Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN
Ein recht ausführlicher und ehrlicher Artikel von Thomas Fazi auf dem Makroskop:
https://makroskop.eu/2017/06/eine-progressive-vision-nationaler-souveraenitaet/
speziell in der Vorbereitung des Linken-Parteitags.
Dem Text fehlt aber noch viel konkretes „Fleisch“, das von alternativ denkenden Oekonomen erarbeitet werden müsste, ebenso die psychologische Begleitung mit der Zielsetzung, daraus auch eine Begeisterungsfähigkeit für diese Vision zu entwickeln, wie sie unter Willy Brandt noch spürbar war und auf deren Mangel u.a. A.Müller ständig hinweist.
Auch ich bin noch in einem inneren Diskussionsprozess, prinzipiell überzeugter Europäer und zerrissen bei der Frage, ob ich mir eine Regierungsbeteiligung der Linken wünschen soll oder lieber eine ausgedünnte Opposizion gegenüber einer neuen GroKo.
Hier Auszüge:
Eine progressive Vision nationaler Souveränität
Von Thomas Fazi
Die Meinung, dass nationale Souveränität mit rechtsgerichtetem Gedankengut einhergeht, hat bei vielen Linken den Status eines Dogmas und verhindert, das Thema als Antrieb für einen progressiven gesellschaftlichen Wandel zu nutzen.
In den letzten 12 Monaten hat eine Bewegung gegen das Establishment den Westen im Sturm erobert. Dazu zählt das Brexit-Referendum in Großbritannien, die Wahl Donald Trumps in den USA, die Ablehnung Matteo Renzis konstitutioneller Reform in Italien, der wachsende Zuspruch für den Front National in Frankreich und anderer hauptsächlich rechter Parteien in ganz Europa. Auch wenn hinter diesen Phänomenen unterschiedliche Ideologien und Ziele stehen, sind sie alle als Ablehnung der (neo-)liberalen Ordnung zu interpretieren.
Obwohl die unmittelbaren Ursachen dieser Phänomene offensichtlich sind – sinkender Lebensstandard, wachsende soziale Ungleichheit, Angst vor Migranten usw. –, hat die derzeitige Krise viel tiefer gehende Wurzeln, die bis in die 70er Jahre zurückreichen; in die Zeit, als das fordistisch-keynesianische Modell der Nachkriegszeit – welches die Grundlage für ein 30-jähriges wirtschaftliches Wachstum bildete – in eine tiefe strukturelle Krise rutschte.
Damit wurde der Weg für ein grundlegend anderes Sozial- und Wirtschaftsmodell geebnet, das sich durch die folgenden Charakteristika auszeichnet: Handelsliberalisierung und Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte, Lohnzurückhaltung, Schwächung der Gewerkschaften, Privatisierung staatlicher Unternehmen und fiskalischer Einsparungen. In einem Wort: Neoliberalismus.
Diese „Gegenrevolution“ wurde durch die regierenden Eliten initiert, um die Macht ihrer Klasse wiederherzustellen, die aufgrund der wachsenden Forderungen organisierter Arbeitnehmer und radikaler sozialer Bewegungen extrem geschwächt wurde [1].
Der Erfolg dieser Gegenrevolution manifestierte sich in einem dramatischen Absinken des Anteils der Gehälter am Nationaleinkommen und somit der Kaufkraft der Arbeiterschaft [2].
Paradoxerweise droht dieser Erfolg das Ziel dieser Politik zunichte zu machen: Die Profitmaximierung. Denn Profite können nur erzielt werden, wenn ausreichend effektive Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen besteht – und dabei spielt die Lohnhöhe eine entscheidende Rolle.
Finanzialisierung
Die Antwort des Kapitalismus auf die Widersprüche des neoliberalen Politikmodells war die Finanzialisierung und der schuldenbasierte Konsum. Haushalte, die mit stagnierenden Löhnen und sinkender Kaufkraft konfrontiert waren, wurden dazu ermutigt, immer mehr Geld zu leihen, um die Differenz zwischen Einkommen und Ausgaben wettzumachen.
Das führte zu einem kolossalen Anstieg privater Schulden, speziell in den USA, aber auch in vielen europäischen Ländern.
Diese Form des „privatisierten Keynesianismus“ war zusätzlicher Treibstoff für die Entwicklung von Kreditblasen, die schließlich 2008 platzen. Sie erlaubte zudem einem winzigen Teil der Weltbevölkerung, immer mehr Vermögen anzuhäufen. Das alles geschah ohne nennenswerten Widerstand der „unteren Klassen“.
Diese waren durch wirkungsvolle neoliberale Diskurse eingeschläfert, die die liberalisierende Dynamik des „freien Marktes“ (vom Garagenerfinder à la Steve Jobs beispielhaft illustriert) gegen den verkrusteten und ineffizienten Staat (vom Papierschieber des Staates beispielhaft illustriert) in Stellung brachten.
Mit der Finanzialisierung war es möglich, die zur Stagnation beitragenden Effekte der neoliberalen Politik der Profitmaximierung vorübergehend hinaus zu schieben, führte aber dazu, dass dieses Akkumulationsregime 2007/2009 in Flammen aufging. Es lodert bis heute, da der Berg an Schulden, der in den vorhergehenden Jahrzehnten angehäuft wurde, krachend von der Decke ins Wohnzimmer fiel und die Weltwirtschaft einzuschmelzen drohte.
Zwar konnten die westlichen Regierungen einen GAU vermeiden und (für gewisse Zeit) die aus der Finanzkrise resultierenden negativen wirtschaftlichen und politischen Folgen in Grenzen halten, indem sie – mit noch mehr Nachdruck – die Finanzialisierung erneut als Hauptmotor der Wirtschaft einsetzten.
Doch es half nicht, die wirtschaftliche Stagnation in vielen entwickelten Volkswirtschaften zu überwinden.
Der schuldenbasierte Konsum stand jetzt aufgrund der „Liquiditätsfalle“ und dem Schuldenabbau des Privatsektors nach der Krise nicht länger als Quelle autonomer Nachfrage zur Verfügung. Eine angemessene Gesamtnachfrage mittels lohnbasiertem Konsum lässt sich unter der derzeitigen Politik nicht aufrechterhalten – denn wie erwähnt sank die Kaufkraft der Arbeitnehmer in den letzten Jahrzehnten. In diesem Sinne sollte die derzeitige Stagnation als Folge der langen Krise gesehen werden, die bereits in den 70er Jahren ihren Anfang nahm.
Indes verschlimmert(e) sich die Situation nach der Krise weiter. Eine Reihe von westlichen Staaten sahen mit der Finanzkrise die Chance, einen noch radikaleren neoliberalen Kurs einzuschlagen.
Politische Maßnahmen wie die fiskalische Austeritätspolitik und Lohndeflation gereichten den Reichen und dem Finanzsektor zum Vorteil – und zum Nachteil aller anderen.
Kapitalisierung von Unzufriedenheit
Inmitten wachsender Unzufriedenheit, sozialer Unruhe und Massenarbeitslosigkeit (in verschiedenen europäischen Ländern), reagierten die politischen Eliten auf beiden Seiten des Atlantiks mit business-as-usual-Politik und -Diskursen.
Als Folge ist das soziale Verhältnis zwischen Bürgern und Regierungen angespannter als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. In einigen Ländern wurde das Verhältnis bereits zerstört, wie eine Reihe von „Protestwahlen“ in diversen Ländern bezeugen. Der Protest richtete sich dabei, trotz der unterschiedlichen Umstände, unter denen diese Wahlen stattfanden, immer gegen den gleichen „Gegner“: Globalisierung, Neoliberalismus und das politische Establishment, welches die beiden Doktrinen befördert hat.
Viele sehen diese neonationalistische, gegen die Globalisierung und das Establishment gerichtete Revolte als Ankündigung des Endes der (neo-)liberalen Ära und das Einläuten einer neuen globalen Ordnung. Insbesondere Trump hat mit der Ankündigung und Implementierung „protektionistischer Maßnahmen“ Politiker und Kommentatoren weltweit in Alarmbereitschaft versetzt.
Doch ohne den symbolischen und ideologischen Wert dieser Entscheidungen kleinreden zu wollen, war die Globalisierung bereits weit vor der Wahl Trumps in Schwierigkeiten. Seit 2011 wuchs der Welthandel signifikant geringer als das globale BIP. Und mittlerweile sinkt er sogar, obwohl die Weltwirtschaft – wenn auch nur im Schneckentempo – wächst.
Die globalen Finanzströme haben seit dem Höchstwert kurz vor der Krise um 60% abgenommen.
In diesem Sinne sind der Wahlsieg Trumps, der Brexit und der Aufstieg populistischer Parteien „nur Begleiterscheinungen bedeutsamer Verschiebungen in der globalen Volkswirtschaft und internationaler geopolitischer Anpassungen, die seit den 70er Jahren stattfinden“, wie Vassilis K. Fouskas und Bulent Gokay analysieren. Und zwar:
- die Krise des neoliberalen Wirtschaftsmodells und der neoliberalen Ideologie, die nicht länger in der Lage ist, die immanenten stagnierenden und polarisierenden Tendenzen zu überwinden und gesellschaftlichen Konsens bzw. eine gesellschaftliche Vormachtstellung (in materiellem bzw. ideologischem Sinne) herbeizuführen. Darüber hinaus ziehen selbst die Unterstützer des Neoliberalismus immer weniger Nutzen aus ihm.
- die Krise der Globalisierung, die nicht länger dem erbarmungslosen Druck der Überakkumulation und Überproduktion entrinnen kann, die vor allem der verstärkten Konkurrenz aus Ländern wie China geschuldet ist (die wiederum mit der eigenen Überakkumulation zu kämpfen hat);
- die ökologische Krise, d.h. Grenzen hinsichtlich der Energieversorgung und Versorgung mit anderen biophysischen Ressourcen, die den wirtschaftlichen Prozess am Laufen halten und auf dessen Funktionalität Einfluss haben;
- die Vorherrschaftskrise der USA, die nicht länger in der Lage sind, einseitig die globale neoliberale Ordnung durchzusetzen, weder durch weiche Macht (d.h. durch pro-westliche multilaterale Institutionen wie dem IWF und der Weltbank) wie während der 90er Jahre, noch durch harte Macht (d.h. mit reiner militärische Stärke) wie in den frühen 2000er Jahren – was sich vor allem durch den (bisher) fehlgeschlagenen Versuch des Westens, Assad in Syrien zu stürzen, zeigt. Trumps unnachgiebige Haltung bezüglich Chinas und anderer Überschussländer (wie Deutschland), die er der Währungsmanipulation bezichtigt, und seine Pläne zur „Wiederverstaatlichung“ der US-Wirtschaftspolitik sollten daher im Kontext mit dem sich abzeichnenden Kollaps der neoliberalen Ordnung verstanden werden.
Wovon wir Zeuge werden, ist nicht das Ende der Globalisierung. Sie wird weitergehen, auch wenn sie höchstwahrscheinlich durch verstärkte Spannungsfelder zwischen den unterschiedlichen Fraktionen des internationalen Kapitals und einer Kombination aus Protektionismus und Internationalisierung gekennzeichnet sein wird. Was wir erleben, ist eher die Geburt einer post-neoliberalen Ordnung.
Es ist noch zu früh, um zu sagen, wie diese Ordnung aussehen wird. Bisher liegt keine neue kohärente Ideologie oder kein neues Akkumulationsregime auf der Lauer, um den Neoliberalismus zu ersetzen.
Antonio Gramsci beschrieb organische Krisen, wie die, die wir gerade erleben, treffend als Situationen, in denen „das Alte stirbt und das Neue noch nicht geboren werden kann“. „In dieser herrscherlosen Phase“, so Gramsci, ist es nicht selten, dass „eine große Vielfalt an Krankheitssymptomen“ – so wie die, die ich oben geschildert habe – in Erscheinung treten.
Was diese „Krankheitssymptome“ als dominante Reaktion auf den Neoliberalismus und die Globalisierung hervorgerufen hat, ist jedoch der Tatsache geschuldet, dass die Kräfte des rechten Lagers den Unmut der Massen, die aufgrund des vierzigjährigen neoliberalen Klassenkampfs von Oben entrechtet, an den Rand gedrängt, verarmt und enteignet wurden, viel effektiver als die linken bzw. progressiven Kräfte aufgegriffen haben.
Letztendlich waren sie die einzigen Kräfte, die eine (mehr oder weniger) schlüssige Antwort auf das weitverbreitete – und wachsende – Verlangen nach mehr territorialer und nationaler Souveränität liefern konnten. Denn dies wird zunehmend als der einzige Weg gesehen, um einen gewissen Grad an kollektiver Kontrolle über Politik und Gesellschaft – in Abwesenheit effektiver supranationaler Mechanismen der Repräsentativität – zurückzuerlangen.
Da der Neoliberalismus einen Krieg gegen die nationale Souveränität führt, sollte es nicht verwundern, dass „Souveränität das Grundgerüst zeitgenössischer Politik darstellt“, wie Paolo Gerbaudo anmerkt. Denn letzten Endes war das Aushöhlen der nationalen Souveränität und die Beschneidung gängiger demokratischer Mechanismen – was auch als Entpolitisierung definiert wurde – das essentielle Element des neoliberalen Projekts. Es zielte darauf, makroökonomische Politik von populären Streitfragen abzuschirmen und jegliche Hindernisse, die dem wirtschaftlichen Austausch und den Finanzströmen in den Weg gelegt wurden, zu beseitigen.
Laut Stephen Grills haben Neoliberalismus und Globalisierung somit nicht dazu geführt, dass – wie viele linke Studien behaupten – sich der Staat gegenüber dem Markt zurückgezogen hat. Eher hat er sich umgestaltet, um die Befehlsgewalt über die Wirtschaftspolitik „in die Hände des Kapitals und primär die der finanziellen Interessen“ zu legen.
Aufgrund der schädlichen Effekte der Entpolitisierung ist es nur normal, dass der Aufstand gegen den Neoliberalismus zuallererst in Form von Forderungen nach einer Repolitisierung des nationalen Willensbildungsprozesses erfolgen muss.
Rückgewinnung von nationaler Souveränität
Dass die Vision von nationaler Souveränität, welche im Zentrum der Kampagnen um Trump und den Brexit stand und derzeit den öffentlichen Diskurs dominiert, als reaktionär und quasi-faschistisch bezeichnet werden kann,[3] sollte kein Argument gegen das Konzept der nationalen Souveränität sein.
Die Geschichte zeigt, dass nationale Souveränität und Selbstbestimmung keine reaktionären oder chauvinistischen Konzepte sind. Tatsache ist, dass diese Konzepte den Kämpfen unzähliger Sozialisten und linker Freiheitsbewegungen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts Ziele vorgaben.
Selbst wenn wir unsere Analyse auf die Kernländer des Kapitalismus beschränken, ist es offensichtlich, dass nahezu alle großen sozialen, ökonomischen und politische Fortschritte der letzten Jahrhunderte den Institutionen des demokratischen Nationalstaats zu verdanken sind und nicht den internationalen, multilateralen oder supranationalen Institutionen. In Wirklichkeit werden letztere in einer Vielzahl von Fällen genutzt, um gerade diese Fortschritte rückgängig zu machen.
Am besten lässt sich das im Kontext der Eurokrise beobachten. Supranationale Institutionen (die größtenteils niemandem Rechenschaft schuldig sind) wie die Europäische Kommission, die Eurogruppe und die EZB haben ihre Macht und Autorität genutzt, um einschneidende Austeritätsmaßnahmen gegen in Not geratene Länder zu verhängen. Das Problem, um es kurz zu sagen, ist nicht die nationale Souveränität, sondern der Umstand, dass das Konzept in den letzten Jahren größtenteils von den Rechten und Rechtsextremen für sich in Anspruch genommen wurde. Diese Gruppierungen sehen es als einen Weg, ihre ausländerfeindliche und identitäre Agenda durchzudrücken.
Warum also war es dem Mainstream der Linken nicht möglich, eine alternative, progressive Sicht auf die nationale Souveränität als Antwort auf die neoliberale Globalisierung zu entwickeln?
Die Antwort lautet, dass im Verlauf der letzten dreißig Jahre der Großteil der Linken das falsche Narrativ akzeptiert haben. Nämlich, dass Nationalstaaten im Wesentlichen durch den Neoliberalismus und/oder die Globalisierung überflüssig gemacht worden seien und daher bedeutsame Veränderungen nur auf internationaler/supranationaler Ebene herbeigeführt werden könnten. Übersehen wird, dass diese Entwicklungen hauptsächlich vom Staat selbst herbeigeführt wurden.
Hinzu kommt, dass die meisten Linken mittlerweile den makroökonomischen Mythen Glauben schenken, die das neoliberale Establishment nutzt, um den Staat davon abzuhalten von seiner fiskalischen Kapazität Gebrauch zu machen.
Beispielsweise wurde fraglos die sogenannten Haushaltsbudget-Analogie akzeptiert: Regierungen, die eine eigene Währung ausgeben, sind demnach genauso wie Haushalte in ihrem finanziellen Spielraum beschränkt; fiskalische Defizite führen zu Schulden, die die kommenden Generationen belasten.
Von dieser Analogie wird in der europäischen Debatte erfolgreich Gebrauch gemacht. Trotz der desaströsen Effekte der institutionellen Ausgestaltung der EU und der Währungsunion klammern sich die Mainstream-Linken weiterhin an diese Institutionen.
Sie glauben, dass diese in eine progressive Richtung reformiert werden können – ungeachtet der Faktenlage, die das Gegenteil beweist.
Zudem lehnen sie jegliche Diskussion über eine progressive Agenda auf Grundlage einer wiederhergestellten nationalen Souveränität ab.
Ein „Rückzug auf nationalistisches Terrain“ würde den Kontinent zwangsläufig mit einem Faschismus wie in den 30er Jahren überziehen, so die Überzeugung.
Damit überlässt man das weitläufige politische Schlachtfeld im Kampf gegen den Neoliberalismus dem rechten Lager bzw. den Rechtsextremen. Wenn progressiver Wandel nur auf globaler oder europäischer Ebene herbeigeführt werden könnte, bleibt den Wählern nur die Wahl zwischen reaktionärem Nationalismus und progressiver Globalisierung. Die Linke hätte den Kampf dann bereits verloren.
Das muss aber nicht so sein. Eine progressive, emanzipierte Vision von nationaler Souveränität, die eine ernsthafte Alternative zu den Rechten und den Neoliberalen darstellt, ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Sie basiert auf der Volkssouveränität, der demokratischen Kontrolle über die Wirtschaft, Vollbeschäftigung, sozialer Gerechtigkeit, Umverteilung von reich zu arm, Inklusion und gewissermaßen der sozioökologischen Transformation der Produktion und Gesellschaft.
Das alles muss auch nicht auf Kosten der europäischen Kooperation gehen. Ganz im Gegenteil: Die Fakten belegen, dass die schraubstockartige Umklammerung durch die Eurozone die nutzstiftenden Aspekte in Gefahr bringt, die mit der Gründung der Europäischen Union einhergegangen sind.
Demonstriert wurde das unlängst durch die Reaktion Europas auf die Flüchtlingskrise. Diese Umklammerung führt zu einer Verschärfung zwischeneuropäischer Divergenzen und zu weitreichender sozialer Verwüstung. Sie schürt nationale Ressentiments, wie man sie seit der Nachkriegszeit nicht mehr gesehen hat.
Der wahre Wert des Europäischen Projekts besteht in seiner Fähigkeit, multilaterale Kooperationen hinsichtlich von Problemen wie der Immigration, dem Klimawandel, dem Menschenhandel, die einzelne Nationen alleine nicht lösen können, in Gang zu bringen und zu koordinieren.
Wenn man die monetären und fiskalischen Werkzeuge, die man zur Sicherstellung des Wohls der eigenen Bürger benötigt, den nationalen Regierungen wieder zurückgeben würde, wäre diese Art der Kooperation nicht untergraben.
Im Gegenteil: Es würde die Basis für ein erneuertes Europäisches Projekt – und im allgemeineren Sinne für eine neue international(istisch)e Weltordnung – legen, die auf der multilateralen Kooperation zwischen souveränen Staaten basiert.
Der Artikel erschien in englischer Sprache ursprünglich im Green European Journal und wird hier in leicht gekürzter und deutscher Fassung mit Zustimmung des Autors nachgedruckt.