Mir geht es gut, sonst ist mir alles scheißegal – Glückwunsch! Sie wählen die Merkel. Oder doch nicht?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

DSC_0046Das ist der Titel einer schwungvollen, von Sachkenntnis geprägten Polemik von Werner Rügemer[*].
Da wird so richtig klar, warum man Merkel bei klarem Verstand kaum wählen kann.
Nicht wegen Rügemers Polemik, sondern wegen der von ihm angeführten Fakten! Fakten sprechen gegen die Wiederwahl dieser Bundeskanzlerin.
– Sicher gibt es auch in Ihrem Umkreis Menschen, die einen solchen Text mal lesen sollten, und sogar davon berührt sein könnten. Dann schicken Sie diesen Artikel per E-Mail bitte weiter oder drucken Sie ihn aus.
Albrecht Müller, Joachim Elz-Fianda.

Ich kenne Sie: Sie sind Vermieter oder Vermieterin. Sie müssten sich an das von der Merkel-Regierung gemachte Gesetz zur Mietpreisbremse halten.
Sie lieben solche Gesetze, die man nicht einhalten muss. So haben Sie und Ihresgleichen seit Inkrafttreten des Gesetzes ungefähr 300 Millionen Euro zuviel eingenommen, jährlich, das sind 1,5 Milliarden. Zusatzprofit durch Gesetzesbruch: Glückwunsch – wieder die Merkel wählen!

Ach so, Sie sind kein Vermieter, sondern Reinigungsunternehmer, ja pardon, auch Reinigungsunternehmerin. Sie schließen mit Ihren Putzkräften Arbeitsverträge für 20 Wochenstunden. Aber um im Nobelhotel die Zimmer auf die geforderte strahlende Schönheit zu bringen, müssen Ihre Putzkräfte 30 und 35 Stunden arbeiten. Denen zahlen Sie aber nur 20 Stunden. Damit unterlaufen Sie zielgenau den vertraglich vereinbarten Mindestlohn.
Die Merkel-Mehrheit im Bundestag hat kein Personal für die Kontrolle des Mindestlohn-Gesetzes beschlossen, genau wie bei der Mietpreisbremse. Sowas lieben Sie über alles – Glückwunsch! Die Merkel ist schon immer ihre Wahl – und jedes Mal wieder, weil es so schön ist!

Ach so, Sie sind kein Vermieter und kein Reinigungsunternehmer. Sie sind einer von den zweihunderttausend Arbeitsvergebern, ja pardon, auch Arbeitsvergeberin, die täglich das Arbeitszeit- und Befristungsgesetz verletzen und Ihren Beschäftigten ohne Einhaltung der Frist die Arbeitsstunden zuteilen, wie es Ihnen gerade passt. So ein Gesetz ist Scheiße, blöde Bürokratie, sagen Sie. Die Beschäftigten sollen doch froh sein, dass ich Ihnen die Arbeit zuteile, sagen Sie, sonst hätten die gar nix. Die Merkel stellt sich dumm und erzählt „Es geht uns allen gut“.
Glückwunsch, jedenfalls Ihnen geht es sogar sehr gut – die Dummstellerin Merkel ist Ihre Wahl!

Ach so, Sie gibt es ja auch noch. Sie sind einer oder eine von unseren 120.000 Leistungsträgern und Leistungsträgerinnen, die sich in den letzten Jahren wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung selbst angezeigt haben. Sie hatten die Hosen voll, weil es in Ihren Schweizer und Luxemburger und Panama-Banken immer mehr undichte Stellen gibt.
Sie zahlen diesmal schnell und heimlich ein bisschen Strafe und lassen Ihren Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüferin eine neue Finanzoase suchen. Sie können auf die unschuldige Wegschauerin Merkel hoffen und auf der Merkel ihren Schäuble im Rücken – Ihre Wahl steht auch diesmal fest.

Sie sind ein Bonus-Banker oder eine Bonus-Bankerin. Ihre Boni steigen mit der Höhe des Verlustes. „Ich will nie mehr in die Lage kommen, mich von Banken erpressen zu lassen“, gestand in einem halblichten Moment die Merkel. Die Bonus-Banker und die Bonus-Bankerin schicken die Banken in den Bankrott, und der Merkel-Staat zahlt.
Die Merkel will sich nie mehr erpressen lassen und macht doch genauso weiter, nämlich freiwillig. Eine solche freiwillig erpressbare Politikerin – wunderbar. Glückwunsch – die Merkel ist wieder Ihre Traumwahl!

Und Sie, ja genau Sie meine ich. Hören Sie auf mit Ihrem salbungsvollen Grinsen. Sie sind Militärbischof. Auf Ihrem Bauch baumelt das goldene Christuskreuz. Sie segnen jeden Spähpanzer, der zum Hindukusch geflogen wird und Sie lassen Ihre Feldgeistlichen mit den wüstentauglichen Feldaltärchen unsere toten Soldaten segnen für den Dienst, den sie für Muttis und Obamas und Trumpels Leitkultur geleistet haben. Sie werden als Militärbischof bezahlt wie die richtigen Generäle der Bundeswehr, denn Sie sind ja Muttis christliche Heimat-Generäle – Glückwunsch!
Christsein kann so schön sein – Sie und Ihre Wahlschafe wählen die Chefin Ihres christlich-tödlichen Arbeitgebers natürlich wieder!

Ach so, fast hätte ich Sie vergessen. Sie sind ja besonders wichtig und brauchen die Mutti-Hilfe ganz besonders. Die Autokanzlerin hat jahrzehntelang in Deutschland und in der Europäischen Union ihre schützende Hand über Ihre Betrügereien gehalten.
Sie haben den Staat und die Bürger und die Autokäufer belogen und die Luft vergiftet. Das tut Ihnen jetzt leid, sagen Sie. Aber wir müssen mit neuer Software die Luft weiter vergiften. Weiter so mit Deutschland. Die Spenden für den Merkel-Wahlkampf sind auch dieses Jahr schon längst wieder überwiesen. Glückwunsch – die Schutzherrin der Gift- und Lügenindustrie ist Ihre Wahl!

Ach so, fast hätte ich gerade Sie vergessen! Die Merkel hat ja noch nie Ihren Namen in ihr kummervolles Mündchen genommen. Obwohl Sie, Sie großer Unbekannter, fast täglich im Bundeskanzleramt ein- und ausgehen. Man sieht Sie gar nicht, nie in der Tagesschau und im heute journal, obwohl Sie überall sind, jedenfalls im Bundeskanzleramt und in den Aufsichtsräten unserer DAX-Konzerne. „Unserer“ sage ich dummerweise, obwohl „unsere“ Wirtschaft ja Ihnen gehört. Sie heißen Blackrock und Blackstone und Capital Group und Wellington und Templeton und Vanguard und Fidelity und State Street und Sun Life und Katar Investment und sind Miteigentümer aller deutschen Autolügner und Kohleverbrenner und Atommüll-Verstecker und von noch viel mehr und Sie haben als Deutschland-Chef den Friedrich Merz, der ist auch Vorsitzender der Geheimschleimer von der Atlantikbrücke und er ist Miteigentümer der US-Wirtschaftskanzlei Mayer Brown und er ist seit knapp nach der Geburt im heimischen Sauerland Mitglied der Merkel-Partei – Glückwunsch! Die Merkel gehorcht Ihnen aufs unausgesprochene Wort! Da sind nichtmal Parteispenden nötig!

Ihr lieben deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen! Die Merkel hat ihren von Kohl geerbten christdemokratischen Bauchredner aus der größten europäischen Finanzoase zum Präsidenten der Europäischen Kommission hinbugsiert. Der kumpelhafte Biedermann Juncker beklaut seit Jahrzehnten mit den Banken und US-Beratern in seinem kleinen Großherzogtum Luxemburg die anderen EU-Staaten jährlich um Milliarden Euro Steuergelder. Davon haben Sie, liebe deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen schon mal gehört, oder auch nicht. Ist ja egal, ob in Merkel-Land ihre Regierung dann die Renten kürzt und die Schulen verkommen lässt.
Die Schul-Klos sind kaputt, und Ihre Kinder können doch in der Merkelschen „Bildungsrepublik Deutschland“ hinter die Wand scheißen und in die Büsche im Schulhof pinkeln. Glückwunsch – die Merkel ist natürlich wieder Ihre bewährte Wahl!

Sie sind ein friedlicher und freundlicher Mensch. Sie sind selbstbewusst. Sie lassen sich von niemandem hereinreden. Sie sind ein Deutscher und eine Deutschin. Da gefällt Ihnen die Merkel. „Wir Europäer nehmen unser Schicksal selbst in der Hand“ – plustert sich die Merkel gegen den Trumpel auf. Aber von den US-Atombomben in Deutschland undsoweiter weiß sie nichts, lässt sie ihren Sprecher erklären, Seibert heißt er, den sie vom Staatssender ZDF gemietet hat. Bei allen offenen und verdeckten Kriegszügen der US-Supermacht gegen Russland, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen undsoweiter macht die Merkel-EU mit oder tut so, als würde sie keine Panzer nach Saudi-Arabien liefern lassen. Von Wilhelmshaven aus lässt sie die US-Militärkonvois durch Deutschland zum Aufmarsch gegen Russland rollen. In keinem Land der Erde, das sowieso schon NATO-Mitglied ist, gibt es zusätzlich soviele US-Militärstützpunkte wie in Deutschland.
Das wissen Sie nicht, Sie Merkel-Bürger und Merkel-Bürgerin. Vielleicht wissen Sie es, aber es ist Ihnen egal. Vielleicht ist es Ihnen nicht egal. Vielleicht lassen Sie sich gern verblöden, vielleicht aber doch nicht so gern. Aber die Merkel sagt: Wir gehen mit unserem amerikanischen Schutzherrn durch dick und dünn! „Nicht automatisch“, tut sie das, hat sie jetzt eingeschränkt. Nein, sie macht es nicht automatisch. Aber sie macht es fast automatisch. Den bösen Trumpel hat sie kritisiert, aber dann hat sie ihm in Washington brav versprochen: Ja, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für die Rüstung so bald wie möglich! Glückwunsch – diese halbautomatische Aufrüstungs-Schleicherin ist Ihre Wahl, jetzt erst recht!

Sie sind ein guter Deutscher und eine gute Deutschin. Sie fanden den netten Obama gut. Der war viel besser als der böse Trumpel. Der Obama hat nämlich den Abbau aller Atombomben versprochen. Das fanden Sie gut. Dann hat der nette Obama so viele neue Atombomben bauen und stationieren lassen wie noch kein US-Präsident zuvor, in Südkorea zum Beispiel. Das wissen Sie nicht, oder vielleicht wissen Sie es. Ist auch egal.
Und was macht die Merkel? Sie macht nicht den Obama, sondern sie macht den Trumpel. Sie wollte die Abstimmung in der UNO zum Verbot der Atomwaffen verhindern. Als die große Mehrheit der Staaten der Erde trotzdem darüber abgestimmt hat, hat sich die Merkel-Vertretung feige aus der Versammlung gestohlen. Glückwunsch – die verdrückte Diskussions-Flüchterin Merkel ist Ihre Wahl.

„Wir Europäer nehmen unser Schicksal selbst in der Hand“. In diesem Merkel-Europa nehmen die US-Militärs in Ramstein und Stuttgart im AFRICOM-Sperrgebiet ganz selbständig die kleinen Hebelchen in die Hand und ermorden mit ihren Drohnen Menschen ohne Anklage und Urteil in fernen Ländern. Im Grundgesetz wurde die Todesstrafe abgeschafft, davon haben Sie schon mal gehört oder auch nicht. Die Merkel sagt dazu nichts und bricht mit leichter Hand das Grundgesetz und das Völkerrecht.
Rechtsstaat? Scheißegal! Auch davon brauchen Sie nichts zu wissen. Oder vielleicht wissen Sie es, egal. Aber das Wichtigste ist: Für das ruhige Gewissen wieder Mutti Merkel wählen, oder doch nicht?

Als selbstbewusster Deutscher und selbstbewusste Deutschin wollen Sie nicht von fremden Mächten ausspioniert werden. Gut so. Aber der Merkel ist es egal, ob ihr Handy und die Telefone ihrer Minister von den US-Geheimdiensten­­ ausspioniert werden. Sie erklärt pflichtgemäß und unbewegt: Unter Freunden darf das nicht sein! Und dann lässt sie sich und ihre Minister und ihre Bürger weiter ausspionieren.
Wir haben ja die „Man kann ja doch nichts ändern“-Merkel-Demokratie. Glückwunsch – die Merkel ist wieder Ihre Wahl, oder doch nicht?

Sie sind Feministin oder Feminist und finden die Merkel gut. Weil sie als Frau aufgestiegen ist nach oben. Aber bevor sie zunächst in der CDU aufgestiegen ist als Vorsitzende, wurde sie vom Kölner Erzbischof Meisner, ihrem ostdeutschen Mitbruder in Christi, aufgefordert, erstmal kirchlich zu heiraten. Sie schlich mit ihrem Mann heimlich zum Altar: Glückwunsch – Feminismus pur, oder doch nicht?

Bevor die Aufsteigerin weiter aufsteigen durfte, vom Osten in den Westen, von der angepassten FDJ-Sekretärin zur führenden Politchristin, bekam sie noch weitere Aufsichten verpasst. Zuerst die FAZ aus Frankfurt, wo die deutscheste aller Banken in so mancher Hinsicht was zu sagen hat, bekam sie eine Seite für die Kritik an ihrem sowieso schon unmöglich gewordenen korrupten Lehrmeister Kohl. Und dann bei ihrem Wahl-Parteitag musste schnell noch ein gewisser Dr. Cartellieri in die CDU aufgenommen werden. Er war Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.
Die CDU brauchte wegen Kohls schwarzer Kassen einen neuen Schatzmeister. Jetzt musste der wichtigste Dauersponsor der christlich lackierten Partei dieses wahlentscheidende Amt selbst in die Hand nehmen. Dann durfte die Merkel endlich aufsteigen. Sie wurde zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Sie strahlte. Glückwunsch – eine so gut betreute Aufsteigerin gefällt Ihnen, oder doch nicht?

Als Feministin und Feminist haben Sie noch andere Gründe für die Merkel. Sie hat bewiesen, dass sie noch asozialer sein kann als ein Mann, ihr Vorgänger Schröder von der Konkurrenzpartei zum Beispiel. Der hatte bei dem Hartz IV-Gesetz den Arbeitslosen wenigstens noch den vom Jobcenter gezahlten Rentenbeitrag gelassen, so klein der auch war. Aber für die von der Merkel dann geführte Regierung war das zuviel, sie hat den Rentenbeitrag gestrichen. Wenn Arbeitslose in der Rente sowieso verhungern, dann brauchen die vorher auch keinen Rentenbeitrag mehr zu kriegen – das finden Sie logisch. Glückwunsch und Merkel wählen! Oder doch nicht mehr?

Sie sind eine gute deutsche Katholikin, oder Protestantin, egal, jedenfalls christlich. Deshalb mochten Sie damals die Bildungsministerin in der Merkel-Regierung, die hieß Annette Schavan. Schon vergessen? Die tiefgläubige Katholikin hatte ihre Doktorarbeit gefälscht und glaubte tiefgläubig, dass das nie rauskommt. Sowas kommt in Merkel-geführten Regierungen öfter vor, ok, das sind lässliche Sünden im freien Merkel-Land. Der Hüterin guter deutscher Bildung wurde der Doktortitel aberkannt. Sie wurde zurückgetreten. Die Merkel ernannte die Schavan zur Botschafterin Deutschlands beim Vatikan. Dort wird sie, weil für den christlich lackierten Merkel-Staat der winzige Vatikanstaat so wichtig ist, genauso hoch bezahlt wie unsere Botschafter in Washington und Moskau. Grundgehalt 11.241,02 Euro monatlich, mit ein paar Tausendern an Zulagen, freie Zweitwohnung und Spesen. Dafür muss die staatlich subventionierte Fälscherin für die Merkel jedes Jahr mal einen Besuch mit Foto beim Papst im Petersdom organisieren. Mehr braucht die nicht zu tun.
Mit einer sündigen Schwester in Christi muss eine protestantische Bundeskanzlerin barmherzig sein, das gefällt Ihnen als ökumenischer Christenmenschin – Glückwunsch! Ihre Wahl steht fest, oder doch nicht?

Sie finden auch, dass wir christlichen deutschen Abendländer uns Abendländerinnen mit den vielen Flüchtlingen ein Problem haben: Schwierig, sehr schwierig. Die von der Image-Pflegerin der „Willkommenskultur“ geführte Bundesregierung hat Afghanistan zum sicheren Herkunftsland erklärt. Dort haben Terroristen unter den wachen Augen unserer teuren Bundeswehr allein seit Beginn dieses Jahres 1.700 Menschen ermordet. Dorthin lässt die Merkel-Regierung Flüchtlinge gnadenlos abschieben.
Die Merkel pflegt ihr Willkommens-Image und lässt ihren kaltschnäuzigen Innenminister machen und ihren bayerischen Kläffer arbeitsteilig die harten Grenzkontrollen fordern. Glückwunsch – Sie waschen auch hier mit der Merkel Ihre Hände in Unschuld und wählen sie wieder, oder doch nicht?

Die CDU, wo die Merkel die Vorsitzende spielt, behauptet in ihrem Wahlprogramm: „In Deutschland gibt es mehr Beschäftigung denn je.“ Die Merkel lässt lügen. Denn die Beschäftigten in Deutschland arbeiten jetzt insgesamt weniger Stunden und es werden weniger Stunden bezahlt als nach der Wiedervereinigung. Das wissen Sie nicht, oder Sie wissen es. Es ist Ihnen egal, oder auch nicht. Sie lassen sich gern verblöden, oder auch ungern.
Ihnen geht es gut, oder Sie tun so. Glückwunsch – Sie werden auch beim nächsten Mal wieder die Lügnerin Merkel wählen, oder doch nicht?

Sie als verbliebene Eingeborene in Ostdeutschland müssen länger arbeiten und werden noch geringer bezahlt als in Westdeutschland. Die ostdeutsche Merkel lässt Sie, ihre ostdeutschen Landsleute, noch ungerechter behandeln als die westdeutschen Brüder und Betschwestern, bei denen sie sich angedient hat. Sowas gefällt Ihnen oder auch gar nicht. Glückwunsch – Sie haben die Merkel gewählt und tun es wieder, oder doch nicht?

Sie sind einer oder eine von den Millionen Beschäftigten, die sich von Ihren Arbeitsvergebern oder Arbeitsvergeberinnen erpressen lassen. Die erpressen mindestens eine Milliarde unbezahlte Überstunden pro Jahr. Da gehören Sie zu denen, die den Arbeitserpressern jährlich ungefähr 40 Milliarden Euro schenken. Erpresser muss man beschenken, jedenfalls in Merkel-Land. Glückwunsch, Sie bescheißen sich selbst. Das ist blöd, finden Sie.
Aber man kann ja doch nichts ändern, meinen Sie. Wir leben ja leider in der „Wir können ja doch nichts ändern“- Demokratie. Deshalb wählen Sie wieder die Merkel – oder vielleicht endlich doch nicht?

In Merkel-Land schreiben Sie als junge, gut ausgebildete Menschen hunderte von Bewerbungen. Sie werkeln fünf Stunden für Bewerbung, um bestenfalls mal eine Stunde Arbeit zu kriegen. „Ich nehme jede Arbeit an“, sagen Sie. Aber Sie kriegen keine. Das gefällt Ihnen nicht, aber was soll man machen? Vielleicht klappt es ja mal nächstes Jahr? Und Sie können ja noch bei Ihrer Mutti wohnen. Glückwunsch – Sie wählen die Übermutti Merkel, oder jetzt doch nicht mehr?

In der Merkel-EU verarmen Millionen Menschen in Spanien, Italien, Portugal – und in Griechenland sowieso. Wenn Alte dort keinen Arzt mehr bezahlen können und früher sterben, ist doch egal. Nicht nur aus Spanien, Italien, Portugal und Griechenland wandern hunderttausende Menschen aus. Und noch viel mehr wandern hunderttausende Menschen aus Bulgarien und Rumänien aus und schon länger flüchten sie vor der EU-produzierten Armut aus dem Kosovo, aus Slowenien, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro. Dafür werden diese Staaten immer schneller in die EU und die NATO manövriert.
Kanonen und Armut in der Merkel-EU – „Uns geht es gut“, sagt die deutsche Nationalistin Merkel. Sie sagt es ein bisschen netter als die AfD. Weil Sie ein gebildeter Nationalist oder eine gebildete Nationalistin sind, wählen Sie die Merkel wieder – oder endlich doch nicht mehr?

Was die Kanzlerin sagt, ist Ihnen ziemlich egal. Irgendwie haben Sie sogar recht. Aber Sie halten was auf gepflegtes Aussehen. Die Merkel holt sich jeden Morgen bei ihrer persönlichen Visagistin das Gesicht des Tages ab. „Sie legt ihre Maske auf“, sagen die Sekretärinnen im Kanzleramt. Dann kommt die Bekleidungsberaterin und legt die Farbe des Hosenanzugs oder des Festkleids fest, je nach Publikum und Thema, für Wagner in Bayreuth oder für die American Chamber of Commerce in Germany oder für das CSU-Bierzelt in München. Dann verpassen unsere privaten und öffentlichen Leitmedien zwischen New York und Passau ihr die passende mediale Tagesmaske. So eine vielverwendbar inszenierte Politikdarstellerin kann man wählen, sagen Sie – oder gerade diesmal doch nicht mehr?

Ich kenne Sie: Sie haben Stil, Sie lieben gut verpackte Produkte. Die Merkel ist Ihr Produkt. Aber das Wahlvolk in den weiten unteren Zonen ist unzuverlässig geworden. Diesmal soll es die PR-Agentur Jung von Matt richten. Sprüche wie „Bild dir deine Meinung“ hat sie hochbezahlt erfunden. Diese Agentur hat bisher nur unpolitische Werbung gemacht, für die Autovermietung Sixt zum Beispiel. Gerade deshalb haben die Merkel-Berater diese Agentur geholt. Es geht ja gerade nicht um Politik. Für die Merkel soll nur die Verkaufs-Richtung geändert werden, vorsichtig, ein bisschen: Mehr Emotion – jedenfalls ein bisschen. Nicht übertreiben, sonst unglaubwürdig! Ein bisschen Selbstironie – kommt gut an bei Jüngeren! Vor allem: Mehr „Deutschland“! Mehr Schwarz-Rot-Gold in die Plakate mit dem Merkel-Foto! Noch n‘ bisschen mehr Nationalismus, seit Adenauer immer gut, um rechts was abzufischen. Deutsche Staatsraison. Deutsche Leitkultur. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Glückwunsch! Augen zu und durch, auch wenn es Ihnen nicht so gut geht – Merkel wählen, oder jetzt doch nicht mehr?

Sie vergiften mit Ihrem Diesel-Auto Ihre eigene Luft und die Luft Ihrer Mitmenschen. Sie sind einem Massenbetrug made in Germany aufgesessen. Die Schutzpatronin des kriminellen Autokartells hat sich für den Diesel-Gipfel weggestohlen und die gute Luft beim Urlaub in den Tiroler Bergen genossen. Glückwunsch! – Sie haben bisher diese Verkriecherin gewählt und werden es wieder tun, oder jetzt endlich doch nicht mehr?

Moment, fast hätte ich ausgerechnet Sie vergessen: Sie heißen Verband der Metall- und Elektroindustrie, Merck-Chemie, United Internet, Oetker, Daimler AG, Trumpf GmbH, VHB Grundstücks- und Beteiligungsverwaltung GmbH undsoweiter. Sie kalkulieren geizig mit jedem Cent, jedenfalls bei Ihren Beschäftigten. Aber allein im jetzigen Wahljahr haben Sie der Merkel-Partei schon mehrere Hunderttausender großzügig und steuermindernd rübergeschoben. Damit das Agentur-Produkt besser verkauft werden kann.
Schon bevor Ihre abhängig Beschäftigten wählen können, haben Sie schon gewählt – Glückwunsch! Sie haben schon gewonnen – oder doch nicht?

[«*] Dr. Werner Rügemer ist Publizist und Autor mehrerer Bücher. Er lebt in Köln. Seine aktuellste Veröffentlichung: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet… Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, Kultur und Religion. Ausgewählte Veröffentlichungen aus drei Jahrzehnten, aufgedeckte und wieder verdrängte Erfahrungen aus den USA, aus Deutschland, der Europäischen Union und aus Köln. Papyrossa Verlag, Köln 2016, 220 Seiten. 2. Auflage Februar 2017.

Werner Rügemer kam hier in Nördlingen schon in unser soziales Forum. Einen wichigen Artiekel haben wir hier schon mal veröffenlicht: https://josopon.wordpress.com/2016/07/22/die-tiefe-krise-der-abhaengigen-arbeit/

Die Geburtshelfer des IS – USA und EU

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Schon vor 1 Woche erschienen, aber wichtig, um die neuerlichen Verlautbarungen zu verstehen:
https://www.jungewelt.de/2016/01-22/052.php
Auszüge:

USA und EU haben durch Destabilisierung von Staaten und Militärinterventionen Wachstum und Ausbreitung des islamistischen Terrorismus gefördert

Von Knut Mellenthin

Seit bald 15 Jahren führen die USA und ihre Verbündeten »Krieg gegen den Terror«. In dieser Zeit haben sie es geschafft, das Problem, das sie angeblich bekämpfen wollen, über große Teile der Welt zu verbreiten. Die Gegner, gegen die bis zu 200.000 NATO-Soldaten im Einsatz waren, sind um ein Vielfaches zahlreicher und stärker geworden. Bewaffnete islamistische Organisationen verfügen heute über schwer angreifbare Rückzugsgebiete im Irak, in Syrien, auf der ägyptischen Sinaihalbinsel, in Libyen und anderen Staaten der Region, im Jemen und in Nigeria einschließlich seiner Nachbarländer.
Hunderte Anhänger des »Islamischen Staates« (IS) operieren auch in Somalia und Afghanistan.

Im Herbst 2001, als US-Präsident George W. Bush den »War on Terror« ausrief, besaß Al-Qaida, die damals als Nummer eins des internationalen Terrorismus galt, kein einziges Territorium dieser Art. Zwar begann die NATO ihre Militärintervention in Afghanistan mit der vorgeschobenen Begründung, der Organisation Bin Ladens einen »Safe haven« wegnehmen und eine Rückkehr verhindern zu wollen. Diese Ausrede wird selbst heute noch regelmäßig wiederholt, wenn es die Verewigung westlicher Militärpräsenz in Afghanistan öffentlich zu rechtfertigen gilt.
Tatsache ist jedoch, dass die Taliban zu keinem Zeitpunkt versucht haben, ihre Ideologie mit Terrorakten oder durch die Unterstützung ausländischer Terrorgruppen in alle Welt zu exportieren.

Als Bush nach den Angriffen vom 11. September 2001 von der Regierung in Kabul ultimativ die Auslieferung Osama bin Ladens verlangte, lehnten die Taliban diese Forderung nicht etwa rundweg ab, sondern wollten lediglich Beweise für die US-amerikanischen Anschuldigungen gegen den Al-Qaida-Führer sehen. Bush war nicht bereit, darüber zu verhandeln oder auch nur zu sprechen.
Das ist nicht weiter verwunderlich: Erstens waren die militärische Zerschlagung der Taliban-Herrschaft und eine langdauernde Besetzung Afghanistans von der US-Regierung und auf sie einwirkenden Thinktanks wie dem American Enterprise Institute (AEI) schon mehr als ein Jahr vor dem 11. September in allen Einzelheiten geplant worden.

Zweitens konnte die US-Regierung ihre Behauptung, Al-Qaida habe bei der Organisierung der Angriffe irgendeine Rolle gespielt, nicht belegen. Gegen Bin Laden wurde im Zusammenhang mit dem 11. September niemals Anklage erhoben, es fand nie ein Prozess gegen ihn statt, seine Tötung durch ein US-Spezialkommando in Pakistan am 2. Mai 2011 war – sofern die ganze Geschichte überhaupt stimmt – ein von Präsident Barack Obama befohlener Mord.

Destabilisierung von Regionen

Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbreitung des IS und ähnlicher Organisationen über große Teile Asiens und Afrikas war und ist die nachhaltige Destabilisierung mehrerer vergleichsweise »laizistischer«, nicht von religiösem Extremismus geprägter Staaten durch die USA und ihre europäischen Verbündeten.
Das war zunächst der Irak, der im März 2003 von US-amerikanischen und britischen Truppen überfallen wurde. Heute befindet sich das Land teilweise unter der Herrschaft des IS und im übrigen in einem Zustand, der kaum noch eine Rückkehr in einen gemeinsamen Staatsverband von Schiiten, Sunniten und Kurden vorstellbar erscheinen lässt. Mehrere Millionen Menschen, darunter Akademiker mit gesellschaftlich wichtigen Berufen, haben den Irak verlassen. Die Lebensverhältnisse der meisten Frauen sind deutlich schlechter als vor der Beseitigung der Baath-Herrschaft durch die US-Streitkräfte.

Das gilt ähnlich auch für Libyen und Syrien, den nächsten Opfern der Interventionskoalition aus USA, EU, Saudi-Arabien und anderen Monarchien der arabischen Halbinsel.
In Libyen führte das militärische Eingreifen der NATO, das im März 2011 begann, im Oktober zum Sturz und zur Ermordung des Staatsoberhaupts Muammar Al-Ghaddafi. Voraussehbare Folgen waren die bis heute wirkende Auflösung der Zentralmacht, ein chaotisches Neben- und Gegeneinander zahlreicher Milizen und die Überflutung Nordafrikas mit Waffen und islamistischen Kämpfern aus Libyen. Sowohl Waffen wie Kämpfer gelangten auch in großen Mengen nach Syrien.

Darüber hinaus erhielten der IS und ähnliche Organisationen in Syrien seit Frühjahr 2012 Waffenlieferungen, die hauptsächlich vom Saudi-Regime bezahlt und organisiert waren. Die Transporte, unter anderem aus Kroatien, wurden, Berichten der New York Times zufolge, nach der Präsidentenwahl in den USA Anfang November 2012 massiv gesteigert. An der »Luftbrücke« sollen saudische, jordanische und katarische Flugzeuge beteiligt gewesen sein.
Die Türkei habe für einen Großteil der Waffen- und Munitionslieferungen sowie deren Verteilung das Management besorgt. Wahrscheinlich hat nur die Unterstützung der syrischen Streitkräfte durch unmittelbar an der Front operierende iranische Berater und seit einigen Monaten das militärische Eingreifen Russlands einen Zusammenbruch des syrischen Staatsapparats verhindert.

Man sollte in diesem Kontext nicht vergessen, dass ein weiterer Versuch der US-Administration, ein Land des Großraums Nahost-Nordafrika zu destabilisieren und zu zerstören, am Kräfteverhältnis in der betroffenen Bevölkerung scheiterte. Im Februar 2005 begannen im Libanon Massendemonstrationen, an denen sich Zehntausende Christen und sunnitische Muslime beteiligten. Die Führer dieser Bewegung, für die westliche Werbeagenturen den Namen »Zedernrevolution« erfanden, waren bewährte Partner der US-Regierung.
Der von Washington offenbar angestrebte Bürgerkrieg scheiterte an einer Massenmobilisierung der schiitischen Hisbollah, die der Gegenseite demonstrierte, dass ein bewaffneter Konflikt allenfalls mit dem gemeinsamen Untergang enden könnte. Nach Schätzungen folgten am 8. März 2005 bis zu eine halbe Million Menschen dem Aufruf der Hisbollah zur Kundgebung in Beirut. Damit war die »Zedernrevolution« im wesentlichen beendet.

Im Juli 2006 unternahm Israel mit offener Unterstützung der USA einen Versuch, die politische Niederlage doch noch in einen militärischen Sieg zu verwandeln.
Ein Feldzug gegen Hisbollah, verbunden mit Luftangriffen auf Wohngebiete in Beirut und anderen Städten sollte zur Spaltung der libanesischen Bevölkerung und zur Isolierung der Schiitenmiliz führen. Der Krieg endete einen Monat später nach hohen Verlusten und weitgehend erfolglosen Operationen der israelischen Streitkräfte.

George W. Bushs Außenministerin Condoleezza Rice hatte Israels Angriff auf den Libanon zustimmend kommentiert: »Was wir hier sehen, ist gewissermaßen das Heranwachsen …, sind die Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens. Bei allem, was wir tun, sollten wir darauf achten, dass wir zu einem neuen Nahen Osten vorwärtsdrängen und nicht zum alten zurückgehen.«

Jochen

„Unser Rechtsstaat befindet sich in Erosion“ – 2. Teil des Interviews mit Jörg Becker

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Fortsetzung des Beitrags vom 22.1.16
http://www.heise.de/tp/artikel/47/47172/1.html
Auszüge:

Jörg Becker über die deutsche Kriegsberichterstattung und den bellizistischen Kurs von Rot-Grün – Teil 2

Mit dem Kosovokrieg haben sich viele Politiker und Medien von den Lehren des Zweiten Weltkrieges verabschiedet und propagieren mittlerweile völkerrechts- und grundgesetzwidrige Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ein Gespräch mit Jörg Becker[1]über den aktuellen Verfall der politischen und medialen Kultur in Deutschland.

Herr Becker, welche Rollen spielen Elite-Netzwerke und PR-Agenturen bei der aktuellen Berichterstattung?

Jörg Becker: Natürlich spielen sie eine enorm wichtige Rolle. In solchen Netzwerken wird soziales Einvernehmen hergestellt, man einigt sich informell auf dieselben spins, man springt in seiner eigenen Karriere vom Fernsehen zur Unternehmensberatung, vom Bundesministerium zur NATO oder von der Rüstungsindustrie in das Parlament.
Nato und RußlandSolche Netzwerke sind in den USA sehr viel ausgeprägter als bei uns, aber Deutschland „amerikanisiert“ sich auch hier kräftig.

Warum wohl sitzt Genscher im Aufsichtsrat der Berliner PR-Agentur WMP-Eurocom AG, warum war Lothar de Maizière Aufsichtsratsvorsitzender der früheren PR-Agentur Hunzinger AG in Frankfurt und warum war der frühere hessische Minister Volker Hoff gleichzeitig Geschäftsführer der Wiesbadener Werbeagentur Zoffel-Hoff-Partner?

Warum schied der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Stéphane Beemelmans aus seinem Amt aus und wurde am 1. Dezember 2014 Geschäftsführer der Werbeagentur Eutop Berlin GmbH, warum sitzt der ehemalige Bundesgeschäftsführer der CDU Peter Radunski im Beirat des Kommunikationsberaters MSL-Germany und warum gründete der ehemalige SPD-Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Kajo Wasserhövel 2010 die Firma Elephantlogic GmbH, eine Agentur für Strategieberatung?

In dieser Welt des dauernd hohen Adrenalins, der Funktionalität, der Leistung, des Könnens und der Exzellenz stören Inhalte. Pecunia non olet: Da kann ein Thomas Hüser, Werbe- und Agenturprofi aus Essen, einfach aus der CDU austreten, um zukünftig den SPD-Chef Sigmar Gabriel im Wahlkampf zu beraten.

Politiker sitzen in solchen Gremien und Agenturen nicht aus Jux und Dollerei, natürlich nicht. Vielmehr geht es um Reputation, Macht, do-ut-des-Geschäfte, kleine und große Gefälligkeiten und Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Im Übrigen und nicht zufällig geht es hier um verschwiegene „Herrenrunden“, oft von aus dem Amt geschiedenen Politikern.

„Merkwürdige Allianz aus NATO und Amnesty International“

Die Grünen haben in Sachen Kriegspolitik eine 180-Grad-Wende vollzogen. Warum gelten diese in den Medien immer noch als pazifistische Partei?

Jörg Becker: Die Meinung der politischen Elite gegenüber Krieg und Frieden hat sich in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren drastisch geändert, im Übrigen nicht die der meisten Menschen, sind doch nach wie vor stabile siebzig Prozent der Meinung, Deutschland solle sich aus Kriegen heraushalten. Es war der Kosovokrieg, der die einst grünen Pazifisten in grüne Bellizisten und viele Friedensforscher in Kriegsbefürworter umdrehte.

Völlig zu Recht sprach der kürzlich verstorbene Soziologe Ulrich Beck beim Kosovokrieg von der merkwürdigen Allianz aus NATO und Amnesty International. Die Grünen stehen immer noch für viele Themen aus ihrer Gründungszeit, von denen sie sich aber in ihrer realen Politik längst abgewandt haben:

Aus einstigen Linken wurden Antikommunisten, in der Flüchtlingspolitik nähern sie sich mit Kretschmann und Palmer den Schwarzen an, den Atomausstieg haben sie an Merkel abgegeben, in der Wirtschaftspolitik sind sie fett im neoliberalen Fahrwasser gelandet und aus Pazifismus wurde Krieg im Gewand einer völkerrechtlich mehr als fragwürdigen Schutzverantwortung. Der Lack bei den Grünen ist ab. Der alte Mythos funktioniert aber noch.

Doch nicht nur die grüne Elite wandelte sich in den letzten Jahren in der Kriegs- und Friedensfrage, es wandelten sich zum Beispiel auch strikte Pazifisten wie der Vatikan oder Amnesty International.
Mit ihrer Resolution The Protection of Human Rights through Conflict Prevention, Intervention and Condemnation of Force[3] von 2005 lässt Amnesty International nun den Gebrauch militärischer Gewalt dann zu, wenn Menschenrechte bedroht sind.

Und im März 2015 forderte der Vatikan-Botschafter bei den UN in Genf, der italienische Erzbischof Silvano Tomasi, dass man gegenüber dem sogenannten Islamischen Staat „notfalls auch Gewalt anwenden“ müsse. Faktisch unterstützen damit sowohl Teile des Vatikan als auch Amnesty International die gegenwärtige militärische Großmachtpolitik.

Vor dem Bundeswehreinsatz im Kosovo wurde in den deutschen Medien überwiegend affirmativ berichtet. Konnten Sie im Nachhinein einige Stimmen ausmachen, die ihr damaliges Vorgehen kritisch reflektieren?

Jörg Becker: Nein, das konnte ich gar nicht, sieht man von einem Halbsatz von Gerhard Schröder ab. Was mich dabei besonders ärgert, ist die Tatsache, dass nach nun fünfzehn Jahren viele Ereignisse historisch gut erforscht und geklärt sind, dass sie aber von vielen damaligen Kriegsbefürwortern bis auf den heutigen Tag einfach nicht zur Kenntnis genommen werden.

Ich zähle nur zwei dieser Punkte auf. Erstens, der von Scharping und Fischer präsentierte Hufeisenplan ist eine Fälschung. Er wurde beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien nicht als Dokument zugelassen. Zweitens, die NATO-Bombardements vertrieben mehr Menschen aus dem Kosovo als die Serben.

„Bei der Loslösung der Krim kollidierten zwei Völkerrechtsprinzipien miteinander“

Wie Sie soeben erwähnt haben, hat sich Gerhard Schröder[4] am 9.3. 2014 anlässlich eines ZEIT-Matinees mit Josef Joffe und Joachim Bittner im Zusammenhang mit der Krim-Annexion durch Russland wie folgt geäußert:

„Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, etwas, was ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Aber wissen Sie, warum ich ein bisschen vorsichtiger bin, mit dem erhobenen Zeigefinger, das will ich gerade in einer solchen Veranstaltung sagen: Weil ich es selbst getan habe.“

Joffe: „Was haben Sie gemacht?“

Schröder: „Gegen das Völkerrecht verstoßen.“

Joffe: „Sie haben arrondiert?“

Schröder: „Nein, ich habe nicht arrondiert, aber lassen sie uns doch einmal reden, worum es wirklich geht. Als es um die Frage ging: Wie entwickelt sich das in der Republik Jugoslawien, Kosovokrieg, da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados, nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der NATO einen souveränen Staat gebombt, ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“

[Anmerkung der Redaktion: Schröders Äußerungen wurden aus juristischen Gründen so umfänglich zitiert.]

Warum wurde dieses Geständnis niemals in den Medien thematisiert?

Jörg Becker: Erst einmal ein paar Sätze zu Schröder, zur Krim und zum Völkerrecht. Als Jurist hätte Schröder wissen müssen, dass sein Satz bezüglich der Krim, dass Russland hier einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht begangen habe, in dieser simplen Form schlicht und einfach falsch ist. Bei der Loslösung der Krim von der Ukraine kollidierten zwei Völkerrechtsprinzipien miteinander.

Und jeder Jurist weiß, dass die Kollision von zwei Rechtsprinzipien das Normalste bei jedem Rechtsstreit ist. Da gibt es mit der Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine einerseits einen Völkerrechtsbruch. Doch da pocht die Bevölkerung der Krim mit gutem Grund auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, genau so, wie es in der UN-Charta und in den beiden UN-Menschenrechtspakten von 1966 verbrieft ist.

Und genau diese Völkerrechtskollision haben deutsche Medien nicht thematisiert und stattdessen das ideologische Geschwätz vom russischen Völkerrechtsbruch bis zum Erbrechen rauf und runter gekaut. Und wie immer ist das Gedächtnis vieler Menschen kurz. Noch 1991 benutzte die Regierung Kohl eben dieses Argument eines Selbstbestimmungsrechtes der Völker, um Kroatien und Slowenien vor allen anderen EU-Staaten völkerrechtlich anzuerkennen.

Und natürlich kauten die deutschen Medien – allen voran die FAZ unter Johann Georg Reißmüller – den Gedanken rauf und runter, dass Kroatien und Slowenien in die staatliche Unabhängigkeit zu entlassen seien. Was denn nun? Welches Völkerrecht gefällt uns denn heute? Wie hätten Sie’s denn gerne?

Schröders Eingeständnis vom März 2014, er habe beim Kosovokrieg einem Völkerrechtsbruch zugestimmt, ist in der deutschen Medienlandschaft genauso untergegangen wie Tony Blairs Eingeständnis vom Oktober 2015, dass die englischen Geheimdienstinformationen vor Beginn des Irakkriegs von 2003 falsch waren. Das Adenauer zugeschriebene Bonmot: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“ gilt eben vor allem im Medienbetrieb.

Wo Einschaltquoten, Starkult, Mediencelebrities, Informationsverdünnung, Weglassen von Wichtigem, Inszenierungen, Dauer-Berieselung und eine Prostitution zwischen Journalismus und Public Relations das Mediengeschehen dominant beeinflussen, da gibt es keinen Raum für einen kritischen Blick in die Vergangenheit. Wen kümmert es 2016, dass 1999 Rudolf Scharping und Joschka Fischer mit ihrem sogenannten Hufeisenplan Öffentlichkeit und Parlament belogen haben? Niemand. Schnee von gestern.

Doch viel beunruhigender als dieses Medienphänomen im Zeitalter einer totalen Kommerzialisierung ist mir bei Schröders Völkerrechtsbruch im Frühjahr 1999, dass dieses Eingeständnis keine rechtlichen Folgen hatte.

Warum ging die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe nicht gegen Schröder wegen Führung eines Angriffskrieges im Sinne des Artikels 26 im Grundgesetz vor?

Jörg Becker: Unser Rechtsstaat befindet sich in Erosion: Zahlreiche Verfassungsbrüche des Deutschen Bundestages, die das Verfassungsgericht mühsam wieder kitten musste, zunehmende Verquickung zwischen Polizei, Nachrichtendiensten und Militär, politischer Missbrauch gegenüber weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften, Verquickung zwischen Nachrichtendiensten und Rechtsradikalen (NPD und NSU), mangelnde Strafverfolgung bei verfassungswidriger Tätigkeit deutscher und ausländischer Nachrichtendienste (BND und NSA), stetige Vorverlagerung weg von festgestellten kriminellen Delikten hin in eine Vorfeldbeobachtung von potentiellen Delikten bei „Schläfern“, „Gefährdern“ und „verdachtsunabhängigen Personen“, Forderung nach einem speziellen „Feindstrafrecht“ durch Günther Jakobs[5], um bestimmten Menschengruppen die Bürgerrechte absprechen zu können, Befürwortung von Folter[6] gegen Terroristen durch Michael Wolffsohn[7] – und allein im Jahr 2015 dreimaliger verfassungswidriger Einsatz der Bundeswehr im Ausland, nämlich im Nordirak, Tornados in Syrien, Awacs in der Türkei, da eine Zustimmung des Deutschen Bundestages nicht eingeholt wurde.

Nochmals zurück zu internationalem Recht. Gegenwärtig führt eine „Koalition der Willigen“ Krieg gegen den „Islamischen Staat“. Die erste Kriegspartei ist ein loses Staatenbündnis ohne jeden rechtlichen Status und die zweite Kriegspartei nennt sich „Staat“, ist es aber nach allen völkerrechtlichen Kriterien nicht. Diese enorme Verhunzung und in den Dreck-Ziehung internationalen Rechts ist ungeheuerlich. Das Morden in Syrien ist ein absurdes Theaterstück und bedeutet das Ende einer Zivilisierung von Krieg. Das Töten von Zivilisten ist kein Kriegsakt, sondern ein Verbrechen.

Solche internationalen und nationalen Verletzungen demokratisch-rechtlicher Grundsätze bereiten mir sehr viel größere Sorgen als unsere gesamte mediokre, verkorkste und re-feudalisierte Medienlandschaft.

Anhang – Links

[1] http://www.springer.com/in/book/9783658074760

[2] http://www.heise.de/tp/artikel/47/47171/

[3] http://speakingtruthtoamnesty.blogspot.de/2012/01/document-when-amnesty-decided-to-be.html

[4] https://www.youtube.com/watch?v=EKQ0ykFQav4

[5] http://www.awk.nrw.de/akademie/klassen/geisteswissenschaften/ordentliche-mitglieder/jakobs-guenther.html

[6] http://www.n-tv.de/politik/Deutsche-foltern-nicht-article89032.html

[7] http://www.wolffsohn.de/cms/

[8] http://www.heise.de/tp/ebook/ebook_17.html

Jochen

Krimsezession: Es geht um Krieg und Frieden und um die nicht enden wollende Kette von Manipulationen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

gysi2015

gysi2015

Hierzu lohnt es sich ganz sicher, die Bundestagsrede von Gregor Gysi dazu im ganzen zu hören. Er bemüht sich wirklich um Ausgewogenheit:
http://youtu.be/ezEjykTJjVk
Und zum Thema der „Manipulation des Monats“ unser kriegsfördernden Medien – vergleiche dazu die „Anstalt“ vom letzten Dienstag – hat Albrecht Müller einen Essay herangezogen:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=21101
Auszüge:

1. Ukraine – ein Musterfall von double standards und Totalausfall staatsmännischer Kunst

pexels-photo-190340.jpeg

Photo by Kostiantyn Stupak

Von Peter Vonnahme
Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof (i.R.)

Es gab eine Zeit, da flogen die deutschen Herzen Michail Gorbatschow und – in seinem Gefolge – Russland zu. Ohne ihn hätte es die deutsche Wiedervereinigung nicht gegeben. Wir waren dankbar.
Das Grauen des Zweiten Weltkriegs und die lähmende Nachkriegszeit waren zwar nicht vergessen, aber für das Deutschland der ausklingenden Kohl-Ära war Russland ein respektabler Partner geworden.
Diese freundliche Grundstimmung hielt nicht an. Unter amerikanischer Anleitung nörgelte die deutsche Politik bald wieder an Russland herum.
Spätestens als Schröder seinen Neufreund Putin zum lupenreinen Demokraten adelte, war es chic, diesen und Russland zu kritisieren.
Putin machte es seinen Kritikern allerdings auch nicht besonders schwer. Er ging stur seinen Weg, der mit den Wertvorstellungen des demokratischen und vorbildhaften Westens schwer vereinbar war.
Was immer Putin tat, es stand unter dem Generalverdacht des Bösen. Daran änderte sich auch nichts, als es Dank russischer Vermittlung gelang, einen drohenden Bombenkrieg abzuwenden (Syrien) oder einen brandgefährlichen Konflikt einzudämmen (Iran).
Putin galt im Westen weithin als autoritäre Unperson. „Seine“ Olympischen Spiele wurden schon im Vorfeld schlechtgeredet. Petitessen wurden mit Häme bedacht (erinnert sei an den nicht aufgehenden olympischen Ring in der Eröffnungsfeier!). Die sonst allgegenwärtige Bundeskanzlerin „bestrafte“ Putin mit ihrer Abwesenheit.
Auch ansonsten konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Pflege des deutsch-russischen Klimas den ehemaligen DDR-Bürgern Merkel und Gauck nicht gerade eine Herzensangelegenheit ist.

Demgegenüber wurden imperiale Ausbrüche der Weltmacht USA hierzulande wenn überhaupt, dann verschwurbelt kritisiert.
Nie wurden sie als das bezeichnet, was sie tatsächlich waren – flagrante Völkerrechtsverstöße.
Stein des Anstoßes war meist nicht der Krieg als solcher, sondern die Kriegskosten und die Unfähigkeit, angefangene Kriege ordentlich zu Ende zu bringen.
Beim allfälligen politischen Schaulaufen zwischen Obama und Putin war stets klar, wer der Sheriff ist und wer der Halunke.
Der eine stand für Demokratie und Freiheit, der andere für Staatsallmacht und Unterdrückung.

Wir leben seit Langem in einer Kultur der Vereinfachung, der double standards und der selbstgerechten Heuchelei.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Welt ist einfach: hie gut, da böse. Aber leider ist dieses Bild zu einfach.

Tatsache ist nämlich, dass der Westen unter der Führung der USA und der Nato seit den 90er Jahren (Zerfall der Sowjetunion) verstärkt eine Strategie der Machtausweitung und – spiegelbildlich dazu – eine Politik der Zurückdrängung Russlands verfolgt.
In den letzten Jahren beteiligte sich zunehmend die EU an der Umzeichnung der geopolitischen Landkarte. Auch Deutschland vergaß parallel mit seinem wirtschaftlichen Kraftzuwachs seine zurückhaltende Rolle.
Jüngst waren sich Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin an einem Wochenende(!) einig, dass Deutschland wieder mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse. Auf russische Befindlichkeiten und aus der Geschichte erklärbare Ängste wurde im Gefühl gewachsener weltpolitischer Bedeutung wenig Rücksicht genommen.
Nein_zur_Nato_DDR1957Es war für Russland bereits eine schwerwiegende Veränderung seiner Sicherheitsarchitektur, als die DDR Teil des Nato-Systems wurde. Das widersprach westlichen Zusicherungen im Zusammenhang mit der russischen Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung.
Schlimmer für Russland war, dass frühere Ostblockstaaten in die EU und sogar in die Nato aufgenommen wurden. Auch Teile Ex-Jugoslawiens wurden dem westlichen Bündnissystem zugeführt.
Altkanzler Schröder räumte jüngst selbstkritisch ein, dass die vorausgegangen Bombardements ein Verstoß gegen das Völkerrecht waren.
In Grenznähe zu Russland wurden Raketenstellungen geplant (Tschechien, Polen) – natürlich ohne vorherige Konsultationen.
In Georgien, südlicher Nachbar Russlands, wurde ein vom Westen ermutigter Abenteurer zu einem (missglückten) militärischen Abenteuer verlockt.
Länder im nahen und mittleren Osten wurden mit teilweise abenteuerlichen Begründungen in das geostrategische amerikanische Machtsystem eingebunden (Afghanistan, Irak, Libyen).
Bei jedem dieser Schritte legte sich die Halsschlinge enger um Russland. Außerdem wurde im russlandfreundlichen Syrien ein desaströser Bürgerkrieg angeheizt und in Ägypten eine westorientierte Militärjunta reinstalliert. Nebenbei wurde ein Militärschlag gegen den Iran, der sich amerikanischem Druck bisher erfolgreich widersetzt hat, propagandistisch vorbereitet.

Diese Darstellung mag holzschnittartig vergröbert sein, aber sie skizziert die im letzten Vierteljahrhundert erfolgte Veränderung der globalen Machtbalance zu Lasten Russlands in Umrissen.
Sie lässt erahnen, wie die russische Seele über Jahre hinweg aufs Äußerste gereizt worden ist.
Doch der entkräftete russische Bär musste nach dem Zerfall des Sowjetimperiums in der Schwächephase der Gorbatschow/Jelzin-Ära zähneknirschend zuschauen.

Und dann kam der von Obama, Kerry, Merkel, Steinmeier & Co. geförderte „Volksaufstand“ in der Ukraine, angeführt von Vorzeigedemokraten wie Timoschenko und Klitschko und freudig begrüßt von dem in Deutschland hoffierten Oligarchen und Putinfeind Chodorkowskij.
Man muss kein Freund des patriotischen Präsidenten eines wiedererstarkten Russlands sein, um zu begreifen, dass für ihn und für viele seiner Landsleute die anvisierte Eingliederung der Ukraine in die EU (und demnächst auch in die Nato) eine inakzeptable Grenzüberschreitung darstellt.
Wenn Putin nicht sein Gesicht verlieren wollte, musste er handeln. Denn selbst der Dümmste im Kreml konnte nicht länger übersehen, dass die deutsche Bundesregierung, die EU-Kommission und die US-Administration seit Jahren versuchen, der Ukraine mit allen Mitteln ökonomischer Verlockung und politischer Erpressung die Westeinbindung schmackhaft zu machen.
Es war unverfroren, als deutsche, amerikanische und polnische Politiker wildentschlossenen Demonstranten auf dem Maidan ihre Solidarität versicherten, unmissverständlich einen Regimewechsel herbeiredeten und zu diesem Zweck Geldversprechen in Milliardenhöhe abgaben – mit dem klaren Ziel, die Ukraine aus der historischen Beziehung zu Russland herauszulösen.

Testfrage: Wie würden die USA reagieren, wenn heute in ihrer Grenznähe (etwa in Mexiko oder in Kanada) ein von außen entfachter Volksaufstand ausbräche?
Zumal dann, wenn namhafte Vertreter Moskaus oder Pekings in den Hauptstädten dieser Nachbarstaaten die revoltierenden Massen anheizen würden?
Wer immer noch kein Verständnis für den derzeitigen russischen Alarmismus aufbringt, der möge sich an die amerikanische Reaktion auf die im Jahre 1962 begonnene Aufstellung russischer Raketen in Kuba, dem Vorhof der USA, erinnern. Noch nie stand die Welt so dicht vor einem weiteren Weltkrieg!

Natürlich ist es das unverbrüchliche Recht eines jeden Volkes, selbst zu bestimmen, wohin es sich orientieren will. Das gilt für die Ukrainer ebenso wie für die Bewohner der Krim.
Kompliziert wird es, wenn durch Änderungswünsche ethnische Bindungen berührt werden und bestehende Grenzen verändert werden sollen. Dann drohen Unruhen und Gewaltausbrüche.
Dann beginnt die Stunde der Mobilmachungen und Sanktionen. Obama kündigt an, den für 4. und 5. Juni vereinbarten G8-Gipfel in Sotschi einseitig platzen zu lassen.
Das ist kontraproduktiv. Die Frage sollte eher sein, ob der Termin vorgezogen werden kann. Eigentlich wäre dies die hohe Stunde der Diplomatie, der Verhandlungen und des Völkerrechts.

Volksaufstände und Sezessionswünsche setzen nämlich das Völkerrecht nicht außer Kraft. Das Gegenteil ist der Fall: Solche Vorgänge sind seine Bewährungsprobe.
Das internationale Recht verpflichtet alle Staaten zur Respektierung der territorialen Unversehrtheit und der politischen Unabhängigkeit anderer Staaten.
Außerdem sind internationale Streitigkeiten friedlich beizulegen (Art. 2 UN-Charta).

Einseitig erklärte Sezessionen sind unzulässig. Das gilt erst recht für Umgliederungen unter Anwendung militärischer Gewalt.
Deshalb sind alle Maßnahmen, die auf eine einseitige Abtrennung der Krim aus dem ukrainischen Staatsverband hinauslaufen, rechtswidrig und zwar auch dann, wenn sie im Einvernehmen mit der Mehrheit der Bevölkerung auf der Krim getroffen würden.
Ein Anschluss an Russland wäre demnach nur mit Zustimmung des ukrainischen Staates rechtmäßig, aber diese liegt nicht vor.
Auch der Beschluss der russischen Duma, zum Schutz der eigenen Landsleute in der Ukraine notfalls bewaffnete Truppen einzusetzen, ist völkerrechtswidrig.
Gleichwohl ist die vom Westen erhobene Kritik an russischen Völkerrechtsverletzungen doppelbödig. Denn der demokratische Westens hat auch keine weiße Weste: Bosnien und Kroatien sind keine Vorbilder für geglückte Sezessionen.
Auch die einseitige Unabhängigkeitserklärung der serbischen Provinz Kosovo war völkerrechtswidrig, weil sie gegen den Willen Serbiens erfolgt ist.
Es geht auch anders (z.B. Aufteilung der CSSR in Tschechien und der Slowakei).

Ein weiteres Problem kommt hinzu. Die Legitimation der derzeitigen Machthaber in Kiew ist schwach.
Einerseits werden sie durch faschistische Gruppierungen gestützt. Andererseits sind sie nicht durch eine Wahl, sondern durch einen Umsturz an die Macht gekommen.
Insofern gleichen sie der neuen Krim-Führung.
Wenn allerdings der amtierende ukrainische Regierungschef Jazenjuk mit Blick auf die Krim-Machthaber wettert, sie seien eine Gruppe von Kriminellen, die auf verfassungswidrige Weise die Macht an sich gerissen hätten, dann sagt das mehr über ihn als über seine Gegner aus. Hätte er nämlich in den Spiegel geschaut, dann hätte ihm ein vergleichbar Krimineller entgegengeblickt.

Es wäre allerdings blauäugig, das Völkerrecht zum alleinigen Entscheidungskriterium zu erheben. In der Praxis spielen die tatsächlichen Machtverhältnisse und die Politik eine wesentliche größere Rolle.
Politik heißt Vernunft und Suche nach tragfähigen Lösungen.
Das bedeutet zunächst, dass der Einsatz militärischer Kräfte durch Russland und die Aktivierung von F16-Kampfjets und AWACS-Aufklärungsflugzeugen durch die USA bzw. durch Deutschland definitiv falsche Antworten auf die Krise sind.
Waffen sind kein Ersatz für notwendige Gespräche. Das bedeutet weiter, dass alle Kampagnen mit dem Ziel, den Kontrahenten zu diskreditieren, einzustellen sind.
Es ist völlig sinnlos, den innerukrainischen Konflikt zu einem Kampf zwischen einer Westorientierung (verbunden mit Wohlstand, Demokratie, Freiheit und Menschenrechte) und einer Ostorientierung (gleichbedeutend mit Abhängigkeit, Unfreiheit und wirtschaftlicher Misere) hochzustilisieren.
Es geht nicht um Ost oder West, um gut oder böse, sondern allein um die beste Lösung für die ukrainischen, russischen und sonstigen Volksgruppen.

Leider stehen wir in puncto Konfliktmanagement derzeit vor einem Totalausfall. Außer Gewalt, Machtgehabe, Dampfgeplauder, Provokation und Heuchelei war wenig.
Die Reisen von Steinmeier und Kollegen? Außer Spesen nichts gewesen.
Henry Kissinger sagte kürzlich, die Dämonisierung von Wladimir Putin sei keine Politik, sie sei ein Alibi für die Abwesenheit von Politik.
Und weiter: „Die Ukraine-Frage wird viel zu oft als ein Showdown dargestellt: Geht das Land an den Westen oder an den Osten? Aber um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine niemandes Vorposten sein.“
Wo Kissinger Recht hat, hat er Recht. Die Welt braucht dringend Politiker, die den Weltfrieden über Hegemonialpolitik stellen.
Das Fehlen solcher Staatsmänner macht Sorgen, weit über die Krimkrise hinaus…

2. Ein Beispiel für die Manipulationen des Heute Journals

Das Heute Journal hat am Donnerstag endlich einmal über die rechten Tendenzen in der Ukraine berichtet.
Dabei ist den Redakteuren ein gravierender Fehler unterlaufen, der allerdings die Gesamtbotschaft des Films, “alles nicht so schlimm mit den „echten in der Ukraine“ stützt:
Sie sagen die Svoboda Partei würde keine wichtigen Posten in der neuen Regierung begleiten, nur Landwirtschaft und Umwelt und unterschlagen einfach knallhart den Verteidigungsminister, der ebenfalls der Svoboda angehört.

Auch wird unterschlagen dass nicht nur Linke in Europa die Svoboda als rechtsextrem und gefährlich einstufen, sondern auch die EU Institutionen in einer Stellungnahme von letztem Jahr.

Kommentare können gerne hier  auf meinem Blog  veröffentlicht werden.
Jochen