Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN
Dazu aktuelle Kommentare von Tobias Riegel und Oskaar Lafontaine
https://weact.campact.de/petitions/atombomber-nein-danke

F-18 Kampfbomber
Sehr geehrter Herr Mützenich,
Annegret Kramp-Karrenbauer plant 12 Milliarden Euro für atomwaffenfähige Kampfjets auszugeben – dabei wird gerade jeder Euro gebraucht für die Aufgaben, die aus der Corona-Krise entstehen.
Wir fordern von Ihnen: Setzen Sie sich für den Frieden in Europa und gegen die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge für den Atomwaffeneinsatz ein.
Unterstützen Sie mit dem Geld stattdessen Bürger*innen in der Corona-Krise.
Warum ist das wichtig?
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will aufrüsten – aber nicht gegen Corona. Hinter dem Rücken der SPD signalisierte sie den USA Interesse an 45 atomwaffenfähigen Kampfjets.[1]
Kosten: 12 Milliarden Euro – und das ausgerechnet während der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg.[2]
Gebraucht wird momentan jeder Euro für die Aufgaben, die aus der Corona-Krise entstehen – für das Gesundheitssystem, die soziale Absicherung und für ökonomische Hilfen.
Die Kampfjets sollen unter anderem die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen transportieren – und damit dafür sorgen, dass diese für weitere Jahrzehnte in Deutschland lagern können.
Dabei hatte der Bundestag bereits vor 10 Jahren deren Abzug verlangt.[3]
Schon am Mittwoch tagt der Verteidigungsausschuss und das Thema wird dort wahrscheinlich besprochen. Noch hat die Regierung keine Entscheidung getroffen – Kramp-Karrenbauer preschte im Alleingang nach vorn. Einwände der SPD ignorierte sie bisher.*)
SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich darf dieses Verhalten der Verteidigungsministerin nicht dulden. Wir fordern von ihm, dass er zu seinem Wort steht.
Die SPD muss verhindern, dass die Regierung diese milliardenschweren Kampfjets kauft.
Unterzeichnen auch Sie den Appell und machen Sie deutlich: Verrät die SPD ihre Werte, wird sie erneut viele Wähler*innen verlieren.
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Dies ist ein Themenvorschlag von Campact. Ob wir die Petition weiteren Campact-Unterstützerinnen empfehlen, hängt auch von Ihrer Teilnahme ab. Wenn Ihnen das Thema wichtig ist, unterzeichnen Sie bitte und leiten Sie die Petition gerne an Ihre Freundinnen weiter.
[1] “Kramp-Karrenbauer sagt USA Kauf von 45 Kampfjets zu”, Tagesspiegel vom 19. April 2020
[2] “Hintergrund”, Website “Atombomber? Nein Danke!” der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, besucht am 20. April 2020
[3] “USA modernisieren in Deutschland stationierte Atomwaffen”, Zeit Online vom 10. April 2020
Hier das Formular zum Unterzeichnen:
https://weact.campact.de/petitions/atombomber-nein-danke
Bei der Gelegenheit: Habt ihr schon den Aufruf der Friedenskooperative unterzeichnet:
Geld für Gesundheit statt für Rüstung!
Aktuell vom 22.5.2020 ein Kommentar dazu von NachDenkSeiten:
auf denDer Vorstoß der Verteidigungsministerin, US-Kampfjets zu kaufen, ist in vielerlei Hinsicht skandalös: Er ist ein bizarres Signal in der Corona-Krise. Er widerspricht dem Atomwaffensperrvertrag und einem Beschluss des Bundestages. Er würde Deutschland noch langfristiger an einen abzulehnenden US-Kriegskurs binden. Er ist ein Affront gegenüber Teilen der SPD und gegenüber dem gesamten Parlament. Und er stützt eine allgemeine Haltung pro Militär. Von Tobias Riegel.
Dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) laut Medienberichten gegenüber der US-Regierung Interesse am Kauf von 45 Kampfjets des Herstellers Boeing geäußert hat, schlug zu Recht einige Wellen in den vergangenen Tagen. Demnach soll Kramp-Karrenbauer dem US-Verteidigungsminister Mark Esper mitgeteilt haben, die Bundeswehr beabsichtige den Kauf von 30 F-18-Jets vom Typ Super Hornet und 15 vom Typ Growler. Das Ministerium von Kramp-Karrenbauer habe die zuständigen Obleute im Bundestag über das milliardenschwere Vorhaben informiert.
Mittlerweile wird dieses – in Inhalt und Form – skandalöse Vorhaben vom Verteidigungsministerium relativiert: Kramp-Karrenbauer plane schließlich zusätzlich zu den 45 US-Kampfjets auch die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter, wie aus einem Papier des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages hervorgehe. Am heutigen Mittwoch muss Kramp-Karrenbauer ihr fragwürdiges Eintreten für die Interessen der US-Rüstungsindustrie vor jenem Verteidigungsausschuss erklären. An Kramp-Karrenbauers transatlantischem Lobbyismus und den damit verbundenen moralischen, politischen, militärischen und juristischen Problemen würde jedoch auch die zusätzliche Bestellung europäischer Flugzeuge – die sogenannte „Split“-Lösung – wenig ändern.
Politische, moralische und strategische Prinzipien mit Füßen getreten
Da ist zunächst die allgemeine und prinzipielle Frage nach dem Sinn und dem angeblichen „Zwang“ zu Aufrüstung und der daraus folgenden teuren und moralisch fragwürdigen „Aktualisierung“ des angeschafften Kriegsgeräts. So ist das zentrale und großflächig angebrachte „Argument“ für die nun diskutierten Beschaffungspläne, die aktuelle Flotte sei „überaltert“.
Doch selbst wenn man sich einer zu hinterfragenden militärischen Haltung und Logik nicht grundsätzlich verschließen sollte: Zusätzlich zu den prinzipiellen pazifistischen Bedenken schließen sich zahlreiche konkrete Probleme an. So wäre die Anschaffung der US-Jets auch politisch-strategisch abzulehnen: Eine weitere und langfristig angelegte Bindung an den Kriegskurs der USA ist das komplett falsche Signal in einer Zeit des sich ankündigenden Multilateralismus. Die Gefahr, auch über Militärtechnik in den Sog eines abzulehnenden US-Kurses gegen China und Russland zu geraten (oder dort zu verbleiben), ist groß.
Der Versuch, nun im Schatten von Corona eine solche strategisch umstrittene Entscheidung zu forcieren, ist außerdem moralisch sehr fragwürdig. Zusätzlich zum formalen Eindruck eines schäbigen Winkelzugs weisen nun Stimmen auf den bizarren inhaltlichen Kontrast zwischen den aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen und Zäsuren (mit den entsprechenden Kosten) einerseits und den milliardenschweren Rüstungsplänen andererseits hin. So titelt German Foreign Policy zum Vorgang: „Waffen statt Masken“. Und die LINKE fordert: „Zuschläge für Krankenhauspersonal statt Anschaffung von US-Atombombern.“
„Nukleare Teilhabe“ an US-Waffen ist illegal und vom Parlament unerwünscht
Zusätzlich ist die mit dem Kauf der US-Jets angeblich angestrebte „nukleare Teilhabe“ juristisch illegal und parlamentarisch zynisch: Zum einen hat der Bundestag 2010 gefordert:
„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich (…) gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen.“
Allein dieser Beschluss sollte die Debatte über eine „Teilhabe“ an gegen den Willen des Parlaments hier stationierten US-Atomwaffen überflüssig machen. Dazu kommt noch die Sichtweise des Atomwaffensperrvertrages, die sowohl die Stationierung der Waffen in Deutschland als auch die „Teilhabe“ durch Deutschland daran untersagt. In diesem Vertrag haben sich die Atommächte verpflichtet, keine Atomwaffen an Nicht-Atomstaaten weiterzugeben und die Nicht-Atomstaaten haben sich verpflichtet, keine solche Waffen in ihre Gewalt zu bekommen:
„Artikel I
Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonstwie zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen.Artikel II
Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen.“
Transatlantische Verbindungen in den Bundestag?
Zu diesen politischen, moralischen und juristischen Problemen kommt der Umgang der CDU mit dem Koalitionspartner SPD und eine allgemeine Missachtung des Parlaments. So widerspricht der Vorstoß von Kramp-Karrenbauer wohl Koalitionsabsprachen etwa mit SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, wie etwa die „Zeit“ berichtet. Andererseits habe es „allerdings kürzlich vertrauliche Konsultationen mit Außenminister Heiko Maas und Vizekanzler Olaf Scholz (beide SPD) gegeben“. Diese Praxis ist nicht nur ein parlamentarischer Affront durch die CDU. Der Vorgang ist zusätzlich ein Zeichen dafür, dass es mutmaßlich noch immer starke US-Verbindungen in den Bundestag gibt. Und er kann Hinweise geben, zu welchen Personen (auch in der SPD) diese Verbindungen führen könnten.
Die SPD macht auch wegen dieser Zerrissenheit gegenüber der transatlantischen Frage bei der Positionierung zu Krieg und Frieden immer wieder eine tragische Figur – zuletzt beim Einknicken bei der Frage des Bundeswehr-Einsatzes in Irak, wie die NachDenkSeiten kürzlich hier oder hier berichtet haben.
Viele Medien stapeln tief
Zwar konnte der Vorgang um die US-Jets kurz die Corona-Dominanz der Berichterstattung durchbrechen, der Medienumgang bleibt aber unbefriedigend. Die in diesem Text angesprochenen politischen und strategischen Fragen werden nicht angemessen behandelt. Um die Dramatik der Episode abzuschwächen, lautet eine zentrale Medien-Botschaft, dass die jetzige Diskussion „eigentlich ein alter Hut“ sei. Zusätzlich wird die Behauptung, die aktuelle Fliegerflotte sei „veraltet“, kritiklos akzeptiert. Und auch die fragwürdige aktuelle Deutung, wonach die gleichzeitige Bestellung von Eurofightern das Problem mit den US-Jets indirekt neutralisieren würde, wird nicht in Frage gestellt. Stellvertretend für viele große Medien sei hier die „Tagesschau“ zitiert, die keinen Skandal sieht, sondern einen „klassischen Kompromiss“:
„Wie sich das Verteidigungsministerium die Nachfolgeregelung für die altersschwachen Tornados vorstellt, das pfiffen die Spatzen schon lange von den Dächern: Nicht der Eurofighter allein sollte die veralteten Kampfflugzeuge ablösen und nicht die US-amerikanische F-18, sondern beide Modelle, in unterschiedlichen Funktionen. (…) Nein, was am Dienstag verkündet wurde, war nun wirklich keine große Überraschung. Mit einem klassischen Kompromiss wollte Annegret Kramp-Karrenbauer eine Debatte beenden, die schon ihre Vorgänger de Maizière und von der Leyen beschäftigt hatte.“
Da sind sogar die Grünen und die FDP kritischer: “Sollte das Schreiben rechtlich Verbindliches enthalten oder sogar einen relevanten Letter of Intent darstellen, wäre das wirklich skandalös”, sagte etwa Tobias Lindner von den Grünen der ARD über die Handlungen Kramp-Karrenbauers. Und selbst die FDP spricht laut Medien von einem „Verfassungsbruch“.
Kommentar von Oskar Lafontaine am 23.4.2020:
„Nukleare Teilhabe“ und die Dummheit der deutschen Vasallen
Annegret Kramp-Karrenbauer, die deutsche Meisterin im Insfettnäpfchentappen, will, ohne ausreichende Einbeziehung des Parlaments und des Koalitionspartners SPD 135 Kampfflugzeuge, 90 Eurofighter und 45 US-amerikanische F-18-Maschinen beschaffen. Von einer zweistelligen Milliardensumme ist die Rede. In einer Zeit, in der viele Deutsche um ihre Existenz bangen, und medizinische Geräte und Atemschutzmasken fehlen.
Die Kampfflugzeuge brauchen wir, um uns an den Öl- und Gaskriegen der USA zu beteiligen. Auch müssten wir unsere „nukleare Teilhabe“ sicherstellen, weil wir „im Kriegsfall Zugriff auf Atomwaffen der USA haben“ sollen, wie es in der heutigen dpa-Meldung heißt.
Wären die deutschen US-Vasallen nicht so beschränkt, dann ginge ihnen vielleicht ein Licht auf. Im Kriegsfall hätten wir nicht Zugriff auf Atomwaffen der USA, sondern unsere „nukleare Teilhabe“ bestünde darin, dass uns russische oder chinesische Atombomben auf den Kopf fielen. Es sähe dann bei uns so aus, wie in Hiroshima oder Nagasaki (siehe oben).
Die miteinander rivalisierenden Atommächte USA, China und Russland haben ihre Raketen logischerweise auf die Angriffszentralen des jeweiligen Gegners programmiert. Da die aggressivste Nuklearmacht der Welt, die USA, Russland und China einkreist und hochtechnische Systeme auch versagen können, ist es für Deutschlands Sicherheit unabdingbar, auf diese „nukleare Teilhabe“ zu verzichten und die US-Atombomben und -Militäreinrichtungen von deutschem Boden zu verbannen.