Putin’s Hour Is At Hand, by Paul Craig Roberts

Paul_Craig_Roberts.gifPutins Stunde schlägt

Aus dem Institute for Political Economy

Sehr lesenswert, leider nur auf engl1sch. Er empfiehlt u.a. einen Verteidigungspakt zwischen Russland, Iran, China und ggf. Indien. Er  befürchtet einen Angriff unter falscher Flagge aus Israel auf ein amerikanisches Schiff, um einen Krieg vom Zaun zu brechen, vgl. dem Überfall der SS auf den Sender Gleiwitz 1939.

Die Putin-Regierung erscheint, was die Bewahrung des Weltfriedens angeht,  z.Zt. vertrauenswürdiger als die der USA.

Möchte ein Leser das übersetzen ?

STRAIGHT LINE LOGIC

Vladimir Putin may have to prevent World War III. From Paul Craig Roberts at paulcraigroberts.org:

Vladimir Putin is the most impressive leader on the world stage.  He survived and arose from a Russia corrupted by Washington and Israel during the Yeltsin years and reestablished Russia as a world power.  He dealt successfully with American/Israeli aggression against South Ossetia and against Ukraine, incorporating at Crimea’s request the Russian province back into Mother Russia.  He has tolerated endless insults and provocations from Washington and its empire without responding in kind.  He is conciliatory and a peacemaker from a position of strength.

He knows that the American empire based as it is on arrogance and lies is failing economically, socially, politically, and militarily.  He understands that war serves no Russian interest.  

Washington’s murder of Qasem Soleimani, a great Iranian leader, indeed, one of the rare leaders in…

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KOMPLETTE VERSION des Interview von Syriens Präsident Baschar el-Assad mit France2-TV vom 20. April 2015

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

baschar-el-assadDieser Text ist so wichtig und hat bis heute nicht an Aktualität verloren, deshalb hier die vollständige Übersetzung:
http://www.voltairenet.org/article187398.html

Dazu weiter unten Auszüge eines ganz aktuellen Interviews zu Kriegsverbrechen in Syrien mit dem Geographen Günter Meyer (Universität Mainz)  vom 15.12.16

Hier ist das komplette Interview. France 2 hat beschlossen 14 Minuten von den 24 in ihrer 20Uhr-Nachrichtensendung auszustrahlen.
Die Redaktion hat dem Video die offizielle französische Version der Ereignisse vorangestellt, weit entfernt von der Realität, aber sie hat nicht versucht, die Worte von Präsident Al – Assad zu manipulieren und begnügte sich einfach, die Themen ohne Änderung auszuwählen.
So entfernte sie die Kritik der aktuellen Stellung Frankreichs in der Welt oder die Erklärungen über die syrisch-iranische militärische Zusammenarbeit.

Text des kompletten Interviews

David Pujadas: Guten Abend Herr Präsident. Lassen Sie mich dieses Interview ohne Umweg beginnen. Für einen großen Teil von Frankreich sind Sie für das Chaos verantwortlich, das in Syrien herrscht wegen der Brutalität der Unterdrückung, die hier seit 4 Jahren durchgeführt wurde. Was ist für Sie Ihr Anteil an der Verantwortung?

Baschar el-Assad: Seit den ersten Wochen des Konflikts infiltrierten sich Terroristen in Syrien mit Unterstützung von westlichen und regionalen Staaten. Sie fingen an, Zivilisten anzugreifen und öffentliches und privates Eigentum zu zerstören. All dies ist im Internet, und sie sind es, die diese Videos online aufladen, nicht wir.
Es ist unsere Aufgabe als Regierung, unsere Gesellschaft und unsere Bürger zu verteidigen. Wenn das, was Sie sagen, wahr wäre, wie könnte eine Regierung oder ein Präsident, der brutal gegen die eigene Bevölkerung gehandelt hat, seine Mitbürger getötet und den mächtigsten Ländern und politischen Kräften der Welt, die von den Petrodollar der Golf-Staaten profitieren, die Stirne geboten hat, wie hätte er weiterhin als Präsident wohl vier Jahre lang widerstehen können?
Ist es möglich, die Zustimmung seines Volkes zu haben, wenn man mit ihm brutal umgeht?

David Pujadas: Anfangs gab es Zehntausende Leute auf den Straßen, waren sie alle Dschihadisten?

Baschar el-Assad: Nein, natürlich nicht. Aber die andere Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Als der erste Polizist am sechsten Tag des Konflikts getötet wurde, wie wurde er getötet? Von friedlichen Demonstranten? oder von den Lautsprechern der Demonstranten?
Er wurde von Terroristen getötet. Jemand hat eine Faustwaffe genommen und diesen Polizeibeamten erschossen. Egal, ob Dschihadist oder nicht. Es ist ein Terrorist, weil er einen Polizisten getötet hat.

David Pujadas: Vielleicht gab es Dschihadisten oder Terroristen, aber unsere Reporter zu der Zeit waren vor Ort und haben viele Leute getroffen, die ihnen sagten: „Wir wollen mehr Freiheit und mehr Demokratie“. Das waren nicht Terroristen oder Dschihadisten.

Baschar el-Assad: Sicherlich hat jeder Recht auf Freiheit, und jede Regierung muss Freiheit, nach Maßgabe der Verfassung unterstützen. Aber bedeutet Freiheit, dass man Zivilisten und Polizisten tötet? Dass man Schulen und Krankenhäuser vernichtet, Strom… die Infrastrukturen? All das gehört nicht der Regierung, sondern dem syrischen Volk. Es gehört nicht der Regierung, es gehört nicht mir. Das ist öffentlicher Besitz. Ist es das, was Sie unter Freiheit verstehen?

David Pujadas: Sie wissen, dass viele Journalisten und Analysten sagen, dass Sie die Entstehung der Organisation Islamischer Staat [OIS] begünstigt haben, weil es eine Gelegenheit für Sie ist, als Schild, als Bollwerk zu erscheinen.

Baschar el-Assad: Aber das Islamische Emirat [IE] wurde im Jahr 2006 unter der Aufsicht der Amerikaner im Irak geschaffen. Ich bin nicht im Irak. Ich war noch nie dort. Ich kontrollierte nicht den Irak. Es sind die Amerikaner, die den Irak steuerten.
Das Islamische Emirat ist von Irak nach Syrien gekommen, weil Chaos ansteckend ist. (Wenn das Chaos vor Ihrer Tür steht), müssen Sie erwarten, dass es zu Ihnen herein kommt.

David Pujadas: Aber es war nicht die OIS zu Beginn…

Baschar el-Assad: Lassen Sie mich fortfahren. Wenn es in einem Land Chaos gibt, wird es ein fruchtbarer Boden, um Terroristen dort hinzubringen. Also, als es Chaos in Syrien gab, kam das Islamische Emirat nach Syrien. Vor dem IE gab es die Al-Nusra Front, die Al-Qaida angehört. Und vorher gab es die Muslimbruderschaft.
Sie bilden alle die Basis, auf der sich das IE stützte, um seinen Auftritt zu machen.

David Pujadas: Also Sie übernehmen keine Verantwortung für die Geschehnisse in den letzten Jahren?

Baschar el-Assad: Normalerweise sind die Dinge nicht absolut. Es ist nicht präzis zu sagen, dass man nicht verantwortlich ist, weil jeder einen Teil der Verantwortung trägt.
Wir in Syrien, haben unsere Probleme. Die Regierung ist verantwortlich. Jeder von uns ist verantwortlich. Jeder syrische Bürger ist verantwortlich.
Aber ich spreche darüber, was das IE nach Syrien gebracht hat. Das Chaos. Und Ihre Regierung, oder bevorzugen Sie, dass man sie mit dem Begriff „Regime“ bezeichnet, wie sie es bei uns tun, das französische „Regime“ ist verantwortlich, weil es diese Dschihadisten unterstützte, und sie für eine moderate Opposition hielt.

David Pujadas: Frankreich unterstützt die syrische nationale Koalition. Sind sie Terroristen?

Baschar el-Assad: Diejenigen, die derzeit westliche Unterstützung bekommen und westliche Waffen erhalten gehören dem IE an. Sie wurden von Ihrem Staat und anderen westlichen Staaten bewaffnet und ausgestattet. Ihr Verteidigungsminister erklärte es öffentlich Anfang des Jahres, Waffen gesendet zu haben.
Daher haben diejenigen, die Sie als Moderate qualifizieren, im Jahr 2012, bevor das IE erscheint und der Westen noch nicht die Existenz selbst der Front Al-Nusra, eines Zweiges der Al-Qaida, anerkennt, haben sie Videos übertragen, in denen sie das Herz eines syrischen Soldaten verschlingen, Körper anderer Opfer verstümmeln und enthaupten. Sie waren es, die diese Bilder veröffentlicht haben, nicht wir. Wie können Sie diese Realität ignorieren, da sie diejenigen sind, die solche Bilder übertragen und Ihnen sagen, dass das die Realität ist?

David Pujadas: Sprechen wir von der Gegenwart. Es scheint, dass die syrische Armee willkürlich-blinde Waffen verwendet, die verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung haben, besonders die explosiven Fässer. Warum verfolgen Sie diese Strategie?

Baschar el-Assad: Wir haben nie in unserer Armee von wahllos-blinden Waffen gehört. Übrigens würde keine Armee der Welt, also auch unsere, bereit sein, Waffen zu benutzen, die nicht mit Präzision und Ziel eingesetzt werden können, da sie ohne Wert wären, und aus militärischer Sicht unnötig wären.

Andererseits, wenn Sie über wahllose Tötungen sprechen, die nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden, sind es nicht die Waffen, sondern die Art, wie man diese Waffen verwendet. Der Beweis sind die Drohnen, die von den Amerikanern in Pakistan und Afghanistan benutzt werden, die mehr Zivilisten, als Terroristen töten. Es ist die genaueste Waffe der Welt. Daher ist es kein Problem der Art von Bomben.
Wir haben konventionelle Bomben und regelmäßige konventionelle Rüstung.

David Pujadas: Sie verwenden keine explosiven Fässer? (=Fassbomben)

Baschar el-Assad: Was sind explosive Fässer? Können Sie mir sagen, was das ist?

David Pujadas: Es gibt mehrere Dokumente, Auszüge von Videos und Fotos wie diese, wo man ein explosives Fass aus einem Hubschrauber fallen sehen kann. Es ist in Aleppo und Hama, vor ein paar Monaten vor einem Jahr. Nur die syrische Armee hat Hubschrauber, was ist Ihre Antwort?

Baschar el-Assad: Das ist kein Beweis. Es sind zwei Bilder von zwei verschiedenen Dingen. Niemand kann sie miteinander verknüpfen.

David Pujadas: Aleppo und Hama

Bachar el-Assad: Nein, Nein. Dieses Bild das Sie zeigen, was ist das? Ich habe nie so etwas in unserer Armee gesehen. Ich spreche nicht von Hubschraubern. Ich spreche von diesen beiden Bildern. Was gestattet Ihnen, sie miteinander zu verbinden?

David Pujadas: Behaupten Sie, dass es Fotos oder Dokumente sind, die gefälscht wurden?

Baschar el-Assad: Nein, sie müssen geprüft werden. Aber in unserer Armee, verwenden wir nur konventionelle Bomben, die eine Zieloperation erfordern. Wir haben keine Waffen, die wahllos verwendet werden können. Das ist alles.

David Pujadas: Aber es sind wohl Hubschrauber, und nur die syrische Armee hat solche.

Baschar el-Assad: Ja natürlich. Ich habe nicht gesagt, dass wir keine Hubschrauber haben, noch, dass wir sie nicht benutzen. Ich spreche von den Waffen, mit denen wir auf Terroristen zielen. Wozu gut, wahllos zu töten? Warum Zivilisten töten? Der Krieg in Syrien besteht darin, die Herzen der Menschen zu gewinnen, und nicht sie zu töten.
Wenn Sie Menschen töten, können Sie nicht an der Regierung bleiben oder Präsident bleiben. Das ist unmöglich.

David Pujadas: Was ist mit den chemischen Waffen? Vor zwei Jahren haben Sie sich verpflichtet, chemische Waffen nicht mehr zu verwenden. Haben Sie während der Schlacht von Erbil letzten Monat Chlorgas verwendet?

Baschar el-Assad: Nein, das ist eine andere falsche Geschichte, die von westlichen Regierungen erzählt wurde. Warum? Weil wir zwei Chlor-Fabriken besitzen. Eine wurde vor einigen Jahren geschlossen und ist also nicht mehr funktionsfähig, die andere befindet sich nördlich von Syrien und es ist die wichtigste Fabrik. Sie liegt nahe der Grenze mit der Türkei und ist unter Kontrolle von Terroristen seit zwei [drei, laut Video Anm.d.Ü] Jahren.
Wir haben den Vereinten Nationen offizielle Dokumente zu diesem Thema gesendet. Sie wollten kommen, und haben uns eine offizielle Antwort gesendet, weil es unmöglich war, die Anlage zu erreichen. Infolgedessen ist das Chlor in Syrien unter der Kontrolle der bewaffneten Gruppen. Zudem handelt es sich nicht um Massenvernichtungswaffen. Die konventionellen Waffen, die wir haben sind wesentlich effektiver als Chlor. Wir brauchen es daher überhaupt nicht.

David Pujadas: Aber es gab Untersuchungen und ich denke, dass Sie die Berichte von Human Rights Watch über Idlib letzten Monat gelesen haben. Es gab drei Angriffe, in denen man den Geruch von Chlor sowie Symptome ähnlich denen der bei Verwendung giftiger Gase unterscheiden konnte. Das wird in dem Bericht zitiert. Diese Angriffe fanden in den von der bewaffneten Opposition kontrollierten Gebieten statt. Lügt Human Rights Watch?

Baschar el-Assad: Wir verwenden kein Chlor und brauchen es auch nicht. Wir haben unsere konventionellen Waffen, und können unsere Ziele erreichen, ohne es zu verwenden. Das brauchen wir nicht. Es gibt keinen Beweis.

David Pujadas: Es gibt Zeugen des Angriffs und Aussagen von Ärzten.

Baschar el-Assad: Nein, Nein. Als Antwort auf die Vorwürfe für die Verwendung in der Vergangenheit oder in der Gegenwart von chemischen Waffen, waren es immer wir, die die internationalen Institutionen gebeten haben, damit sie Delegationen zur Untersuchung schicken. Wir waren es, die diese Forderung formuliert haben und nicht das gegnerische Lager. Vor zwei Jahren waren unsere Soldaten Sarin-Gas ausgesetzt. Wir luden die Vereinten Nationen ein, eine Untersuchung durchzuführen. Wie hätte man das tun können, wenn wir es waren, die dieses Gas verwendeten? Das ist nicht wahr.

David Pujadas: Wären Sie bereit, sie wieder einzuladen, um nach Idlib zu kommen?

Baschar el-Assad: Wir haben es bereits getan. Das tun wir immer. Wir haben in dieser Hinsicht kein Problem.

David Pujadas: Heute gibt es eine internationale Koalition mit den Vereinigten Staaten als leitende Führung, die Bombardierungen gegen die OIS macht. Für Sie, ist das ein Problem, oder ist es eine Hilfe?

Baschar el-Assad: Weder das eine noch das andere. Es ist natürlich kein Problem, die Terroristen anzugreifen. Aber wenn die Koalition es nicht ernst meint, hilft es uns nicht.

David Pujadas: Warum, ist sie nicht seriös?

Baschar el-Assad: Vergleicht man die Anzahl der Luftangriffe, die von den Kräften der Koalition von 60 Staaten durchgeführt wurde, mit jener, als wir es getan haben, wir kleiner Staat, werden Sie feststellen, dass wir manchmal 10-mal mehr als die Koalition innerhalb eines Tages bombardieren. Ist das seriös?
Es hat Sie vier Monate gekostet, um zu befreien, was ihre Medien die Stadt Kobani an der türkischen Grenze nennen, trotz der Anwesenheit der syrischen Kämpfer am Boden. Sie sind daher bis jetzt nicht seriös. Ein anderer Nachweis ist, weil das IE sich in Syrien, in Irak, Libyen und der Region im Allgemeinen ausgebreitet hat.

Wie können Sie also sagen, dass die Koalition wirksam war? Sie ist nicht seriös, das ist der Grund, warum sie niemandem in dieser Region hilft.

David Pujadas: Die Koalition flog Tausende Luftangriffe seit dem Beginn der Intervention. Aber Frankreich schlägt nur im Irak zu. Möchten Sie, dass Frankreich der Koalition beitritt, um auch in Syrien zuzuschlagen?

Baschar el-Assad: Ich sagte, dass sie auf alle Fälle nicht seriös sind. Man kann keine Koalition gegen den Terrorismus bilden und gleichzeitig die Terroristen unterstützen. Es ist uns also gleichgültig, dass sie in Syrien, in Irak oder in beiden gleichzeitig eingreifen, solange sie weiterhin dieselben Terroristen gleichzeitig unterstützen. Sie schicken Waffen diesen gleichen Terroristen unter dem Vorwand, die gemäßigte Opposition zu unterstützen. Im gleichen Augenblick, wo Obama diese Opposition als eine Illusion abkanzelte.
Wer erhält also diese Waffen eigentlich? Die Terroristen. Das ist widersprüchlich. Das ist zum Scheitern verurteilt.

David Pujadas: Sie haben einen gemeinsamen Feind mit Frankreich, die OIS. Gibt es seit den Anschlägen im Monat Januar in Paris Kontakte zwischen Ihren Geheimdiensten und den französischen Geheimdiensten?

Baschar el-Assad: Es gibt Kontakte, aber es gibt keine… Zusammenarbeit.

David Pujadas: Was meinen Sie mit Kontakten?

Baschar el-Assad: Wir trafen einige Beamte Ihres Geheimdienstes, aber es gibt absolut keine Zusammenarbeit.

David Pujadas: Es gibt keinen Informationsaustausch?

Baschar el-Assad: Nichts. Gar nichts.

David Pujadas: Also Sie haben sich versammelt?

Baschar el-Assad: Sie sind diejenigen, die nach Syrien kamen, und nicht wir, die nach Frankreich gingen. Vielleicht kamen sie für einen Austausch von Informationen.
Wenn Sie diese Art von Zusammenarbeit einrichten wollen, muss es jedoch in beiden Richtungen funktionieren: Wir helfen ihnen und sie helfen uns im Gegenzug. Aber laut Ihrer Politiker und der der französischen Regierung, sollte man ihnen helfen, während sie Terroristen unterstützen und unsere Bürger töten. Das funktioniert nicht so.

David Pujadas: War es Frankreich, das um diese Kontakte mit Ihren Geheimdiensten gebeten hat?

Baschar el-Assad: Ja, wir haben sie kennengelernt. Es gab eine Begegnung mit ihnen.

David Pujadas: War es auf eine Anfrage von Frankreich?

Baschar el-Assad: Ja. Wir haben keine Bitten an die französischen Geheimdienste. Wir haben alle Informationen über die Terroristen.

David Pujadas: Es gibt Hunderte Franzosen, die an der Seite der Gruppe Islamischer Staat kämpfen wollten. Haben Sie Franzosen verhaftet? Und gibt es Franzosen der Gruppe des Islamischen Staates, die heute in Ihren Gefängnissen festgehalten werden?

Baschar el-Assad: Nein, wir haben keinen einzigen in den Gefängnissen. Wir haben nur Informationen. Die meisten dieser Dschihadisten kommen hier um zu kämpfen, zu sterben und in den Himmel zu kommen. So ist ihre Ideologie. Sie sind daher nicht bereit in Gefängnisse zu gehen, welche sie auch immer sein mögen.

David Pujadas: Also, gibt es keine in den Gefängnissen.

Baschar el-Assad: Nein, wir haben keinen einzigen in unseren Gefängnissen.

David Pujadas: Es gibt heute Leute in Frankreich und darunter Politiker, sowie Parlamentarier, Sie haben einige hier empfangen… Sie sagen, ist es notwendig, den Dialog mit Ihnen wieder anzuknüpfen. Welche Initiative werden Sie bereit sein zu ergreifen, um die andere Partei von Frankreich und die Franzosen davon zu überzeugen, dass Sie ein Partner sein können?

Baschar el-Assad: Mit ihnen ?

David Pujadas: Mit Frankreich?

Baschar el-Assad: Sie müssen mich zuerst davon überzeugen, dass sie nicht die Terroristen unterstützen und sie nicht am Blutvergießen in Syrien beteiligt sind.
Sie sind es, die sich Syrien gegenüber getäuscht haben. Wir haben keinen Franzosen oder Europäer getötet. Wir haben den Terroristen in Ihrem Land nicht geholfen. Wir haben jenen nicht geholfen, die Charlie Hebdo angegriffen haben. Sie sind es, die Terroristen geholfen haben.
Daher müssen Ihr Land, die westlichen Beamten uns davon überzeugen, dass sie nicht die Terroristen unterstützen. Aber wir sind bereit für einen Dialog unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dies im Interesse der syrischen Bürger geschieht.

David Pujadas: Also momentan sind Sie nicht am Dialog mit Frankreich interessiert?

Baschar el-Assad: Nein, wir sind immer am Dialog mit jedermann interessiert. Aber wie kann man einen Dialog mit einem Regime, das Terrorismus in unserem Land unterstützt, haben. Und aus welchem Grund? Das ist die Frage.
Wenn sie die Politik ändern, sind wir bereit für den Dialog. Ohne dem wird der Dialog keinen Zweck haben. Es gibt keinen Dialog für den Dialog.
Ziel ist, Resultate zu erreichen. Für mich wäre das Ergebnis, dass die französische Regierung ihre Unterstützung für den Terrorismus in meinem Land aufgibt.

David Pujadas: Also Sie haben keine Nachricht für Hollande für einen Dialog?

Baschar el-Assad: Ich glaube, dass die wichtigste Botschaft, die ihm gesendet werden soll, von dem französischen Volk kommen muss. Die Umfragen in Frankreich zeigen sehr gut die Meldung, die Hollande besser anhören sollte. Nämlich, dass er der unbeliebteste Präsident seit den 1950er Jahren ist. Er sollte sich um seine Bürger kümmern und sie vor Terroristen, die nach Frankreich kommen, schützen.
Für mich als Präsident, der in Syrien mit seinen Bürgern unter diesem Terrorismus leidet, ist meines Erachtens die wichtigste Botschaft die, dass Sie in Frankreich erst den herausragenden Teil des Eisberges erlebt haben.

Wenn wir über den Terrorismus sprechen, sollten Sie wissen, dass es einen ganzen Berg unter dem Meer gibt. Beachten Sie, dass dieser Berg sich an Ihrer Gesellschaft vergreifen wird.

David Pujadas: Der US-Außenminister sagte, dass es vielleicht einen Dialog mit Präsident Baschar Al-Assad geben wird, bevor er von dieser Position wieder abwich. Sie haben gesagt, das sind nur Worte, und ich möchte beginnen zu dialogieren, Sie sind also bereit dazu?

Baschar el-Assad: Natürlich sind wir bereit. Ich sagte, dass wir bereit sind, einen Dialog mit jedem Land der Welt, selbst mit den Großmächten… sogar mit Frankreich zu haben.
Aber ich sagte, dass der Dialog auf einer bestimmten Richtlinie beruhen sollte. Die Speerspitzen gegen Syrien waren: einerseits Frankreich, zweitens, das Vereinigte Königreich.
Es waren nicht die Vereinigten Staaten dieses Mal bei der Unterstützung der Terroristen in Syrien. Obama hat zugegeben, dass die moderate Opposition in Syrien eine Illusion ist.

David Pujadas: Er sagte, dass es eine Illusion wäre zu glauben, dass wir sie bewaffnen und sie den Krieg gewinnen können, aber er hat nicht gesagt, dass es keine moderate Opposition gibt?

Baschar el-Assad: Genau. Was will er damit sagen: „wir können ihnen Waffen verschaffen, und sie werden imstande sein, den Krieg zu gewinnen“? Was bedeutet das? Was bedeutet diese Fantasie? Sie sagten, sie würden die gemäßigte Opposition bewaffnen. Können Sie mir sagen, was sie ist, diese gemäßigte Opposition? Wo ist sie? Wir sehen sie nicht. Wir leben in Syrien, und Sie, Sie leben in Frankreich. Ich lebe hier, und ich sehe diese gemäßigte Opposition nicht, um sie zu bekämpfen, wenn wir sie bekämpfen müssen. Sie existiert nicht.

David Pujadas: Sie sagen, dass eine große Anzahl ausländischer Staaten an dem Konflikt in Syrien beteiligt sind. Aber hätten Sie ohne die Unterstützung des Iran und der Hisbollah den Terrorismus im Moment bekämpfen können? Also Sie haben fremde Länder die an dem Konflikt in Syrien teilnehmen, verurteilet, was ist aber mit der Unterstützung durch den Iran und der Hisbollah?

Baschar el-Assad: Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Intervention und der Einladung. Jedes Land, jede Regierung der Welt, jeder Staat hat das Recht, jedes Land oder eine Partei oder Organisation einzuladen, ihm zu helfen, in jedem Bereich. Aber kein Land hat das Recht, ohne eingeladen zu intervenieren.
Wir luden die Hisbollah ein, aber nicht die Iraner. Es gibt keine iranischen Truppen in Syrien, und sie haben keine Kräfte geschickt.

David Pujadas: Es gibt keine Iraner die an Ihrer Seite kämpfen?

Baschar el-Assad: Nein, Nein. Sie kämpfen nicht. Wir haben mit dem Iran seit mehr als dreißig Jahren regelmäßige Beziehungen. Kommandeure und Offiziere kommen und gehen zwischen den beiden Ländern gemäß der bestehenden Zusammenarbeit zwischen uns, seit langer Zeit. Das ist etwas anderes als an den Kämpfen teilzunehmen. Sie kämpfen nicht.
Als Regierung sind wir berechtigt, diese Art von Zusammenarbeit zu haben. Frankreich jedoch und andere Länder haben nicht das Recht, irgendjemanden in unserem Land zu unterstützen. Es stellt eine Verletzung des Völkerrechts dar, unserer Souveränität und der Werte, deren sie sich rühmen, oder welche einige stolz seit Jahrzehnten behaupten, oder vielleicht sogar schon seit Jahrhunderten; und unter denen, den der Demokratie.
Handelt es sich um eine Demokratie wenn man Waffen und Unterstützung an Terroristen schickt? Habe ich das Recht die Terroristen zu unterstützen, die Charlie Hebdo z. B. angegriffen haben?

David Pujadas: Sie wissen, was der französische Ministerpräsident vor kurzem von Ihnen gesagt hat? Er sagte, dass Sie ein „Metzger“seien, wie würden Sie reagieren?

Baschar el-Assad: Zunächst werde ich offen mit Ihnen sein. Niemand mehr nimmt Erklärungen von französischen Beamten ernst. Aus einem einfachen Grund: Es ist, weil Frankreich irgendwie ein Satellit der US-Politik in der Region geworden ist. Es ist nicht unabhängig, und hat kein Gewicht. Es hat keine Glaubwürdigkeit mehr.

Abgesehen davon, als Leiter kümmere ich mich immer um die Meinung des Volkes und der syrischen Bürger. Es ist nicht Frankreich oder ein anderes Land, das mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Ich bin hier durch den Willen der syrischen Bürger, und das ist, was für mich zählt.

David Pujadas: Glauben Sie, dass Sie eines Tages tatsächlich, diesen Krieg gewinnen werden und alles so wird, wie es zuvor in Syrien war?

Baschar el-Assad: Nein. Nichts wird jemals wie zuvor. Zurück zum Ausgangspunkt kommen bedeutet, dass wir uns nicht weiterentwickeln, dass wir nicht die richtigen Lehren aus dem Konflikt gezogen haben.
Mehrere Lektionen ergeben sich aus diesem Konflikt. Wir müssen sie assimilieren und tun, damit sich die Sachen verbessern, und nicht das sie wie zuvor zurückkommen. Es gibt da einen großen Unterschied.

David Pujadas: Mit Baschar Al-Assad an der Spitze des Landes?

Baschar el-Assad: Das ist mir egal. Was mich interessiert ist, was das syrische Volk will. Wenn sie Baschar Al-Assad wollen, bleibt er. Wenn sie ihn nicht wollen, wird er sofort gehen. Ich möchte sagen, wie wird er ohne die Unterstützung seiner Bürger regieren können? Er wird das nicht können.

David Pujadas: Wie wussten Sie, dass Sie Rückhalt im Volk genießen?

Baschar el-Assad: Zuerst, wenn ich die Unterstützung nicht genossen hätte, hätten die Leute nicht die Armee unterstützt und man hätte nicht vier Jahre widerstehen können.
Wie können Sie ohne die Unterstützung des Volkes widerstehen?

David Pujadas: Vielleicht haben sie Angst?

Baschar el-Assad: Es gibt 23 Millionen Syrer. Wie können sie sich vor einer einzelnen Person oder einem einzigen Geheim-Dienst oder einer einzigen Regierung fürchten? Dies ist nicht realistisch, und es ist sinnlos.

David Pujadas: Glauben Sie, dass Syrien eine Demokratie ist? Glauben Sie wirklich, dass die Leute sagen können was sie wollen?

Baschar el-Assad: Nein. Wir waren auf dem Weg zur Demokratie. Es ist ein langer Prozess. Es gibt keinen Punkt, den Sie erreichen und wo Sie sagen „das ist sie, die Demokratie“. Wenn Sie uns mit dem Westen, Frankreich und anderen Ländern vergleichen möchten, würde ich „Nein“ sagen. Sie sind sicherlich viel weiter fortgeschritten als wir wegen Ihrer Geschichte und einigen Umständen und Faktoren.
Aber wenn Sie uns mit Ihrem engsten Freund, Saudi Arabien, vergleichen wollen, würde ich sicher sagen, wir haben Demokratie. Es kommt daher darauf an, mit wem Sie mich vergleichen.

David Pujadas: Hätten Sie die Gewissheit, dass Ihre Abtritt Frieden in Syrien bedeuten würde, würden Sie dann gehen?

Baschar el-Assad: Ohne zu zögern. Wenn dies der Fall ist, mache ich es ohne zu zögern. Ich würde von der Macht abtreten. Wenn ich die Ursache des Konflikts in meinem Land bin, muss ich nicht dort sein wo ich bin. Das ist klar.

David Pujadas: Ich möchte Ihnen ein anderes Foto zeigen. Das ist Gilles Jacquier. Ein Journalist von unserem France 2-Kanal. Er wurde vor 3 Jahren in Syrien getötet. Sie haben versprochen, eine Untersuchung zu machen, um herauszufinden, wer ihn getötet hat. Was könnten Sie uns über diese Untersuchung sagen?

Baschar el-Assad: Unabhängig von den Klagen, die uns zum Zeitpunkt der Tötung adressiert wurden, war er in einem Wohngebiet unter der Kontrolle der Regierung. Er wurde durch ein Mörsergeschoss und nicht durch eine Kugel getötet. Es ist offensichtlich, dass die Regierung sich nicht selbst bombardiert hatte, noch ihre eigenen Anhänger.
Es ist daher sehr klar, und jeder weiß es, mehrere französische Medien haben es zugegeben: Er wurde durch einen Mörser getötet, der von jenen abgeschossen wurde, die sie Opposition nennen, obwohl es zwar in der Tat Terroristen sind. Zweifellos wurde er von ihnen getötet. Aber Ihre Frage betraf die Untersuchung?

David Pujadas: Wären Sie bereit, die Ergebnisse seiner Untersuchungen den französischen Gerichten zu übergeben, vielleicht sogar die Beweise?

Baschar el-Assad: Wir haben nichts zu beweisen. Wir haben unsere eigenen Rechtsverfahren; und wenn in Syrien ein Verbrechen begangen wird, folgen wir diesen Verfahren wie jedes andere Land. In Syrien haben wir ein Rechtssystem und gewöhnliche Prozeduren. Wenn Sie nach diesem Interview, mehr erfahren möchten, können wir Sie bei den zuständigen Behörden einweisen.

David Pujadas: Wären Sie bereit, die Ergebnisse seiner Untersuchungen der französischen Justiz zu kommunizieren?

Baschar el-Assad: Natürlich, kein Problem.

David Pujadas: Wären Sie bereit, französische Forscher, Polizisten oder Richter zur Durchführung ihrer eigenen Untersuchung hier in Syrien zuzulassen?

Baschar el-Assad: Es hängt von der Existenz oder nicht-Existenz von einer Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen ab. Wenn es eine Vereinbarung, eine Konvention oder einen Vertrag über das Rechtssystem zwischen den beiden Ländern und bilaterale Zusammenarbeit in diesem Bereich gibt, ist das kein Problem. Das ist keine politische Entscheidung.

David Pujadas: Vielen Dank, Herr Präsident

Baschar el-Assad: Ich danke Ihnen.

Übersetzung Horst Frohlich

Aktuelles Interview mit dem Geographen Günter Meyer

Die Tageszeitung Die Welt veröffentlichte am Donnerstag ein Interview mit dem Geographen Günter Meyer (Universität Mainz) zu Kriegsverbrechen im Syrien-Krieg. Darin heißt es:

Wer wird für die Giftgaseinsätze in Syrien zur Rechenschaft gezogen?

Viele als Kriegsverbrechen bezeichnete Handlungen sind massiv in Zweifel zu ziehen. Es gibt insgesamt neun Fälle des Einsatzes von Giftgas, die von den UN untersucht worden sind. Sieben davon werden den Rebellen, zwei dem Regime zugeschrieben. Von seiten der Dschihadisten kommen häufiger mit Giftgas gefüllte Granaten zum Einsatz. (…)

Was hat das Kriegsvölkerrecht in asymmetrischen Konflikten, in denen ein staatlicher Kombattant nichtstaatlichen gegenübertritt, überhaupt für eine Bedeutung?

Das Kriegsvölkerrecht hat den Anspruch einer universellen Geltung. Auch in Syrien gelten Haager Landkriegsordnung und Genfer Konventionen. Verstöße dagegen sind also Kriegsverbrechen. Haager und Genfer Abkommen enthalten zum einen das klare Verbot von Angriffen auf die Zivilbevölkerung und auch auf andere zivile Ziele. Zum anderen ist aber auch die Nutzung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde, um Angriffe auf militärische Ziele zu verhindern, verboten. Beides hat nicht nur in Aleppo stattgefunden. Allerdings wurde zwar viel über Angriffe des Regimes auf Zivilbevölkerung und Wohngebäude in Ostaleppo gesprochen.

Meist wurde aber nicht erwähnt, dass dort die etwa 900 Al-Nusra-Kämpfer und andere Dschihadisten ihre Kommandozentralen und Verteidigungspositionen in den Wohngebäuden eingerichtet haben. Auch wurden die massiven Artillerieangriffe der Dschihadisten auf die vom Regime kontrollierten Wohngebiete im Westteil der Stadt in der Regel nicht thematisiert.

Jochen

ARD beim Lügen erwischt: verdreht Assad-Aussagen aus eigenem Interview

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein Lehrstück zu Manipulation und Meinungsmache, aufgedeckt von den des Linksextremismus oder der Putin-Verschwörung unverdächtigen Deutschen Wirtschaftsnachrichten und kommentiert von Albrecht Müller in den NachDenkSeiten:
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/03/02/ard-verdreht-assad-aussagen-aus-eigenem-interview/
Auszüge:

ard_und_coDie ARD hat ein interessantes Interview mit dem syrischen Präsidenten Assad geführt. Das ist lobenswert und ein Scoop.
Doch leider entwertet der ARD-Reporter sein eigenes Interview, indem er in einer Interpretation für den Sender Assad eine Aussage in den Mund legt, die dieser nicht getätigt hat. Die dpa übernimmt den Spin und verbreitet ihn, als hätte Assad das wirklich gesagt.
Anmerkung: „Spin“:= Verdrehung, auch Lügengespinst

Assad macht in dem Interview, das die ARD und die syrische Regierung im Wortlaut dokumentieren, klar, dass in seinem Land zahlreiche Söldner und Milizen aktiv sind, die von anderen Staaten ausgerüstet und finanziert werden.

An einer Stelle fragt der Reporter Thomas Aders:

„Herr Präsident, können Sie sagen, dass Syrien nach wie vor ein souveräner Staat ist, oder wird Ihre Politik bereits in Teheran bzw. im Kreml gemacht?“

Darauf antwortet Assad wörtlich:

„Der Begriff Souveränität ist relativ und verhältnismäßig. Vor der Krise hielt Israel unser Land besetzt, und wir betrachteten unsere Souveränität so lange nicht als vollständig, wie wir unser Land nicht zurückhatten. Und jetzt überschreiten während der Krise zahlreiche Terroristen unsere Grenze, und viele Flugzeuge der Amerikaner und ihrer Alliierten (was man dort als Allianz bezeichnet) verletzen unseren Luftraum. Auch hier kann man nicht von vollständiger Souveränität sprechen. Gleichzeitig ist man allerdings nach wie vor souverän, wenngleich nicht im vollen Umfang des Begriffs, wenn man eine Verfassung hat, wenn die Institutionen funktionieren und wenn der Staat mit seiner Arbeit ein Minimum für das syrische Volk leistet und wenn schließlich das syrische Volk sich keiner anderen Macht zu unterwerfen hat, was sicher das Wichtigste von allem ist.“

In einem kurzen Videobeitrag am Anfang des Artikels der Tagesschau befragt ein ARD-Moderator den Reporter nach seinem Eindruck von dem Interview. Darin schildert Thomas Aders Assad als schüchtern und zurückhaltend. Schließlich arbeitet der Reporter eine „News“ heraus, die das Interview seiner Meinung nach gebracht hat:

„Ihm geht es darum, dass das System überlebt, das System seines Regimes. Und er wird alles dafür tun, dass das so weitergeht. Er wird jeden Terroristen bekämpfen, das hat er ganz klipp und klar gesagt.

Und trotzdem hat er, und das fand ich sehr interessant, zugegeben, dass die Souveränität Syriens, mittlerweile nicht mehr vollständig sei, eben durch die Hilfe, durch die Waffenhilfe von Russland, vom Iran und von der libanesischen Hisbollah.“

Assad hat in dem Interview an keiner Stelle gesagt, dass er wolle, dass „das System seines Regimes“ überlebt. Er hat klipp und klar gesagt, dass er sich dem Willen des Volkes beugen werde: „Wenn das syrische Volk will, dass ich diesen Platz räume, dann habe ich das sofort und ohne Zögern zu tun.“

Doch noch viel gravierender ist die von Assads Aussage zur Souveränität abweichende Interpretation des Interviewers: Assad hat nie gesagt, dass die Souveränität Syriens wegen der „Waffenhilfe von Russland, dem Iran und der Hisbollah“ nicht mehr vollständig sei, sondern dass „viele Flugzeuge der Amerikaner und ihrer Alliierten (was man dort als Allianz bezeichnet)“ den syrischen Luftraum verletzen und Terroristen die Grenze überschreiten, und man deshalb „nicht von vollständiger Souveränität sprechen“ könne.

Das ARD-Team hat sich nach eigenen Angaben vier Jahre lang um das Interview bemüht. Es ist schade, dass im Fazit eine Frage mit einer Antwort vermischt wird.
So wird ein „Spin“ erzeugt, der die journalistische Leistung entwertet und beim Zuseher einen äußerst schalen Beigeschmack hinterlässt.

Update Mittwoch, 10.04 Uhr: Wie das mit dem Spin funktioniert, zeigt die dpa sehr schön. Sie zitiert, was Assad NICHT gesagt hat und verbreitet aus dem Interview (Dienstag, 1.3., 14.38 Uhr):

„Er räumte ein, dass Syrien nicht mehr ,vollständig souverän‘ sei und militärische Hilfe aus Russland, dem Iran und aus dem Libanon erhalte.“

Am Mittwoch findet sich der dpa-Spin auf vielen Web-Plattformen.

Dazu der gestrige Kommentar von Albrecht Müller:a mueller k

http://www.nachdenkseiten.de/?p=31734#more-31734
Auszüge:

Gestern brachte die ARD ein Interview mit dem syrischen Präsidenten Assad. Nachdem so viel über ihn gesagt und geschrieben wird, ist dies ein lobenswertes Ereignis.
Der für „ARD aktuell“ zuständige Dr. Kai Gniffke hat die Ausstrahlung des Interviews verteidigt – siehe hier: Darf man mit Assad reden?.*)
Aber er verbindet dies sofort wieder mit einer dem Standard der etablierten Medien entsprechenden aggressiven und einseitigen Parteinahme:
„Er hat Giftgas eingesetzt“ – so schreibt Gniffke, „er hat Städte bombardiert, er lässt Menschen aushungern, in seinen Gefängnissen wird gefoltert – und mit so jemandem führen wir ein Interview. Gibt es für Journalisten eine moralische Grenze, mit wem man spricht? Darf man mit Baschar al-Assad reden?“ –

Ob die syrische Regierung Giftgas eingesetzt hat, oder ob dieses Giftgas von den Rebellen oder sogar von der Türkei eingesetzt wurde, ist meines Wissens offen. Siehe dazu auch einen Beitrag bei Telepolis.
Weiß Herr Dr. Gniffke mehr? Es wäre wirklich großartig, wenn unsere etablierten Medien endlich aufhören würden, einseitig zu berichten und zu urteilen.

Sie tun das im Falle des Konfliktes mit Russland wegen der Ukraine wie auch im Konflikt über Syrien und den gesamten mittleren und Nahen Osten ständig. Sie sind wohl alle im Besitz des westlichen Sprechzettels, auf dem vermutlich steht: „Diktator Assad wirft Fassbomben auf syrische Kinder, er setzt Giftgas ein, er bombardiert Städte seines eigenen Landes.“ –
Ob das alles stimmt, erfahren wir nicht und schon gar nicht, wie der gesamte Konflikt entstanden ist und welche unangenehmen und menschenverachtenden Diktatoren und Autokraten ansonsten an dem Konflikt beteiligt sind: Saudi-Arabien, Bahrain, Erdogans Türkei, und andere mehr.
Es wird in den etablierten Medien auch nicht annähernd objektiv berichtet darüber, welche Rolle die militärischen Interventionen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und die Unterstützung Deutschlands spielen.
Wir werden auch nicht darüber aufgeklärt, welchen Charakter und Public Relations Hintergründe die häufig zitierten sogenannten Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsgruppen mit Sitz in London oder sonst wo haben.

Die Durchleuchtung der eigenen Propaganda ist tabu, genauso wie die der eigenen Menschenrechtsverletzungen, Gräueltaten und Kriegsverbrechen – so zum Beispiel des Bombardement eines Krankenhauses in Kundus. (Dazu kommt gleich noch ein eigener Bericht: http://www.nachdenkseiten.de/?p=31744)

Es ist im Sinne des Blicks auf alle Seiten gut, sich das Interview mit dem syrischen Präsidenten Assad anzuschauen, falls man die Zeit dafür aufbringen kann.
Auch das Gespräch von KenFM mit Karin Leukefeld über den Status Quo in Syrien ist in diesem Zusammenhang lohnenswert.

*) Mein Kommentar: kuekenpiepsenThomas Aders ist ein Kükenpiepser in Reinkultur. Anders scheint man bei der ARD nicht überleben zu können.

Merkels Bundesbruder Erdogan lässt auch Bomben auf kurdische Kinder werfen, zerstört Städte seines eigenen Landes, lässt Journalisten foltern. Und ??? Darf man mit Erdogan reden ?

Und Merkels Bundesbruder Obama lässt Drohnen auf afghanische Kinder feuern, zerstört Städte in fremden Ländern, die die USA nicht angegriffen haben, lässt Whistleblower lebenslang einsperren und in Guantanamo Gefangene ohne juristisches Verfahren foltern. Darf man mit Obama reden ?

Jochen

Die Geburtshelfer des IS – USA und EU

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Schon vor 1 Woche erschienen, aber wichtig, um die neuerlichen Verlautbarungen zu verstehen:
https://www.jungewelt.de/2016/01-22/052.php
Auszüge:

USA und EU haben durch Destabilisierung von Staaten und Militärinterventionen Wachstum und Ausbreitung des islamistischen Terrorismus gefördert

Von Knut Mellenthin

Seit bald 15 Jahren führen die USA und ihre Verbündeten »Krieg gegen den Terror«. In dieser Zeit haben sie es geschafft, das Problem, das sie angeblich bekämpfen wollen, über große Teile der Welt zu verbreiten. Die Gegner, gegen die bis zu 200.000 NATO-Soldaten im Einsatz waren, sind um ein Vielfaches zahlreicher und stärker geworden. Bewaffnete islamistische Organisationen verfügen heute über schwer angreifbare Rückzugsgebiete im Irak, in Syrien, auf der ägyptischen Sinaihalbinsel, in Libyen und anderen Staaten der Region, im Jemen und in Nigeria einschließlich seiner Nachbarländer.
Hunderte Anhänger des »Islamischen Staates« (IS) operieren auch in Somalia und Afghanistan.

Im Herbst 2001, als US-Präsident George W. Bush den »War on Terror« ausrief, besaß Al-Qaida, die damals als Nummer eins des internationalen Terrorismus galt, kein einziges Territorium dieser Art. Zwar begann die NATO ihre Militärintervention in Afghanistan mit der vorgeschobenen Begründung, der Organisation Bin Ladens einen »Safe haven« wegnehmen und eine Rückkehr verhindern zu wollen. Diese Ausrede wird selbst heute noch regelmäßig wiederholt, wenn es die Verewigung westlicher Militärpräsenz in Afghanistan öffentlich zu rechtfertigen gilt.
Tatsache ist jedoch, dass die Taliban zu keinem Zeitpunkt versucht haben, ihre Ideologie mit Terrorakten oder durch die Unterstützung ausländischer Terrorgruppen in alle Welt zu exportieren.

Als Bush nach den Angriffen vom 11. September 2001 von der Regierung in Kabul ultimativ die Auslieferung Osama bin Ladens verlangte, lehnten die Taliban diese Forderung nicht etwa rundweg ab, sondern wollten lediglich Beweise für die US-amerikanischen Anschuldigungen gegen den Al-Qaida-Führer sehen. Bush war nicht bereit, darüber zu verhandeln oder auch nur zu sprechen.
Das ist nicht weiter verwunderlich: Erstens waren die militärische Zerschlagung der Taliban-Herrschaft und eine langdauernde Besetzung Afghanistans von der US-Regierung und auf sie einwirkenden Thinktanks wie dem American Enterprise Institute (AEI) schon mehr als ein Jahr vor dem 11. September in allen Einzelheiten geplant worden.

Zweitens konnte die US-Regierung ihre Behauptung, Al-Qaida habe bei der Organisierung der Angriffe irgendeine Rolle gespielt, nicht belegen. Gegen Bin Laden wurde im Zusammenhang mit dem 11. September niemals Anklage erhoben, es fand nie ein Prozess gegen ihn statt, seine Tötung durch ein US-Spezialkommando in Pakistan am 2. Mai 2011 war – sofern die ganze Geschichte überhaupt stimmt – ein von Präsident Barack Obama befohlener Mord.

Destabilisierung von Regionen

Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbreitung des IS und ähnlicher Organisationen über große Teile Asiens und Afrikas war und ist die nachhaltige Destabilisierung mehrerer vergleichsweise »laizistischer«, nicht von religiösem Extremismus geprägter Staaten durch die USA und ihre europäischen Verbündeten.
Das war zunächst der Irak, der im März 2003 von US-amerikanischen und britischen Truppen überfallen wurde. Heute befindet sich das Land teilweise unter der Herrschaft des IS und im übrigen in einem Zustand, der kaum noch eine Rückkehr in einen gemeinsamen Staatsverband von Schiiten, Sunniten und Kurden vorstellbar erscheinen lässt. Mehrere Millionen Menschen, darunter Akademiker mit gesellschaftlich wichtigen Berufen, haben den Irak verlassen. Die Lebensverhältnisse der meisten Frauen sind deutlich schlechter als vor der Beseitigung der Baath-Herrschaft durch die US-Streitkräfte.

Das gilt ähnlich auch für Libyen und Syrien, den nächsten Opfern der Interventionskoalition aus USA, EU, Saudi-Arabien und anderen Monarchien der arabischen Halbinsel.
In Libyen führte das militärische Eingreifen der NATO, das im März 2011 begann, im Oktober zum Sturz und zur Ermordung des Staatsoberhaupts Muammar Al-Ghaddafi. Voraussehbare Folgen waren die bis heute wirkende Auflösung der Zentralmacht, ein chaotisches Neben- und Gegeneinander zahlreicher Milizen und die Überflutung Nordafrikas mit Waffen und islamistischen Kämpfern aus Libyen. Sowohl Waffen wie Kämpfer gelangten auch in großen Mengen nach Syrien.

Darüber hinaus erhielten der IS und ähnliche Organisationen in Syrien seit Frühjahr 2012 Waffenlieferungen, die hauptsächlich vom Saudi-Regime bezahlt und organisiert waren. Die Transporte, unter anderem aus Kroatien, wurden, Berichten der New York Times zufolge, nach der Präsidentenwahl in den USA Anfang November 2012 massiv gesteigert. An der »Luftbrücke« sollen saudische, jordanische und katarische Flugzeuge beteiligt gewesen sein.
Die Türkei habe für einen Großteil der Waffen- und Munitionslieferungen sowie deren Verteilung das Management besorgt. Wahrscheinlich hat nur die Unterstützung der syrischen Streitkräfte durch unmittelbar an der Front operierende iranische Berater und seit einigen Monaten das militärische Eingreifen Russlands einen Zusammenbruch des syrischen Staatsapparats verhindert.

Man sollte in diesem Kontext nicht vergessen, dass ein weiterer Versuch der US-Administration, ein Land des Großraums Nahost-Nordafrika zu destabilisieren und zu zerstören, am Kräfteverhältnis in der betroffenen Bevölkerung scheiterte. Im Februar 2005 begannen im Libanon Massendemonstrationen, an denen sich Zehntausende Christen und sunnitische Muslime beteiligten. Die Führer dieser Bewegung, für die westliche Werbeagenturen den Namen »Zedernrevolution« erfanden, waren bewährte Partner der US-Regierung.
Der von Washington offenbar angestrebte Bürgerkrieg scheiterte an einer Massenmobilisierung der schiitischen Hisbollah, die der Gegenseite demonstrierte, dass ein bewaffneter Konflikt allenfalls mit dem gemeinsamen Untergang enden könnte. Nach Schätzungen folgten am 8. März 2005 bis zu eine halbe Million Menschen dem Aufruf der Hisbollah zur Kundgebung in Beirut. Damit war die »Zedernrevolution« im wesentlichen beendet.

Im Juli 2006 unternahm Israel mit offener Unterstützung der USA einen Versuch, die politische Niederlage doch noch in einen militärischen Sieg zu verwandeln.
Ein Feldzug gegen Hisbollah, verbunden mit Luftangriffen auf Wohngebiete in Beirut und anderen Städten sollte zur Spaltung der libanesischen Bevölkerung und zur Isolierung der Schiitenmiliz führen. Der Krieg endete einen Monat später nach hohen Verlusten und weitgehend erfolglosen Operationen der israelischen Streitkräfte.

George W. Bushs Außenministerin Condoleezza Rice hatte Israels Angriff auf den Libanon zustimmend kommentiert: »Was wir hier sehen, ist gewissermaßen das Heranwachsen …, sind die Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens. Bei allem, was wir tun, sollten wir darauf achten, dass wir zu einem neuen Nahen Osten vorwärtsdrängen und nicht zum alten zurückgehen.«

Jochen

Interview mit Constantin Schreiber über den Militäreinsatz in Syrien & Petition und Aufruf zur Unterschriftenaktion „Nein zur Bundeswehr in Syrien! Nein zum Krieg! Nicht in unserem Namen!“ – bitte unterzeichnen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Inzwischen gibt es eine Online – Petition zu dem Thema hier:

https://www.change.org/p/petition-bundeswehr-in-syrien-nein-danke-regsprecher?recruiter=12310868&utm_source=share_petition&utm_medium=email&utm_campaign=share_email_responsive&rp_sharecordion_checklist=control#petition-letter

Bundeswehr in Syrien – Nein Danke!

http://web.de/magazine/politik/Kampf-Islamischer-Staat-IS/interview-constantin-militaereinsatz-syrien-31196136
Auszüge:

Von Alexander Kohlmann – Aktualisiert am 10. Dezember 2015, 12:04 Uhr

Mit der Entsendung von Bundeswehr-Kampfjets nach Syrien will Deutschland vor allem seine Solidarität mit Frankreich demonstrieren. Doch in der arabischen Welt wird das Engagement in Syrien oft ganz anders verstanden.

Der Journalist Constantin Schreiber gilt als Experte für den Nahen Osten. Im Interview erklärt er, warum dort niemand dem militärischen Engagement des Westens etwas Positives abgewinnen kann. Aus seiner Sicht ist ein Militäreinsatz genau die Reaktion, die die IS-Miliz mit den Anschlägen von Paris provozieren wollte.

Herr Schreiber, die deutsche Beteiligung am Krieg gegen den IS wird in Europa vor allem als solidarische Geste gegenüber Frankreich wahrgenommen. Wie beurteilt die Arabische Welt das verstärkte militärische Engagement des Westens und jetzt auch Deutschlands in Syrien?

Constantin Schreiber: Durch die Kriegsbeteiligung rückt Deutschland mehr in den medialen Fokus von Islamisten. Kurz nachdem der Bundestag dem Kriegseinsatz zugestimmt hatte, hat ein Account der der IS-Miliz zuzuordnen ist, mitgeteilt, „jetzt befindet sich Deutschland im Krieg gegen den Islam“. Und es gab viele ähnliche Schlagzeilen, die in dieselbe Richtung zielten.
„Auch das ist Deutschland“, hat eine große Zeitung getitelt, die vorher immer sehr positiv über die deutsche Flüchtlingspolitik berichtet hatte.

Die Stimmung insgesamt ist sehr viel schwieriger geworden. In Tweets im Netz wird die Hoffnung geäußert, dass „die Schiffe und Flugzeuge der Invasoren auf den Grund des Mittelmeers sinken werden und all die ungläubigen Kreuzzügler mit sich nehmen werden“.
Man muss leider feststellen, dass das, was von Vertretern der Links-Partei während der Bundestagsdebatte gesagt worden ist, stimmt. Es passiert jetzt genau das, was der IS wollte – wir liefern den Islamisten die Vorlage, zu behaupten, der Westen führe einen Krieg gegen den Islam. Wir sind in die Falle getappt.

Welche Ziele werden dem Westen und Deutschland zugeschrieben?

Als Hilfe für Syrien nimmt diesen Militäreinsatz erstmal keiner war, weder die Sunniten, noch die Schiiten, noch die Kurden. Das militärische Vorgehen wertet auf syrisch-irakischer Seite niemand in irgendeiner Weise als Unterstützung, auch wenn wir in Deutschland gerne Teile der Bevölkerung schon als potentielle Verbündete sehen.
Stattdessen glauben viele an eine angebliche zionistische Weltverschwörung, in der Israel und die USA sich vorgenommen hätten, die Muslime auszulöschen und dafür diesen Konflikt und sogar die Anschläge von Paris inszeniert hätten. Der Westen will in dieser Verschwörungstheorie nichts anderes, als die arabischen Länder besetzen – und die Kultur auslöschen.

…als Unterstützung gegen die IS-Miliz werden die Luftschläge überhaupt nicht wahrgenommen?

Nein. Ich glaube, es geht niemand davon aus, dass durch diese Militärschläge aus der Luft die Situation in irgendeiner Weise verbessert wird, sondern die Entwicklung wird eher als eine neue Eskalationsstufe betrachtet. Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass der Westen nichts zur Lösung des Konfliktes beiträgt, sondern die Situation noch verschärft. Nach dem Motto, jetzt sind die Russen da, jetzt sind die Amerikaner da, die Franzosen und die Deutschen auch, die Hisbollah sowieso – und alle kämpfen irgendwie in Syrien gegeneinander.
Dieser Einsatz wird nicht als Hilfsbeitrag wahrgenommen.

Verbirgt sich dahinter auch so etwas wie eine stillschweigende Unterstützung für die IS-Miliz?

Bei denjenigen, die sowieso mit dieser Ideologie sympathisieren, ist der Militäreinsatz natürlich noch einmal ein zusätzliches Argument, zu sagen, „wir haben es doch schon immer gewusst, die suchen nur nach Gründen, um arabische Städte zu bombardieren“.
Insofern spielen die Militärschläge eher dem IS in die Hände, als das es von irgendjemandem als Solidarität gegenüber Frankreich und Hilfe wahrgenommen würde, auch nicht von denjenigen, die den IS als Terrororganisation ablehnen.

Wie sieht das mit Russland aus? Werden die russischen Ziele anders gesehen als die westlichen?

Russland wird schon als ganz eigener Spieler gesehen. Das hat viel mit der Geschichte zu tun, weil Russland und Syrien schon immer eine besondere Verbindung hatten. Das syrische Regime wurde ja massiv von der Sowjetunion und später von Russland unterstützt, insofern wird da schon aus der historischen Genese heraus überhaupt keine Einigkeit oder Einheit zwischen der EU, dem Westen und Russland gesehen.
Im Gegenteil, jeder geht davon aus, dass Russland seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Und es ist auch in der arabischen Welt bekannt, dass Russland im Prinzip aus der westlichen Gemeinschaft ausgestoßen worden ist und jetzt versucht, durch eine eigene Außenpolitik so etwas wie eine Reputation zurückzuerlangen.

Also im Prinzip ist der vorherrschende Eindruck, dass alle Mächte der Welt sich mit undurchsichtigen Zielen auf dem Gebiet von Syrien versammelt haben?

Genau so ist die arabische Wahrnehmung. Man glaubt dort gerne an Verschwörungstheorien. Und gerade die sieht man durch die aktuelle Lage wunderbar bestätigt.

Die westliche Kriegstaktik in Syrien beschränkt sich derzeit ausschließlich auf Luftschläge, der Einsatz von Bodentruppen soll vermieden werden, wenigstens bisher. Wie wird das in der arabischen Welt bewertet?

In Bezug auf die deutsche Beteiligung wird in vielen Medien ganz klar formuliert, „was heißt denn hier nur Luftschläge? Wir trennen hier nicht zwischen einzelnen Ländern, die irgendetwas machen, sondern für uns ist das der Westen und der greift uns an“.
Unsere feine Trennung, das ist ja nur ein Luftangriff und kein Bodenkrieg, diese Unterscheidung kommt in der arabischen Welt überhaupt nicht an.

Was glauben Sie persönlich: Wie nützlich sind die Luftschläge überhaupt, im Kampf gegen die Terrormiliz?

Ich halte die Luftschläge für totalen Unsinn. Denn, dass es grundsätzlich nicht funktioniert, den Terror mit Krieg auszulöschen, das haben wir im Irak gesehen, das haben wir in Afghanistan gesehen. Diese Erfahrung haben viele Ländern überall auf der Welt machen müssen. So etwas kann überhaupt nicht gut ausgehen und mit Luftschlägen alleine schon einmal gar nicht.
Ich glaube allerdings, dass nicht einmal der Einsatz von Bodentruppen dazu führen würde, dass wir in Syrien von Außen so etwas wie Frieden erreichen könnten. Das Negativbeispiel ist der Irak, wo die USA und westliche Verbündete es trotz einer massiven Truppenpräsenz über Jahre nicht geschafft haben, eine langfristige Stabilität aufzubauen.

Der Journalist und Publizist Constantin Schreiber spricht fließend Arabisch und gilt als Experte für die arabische Welt. Von 2009 bis 2011 war er im Auswärtigen Amt als Medienberater für den Nahen Osten tätig. Von 2007 bis 2009 arbeitet er als Korrespondent des arabischen Programms der Deutschen Welle in Dubai. Heute berichtet er unter anderem als Experte für die Region für n-tv.

 

Unterschriftenaktion „Nein zur Bundeswehr in Syrien! Nein zum Krieg! Nicht in unserem Namen!“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Deutschland ist im Krieg und wir wehren uns: Krieg löst keine Probleme, verschärft sie und tötet täglich – auch in Syrien. Die Bundeswehr ist dort. Deutschland beteiligt sich an einem verfassungs- und völkerrechtswidrigen Krieg.

Wir möchten Sie/Euch bitten an der Unterschriftenaktion „Nein zur Bundeswehr in Syrien! Nein zum Krieg! Nicht in unserem Namen!“ zu unterstützen und den Aufruf (unten und anbei) zu unterzeichnen auf: www.syrien-aufruf.de.

Mit freundlichen Grüßen,

für die UnterstützerInnen des Aufrufs,

Reiner Braun   Pascal Luig   Lucas Wirl   Dr.med. Joachim Elz-Fianda

Und hier der Text:

Aufruf

Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,

Sie sagen, Sie handeln im Namen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, wenn Sie die Bundeswehr nach Syrien schicken. Wir sagen: Sie handeln nicht in unserem Namen!

Aus falsch verstandener Solidarität wird Deutschland zur Kriegspartei in einem Krieg, der auch überregional umfassende Vernichtung mit sich bringen kann. Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien ist politisch falsch, moralisch unverantwortlich, verfassungs- und zudem völkerrechtswidrig.

Das Erstarken des IS ist auch die Folge des US-Krieges im Irak, des NATO-Krieges in Libyen und der Waffenlieferungen in die Region, z.B. von deutschen Waffen nach Saudi-Arabien. Der Zustrom von Geld, Waffen und neuen KämpferInnen für den IS muss dauerhaft unterbunden werden. Die Menschen in der Region brauchen eine lebenswerte Alternative, damit sie dem bewaffneten Kampf des IS ihre Unterstützung entziehen. Ein Ende des Krieges in Syrien ist nur mit Verhandlungen und Kooperation möglich.

Wir sagen Nein zur Beteiligung der Bundeswehr in Syrien!

Wir sagen Ja zu zukunftsweisenden zivilen Lösungen.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, handeln nicht in unserem Namen!

Unterstützt von:

 

Und den folgenden Personen:

Hugo Braun (Düsseldorf), Reiner Braun (Berlin), Erhard Crome (Berlin), Diether Dehm (Berlin), Wolfgang Gehrcke (Berlin), Susanne Grabenhorst (Mönchen Gladbach), Claudia Haydt (Tübingen), Philipp Ingenleuf (Bonn), Otto Jäckel (Wiesbaden), Kristine Karch (Düsseldorf), Sabine Kebir (Berlin), Bruno Kramm (Berlin), Karin Kulow (Berlin), Volker Külow (Leipzig), Pascal Luig (Berlin), Albrecht Müller (Bad Bergzabern), Michael Müller (Berlin), Bernhard Nolz (Siegen), Christof Ostheimer (Neumünster), Wolfgang Popp (Siegen), Andrej Reder (Berlin), Christiane Reymann (Berlin), Anne Rieger (Graz), Werner Ruf (Kassel), Torsten Schleip (Markkleeberg), Horst Schmitthenner (Frankfurt a.M.), Ursula Schumm-Garling (Berlin), Horst Trapp (Frankfurt a.M.), Bernhard Trautvetter (Essen), Roland Vogt (Bad Dürkheim), Laura von Wimmersperg (Berlin), Lucas Wirl (Berlin), Joachim Elz-Fianda (Nördlingen)

Jochen

Der endlose Krieg im Irak

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ausführlicher Artikel in der jungen Welt hier:
https://www.jungewelt.de/2014/12-16/067.php
Auszüge:

Bewaffnete Auseinandersetzungen im Irak: Die dschihadistische Terrormiliz »Islamischer Staat« rückte erst in diesem Jahr in die Schlagzeilen.

Dabei entstand ihre Vorläuferorganisation in dem besetzten Land bereits 2003

Von Joachim Guilliard

Seit dem 8. August greifen US-amerikanische Kampfjets nach zweieinhalbjähriger Pause wieder Ziele im Irak an. Innerhalb kurzer Zeit operierten bereits wieder über 3.000 US-Soldaten offen in dem Land, das sie Ende 2011 verlassen mussten.
Im Bündnis mit anderen NATO-Staaten und den arabischen Golfmonarchien weiteten sie die Angriffe im Rahmen ihres Kampfes gegen den »Islamischen Staat« auf syrisches Territorium aus.
Syrien wurde so nach Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Libyen und Irak zum siebten Land der islamischen Welt, das US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama im Rahmen seiner bislang sechsjährigen Amtszeit bombardieren lässt.

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Kaum einer stellte die Frage, wie es dem ISIL so problemlos gelingen konnte, Mossul einzunehmen. Das war nur wegen eines Aufstands der Einwohner gegen die Regierung in Bagdad möglich (ISIL-Kämpfer am 11. Juni 2014 in Mossul)

Im Unterschied zu seinem Vorgänger, George W. Bush, erhält Obama für seine neuen Kriegseinsätze breite Unterstützung bis hinein in die Linke.
Dramatische Berichte über die Greueltaten der brutalen Miliz »Islamischer Staat«, die im Norden Iraks bis fast an die Grenzen des kurdischen Autonomiegebietes vorgerückt ist, hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Sogar von »Völkermord« war schon wieder die Rede.

Nun waren die, in der Region meist noch mit der bisherigen Abkürzung ISIL (oder arabisch Daish) für »Islamischer Staat im Irak und der Levante« bezeichneten, Al-Qaida nahen Dschihadisten keine neue Erscheinung.
Doch solange sie ihre Blutspur allein in Syrien zogen, hat man sie nur verbal verurteilt, faktisch aber weiterhin ‒ als Teil der gegen die Assad-Regierung gerichteten Allianz ‒ unterstützt. Zur zu bekämpfenden Bestie wurde der ISIL erst, als seine Vorstöße die nordirakische Öl- und Gasfelder bedrohten.

Mit der direkten militärischen Intervention und der erneuten Stationierung eigener Truppen im Irak will die Obama-Regierung nicht nur das Regime in Bagdad stabilisieren und die aus dem Ruder gelaufene Miliz bändigen, sondern auch den geschwundenen Einfluss im Land wieder stärken.
Die irakisch-kurdischen Parteien nutzen die Gelegenheit, um die faktische Unabhängigkeit der von ihnen kontrollierten Gebiete weiter voranzutreiben.
Indem das ganze Geschehen, wie schon während der US-Besatzung, auf die Auseinandersetzung mit islamistischen Terrortruppen reduziert wird, wird erneut der Kampf breiter Bevölkerungsschichten gegen das von der Besatzung geschaffene Regime ausgeblendet, wie auch die brutale Gewalt irakischer Regierungskräfte und der Milizen, die der des ISIL kaum nachsteht und bisher wesentlich mehr Todesopfer forderte.
Durch die Fokussierung auf den zur Inkarnation des Bösen hochstilisierten ISIL konnte auch die öffentliche Zustimmung für ein direktes militärisches Eingreifen in Syrien gewonnen werden, das ein Jahr zuvor noch aufgrund der breiten Opposition abgeblasen werden musste.

In Syrien bombardieren die Staaten, die hauptsächlich für die Gewalteskalation dort verantwortlich sind – also eine »Koalition der Schuldigen« ‒ nun in erheblichem Maß auch die dortige Infrastruktur, während sie gleichzeitig weiterhin die islamistischen Milizen, die gegen die Assad-Regierung kämpfen, unterstützen.
Dabei hält das NATO-Mitglied Türkei die Grenzen auch für ISIL-Kämpfer und deren Nachschub sowie deren umfangreichen Schmuggel mit syrischem Öl offen.

Auch die Bundesregierung ist diesmal mit dabei. CDU und SPD nutzten die Stimmung, um eilig 600 Tonnen Kriegsgerät an die irakisch-kurdische Partei KDP zu liefern, die das kurdische Autonomiegebiet regiert.
Mit dieser Waffenlieferung an einen nichtstaatlichen Akteur in ein Krisengebiet, mittels derer die BRD am Parlament vorbei in einen bewaffneten Konflikt interveniert, fegten die Regierungsparteien gleich drei bisherige militärische Selbstbeschränkungen deutscher Politik zur Seite.

Ein Produkt des Westens

Der Vorläufer des ISIL entstand ab 2003 im besetzten Irak, als sunnitische Extremisten aus diversen Kampfgebieten der Welt ins Land strömten, das bis dahin keinerlei Basis für dschihadistische Gruppen bot.
Prominent wurde die Gruppe um den Jordanier Abu Mussab Al-Sarqawi, die aufgrund seiner Beziehungen zu Al-Qaida von westlichen Beobachtern als »Al-Qaeda im Irak« (AQI) bezeichnet wurde. Diese schloss sich bald mit ähnlich gesinnten Gruppen zum »Schura-Rat der Mudschaheddin im Irak« zusammen, der 2006 die Errichtung eines »islamischen Emirats« bzw. »Staates« im Irak (ISI) ausrief.
Finanziert und ausgerüstet wurden die Gruppierungen schon damals vor allem von Sponsoren aus den Golfmonarchien.

Obwohl ihre Ideologie mit dem traditionellen Religionsverständnis irakischer Sunniten nichts gemein hat, wurden sie zunächst als kompromisslose, kampferprobte und gut bewaffnete Kämpfer gegen die Besatzer begrüßt. Für viele unter Kriegs- und Embargobedingungen aufgewachsene junge Männer waren deren Radikalität und auch die Soldzahlungen durchaus attraktiv.
Vor allem arbeitete dem ISI die sektiererische Teile-und-herrsche-Strategie der Besatzer zu, die schiitisch-islamistische Kräfte an die Spitze des neuen Regimes stellten und sunnitische Nationalisten mit aller Gewalt zu neutralisieren suchten.

Bald stellten die Besatzungsgegner jedoch fest, dass die sunnitischen Extremisten den irakischen Kriegsschauplatz nur für ihr universelles Ziel des Aufbaus eines islamischen Gottesstaates nutzten und zu Mitteln griffen, die absolut inakzeptabel waren und dem Widerstand erheblich schadeten.
Als die ISI-Milizen der Bevölkerung mit Gewalt ihre mittelalterlichen Regeln aufzuzwingen suchten, kam es zum offenen Konflikt.

Die wichtigsten Widerstandsgruppen schlossen 2006 schließlich ein Bündnis gegen den ISI. Parallel dazu entstand die sogenannte »Al-Sahwa«- oder »Erwachen«-Bewegung: sunnitische Bürgerwehren, bestehend aus ehemaligen Guerillakämpfern und Stammeskriegern, die von den Besatzern Sold und Ausrüstung für den Kampf gegen die dschihadistischen Gruppen erhielten.
Mit vereinten Kräften wurden diese schließlich weitgehend zerschlagen. Ende 2010 war die Stärke des ISI auf maximal 1.000 Kämpfer geschrumpft.

Der NATO-Krieg gegen Libyen und der von außen angefeuerte bewaffnete Aufstand in Syrien schufen jedoch bald die Basis für die Wiederbelebung der Organisation, die sich nun als ISIL nach Syrien ausdehnte.
Die USA hatten schon 2006 begonnen, zusammen mit den Golfmonarchien Gruppen sunnitischer Extremisten aufzubauen, um den »schiitischen Bogen« vom Iran über Syrien bis zur libanesischen Hisbollah zu schwächen.
Im Krieg zur Unterwerfung Libyens waren 2011 dann Zehntausende Islamisten von den USA, England und Frankreich ausgerüstet und teils auch ausgebildet worden, denen mit dem Zusammenbruch des Staates erhebliche Mengen an Waffen in die Hände fielen.
Ein großer Teil davon gelangte über Jordanien und die Türkei nach Syrien. Auf demselben Weg strömten auch Tausende Kämpfer aus Libyen, Afghanistan, Irak, Tschetschenien und vielen anderen Ländern nach Syrien, um zusammen mit einheimischen Islamisten das verhasste, weitgehend säkulare Regime zu stürzen. Geld, Waffen und Material flossen zudem auch aus den USA und den Golfstaaten an diese Gruppen. Offiziell waren sie für die »moderaten Aufständischen« bestimmt, vor Ort gab es jedoch keine klare Trennung zwischen »moderaten« und radikalen Islamisten. Der größte Teil ging, wie auch ein erheblicher Teil der Kämpfer, zu den Einheiten über, die sich als am schlagkräftigsten und finanzstärksten erwiesen ‒ und dies waren die Al-Nusra-Front und der ISIL.

Zurück ins Mittelalter

Das Ziel des ISIL ist die Wiederherstellung des Kalifats, d. h. die Auflösung des durch die Kolonialstaaten nach dem Ersten Weltkrieg im Nahen und Mittleren Osten geschaffenen Staatensystems und der Wiederaufbau eines einheitlichen islamischen Reiches unter Führung eines Kalifen.
Die Proklamation eines Kalifats knüpft an Bestrebungen an, die in den letzten Jahrhunderten immer wieder auflebten, gespeist von dem Wunsch, die Vorherrschaft des Westens über die islamische Welt zu brechen, damit diese zu einstiger Größe zurückkehren könne. Mit den Verbrechen westlicher Staaten an den muslimisch geprägten arabischen Ländern in den letzten Jahrzehnten wuchs die Attraktivität solcher Pläne ganz erheblich.

Der ISIL strebt nicht den schnellen Sturz der aktuellen Regierungen an, sondern die sukzessive Ausdehnung des unter seiner Herrschaft stehenden Territoriums. Ziel ist in erster Linie die Unterwerfung der Bevölkerung in den eroberten Gebieten, inklusive der Minderheiten, und nicht deren Vernichtung oder Vertreibung. Wer jedoch Widerstand leistet oder sich der angestrebten mittelalterlichen Ordnung widersetzt, wird grausam bestraft, oft exemplarisch massakriert.

Joachim Guilliard arbeitet im Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg. Er betreibt den Blog »Nachgetragen«: jghd.twoday.net

Gedungene Mörder

https://www.jungewelt.de/artikel/253394.gedungene-m%C3%B6rder.html

Bewaffnete Auseinandersetzungen im Irak: Nicht nur der »Islamische Staat« handelt erbarmungslos. Schiitische Milizen gehen gegen die sunnitische Bevölkerung nicht minder brutal vor. Die Regierung in Bagdad lässt sie gewähren

Von Joachim Guilliard

Der Großteil der Aufmerksamkeit der Welt richte sich auf die Terrormiliz »Islamischer Staat«, so Erin Evers, die Irak-Beauftragte von Human Rights Watch, Ende September, »doch dessen aufsehenerregende Tötungen und Entführungen sind nur ein Teil der Geschichte von abscheulichen Misshandlungen.« Dazu gehören auch jene, »die irakische Zivilisten durch Regierungstruppen und schiitische Milizen erleiden«. Evers hatte in den Tagen zuvor u. a. Zeugen zur Belagerung von Latifiya angehört, einer mehrheitlich sunnitischen Stadt im sogenannten »Bagdad-Gürtel«, deren Bevölkerungszahl infolge der Angriffe der berüchtigten 17. Division und der Milizen, die unter der Kontrolle des Expremiers Nuri Al-Maliki stehen, in den Wochen bis September von 200.000 auf 50.000 schrumpfte. Dutzende Bürger der Stadt waren entführt und ermordet worden. Anwohner berichten von Exekutionen auf offener Straße, nur wenige Meter von Polizeiposten entfernt. Am 11. Juni verschleppten Milizionäre 137 Männer von einem Markt der Stadt. Die Leichen von 30 der Entführten wurden gefunden, von den übrigen fehlt jede Spur.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) dokumentiert in ihrem im Oktober vorgestellten 28seitigen Report »Absolute impunity – Militia rule in Iraq« (Völlige Straffreiheit – Die Rolle der Milizen im Irak) Dutzende Fälle von Verschleppungen und Exekutionen durch schiitische Milizen in Bagdad, Samarra, Kirkuk und vielen anderen Städten im ganzen Land. Allein in Samarra wurden dem Report zufolge seit Anfang Juni 170 junge sunnitische Männer entführt. Dutzende von ihnen wurden später tot aufgefunden, auch hier werden die anderen nach wie vor vermisst. Zum Teil wurden sie wegen des Verdachts der Unterstützung oder der heimlichen Sympathie für den ISIL ermordet, teils als Vergeltung für ISIL-Angriffe.

Die Macht der schiitischen Milizen, die z. T. auch vom Iran militärisch unterstützt werden, wuchs ab Juni dieses Jahres massiv, nachdem sich die regulären Streitkräfte als wenig schlagkräftig erwiesen hatten. Sie werden, so Amnesty, »oft von der irakischen Regierung bewaffnet und unterstützt« und arbeiten bei ihren Aktionen in »unterschiedlichem Maß mit Regierungskräften« zusammen. Sie tragen Uniform, operieren aber völlig außerhalb des Gesetzes. Infolge der Förderung dieser Milizen durch die Regierung hat sich, so die Organisation, die Spirale konfessioneller Gewalt, ausgeübt von sunnitischen und schiitischen Extremisten, auf ein Niveau geschraubt, wie es seit den schlimmsten Tagen zwischen 2006 bis 2007 nicht mehr registriert wurde. »Indem sie den Milizen ihren Segen gibt, die routinemäßig solche fürchterlichen Gewaltakte begehen, unterstützt die Regierung Kriegsverbrechen und setzt einen gefährlichen Prozess religiös motivierter Gewalt in Gang, der das Land zerreißt«, erklärte Donatella Rovera, Krisenbeauftragte von Amnesty International, bei der Vorstellung des Berichts.

Mehrere schiitische Milizen, darunter die berüchtigten Badr-Brigaden¹ kämpfen auch gemeinsam mit kurdischen Peschmerga im Nordosten des Landes gegen den ISIL. Dabei kommt es nicht nur, wie die UNO berichtet, häufig zu Racheakten an Sunniten. »Marodierende regierungsnahe Milizen nutzen den Kampf gegen den ›Islamischen Staat‹ als Vorwand, um sunnitische Gemeinden quer durchs Land zu zerstören«, schreibt das renommierte US-Magazin Foreign Policy Anfang November. Sie hindern sunnitische Familien, in ihre zeitweilig vom ISIL besetzten Städte und Dörfer zurückzukehren. Häufig kommt es auch zu Brandschatzungen, z. T. werden ganze Dörfer niedergebrannt. Ein Video zeigt, wie schiitische Kämpfer einen Mann köpfen, der der Kollaboration mit dem ISIL beschuldigt wurde.

Die Badr-Brigaden, die seit 2005 Teil der Regierungskoalition sind und auch unter dem neuen Regierungschef den Innenminister stellen, machen sich nicht die Mühe, ihr Vorgehen zu verschleiern. »Die schiitischen Gotteskrieger haben das Recht, das Leben und das Eigentum der sunnitischen Araber zu nehmen, die an der Seite des ISIL kämpften«, so der Kommandeur einer Badr-Einheit, die in der Nähe von Kirkuk operiert. Als Mitkämpfer gilt dabei jeder, der nicht vor dem »Islamischn Staat« floh. »Wir glauben, dass alle, die unter ISIL-Kommando lebten, ISIL-Mitglieder sind. Es gibt keine Unparteiischen unter der Autorität von ISIL«, zitiert ihn das kurdische Narichtenportal Rudaw Anfang Oktober.

Die Kurden im Aufwind

ypg-flaggeHauptnutznießer der Entwicklung sind die nach Unabhängigkeit strebenden irakischen Kurden, allen voran der Barsani-Clan und seine Demokratische Partei Kurdistans (KDP). Insbesondere die offene, an der Zentralregierung vorbei erfolgte militärische Aufrüstung ihrer Peschmerga-Verbände, die sie seit vielen Jahren vergeblich gefordert hatten, bedeutet einen weiteren großen Schritt in Richtung faktische staatliche Unabhängigkeit.

Auch das Zurückweichen der irakischen Armee vor dem ISIL und den aufständischen Gruppen kam den Kurdenparteien sehr gelegen. Die Peschmerga rückten sofort nach und besetzen nun weitere große Teile des bis zu 100 Kilometer breiten Landstreifens, den sie jenseits der Grenze der Autonomen Region Kurdistan beanspruchen. Unter kurdische Hoheit gerieten dabei auch die Hauptstadt der Nachbarprovinz, Kirkuk, und ihre Umgebung, wo die größten nordirakischen Ölfelder liegen.

Ein großer Teil dieser »umstrittenen Gebiete« stand bereits seit 2003 unter ihrer Kontrolle, als sie zusammen mit den US-amerikanischen Invasionstruppen einmarschierten. Die kurdische Regionalregierung hat auch schon für Ölfelder, die in diesem Gebiet liegen, Konzessionen an ausländische Konzerne, darunter Total und die US-Multis Exxon-Mobile und Chevron, vergeben und damit die Spannungen mit der Zentralregierung extrem zugespitzt. Irakische Armee und Peschmerga standen sich jahrelang schussbereit an der Demarkationslinie gegenüber, mehrfach mussten die Besatzer dazwischengehen. Mit dem Abschluss der für Exxon, Chevron und Total überaus lukrativen Geschäfte schufen die Kurden jedoch in den beanspruchten Gebieten harte Fakten und konnten darauf vertrauen, dass die Multis ihre erheblichen Investitionen schützen werden.

Dennoch hatten sich die Bemühungen der Kurden um größere Unabhängigkeit festgefahren. Sie hatten in den letzten Jahren zwar die Ölförderung auf ihrem Territorium mittels eigenmächtiger Abkommen mit ausländischen Konzernen deutlich ausgebaut und im Mai auch eine eigene in die Türkei führende Pipeline in Betrieb genommen, konnten das Öl aber aufgrund des Widerstands der Zentralregierung nur schwer verkaufen. Washington, bemüht, das Auseinanderbrechen des Iraks zu vermeiden, unterstützte bisher Bagdads Sicht, dass solche eigenmächtigen Verkäufe illegal sind ‒ trotz des Drucks der involvierten Ölkonzerne und der türkischen Regierung. Mit dem Vorrücken des ISIS im Irak und dem Kollaps der Regierungstruppen avancierten die irakischen Kurden jedoch plötzlich zur einzigen verlässlichen Kraft. Dies machte nicht nur den Weg frei für direkte Waffenlieferungen an Barsanis KDP und den Einsatz der US-Luftwaffe zur Unterstützung von deren Kämpfern in Gefechten um die »umstrittenen Gebiete«, sondern scheint auch die Tür für den Export kurdischen Öls zu öffnen. Ende August verwarf ein US-Gerichtshof das Urteil eines Distriktgerichtes, den vor der texanischen Küste liegenden Tanker »United Kalavryta«, mit einer Million Barrel kurdischen Rohöls im Wert von knapp 100 Millionen US-Dollar an Bord, zu beschlagnahmen. US-Experten erwarten nun bald auch die Erlaubnis, das Öl in einem texanischen Hafen entladen zu dürfen.

Kämpfer von Barsanis KDP hatten im Juni auch die Förderanlagen des Kirkuk- und des Bai-Hassan-Ölfeldes übernommen und die dort arbeitenden Angestellten der staatlichen »Northern Oil Company« vertrieben. Diese Ölfelder haben zusammen eine Förderleistung von rund 500.000 Barrel pro Tag (bpd), das ist rund ein Fünftel der gesamten irakischen Kapazität. Mitte Oktober begannen die Kurden, daraus 200.000 Barrel täglich zu den Raffinerien zu pumpen, die unter ihrer Kontrolle stehen und damit Öl aus eigenen Ölfeldern für den Export freizumachen. Sie haben ihre Ausfuhr im Sommer von 180.000 auf 240.000 bpd gesteigert und wollen sie bis Ende des Jahres auf 400.000 bpd ausbauen. Wohin die illegalen Exporte gehen, bleibt im Nebel. Ein Teil floss im Sommer offenbar nach Ungarn, aber auch Österreich und Deutschland scheinen davon etwas erhalten zu haben.

Massud Al-Barsani, KDP-Chef und Präsident der Autonomen Region Kurdistan, kündigte auch unmittelbar nach der Übernahme von Kirkuk ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit der von KDP und der Patriotischen Union Kurdistan kontrollierten Gebiete an. Sukzessive werden die eroberten Regionen in die politischen Strukturen des kurdischen Autonomiegebietes eingebunden. 24.000 Peschmerga kontrollieren nun Kirkuk, und das kurdische Regionalparlament eröffnete Mitte Oktober bereits eine Repräsentanz in der Stadt, um deren »kurdische Identität zu unterstreichen«.

Kirkuk ist jedoch keineswegs überwiegend kurdisch geprägt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie mehrheitlich turkmenisch, 1977 stellten schon Araber die größte Bevölkerungsgruppe. In der gesamten Provinz betrug deren Anteil 1997 rund 70 Prozent. Dies hat sich zwar infolge von Vertreibungsmaßnahmen von seiten der Kurdenparteien seit 2003 zugunsten der Kurden verschoben, eine Mehrheit stellen sie jedoch noch immer nicht. Die neue irakische Verfassung sieht im Artikel 140 vor, dass der Status von Kirkuk per Referendum geklärt werden soll. Da dessen Durchführung die Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen mit Sicherheit eskalieren ließe, wurde es auf unbestimmte Zeit verschoben.

Artikel 140 sei nun endlich umgesetzt, wenn auch durch besondere Umstände, erklärte Barsani im Juni auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem damaligen britischen Außenminister William Hague. Jegliche weitere Diskussion über diesen Artikel sei damit überflüssig. Der Widerstand gegen die Annexion ist jedoch keineswegs überwunden, auch wenn Bagdad aktuell wegen des Vormarschs des ISIL und wegen der Aufständischen die Hände gebunden sind. Die übrige Bevölkerung wird sich nicht mit der kurdischen Herrschaft abfinden, und keine arabische Organisation wird die kurdische Kontrolle über die annektierten Ölfelder akzeptieren.

Krieg gegen den Wiederaufbau

Amnesty International appelliert an den neuen irakischen Regierungschef, Haider Al-Abadi, den Verbrechen der Regierungstruppen und verbündeter Milizen ein Ende zu machen. Human Rights Watch (HRW) forderte Washington unlängst auf, die schweren Vergehen der Regierung in Bagdad und ihrer Milizen nicht länger zu unterstützen. »Das ganze letzte Jahr über haben die USA ununterbrochen militärisches Material an Bagdad geliefert«, so HRW, trotz vieler dokumentierter »entsetzlicher Verbrechen durch Regierungskräfte«, wie »willkürliche Luftangriffe, die in sunnitischen Gebieten Tausende Zivilisten töteten, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen« sowie »ein Justizsystem, das wesentlich häufiger missbräuchlich als gerecht erscheint«. Die Eingliederung schiitischer Milizen in die Sicherheitskräfte habe ein Ausmaß erreicht, das sie nun faktisch ununterscheidbar mache.

Da es offensichtlich ist, dass die repressive, die Sunniten schwer benachteiligende Politik Malikis den Aufstand in den sunnitischen Provinzen provozierte und damit auch den Boden für das Vordringen des ISIL bereitete, hofft man nun im Westen, Al-Abadi werde die Interessen von Sunniten und anderer benachteiligter Bevölkerungsgruppen etwas besser berücksichtigen. Da den meisten Strategen in Washington bewusst ist, dass der ISIL nur im Bündnis mit sunnitischen Kräften zu besiegen ist, ist der Druck auf die neue Regierung groß, zu einem Ausgleich mit »moderaten« sunnitischen Führern zu kommen. Der neue irakische Regierungschef versprach denn auch bei seinem Amtsantritt am 8. September, die Bombardierung sunnitischer Städte einzustellen und die Forderungen der sunnitischen Opposition zu prüfen. Faktisch ist er bisher jedoch keinen Schritt auf die Aufständischen zugegangen. Sowohl die Luftwaffe als auch die Artillerie feuern weiterhin in Falludscha und anderen sunnitischen Städten auf zivile Ziele. Das Zentralkrankenhaus von Falludscha wurde direkt am Tag nach der Ankündigung Al-Abadis erneut getroffen.

Eine grundsätzliche Änderung der Politik Bagdads war von Malikis Nachfolger auch nicht ernsthaft zu erwarten. Wenn nach dem rasanten Aufstieg des ISIL die »Unfähigkeit« Malikis und der irakischen Politiker in der »Grünen Zone« Bagdads allgemein gegeißelt wurde, so wurde geflissentlich übersehen, dass die Praxis, die den Irak immer weiter in den Abgrund treibt, bereits unter US-Besatzung begonnen wurde. Vor 2003 gab es im Irak weder konfessionellen Proporz noch dschihadistische Gruppen. Die Besatzer setzten jedoch von Anfang an auf konfessionelle Spaltung. Sie installierten ein schiitisch-islamistisches Regime, förderten eine einseitig gegen Sunniten betriebene »Entbaathifizierung« und entfesselten schließlich zur Schwächung des Widerstands im Land einen schmutzigen Krieg gegen Sunniten und die unabhängige Intelligenz. Maliki führte diese Politik nur fort, ab 2009 mit Unterstützung Obamas.

Das Regime, das vor acht Jahren mit Maliki an der Spitze installiert wurde, beruht auf einem Kompromiss zwischen Washington und Teheran. Deren zentrales gemeinsames Ziel besteht in der dauerhaften Verhinderung jeglicher Wiederbelebung eines souveränen, arabisch-nationalistisch orientierten irakischen Staates. Die Inthronisierung Al-Abadis, der der gleichen Partei wie Maliki angehört, beruht auf demselben Kompromiss.

Ein solches gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerichtetes Ziel lässt sich jedoch nur mit Gewalt durchsetzen, gestützt auf die Betonung religiöser Identitäten und die Mobilisierung ethnischer und konfessioneller Feindseligkeiten. Damit werden die bewaffneten Auseinandersetzungen anhalten, der ISIL und andere radikale Milizen weiterhin Rückenwind erhalten und das Land immer stärker zerfallen.

Das militärische Eingreifen der USA auf seiten der Regierungstruppen, schiitischer Milizen und kurdischer Peschmerga verschärft die Entwicklung weiter. Denn es richtet sich offensichtlich nicht allein gegen den »Islamischen Staat«, sondern gegen die gesamte Aufstandsbewegung. Andernfalls hätte man beim Vorgehen eine klare Trennung zwischen dieser und den Dschihadisten vornehmen müssen, wie es u. a. die International Crisis Group seit Monaten fordert. Statt die Opposition in den sunnitischen Gebieten gleichfalls zu »Terroristen« zu stempeln, sollten die UNO und die USA anerkennen, dass sie legitime bzw. verhandelbare politische Anliegen verfolgt und der durch die brutale Niederschlagung friedlicher Proteste eskalierte Konflikt daher durchaus politisch lösbar wäre.

Die erneute mediale Fokussierung auf dschihadistische Kräfte, wie während des raschen Anwachsens des irakischen Widerstands ab 2004, dient aber dazu, das alte, schiitisch-sektiererische Regime von Besatzers Gnaden in Bagdad wieder zu stabilisieren. Durch das direkte militärische Eingreifen und den Wiederaufbau einer starken Präsenz von US-Truppen will Washington den eigenen Einfluss auf dieses Regime auch wieder erweitern, nachdem es sich in den vergangen Jahren immer mehr an den Iran angelehnt hatte. Nach der für November angekündigten Entsendung weiterer Einheiten steigt die Stärke der regulären US-Truppen im Irak schon auf über 3.000 Soldaten. Auch wenn Obama versichert, die neuen Truppen hätten keinen Kampfauftrag, so sind ihre Einsatzorte doch direkt an der Front. Mit dem Hauptquartier der 1. Infanteriedivision wurde zudem bereits ein Stab für 10.000 Mann in den Irak verlegt, ein deutliches Indiz für weitreichendere Pläne.

Parallel dazu verstärken die USA auch die militärische Präsenz im irakischen Kurdistan. So plant das Pentagon drei neue Basen, darunter einen Militärflughafen in Erbil. Auch der bereits im Juli begonnene Ausbau der CIA-Zentrale in Erbil deutet auf eine Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit hin. Der Ausweg aus Chaos und Gewalt im Irak scheint wesentlich schwieriger als in Syrien. Dort wäre der wichtigste Schritt zum Frieden, dass die NATO-Staaten und ihre Verbündeten ihre Einmischung, insbesondere die Ausrüstung regierungsfeindlicher Milizen, beenden. Unterstützung der Gegenwehr gegen dschihadistische Gruppen wäre nicht nur in Kobani und anderen kurdischen Enklaven geboten, sondern in ganz Syrien. Im Irak wäre ebenfalls ein Ende der zerstörerischen Einmischung von außen nötig, sowohl von seiten der USA und ihrer Verbündeten als auch von seiten des Irans. Erst dann würde die Bildung einer Regierung möglich, die tatsächlich alle relevante Kräfte vertritt, ihre Politik an nationalen Interessen orientiert und eine effektive Verwaltung ohne Religionsproporz aufbauen kann, sowie den Provinzen mehr Autonomie gewährt und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen sicherstellt.

Ein erster Schritt wäre, die ausschließliche Fokussierung auf den »Islamischen Staat« zu durchbrechen, einer breiten Öffentlichkeit klarzumachen, dass nicht allein der ISIL für brutale Verbrechen verantwortlich ist, Städte angreift und ganze Bevölkerungsgruppen bedroht, sondern auch Regierungstruppen und Milizen der vom Westen unterstützte Regierung in Bagdad.

Anmerkung

1 Die Badr-Brigaden waren im Iran als Miliz des Obersten Rats der Islamischen Revolution aufgebaut worden, kämpften im Iran-Irak-Krieg auf seiten Irans und verübten später Anschläge im Irak. Ab 2003 wurden sie zu einer der gefürchtetsten Milizen, die für Folter und Mord an Zigtausenden Sunniten und anderen Gegnern verantwortlich gemacht wird. Auch heute noch unterhält sie engste Beziehungen zum Iran. Bilder zeigen den Badr-Chef Hadi Al-Amiri zusammen mit Kassim Soleimani, dem Kommandeur der iranischen Eliteeinheit Al-Quds, im aktuellen Kampfgebiet