Privatwirtschaft immer mehr dazu übergegangen, nicht der UN Geld zu geben, oder sich an Projekten unter UN-Regie zu beteiligen. Stattdessen betreiben sie eigene Projekte und verkaufen diese PR-mäßig als „Förderung von UN-Zielen“.

Allmählich werden diese Umtriebe vielen UN-Mitgliedsländern zu bunt. Im Jahr 2015 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution mit der Forderung, für alle relevante Partnerschaften die Partner, deren Beiträge und die offiziellen Kofinanzierungen offenzulegen. Außerdem müsse die Rechnungslegung und das Risikomanagement gestärkt werden, um die Reputation der UN zu wahren.
Wenn eine Instanz wie die UN-Generalversammlung eine solche Resolution verabschiedet, darf man davon ausgehen, dass es bereits an vielen Stellen ziemlich stinkt.
2016 legte die Entwicklungsländergruppe in der UN, G77, mit einer Erklärung nach. Sie forderte, den Mitgliedstaaten Möglichkeiten zu geben, die Aktivitäten von öffentlich-privaten UN-Partnerschaften zu untersuchen und zu beaufsichtigen.
Mit anderen Worten: Wenn die Konzerne in Partnerschaft mit der UN oder in eigener Regie sogenannte UN-Ziele in armen Ländern fördern, geschieht das offenbar oft nach den Prinzipien „Geld regiert“ und  „Vogel friss oder stirb“. Mitwirkung oder Kontrolle durch die Regierungen der betroffenen Länder ist nicht vorgesehen – mit einer Ausnahme: Sie sollen einen förderlichen regulatorischen Rahmen schaffen.

Kooperation mit dem Weltwirtschaftsforum

Die Mehrung der Gewinnchancen und des Einflusses der (amerikanischen) Konzerne stand früh auf der Agenda der Stiftung. 2002 und 2003 veranstaltete sie gemeinsam mit dem Weltwirtschaftsforum einen Runden Tisch mit Führungspersönlichkeiten aus Privatwirtschaft, Stiftungen, Regierungen etc. über öffentlich-private Partnerschaften. (Die Anzahl der Regierungsvertreter reichte allenfalls für das Prädikat Feigenblatt.) Im Abschlussbericht wird betont, dass Konzerne keine wohltätigen Organisationen sind, sondern nur mitmachen, wenn sie etwas davon haben, etwa in Form von neuen Märkten oder Reputationsgewinn. Partnerschaften mit der UN erlaubten es ihnen, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen, ohne ihre Mission (Gewinnmaximierung) zu beeinträchtigen.

Am Ende werden in Frageform kurz ein paar mögliche Probleme aufgelistet, allerdings ohne jeglichen Versuch, sie zu beantworten. Eine davon lautet:
„Gibt es die Gefahr, dass mit viel Geld unterlegte Partnerschaften die öffentliche Agenda verzerren?“

Die Antwort ist nur allzu klar. Ein gutes Beispiel ist das große und hochkarätige Saubere-Herde-Programm der UN-Stiftung. Die 2010 gegründete Global Alliance for Clean Cookstoves, die bei der UN-Stiftung angesiedelt ist, will bis 2020 100 Millionen Haushalte in Entwicklungsländern mit sparsameren und saubereren Herden ausstatten. Neben Hillary Clinton sind verschiedene UN-Organisationen und Regierungen (auch die deutsche) dabei. Das meiste Geld steuern die Regierungen bei.

Feigenblattprojekte zur Abwehr echten Wandels

Für sich betrachtet ist das Programm eine gute Sache zu Linderung der Armut und zur Senkung klimaschädlicher Emissionen. Wenn man allerdings mit ins Bild nimmt, was die Beteiligten ansonsten gegen diese Probleme tun könnten – und wohlweislich nicht tun – dann sieht es schnell ganz anders aus. Der Anteil ganz Afrikas am Ausstoß klimaschädlicher Gase ist wegen der Armut und dem geringen Ressourcenverbrauch dort fast vernachlässigbar. Der CO2-Ausstoß der Kochherde privater Haushalte in Entwicklungsländern könnte auf Null sinken, und es würde keinen nenneswerten Beitrag zur Abwendung des Klimawandels leisten.
Trotzdem ist es dieses Programm, auf das eine UN-Stiftung mit Partnern wie Exxon und Shell ihre Bemühungen zum Klimaschutz konzentriert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Und dann stellen Regierungen und UN-Organisationen ihnen auch noch das Gros der verausgabten Gelder zur Verfügung.
Würden die Großkonzerne, die hinter solchen Feigenblattprogrammen stehen, stattdessen unterstützen, dass zum Beispiel die Steuerbefreiung des Flugbenzins aufgehoben wird, um den viel relevanteren Flugverkehr zu reduzieren, die Maßnahme wäre wahrscheinlich morgen beschlossen.

Würden diese Konzerne entscheiden, in den Entwicklungsländern normal Steuern zu zahlen, wäre den Menschen dort um ein Vielfaches mehr geholfen als mit subventionierten Kochherden.

Die Wohltätigkeit nach den Präferenzen der Konzerne, der sich die UN zunehmend unterwirft, hat einen gemeinsamen Nenner.

Es geht nicht um Beseitigung der Armut.

Es geht darum, an den dortigen Regierungen vorbei den Individuen in den armen Ländern zu helfen, sich in ihrer Armut halbwegs erträglich einzurichten.

Damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Mein Kommentar dazu: Die UN als SPD der Welt, um echte soziale Angriffe auf die reichsten 1% zu verhindern?

Kleine Syriengruppe: „Russland soll Assad-Regime so ausliefern, wie wir es erwarten“ – Der Terror des US-Imperiums soll mit der Waffe des Hungers durchgesetzt werden

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

k leukefeld

Ein zweiteiliger Artikel von Karin Leukefeld, der den Exzeptionalismus der US-Regierung wieder unter Beweis stellt.

Teil1: Kleine Syriengruppe: „Russland soll Assad-Regime so ausliefern, wie wir es erwarten“

https://de.sputniknews.com/politik/20180425320471582-raketenangriff-chemiewaffeneinsatz-zukunft-staat/

Der Angriff auf Syrien soll den westlichen Anspruch auf die Zukunft Syriens und der Region unterstreichen. Russland heißt der Gegner. Das Völkerrecht wird demontiert.

„Es gab wenig Diskussion darüber, wie wir den Druck auf Russland aufrechterhalten oder auch erhöhen, wenn es das Regime nicht in der Art ausliefert, wie wir es erwarten. An dieser Front sollten wir das fortsetzen, was wir bereits tun – die schreckliche humanitäre Situation und die Komplizenschaft Russlands bei den Bombenangriffen auf zivile Ziele hervorheben.“

(Kommentar Nr. 19, Protokoll der „Kleinen Syriengruppe“, Washington, 11. Januar 2018)

Eine „Kleine Syriengruppe“ traf sich auf Einladung des US-Außenministeriums am 11. Januar 2018 in Washington. Dabei ging es um die US-Strategie für Syrien und darum, wie dort in Zukunft Einfluss genommen und wie das Land aufgeteilt werden soll. Das Protokoll über das Treffen wurde von einem Mitarbeiter der britischen Botschaft in Washington verfasst.
Das nicht öffentliche Papier wurde der Tageszeitung Al Akhbar (Beirut) zugespielt, die über das Treffen am 22. Februar 2018 berichtete. Die deutsche Übersetzung des Artikels von Mohammad Ballout und Walid Scharara erschien am 3. März 2018 im Internetportal Rubikon. Erläutert wird darin ein Plan, in dem der völkerrechtswidrige Angriff auf Syrien vom 14. April 2018 nur eine Facette ist.
Siehe hier: https://www.jungewelt.de/artikel/328369.teilung-besprochen.html

Die „Kleine Syriengruppe“

Vertreter der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Saudi-Arabiens und Jordaniens trafen sich im vergangenen Januar, um die US-Pläne über die Aufteilung Syriens zu beraten. Die neue Syrien-Strategie war vom Nationalen Sicherheitsrat der USA beschlossen und von Präsident Donald Trump bewilligt worden.

Neben dem Protokollführer, dem Diplomaten und Nahostexperten Benjamin Norman von der britischen Botschaft in Washington, nahmen an dem Treffen folgende Personen teil: David Satterfield (Generaldirektor der Abteilung für Nahostfragen im US-Außenministerium), Hugh Cleary, Leiter der „Syrien-Gruppe“ im britischen Außenministerium, Jerome Bonnafont, Leiter der Abteilung für den Nahen Osten und Nordafrika im französischen Außenministerium. Bei den beiden arabischen Teilnehmern handelte es sich um Nawaf Wasfi al-Tall, Berater des jordanischen Außenministers und seit 2011 verantwortlich für die Syrien-Politik Jordaniens, sowie General Jamal Al-Aqeel, Sicherheitsbeauftragter im Innenministerium Saudi-Arabiens.

Bei den Beratungen der „Kleinen Syriengruppe“ trug der US-Vertreter Satterfield fünf Punkte vor:

  1. Syrien soll geteilt und das östliche Territorium soll als „Euphrat-Region“ abgetrennt werden. Das Weiße Haus stellt dafür jährlich vier Milliarden US-Dollar zur Verfügung, u.a. um eine Grenzschutztruppe auszubilden, die verhindern soll, dass die syrische Armee in dieses ressourcenreiche Gebiet Syriens zurückkehren kann.
  2. Die Gespräche in Sotschi (31.1.2018) sollen zum Scheitern gebracht werden.
  3. Die Türkei soll umworben werden.
  4. Staffan de Mistura (UN-Sonderbotschafter für Syrien) soll angewiesen werden, die Genfer Gespräche zu reaktivieren.
  5. Das Acht-Punkte-Papier, das am 26. Januar 2018 bei einem UN-Treffen zu Syrien in Wien von dem US-Vertreter vorgelegt worden war, soll als Grundlage für eine politische Lösung für Syrien umgesetzt werden.

Die Teilnehmer der „Kleinen Syriengruppe“ begrüßten die US-amerikanischen Vorschläge und beschlossen, dass „in diesem Sinne 2018 konkrete Fortschritte auf syrischem Territorium“ erreicht werden sollten. Damit solle der „angebliche Siegeszug der Russen“ widerlegt werden. Weitere Treffen wurden vereinbart.
Die „Kleine Syriengruppe“ solle um Deutschland, Ägypten und die Türkei erweitert werden. Das Protokoll endet mit Kommentaren des Protokollführers Benjamin Norman – darunter der Kommentar, der diesem Text vorangestellt ist.

US-Strategie für Syrien: Teile und herrsche

Nur wenige Tage nach dem Treffen der „Kleinen Syriengruppe“ referierte der damalige US-Außenminister Rex Tillerson am Hoover Institut der Stanford Universität ausführlich über den US-„Weg nach vorne in Syrien“.
Inzwischen heißt der US-Außenminister Mike Pompeo, der bisher Chef des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) war. Die Eckpfeiler der von Tillerson skizzierten US-Pläne für Syrien dürften weiter Bestand haben.

Tillerson führte fünf zentrale Punkte für die Syrien-Politik der USA an:

  1. Die endgültige Niederschlagung des „IS“ und von Al Khaida.
  2. Der Konflikt zwischen dem syrischen Volk und dem Assad-Regime müsse durch die UN entsprechend der UNSR-Resolution 2254 gelöst werden mit dem Ziel, „ein stabiles, vereintes, unabhängiges Syrien“ zu schaffen, das „als Staat funktioniert“ und mit einer „nach-Assad-Führung“ ausgestattet sein soll.
  3. Der iranische Einfluss in Syrien muss zurückgedrängt werden.
  4. Bedingungen schaffen, damit Flüchtlinge und Inlandsvertriebene sicher und freiwillig zurückkehren können.
  5. Syrien soll frei von Massenvernichtungswaffen sein.

Tillerson ging dabei ausführlich auf Russland ein, das vom „Assad-Regime“ als „Garantiemacht für seine Sicherheit“ angesehen werde. Daher sei es an Russland, das „Assad-Regime“ unter Druck zu setzen, „konstruktiv“ am Genfer Prozess mitzuwirken und eine „ultimative Lösung durch den UN-geführten Genfer Prozess“ für Syrien zu fördern. Russland müsse den Druck erhöhen, damit die Genfer Vereinbarung in Syrien endlich umgesetzt werde.

Des Weiteren sprach Tillerson über „Stabilisierungspläne“ der USA und deren Partner für Syrien.
„Stabilisierung“ sei eine zivil-militärische Aufgabe, so Tillerson: „Unsere militärische Präsenz in Syrien wird vom Außenministerium und von Teams der US-AID (staatliche US-Organisation für internationale Hilfe und Entwicklung) abgesichert, die bereits mit lokalen Verwaltungen arbeiten, um dem befreiten Volk zu helfen, ihre eigenen Kommunen zu stabilisieren.“

Dieses klassische Element einer Politik von „Teile und Herrsche“ wird laut Tillerson von „den USA, Europa und regionalen Partnern“ dadurch ergänzt, dass man „keine internationale Wiederaufbauhilfe für irgendein Gebiet unter Kontrolle des Assad-Regimes“ leisten wird. „Wir haben alle, die an der Zukunft Syriens interessiert sind, aufgefordert, das Gleiche zu tun“, so Tillerson.

„Stattdessen werden wir internationale Hilfe für die Gebiete fördern, die unter der Kontrolle der Globalen Koalition und ihrer lokalen Partner vom IS befreit worden sind. Wenn Assad nicht mehr an der Macht ist, werden die USA gern die Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Syrien und anderen Staaten fördern.
Bis dahin fordern die USA alle Staaten auf, den wirtschaftlichen Druck auf Assad aufrechtzuerhalten und Syrien (erst) nach einer politischen Transition (deutsch: Wandel, Veränderung, Regime-Change) wieder aufzubauen.
Wir erwarten, dass der Wunsch nach einem normalen Leben und der (wirtschaftliche, politische, militärische) Druck das syrische Volk und Einzelpersonen aus dem Regime aufrüttelt, um Assad zum Rücktritt zu zwingen.“

Anfang Februar präzisierte Tillerson anlässlich der „Wiederaufbaukonferenz für den Irak“ in Kuwait vor Journalisten die US-Pläne für Syrien weiter: „Die USA und die Koalitionsstreitkräfte kontrollieren heute 30 Prozent des syrischen Territoriums und, damit verbunden, einen großen Anteil der Bevölkerung sowie der syrischen Ölquellen.“ Angesichts dessen zu sagen, die USA hätten keinen Einfluss und spielten keine Rolle in Syrien, sei „einfach falsch“.

Der Gegner heißt Russland

Die Angriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen angebliche Entwicklungs-, Produktions- und Lagerstätten von Chemiewaffen in Syrien in den frühen Morgenstunden des 14. April 2018 war die logische Fortsetzung dessen, was am 11. Januar 2018 in Washington beraten und von dem ehemaligen US-Außenminister Rex Tillerson an der Stanford Universität ausgeführt worden war.
Die USA sind nicht bereit, die neue Ordnungsmacht Russland in Syrien und in der Region zu akzeptieren und sie zwingen ihre Verbündeten zu folgen, sofern sie nicht freiwillig mitziehen. Großbritannien und Frankreich schienen es gar nicht abwarten zu können, Syrien anzugreifen. Deutschland dagegen zeigte sich zumindest verbal zögerlich, auch wenn es den Angriff – der das Völkerrecht bricht – im Nachhinein guthieß.
Die Behauptung, die syrische Regierung und Präsident Bashar al-Assad entwickelten, produzierten, lagerten und setzten Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung ein, war lediglich ein Vorwand, ein Instrument, um für sich das Recht auf ein militärisches Eingreifen in Syrien in Anspruch zu nehmen.
Der Chemiewaffenangriff, der angeblich am 7. April in Duma stattgefunden haben soll, ist bis heute nicht bewiesen. Der Ort liegt östlich von Damaskus und wurde zu dem Zeitpunkt von der „Armee des Islam“ kontrolliert.
Die Umstände des behaupteten Chemiewaffenangriffs der syrischen Armee sind mehr als fraglich. Es gab bereits eine – durch Russland verhandelte – Vereinbarung mit den Kämpfern, in den Norden des Landes abzuziehen und der syrischen Regierung die Kontrolle über Duma zurückzugeben. Tausende Kämpfer waren bereit, das staatliche Amnestieangebot zu unterzeichnen und ihre Waffen niederzulegen, um in Duma bleiben zu können. *)
Rund 3500 Kämpfer und ihre Familien waren bereits abgezogen, als die „Armee des Islam“ – aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten – unvermittelt die Vereinbarung aussetzte und erneut Raketen und Granaten auf Damaskus schoss.
Die syrische Luftwaffe reagierte massiv. Das lokale Versöhnungskomitee von Duma setzte den ausgehandelten Waffenstillstand und die Vereinbarung über den Abzug erneut in Kraft.

In dieser Zeit wurden – von den „Weißhelmen“ und anderen Verbündeten der oppositionellen Kampfgruppen – Bilder verbreitet, die angebliche Giftgasopfer zeigen sollten. Die Bilder und entsprechende Stellungnahmen verbreiteten sich in Windeseile über die sogenannten „sozialen Medien“ und dank internationaler Medien wie der britischen BBC oder des deutschen Spiegel weltweit.

Bombardement am UN-Sicherheitsrat vorbei

Unmittelbar darauf folgten politische Stellungnahmen, eine Sitzung im UN-Sicherheitsrat folgte der nächsten. Die USA beantragten eine Resolution, um Syrien angreifen zu können. Moskau und China legten ihr Veto ein.
Die Entsendung eines UN-Inspektorenteams zur Untersuchung der Angaben wurde beschlossen. Sie waren gerade in Damaskus eingetroffen, als die USA, Frankreich und Großbritannien am UN-Sicherheitsrat vorbei Syrien bombardierten.

Dabei beschuldigten die drei westlichen Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat, USA, Großbritannien und Frankreich, nicht nur Damaskus, sondern auch Russland, Syrien beim Einsatz von Chemiewaffen zu unterstützen.
Moskau habe sein Versprechen, Syrien chemiewaffenfrei zu machen, gebrochen und versagt, meinte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Nikki Haley nach dem Angriff am 14. April. Sie drohte, die US-Waffen seien und blieben „gesichert und geladen“.

Die Angaben Syriens und Russlands, es habe keinen Chemiewaffenangriff in Duma gegeben, werden vom US-Lager als Lüge abgetan. Inzwischen wird behauptet, Syrien und Russland behinderten die OPCW-Inspektoren-Aufklärungsmission und hätten die Beweise für den Chemiewaffenangriff aus Duma entfernt.
Dem militärischen Angriff wird ein umfassender Propagandaangriff auf Syrien und Russland zur Seite gestellt. Jede Äußerung Syriens oder Russlands wird als Lüge bezeichnet, mit der die beiden Staaten den Angriff verdecken wollten.

Die syrische Regierung wird vom Westen seit Jahren mit Missachtung und Verleumdung bestraft, Syrien als „gescheiterter Staat“ herabgewürdigt.
Die Angriffe richten sich daher vor allem gegen Russland, das nicht im Sinne des Westens das „Assad-Regime“ ausgeliefert hat und sich nicht unterordnet.
Bei dem Angriff auf Syrien am 14. April wollte man Russland die neuesten westlichen Waffensysteme zeigen, die überall und jederzeit zuschlagen können. Bei einer Sitzung der 28 EU-Außenminister zwei Tage nach dem Angriff in Luxemburg stellte die EU sich geschlossen hinter die Luftangriffe auf Syrien und zeigte „Verständnis“ für die Aggressoren. Nun sollen alle Anstrengungen gegen den Einsatz von Chemiewaffen unterstützt werden. Anknüpfend an die bisherigen Strafmaßnahmen gegen Syrien sollen die Wirtschaftssanktionen „wegen anhaltender Repression und dem Einsatz chemischer Waffen gegen die Bevölkerung“ weiter verschärft werden.#

*) Von dieser gerade für die Zivilbevölkerung erfolgreichen Friedensaktivität hat man in den deutschen Leimmedien natürlich kein Wort erfahren.

Teil 2: Auch Deutschland muss Niederlage in Syrien eingestehen und abrüsten

https://de.sputniknews.com/politik/20180426320477086-deutschland-uno-krieg/

Der Westen und auch Deutschland muss seine Niederlage in Syrien eingestehen. Verbal, politisch und militärisch muss abgerüstet werden.
Wenn die westlichen Staaten hingegen am US-Teilungsplan für Syrien festhalten, wird das die Region in einen neuen Krieg führen.

Nach dem militärischen Angriff auf Syrien vom 14. April und den ihn flankierenden medialen Angriffen auf Syrien folgt nun die politische Offensive des Westens. Dafür soll die „Kleine Syriengruppe“ um weitere Länder erweitert werden – Deutschland, Türkei, Ägypten *), heißt es im Protokoll vom Treffen am 11. Januar 2018.
Die Türkei soll in Absprache mit den USA den Nordwesten Syriens kontrollieren. Um die US-Truppen aus dem Gebiet östlich des Euphrat perspektivisch wieder abziehen zu können, will US-Präsident Trump dort Medienberichten zufolge arabische Soldaten aus den Golfstaaten und aus Ägypten stationieren. Vorerst soll der Einsatz der US-geführten „Anti-IS-Allianz“ und ihrer „Partner am Boden“ (syrische Kurden, Syrische Demokratische Kräfte und andere) von den reichen Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert werden.

Deutschland vorne mit dabei

Deutschland ist eine Rolle in der westlichen Führungsriege zugedacht. Bei der Syrien-„Stabilisierung“ à la USA soll Deutschland weiterhin sowohl militärische als auch humanitäre Aufgaben übernehmen.
Die Bundeswehr gehört schon jetzt zu der US-geführten „Globalen Allianz gegen den IS“ – ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates und daher völkerrechtswidrig. Deutsche Soldaten sind als Militärberater und —ausbilder in Erbil, Bagdad und Amman stationiert. Deutsche Sicherheitsexperten bilden auf Militärbasen in Syrien „lokale Partner“ im Minenräumen und für Sicherheitsaufgaben aus.

Die Bundesregierung dementiert die Anwesenheit deutscher Spezialkräfte der Bundeswehr in Syrien, obwohl lokale Quellen (gegenüber der Autorin) wiederholt die Anwesenheit deutscher Soldaten im Nordosten Syriens bestätigt haben.
Der Bundeswehreinsatz im Rahmen der US-geführten „Anti-IS-Allianz“ unter dem Namen „Operation Inherent Resolve“ umfasst aktuell noch 800 Soldaten.

Im humanitären Bereich sind – neben der offiziellen staatlichen Hilfe für UN-Organisationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) – staatliche und private Hilfsorganisationen in Idlib und in Aleppo-Land aktiv.
Diese Gebiete werden von der Nusra-Front, Ahrar al-Sham, Faylaq al Rahman und von der Türkei kontrolliert, die völkerrechtswidrig nach Syrien einmarschiert ist und dort staatliche türkische Strukturen installiert.
Im Rahmen der Astana-Deeskalationsvereinbarung für Idlib hat die Türkei offiziell temporär Soldaten nach Idlib entsandt.
Deutsche staatliche und private Hilfsorganisationen sind auch bei Manbidsch und östlich des Euphrat aktiv. Die Bundesregierung hat mindestens 10 Millionen Euro für das Minenräumen im verwüsteten Rakka zugesagt.
Das deutsche oder von Deutschland finanzierte Engagement entspricht dem vom ehemaligen US-Außenminister Rex Tillerson skizzierten zivil-militärischen Engagement zur „Stabilisierung“ der „befreiten Gebiete“ in Syrien.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist die staatliche Entwicklungszusammenarbeitsorganisation in der Bundesrepublik Deutschland und entspricht der US-AID, die in Syrien die militärische Präsenz absichert. Die GIZ kooperiert mit staatlichen und privaten Hilfsorganisationen sowie mit der syrischen oppositionellen „Interimsregierung“, um „lokalen Verwaltungen, um dem befreiten Volk zu helfen, ihre eigenen Kommunen zu stabilisieren“, wie Tillerson ausführte.

Warum und wie weit Berlin Washington folgt

Berlin hat erhebliches Interesse an der Zukunft Syriens und folgt daher der Aufforderung aus Washington, „keine internationale Wiederaufbauhilfe für irgendein Gebiet unter Kontrolle des Assad-Regimes“ zu leisten.
Deutschland nutzt den Wunsch der Syrer nach einem normalen Leben, um wirtschaftlichen, politischen und militärischen Druck auf Syrien auszuüben und „um Assad zum Rücktritt zu zwingen.“
Jedes deutsche Engagement in und um Syrien herum – auch für syrische Flüchtlinge in Deutschland oder in Lagern in den Nachbarländern – steht in diesem Zusammenhang.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas machte sich unmittelbar nach dem Angriff auf Syrien vom 14. April für die Fortsetzung des Genfer Prozesses stark. „Wir versuchen, den politischen Prozess neu aufzusetzen“, sagte er im ZDF-Interview. Wichtig sei eine Waffenruhe – das müssten auch die Russen akzeptieren. Russland blockiere den UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto.

Wenige Tage später, bei der Syrien-Debatte im Bundestag am 19. April, sagte Maas laut stenographischem Protokoll, „die internationalen Mechanismen zur Konfliktlösung (haben) versagt (…), ansonsten wäre auch das militärische Eingreifen Frankreichs, der USA und Großbritanniens nicht erforderlich gewesen.“ **) Und weiter:

„Das Assad-Regime hat in der Vergangenheit nachweislich und wiederholt Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung eingesetzt. Mit Chlorgas und Sarin sind unschuldige Frauen, Männer und Kinder auf unerträglichste Weise ermordet worden.“ Jetzt solle die Lage „nicht weiter eskalieren“ und die Dynamik genutzt werden, um „eine Wiederaufnahme des festgefahrenen politischen Prozesses“ voranzutreiben. Weder Genf noch Astana hätten „den politischen Prozess bisher nachhaltig nach vorne bringen können“, so Maas weiter. Die Vereinten Nationen seien „die einzige Institution und Organisation, die einen solchen Prozess dauerhaft tragen“ könne.
Die Bundesregierung habe bei der Nato und der EU auf neue politische Gespräche gedrängt. Beim Außenministertreffen der G7 in Kanada vom 22. bis 24. April sollte ebenfalls über Syrien gesprochen werden.
Engsten Kontakt hält Berlin weiter zu Staffan de Mistura. „Schritt für Schritt müssen wir die internationalen Partner erst wieder an Bord holen, die dann gemeinsam den Prozess der Vereinten Nationen wieder in Gang bringen müssen.
Frankreich, die USA, Großbritannien, die Partner aus der Region, die Türkei und Russland werden für diesen Prozess unverzichtbar sein.“

Man werde alle „Kanäle nach Moskau nutzen, um gegenüber Russland auf eine konstruktive Haltung zu drängen“. Moskau müsse „den Druck auf das Assad-Regime erhöhen“.
Geld soll weiter in die humanitäre Hilfe fließen, das werde Berlin bei der nächsten Syrien-Konferenz in Brüssel ab dem 24. April bekräftigen. Menschenrechtsverbrecher in Syrien müssten vor Gericht gestellt werden.
Deutschland sei bereit, die „Vernichtung syrischer Chemiewaffen ganz praktisch, finanziell und logistisch zu unterstützen“.

Heiko Maas auf dünnem Eis

Mit seinen Äußerungen begibt der Außenminister sich auf dünnes Eis. Zumindest zeigt er, dass er über die historische Entwicklung des Konflikts in Syrien nicht ausreichend informiert ist.
Das wäre aber eine Voraussetzung, um eine nachhaltige politische Lösung für Frieden in Syrien vorantreiben zu können.

Erstens war der militärische Einsatz von USA, Frankreich und Großbritannien völkerrechtswidrig, weil sie – nicht Russland – den international gültigen Mechanismus im UN-Sicherheitsrat missachtet haben.
Zu diesem Ergebnis kommt neben Syrien und Russland auch der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages.

Zweitens wird bis heute behauptet, ohne bewiesen zu sein, dass die syrische Regierung chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt habe. Die Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) hat Syrien indes die Vernichtung seiner Chemiewaffenbestände bestätigt.

Drittens haben die USA 2012 das zuvor unterzeichnete Genfer Abkommen missachtet, indem die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton – unmittelbar nach der Unterzeichnung – erklärte, das Abkommen könne erst umgesetzt werden, wenn Assad nicht mehr an der Macht sei. Diese Forderung war und ist bis heute in keinem UN-Dokument zu Syrien enthalten. Der damalige UN-Sondervermittler für Syrien, Kofi Annan, zog sich nach Clintons Äußerung von dem Posten zurück.

Viertens ist der politische Prozess in Genf festgefahren, weil die vom Westen, der Türkei und den Golfstaaten unterstützte Opposition sich regelmäßig nicht an die ausgehandelten Vorgehensweisen hielt, andere Oppositionsgruppen nicht akzeptierte und zu Beginn fast jeder Verhandlungsrunde den Rücktritt des syrischen Präsidenten forderte.

Fünftens hat Russland – gemeinsam mit dem Iran und der Türkei – mit den Gesprächen und Vereinbarungen in Astana innerhalb eines Jahres in Syrien umfangreiche landesweite Waffenstillstände und Deeskalationsgebiete erreicht, was die Gewalt in Syrien massiv verringert und den Menschen neue Hoffnung gegeben hat. Ein Amnestieangebot an syrische Kämpfer ist seit 2014 in Kraft und wurde bereits von Tausenden Männern unterzeichnet, die ihre Waffen niedergelegt haben.

Sechstens agieren Russland und der Iran in Syrien mit der Zustimmung und auf Einladung der legitimen syrischen Regierung in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.
Die US-geführte Anti-IS-Allianz, der auch Deutschland angehört, hat weder die Zustimmung der syrischen Regierung noch des UN-Sicherheitsrates für seine Präsenz und seine Kampfeinsätze in Syrien.

Wer Frieden will, muss das Völkerrecht akzeptieren

Wer Frieden in Syrien will, muss die Tatsachen im Land akzeptieren, auch wenn sie ihm nicht gefallen. Die militärische und politische Unterstützung Russlands hat den syrischen Präsidenten Assad gestärkt und das Land stabilisiert.
Die von Russland vorgeschlagenen und unterstützten Deeskalationsgebiete, Waffenstillstände und Vereinbarungen zwischen Regierung und Kampfgruppen haben den Weg für eine innersyrische politische Lösung geebnet. Russland ist eine, wenn nicht sogar die neue Ordnungsmacht in Syrien und in der Region.

Der westliche Plan – Assad zu beseitigen – ist gescheitert. Die dafür aufgebaute und geförderte Opposition – auch die syrischen Kurden östlich des Euphrat – ist nicht in der Lage, allen Syrern in ganz Syrien eine politische Perspektive zu bieten.
Sie sollen ihre Ideen in eine innersyrische Debatte einbringen, wie es bei der Konferenz in Sotschi begonnen hat. Dafür braucht Syrien und brauchen die Syrer Unterstützung.
Beratungen auf G7– und Nato-Ebene darüber, wie der „Druck auf Russland“ erhöht werden kann, damit Moskau die syrische Führung ausliefert, sind ein Rezept für Eskalation.
Nein_zur_Nato_DDR1957Besatzung, Destabilisierung
und die anhaltende Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens verstoßen gegen die UN-Charta. In Artikel 2, Absatz 3 der UN-Charta heißt es:

„Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.“

Und Artikel 2, Absatz 4 führt aus:

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Eskalation oder Abrüstung

Um den Syrern, dem Land und der Region weitere Kriege, Leid und Unsicherheit zu ersparen, muss der Westen, muss Deutschland seine Niederlage in Syrien eingestehen. Verbal, politisch und militärisch muss abgerüstet werden.
Der Westen muss auf Syrien und seine Verbündeten zugehen und auf die Golfstaaten, Israel und die syrische Opposition entsprechend einwirken, das ebenfalls zu tun. Hält der Westen an dem US-Teilungsplan für Syrien fest und will die Zukunft des Landes und der Region bestimmen, knüpft er nicht nur an seine koloniale Tradition der Unterwerfung an, sondern wird die Region auch in einen neuen Krieg führen.

*) Also: noch 2 brutale Militärdiktaturen und ein postdemokratischer Vasallenstaat, der seit 1945 keine echte Souveränität hat, sondern durch alte Nazi-Seilschaften, geheime „Stay-Behind“-Armeen und die Atlantik-Brücke an den Schnürchen der USA hängt.

**) Man vergleiche die Situation in Europa September 1939: die internationalen Konfliktlösungsbemühungen in der Polenkrise haben versagt, also hatte Hitler das Recht, dort einmarschieren !?

Jochen

„Millionen stehen hinter mir“ – Die Bande des Monsieur Macron und ein Kommentar von Albrecht Müller

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Da fällt mir die politische Fotomontage von Heartfield ein.

Auch damals wurde ein Politiker von westdeutschen Banken und Stahlindustrie unterstützt. Zuvor hatte er diesen im kleinen Kreis eine gigantische Aufrüstung und die Zerstörung der Arbeiterbewegung versprochen. Er bekam eine massive Wahlkampfunterstützung, so dass er mit seiner Partei in die Regierungskoalition aufgenommen wurde. Die Folgen sind bekannt.
Hier wird deutlich, wer hinter dem kleinen Aufsteiger Macron steht:
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5388627
Ein sehr gut recherchierter Artikel mit vielen Namen, wie man ihn sich in den deutschen Leimmedien wünscht. Man wundert sich nicht mehr, dass auch in Deutschland eine massive Einmischung in den französischen Wahlkampf stattfand. Auch hierzulande gewinnen Banken und Rüstungsindustrien von der massiven Aufrüstung und der Zerstörung der Arbeiterbewegung in Europa. Weiter bringt einen immer die Frage, wem dies oder das nützt.
Auszüge :

Die Bande des Monsieur Macron

von François Denord und Paul Lagneau-Ymonet

Der Terminkalender von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron für den 17. März 2015 war gut gefüllt. Um 7.45 Uhr war er bei der Zeitschrift Politique internationale zu Gast: eine Diskussion mit Arbeitgebern, Diplomaten und Politikern.
Eine Stunde später traf er in seinem Ministerium ein. Dort eröffnet er eine Konferenz über , staatliche Maßnahmen zur Exportförderung ein Meinungsaustausch zwischen Bürokraten und Privatwirtschaft. Dann diskutiert er mit den sozialistischen Senatoren über das Gesetz für Wachstum, Beschäftigung und wirtschaftliche Chancengleichheit.

Um 13.15 Uhr war der Minister zu einem Mittagessen beim industrienahen Thinktank Cercle Turgot eingeladen. Dessen Präsident François Pérol, zugleich Konzernchef von Banques populaires – Caisses d’épargne, begrüßte Macron mit den Worten: „Willkommen, Emmanuel. Kommst du aus dem Senat? Hat dein Gesetzentwurf zu viele Artikel? Mozart hat man früher auch vorgeworfen, seine Musik habe zu viele Noten.“

Das Gesülze hat etwas von Selbstbeweihräucherung, denn Macron und Pérol haben ähnliche Karrieren hinter sich. Beide sind Arztsöhne und ENA-Absolventen, gingen zur Finanzaufsichtsbehörde, dann zur Rothschild-Bank und landeten im Stab des Staatspräsidenten.

Der Minister konnte die anwesenden Banker, Manager und Wirtschaftsprofessoren mühelos für sich einnehmen, am Ende machten sie ihn zum Ehrenmitglied des Cercle Turgot. Anschließend absolvierte Macron eine Fragestunde in der Nationalversammlung. Danach nahm er sich Zeit für ein langes Gespräch mit Pierre Gattaz, dem Präsidenten des Französischen Arbeitgeberverbands. Anschließend hatte er seinen irischen Amtskollegen Richard Bruton zu Gast, um über Arbeitsmarktreformen zu sprechen.

Dieser 17. März 2015 veranschaulicht trefflich, wie der heutige Präsidentschaftskandidat Macron seine Karriere betreibt: eine geplante Serie von Kurzauftritten, um bei den Machteliten Eindruck zu schinden, ohne freilich tiefere Eindrücke zu hinterlassen.

Macron realisierte den üblichen Traum, eine Elitehochschule zu besuchen, mit dem Studium an der Science Po. 1999 führte ihn der Historiker François Dosse bei dem Philosophen Paul Ri­cœur ein, der einen Assistenten suchte. Als Mitarbeiter Ricœurs fand Ma­cron Zugang zur Zeitschrift Esprit, die der „deuxième gauche“ (zweite Linke) nahesteht und damals die Sozialversicherungsreform von Ministerpräsident Alain Juppé unterstützte.

Im Esprit präsentierte Macron sein theoretisches Konzept für die Ausübung von Macht: „Der Diskurs und die politische Aktion können sich nicht mehr einem Programm unterwerfen, das man bei der Wahl präsentiert und dann fünf Jahre lang durchzieht.“1 In der Politik brauche man eher einen Horizont als einen Maßnahmenkatalog. Bei der deuxième gauche fand er die Ideologie, aus der er sein politisches Handeln begründen konnte.

Während des Studiums an der ENA freundete er sich mit Henri Hermand an. Der 2016 verstorbene Hermand, der viel Geld mit Gewerbeimmobilien gemacht hatte, gehörte zu den Ziehvätern einer christlichen Linken, die sich explizit über drei „antis“ definierte, nämlich als antikommunistisch, antikolonialistisch und antijakobinisch.
2007 stellte der Direktor der Finanzaufsicht, Jean-Pierre Jouyet, den vielversprechenden jungen Mann Jacques Attali vor. Der frühere Berater von François Mitterrand war damals Vorsitzender der von Präsident Sarkozy eingesetzten Wachstumskommission, zu deren Vizegeneralreferenten Macron berufen wurde.
Das Abschlussdokument der Kommission von 2008 enthält den Appell, das übliche Lagerdenken zu überwinden, den der Präsidentschaftskandidat Macron heute an jeder Ecke verkündet.

Der „unparteiische“ Attali-Bericht formulierte 300 Vorschläge für grundlegende Reformen im Sinne eines Gesellschaftsprojekts, das auf Konkurrenz und Deregulierung beruht.2
Die genialen Verfasser dieser Studie begnügten sich nicht damit, den Franzosen sechs Monate vor dem Ausbruch der Finanzkrise die Investition ihrer Ersparnisse in Aktien zu empfehlen. Der geforderte Wettbewerb auf allen Ebenen beinhaltete auch die Konkurrenz zwischen einzelnen Gruppen der arbeitenden Bevölkerung, also Beamte gegen Beschäftigte im privaten Sektor, oder selbstständige Taxifahrer gegen Uber-Fahrer.

Dieses Weltbild war ganz nach dem Geschmack des schneidigen Finanzinspektors Macron, der inzwischen der Redaktion von Esprit angehörte, aber auch in sozialliberalen und proeuropäischen Kreisen verkehrte.
Dazu gehörten auch zwei Thinktanks. Der eine namens „En temps réel“ arbeitet an der „Schaffung starker intellektueller Grundlagen für eine Reformagenda“.
Der zweite, „Les Gracques“, kritisiert explizit die „moderne Linke“, weil sie „überall, wo der Markt wirkt, eine Umverteilung will, und überall, wo es Renditen gibt, den regulierten Markt“.

Macrons gesellschaftliche Rendite wurde durch die Stürme der „Moderne“ nicht beeinträchtigt. 2008 stieg er bei der Rothschild-Bank ein, dank der Empfehlung von vier einflussreichen Freunden: Xavier Fontanet, damals Präsident von Essilor; Serge Weinberg, ehemals Berater von Laurent Fabius, Präsident von Sanofi und Weinberg Capital Partners; dem Industrieanwalt Jean-Michel Darrois; und Alain Minc – der als Einziger der vier nicht der Attali-Kommission angehört hatte. Seinen rasanten Aufstieg bei Rothschild verdankte Macron einem Geschäftsabschluss für Nestlé. Dessen Chef Peter Brabeck-Letmathe war ebenfalls Mitglied der Attali-Kommission.

Attali hält sich zugute, Macron 2008 mit François Hollande zusammengebracht zu haben, als dieser gerade den Vorsitz der Sozialistischen Partei (PS) abgegeben hatte. Macron begann für Hollande zu arbeiten und als dieser 2012 im Élysée-Palast einzog, berief er Macron – wiederum auf Empfehlung Attalis – zum Stellvertretenden Generalsekretär für Wirtschaftsfragen im Büro des Staatspräsidenten.

2014 verkündete Jouyet, der inzwischen zu Hollandes Büroleiter aufgerückt war, seinem Protegé die Ernennung zum Wirtschaftsminister.3
Der Name des Wunderkindes war schon bald mit einem Gesetz über die Liberalisierung des Fernbusverkehrs verbunden, aber auch mit Nachtarbeit und längeren Ladenöffnungszeiten. Zudem weichte Macron die Vorschriften für Kollektiventlassungen auf und trieb die Privatisierung der regionalen Flughäfen voran.

Schon in dieser Phase vollzog sich Macrons kometenhafter Aufstieg nach einem präzisen Muster: Er bekommt mittels eines einflussreichen Mentors Zugang zu einer Machtinstitution, bleibt dort lange genug, um ein enges Netz von Kontakten zu knüpfen, strebt sodann einen höheren Posten an, und so weiter.
Auf all seinen Positionen, im Wirtschaftsministerium wie bei der Finanzinspektion, bei Rothschild wie im Präsidentenbüro, blieb Marcon nie länger als drei Jahre.
Als der 39-Jährige im April 2016 seine Bewegung „En marche!“ gründete, konnte er alle Kontakte aktivieren, die er in jeder Etappe seiner Laufbahn aufgebaut hatte.

Als Macron nach dem Abschluss der ENA bei Sciences Po „allgemeine Kultur“ lehrte, freundete er sich mit Lau­rent Bigorgne an, der seit 2010 das Institut Montaigne, einen überaus liberalen Thinktank, leitet. Bigorgnes Privatadresse war am Anfang die offizielle Anschrift von En marche!.
Aber Macron hat auch keine Vorbehalte gegen Thinktanks aus anderen politischen Lagern. Zum Beispiel ist er mit Thierry Pech befreundet, dem Generaldirektor der PS-nahen Stiftung Terra Nova.

Die Hochfinanz im Rücken

Viele frühere Mitglieder der Attali-Kommission setzen auf En marche!. So zum Beispiel der Autor und Ökonom Erik Orsenna, der am ersten großen Treffen der Bewegung Anfang Juli 2016 im Maison de la Mutualité in Paris teilnahm.
Noch mehr zeigten sich bei der ersten Wahlkundgebung am 10. Dezember 2016 an der Porte de Versailles: Josse­line de Clausade, Berichterstatterin der Kommission, die vom Staatsrat in den Vorstand des Casino-Konzerns gewechselt war; Jean Kaspar, Exgeneralsekretär des Gewerkschaftsbunds CFDT, heute Berater für Sozialstrategien; der schon erwähnte Darrois und Stéphane Boujnah, Chef von Euronext, dem Betreiber der Börsen von Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris.

Boujnah soll Macron auch den Mann empfohlen haben, der heute das Geld für seine Wahlkampagne einwirbt: Christian Dargnat war Asset Manager bei BNP und Crédit agricole und von 2010 bis 2013 bei der Arbeitgebervereinigung Medef Leiter des Komitees „Währungen und internationales Währungssystem“.

Macrons Verbindungsmann zu den Gewerkschaften – neben Jean Kaspar – ist Pierre Ferracci. Er hat die CGT-nahe Beratungsfirma Secafi zur Unternehmensgruppe Alpha ausgebaut, die Gewerkschaften, Personalvertretungen und Unternehmungsführungen berät.
Auch Ferracis Sohn Marc und dessen Frau Sophie arbeiten für Macron. Ferraci junior arbeitet an der Science Po am Lehrstuhl „Sicherung der beruflichen Laufbahn“, der von Alpha, der Zeitarbeitsfirma Randstad, der staatlichen Arbeitslosenagentur und dem Arbeitsministerium finanziert wird. Die Wirtschaftsanwältin Sophie Ferraci war Macrons Bürochefin im Ministerium und arbeitet jetzt in seinem Wahlteam.

Bei En marche! machen noch weitere frühere Mitarbeiter seines Ministerbüros mit. Macrons Exkabinettschef Alexis Kohler arbeitet heute zwar für MSC, die zweitgrößte Reederei der Welt, fungiert aber nach wie vor als Berater. Und sein ehemaliger Mitarbeiter Julien Denormandie ist inzwischen Macrons Wahlkampfleiter.

Sprecher von En marche! ist Benjamin Griveaux, der ausnahmsweise nicht aus Macrons Ministerbüro stammt. Aber auch er ist ein typischer „Macron Boy“: Spitzendiplome der École des hautes études commerciales (HEC) und von Sciences Po, auf dem rechten Flügel der PS (Strauss-Kahn und Moscovici) zu Hause, zuvor beschäftigt in einem Ministerialbüro (der Sozialministerin Marisol Touraine).

Fazit: Emmanuel Macron, der als der neue Mann ohne Vergangenheit und ohne Beziehungen posiert, verkörpert mit seiner Person und mit seiner Umgebung das kompakte Aufgebot der Staatsaristokratie (Abteilung Finanzministerium) und der Hochfinanz, kurz: das „System“ schlechthin.

Dreißig Jahre nachdem Hol­lande, Jouyet und andere sozialistische Granden verkündet hatten, dass „die Linke sich bewegt“, inszenieren diese alte Garde und Macrons Jungtürken die ewige Geschichte des Modernismus mit neuer Besetzung. Mit einem Mann, der über den Parteien steht und die Entschlossenheit, die technische Kompetenz und die modernsten Methoden besitzt, um das Land zu führen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ein Programm zu haben. Entscheidend ist, die Wähler vom rechten Rand der Linken bis zum linken Rand der Rechten4 zu gewinnen.

Aber noch mehr kommt es für Macron darauf an, die Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten zu gewinnen, etwa von Jean Pisani-Ferry, dem früheren Leiter des Kommissa­riats für Strategie und Perspektive, das dem Büro des Premierministers angegliedert ist. Der ehemalige Berater von Strauss-Kahn und Jouyet musste allerdings nach dem Brexit feststellen: „Wir sind die Experten, die 52 Prozent der Briten verabscheuen.“5

Emmanuel Macron wird viel Charisma brauchen, um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass er nicht zu diesen Verfemten gehört.

1 Emmanuel Macron, „Les labyrinthes du politique. Que peut-on attendre pour 2012 et après?“, Esprit, Paris, März/April 2011.

2 Commission pour la libération de la croissance française, unter Vorsitz von Jacques Attali, „300 décisions pour changer la France“, Paris (XO Éditions – La Documentation française) 2008.

3 Das Telefongespräch ist dokumentiert: „Bei der Finanzdirektion dachte ich noch, ich wäre dein Chef, jetzt wirst du mein Chef.“ Yves Jeuland, „À l’Élysée, un temps de président“, Dokumentation, gesendet auf France 3 am 28. September 2015.

4 Zum Beispiel die Europaabgeordnete Sylvie Goulard, Autorin von „L’Europe pour les nuls“ (Europa für die Nieten).

5 Le Figaro, 4. Juli 2016.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Die Soziologen François Denord und Paul Lagneau-­Ymo­net sind Autoren von „Le Concert des puissants“, Paris (Raisons d’agir) 2016.

Und hier der Kommentar von Albrecht Müller http://www.nachdenkseiten.de/?p=38012:

Wer regiert die Welt? Wer steckt hinter Macron? Wer hat ihn in kurzer Zeit aufgebaut?

Wer betrieb die Ausdehnung der Nato bis an die Grenze Russlands? Wer hat die neoliberale Ideologie durchgedrückt? Wer hat erfunden und festgezurrt, für die Durchsetzung der neoliberalen Ideologie den schönen Begriff „Reformen“ zu missbrauchen? Wer hat diese Sprachregelung geplant? Wer hat dafür gesorgt, dass in Europa keine fortschrittlichen Parteien mehr regieren? Wer hat die ehedem fortschrittlichen Parteien von innen heraus so verändert, dass man sie nicht mehr wiedererkennt? Wer betreibt den Regime Change in allen Ländern, deren Regierung dem Westen nicht passt? Wer hat Allende weggeputscht? Wer hat die Kennedys umgebracht? Wer hat den ehemaligen Bundespräsidenten Gauck als Kandidaten entdeckt und nach oben geschoben? Wer regiert in den USA? Trump? Die Geheimdienste? Die Rüstungswirtschaft? Die Finanzwirtschaft? Ein Bündel – oder mehrere Bündel – von allem. „Einflussreiche Kreise“ – so nannte ich das einmal. Albrecht Müller.

Daran hat sich mein früherer Mitherausgeber Dr. Wolfgang Lieb so sehr gestoßen, dass er deshalb den Bettel hinwarf. Ich würde diese heiklen Fragen nicht stellen und auch nicht die Antwort „einflussreiche Kreise“ geben, und damit das Risiko laufen, Verschwörungstheoretiker genannt zu werden, wenn mich in den letzten Tagen nicht eine interessante einschlägige Mail eines NachDenkSeiten-Lesers erreicht hätte.
Ich zitiere aus dieser an Norbert Häring und an mich adressierten Mail, weil sie zugleich den Streit und den Disput markiert, der hierzulande ausbricht, wenn man die in der Überschrift formulierte Frage stellt: Wer regiert die Welt? Wer hat Macron in so kurzer Zeit aufgebaut? …
Hinter diesen Fragen steht die Skepsis, ob hierzulande das Volk überhaupt noch etwas zu sagen hat. Dahinter steht die skeptische Frage, ob wir überhaupt noch annähernd demokratische Verhältnisse haben.

Hier nun also die genannte Mail:

Ich habe jüngst aus aktuellem Anlass einen alten Artikel wieder herausgezogen: Den „Ausstiegsartikel“ von Dr. Wolfgang Lieb vom 23. Oktober 2015 und habe mich gefragt, ob Dr. Lieb das, was er damals so geschrieben hat, wohl heute noch so sieht.

Ich habe dann in seinen Blog-der-Republik geschaut und mir gedacht, dass ich mir die Frage sparen kann. Er sieht das noch so. …

Mir geht es anders:

Ich konnte dem Artikel von Dr. Lieb damals noch ziemlich zustimmen. Heute sicher nicht mehr. Vor allem, was diesen Schlüsselabsatz anbelangt:

„Wenn es „in der Geschichte keine Zufälle“ [PDF] gäbe und „einflussreiche Kreise“ im Hintergrund ohnehin die Politik und die Medien hierzulande und in der Welt steuerten und es also vor allem um „abgekartete Spiele“ ginge, dann wären politisches Engagement und das demokratische Ringen um Alternativen sinnlos.“

Ich bin inzwischen vollkommen überzeugt, dass Lieb mit dieser ‚Aussage völlig falsch liegt. Ich gehe davon aus, dass diese einflussreichen Kreise inzwischen ihren Hampelmann Trump genauso hampeln lassen, wie es ihr eigener Kandidat Hillary Clinton gemacht hätte und dass sie demnächst in Frankreich ihren eigenen Mitarbeiter Macron als Präsidenten installieren werden. Nicht ganz unberechtigt ist allerdings die Frage, ob in dieser Situation jegliches politisches Engagement noch Sinn macht.

Diese Frage muss man sich in der Tat stellen. Ich würde trotz aller gewaltigen Rückschläge und trotz der hier angesprochenen Struktur, wonach Entscheidungen nicht in einem auch nur annähernd demokratischen Prozess getroffen werden, sondern von einem überschaubaren Kreis von Einflussreichen und Superreichen, immer noch hoffen, dass wir durch Aufklärung über diese undemokratischen Verhältnisse helfen können, das Schlimmste zu verhindern und Besseres zu schaffen. Gerade wenn man das will, muss man die Wirklichkeit ehrlich beschreiben

Wer sind die einflussreichen Kreise?

Genau sagen, kann man das nicht. Wenn man vom Ergebnis ausgeht, von den gravierenden politischen Entscheidungen, dann hat man Indizien:

  • Es werden Kriege geführt, es wird aufgerüstet, obwohl man 1990 das Gegenteil beschlossen hat. – Die Schlussfolgerung: Die Rüstungswirtschaft hat zentralen Einfluss auf das Geschehen.
  • Wir wurden als Steuerzahler dazu verdonnert, Banken zu retten, weil sie angeblich systemrelevant gewesen seien. Wir haben auf diese Weise den Spekulanten ihre Wettschulden abgenommen. – Die Finanzwirtschaft ist in den einflussreichen Kreisen sicher gut vertreten.
  • Wir schlagen uns mit einer wirtschaftspolitischen Ideologie herum, die das Heil der Welt in der Kürzung von Sozialleistungen und in sogenannten Reformen zu Lasten der abhängig Beschäftigten sucht. Wir haben weltweit Steuerpolitik zugunsten der Oberschicht betrieben. – Zu den einflussreichen Kreisen gehören mit Sicherheit die Superreichen in der Welt und insbesondere im Westen und in den USA. Soros ist ein Musterbeispiel.
  • Wir haben immer wieder festgestellt, dass die Geheimdienste selbst einem neugewählten US-Präsidenten widersprechen und wir haben immer wieder feststellen müssen, dass ihre Praktiken des Abhörens ohne nachhaltigen Widerstand und ohne nachhaltige Kontrolle geblieben sind. – Sie, „die Dienste“, gehören zum inneren Zirkel der einflussreichen Kreise.
  • Wir stellen die enge Zusammenarbeit mit den Medien fest und hören von unseren Medien nur noch Gleichlautendes. Musterhaft demonstriert nach dem Wahlabend in Frankreich. Macron ist ihr Mann.
  • Wir stellen fest, dass imperiale Absichten, also der Griff auf andere Länder und vor allem auf die Ressourcen anderer Länder hoffähig geworden ist. Die Macher des Imperiums der USA sind Teil und Kern des inneren Zirkels der einflussreichen Kreise.

Das waren ein paar Hypothesen und Anstöße zum Nachdenken. Am Text wird weitergearbeitet – auch unter Beachtung der Gedanken und Beobachtungen

Jochen

Die Männer hinter Donald Trump

Veröffentlicht in: Das kritische Tagebuch

Paul Schreyer

Das Phänomen Trump, das hierzulande in den Medien weiterhin für ungläubiges Staunen und Bestürzung sorgt, kam weder aus dem Nichts, noch ist der Milliardär völlig isoliert im US-Establishment. Ein finanzstarkes Netzwerk von rechtskonservativen Unternehmern hat sich schon vor seiner Wahl mit ihm arrangiert, ihn unterstützt und besetzt nun einige der wichtigsten Posten in der neuen Regierung. Die Trump-Präsidentschaft wird durch dieses autoritäre, marktliberale und gewerkschaftsfeindliche Milieu geprägt werden. Von Paul Schreyer.
pexels-photo-164527.jpegDer Aufstieg der extremen Rechten in den USA vollzieht sich schon seit einigen Jahren spiegelbildlich zum sozialen Niedergang großer Teile der Bevölkerung. Sichtbar wurde das spätestens durch den furiosen Erfolg der Tea-Party-Bewegung ab 2009, deren populäre Anführerin Sarah Palin in den deutschen Medien vor einigen Jahren ganz ähnlich verlacht und karikiert wurde, wie nun Donald Trump. Getragen haben den neuen Präsidenten nicht nur die Wut und Verzweiflung der vom Aufstieg Abgehängten, sondern auch diejenigen Teile des Establishments, die diese Wut gern für ihre Zwecke kanalisieren und politisch nutzbar machen wollen.

Während die mächtigsten und einflussreichsten Kreise des Landes klar Hillary Clinton favorisierten und auch bei den Republikanern zunächst andere, „gefälligere“ Kandidaten mit Millionenspenden unterstützt hatten, wurden spätestens mit der sich abzeichnenden Dominanz des Kandidaten Trump auch Verbindungen in dessen Lager geknüpft. Die wesentliche Entscheidung Trumps war es, nicht als unabhängiger Kandidat anzutreten, sondern im Rahmen der Republikanischen Partei. Deren Vorsitzendem, dem jungen und eloquenten Reince Priebus, fiel die knifflige Aufgabe zu, die Parteieliten mit dem einzelgängerischen Provokateur Trump zu versöhnen.

Nach der Wahl ernannte Trump nun ebenjenen Priebus zum Stabschef im Weißen Haus, und verschaffte dem Mann des Establishments damit einen der wichtigsten Regierungsposten. Der Stabschef leitet das Tagesgeschäft des Präsidenten, koordiniert dessen Termine und entscheidet, wer überhaupt ins Oval Office vorgelassen wird und wessen Stimme dort Gehör finden kann. Aufgrund dieser Aufgaben ist der Stabschef immer auch einer der engsten Berater des Präsidenten.

Reinhold „Reince“ Priebus (44), Sohn eines deutschstämmigen Vaters, stammt aus dem Bundesstaat Wisconsin, der, wie sich zeigt, eine Schlüsselrolle im neuen Machtgefüge der Republikaner spielt. Auch Paul Ryan (46), derzeitiger Sprecher des Repräsentantenhauses und Scott Walker (49), Gouverneur Wisconsins und 2015 zeitweiliger Präsidentschaftskandidat der Republikaner, stammen von dort. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrelanger Vorarbeit, vor allem geleistet von einer in Wisconsin beheimateten superreichen und erzkonservativen Stiftung, die ihre Millionen konsequent in den Aufbau von Netzwerken und genehmen Politikern lenkt – der Bradley Foundation.

Die Bradley Foundation

Deren Gründer, die Gebrüder Bradley, machten ab Anfang des 20. Jahrhunderts ein Vermögen mit der Entwicklung und Fertigung von Steuerungselektronik und Automatisierungstechnik. Ihre Stiftung förderte zunächst vor allem soziale Zwecke im heimatlichen Wisconsin. Als das Unternehmen 1985 an einen großen Konzern verkauft wurde, schwoll das Stiftungsvermögen durch die Verkaufserlöse rapide an und man entschloss sich, die zukünftige Arbeit politisch und landesweit auszurichten.
Heute ist die Bradley Foundation mit einem Vermögen von mehr als 800 Millionen Dollar und einem Jahresetat von durchschnittlich 40 Millionen einer der größten politischen Player im konservativen Lager der USA. Das Geld fließt Jahr für Jahr an hunderte Initiativen und Gruppen, die sich den Bradley-Zielen verpflichtet fühlen: „limited government“, sowie der Stärkung eines „demokratisch-kapitalistischen Systems. Die Stiftung gibt sich marktradikal, wünscht sich einen weitgehend unregulierten Kapitalismus und möchte den Einfluss des Staates systematisch verringern. Sie wendet sich dazu gezielt an Eliten und Entscheidungsträger, die sie fördert und zu beeinflussen sucht. Jährlich verleiht sie mehrereBradley-Preise, die jeweils mit 250.000 Dollar dotiert sind, und gern auch an Journalisten vergeben werden.

pexels-photo-259027.jpegDie Bradley Foundation ist weiterhin einer der größten Geldgeber vieler berühmter konservativer Denkfabriken, wie etwa des „American Enterprise Institute“ oder des (mittlerweile eingestellten) „Project für the New American Century“, wo ab 1997 die Neokonservativen Dick Cheney und Donald Rumsfeld ihre aggressiven außenpolitischen Aktivitäten bündelten, noch bevor sie 2001 Teil von George W. Bushs Regierung wurden. Man prägt mit den Stiftungsmillionen also durchaus nachhaltig Entwicklungen und setzt Trends.

Geleitet wurde die Bradley Foundation zuletzt von Michael Grebe, einem erfolgreichen Anwalt an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft. Er war es auch, der einflussreiche republikanische Nachwuchspolitiker wie Reince Priebus, Scott Walker oder Paul Ryan systematisch mit aufbaute. An Grebes eigener Karriere lässt sich dabei gut die Funktionsweise solcher Netzwerke illustrieren.

Wie man Politiker „macht“

Grebe begann seine Laufbahn 1970 bei einer der größten Anwaltskanzleien Wisconsins, Foley & Lardner, zu einer Zeit, als diese Kanzlei gerade ein erstes Büro in Washington eröffnete und damit den Sprung auf die nationale Ebene wagte. Ab den 1980er Jahren war Grebe zudem direkt politisch aktiv. Als ständiger Delegierter Wisconsins bei den Parteitagen der Republikaner und vor allem als Rechtsberater der nationalen Parteiorganisation der Republikaner knüpfte er zahlreiche Kontakte in die Regierung und ins Parlament. In den 1990er Jahren wurde Grebe zum Chef von Foley & Lardner und verantwortete innerhalb der Kanzlei die Gründung einer neuen Unternehmenssparte für Lobbying und PR, um die Politik des Landes im Sinne seiner Geschäftsklienten noch direkter beeinflussen zu können. Als Lobbyisten stellte er ehemalige Politiker ein. 1996 wurde der talentierte Netzwerker dann in den Vorstand der Bradley Foundation berufen, die er von 2002 bis zu seinem Ruhestand 2016 auch leitete und dort maßgeblich entschied, wer in den Genuss der unerschöpflichen Bradley-Millionen kam und wen man dort protegierte.
Grebe war es auch, der das politische Talent im Studienabbrecher Scott Walker entdeckte und dessen Wahlkampf zum Gouverneur von Wisconsin 2010 persönlich leitete. Walker gewann.

Der Sieg Scott Walkers in Wisconsin markierte damals einen Durchbruch für die rechtskonservativen und marktliberalen Kreise in den USA. Mitverantwortlich war der schon erwähnte Reince Priebus, der als damaliger Vorsitzender der Republikaner in Wisconsin Walkers Wahlkampf entscheidend mitlenkte und dem es insbesondere gelang, die radikale Tea-Party-Bewegung in Wisconsin so mit den Republikanern zu verzahnen, dass kein öffentlicher Konflikt zwischen beiden entstand.

Schaukampf gegen Gewerkschaften

Wisconsin war vorher von Demokraten regiert worden und hat eine weit zurück reichende linke Tradition, die in Deutschland gründet. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wanderten zahlreiche Deutsche nach Wisconsin aus, einen Staat, der damals gerade zur Besiedlung freigegeben war. Die Hauptstadt Milwaukee wurde später, zwischen 1910 und 1960, die meiste Zeit über von sozialistischen Bürgermeistern regiert – für eine amerikanische Großstadt extrem ungewöhnlich. Den radikalen Konservatismus der in Milwaukee beheimateten Bradley Foundation kann man auch als Gegenreaktion auf diese linke Tradition sehen.

Nach seinem Wahlsieg attackierte Scott Walker direkt die Gewerkschaften. Er legte 2011 ein Gesetz vor, das ihnen das Recht nahm, für die öffentlichen Angestellten Tarifverträge auszuhandeln. Daraufhin kam es zu großen Protesten, die bis zur Besetzung des Parlamentsgebäudes und Neuwahlen führten. Doch Gouverneur Walker hielt Kurs und wurde sogar wiedergewählt, nicht zuletzt mit Unterstützung teurer PR-Kampagnen und TV-Spots. Parteichef Priebus meinte im Anschluss:

„Wir müssen uns nicht länger von den Gewerkschaften herumschubsen lassen.“

Das ganze war ein Schaukampf mit nationaler Ausstrahlung, ganz im Sinne der Geldgeber. Als Walker schließlich 2015 für die Präsidentschaft kandidierte – wieder mit Grebe als Wahlkampfmanager – blieb er zwar erfolglos, doch die konservativen Sponsoren fanden letztlich auch hier einen Kandidaten, der ihren marktliberalen Kurs mehr oder weniger teilte. Geschäftsleute gehen pragmatisch vor, wenn der jeweilige Favorit in den Vorwahlen verliert. So hat zum Beispiel Ronald Cameron, Chef eines Geflügelkonzerns und einer der zehn größten Spender für die Republikaner im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf, zunächst 3 Millionen Dollar in die Kampagne von Kandidat Mike Huckabee gesteckt, nach dessen Ausscheiden dann 5 Millionen auf Marco Rubio gesetzt und nach dessen Rückzug noch einmal 2 Millionen an Trump gespendet. So ähnlich machen es viele. Wichtig ist, am Ende das Geld beim Sieger platziert zu haben.

coins-currency-investment-insurance-128867.jpegZu Donald Trumps Großspendern gehören auch zwei Milliardärinnen aus Wisconsin: Liz Uihlein, Chefin des Verpackungsherstellers Uline, sowie die Bauunternehmerin Diane Hendricks. Letztere gilt als ausgemachte Gewerkschaftsfeindin und hatte mit ihren Millionen zuvor schon Scott Walker ins Gouverneursamt geholfen. Beide Frauen gehörten im Präsidentschaftswahlkampf zum Beraterstab Donald Trumps. Diane Hendricks sitzt darüber hinaus gemeinsam mit Michael Grebe im Vorstand der Bradley Foundation. Man kennt sich.

Wer ist Mike Pence?

Auch Trumps kommender Vizepräsident Mike Pence – der derzeit schon als Leiter des „Transition Teams“ maßgeblich über die Besetzung diverser Regierungsposten entscheidet – ist kein unbeschriebenes Blatt. Der langjährige konservative Abgeordnete gilt als streng religiös und begeisterter Anhänger der Tea-Party-Bewegung, die ihrerseits von Beginn an von den milliardenschweren Koch-Brüdern unterstützt und mit gesteuert wurde. Die Kochs gehören darüber hinaus ganz direkt zu den größten Sponsoren von Pence.

Das politische Potenzial von Pence erkannte ebenso die Bradley Foundation, die ihn schon früh umwarb. Als Gast auf einer Konferenz der Stiftung äußerte er 2010, auf dem Höhepunkt der Tea-Party-Bewegung, diese gehe „zurück zu den Quellen unserer Größe, nämlich unserem Charakter, unserer Überzeugung und unserem Glauben an begrenzte Regierung“ („belief in limited government“). Für Pence und viele seiner Mitstreiter verschmilzt der urchristliche Glaube mit einer nicht minder strengen Marktgläubigkeit – ein in den USA verbreitetes Phänomen, das viel mit europäischen, calvinistischen Wurzeln zu tun hat. Reiche Geldgeber und Strippenzieher können dort bequem andocken und fördern solchen Extremismus gerne.

Auf einer Veranstaltung der Koch-Brüder sprach Pence 2014 davon, wie einzelne Bundesstaaten (zu der Zeit war er Gouverneur von Indiana) als Labor dafür dienen könnten, Regierungsmacht zu minimieren, die Steuern zu senken und die Wirtschaft weiter zu deregulieren.

Trump selbst hatte im Wahlkampf angekündigt, die Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent senken zu wollen. Sicher einer der Gründe, weshalb gegen Ende des Wahlkampfes im Oktober diesen Jahres gut 100 Unternehmenslenker per offenem Brief energisch zu seiner Wahl aufriefen.
Am Ende bleibt zwar richtig, dass der größte Teil des Establishments fast jeden Kandidaten lieber an der Spitze gesehen hätte, als Donald Trump. Doch den Grund für dieses Unbehagen sollte man weniger in Trumps schrägen politischen Überzeugungen oder seinem schrillen Auftreten suchen, als eher in der schlichten Tatsache, dass sich fast alle anderen Kandidaten viel einfacher hätten kontrollieren lassen, als dieser ebenso exaltierte wie selbstbewusste Milliardär, der offenbar einfach „macht was er will“. Genau deshalb allerdings wurde er vermutlich auch gewählt.

Trump selbst ist klug genug, um sich zukünftig nicht unnötig Feinde unter den Mächtigen zu schaffen. Seine Entscheidung, Priebus und auch Pence in den engsten Kreis aufzunehmen, deutet an, dass er den reichen Sponsoren der anderen Kandidaten durchaus Zugang ins Weiße Haus gewähren will – so wie es auch eine Hillary Clinton als Präsidentin fraglos getan hätte.

Salven aus den Verlagshäusern: Der Anteil der Medien an den Kriegen des Westens

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Viele Beispiele für Manipulation und Meinungsmache können wir gerade erleben.
Z.B. wird unter den Tisch fallenlassen, dass die syrische Regierung den Rebellen in Aleppo Amnestie zugesichert hat, wenn sie ihre Waffen abgeben. Auch die nachträgliche Rehabilitierung des in der Haft verstorbenen serbischen Präsidenten S. Milosevic wurde nicht erwähnt.
https://www.jungewelt.de/m/artikel/294522.salven-aus-den-verlagsh%C3%A4usern.html
lueckenpresseIch habe mir das Buch „LüCKenpresse“ von Ulrich Teusch bestellt und bin schon ganz gespannt darauf.
Und hier auszugsweise der Beitrag von John Pilger:

Am 23. August veröffentlichte der mit zahllosen Preisen ausgezeichnete australische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger auf seiner Internetseite den Artikel »Provoking nuclear war by media«. Wir veröffentlichen an dieser Stelle den Text in deutscher Sprache. (jW)

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag hat den verstorbenen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic in aller Stille von dem Vorwurf entlastet, während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 Kriegsverbrechen begangen zu haben, einschließlich des Massakers von Srebrenica.

Weit davon entfernt, sich mit dem verurteilten Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, zu verschwören, hatte Milosevic »ethnische Säuberungen« verurteilt, gegen Karadzic opponiert und versucht, den Krieg zu beenden, infolgedessen Jugoslawien weiter zerfiel.
Diese Wahrheit, die am Ende einer mehr als zweieinhalbtausend Seiten umfassenden Urteilsbegründung gegen Karadzic vom vergangenen März unterging, zertrümmert einmal mehr jene Propaganda, mit der die NATO 1999 ihren illegalen Angriff auf Serbien rechtfertigte.

Milosevic, »Schlächter vom Balkan«

Milosevic starb 2006 während eines scheinjuristischen Verfahrens des von den USA erfundenen »internationalen Tribunals« in Den Haag an einem Herzinfarkt, als er sich völlig allein in seiner Zelle befand. Nachdem ihm eine Herzoperation verweigert worden war, die sein Leben hätte retten können, verschlechterte sich sein Zustand zusehends.
Das war US-Offiziellen bekannt, sie hielten es aber geheim, wie Wikileaks später enthüllte.

Milosevic war Opfer der Kriegspropaganda, die sich heute wie eine Sturzflut aus Bildschirmen und Zeitungen über uns ergießt und große Gefahren für uns alle signalisiert. Die westlichen Medien machten aus Milosevic den Prototyp eines Dämons und verunglimpften ihn als »Schlächter vom Balkan«, der insbesondere für den »Völkermord« in der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo verantwortlich sei.
Das behauptete der britische Premierminister Tony Blair, der Verbindungen zum Holocaust zog und Maßnahmen gegen den »neuen Hitler« einforderte.
David Scheffer, US-Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen [sic!], erklärte, nicht weniger als »225.000 Männer albanischer Abstammung im Alter zwischen 14 und 59 Jahren« seien von Milosevics Streitkräften ermordet worden.

Das war die Rechtfertigung für das von Bill Clinton und Blair maßgeblich verantwortete NATO-Bombardement 1999, bei dem Hunderte von Zivilisten in Krankenhäusern, Schulen, Kirchen, Parks und Fernsehstudios getötet wurden und das die ökonomische Infrastruktur Serbiens zerstörte.
Bei der berüchtigten »Friedenskonferenz« im französischen Rambouillet wurde Milosevic ausgerechnet von US-Außenministerin Madeleine Albright angegriffen, die sich (1996 in einer US-Fernsehshow, jW) mit der infamen Bemerkung hervorgetan hatte, der Preis einer halben Million getöteter irakischer Kinder sei »es wert« gewesen (gemeint war das US-amerikanische Embargo gegen den Irak, jW).

Albright machte Milosevic ein »Angebot«, das für keinen Staatschef akzeptabel gewesen wäre. Entweder er stimme der militärische Besetzung seines Landes durch »außerhalb des rechtlichen Verfahrens« stehende ausländische Besatzungstruppen und der Auferlegung eines neoliberalen »freien Marktes« zu, oder Serbien werde bombardiert.
Dies war der Inhalt eines »Appendix B«, den die Medien entweder nicht gelesen hatten oder aber dessen Bekanntwerden unterdrückten.

Das Ziel war, Europas letzten unabhängigen »sozialistischen« Staat zu zerschlagen.

Nachdem die NATO mit dem Bombardement begonnen hatte, gab es einen Massenexodus von Flüchtlingen aus dem Kosovo, die »vor einem Holocaust flohen«.
Als es vorbei war, fielen internationale Polizeieinheiten in das Kosovo ein, um die Opfer des »Holocaust« zu exhumieren. Der US-Bundespolizei FBI gelang es nicht, ein einziges Massengrab zu finden, und so zog sie wieder ab. Einem Team spanischer Forensiker erging es nicht anders, was seinen Leiter dazu veranlasste, wütend die »sprachliche Pirouette der Kriegspropagandamaschinerie« anzuprangern.
Am Ende wurden 2.788 Tote im Kosovo gezählt. Dazu gehörten Kombattanten beider Seiten sowie Serben und Roma, die von der »Befreiungsarmee des Kosovo« (UÇK, Abkürzung für albanisch »Ushtria Çlirimtare e Kosovës«, jW) ermordet worden waren. Es gab keinen Völkermord. Der NATO-Angriff war beides – Betrug und Kriegsverbrechen.

Bis auf einen kleinen Bruchteil trafen die als »präzisionsgelenkte Munition« gepriesenen Raketen der USA nicht militärische, sondern zivile Ziele wie die Nachrichtenstudios des Belgrader Rundfunk- und Fernsehsenders RTS (in den frühen Morgenstunden des 23. April 1999, jW). Sechzehn Menschen wurden getötet, darunter Kameraleute, Produzenten und eine Maskenbildnerin. Blair bezeichnete die Toten ruchlos als Teil von Serbiens »Kommando- und Kontrollstruktur«.
Im Jahr 2008 offenbarte Carla Del Ponte, Chefanklägerin des ICTY von 1999–2007, sie sei unter Druck gesetzt worden, die Verbrechen der NATO nicht zu untersuchen.

Der Wunsch, »Gutes zu bringen«

Es war das Modell für Washingtons folgende Invasionen in Afghanistan, Irak, Libyen und die verdeckte Intervention in Syrien, die allesamt als »Hauptkriegsverbrechen« im Sinne der Nürnberger Prozesse bezeichnet werden können; sie alle hingen von der Medienpropaganda ab. Der Boulevardjournalismus spielte seine traditionelle Rolle.
Am wirksamsten aber war der seriöse, glaubwürdige, zumeist liberale Journalismus: eine mit evangelikalem Eifer vorgetragene Unterstützung Blairs und seiner Kriege durch den Guardian, die unablässig vorgetragenen Lügen über Saddam Husseins in Wahrheit nicht existierende Massenvernichtungswaffen im Observer und der New York Times sowie das ständige Rühren der Propagandatrommel für die Regierungspolitik durch die BBC. All das stand im krassen Gegensatz zum Schweigen über Fakten.

Auf dem Höhepunkt der Bombardierung interviewte Kirsteen Anne »Kirsty« Wark von der BBC General Wesley Clark, den Oberbefehlshaber der NATO-Truppen im Kosovo. Über der serbischen Stadt Nis war gerade ein tödlicher Regen von US-Streubomben niedergegangen, mit dem Frauen, alte Menschen und Kinder auf einem offenen Marktplatz und in einem Krankenhaus ermordet wurden. Wark stellte jedoch weder zu diesen noch zu anderen zivilen Todesopfern auch nur eine einzige Frage. Einige ihrer Kollegen waren sogar noch unverfrorener. Im Februar 2003, als Blair und George W. Bush den Irak in Brand gesetzt hatten, stand Andrew Marr, politischer Redakteur der BBC, in der Londoner Downing Street und machte aus seiner Reportage eine Siegesrede. Begeistert erzählte er seinen Zuschauern, Blair habe gesagt, sie seien in der Lage, »Bagdad ohne Blutbad einzunehmen, und dass die Iraker am Ende feiern würden. Und in beiden Punkten ist nun eindeutig erwiesen, dass er absolut richtig lag«. Heute, mit einer Million Toten und einer in Schutt und Asche gebombten Gesellschaft, wäre es der US-Botschaft in London anzuempfehlen, sich Marrs BBC-Interviews noch einmal anzusehen.

Marrs Kollegen standen Schlange, um Blairs Aussage für »bestätigt« zu erklären. Der Wa­shington-Korrespondent der BBC, Matt Frei, sagte: »Es gibt keinen Zweifel, dass der Wunsch, Gutes zu bringen, dem Rest der Welt und vor allem dem Nahen Osten die amerikanischen Werte zu bringen, (…) jetzt zunehmend eng mit der Ausübung militärischer Macht verbunden ist.«

Ausschließlich Assad trage Schuld

Die Verbeugung vor den Vereinigten Staaten und ihren Kollaborateuren als einer gütigen Kraft, die »Gutes bringt«, bestimmt entscheidend den etablierten Journalismus des Westens.*1)

Damit ist gleichzeitig gegeben, dass die Schuld an der gegenwärtigen Katastrophe in Syrien ausschließlich Baschar Al-Assad zugeschoben wird. Der Westen und Israel sind seit langem entschlossen, ihn zu stürzen – nicht wegen irgendwelcher humanitärer Besorgnisse, sondern um Israels Macht in der Region zu stabilisieren.
Die von den USA, Großbritannien, Frankreich, der Türkei und ihren »Koalitions«-Stellvertretern entfesselten und bewaffneten dschihadistischen Kräfte dienen eben diesem Zweck. Sie sorgen für die Propaganda und die Videos, aus denen in den USA und Europa Nachrichten gemacht werden und die Journalisten den Zugang zu dem bieten, was eine einseitige »Berichterstattung« über Syrien garantiert.

Die Stadt Aleppo ist permanent in den Nachrichten. Den meisten Lesern und Zuschauern wird nicht bewusst sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung von Aleppo in dem von der syrischen Regierung kontrollierten westlichen Teil der Stadt lebt. Dass sie unter täglichem Artilleriebeschuss der vom Westen unterstützten Al-Qaida stehen, wird nicht gemeldet. Am 21. Juli 2016 griffen französische und US-amerikanische Bomber ein von der Regierung kontrolliertes Dorf in der Provinz Aleppo an und töteten 125 Zivilisten. Darüber berichtete der Guardian ohne Fotos.

In den 1980er Jahren haben die USA in Afghanistan mit der »Operation Cyclone« einen Dschihadismus geschaffen und abgesichert, der als Waffe dazu dienen sollte, die Sowjetunion zu zerstören. Heute machen die USA etwas Ähnliches in Syrien. Wie die Mudschaheddin in Afghanistan fungieren heute die syrischen »Rebellen« als Bodentruppen der USA und Großbritanniens. Viele von ihnen kämpfen für Al-Qaida und vergleichbare Organisationen. Einige, wie die Fatah-Al-Scham-Front, haben sich mit Rücksicht auf amerikanische Empfindlichkeiten wegen der Anschläge vom 11. September 2001 umbenannt. Sie werden trotz einiger Schwierigkeiten von der CIA geführt, wie sie es mit Dschihadisten überall auf der Welt tut.

Das unmittelbare Ziel ist die Zerstörung der Regierungsmacht in Damaskus, die nach einer äußerst glaubwürdigen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov Siraj die Mehrheit der Syrer unterstützt oder die sich von ihr zumindest erhofft, von ihr geschützt zu werden, unabhängig von der Barbarei, die sich in deren Machtbereich ereignet.
Langfristig zielt diese Strategie darauf, Russland in seiner Rolle als entscheidender Verbündeter im Nahen Osten zu bekämpfen. Das ist Teil eines Zermürbungskriegs der NATO gegen die Russische Föderation, um sie am Ende zu zerstören.

Dämon Putin

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Schurke, Dämon, Vampir. Kein Vergleich war den meisten Medien der NATO-Staaten zu billig, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu schmähen (Plakat der ukrainischen Gemeinde in Tschechien auf einer Demonstration am 8. März 2014 in Prag gegen die russische Aneignung der Krim) – Foto: David W Cerny/Reuters

Das atomare Risiko liegt auf der Hand, auch wenn es von den Medien der »freien Welt« verschwiegen wird. Die Kommentatoren der Washington Post, die für die Fiktion von Massenvernichtungswaffen im Irak Reklame machten, fordern, dass US-Präsident Barack Obama Syrien angreift.

Hillary Clinton, die öffentlich über ihre Henkerrolle bei der Zerstörung Libyens frohlockte, hat wiederholt erklärt, dass sie als Präsidentin »weiter gehen« würde als Obama.

Gareth Porter, ein Samisdat-Journalist, der aus Washington berichtet, enthüllte vor kurzem die Namen von Personen, die möglicherweise einem Clinton-Kabinett angehören könnten und einen Angriff auf Syrien befürworten. Sie alle verbindet eine gemeinsame Geschichte als angriffslustige Protagonisten des Kalten Krieges. Der ehemalige Direktor der CIA, Leon Panetta, sagt, dass »der nächste Präsident in Betracht ziehen muss, zusätzlich Spezialeinheiten auf dem Boden einzusetzen«.

Das Bemerkenswerteste an der jetzt sturmflutartig über uns hereinbrechenden Kriegspropaganda ist ihre offenkundige Absurdität und gleichzeitig die Vertrautheit mit ihr. Ich habe mir Archivaufnahmen von Filmen aus dem Washington der 1950er Jahre angesehen, als Senator Joseph McCarthy eine Hexenjagd gegen Diplomaten, Staatsbedienstete und Journalisten lostrat und sie in ihrer Existenz ruinierte, weil sie die Lügen über die Sowjetunion und China öffentlich infrage gestellt hatten.
Wie ein Krebsgeschwür ist der Anti-Russland-Kult nun wieder zurückgekehrt.

In Großbritannien führt Luke Harding vom Guardian die Russland-Hasser seiner Zeitung dabei an, Wladimir Putin alle Schuld zuzuweisen. Als der Inhalt der Panama-Papers am 3. April 2016 an die Öffentlichkeit gelangte, setzte der Guardian den russischen Präsidenten mit Foto auf die Titelseite, obwohl dessen Name an keiner einzigen Stelle in den Enthüllungen vorkommt.

Wie einst Milosevic wird nun Putin zum Dämon Nummer eins gemacht. Er war es natürlich, der eine Maschine der Malaysian Airlines über der Ukraine abschoss. Überschrift: »Meiner Meinung nach hat Putin meinen Sohn getötet.« Beweise? Nicht erforderlich.
Natürlich war es auch Putin, der für den nachweislich von Washington veranlassten (und finanzierten) Sturz der gewählten Regierung in Kiew im Jahr 2014 verantwortlich war.
Für die nachfolgende Terrorkampagne faschistischer Milizen gegen die russischsprachige Bevölkerung der Ukraine war natürlich Putins »Aggression« verantwortlich.
Zu verhindern, dass die Krim eine NATO-Raketenbasis wird, und die dort lebende mehrheitlich russische Bevölkerung zu schützen, die in einem Referendum für eine Wiedervereinigung mit Russland – von dem die Krim annektiert worden war – stimmte, waren weitere Beispiele für Putins »Aggression«.
Die Verleumdungen der Medien werden so zwangsläufig zum Krieg der Medien. Sollte der Krieg mit Russland planmäßig oder aus Versehen ausbrechen, tragen Journalisten dafür einen großen Teil der Verantwortung.

Trump, der »sibirische Kandidat«

Der New York Times-Kolumnist Paul Krugman, ein mit dem Nobelpreis ausgezeichneter Ökonom, bezeichnete Donald Trump als »sibirischen Kandidaten«, weil Trump Putins Mann sei, wie er sagt. Trump hatte es gewagt, in einem seiner seltenen lichten Momente anzudeuten, dass ein Krieg mit Russland eher eine schlechte Idee sein könnte.
Er ging sogar noch einen Schritt weiter und entfernte den Passus über US-amerikanische Waffenlieferungen an die Ukraine aus dem Programm der Republikaner. »Wäre es nicht toll, wenn wir mit Russland klarkämen?« fragte er.

Aus diesem Grund hassen die Kriegstreiber des liberalen US-Establishments ihn. Trumps Rassismus und seine polternde Demagogie haben damit jedoch nichts zu tun. Mit dem Rassismus und Extremismus, den Bill und Hillary Clinton auf dem Kerbholz haben, können sie Trump spielend jeden Tag übertrumpfen.
(Vor 20 Jahren wurde Clintons »Reform« der Sozialgesetzgebung lanciert, die einen Krieg gegen die afroamerikanische Bevölkerung eröffnete).
Nicht anders bei Obama: US-Polizisten schießen afroamerikanischen Bürger nieder, doch der große Hoffnungsträger im Weißen Haus hat nichts dafür getan, sie zu schützen oder ihre Verarmung zu mildern. Gleichzeitig führte er vier Kriege und war für eine beispiellose Mordkampagne verantwortlich.

Die CIA hat gefordert, Trump solle nicht gewählt werden. Die Generäle des Pentagons fordern das gleiche. Auch die Kriegsbefürworter der New York Times gönnen sich eine Verschnaufpause von ihrer unerbittlichen Kampagne billiger Verleumdungen gegen Putin und werben dafür, Trump die Stimme zu verweigern. Da ist etwas im Gange.
Diese Volkstribune des »permanenten Krieges« erschreckt, dass das Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft des Krieges, mit dem die Vereinigten Staaten ihre Vorherrschaft behaupten, gefährdet werden könnte, wenn Trump sich erst mit Putin und dann mit Chinas Xi Jinping auf einen Deal einigt.

»Trump hätte Stalin geliebt!« grölte Vizepräsident Joe Biden auf einer Kundgebung für Hillary Clinton. Clinton nickte zustimmend, als er weiter ausrief: »Wir unterwerfen uns niemandem. Wir beugen uns nicht. Wir fallen vor niemandem auf die Knie. Wir ergeben uns niemals. Wir sind immer die ersten auf der Ziellinie. Das ist es, was wir sind: Wir sind Amerika!«

Verachteter Kriegsgegner Corbyn

In Großbritannien war es Jeremy Corbyn, der ebenfalls Hysterie unter den Kriegstreibern in der Labour-Partei und in den Medien auslöste, die es gewohnt sind, über ihn herzuziehen. Lord West, ein ehemaliger Admiral und Arbeitsminister, sprach deutliche Worte. Corbyn habe eine »empörende« Antikriegsposition eingenommen, »weil er damit die unbedacht handelnden Massen dazu bringt, für ihn zu stimmen«.

In einer Debatte mit seinem Herausforderer Owen Smith wurde Corbyn vom Moderator gefragt: »Wie würden Sie auf einen Übergriff Wladimir Putins auf einen Mitgliedsstaat der NATO reagieren?« Corbyn antwortete: »In erster Linie ginge es darum zu verhindern, dass so etwas überhaupt passiert. Man würde mit Russland einen guten Dialog entwickeln. (…) Wir würden versuchen, eine Entmilitarisierung der Grenzen zwischen Russland, der Ukraine und den anderen Ländern an der Grenze zwischen Russland und Osteuropa einzuleiten. Was wir nicht zulassen dürfen, ist der verhängnisvolle Truppenaufmarsch auf beiden Seiten, der große Gefahren in sich birgt.«

Als Corbyn dazu gedrängt wurde zu sagen, ob er einem Krieg gegen Russland die Genehmigung erteilen würde, »wenn Sie es müssten«, antwortete Corbyn: »Ich möchte nicht in den Krieg ziehen – ich möchte eine Welt schaffen, in der wir nicht mehr gezwungen sind, in den Krieg zu ziehen«.

Diese Art der Befragung ist Britanniens linksliberalen Kriegsbefürwortern zu verdanken. Labour Party und Medien haben ihnen sehr lange Karrieremöglichkeiten geboten.
Eine Zeitlang gerieten sie durch den von den großen Verbrechen im Irak ausgelösten moralischen Tsunami ins Schwimmen, und ihre Verkehrung der Wahrheit erschien als zeitweilige Peinlichkeit.

Abweichende Meinungen im Journalismus oder in der wissenschaftlichen Lehre wurden seitdem entweder systematisch verbannt oder zurechtgebogen, demokratisches Denken wurde zuerst entleert und dann wieder mit »Identitätspolitiken« gefüllt, die Gender mit Feminismus und Angst in der Gesellschaft mit Befreiung verwechseln, und die vorsätzlich die staatliche Gewalt und die Geschäftemacherei mit Waffen ignorieren, durch die unzählige Leben in weit entfernten Ländern wie Jemen und Syrien vernichtet werden und die einen Atomkrieg in Europa und in der ganzen Welt als Möglichkeit am Horizont aufscheinen lassen.

Das Wachrütteln von Menschen aller Altersgruppen rund um den spektakulären Aufstieg von Jeremy Corbyn wirkt dem bis zu einem gewissen Grad entgegen.
Corbyn hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, über die Schrecken des Krieges aufzuklären. Sein Problem und das seiner Anhänger ist die Labour Party.
In den USA war es die Demokratische Partei, die für Tausende Anhänger von Bernhard »Bernie« Sanders’ zum Problem wurde, einmal abgesehen vom letztlichen Verrat ihrer großen weißen Hoffnung. In den USA, der Heimat der großartigen Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen, bilden »Black Lives Matter«, »Codepink« und ähnliche Organisationen moderne Versionen dieser Bewegungen.

Denn nur eine Bewegung, die sich in den Straßen und über die Grenzen hinweg ausbreitet und wächst und die nicht aufgibt, ist in der Lage, die Kriegstreiber zu stoppen.
Im nächsten Jahr ist es hundert Jahre her, seit Wilfred Owen das Gedicht »Dulce et Decorum est« schrieb (lat. für: »Süß und ehrenvoll ist es«), aus dem die folgende Strophe stammt. Jeder Journalist sollte es lesen und sich immer wieder daran erinnern …

Wenn du hören könntest, wie bei jedem Stoß das Blut
Gurgelnd aus seinen schaumgefüllten Lungen läuft,
Ekelerregend wie der Krebs, bitter wie das Wiederkäuen
Von Auswurf, unheilbare Wunden auf unschuldigen Zungen,
Mein Freund, du erzähltest nicht mit so großer Lust
Kindern, die nach einem verzweifelten Ruhmesglanz dürsten,
Die alte Lüge: Dulce et decorum est
Pro patria mori. (*2)

(*2) Die Übersetzung der Gedichtstrophe ist folgender Quelle entnommen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Dulce_et_Decorum_est_(Gedicht)#cite_note-2

*1) Wie die Etablierung von führenden Journalisten in Leitmedien stattfindet, dazu aus Betroffenensicht Udo Ulfkotte:
https://josopon.wordpress.com/2014/11/10/interview-mit-udo-ulfkotte-ex-faz-uber-gekaufte-journalisten-in-grosen-zeitungen/
Über CIA-Mietmäuler und Sprachrohre der Kriegstreiber in deutschen Redaktionen hier:

https://josopon.wordpress.com/2015/09/02/mietmauler-und-sprachrohre-der-kriegstreiber-gehoren-in-keine-deutsche-redaktion/

Jochen

Kleiner Nachtrag zum US-Wahlkampf: Hillary Clinton befeuerte als Außenministerin den Bürgerkrieg in Syrien – Aktuell: Israel hat 200 Atomsprengköpfe

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das stand schon Anfang Juli in der jungen Welt, hat aber bisher keine große Aufmerksamkeit gefunden:

k_leukefeldSyrien schlagen, um Iran zu treffen

Endlich belegt: Hillary Clinton befeuerte als Außenministerin den Bürgerkrieg in Syrien

Von Karin Leukefeld https://www.jungewelt.de/2016/07-06/021.php
Auszüge:

Dieses Dokument hat es in sich: UNCLASSIFIED U.S. Department of State Case No. F-2014-20439 Doc No. C05794498

Es handelt sich um ein Dokument, das Ende 2015 vom US-Außenministerium freigegeben und kürzlich über Wikileaks öffentlich zugänglich gemacht wurde.
Thema der Depesche: Der neue Iran und Syrien. Autorin: Hillary Clinton, damals US-Außenministerin.

Bei dem angegebenen Datum (31.12.2000) handelt es sich vermutlich um einen Irrtum, denn zu dem Zeitpunkt gab es weder Verhandlungen mit dem Iran noch einen Krieg in Syrien. Zudem wird ein Interview der US-Journalistin Christine Amanpour (CNN) mit dem damaligen israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak erwähnt, das erst im April 2012 ausgestrahlt worden war. Vermutlich stammt der Text also aus dem Jahr 2012.

Behandelt wird darin die Frage, wie die USA Israel helfen könnten, mit der wachsenden nuklearen Gefahr des Irans umzugehen. Clinton schreibt, »der beste Weg (sei), dem syrischen Volk zu helfen, das Regime von Bashar Assad zu stürzen«. Das iranische Nuklearprogramm »und Syriens Bürgerkrieg scheinen nicht in Verbindung zu stehen, doch es gibt eine Verbindung«, schreibt Clinton.

Die Verhandlungen mit dem Iran würden »Israels Sicherheitsdilemma nicht lösen«, so Clinton. Ein Angriff Israels auf den Iran würde einen »großen Krieg im Mittleren Osten« auslösen. Israel sei dabei nicht besorgt, dass Iran angreifen könne, sondern habe Angst, sein »nukleares Monopol« in der Region zu verlieren, wenn nach dem Iran auch Saudi-Arabien und Ägypten nuklear aufrüsten würden. Als Atommacht könnte der Iran leicht seine Verbündeten in Syrien und die libanesische Hisbollah auffordern, Israel anzugreifen. Die »strategische Beziehung« zwischen Iran und Syrien ermögliche es, Angriffe durch die iranischen Stellvertreter im Libanon, die Hisbollah, auf Israel zu befehlen. »Das Ende des Assad-Regimes würde diese gefährliche Allianz beenden. Die israelische Führung versteht sehr wohl, warum es in ihrem eigenen Interesse ist, Assad zu zerstören.«

Clinton verweist auf ein CNN-Interview des damaligen Verteidigungsministers Ehud Barak mit Christine Amanpour, in dem Barak sagt: »Der Sturz von Assad wird ein schwerer Schlag für die radikale Achse sein, ein schwerer Schlag gegen den Iran … und es wird zu einer dramatischen Schwächung sowohl der Hisbollah im Libanon als auch der Hamas und des Islamischen Jihad im Gazastreifen führen.«

Sollte »Assad weg sein« und der Iran Israel nicht länger durch seine Stellvertreter bedrohen, könnten sich die USA und Israel auf »rote Linien« einigen, wann das iranische Atomprogramm eine unakzeptable Schwelle überschritten habe.
»Kurz gesagt, das Weiße Haus kann die Spannungen zwischen Israel und Iran lösen, wenn es das Richtige in Syrien tut.« Die Rebellion in Syrien dauere schon länger als ein Jahr, und weder werde die Opposition verschwinden noch werde das Regime eine diplomatische Lösung von außen akzeptieren. Doch: »Wenn sein Leben bedroht ist und das seiner Familie, nur diese Drohung oder die Anwendung von Gewalt wird den syrischen Diktator Bashar Assad dazu bringen, seine Meinung zu ändern.«

Clinton führt weiter aus, dass ein Eingreifen in Syrien schwieriger sei als in Libyen, doch »ein Erfolg (…) würde ein gestalterisches Ereignis für den Mittleren Osten bedeuten.«
Es würde nicht nur ein »skrupelloser Diktator von einer Massenopposition in den Straßen hinweggefegt«, die Region wäre auch besser, weil der Iran nicht länger eine Basis im Mittleren Osten hätte, »von wo er Israel bedroht«.
Dieser Plan erfordere »grundlegende diplomatische und militärische Führung der USA«.
Dazu auch aktuell geleakt:

colin_powell_kColin Powell: Israel hat 200 Atomsprengköpfe

http://derstandard.at/2000044500075/Powell-Israel-hat-200-Atomsprengkoepfe

Ehemaliger Diplomat: von Hackern veröffentlichte E-Mails zu Atomverhandlungen mit Iran sind echt

Washington – Der frühere US-Außenminister Colin Powell hat die Zahl der israelischen Atomsprengköpfe auf 200 beziffert.
Das geht aus gehackten E-Mails des Republikaners aus dem März 2015 hervor, die eine Enthüllungsplattform veröffentlicht hat. Bisher war von weit weniger Atomwaffen ausgegangen worden. Die Federation of American Scientists (FAS) beziffert die Sprengköpfe in Israel auf 80.

In den E-Mails tauscht sich Powell mit einem Vertrauten über die Verhandlungen zum iranischen Atomabkommen aus. Er bezweifelt, dass der Iran – ein erklärter Erzfeind Israels – Atomwaffen einsetzen würde, selbst wenn das Land welche bauen könnte.
„Die Jungs in Teheran wissen, dass Israel 200 hat, die alle auf Teheran gerichtet sind, und wir haben tausend.“

In dem Schriftverkehr mit dem US-Investor Jeffrey Leeds geht es um eine Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vor dem US-Kongress am 3. März 2015. Netanyahu hatte darin eindringlich vor dem Abkommen des Westens mit dem Iran gewarnt.
Ziel des Deals mit Teheran ist es, die Islamische Republik vom Bau von Atomwaffen abzuhalten.

Der geleakte Schriftverkehr ist Teil zahlreicher E-Mails des Republikaners, die die Webseite DCLeaks.com in dieser Woche veröffentlicht hat.
Powell räumte die Echtheit der Dokumente ein. (APA, dpa, 16.9.2016)

Jochen

Die Multi-Millionen-Deals von Bill und Hillary Clinton

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Gegenüber den plumpen Auftritten des republikanischen Kandidaten wird in der deutschen Standardmedien Hillary so als Lichtgestalt dargestellt. Hier endlich mal ein kritischer Artikel in der Süddeutschen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/us-praesidentschaftswahl-die-multi-millionen-deals-von-bill-und-hillary-clinton-1.3116462

In dessen Zusammenhang bringt sich die neulich bekannt gewordene, vergoldete Stiftungstätigkeit des Ehemannes unser verehrten Bundeskanzlerin, Prof. Sauer, in Erinnerung . Auch dieses Paar dürfte aller finanziellen Sorgen ledig sein:

https://publikumskonferenz.de/blog/2016/04/20/der-merkel-sauer-springer-komplex/

Auszüge:

Die ökonomische Bilanz von Senatorin Hillary Clinton ist durchwachsen und vieles rund um die Familienstiftung unappetitlich.
Im Fokus: Honorare für Reden ihres Mannes Bill.

Von Matthias Kolb, Washington

Drei Tage nach Donald Trumps Grundsatzrede zur Wirtschaft ist Hillary Clinton nach Detroit gereist. Sie hat den „Steuersätze kürzen und Regulierungen streichen“Ideen des Republikaners ihre eigenen wirtschaftspolitischen Pläne entgegengestellt – und hat im Vergleich zu Trump mehr Details genannt.
Die Wähler ahnen nun, wie neue Brücken, Straßen, Flughäfen und bessere Kinderbetreuung bezahlt werden sollen: durch höhere Steuern für Besserverdiener.

Aber großspurige Ankündigungen liegen auch Clinton nicht fern. Seit Wochen verspricht sie, das „größte Investitionsprogramm in gutbezahlte Jobs seit dem Zweiten Weltkrieg“ durchzusetzen. Gern verweisen ihre Berater auch auf ihre Zeit als Senatorin: Für 200 000 Jobs wollte sie in Upstate New York verantwortlich sein, der deindustrialisierten Region nördlich der Metropole.
Eine Recherche der Washington Post zeigt nun aber, dass Clinton zu viel versprochen hat. Ohnehin hat ein Senator in Washington kaum Einfluss auf die regionale Wirtschaft.

Dass Trump den Artikel während seiner Rede in Detroit genüsslich zitierte, ist logisch. Seine anderen Kritikpunkte an Clintons Wirtschaftspolitik – dass sie lange für Freihandel war, Spenden von Wall-Street-Banken annahm, strengere Umweltauflagen befürwortet – gehen allerdings im Chaos unter, wenn Trump darüber orakelt, was Waffenbesitzer nach Clintons Wahl ins Weiße Haus tun könnten.

Trumps Getöse überlagert berechtigte Kritik an Hillary Clinton

Der republikanische Kandidat verspielt damit einen strategischen Trumpf: Das ohnehin große Misstrauen der US-Amerikaner gegenüber Berufspolitikern wächst und wächst – und Berufspolitiker sind die Clintons ohne Zweifel: Weder Hillary noch ihr Ehemann Bill haben in der Privatwirtschaft gearbeitet.
Wegen Trumps verstörenden Auftretens werden Fragen nach den Vorgängen in der Familienstiftung und den hohen Gagen für Reden von Bill Clinton mittlerweile nur als parteilich angesehen. Dabei zeigt die aktuelle Bestseller-Liste der New York Times, dass sich Clinton-Bashing auszahlt. Die drei Top-Sachbücher attackieren die Kandidatin der Demokraten.
Diese Bücher sind schlimme Machwerke von ehemaligen Secret-Service-Agenten und entlassenen Beratern.
Anders das Buch „Clinton Cash“, erschienen im Frühjahr 2015, und auf Platz 12 der Rangliste. Autor Peter Schweizer steht zwar den Republikanern nahe, aber seine Recherchen über Insider-Aktien-Deals von Abgeordneten haben Konservative ebenso blamiert wie Liberale. Schweizer geht in „Clinton Cash“ der Frage nach, wieso ausländische Regierungen und Privatleute viele Millionen an die „Bill, Hillary & Chelsea Clinton Foundation“ überweisen und ob es nicht Interessenskonflikte zwischen dem öffentlichen Amt von Hillary und den Auftritten von Bill gibt (seit Ende seiner Amtszeit hat er mehr als 105 Millionen Dollar für Reden kassiert).

Das ist die Clinton-Stiftung

Die Stiftung wurde 1997 gegründet, um nach Bill Clintons Amtszeit ein Präsidenten-Museum (inklusive Bibliothek und Archiv) zu finanzieren.
Es entstand eine Organisation, die mindestens zwei Milliarden Dollar an Spenden (Stand Juni 2015) eingeworben hat. Die Stiftung ist in dieser Form einzigartig – sie wird von einem Ex-Präsidenten geleitet, dessen Frau Außenministerin war und nun beste Chancen hat, selbst ins Weiße Haus einzuziehen.

Die Stiftung engagiert sich im Kampf gegen HIV in Afrika (Nelson Mandela forderte Bill dazu auf), bekämpft weltweit Fettleibigkeit und fördert Bildungschancen für Mädchen (hier ihre Selbstdarstellung). Eine Besonderheit, die neben Buchautor Peter Schweizer auch Medien wie die Washington Post betonen: Die Clinton-Stiftung schickt selbst keine Entwicklungshelfer los oder finanziert eine nennenswerte Zahl eigener Projekte. Sie vernetzt vielmehr reiche Spender aus aller Welt mit Hilfsorganisationen – und mittendrin ist Menschenfänger Bill Clinton.

Jedes Jahr im September organisiert die Stiftung parallel zur UN-Vollversammlung die „Clinton Global Initiative“, und nur zum Weltwirtschaftsforum in Davos reisen ähnlich viele Berühmtheiten aus Wirtschaft und Politik an. Sie alle wollen mit den Clintons reden und gesehen werden.
Hier setzen die bohrenden Fragen vieler Kritiker an. Dass reiche Mäzene durch Spenden ihr Image aufbessern wollen, ist üblich, aber Schweizer mutmaßt, dass es manchen auch um den Zugang zur Macht geht – und dass diese Menschen hofften, zumindest indirekt US-Politik beeinflussen zu können.

Umstrittene Spenden von undemokratischen Staaten

Erstaunlich eng ist das Verhältnis von Bill Clinton zum kanadischen Bergbau-Unternehmer Frank Giustra. Dieser überlässt dem Ex-Präsidenten oft seinen Privatjet und ist in jenen Staaten dabei, in denen er Geschäfte machen will.
2005 besuchte Bill Clinton das rohstoffreiche Kasachstan, um dem dortigen Diktator für seinen Kampf gegen Aids zu danken, obwohl die Immunschwächekrankheit in Kasachstan kaum verbreitet ist.

Dass Giustras Firma „Uranium One“ kurz darauf erlaubt wurde, Uran in Kasachstan abzubauen, verwunderte viele Beobachter. Giustra verpflichtete sich anschließend, der Clinton-Stiftung mehr als 30 Millionen Dollar zu spenden – und Redner Bill Clinton wurde in Kanada und Russland für sechsstellige Summen gebucht.

Über diesen Fall wird aus mehreren Gründen häufig geredet: 2013 kaufte die russische Atomenergiebehörde Rosatom „Uranium One“ und kontrolliert damit große Teile der Lieferkette des auch militärisch wichtigen Rohstoffs (die New York Times hat Details hier beschrieben).
Außerdem startete die Stiftung eine eigene Einheit namens „Clinton Giustra Enterprise Partnership“ (CGEP).
Das Ziel, Armut in rohstoffreichen Staaten zu mindern, ist ehrenwert – doch für CGEP gelten die Transparenz-Regeln nicht, auf die sich die Clintons für ihre Stiftung verpflichtet haben.

Wie die Rechercheure von Politifact betonen, diskutierten Abgesandte von Barack Obama Ende 2008 nach dessen Wahlsieg ausführlich über die Stiftungsarbeit und mögliche Konsequenzen, wenn Hillary Clinton zur Außenministerin ernannt werden sollte.
Ein eigenes „Memorandum of Understanding“ (hier als PDF) verpflichtete die Stiftung, jährlich ihre Spender zu veröffentlichen, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
Belegt sind Zuwendungen aus Algerien, Indien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten – als Senatorin und Chefdiplomatin hatte Hillary Clinton großen Einfluss auf Entscheidungen, die diese Staaten direkt betrafen.

Auf einer eigenen Website ist zwar nachzulesen, dass neben dem Königreich Saudi-Arabien auch die Stiftung eines ukrainischen Oligarchen und der Medienunternehmer Haim Saban zwischen 10 und 25 Millionen Dollar gespendet haben – doch der Name des Bergbau-Unternehmers Giustra fehlt.
Nicht erst seit den „Panama Papers“ weiß die Welt, wie sich Besitzverhältnisse verschleiern lassen.

Auch im Buch „Clinton Cash“ finden sich keine Belege für eine klare „Quid pro quo“-Korruption der Clintons. Obwohl Hunderte konservative Anwälte (etwa bei der Organisation Judicial Watch) vor Gericht um die Freigabe von Dokumenten kämpfen – hier sind wir wieder bei E-Mails -, kam es nie zu Anklagen.
Juristisch lassen sich die Vorwürfe nicht erhärten, und doch bleiben Fragen: Warum etwa akzeptieren die Clintons Millionen vom nigerianisch-libanesischen Milliardär Gilbert Chagoury, der wegen Geldwäsche in Europa verurteilt wurde? Bisher ist es keinem Faktenchecker oder Journalisten gelungen, klare Antworten von der Stiftung zu bekommen.

Erst Mitte der Woche publizierte Judicial Watch neue E-Mails, die ein Phänomen belegen, das auch Schweizer beschreibt:
Viele Mitarbeiter der Clinton-Stiftung wechseln zwischen Ministerien, dem Wahlkampfteam und der Wohltätigkeitsorganisation hin und her.

Schweizer dokumentiert auch, dass Hillary Clinton als Außenministerin vielen Angestellten den speziellen SGE-Status (special government employee) zugestand. Als SGE können Mitarbeiter des Ministeriums andere Aufgaben übernehmen, etwa als Berater.
Mit stattlichen Summen entlohnen Unternehmen die „strategischen Ratschläge“ von Leuten wie Huma Abedin, die nah dran sind an der Ex-Außenministerin (Hillary nennt Abedin eine „zweite Tochter“ ).

Freihandel? Mal dafür, mal dagegen

In ihrer Rede in Detroit wird Clinton auch über Freihandelsabkommen wie Nafta oder den transpazifischen TPP-Deal sprechen. „Clinton Cash“ und unzählige Artikel belegen auch hier ihre wechselnden Meinungen: Wie Obama war sie im Wahlkampf gegen Abkommen mit Staaten wie Kolumbien, doch als Außenministerin kämpfte sie erfolgreich dafür. Dass sie an einem Tag kurz nach Bill – der von Bergbau-Milliardär Giustra begleitet wurde – den Präsidenten traf, macht viele skeptisch. Ähnliches gilt für die Beteuerungen der Demokratin im Wahlkampf, seit jeher Freihandelsabkommen kritisch gesehen zu haben.

Wer sich genauer mit der Clinton-Stiftung beschäftigt, erinnert sich schnell an jene umstrittenen Reden, die Hillary Clinton für 675 000 Dollar vor Wall-Street-Bankern gehalten hat und deren Transkripte weiter geheim bleiben. Dass sie zwischen 2014 und März 2015 elf Millionen für 51 Auftritte kassierte, erklärte sie mit dem lapidaren Satz „Jeder macht das so“ (nicht nur die New York Times war baff).

Gewiss: Sie war damals noch nicht Kandidatin der Demokraten fürs Weiße Haus, doch ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Wenn Clinton heute in Detroit erklärt, wie sie Amerikas Wirtschaft ankurbeln und vor allem ärmeren Amerikanern und der Mittelschicht helfen will, dann hören Millionen US-Wähler skeptisch zu.
Schuld am Misstrauen gegenüber Hillary Clinton ist nicht nur jene Verschwörung vom rechten Rand („right-wing conspiracy„),die sie seit Jahren beklagt. Sie hat selbst dazu beigetragen – mit fehlender Transparenz und indem sie Anworten auf viele Fragen verweigert.

Linktipps: Die besten Artikel über die Geldsammel-Maschine der Clintons erschienen in der Washington Post – jener Zeitung, die Trump als seinen Intimfeind ansieht.
Der Artikel „Zwei Clintons, 41 Jahre, drei Milliarden Dollar“ beschreibt
en detail, wer alles Geld an Bill und Hillary gespendet hat.
Wie sich die Entstehung der „Clinton Foundation“ mit der Langeweile und den persönlichen Interessen des Ex-Präsidenten erklären lässt, beschreibt dieser ausführliche Artikel.

Siehe zu dem Thema auch:

Diana Johnstone, geboren 1934 in Minnesota, USA, lebt seit mehr als dreißig Jahren in Paris. Sie ist Journalistin und Buchautorin. Im Frühjahr erschien ihr Buch »Die Chaos-Königin. Hillary Clinton und die Außenpolitik der einzigen Supermacht« im Frankfurter Westend-Verlag

Jochen