Jeremy Corbyn: Vertraut das Klima nicht den Reichen an!

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

CorbynUm die Wirtschaft zu verändern und die Menschheit vor dem Klimakollaps zu retten, braucht es Klassenpolitik. Einen anderen Weg gibt es nicht. Jeremy nennt gute Gründe, um nicht auf das Weltwirtschaftsforum, die G20 oder den „Great Reset“ zu vertrauen:
https://jacobin.de/artikel/jeremy-corbyn-vertraut-das-klima-nicht-den-reichen-an-ipcc-report-bericht-klimakrise-boris-johnson-labour-tories-green-new-deal-green-industrial-revolution-klimaschutz-klimawandel-klimakrise/
Auszge:

Dass der UN-Generalsekretär den neuesten IPCC-Bericht als Alarmstufe Rot für die Menschheit bezeichnete, ist eine eindringliche Warnung.

In der vergangenen Woche wurde der neueste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlicht.
Die darin präsentierten Ergebnisse sprechen für sich: Hinter uns liegen die fünf wärmsten Jahre der jüngeren Geschichte, der Meeresspiegel könnte um ein Vielfaches dessen ansteigen, was bisher angenommen wurde, Gletscher und Meereis werden weltweit weiter schrumpfen.

All das ist nichts grundlegend Neues. Die Wissenschaft schlägt einen so deutlichen Ton an, weil sie seit Jahrzehnten die gleichen Warnungen ausspricht, aber ernsthafte Maßnahmen gegen die Erderhitzung weiterhin ausgeblieben sind.

Beispielsweise sagte der Ölgigant Exxon den Klimawandel bereits in den 1970er Jahren voraus, bevor er ihn anschließend jahrzehntelang öffentlich leugnete.
Die Klimakrise ist kein Zufallsprodukt des politischen und wirtschaftlichen Systems, in dem wir leben.
Denn dieses ist so angelegt, dass es Umweltverschmutzung und Ressourcenraubbau mit hohen Profiten belohnt.

Das ist auch unser historisches Erbe. In Großbritannien wurde zur Zeit des Empire ein Vermögen mit Öl aus Gebieten wie dem Persischen Golf erwirtschaftet.
Dort unterstützte Großbritannien in den 1950er Jahren einen antidemokratischen Putsch *), um die Gewinne der Anglo-Iranian Oil Company zu sichern.

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AIOC wurde später zum Konzern BP, der auch heute noch Hunderte von Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre pumpt vom Golf von Mexiko bis zum Kaspischen Meer.
Und ein Großteil des fossilen Geldes der Welt wird von Finanzinstituten in der Londoner City verwaltet, die sich auf die Verwaltung von Gewinnen aus Geschäften mit Erdöl spezialisiert haben.

Weitere Katastrophen werden folgen

Auf der ganzen Welt behaupten die Regierungen zwar, Klimaschutzmaßnahmen ergreifen zu wollen, aber handeln weiterhin im Interesse der fossilen Industrie.
Boris Johnson hat sogar das Narrativ der Green Industrial Revolution übernommen, das wir in der Labour Party entwickelt haben. Aber er hat eben nur unsere Worte kopiert, die notwendigen Taten lassen hingegen auf sich warten.
Im Juni hat der britische Ausschuss zum Klimawandel dargelegt, dass die Regierung bei ihrem derzeitigen Kurs nicht einmal ihre eigenen, völlig unzureichenden Klimaschutzziele erreichen wird.

Am 1. Mai 2019 habe ich als Oppositionsführer erwirkt, dass das britische Parlament als erstes Land der Welt den Klimanotstand erklärte.
Ich war und bin der festen Überzeugung, dass die Labour Party und unsere Bewegung die Klima- und Umweltkrise sehr ernst nehmen sollten.

Wenn dieses System unangetastet bleibt, müssen wir mit einer raschen Zunahme von Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden rechnen, wie sie im letzten Jahr Australien, Sibirien, British Columbia, Ostafrika, Kalifornien und große Teile Europas heimgesucht haben. Starke Regenfälle haben in diesem Jahrhundert um zwei Fünftel zugenommen. Die stärksten sind um drei Viertel stärker als in den 1950er Jahren, und Jahrhundert-Wirbelstürme sind heute an der Tagesordnung.

Neben den physikalischen Folgen solcher Ereignisse müssen wir uns um ihre politischen Konsequenzen sorgen.
In Griechenland haben Sparmaßnahmen, Deregulierung und der Verfall der Feuerwehren die Auswirkungen der schrecklichen Brände in Euböa noch verschlimmert.
In Texas erlaubte der Staat Anfang des Jahres den Energieunternehmen, bei der Notstromversorgung berhhte Preise zu verlangen, so dass die Menschen sich berschulden mussten.

Regierungen von den USA bis zur Europäischen Union investieren in Überwachungstechnologie und militärische Ausrüstung, um gegen die Menschen vorzugehen, die unter anderem aufgrund von Umweltkatastrophen aus ihren Heimatländern fliehen müssen.
Die Milliarden, die für mehr Grenzschutz und Drohnen im Mittelmeer ausgegeben werden, fließen nicht in einen grünen Wandel, sondern in die Gewinne der Grenz-, Überwachungs- und Militärindustrie, die eng mit der fossilen Wirtschaft verbunden ist.
Das britische Parlament debattiert derzeit sogar über einen Gesetzesentwurf zum Umgang mit Asylsuchenden, der die Rettung von Geflüchteten auf See illegal machen soll, wodurch Grobritannien in Konflikt mit dem internationalen Seerecht geriete.

Die Militärbudgets auf der ganzen Welt schnellen in die Höhe. Denn im Umgang mit der Klimakrise bereiten sich die mächtigen Länder nicht etwa auf eine stärkere Zusammenarbeit vor, sondern auf militärische Konflikte.

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Solche Scheinlösungen werden unser aller Leid verschlimmern. Und wie immer werden sie wenige Reiche bevorteilen, während die Vielen ihre Folgen tragen – seien es die Menschen, die in England bei Hochwasser ihre Häuser verlieren, oder andere, die vor der Dürre in Nordafrika fliehen mssen.

Wir können etwas tun

Aber so muss es nicht kommen. Unsere Haltung sollte eher von Hoffnung als von Angst geprägt sein.
Die Klimawissenschaft kann uns mit forensischer Genauigkeit sagen, wie sich ein Temperaturanstieg von eineinhalb, drei oder fünf Grad auf den Meeresspiegel, die Wasserknappheit oder die Artenvielfalt auswirken wird.
Die Wissenschaftlerinnen können aber nicht vorhersagen, wie hoch der Temperaturanstieg ausfallen wird. Denn das ist abhängig von den Entscheidungen, die wir jetzt treffen. Diese liegen, wie der IPCC-Bericht zeigt, immer noch in unserer Hand.

Wenn wir es mit den Mächtigen aufnehmen und die systemischen Anreize beseitigen, den Planeten für schnellen Profit zu verbrennen, können wir echte Vernderungen bewirken.
Das bedeutet, ArbeiterInnen überall auf der Welt zum diesjährigen COP26 für einen globalen Green New Deal zu mobilisieren, der Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt, Reichtum umverteilt und Ungerechtigkeit im globalen Süden bekämpft.
Es gibt keine Stadt auf der Welt, die nicht von umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsmitteln, Wiederaufforstung, lokal erzeugter, erneuerbarer Energie oder von Arbeitsplätzen in zukunftsfähigen Industrien profitieren wrde.

Vom Klimawandel über Armut und Ungleichheit bis hin zu unserem gefährlichen kollektiven Versagen, den ärmeren Ländern genügend Impfstoffe gegen das Coronavirus zur Verfügung zu stellen: Wir erleben die Folgen eines Systems, in welchem Milliardäre zuerst und der Rest von uns zuletzt kommen.
Die Klima- und Umweltkrise ist eine Klassenfrage. Es sind die ärmsten Menschen der arbeitenden Klasse, die in den verschmutzten Städten und auf niedrig gelegenen Inseln leben, welche als erste und am stärksten unter dieser Krise leiden.

FFF_Oettingen47484248322_cdeed05a42_wNoch haben wir die Möglichkeit, das zu ändern. Im Jahr 2019 haben Schülerinnen, die für den Klimaschutz demonstrieren, über Nacht die Vorstellungskraft und Aufmerksamkeit von Menschen auf der ganzen Welt geweckt. Wenn sie es können, können wir es auch.
Unsere Antwort auf die Alarmstufe Rot beim Klima muss darin bestehen, in unseren Gemeinden, in der Politik, in Schulen und Universitäten, an unseren Arbeitsplätzen und mit unseren Gewerkschaften für einen lebenswerten Planeten zu kämpfen – und für ein System, in dem das Leben und das Wohlergehen der Menschen an erster Stelle stehen.

Jeremy Corbyn ist Abgeordneter der Labour Party für Islington North im britischen Unterhaus.

*: Sturz des Premierministers Mohammad Mossadegh, siehe hier:  Erosion_d_Demokratie2021-08

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Jeremy Corbyn – mehr als ein politischer Robin Hood

Eine gute Beschreibung, welche Rolle Corbyn Corbynfür die europäische Sozialdemokratie spielen könnte, liefert ausgerechnet der CDU-Politiker Willy Wimmer:

http://www.seniora.org/der-wunsch-nach-frieden/demokratie/718-jeremy-corbyn-mehr-als-ein-politischer-robin-hood

Auszüge:

In Berlin wird die eigene Rechtsordnung außer Kraft gesetzt und seitens der Frau Bundeskanzlerin durch persönliche Notverordnungen regiert.

Der Herr Bundespräsident wird nicht müde, für mehr kriegerische Abenteuer zu plädieren, damit noch mehr Menschen in Nachbarregionen Leben, Heimat sowie Hab und Gut verlieren, um in Lagern oder anderen Ländern ihr Leben zu fristen.

EU-Europa zerlegt sich über die Migrationsentwicklung in einer Weise, wie es die Champagner-Riege um den Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker nicht besser hätte bewerkstelligen können.

Marie Le Pen oder Herr Farage werden durch das politische Brüssel in einer Weise in die Ecke gestellt, wie es De Gasperie, de Gaulle, Spaak und der große deutsche Kanzler Konrad Adenauer für Europa gewiß nach dem Jahrhundert des Elends nicht mehr für möglich gehalten haben würden.

Die Menschen erheben sich gegen das Machtkartell

Vom Kontinent fast unbemerkt hat sich im Vereinigten Königreich derweil eine fast revolutionäre Entwicklung vorbereitet und mit einer ungeheuren Dynamik in der ältesten demokratischen Parteienformation Europas umsetzen lassen: in der traditionsreichen Labour Party wurde ein neuer Parteivorsitzender gewählt.

Diesen haben in einer Zeit, wo die Menschen in Europa nicht mehr wissen, auf was oder wen sie sich vertrauensvoll abstützen können, über 400.000 neue Parteimitglieder gleichsam zu einer glanzvollen Mehrheit verholfen. Glanzvoll nicht nur, weil das Establishment mit potenten Rivalen versucht hatte, Jeremy Corbyn den Weg zu verlegen. Ganz Europa stöhnt unter sklerotischen Parteien, und da ist es ausgerechnet die „alte Tante Labour“, die gegen Tony Blair und all die anderen einer alten Partei derart neuen Schwung verleiht, daß hoffentlich in den anderen europäischen Parteizentralen Heulen und Zähneknirschen ausbrechen wird.

Nicht die Demokratie hat sich überlebt sondern diejenigen, die sie marktgerecht in die Verkommenheit führen wollen.

Warum soll Europa wegen einer fehlgeleiteten Politik an der Seite und auf Betreiben der USA untergehen, wenn es möglich ist, zu seiner Werten und seinen menschlichen Fähigkeiten zurückzukehren. Jeremy Corbyn hat die richtigen Fragen gestellt.

Womit dient Labour, womit dient das Vereinigte Königreich und womit dient ganz Europa seinen Menschen und den Menschen in der Welt, die wir erreichen können? Frieden ist die Antwort aus London, und wenn der neue Parteivorsitzende den Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der NATO fordert, ist das für London ebenso ungewöhnlich wie für uns alle überlebenswichtig.

Wir alle wollen eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und deshalb haben wir uns zur Verteidigung in einer früheren Welt zusammengeschlossen. Kein Parlament in Europa hat jemals der Umwidmung der NATO von einer Verteidigungsorganisation in eine Angriffsmaschine zugestimmt, obwohl das die Verfassungen in allen Mitgliedsstaaten vorgeschrieben hätten. Wenn in der atlantischsten aller europäischen Hauptstädte diese Forderung erhoben wird, macht das deutlicher als alles andere, wo wir eigentlich stehen und daß dies am Rande des Abgrundes ist.

Verstaatlichung gegen shareholder value

Europa war immer dann erfolgreich, wenn es die Wirklichkeit ökonomischen Handelns in seiner ganzen Vielfalt abbilden konnte. Nach dem Ende des Kalten Krieges fegte die Lehre der großen Plünderung über den Atlantik: shareholder value. Die Gespräche mit deutschen Ministern zur Zeit der Privatisierungswelle sprachen Bände. Man wußte, wie wenig man dem ökonomischen Angriff aus den USA entgegensetzen konnte und in welchem Umfang die Kouponschneider das soziale Verantwortungsgefühl deutscher Unternehmer und politischer Kräfte ablösen würde.

Die Form des europäischen Wirtschaftens wurde gerade noch durch die Verhinderung der völligen Privatisierung der Wasserversorgung in unseren Ländern gerettet. Viele hegten seither die Hoffnung, daß diese letzte europäische Verteidigungslinie die Basis für die Rückgewinnung der ökonomischen Selbstbehauptung Europas sein könnte. Im Traum konnte niemand daran denken, daß ausgerechnet aus London machtvoll Gegenwehr sichtbar werden sollte. Auf die Briten ist eben Verlaß, wenn andere resignieren. Wer nicht mit TTIP untergehen will: hier hat Europa seine Chance und die heißt Labour.

Interessant gegenüber der kritischen Position von British Labour ist ausgerechnet die deutsche Führung des DGB, die noch glaubt, sie könne TTIP zum Guten wenden:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/984570.dgb-und-linke-betonen-gemeinsamkeiten.html

Kleine Differenzen zwischen DGB und Linkspartei bestehen beim transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Hoffmann forderte hierbei »Korrekturen«. Er sprach sich gegen private Schiedsgerichte aus und forderte, dass die Anerkennung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation nicht infrage gestellt werden dürfe. Diese Normen verbieten beispielsweise Diskriminierung am Arbeitsplatz. Der Vorsitzende der LINKEN, Bernd Riexinger, betonte, dass seine Partei in dieser Frage radikaler sei.

»Wir wollen TTIP stoppen«, erklärte Riexinger.