Die Spielarten neoliberaler Erziehung

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Im Deutschlandfunk Sabine Seichter im Gespräch mit Ute Welty

https://www.deutschlandfunkkultur.de/schwarze-paedagogik-die-spielarten-neoliberaler-erziehung.1008.de.html?dram:article_id=468114

Auszüge:
Schwarze Pädagogik ist immer noch Teil der Lebensrealität, sagt die Pädagogin Sabine Seichter. Sie trage heute neoliberale Züge.
In Verbindung mit Gentechnik könne in Zukunft ein Designerkind geschaffen werden, schreibt Seichter in ihrem Buch „Das normale Kind“.

In ihrem neuen Buch „Das normale Kind“ wirft die Salzburger Pädagogik-Professorin Sabine Seichter einen neuen Blick auf die Geschichte der schwarzen Pädagogik.
Darin zeigt sie auf, wie das Kind im Verlauf seiner Entwicklung zur standardisierten Ware wurde und bis heute zu wenig als autonomes, mündiges Wesen gefördert werde.

Es sei ihre Absicht gewesen, einmal in die dunklen und tabuisierten Ecken pädagogischen Handelns zu blicken, in die man eigentlich nicht hinsehe, sagt Seichter.
„Was ich zur Sprache bringen möchte, sind alle Spielarten des missbrauchten Kindes an dessen Körper, Seele und vor allem an dessen Würde.“
Es lohne sich genauer hinzuschauen, denn die „schwarze Pädagogik“ sei nicht verschwunden.
„Denn in der Tat zeigt sich die schwarze Dimension des Pädagogischen heute eher versteckter als noch vor Jahrzehnten, was aber nicht heißt, dass sie nicht genauso da ist,“ so die Buchautorin.

Das Kind wird pausenlos getestet und angeglichen

Das Maß aller Dinge sei heute die Norm. „Wir wollen nicht das vielfältige, das abweichende, das anormale Kind, sondern wir wollen durch Erziehung und Bildung das ‚normale‘ Kind erzeugen“, kritisiert Seichter.
„Das findet sich heute stärker als noch vor Jahrzehnten, wenn sie an all die Entwicklungskontrollen spätestens ab dem Moment der Geburt denken.“

Das Kind werde abgeglichen mit der altersgemäßen Durchschnittsnorm, aber dieses Vorgehen finde sich auch in der ganzen Schulkindheit, in Leistungsvergleichen und Leistungskontrollen.
Das Kind werde pausenlos gemessen, getestet und vor allem angeglichen. Dadurch lasse sich das „normale Kind“ oder das „abweichende Kind“ feststellen und pädagogisch entsprechend behandeln.
„Die schwarze Pädagogik wird dann in diesem Zuge auch zur normalen Pädagogik“, sagt Seichter.

Ausgeburt der Ökonomie

Seit einigen Jahren trage dieser Ansatz neoliberale Züge, denn es gehe darum, das Konkurrenzverhalten eines Kindes zu sichern. Das sei die normale Praxis im Schulalltag, trage „schwarze Züge“ und sei gleichzeitig „normal“.
Beim Blick in die Geschichte zeige sich, dass die Pädagogik immer eine „Ausgeburt der Ökonomie“ gewesen sei, sagt Seichter.

Vermutlich gebe es keine pädagogischen Institutionen, wenn man nicht erwarten würde, dass ein Kind für den zukünftigen Arbeitsmarkt erzogen und ausgebildet werden müsse.
„Die Schule wurde eingerichtet im 18. Jahrhundert, um das Kind für den späteren Arbeitsmarkt vorzubereiten.“ Heutzutage erlebe man im „Humankapital“ vermutlich „die kaptalistischste Ausgeburt“ dieser Entwicklung.

Blick in die Zukunft

Medizinische Fortschritte und Gentechnik könnten diesen Trend in Zukunft noch beschleunigen, sagt Seichter. Sie verweist auf die Möglichkeit eines „Designerkindes“, das bereits gentechnisch erzeugt werden könne und „normal“ zur Welt komme.
„Der genetisch perfekte Embryo wird erzeugt und der hat keine Abweichungen, ansonsten würde er schon vorher aussortiert.“ Das könnte pädagogische Eingriffe vielleicht eines Tages überflüssig machen.

Die entscheidende Frage sei, was in Zukunft bildungspolitisch gewünscht werde. „Eine nicht-schwarze Pädagogik müsste wieder viel stärker das Individuum in den Blick nehmen, sie müsste vor allem die Vielfalt akzeptieren – nur von der Vielfalt gibt es keine Norm.“

Es sei deshalb vor allem eine ethische Entscheidung: „Wollen wir eher standardisierte Produkte hervorbringen, die in den kapitalistischen Warenmarkt passen oder wollen wir eher kreative, autonome, mündige Kinder, die sich in ihrer Personalität und in ihrer Unterschiedlichkeit zeigen und nicht in ihrer Gleichheit.“

(gem)

DasSabine Seichter: Das normale Kind.
Einblick in die Geschichte der schwarzen Pädagogik

Beltz Verlag, Weinheim 2019
189 Seiten, 24,95 Euro

Anmerkungen: Ein wichtiges Standardwerk zu dem Thema ist immer noch „Am Anfang war Erziehung“ von Alice Miller.
Die Fortführung dieser Schwarzen Pädagogik läuft, wenn jemand zu den 20% gehört, die es nach der Schule nicht in den primären Arbeitsmarkt schaffen.
Die Schwarze Pädagogik wird dann weiter durch die Arbeitsagentur bzw. das Jobcenter betrieben.
Siehe https://josopon.wordpress.com/2017/04/02/hartz-iv-schwarze-padagogik-gegen-erwachsene/

und https://josopon.wordpress.com/2019/11/08/armut-ist-nicht-programmiert-klebt-aber-wie-kot-am-leib/

Jochen

Reiche und Arme haben nichts miteinander zu tun – Abschottung in den USA genau wie hier

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Selten mal ein so aktuelles und unverdrehtes Interview in der WELT:
http://www.welt.de/politik/ausland/article140753869/Reiche-und-Arme-haben-nichts-miteinander-zu-tun.html
Putnam-Our_KidsAuszüge:
Der amerikanische Traum steckt in einer tiefen Krise, sagt der US-Politikwissenschaftler Robert Putnam. Wer in eine arme Familie geboren wird, hat kaum mehr Chancen auf Aufstieg.
Doch woran liegt das?

Von Clemens Wergin

Robert Putnam macht die unsichtbaren Dinge sichtbar. Der bekannte Politikwissenschaftler richtet sein Echolot auf die amerikanische Gesellschaft, er erkennt und beschreibt Veränderungen in großen Linien. Im Jahr 2000 hat Putnam in „Bowling alone“ den Trend zur Vereinzelung in Amerika beschrieben.
Sein gerade erschienenes Buch „Unsere Kinder. Der amerikanische Traum in der Krise“ liest sich nun wie eine Gebrauchsanweisung für die Rassenunruhen von Ferguson und Baltimore, wo Schwarze Misshandlung durch Polizeibeamte erfahren haben.

Zehn Jahre lang haben Putnam und sein Team Daten gesammelt und individuelle Lebensgeschichten gesucht, um zu verstehen, was in Amerikas Unterschicht falsch läuft.
Sie haben versucht zu ergründen, warum die Chancengleichheit zwischen Arm und Reich immer mehr abnimmt – egal ob es sich um Schwarze, Hispanics oder Weiße handelt.
Seine Antworten hat Putnam am Dienstag auch mit Obama in Harvard diskutiert. Uns erklärte er vorher, was er dem US-Präsidenten sagen wird.

Professor Putnam, Sie haben erforscht, woran der amerikanische Traum scheitert. Haben die Antworten etwas mit Baltimore zu tun?

Ich stimme mit Präsident Obama überein, der die tiefer liegenden Ursachen in einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit sieht. Natürlich gibt es in Baltimore auch spezifische Probleme, insbesondere die Beziehungen zwischen den Schwarzen und der Polizei. Das ist ein Rassenproblem (Link: http://www.welt.de/140430425) , das zu lange gegärt hat.
Bei dem größeren Thema jedoch, über das ich in „Our Kids“ schreibe, geht es nicht allein um ein Rassen-, sondern vor allem um ein Klassenproblem. Das ist auch ein wichtiger Hintergrund für das, was in Baltimore passiert ist und was auf andere Teile Amerikas genauso zutrifft.

Klassenzugehörigkeit entscheidet heute in Amerika also mehr über Erfolg oder Scheitern als die Hautfarbe(Link: http://www.welt.de/140364910) ?

Es gibt ein Thema, bei dem Rasse noch immer das bestimmende Merkmal ist: Gerechtigkeit im Strafverfolgungssystem. Darum ging es ja in erster Linie in Baltimore. Auch hier spielt die Schichtzugehörigkeit eine Rolle, es ist aber in erster Linie eine Rassenfrage. ber in vielen anderen Bereichen ist Klasse heute wichtiger als Rasse.
Ich möchte jedoch nicht so verstanden werden, als seien die Rassenprobleme in Amerika alle gelöst und als könnten wir uns nun allein auf die Frage von Klassenunterschieden (Link: http://www.welt.de/140240964) konzentrieren.

In Baltimore ist viel von dem zu beobachten, was sie als Diagnose sehen: Sich auflösende Familienverhältnisse, abwesende Väter, Kinder, die ohne Leitplanken und Autoritäten aufwachsen. Inwiefern gilt das über Baltimore hinaus?

Es ist traurig! Viel zu wenige Amerikaner sind sich bewusst, wie tief der Graben zwischen reichen und armen Kindern inzwischen geworden ist. Und mit reichen Kindern meine ich nicht die Kids von Bill Gates, sondern Kinder aus Bildungshaushalten.
Und mit armen Kindern meine ich nicht die ärmsten der Armen, die untersten ein Prozent, sondern das untere Drittel.
Dieser Graben zwischen dem oberen und dem unteren Drittel der Gesellschaft ist auf eine Weise gewachsen, die die Amerikaner schockiert, wenn sie davon erfahren.
Das ist der Grund, warum ich über so viele echte Lebensgeschichten geschrieben habe. Ich wollte meinen Mitbürgern so lebendig wie möglich schildern, was in den vergangenen Jahrzehnten passiert ist.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern schrieb gerade in der Washington Post(Link: http://www.washingtonpost.com/posteverything/wp/2015/04/30/heres-one-way-baltimore-teens-are-worse-off-than-poor-youths-in-nigeria-and-india/) , dass viele Kinder in Armenviertel unter einem posttraumatischem Stresssyndrom leiden, das vergleichbar ist mit dem von Armeeveteranen. Welchen Einfluss hat das auf die Entwicklung der Kinder?

Das Niveau von dem, was manche Entwicklungspsychologen „toxischer Stress“ nennen, ist unter armen Kindern sehr hoch. Das gilt für die großen städtischen Gettos, aber genauso für Arme in kleinen Städten.
Toxischer Stress – etwa mit Gewalt bedroht zu werden, missbraucht zu werden oder unter einem Mangel an Essen oder Kleidung zu leiden, wenn Eltern betrunken oder high sind oder wenn eines der Familienmitglieder im Gefängnis ist – löst eine chemische Kettenreaktion aus, die die Entwicklung des Gehirns behindert und seine grundlegende Struktur verändert. Das kann lebenslange Lernschwierigkeiten zufolge haben, kann die physische und mentale Gesundheit beeinträchtigen.

Sie wuchsen in den 50er- und 60er-Jahren in Port Clinton bei Ohio in einem sehr viel egalitäreren Amerika auf. Was hat sich seitdem verändert?

Erst einmal vorausgeschickt, um Missverständnissen vorzubeugen: In mancher Hinsicht ist es heute besser, sowohl in Port Clinton als auch im ganzen Land.
Rassenzugehörigkeit ist heute eine weit weniger wichtige Trennungslinie als damals.
Und es gibt große Fortschritte, was die Perspektiven von Frauen anbelangt im Vergleich zu jener Zeit, in der ich aufgewachsen bin.
Aber was die Frage der sozialen Klassen anbelangt, ist das etwas anderes.
Die Kinder mit verschiedenem Klassenhintergrund spielten früher alle zusammen, gingen zusammen zur Schule und zusammen zur Kirche, und sie waren bemerkenswert gut sozial integriert. Sie waren im selben Footballteam, dort spielten nicht nur die reichen Kinder. Und es war auch nicht so, dass allein die reichen Kinder die Chance hatten, in der Schule erfolgreich zu sein.
Aber selbst in dieser winzigen Stadt hat sich das verändert. Reiche und arme Leute leben nun in unterschiedlichen Vierteln, die Kinder haben nichts mehr miteinander zu tun.

Ihre Leben berühren sich nicht mehr.

Ja. Und was die Aufstiegschancen anbelangt, die waren bei armen Kindern in meiner Jugend fast so groß wie bei den reichen Kindern. Das hat sich in Port Clinton komplett verändert.
Reiche Kinder und ihre Familien können sich den Zerfall im Leben der armen Kinder kaum vorstellen.
Als ich aufwuchs, betrachteten meine Eltern und andere Eltern alle Kinder in der Stadt als „unsere Kinder“, egal ob reich oder arm, deshalb auch der Titel meines Buches.
Der fundamentale Verlust einer gemeinsamen Identität und gemeinsamer gegenseitiger Verantwortung, das ist meiner Ansicht nach die tiefere Ursache für diesen Wandel.

Die Leute fühlen sich also nicht mehr verantwortlich dafür, auch den Kindern anderer Eltern zu helfen oder sich um sie zu kümmern?

Das ist richtig. Sie fragen mich natürlich nach den USA und nicht nach Deutschland, weil ich darüber nicht geschrieben habe. Aber man könnte durchaus auch die Frage stellen, ob es in Europa ähnlich ist, ob gebürtige Dänen oder Deutsche die armen Flüchtlingskinder aus Nordafrika oder dem Nahen Osten als „unsere Kids“ betrachten.
Mein Eindruck nach Besuchen in mehreren nord- und südeuropäischen Ländern ist jedoch, dass es dort ein ähnliches Problem gibt.
Ich möchte das nicht als billige Kritik verstanden sehen. Ich versuche nur, einem deutschen Publikum zu verdeutlichen, was ich meine, wenn ich sage: Wir sehen diese Kinder nicht mehr als unser aller Kinder an.

Es gibt auch einen erheblichen Graben, was die Stabilität der familiären Verhältnisse angeht. Amerika erlebte in den 70er-, 80er-Jahren eine Scheidungswelle, seitdem ist die Scheidungsrate in der Mittelklasse jedoch fast zur alten Werten zurückgekehrt. In der Unterschicht nehmen die Scheidungen jedoch weiter zu. Warum?

Darüber gibt es eine große Debatte. Fehlende Stabilität in der Familie ist sehr schlecht für die Entwicklung von Kindern und der wachsende Graben bei den Familienverhältnissen ist ein wichtiger Grund für die auseinandergehende Schere bei Aufstiegschancen von armen und reichen Kids.
Die Debatte über die Ursachen lässt sich auch an den Reaktionen auf mein Buch ablesen.
Konservative sagen: Putnam zeigt auf, dass die Chancenungleichheit von kulturellen Veränderungen herrührt, mit dem Wohlfahrtsstaat und der Permissivität der 60er-Jahre zu tun hat.
An den kulturellen Erklärungen ist manch Wahres dran, aber nicht annähernd so viel, wie viele Konservative denken.
Auf der anderen Seite sagen die Linken, dass der Grund in der langen Phase der wirtschaftlichen und Einkommensstagnation zu suchen ist, die vor allem Männer aus der Arbeiterklasse betrifft. Und natürlich ist auch das teilweise wahr. Ich hoffe jedoch, dass wir uns nicht in einer ideologischen Debatte verheddern. Am Ende sollten wir uns vor allem Sorgen um die Kinder machen.

Wenn Familien zerbrechen, könnte man meinen, dass die Menschen sich anderswo Hilfe suchen: in Kirchen, bei Nachbarn und informellen Netzwerken.
Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Häufig ist die Großmutter der einzige Anker für Kinder.

Das ist so, aber Großmütter können natürlich die Defizite im Zusammenhalt der Gemeinschaft, auch was Kirchen oder andere Gemeinschaftsinstitutionen anbelangt, nicht alleine ausgleichen. Die Bürgergesellschaft war historisch sehr wichtig für Amerika – das geht bis auf Tocqueville zurück. Und deshalb ist ihr Niedergang, besonders in der Arbeiterklasse, so viel gravierender, als er es wäre, wenn wir uns nicht so stark auf die Zivilgesellschaft gestützt hätten.

Was kann Amerika tun, um der Unterschicht wieder eine faire Chance auf den amerikanischen Traum zu geben?

Es braucht politische Entscheidungen, etwa von der Bundesregierung oder lokalen Regierungen oder zivilen Institutionen wie Kirchen, um die Situation zu verbessern. Die größte Hürde besteht darin, dass Amerika erkennt, wie groß das Problem tatsächlich ist.
In der Geschichte haben Amerikaner Probleme wie dieses behoben. Es gibt bestechende Parallelen zwischen der Not heute und der Not der 1890er-Jahre bis etwa um 1900.
Das wurde damals „gilded age“ genannt, und es ist kein Zufall, dass unsere heutige Periode manchmal als zweites goldenes Zeitalter bezeichnet wird.

Wie kam es damals zur Veränderung?

Es dauerte etwa 20 Jahre. Es war eine spannungsgeladene Zeit sozialer und politischer Mobilisierung, als die Amerikaner sich ziemlich plötzlich der Probleme von Reichtum und Armut bewusst wurden und entschieden, etwas zu ändern. Ende des 19. Jahrhunderts war der Sozialdarwinismus die vorherrschende Philosophie. Sie dominierte das Denken in derselben Art, wie der extreme Individualismus die amerikanische Gesellschaft heute beherrscht. Diese Phase ging zu Ende, nachdem ein eingewanderter dänischer Journalist, Jacob Riis, ein Buch geschrieben hatte mit dem Titel „Wie die andere Hälfte lebt“. Er beschreibt die Verwahrlosung von Wohnblöcken in der Lower East Side von New York. Das Buch war nicht der einzige Grund für die Wende, aber Historiker denken, es hat eine große Rolle gespielt.

Weil es Empathie geschaffen hat für die andere Hälfte?

Genau. Nun will ich nicht sagen, dass ich selbst ein Jacob Riis bin. Aber es ist das Genre, in dem „Our Kids“ geschrieben wurde und das Ziel, das hinter der Verwendung all dieser detaillierten individuellen Schicksale steckt.
Ich möchte mehr Leute da oben überzeugen, dass sie ein Interesse an den Kids da unten haben sollten. Als den Amerikanern das Problem damals bewusst wurde, begannen sie ziemlich schnell, Lösungen zu entwickeln.
Eine der interessantesten war die Erfindung der kostenlosen weiterführenden Schule, der High School. Das brachte dem Land einen Schub durch Humankapital. Die amerikanische Arbeiterschaft war dadurch in den ersten zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts weit besser ausgebildet als anderswo, und das ist ein Faktor, der den Wohlstand Amerikas in dieser Periode erklärt. Diese Reform gab reichen und armen Kindern ähnliche Aufstiegschancen. Dazu bedurfte es dessen, was Tocqueville „aufgeklärtes Eigeninteresse“ nennt: Reiche bezahlten für die Bildung anderer Leute Kinder und realisierten, dass das besser für alle sein würde. Ich glaube, Amerika könnte heute eine ähnliche kulturelle Veränderung herbeiführen.

Was ist heute das Äquivalent für die High School?

Frühkindliche Bildung von 0 bis 4 Jahren wäre ein wichtiger Beitrag, um mehr Chancengleichheit herzustellen.
Ich denke auch, dass wir sehr viel mehr Energie und Geld für das Community College aufwenden sollten.

So ähnlich wie das duale System in Deutschland, die Berufsausbildung?

Absolut. In diesem Bereich können wir sehr viel von Deutschland lernen. Aber die wichtigste Veränderung besteht darin, den seit 50 oder 60 Jahren anhaltenden Niedergang in der gemeinschaftlichen Solidarität umzukehren.
Ich denke nicht, dass das von heute auf morgen passiert. Aber das ist die langfristige Perspektive, die wir haben sollten, wenn wir über Baltimore nachdenken.

Aber was würden Sie einer alleinerziehenden Mutter in Baltimore raten, die ihren Kindern heute schon eine Chance geben will?

Ich würde ihr sagen, es ist sehr wichtig, dass sie ihren Kindern beständige, persönliche Zuwendung schenkt. Das schließt etwa mit ein, den Kindern jeden Tag vorzulesen.
Wir wissen, dass diese Art von aktiver, stetiger Anteilnahme mächtige Wirkung entfaltet.
Das klingt natürlich etwas blöd von jemandem wie mir. Für mich mit meinen Enkeln und für meine Kinder, die ihren Kindern vorlesen, ist das einfacher, weil wir nicht in Armut leben.
Es soll also nicht so rüberkommen, als würde ich der armen Mutter ihre Defizite vorwerfen.
Aber es ist tatsächlich so, dass arme Eltern ihren Kindern helfen wollen, aber dass sie dazu nicht in der Lage sind.
Teilweise aus wirtschaftlichen Umständen, oder weil es an Vorbildern mangelt, die ihnen ermöglichen würden, bessere Eltern zu sein.
Das gilt gleichermaßen für die armen weißen Mütter wie für die armen schwarzen und hispanischen Familien.
Ich würde also einer armen weißen Mutter in den Appalachen denselben Rat geben wie der schwarzen Mutter in Baltimore.

Jochen

INHumankapital – gnadenlose Umerziehungskampagne – Bildungsreform als Herrschaftsinstrument

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aus Konstantin Weckers Blog: Konstantin_Wecker
http://hinter-den-schlagzeilen.de/2014/02/06/inhumankapital/

Dort auch gute Kommentare !
Früher hieß es übriegens: ChancenGLEICHHEIT ! Der Begriff „Chancengerechtigkeit“ ist bereits die neoliberale Umformulierung.
Auszüge:

Menschen in kapitalistischen Gesellschaften sollen nicht nur Waren konsumieren, sie sollten auch ihrer eigenen Umformung zu Waren im Sinne der ökonomischen Verwertbarkeitslogik zustimmen.
Dies geschieht im Zuge einer gnadenlosen Umerziehungskampagne, die uns dazu bringen soll, jene “Werte”, die uns kaputt machen, zu verinnerlichen.
Besonders schlimm ist dies bei Kindern, deren Prägung auf Konsum, neue Medien und Markentreue schon im Kleinkindalter beginnt – ohne dass Eltern oder irgendeine Art von Jugendschutz dem Treiben Einhalt gebietet.
(Georg Rammer)*)

Bei den Koalitionsverhandlungen ist Armut kein Thema und schon gar nicht der soziale Graben, der die Gesellschaft in Profiteure und Verlierer teilt.
Die neoliberale Ideologie, die dem Kapitalismus in 25 Jahren einen enormen Schub verliehen hat, beherrscht die Politik.
Vor allem ist es gelungen, diese Ideologie in den Seelen sehr vieler Menschen zu verankern; sie prägt Erziehung und Beziehungen ebenso wie die Identität von Kindern und Jugendlichen.

In Umfragen äußern zwar sehr viele Menschen massive Kritik an diesem System der marktkonformen Demokratie – aber sie wählen es mit überwältigenden Mehrheiten.
Diese „kognitive Dissonanz“ ist das Ergebnis einer beispiellosen Umerziehung der Gesellschaft, die sich zunehmend mit den Werten und Normen identifiziert, die ihr eigentlich großen Schaden zufügen.
Die Werte und Normen sind Erfolg und Effizienz und die Wege dorthin sind Wettbewerb und Selbstmanagement.
Mächtige Instanzen arbeiten daran, der jungen Generation global eine neue Identität einzupflanzen.

Die allermeisten Familien haben „Super-Nannys“ in die Familie geholt, die ihnen zwar nicht die Arbeit mit den Kindern abnehmen, deren Einfluss aber auf die seelische Entwicklung, auf Denken und Fühlen, auf Geschmack und Ideale, Lebensziele und Selbstdarstellung beträchtlich ist: TV und Internet, Smartphone und Facebook.
Bereits von klein auf sind Kinder Adressaten eines Sperrfeuers von Verführung und Manipulation. Die Agenten bombardieren sie mit allen Tricks, denn sie wissen um den Einfluss der Kleinen auf die Kaufentscheidungen der Eltern.
Wie Benjamin Barber einen dieser Agenten zitiert, wird in dieser Schlacht jenes Unternehmen siegen, „das die Kids am besten versteht, ihre emotionalen Bedürfnisse, ihre Phantasien, ihre Träume, ihre Wünsche. Dieses Wissen ist die mächtigste Waffe im Arsenal des Vermarkters, der das Herz der Kinder gewinnen will.“
Die Kinder sind die Opfer dieser Schlacht und weit und breit ist keine Kinder- und Jugendhilfe, die diese Schlacht anprangert und unterbindet.

Agenturen sind damit befasst, die emotionalen Bedürfnisse und Träume der Kinder auszuforschen. Die KidsVerbraucherAnalyse hat schon Vierjährige im Visier, um ihre Rolle als Konsumenten und Kaufentscheider zu analysieren und die Ergebnisse für Marketing- und Werbeplanung zur Verfügung zu stellen.
Der Konzern Facebook ist milliardenschwer – nicht durch Produkte, sondern durch den Verkauf persönlicher und intimer Daten von meist jungen Leuten; mit Hilfe dieser Persönlichkeitsprofile können Konzerne auf jedes einzelne Kind zugeschnittene Werbung im Netz einblenden.

Kinder als Konsumenten sind Ziel dieser umfassenden Manipulation mit Hilfe raffinierter emotionaler und Sinne stimulierender Botschaften.
Häufig stellt aber nicht der Gebrauchswert der Markenklamotten und süßen Verlockungen oder des Elektrospielzeugs das eigentlich Attraktive dar.
„Konsumieren bedeutet heute nicht mehr, sich Genussmittel verschaffen, sondern in gesellschaftliche Zugehörigkeit investieren – was in einer Konsumentengesellschaft bedeuten muss: in die eigene `Verkäuflichkeit´“, sagt der Soziologe Zygmunt Bauman (Blätter, 13/10).

Wenn die Kinder von einer Marke abhängig geworden sind, ist das Ziel der „Dealer“ erreicht. Und der Prozess der Abrichtung zum Konsumenten hat sie dabei innerlich verändert: Sie konsumieren nicht nur Waren, sie haben vielmehr akzeptieren gelernt, dass alles und alle nicht an sich, sondern nur als Ware einen Wert haben.
Der Konsum wird quasi als Investition in die Selbst-AG vorgenommen, um die Selbstverwertung effektiver managen zu können. „Ein verkaufsfähiges Produkt zu werden und zu bleiben“ ist nach Bauman die Hauptsorge der Nutznießer, wobei sie selbst zum Konsumgut werden.
Alle Produkte, einschließlich der Zahl der Beziehungen, haben das Ziel, den eigenen Marktwert zu erhöhen. Die Kinder und Jugendlichen müssen sich selbst in ein nachgefragtes Produkt verwandeln, um nicht exkommuniziert zu werden.

Wenn diese Beeinflussung Erfolg hat, stehen junge Leute nicht nur der Produktion zur Verfügung, sie akzeptieren sich selbst und ihre Fähigkeiten als Humankapital. Von ihnen ist kein Protest zu erwarten.
Diejenigen aber, die in diesem Prozess der Produktwerdung und der Selbstvermarktung nicht mithalten können, haben keine Gnade zu erwarten.
Der neoliberale Kapitalismus sorgt nicht für soziale Gerechtigkeit und Ausgleich, für Chancengleichheit und Förderung der Benachteiligten, sondern für Training der Starken und Effektiven, für Belohnung der „Exzellenz“.
Die Abgehängten bekommen danach gerade so viel, wie ihnen nach diesem Prinzip zusteht: sie sollen nicht verhungern, wir leben schließlich in einem sozialen Rechtsstaat.
Würde und Entfaltung der Persönlichkeit? Sie sollen sich gefälligst anstrengen, um ihre Selbstvermarktung effektiver zu gestalten.
Der Trick der die öffentliche Meinung beherrschenden politisch-wirtschaftlichen Elite besteht darin, die Ergebnisse ökonomischer Entscheidungen und massiver Beeinflussung (Armut und Ungleichheit, Konsumverhalten und Lebensstile) als „natürliche“ Tatsachen, Produkt autonomer Entscheidungen oder als feste Eigenschaften zu individualisieren und zu entpolitisieren.

So schließt sich heute der Kreis: Die Anhänger des neoliberalen Welt- und des sozialdarwinistischen Menschenbildes sind am Ziel ihrer Wünsche.
Die Markt-Menschen konsumieren nicht nur, sie haben das Prinzip der Vermarktung internalisiert. Sie haben sich zueigen gemacht, dass sie ein Produkt sind, das verwertet werden muss.
Für auf Ausgleich bedachte Sozialpolitik ist da weder Raum noch Bedarf. Die Sozialpolitik schafft sich ab.
Wieso sollen Looser gefördert, wieso Gewinner durch höhere Steuern belastet werden? Genauso wie für Banken das Kunst- und Sport-Sponsoring immer auch Public Relations ist, genauso wie Konzerne Spenden an Parteien als Gewinn bringende Investition betrachten, genauso betreibt die Regierung (und die EU) nicht Sozialpolitik für menschenwürdiges soziales Zusammenleben, sondern investiert in Humankapital, um es Konzernen zur profitablen Verwertung zur Verfügung zu stellen.

Blauäugig erscheint auf diesem Hintergrund die Forderung von Wohlfahrtsverbänden und UNICEF nach Bildungsgerechtigkeit. „Bildung sollte frühzeitige und gezielte Förderung für benachteiligte Kinder umfassen“, rät Unicef den Regierungsparteien. Diese werden den Rat nicht beherzigen.
Bildung ist für sie Förderung zukünftiger Leistungsträger und sie ist eine Ware wie alles, was uns umgibt und was wir sind.
Allerdings ist Deutschland durchaus bereit, den jungen Menschen anderer Länder – besonders der verarmenden Staaten in Südeuropa – zu helfen: Wenn sie gut ausgebildet und top motiviert sind, dürfen sie hier arbeiten.

downlogo

Die Bundesanstalt für Arbeit will spanische Ärzte und griechische Ingenieure anwerben; ihre zentrale Auslands- und Fachvermittlungsstelle sucht auch IT-Spezialisten und Pflegekräfte.
Das zuständige Bundesministerium unterstützt deutsche Anbieter von Aus- und Weiterbildung bei der Erschließung des schnell wachsenden internationalen Bildungsmarktes.
Auch Großkonzerne wie SAP wollen Südeuropas Fachkräfte anlocken – „Ihr Griechen und Spanier, kommet doch all“, karikiert die SZ die Anwerbebemühungen.
Die deutsche Politik fremdenfeindlich? Nicht, wenn es um gut verwertbare Arbeitskräfte geht. Dass deren Ausbildung für uns kostenlos war und ihre Qualifikation in den Heimatländern zu weiterem Ausbluten führt, das ist zwar bedauerlich, aber marktkonform. Und das ist die Hauptsache.

(aus: Ossietzky 25/2013 – Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft)

Dazu noch ein Verweis auf eine immer noch aktuelle Analyse von 2008,wie das an den deutschen Unis funktionieren soll:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=3230
Kurzer Auszug:
Kaum irgendwo wird derzeit soviel ‚Reform‘-Kraft entfaltet wie im deutschen Bildungssystem. An vielen Stellen wird reformiert, um- und neugestaltet.
Die in großen Teilen hiergegen kontext-argumentativ wehrlose Linke sieht sich mit scheinbar zusammenhanglosen Versatzstücken technokratischer Modernisierung konfrontiert, die sie mit dem Ruf „Bildung ist keine Ware!“ oder mit der Forderung, mehr Arbeiterkinder sollten an die Hochschulen gelangen können, zu parieren versucht.
Dabei bilden diese ‚Reformen‘ sehr wohl ein einheitliches Bild, wenn man sie aus materialistischer Perspektive betrachtet.
Die linke Kritik verharrt überall dort, wo sie diese Perspektive negiert, gar zu oft in einer affirmativen Position, die nur das Bestehende verteidigt oder schützt.

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Zusammenhänge zu verdeutlichen und einer neuen und weitergehenden Kritik den Boden zu bereiten.
Hierzu wird zunächst der Bereich der höheren Bildung betrachtet und dann im Rahmen einer Gesamtperspektive auch der Primar- und Sekundarbereich.
Jens Wernicke hat uns diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Die technokratische Hochschul(struktur)reform

Dominantes Zielmodell der gegenwärtigen Hochschulstrukturreform, das mit Stichworten wie Studiengebühren, Umstellung auf zweistufige Studiengänge (Bachelor und Master), Globalhaushalt, leistungsorientierte Mittelvergabe, Exzellenz-Initiative, Elite-Universitäten, Internationalisierung, Modularisierung, Stärkung der Leitungsorgane und leistungsorientierte Bezahlung für Wissenschaftlerinnen grob umrissen ist, ist die Vorstellung der Hochschule als marktgesteuertes Dienstleistungsunternehmen, das im Wesentlichen auf drei Eckpunkten beruht.

Implementation marktförmiger Wettbewerbsmechanismen

Die Hochschulstrukturrefom zielt erstens auf die Durchsetzung marktförmiger Wettbewerbsmechanismen als neuen Steuerungsinstrumenten (zu deren Wirkungen und Kritik vgl. Hoffacker 2003) innerhalb der Hochschulen sowie auch im Verhältnis zwischen diesen und dem Staat ab.

Zielvorstellung dieser Umstrukturierungs- und Implementationsmaßnahmen, wie sie unter anderem das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) (vgl. Bennhold 2002) entwirft, ist dabei stets „das Dienstleistungsunternehmen Hochschule, das sich in Konkurrenz mit anderen Anbietern auf einem Wissensmarkt zu behaupten hat, indem es dort die von ihm angebotenen Produkte und Dienstleistungen – Ausbildung von Studierenden und wissenschaftlichem Nachwuchs sowie Erzeugung verwertbarer Forschungsergebnisse – an kaufkräftige Nachfragerinnen und Nachfrager, […] absetzt“ (Keller 2005a: 5).
Dies verdeutlicht sich, wenn man sich die üblichen Schritte der Implementation dieser Mechanismen ansieht:
Die Lehr- und Forschungsleistungen werden evaluiert und somit vergleichbar gemacht.
Dies gilt „unabhängig davon, ob die gewonnenen Daten tatsächlich zutreffende Informationen über die Qualität der Hochschulleistungen vermitteln“ (ebd.).

Erfolgs- respektive leistungsorientierte Mittelvergabe sorgt für einen Ansporn, systemkonforme Leistungssteigerungen zu erreichen, indem Erfolge und Misserfolge in finanzielle Anreize oder Sanktionen umgemünzt werden.
So werden Hochschulen untereinander, aber auch hochschulinterne Untergliederungen (Fakultäten, Lehrstühle) in ein direktes Konkurrenzverhältnis um Ressourcen gesetzt.

Mittels Studiengebühren werden Studierende zu zahlenden Kundinnen und Kunden ihrer Hochschulen transformiert. Auch hier wird erwartet, dass die „Hochschulen bzw. deren Untergliederungen um die Kaufkraft der studentischen Kundinnen und Kunden konkurrieren“ (ebd.: 6).
Zudem sollen Studierende auch dadurch zur Einführung marktförmiger Wettbewerbsmechanismen beitragen, dass sie selbst die künftige ‚Rendite‘ ihrer Bildungsinvestitionen schärfer kalkulieren.

Umstrukturierung der inneren Verfassung der Hochschulen

Als Pendant zur Stärkung dieser Art ‚Finanzautonomie‘ der Hochschulen findet zeitgleich eine „Umstrukturierung der inneren Verfassung der Hochschulen nach dem Vorbild einer Unternehmensverfassung“ (ebd.) statt. Die Neubestimmung der inneren Organisation der Hochschulen orientiert sich dabei an jener der Unternehmensorgane Vorstand und Aufsichtsrat in einer Kapitalgesellschaft.
Insofern geht es mittelfristig nicht etwa nur um eine institutionelle Ausdifferenzierung von Grundsatzentscheidungen und Kontrollfunktionen, sondern um „eine Reduktion von Senat und Fachbereichsrat auf bloße Aufsichts- und Beratungsfunktionen“ (ebd.) zugunsten einer Übertragung aller Entscheidungsbefugnisse an die hochschulischen Leitungsorgane – eine Maßnahme, die sich nicht nur gegen die Mitbestimmung an den Hochschulen, „sondern gegen die im Status der Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts verankerte Selbstverwaltung selbst“ (ebd.: 7) richtet und in der Folge auch eine Entmachtung der bisher privilegierten Gruppe der Professorinnen und Professoren „zugunsten eines verselbstständigten Hochschulmanagements“ (ebd.) bedeutet.

Gesellschaftliche Legitimation durch Dritte

Perspektivisch soll dabei ein aus Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik bestehender Hochschulrat die Funktion des Aufsichtsrates des Unternehmens Hochschule übernehmen.
Eine erste Studie der Universität Duisburg-Essen zur tatsächlichen Rekrutierung solcher Gremien liefert jedoch ein anderes Bild: Tatsächlich erobern vor allem Manager und also Technokraten derzeit die „Kontrolle an den Unis“ (Gillmann 2007) für sich, und es ist bereits abzusehen, „dass die Abhängigkeit einer Universität von ihren [nicht-staatlichen] Finanzierungsquellen einen deutlichen Einfluss darauf hat, wie ihr Hochschulrat zusammengesetzt ist“ (Uni Duisburg-Essen 2007).

Üblicherweise machen die privaten Träger mittels dieser von US-amerikanischen Privathochschulen bekannten Räte ihren Anspruch auf Kontrolle und Steuerung der von ihnen finanzierten Einrichtung geltend. „Ein von Dritten bestelltes Aufsichtsorgan passt jedoch nicht zu einem staatlichen Hochschulsystem, in welchem eben nicht Private, sondern der demokratisch legitimierte Staat Hochschulträger und -finanzier ist. Der Einrichtung von Hochschulräten liegt letztlich ein hochschulverfassungsrechtlicher Paradigmenwechsel zugrunde, der die zentrale Legitimationsinstanz für die Hochschulentwicklung weder beim Staat noch bei der hochschulischen Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, sondern bei Dritten ansiedelt.
Dem öffentlichen Eigentum an den Hochschulen wird dieser Paradigmenwechsel nicht gerecht, da er letztlich auf eine institutionelle Privatisierung des Hochschulwesens“ (Keller 2005a: 6) hinausläuft.

Weiteres a.a.O.
Schon 1978 riefen wir angesichts der damaligen Einführung des Hochschulrahmengesetzes : „Das Kapital leckt sich die Pfoten nach gut dressierten Fachidioten.“

Wenn die billig sind, dürfen die auch gerne aus dem Ausland kommen.

*: Nachtrag 2020: Diese früh einsetzende Erziehung für die Warengesellschaft beschreibt 8080573300001nSabine Seichter in ihrem neuen Buch: Das normale Kind.
Einblick in die Geschichte der schwarzen Pädagogik

Beltz Verlag, Weinheim 2019
189 Seiten, 24,95 Euro

Ein aktuelles Interview mit Frau Seichter ist hier wiedergegeben: https://josopon.wordpress.com/2020/01/22/die-spielarten-neoliberaler-erziehung/

Ein wichtiges Standardwerk zu dem Thema ist immer noch „Am Anfang war Erziehung“ von Alice Miller.
Die Fortführung dieser Schwarzen Pädagogik läuft, wenn jemand zu den 20% gehört, die es nach der Schule nicht in den primären Arbeitsmarkt schaffen.
Die Schwarze Pädagogik wird dann weiter durch die Arbeitsagentur bzw. das Jobcenter betrieben.
Siehe https://josopon.wordpress.com/2017/04/02/hartz-iv-schwarze-padagogik-gegen-erwachsene/

und https://josopon.wordpress.com/2019/11/08/armut-ist-nicht-programmiert-klebt-aber-wie-kot-am-leib/
Jochen