Psychologen und Ärzte in der Pandemie – Zeit, aktiv für die Grundrechte einzutreten!

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

syringe and pills on blue backgroundLiebe Kolleg)*innen und Freund*innen,
was sich in der intellektuellen Szene tut und wie da die von der Regierung und der Industrie besoldeten Weißwäscher aktiv sind, das jagt mir Angst ein.
Eine Gruppe aktiever Psychotherapeut*innen hat sich jetzt zusammengeschlossen, um für kritische Transparenz zu sorgen.
Siehe https://www.psychotherapeutinnen-und-psychotherapeuten-stehen-auf.net/
Dazu heute auf den NachDenkSeiten folgender Kommentar https://www.nachdenkseiten.de/?p=67578

Die offizielle Darstellung zu Corona wird in einer Stellungnahme von Berufsverbänden der Psychologie nicht hinterfragt, sondern aktiv unterstützt.
Die Berufsvertreter propagieren in dem Papier ganz offen die Manipulation der Bürger.
Eine Gruppe praktisch tätiger und kritischer Psychotherapeuten und Psychologen wendet sich nun dagegen. Von Andrea Wolf-Schuler.

Wichtige Prinzipien der Psychologie werden seit März in der Öffentlichkeit und in der „nach außen tretenden“ Wissenschaft mit Füßen getreten. Die offizielle Darstellung des Corona-Komplexes wird weitgehend kritiklos übernommen. Es wird teilweise ein „nicht zu hinterfragendes Narrativ“ aufgebaut und propagiert.
Auch seitens des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen in Zusammenschluss mit drei weiteren psychologisch-psychotherapeutischen Berufsverbänden (bdp, der DGPs und dem ZPID) wurde im Juni ein Konzeptpapier zum Umgang mit der aktuellen Situation veröffentlicht. Der Titel lautet:

“Herausforderungen, Ziele und Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie aus psychologischer Sicht”

Dieses “Papier” hat viele Psychologinnen, Psychotherapeuten und Psychologen entsetzt. Daher haben wir uns entschlossen, öffentlich darauf zu reagieren: Die GruppePsychotherapeuten stehen aufwurde gegründet.
Wir sind davon überzeugt, dass der Psychologie in der aktuellen Situation sowohl in der “Dramaturgie” der offiziellen Pandemie-Erzählung als auch in der Bewerbung und Ausführung der Maßnahmen eine wichtige Rolle zukommt.

Inhalte des Konzeptpapiers

Um die Vorgänge zu bewerten, gehen wir auf wesentliche Inhalte des Konzeptpapiers unserer „beruflichen Interessenvertreter“ vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und des Leibnizzentrums für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) ein: Eingangs identifiziert das Papier die Kernthemen „Stimmungswandel, Schutzverhalten, psychische Folgen, gesellschaftlicher Zusammenhalt und aussagekräftige Datengrundlage“. Es folgen jeweils das Benennen der „Herausforderungen und Ziele“ und die Vorschläge „konkrete(r) Maßnahmen“ auf „Basis psychologischer Expertise“. Dies alles im Sinne der an keiner Stelle hinterfragten offiziellen Erzählung.

Zunächst wird ein möglicher Stimmungswandel als Gefahr für die „aktive Mitarbeit der Bevölkerung an den weiterhin erforderlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung” thematisiert: Ziel sei es, Normen klar zu kommunizieren (Einhaltung optimieren), durch aktive Mitwirkung Kontrollgefühle zu steigern und Reaktanz vorzubeugen sowie „Fake News und Verschwörungserzählungen wirksam (zu) bekämpfen“ .

Die offizielle Pandemie-Erzählung wird hier fortgeschrieben, indem die Psychologen der deutschen Politik ihre kommunikative Kompetenz anbieten, um die Maßnahmen als einen „gemeinsam erreichten Erfolg” zu bestätigen.
Zur Kommunikation der medialen Erfolgsgeschichte (d.h. des gehorsamen Befolgens der Maßnahmen) wird vorgeschlagen: „Fortlaufend (die) Identifikation mit einer erfolgreichen kollektiven Bewältigungsstrategie (zu) bestärken“.
Damit einher geht die abwertende Etikettierung Andersdenkender: Menschen, die an dieser Erfolgsgeschichte Zweifel haben, werden nicht nur als „Verschwörungstheoretiker“ stigmatisiert, sondern ihnen werden sowohl Unwissen („Bei mangelnden Wissen können sie [Menschen] stärker zu Verschwörungsmythen neigen“) als auch psychische Defizite unterstellt:

„Dabei sind Menschen mit einem besonders starken Bedürfnis, sich anderen überlegen zu fühlen, eher anfällig für Verschwörungserzählungen“.

Die Gedankenlenkung vollzieht sich hier besonders meisterhaft: Vordergründig dienen die vorgeschlagenen Maßnahmen zur besseren Meisterung der gesellschaftlichen Krise.
Selbst die psychischen Folgen sollen durch die Propagierung des „gemeinsamen Erfolges“ abgemildert werden.
Da aber ein offener Diskurs von Anfang an ausgeschlossen wird und aller Dissens „pathologisiert“ wird, handelt es sich bei diesen Maßnahmen in Wahrheit um Manipulationen.

Die Autoren scheinen mehrfach zwischen „Klarsprech” und „Subtilität” zu schwanken: So treffen sie beispielsweise richtige Aussagen („Und schließlich suchen Menschen nach sozialer Anerkennung; sie möchten ein positives Bild von sich selbst und ihrer Bezugsgruppe haben”), deren Einbettung (Ziele zur bedingungslosen Unterstützung des offiziellen Narrativs durch die Bevölkerung) aber gleich auf „passende Manipulationstechniken” hinweist.
Entsprechend verdichten sich die Empfehlungen zum umfassenden Vermitteln einheitlicher vordefinierter „Wahrheiten” und zur Bekämpfung anderslautender (per definitionem falscher) Verschwörungstheorien:

“Der Umgang mit Verschwörungserzählungen birgt potenzielle politische Herausforderungen und erfordert besonderen Interventionsbedarf.

Aus was dieser besondere Interventionsbedarf besteht, wird nicht genauer genannt – dies können potentielle „Auftraggeber” bei den Autoren erfragen.

Ebenso bieten sie – schon im Juni – ihre Unterstützung für einen von der Bevölkerung wenig akzeptierten 2. Lockdown an. Von der Bevölkerung sollen insbesondere „zum langfristigen Pandemie-Management zählen(de) Maßnahmen wie Tracing App, Impfungen oder Masken” besser akzeptiert werden.
Als klare Ziele werden genannt: das Aufrechterhalten der Motivation für die „Befolgung aktueller Schutzmaßnahmen“, der „Erwerb neuer Handlungsroutinen“ und das Befolgen „notwendige(r) Verbote und Gebote“

Herausforderungen sehen die Autoren weiter in der Bewältigung und Verarbeitung der Krisenerfahrungen. Dabei konstatieren sie eine gewisse Skepsis von Bevölkerungsteilen gegenüber den Maßnahmen: Ob diese berechtigt sein könnte, steht nirgends zur Debatte.
Ebenso benennen sie potentiell negative Folgen (u. a. ein deutlicher Anstieg psychischer Probleme), wobei die Art der nachträglichen Bewertung der Pandemie bedeutsam sei.
Würde diese als „Misserfolgserlebnis mit Betonung gesellschaftlicher Unterschiede und negativer Erfahrungen” bewertet, nähmen Angststörungen und Depressionen zu.
Stellt sich die Frage, ob dies eine legitime Begründung darstellt, die offizielle Corona-Erzählung aufrecht zu erhalten und jede Diskussion zu negativen Aspekten und Ungerechtigkeiten zu verhindern.
Bei „Fortdauer der Pandemie“ sehen die Autoren durchaus die Gefahr negativer wirtschaftlicher und sozialer Folgen. Allerdings wird nicht darauf hingewiesen, dass es sich dabei um Folgen der propagierten Maßnahmen handelt.

Neben unterstützenswerten Zielen (1. schnelle Hilfe gefährdeter Gruppen, Resilienz stärken, Ängste, Depressionen u.a. reduzieren…) formulieren sie folgende in unseren Augen sehr fragliche Ziele:
„2. Ein kollektives Erfolgserlebnis herausarbeiten und die negative Umdeutung der bisherigen Erfolge verhindern“ und 3. die „Verfestigung von dysfunktionalen Mindsets verhindern“.

Damit bekräftigen die vier Vorsitzenden: Die Maßnahmen sind ein Erfolg, Kritik und die Wahrnehmung negativer Folgen (sprachlich interessant als „negative Umdeutung“ verklausuliert) sind zu verhindern!
Die Formulierung: „Zielgruppengerechte Maßnahmen zur Ansprache und Modifikation dysfunktionaler Mindsets entwickeln und implementieren” ist ein typisches Beispiel für Psychologen-Neusprech und kann einfach als Empfehlung zur Gehirnwäsche übersetzt werden.
Wer definiert was als „dysfunktional“? Ist es das die Politik störende Hinterfragen durch „Verschwörungstheoretiker“? Sind diese dann die Zielgruppe für eine „Modifikation der Mindsets”?

Die Handlungsanweisungen zielen darauf, die Bevölkerung hinter dem offiziellen Narrativ zu vereinen. Menschen werden zu Objekten gemacht, deren Denken, Fühlen und Handeln „modifiziert” werden soll, um sie zu einer absolut kritiklosen, gehorsamen und unterwürfigen Haltung zu erziehen. Diese Wahrheiten sind alternativlos, sie und der Gehorsam der Bürger müssen mittels „psychologischer Expertise” vermittelt und durchgesetzt werden.

Die abschließende Bemerkung „Neueste Modellrechnungen mit unterschiedlichen Methoden konnten übereinstimmend einen außerordentlichen Erfolg der politisch veranlassten Verhaltensmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zeigen” steht ohne Verweis auf Quellen.
Folgt man der – in dieser Hinsicht korrekten – Einlassung der von etablierten Medien vielfältig gegen „Verschwörungstheoretiker” ins Feld geführten Pia Lamberty *) , müsste man spätestens hier aufhorchen und die ganze Argumentation in Zweifel ziehen. Warnt sie doch vor Aussagen ohne Quellenangabe und ruft dazu auf, „Wissen” zu hinterfragen (siehe Zitat in Ackermann 2020).

Am Ende ihrer Ausführungen bieten die vier Autoren ganz explizit ihre Dienste an:

„Selbstverständlich stehen wir Unterzeichnenden gerne für weiterführende Gespräche zu politischen Vorhaben und geplanten Maßnahmen bei der weiteren Bewältigung der COVID-19-Krise zur Verfügung.“

Unsere Bewertung

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Wir sehen hier, was wir auch bei „unkritischen“ Kollegen erleben: Trotz der methodischen Ausbildung und des Wissens über bedenkliche sozialpsychologische Mechanismen werden die offiziellen Darstellungen und ihre Argumentation nicht hinterfragt, sondern aktiv unterstützt.
Unsere sogenannten Berufsvertreter propagieren hier zudem ganz offen die menschenverachtende Manipulation und vorsätzliche Traumatisierung von Menschen.
Ginge es tatsächlich um das hehre Ziel, Schaden abzuwenden, wären die methodologischen Prinzipien zu achten: nach möglichen (Alternativ-)Erklärungen zu suchen und die eigenen Schlussfolgerungen und Denkweisen kritisch zu reflektieren.
Erinnern wir uns: Es geht hier nicht um einen spitzfindigen Streit um irgendwelche realitätsfernen Teilaspekte einer Theorie. Es geht hier um Maßnahmen, die tiefgreifend in das soziale Leben und in das psychische Erleben aller Menschen eingreifen, die unser Lebenselement, das empathische Miteinander im sozialen Kontakt, rationieren.
Ginge es um das Erarbeiten einer rational und empirisch begründeten Strategie zur Pandemiebewältigung, müssten auch die als absolut gesetzten Exit-Strategien (Impfung, Medikament) hinterfragt werden. Es wird exakt das Gegenteil getan, es erfolgt kein empirischer und kritischer Realitätsabgleich.

Damit werden sowohl die methodologischen Grundpfeiler einer evidenzbasierten, wissenschaftlich fundierten Fachrichtung als auch alle moralischen und berufsethischen Grundsätze verraten.
Das gesellschaftliche Tabu, einen offenen Diskurs über all diese wichtigen Fragen zu führen, wird hier kritiklos mitgetragen und zementiert; Kritik wird stattdessen pathologisiert.

Es ist unsere Aufgabe als tätige Psychologen und Psychotherapeuten, Menschen vor Manipulation zu schützen und sie in ihrer Empathie, Beziehungsfähigkeit, ihrer Selbstermächtigung, der Integration seelischer Traumata und damit in der Selbstverantwortung zu unterstützen.
Nun werden wir jedoch angeleitet, das Gegenteil zu tun: Menschen, die Beeinträchtigungen und Leid aufgrund der Maßnahmen erfahren (wohlgemerkt nicht wegen des Corona-Virus), im Sinne der Staatsdoktrin zu „erziehen” und die eigene, gesunde Selbstwahrnehmung zu unterdrücken.
Dies widerspricht unserer Ethik und unserer professionellen Ausbildung, in welcher Beziehung, Vertrauen, Respekt gegenüber dem subjektiven Erleben sowie die emotionale Stärkung an erster Stelle stehen.

Als Grundlage unserer Arbeit dient uns die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 und die dort formulierte menschliche Würde.
Außerdem verpflichten wir uns dem Georgetown-Mantra mit vier Prinzipien ethischen Handelns in der Medizin (nach Beauchamp & Childress, siehe Rahbar 2010): Aus Sicht der Medizinethik ist der Patient ein autonomes, selbstbestimmtes Wesen und hat daher das Recht, selbst zu entscheiden, was mit ihm geschieht – dieses hat der Arzt zu respektieren.
Zudem darf er dem Patienten keinen Schaden zufügen, muss stets zum Wohle des Patienten handeln sowie die verfügbaren Ressourcen gerecht verteilen.

Wir stellen uns mit diesem Statement unserer Verantwortung gegenüber unseren Klienten/Patienten. Wir sehen es als die Pflicht von Psychologen an, in Theorie und Handeln dem Wohle der Menschen ohne Unterschied zu dienen. Die Psychologie steht nicht isoliert von der sie umgebenden Umwelt, sie muss sich Fragen nach dem Verwertungszusammenhang und ihrer Dienlichkeit stellen – warum, wie, für wen – sonst wird „ihre Anfälligkeit für eine reaktionäre Indienstnahme“ (Kempf, 1988) wirksam.

Andrea Wolf-Schuler für Psychotherapeuten-stehen-auf: Informationen unter psychotherapeutinnen-und-psychotherapeuten-stehen-auf.net

Literaturverweise

*: Zu dieser Personalie demnächst mehr auf diesem Blog.

Friedfertige, positive Veränderung braucht eine kritische Masse und den Austausch.
Daher gerne dem offenen Telegram Kanal beitreten: hier posten v.a. KollegInnen der o.g. Fächergruppen alles, was sie bewegt:

Psychotherapeut*innen stehen auf – offener Austausch🌻 https://t.me/PsychFmitHaltung

Aktuell zum neuen, ggf. pflichtgemäß verabreichten Impfstoff der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hier:  https://www.youtube.com/watch?v=dthqBoQWacI&feature=youtu.be&t=7
und Biologe Clemens Arvay im Faktencheck hier: https://www.youtube.com/watch?v=H5Tphv6V5SE&feature=youtu.be

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Hongkong – der neue Systemkonflikt

DSC_0046Dieser Artikel von Werner Rügemer erschien bereits 2019, ist aber immer wieder sehr aktuell, insbesondere weil in den Leim-Medien allzu positive Berichte über China zensiert werden, siehe https://josopon.wordpress.com/2020/06/23/bericht-uber-china-in-der-ard-zensiert-zu-positives-bild/ .

Aktuell dazu auch hier: http://cooptv.wordpress.de/2019/10/11/hongkong-china-die-menschenrechte-weltnetz-tv/

Rügemer nennt Namen und Firmen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=54420
Er weist nach, wie heuchlerisch die Beweigtäucherung einer kleinen, teils gewalttätigen Opposition dargestellt wird. Man stelle sich vor, China hätte in Deutschland für die G20-Aktivisten aus Hamburg interveniert und sie als Freiheitskämpfer verherrlicht.

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Jugendliche fordern Menschenrechte, westliche Meinungsmacher sind begeistert, Unternehmer schweigen: Die Haltungen gegenüber den Protesten von Hongkong sind teils unangemessen und lassen die von Kolonialisten dort lange praktizierte Wirtschaftskriminalität außer Acht.

Die Heritage Foundation, einflussreicher Think Tank von US-Unternehmen, bezeichnete Hongkong im jährlichen Ranking jetzt zum 25. Mal als „freieste Wirtschaft der Welt“.[1] Doch gemessen an Völkerrecht, Demokratie und den UN-Menschenrechten ist das Gegenteil der Fall. Gerade deshalb ist Hongkong für den moralisch und wirtschaftlich absteigenden Westen ein wichtiges Schlachtfeld im Kampf gegen den neuen Hauptfeind, die wirtschaftlich erfolgreiche Volksrepublik China.

1997: Die Kolonie wird an China zurückgegeben

1997 musste das britische Commonwealth seine 154 Jahre lang betriebene Kolonie Hongkong endlich an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben, zumindest teilweise: Hongkong wurde nach dem Muster „Ein Land, zwei Systeme“ als Sonderverwaltungszone wieder Teil des chinesischen Staates.

„Zwei Systeme“ bedeutet: Die Volksrepublik China ist für Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich. Sie war sich seit den Reformen unter Deng Xiaoping in den 1980er Jahren im Klaren, dass die verfestigten kolonialen und neoliberalen Verhältnisse nicht übergangslos integriert werden können – und China brauchte die Kronkolonie, die die Wirtschaft Chinas seit über einem Jahrhundert beherrschte. Deshalb wurde die Laufzeit bis zur vollständigen Integration auf 50 Jahre, bis 2047 vereinbart. Kapitalistisches Privateigentum an Unternehmen und Boden sowie koloniales Wahlrecht bleiben erhalten – der Westen wollte seine einzigartigen Privilegien solange wie möglich bewahren. Die Lebensweise ist weiter „very british“ mit Linksverkehr auf den Straßen und Amtssprache englisch – neben der (süd)chinesischen. Die Bürger Hongkongs haben weiter ohne Visumspflicht Zugang zum Shengen-Raum, im Gegensatz zu den Festland-Chinesen. Das 1.200 Mitglieder umfassende Wahlkomitee, ständerechtlich organisiert, ist mehrheitlich von einheimischen und auch ausländischen Unternehmern und Bankern besetzt, z.B. mit Vertretern der größten einheimischen Bank HSBC und des französischen Versicherungskonzerns AXA.

Seit 1843 Bastion der kolonialen „Open door“-Politik

Schon 1699 hatte sich der expandierende Räuber- und Kolonialstaat England auf der chinesischen Halbinsel Hongkong festgesetzt, in Gestalt der British East India Company. Die trieb Handel in ganz Asien und wurde von der chinesischen Regierung geduldet. Seit etwa 1830 exportierte die Handelsgesellschaft Jardine Matheson das in der benachbarten britischen Kronkolonie Indien angebaute Opium nach China. „Exportieren“ – das bedeutete Schmuggel. Die chinesische Regierung verbot ihn, auch weil das ursprüngliche Heilmittel Opium durch den massenhaften Verkauf für einen großen Teil der Bevölkerung zum Suchtmittel wurde.

Da riefen die beiden Schmuggelkönige Jardine und Matheson das königlich-britische Militär zu Hilfe. England überfiel China, führte 1839 den ersten „Opiumkrieg“, unterwarf den Staat und zwang die Regierung, den Export zu dulden. Der wurde weiter mithilfe einheimischer Warlords und mafiotischer Subunternehmer durchgezogen. England annektierte Hongkong und proklamierte die Stadt 1843 nach Indien ebenfalls als Kronkolonie.

Der zweite „Opiumkrieg“ mit demselben Ziel und mithilfe weiterer Kolonialmächte unterwarf 1860 China noch weiter, die Kolonie Hongkong wurde erweitert, der Opiumhandel wurde legalisiert. China wurden die Kosten des Opiumkriegs der Kolonialherren auferlegt. Neben England errichteten noch die USA, Frankreich und Russland Botschaften in Peking und kontrollierten die Regierung, Christen konnten Privateigentum erwerben. Millionen opiumsüchtige Chinesen vegetierten dahin und starben – die Gewinne von Jardine Matheson stiegen jahrzehntelang ins Unermeßliche.

Die Engländer bauten Hongkong unter königlichen Gouverneuren nach kolonialem Recht zum Finanz- und Handelszentrum für China und ganz Asien aus. Die Kronkolonie wurde die Bastion für die Durchsetzung der „Open door“-Politik. Chinesische Händler wurden hinausgedrängt. Das Empire auf der Höhe seiner Macht, nachdem es für die Tigerjagd seiner Offiziere 1860 noch die Halbinsel Kowloon dazu annektiert hatte, erzwang 1898 für 99 Jahre noch die Pacht für weitere Gebiete, so für 235 vorgelagerte Inseln. „Pacht“ war ein Euphemismus: England zahlte nie eine Pachtgebühr. 99 Jahre: ebenfalls ein Euphemismus, denn England wollte Hongkong für immer.

Das waren übliche koloniale Praktiken – wie etwa in Guantanamo: der zeitlich dort unbefristete Pachtvertrag der USA aus 1903 mit Kuba ist trotzdem längst abgelaufen. Die USA haben die ursprünglich vereinbarte Nutzung verändert, etwa durch die Einrichtung als Folterlager. Der Vertrag wurde damit auch nach den großzügigsten völkerrechtlichen Interpretationen ungültig.[2] Aber die US-Folterer und McDonald’s sind immer noch da, und Siemens soll im Auftrag des Pentagon für 829 Millionen Dollar die Energieversorgung bis 2043 umweltfreundlicher gestalten.[3]

In anderen ehemaligen Kronkolonien Englands, die heute verharmlosend „Überseegebiete“ heißen wie die Britisch Virgin Islands, Belize, die Cayman Islands und einem weiteren knappen Dutzend, ist Queen Elizabeth II. immer noch das staatliche Oberhaupt, das Vereinigte Königreich ist für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig und ernennt den britischen Gouverneur. Ähnliches, in demokratischer Verkleidung, gilt für ein Dutzend US-„Überseegebiete“ wie Guam, die Marshall-Inseln, die amerikanischen Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa.

Die Kronkolonie war noch undemokratischer als die Monarchie im Mutterland: Ohne ein für England ansonsten so gelobtes Parlament von Gnaden der Queen, mit Gouverneur, Militär, Polizei, englischen Richtern und englisch gelenkten Medien; unabhängige Parteien und Gewerkschaften und Arbeiterparteien, die in England legal waren – nichts davon in Hongkong.[4]

20. Jahrhundert: Ausbau zur neoliberalen Freihandelszone

Seit Beginn wurde die Kronkolonie zur antidemokratischen und antikommunistischen Bastion des Westens in Asien, zum Sammelbecken für Händler, Unternehmer, Schmuggler, Kriminelle, Reaktionäre und Vorgestrige aller Schattierungen und aller Nationen. Als Sun Yat-sen 1912 das Feudalregime in China abschaffte und eine bürgerliche Republik nach westlichem Vorbild gründete, waren tausende Feudalherren im befestigten Paradies des britischen Empire mit ihrem Fluchtgeld hochwillkommen. Aufkommende Streiks von rechtlosen Arbeitern – der bekannteste war 1926 – schlug das britische Militär blutig nieder. Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 flüchteten hunderttausende Feudalherren und westlich verbundene Großkapitalisten mit ihrem Reichtum und ihren Familien ebenfalls nach Hongkong.

In den 1960er Jahren unterdrückte die Besatzungsmacht, die notfalls mit Spezialeinheiten vom Flugzeugträger HMS Hermes aus den Ausnahmezustand sicherte, Streiks und Demonstrationen der illegalen Gewerkschaften. Die protestierten gegen Niedriglöhnerei bei 12-Stunden-Tagen, gegen Kinderarbeit, gegen die Verweigerung von Arbeitsverträgen und Sicherheitsmaßnahmen. 5.000 Streikende wurden verhaftet, 2000 zu Gefängnis verurteilt. Menschenrechts-Proteste aus dem Westen? Null.

Deshalb siedelten Banken, Konzerne, Berater, Generalkonsulate und Handelskammern seit den 1960er Jahren sich hier an, aus den USA und den Philippinen, aus Japan, Australien und dem gesamten Westen. Die USA unterhalten hier das größte Konsulat und auch die größte Handelskammer: Sie wurde 1969 gegründet und rühmt sich, „eine der einflussreichsten Wirtschaftsorganisationen im asiatisch-pazifischen Raum“ zu sein.[5] Fast alle EU-Staaten unterhalten hier seit den 1980er Jahren Handelskammern, die größten sind die englische und die französische mit jeweils 750 Unternehmen, die deutsche mit 600 Unternehmen. Daneben sitzt hier noch die Europäische Handelskammer mit Mitgliedern aus 17 EU-Staaten: „Hongkong ist ein idealer Platz für Geschäfte“, hieß es zufrieden einige Wochen vor dem Ausbruch der Proteste.[6]

Unmittelbar geschäftlich, vor allem in leitenden Funktionen, leben in Hongkong etwa 100.000 Briten, 85.000 US-Amerikaner, 60.000 Franzosen, 40.000 Deutsche usw. Hier besteht seit der neoliberalen Globalisierung die größte Bankenkonzentration der Welt, dichter noch als in der City of London: Alle westlichen Großbanken sind vertreten: Aus den USA, aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Schweiz, Kanada, Japan, Australien, Südkorea, den Golfstaaten – und Banken und Unternehmen aus China.

Die Unternehmenssteuern sind mit 16,5 Prozent die niedrigsten in der westlichen Welt. Die Währung Hongkong-Dollar ist an den US-Dollar gebunden. Mit 215 Mrd. US-Dollar an US-Staatsschulden gehören Hongkonger Spekulanten nach Japan und China zu den größten Finanziers der westlichen Supermacht.

Der größte Konzern: Jardine Matheson Holdings

Der größte Konzern ist bis heute, ununterbrochen seit 187 Jahren, Jardine Matheson. Kontrolliert wird er von der Keswick-Familie, direkte Nachfahren des Gründers William Jardine.

Mit den Gewinnen aus dem Opium-Schmuggel wurde ein weitverzweigter Mischkonzern aufgebaut: Zur Holding gehören Hotel- und Einzelhandelsketten, Banken, Finanzdienste, Transportlogistik, Medien, Immobilien, Tourismus einschließlich Kreuzfahrtschiffen sowie Anteile an der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC), der größten Bank vor Ort, am größten US-Rohstoffhändler Glencore, aber auch an chinesischen Konzernen wie dem Hafenbetreiber COSCO.

Der öffentlich so gut wie unbekannte und auch bei Berichten über die Proteste in Hongkong nie genannte Konzern ist weltweit präsent. Jardine Matheson ist z.B. der größte Aktionär der Rothschild-Bankengruppe, die seit ihrem erneuten Aufstieg unter Margaret Thatcher von London aus in 44 Staaten zum wichtigsten Privatisierungsberater europäischer und asiatischer Regierungen und zum Berater für Unternehmensfusionen aufstieg – weswegen u.a. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seinem Amtsende in den Rothschild-Beirat berufen wurde (während deutsche Leitmedien nur Schröders Funktion beim russischen Konzern Gazprom anprangern).[7] Rothschild mit seinen Krediten etwa für die westlich betriebenen Eisenbahnlinien, mit denen der Handel erweitert wurde, war auch im kolonial besetzten China Teil des „britischen Imperialismus“, so der US-Finanzhistoriker Niall Ferguson.[8]

Der Mischkonzern hat 460.000 Beschäftigte, verteilt auf Hongkong und alle asiatischen Länder. Man sitzt selbst in der größten westlichen Finanzoase, aber das reicht nicht: Das Unternehmen hat seinen operativen Sitz in Hongkong, besteht nach britischem Wirtschaftsrecht und hat seinen Steuersitz in der karibischen Finanzoase Bermuda, dem immer noch britisch annektierten „Überseegebiet“.

 Die größte Bank: HSBC

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Die Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) wurde 1865 in Hongkong gegründet und wurde der wichtigste Kreditgeber für den westlichen Handel mit China und lange Zeit für das Reich der Mitte selbst. Ihren größten operativen Sitz hat sie heute hier im 178 Meter hohen Tower an der feinen Adresse 1, Queens Road. Ihre Zentrale musste sie aber 1959 wegen des Aufkaufs von Banken in Großbritannien nach London verlegen. Als größte Bank in Hongkong ist sie mit 255.000 Beschäftigten zugleich die größte Bank Europas.

HSBC betreibt vier Filialen auf der Hauptinsel Hongkong, fünf im dazugehörigen Knowloon und zwei auf benachbarten Inseln, dazu 6.000 Filialen in 70 Staaten auf allen Kontinenten. Es werden die „westlichen Werte“ des deregulierten Finanzzentrums Hongkong und des Vorbilds, des deregulierten Finanzzentrums City of London, vertreten. Das hindert nicht, dass populistisch auch die islamistische Tochtergruppe HSBC Amanah weltweit islamisches Publikum umwirbt.

Mit den Gewinnen in Hongkong kaufte HSBC nicht nur Banken in Großbritannien auf, sondern z.B. auch in den USA und Frankreich. In Deutschland sicherte man sich die feine elitäre Bank Trinkaus & Burkhardt in Düsseldorf: Dort residierte mit dem FDP-Granden Otto Graf Lambsdorff einer der großen illegalen Parteifinanziers der Bundesrepublik, wegen Steuerhinterziehung verurteilt, und dort amtet als Nachfolger im Aufsichtsrat der CDU-Politiker Friedrich Merz, der von den illegalen Cum-Ex-Geschäften der Bank nichts gemerkt hat und deshalb geeignet war, von BlackRock als Vorsitzender des BlackRock-Aufsichtsrates Deutschland berufen und belohnt zu werden.

2012 zahlte HSBC in den USA 1,9 Mrd. Dollar Bußgeld wegen Finanzierung von Terroristen und Drogenhändlern (weil es die falschen waren). In der Schweiz wurde die Bank als „kriminelle Organisation“ eingestuft, wegen Delikten ähnlicher Art, einschließlich der Finanzhilfen für Diktatoren.[9] Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete die Bank als „Tresor der Mächtigen und Verschwiegenen“ (SZ 9.2.2015). In Hongkong bleibt soetwas strafloses business as usual.

Die HSBC wird von den Finanzaufsichten des Westens zu den 29 „systemrelevanten“ Banken gezählt. Sie kann also auch kriminell und spekulativ überdrehen – mit der Gewissheit, auf Staatskosten gerettet zu werden.

Reichster Oligarch: Li Ka-shing

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„Die 21 reichsten Hongkonger“, so die FAZ, weisen offiziell 206,3 Milliarden Euro Eigentum aus.[10] Sie sind wie die Kewicks und die Wok-Brüder meist zugleich die größten Immobilien-Tycoons.

Der wichtigste Multimilliardär und bekannteste Oligarch ist Li Ka-shing. Der Chef des weltweit aktiven Mischkonzerns CK Hutchison steht an 23. Stelle der reichsten Menschen der Erde. Großimmobilien und Internet Service Provider in Hongkong gehören zum Imperium, Einzelhandel, Getränkeherstellung, Anteile am größten US- Versicherungskonzern AIG sowie an den wichtigsten Containerhäfen wie Hongkong selbst, Rotterdam, Panama und den Bahamas. Die Oligarchen sind miteinander vielfach vernetzt, so ist Jardine Matheson auch an CK Hutchison beteiligt. Der Konzern mit seinen zahlreichen Tochtergesellschaften und 323.000 Beschäftigten bestreitet ein Drittel der Marktkapitalisierung an der Börse von Hongkong. Seinen rechtlichen und Steuersitz hat der Konzern auf den Cayman Islands.

In Deutschland wurde Li Ka-shing bekannt (und bald wieder vergessen), als er 2000 den Kauf der Telekommunikationssparte von Mannesmann durch den englischen Konzern Vodafone korruptiv beförderte. Als Miteigentümer von Vodafone zahlte er an den Mannesmann-Vorstandschef Klaus Esser 30 Millionen Euro Schmiergeld als „Anerkennungsprämie“, der Aufsichtsrat unter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann steuerte weitere Millionen für Vorstand und Aufsichtsrat bei – der Kauf ging über die Bühne. Der Hongkonger Drahtzieher verdiente Milliarden; angeklagt vor Gericht wurde das Hilfspersonal in Deutschland, so Esser, Ackermann und der Vorsitzende der IG Metall, Zwickel.[11]

CK Hutchison mischt von der Öffentlichkeit unbemerkt in der Infrastruktur der EU mit, so als Eigentümer des Telekommunikationsunternehmens Vivacom in Bulgarien. In Deutschland gehören dazu etwa 40 Prozent an der Drogeriekette Rossmann, die hier wie CK Hutchison in Hongkong extrem die internationale Niedriglöhnerei organisiert.[12]

Der Medienmogul: Jimmy Lai

Jimmy Lai, der anglisierte Name des geflüchteten Festland-Chinesen Lai Chae-Ying, machte seit den 1980er Jahren seine ersten Millionen durch den Aufbau einer Kette für Billigtextilien, vor allem T-Shirts, die von Niedrigstlöhnern in Hongkong und in sweat shops diverser asiatischer Staaten wie Bangladesh produziert und auch in die USA exportiert wurden.

Inzwischen gehört ihm vor allem der Medienkonzern Next Digital. Emotionsgeladene Schnell- und Kurzbotschaften sind die Spezialität, auch als „Paparazzi-Journalismus“ bezeichnet. Dazu gehören kostenlos vertriebene, mit Sensationsberichten und Werbung vollgestopfte Medien. Bekannt ist Apple Daily, das auch in Taiwan verbreitet wird. Lai hält die Verbindung zu dieser Insel, die ebenfalls zu China gehört, auf die sich ein anderer Teil der von Mao Tse Tung entmachteten Feudalklasse geflüchtet hatte und die von den USA als diplomatisch nicht anerkanntes Sondergebiet alimentiert wird. Lai hält hier auch Anteile an Elektronikfirmen. Auch er hantiert von der Finanzoase Hongkong aus mit anderen Finanzoasen, wobei er die British Virgin Islands bevorzugt.

Dieser westliche Vorzeige-Demokrat sponsert die Demokratische Partei des Rechtsanwalts Martin Lee. Der organisiert in Hongkong seit Jahren Protestbewegungen gegen China, nachdem er wie Lai selbst mit der britischen Kolonialverfassung immer zufrieden war und an Demokratie kein Interesse gezeigt hatte.

Weltweit vernetzte Steueroase

Wie die Steuersitze von Jardine Matheson, CK Hutchison und Lai zeigen, ist Hongkong nicht nur selbst eine Steueroase, sondern der Mittelpunkt eines Steueroasen-Netzes. So ist etwa auch die Filiale der Rothschild-Bank in Hongkong keine Tochtergesellschaft der Zentralen in London und New York, sondern eine Tochtergesellschaft der Rothschild-Tochter in der Finanzoase Schweiz.

So sind in Hongkong auch Banken aus allen wichtigen Finanzoasen wie Liechtenstein, Luxemburg, und der Niederlande vertreten. Eine besonders enge Vernetzung besteht mit den englischen „Übersee-Territorien“, den ehemaligen Kolonien, die unter britischer Oberhoheit zu Finanzoasen ausgebaut wurden und darin ihre Staatsraison finden, so die Britisch Virgin Islands, Gibraltar, Belize, Jersey, Isle of Man und St. Vincent.

Ebenso sind die Big Four der Wirtschafts“prüfer“, also Price Waterhouse Coopers (PWC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte hier mit großem Personal vertreten, PWC beispielsweise mit 600 Partnern (Miteigentümern) und 17.000 der weltweit 250.000 Beschäftigten. Steuer“­gestaltung“ für Konzerne und superreiche BlackRock- und Blackstone-Kunden, also das Herausfinden der jeweils günstigsten Finanz- und Steueroase, ist neben der Bilanzprüfung ihr zweiter, lukrativer Geschäftsbereich, der in Hongkong eine besondere Rolle spielt. Sie konstruieren die kaskadenartig auf mehrere Finanzoasen hintereinander geschalteten Briefkastenfirmen.[13]

Hongkong hat unter seinen sieben Millionen Einwohnern mit die größte Dichte an Superreichen: 170.000 Millionäre sind hier ansässig, so der letzte Global Wealth Report der Schweizer Steuerhinterziehungs-Hilfebank Crédit Suisse. Es können auch viel mehr sein, denn für das Verstecken von Eigentumsrechten an Unternehmen und an Luxus- und Geschäftsimmobilien steht hier das Instrumentarium bereit.

EU und OECD führen schwarze und graue Listen der Steueroasen, deren Praktiken bekämpft werden sollen. Diese Listen beinhalten solche Finanzoasen, die für die Steuerflucht von Individuen und Kleinkriminellen die einschlägigen Dienste anbieten wie die größte unter ihnen, die Schweiz. Aber in den Listen fehlen gerade alle Finanzoasen, die für große Konzerne, Banken und Kapitalorganisatoren wie BlackRock und Blackstone ihre Dienste anbieten, so Delaware/USA sowie Luxemburg, die Niederlande, Irland[14] – und Hongkong.

Banken- und Finanzkriminalität

Professionelle Finanzkriminalität wurde als Standortvorteil ausgebaut, Verurteilungen wegen Unternehmenskriminalität gibt es nicht. Die Finanzaufsicht ist bestenfalls symbolisch.

Das konstatiert auch die international tätige Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner: Für Wirtschafts- und Finanzkriminalität, etwa für rechtswidrige Überweisungen „stellt Hongkong mit seinem wirtschaftsfreundlichen Bankenumfeld und extrem liberalen Wirtschaftssystem einen gefundenen Nährboden“ dar.[15]

Die Kanzlei, die viele deutsche Unternehmen berät, fügt hinzu: „Die unkomplizierte Gründung und Schließung von Gesellschaften sowie hohe Transaktionsvolumina sind für eine internationale Handelsmetropole nichts Ungewöhnliches. Viele der in der VR China ansässigen Täter, die in Hongkong über Scheingesellschaften und Bankkonten verfügen, nutzen den vorbezeichneten Status und die räumliche Nähe zur Volksrepublik für ihre kriminellen Zwecke aus. In der Regel verbleiben die betrügerisch vereinnahmten Gelder nur kurze Zeit in Hongkong, bevor sie dann anschließend sternförmig auf Konten in Hongkong, aber meist ins Ausland – mit Schwerpunkt in die VR China – weiterverteilt werden – ein Umstand, der die Rechtsverfolgung zusätzlich erschwert.“

Menschenrechte in Hongkong

Westliche Regierungen und Leitmedien unterstützen in Hongkong die von den Protestbewegungen erhobenen Forderungen nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Doch diese Unterstützung ist heuchlerisch. Zunächst: Schon während der gesamten Zeit Hongkongs als britische Kronkolonie wurden diese Rechte verletzt, vom Westen aber nicht unterstützt. Hongkong ist auch seit der Rückgabe an China 1997 keine parlamentarische Demokratie und kein demokratischer Rechtsstaat: Gerade darauf haben Großbritannien und der gesamte Westen zum eigenen Vorteil bestanden und haben das bis heute nicht kritisiert. Auch frühere Proteste gegen den unmenschlichen Wohnungsnotstand und Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen wurden nicht unterstützt.

Alle westlichen Staaten, allen voran die USA und alle EU-Staaten, die in Hongkong mit Banken, Konzernen, Beratern und Generalkonsulaten präsent sind, lehnen prinzipiell die weltweite Geltung der Sozial- und Arbeitsrechte als Menschenrechte ab, die von der UNO und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO beschlossen wurden. Gegenwärtig bekräftigt die „westliche Wertegemeinschaft“ dies beim Binding Treaty: 2013 beschloss die UN-Generalversammlung auf Initiative von 85 Mitgliedsstaaten, dass die Ausarbeitung eines verbindlichen Vertrages zu Wirtschaft und Menschenrechten eingeleitet wird: In den internationalen Produktions- und Lieferketten sollen Unternehmen die Menschenrechte einhalten. 2014 legte der UN-Menschenrechtsrat eine entsprechende Resolution vor.

Die Neinstimmen kamen von den Staaten, die auch in Hongkong dominieren: USA, Deutschland mit allen vertretenen EU-Staaten, Japan, Australien, Südkorea – übrigens: China zusammen mit den anderen BRICS-Staaten Brasilien, Indien, Russland und Südafrika stimmte der Resolution zu.[16]

Sogar die bürgerlichen Menschenrechte wie die jetzt in Hongkong hochgehaltenen Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit lehnen die westlichen Banken, Konzerne, Berater und Staaten überall auf der Welt als verbindlich ab und verletzen sie bei Bedarf:

  • Das gilt etwa für die Golfstaaten wie Katar, in denen insbesondere Wanderarbeiter massenhaft in sklavenähnlichen Verhältnissen zugunsten westlicher Unternehmen beschäftigt und festgehalten werden. Sie dürfen keine unabhängigen Assoziationen bilden und nicht streiken;[17]
  • es gilt in der Türkei, in Indien und Südamerika, wo deutsche Konzerne, auch solche mit staatlicher Beteiligung wie die Deutsche Post DHL es kommentarlos und klammheimlich nutzen, dass streikende Gewerkschafter verhaftet werden;[18]
  • es gilt in südeuropäischen Agrarindustriezonen wie Italien und Spanien, wo die EU mafiadurchsetzte Agrarunternehmen subventioniert;[19]
  • es gilt in den USA, wo die Ausbeutung der zugleich diskriminierten illegalen WanderarbeiterInnen am verbreitetsten überhaupt ist und wo westliche Konzerne, auch die führenden deutschen Automobilkonzerne wie VW und BMW „vor allem dort investieren, wo selbst nach US-Standards die Arbeitnehmerrechte am schwächsten und die antigewerkschaftlichen Lobbyisten in Politik und Wirtschaft am stärksten sind, nämlich in den Südstaaten der USA“ und wo weder nach deutschem noch nach US-Recht eine Belegschaftsvertretung gewählt werden konnte.[20]

Alle genannten westlichen Staaten lehnen in allen ihren Freihandelsverträgen wie TTIP, TISA, JEFTA und den Economic Partnership Agreements (EPA) der EU mit afrikanischen Staaten die Verankerung von verbindlichen demokratischen, bürgerlichen sowie Sozial- und Arbeitsrechten ab. Ebenso lehnen sie bekanntlich das urdemokratische Grund- und Menschenrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz ab.[21]

China braucht Hongkong immer weniger

Die Herren der Kronkolonie stiegen auf und wurden reich durch legale, halblegale, illegale, immer straflose Geschäfte in den ärmeren Staaten Asiens. Das galt besonders unter allen Regierungsformen im großen und unterentwickelten Land China, vom Feudalismus über die kurze bürgerliche Republik des Sun Yat-sen und die US-geförderte Diktatur des Generalissimus Tschiang Kai-shek bis 1949.

Auch das sozialistische China unter Mao Tse-tung konnte sich den engen traditionellen Beziehungen nicht entziehen. Das hatte auch positive Seiten: Bei allen von den USA organisierten Boykotten, etwa ab 1949 mithilfe der CoCom-Liste verbotener Technologie – Hongkong half bei der Umgehung westlicher Regeln, vermittelte Kredite, lieferte Waren und Geräte. Das nahm noch zu, als China seit den 1980er Jahren gezielt westliche Unternehmen ins Land holte – General Motors, VW, Nissan, Renault, Siemens, IBM, Bayer, Apple, Microsoft, Foxconn, Mittelständler und hunderttausend weitere. Mit ihnen kamen westliche Banken, Händler und Berater nach Hongkong, und auch die einheimischen Clans der Kronkolonie weiteten ihre Geschäfte weltweit aus.

Doch das geht nun in der Tendenz schrittweise zu Ende. Als der Status als britische Kronkolonie 1997 beendet wurde, hatten die USA die Mitgliedschaft Chinas in der Welthandelsorganisation WTO noch verhindern können. So liefen die wachsenden Exporte Chinas formell über Hongkong. Zölle und andere Handelshemmnisse konnten umgangen werden.

Als Chinas WTO-Mitgliedschaft 2001 nicht mehr verhindert werden konnte, wurde noch die Hälfte der Exporte über Hongkong abgewickelt – aber heute sind es weniger als 12 Prozent.[22]

Zudem: China verfügt mittlerweile über die vier größten Banken der Welt und über international tätige Investmentbanken. Die chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzen haben inzwischen eine Marktkapitalisierung, die doppelt so hoch ist wie die in Hongkong. An der Shanghaier Börse wurde eine neue Abteilung für Technologie-Unternehmen eröffnet. Sogar New York bemüht sich, dass chinesische Konzerne wie Alibaba ihren Börsengang in den USA organisieren. Die chinesische Währung Renminbi wird inzwischen auch in anderen Finanzzentren anerkannt. Die neueren wichtigen Kapitalorganisatoren wie Blackrock und Fidelity gehen nicht nach Hongkong, sondern erhielten 2016 ihre Lizenzen als Fondsmanager in Shanghai.[23]

„Chinas Abhängigkeit von Hongkong ist vorbei“ – das erkennt man auch in westlichen Leitmedien.[24] Die führenden Geschäftemacher Hongkongs haben sich zu lange und zu selbstsicher auf ihren alten Supergewinnen und einzigartigen Privilegien ausgeruht, genauso wie gegenüber Festland-China[25] – das ist ja das Muster im US-geführten Westen überhaupt, aber in Hongkong noch extremer ausgeprägt.

Auslöser der Proteste: Auslieferungs-Gesetz

Nachdem die Regierung von Hongkong 2019 den Entwurf des Auslieferungsgesetzes für 27 Straftaten wie Mord, vor allem aber für das breite Spektrum der Unternehmenskriminalität wie Bestechung und Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung, Betrug und Insidergeschäfte plante, bekräftigte das State Department die US-Position: Das Extradition Law, wonach Straftäter, die China von Hongkong aus geschädigt haben, an die Volksrepublik ausgeliefert werden können, untergrabe Hongkongs Autonomie, schädige den Finanzplatz und unterwerfe US-Bürger in Hongkong der chinesischen Justiz.

Die kommunistische Staatsführung verfolgt schon seit Jahren verstärkt die systemischen kapitalistischen Formen der Unternehmenskriminalität auf dem Festland: Und mit dem geplanten Auslieferungs-Gesetz „könnte fast jeder Hongkonger Geschäftsmann theoretisch ins Visier der chinesischen Justiz geraten“, erkennt realistisch auch die FAZ, die ansonsten die Menschenrechtsbewegung in den höchsten Tönen lobt.[26]

China will die Herrschaft des Rechts durchsetzen, gegen chinesische wie ausländische Unternehmer, Banker, Manager und Berater. Die Herrschaft des Rechts, rule of law, ist eigentlich ein fundamentaler „westlicher Wert“, den aber der Westen selbst weniger denn je einhält, sondern diese permissive Praxis und das rechtliche Vollzugsdefizit auf dem Gebiet von Unternehmen und Banken[27] auch in Hongkong verbissen verteidigt. Genauso bekämpft die von christlichen Parteien gestützte deutsche Unternehmenslobby die Einführung eines modernen Unternehmens-Strafrechts.[28]

Gegen Völkerrecht und Verfassung: Hongkong soll westliche Kolonie bleiben

Trotz oder gerade wegen der schwindenden Bedeutung des „freiesten Wirtschaftsgebietes der Welt“ für China halten die westlichen Meinungs- und Politikmacher die gefakete Fahne von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten hoch. Jetzt erst recht. Keine Region der Welt unter westlichem Einfluss ist immer noch so eng vernetzt mit dem chinesischen Festland. Deshalb schuf der Westen für die Aufrechterhaltung des traditionellen Einflusses vor der Übergabe 1997 an die Volksrepublik zusätzliche Instrumente.

Während der vieljährigen Verhandlungen baute der US-Kongress schon mal vor. 1992 beschloss er mit dem Hongkong Policy Act: Die USA werden die Freihandelszone immer als unabhängig behandeln und nie als Teil der Volksrepublik China anerkennen.

Das verletzte den Beschluss der UNO-Vollversammlung von 1972, wonach die britische Besetzung völkerrechtswidrig ist und beendet werden muss. Die USA unterhalten neben den diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik weiter eine Sonderbeziehung zu Hongkong und lassen zu Spionagetätigkeit und Umgehungspraktiken Chinas über die Sonderverwaltungszone laufend ermitteln.[29] Das verletzt damit tendenziell das Grundgesetz (basic law) von Hongkong. Es besagt in Artikel 1: „Die Sonderverwaltungszone ist ein unveräußerlicher (inalienable) Teil der Volksrepublik China“.

Bereits seit 1995 finanziert die zivile CIA-Vorfeldorganisation National Endowment for Democracy (NED)[30] *) den Hongkong Human Rights Monitor (HKHRM). Dessen Initiatoren hatten zu allen Verletzungen von Menschenrechten, auch der Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, und gegen das Fehlen der Arbeitsrechte zuvor nie protestiert: Gerade das qualifizierte sie zu den neuen Vertretern der Menschenrechte. Von 1995 bis 2013 flossen aus Washington zwei Millionen US-Dollar, allein im Jahr 2018 floss eine halbe Million an diverse neue Oppositionsgruppen.[31] Die FAZ konstatiert das nebenbei als normale US-Praxis, bezeichnet aber die Behauptung, die Bewegung sei fremdgesteuert, als „Verschwörungstheorie“.[32]

Anfang August 2019 traf sich die Diplomatin Julie Fadeh vom Hongkonger Generalkonsulat der USA mit Führern der Protestbewegung. Zur gleichen Zeit wollten zwei US-Kriegsschiffe, die USS Lake Erie und USS Green Bay, da sie mit der Pazifikflotte sowieso in der Gegend unterwegs waren, mal eben nebenbei im Hafen von Hongkong einen „Zwischenstopp“ einlegen, mit oder ohne Zustimmung von Präsident Trump – die chinesische Regierung verbot es.[33] „Man stelle sich vor“, kommentiert der französische Blog Voltaire.net, „chinesische Diplomaten hätten sich in New York mit Führern von Occupy Wall Street getroffen.“[34] Man stelle sich ebenfalls vor: Zwei chinesische Kriegsschiffe wollten während der Occupy-Wall-Street-Proteste mal eben an der Freiheitsstatue vorbei im Hafen von New York einen Zwischenstopp einlegen!

Großbritannien hatte sich mit einem Jahrzehnt Verzögerung, erst 1982, auf Verhandlungen zur Rückgabe eingelassen. Vor der Rückgabe bis 1996 verteilte die britische Regierung 3,4 Millionen Reisepässe an ausgewählte Hongkonger Bürger.

Medienmogul Jimmy Lai, der ebenfalls die Proteste unterstützt und finanziert, wurde Anfang Juli 2019 in Washington als Vertreter der Demokratie-Bewegung von US-Vizepräsident Mike Pence, Sicherheitsberater John Bolton und State-Department-Chef Michael Pompeo empfangen.[35] Wikileaks hatte schon zum Missfallen von US-Präsident Barack Obama enthüllt, dass Lai und die CIA zusammenarbeiten.

Deshalb verletzen auch die Demonstranten das in Hongkong geltende Grundgesetz, wenn sie – zudem teilweise mit US- und Hongkongs britischer Kolonialflagge – die Unabhängigkeit der Sonderverwaltungszone fordern. Die chinesische Regierung sieht deshalb die Sicherheit des Landes bedroht.

Auch die deutsche Regierung erweist sich als serviler Helfer. „Seit Mai 2018 genießen zwei Männer in Deutschland Asyl für Personen, die in Hongkong in der Nacht vom 8. auf den 9. 2.2016 festgenommen worden waren, weil sie sich an blutigen Ausschreitungen im Distrikt Mong Kok beteiligt hatten. Dort hatten mehrere hundert Personen Polizisten mit Flaschen und Steinen angegriffen, Fahrzeuge in Brand gesteckt und mehr als 80 Beamte verletzt. Die zwei Männer gehören der Organisation Hong Kong Indigenous an, die die Stadt von China abspalten will.“[36] Dass auch der FDP-Vorsitzende Lindner sich in Hongkong mit der Demokratischen Partei trifft und sich um die Menschenrechte von Bankern sorgt, während er in Deutschland eine neue Agenda 2010 mit neuen Hartz-Gesetzen fordert und die entsprechenden Menschenrechte mit Füßen tritt, gehört zum widerlichen internationalen Erscheinungsbild Deutschlands.

 Protestgründe: Wohnungsnot, niedrige Einkommen, Rezession

 

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Hongkong ist mit seinen auf der Insel verdichteten Hochhaustürmen und Wohnungskomplexen der teuerste Immobilienstandort der Erde. Auch die Preise für Eigentumswohnungen und die Mieten gehören weltweit zu den höchsten. Da steckt zudem viel Schwarzgeld aus Hongkong selbst und aus aller Welt – nicht zuletzt aus China. Auch in diesem Milieu verbreitet sich Angst vor rechtsstaatlichen Ermittlungen.

Der extreme Reichtum hat als Kehrseite die extreme Armut bei einheimischen abhängig Beschäftigten und ihren Kindern, bei Rentnern und Alten hervorgebracht: „Penthouse-Paradiese für Milliardäre und Käfigwohnungen für die Massen.“[37] Über die teuren Wohnkäfige mit zwei Kubikmetern Wohnraum für die hunderttausenden Wohnungslosen wird seit langem international berichtet. Aber westliche Proteste gegen die Verletzung des Menschenrechts auf menschenwürdiges, sicheres Wohnen: Null.

Die von den digitalen, gedächtnislosen Medien des Jimmy Lai und über Facebook und Twitter kurz und heftig vernetzten Studenten, Schüler, jungen Angestellten der Banken, Dienstleister und Konzerne sehen ihre Zukunft schwarz. Die Normalarbeitszeit für einfache Arbeiter und Angestellte in der „freiesten Wirtschaft der Welt“ beträgt 55 Stunden pro Woche. Mit einem Monatsgehalt können auch besser bezahlte Angestellte bestenfalls die Miete bezahlen: Das durchschnittliche Monatsgehalt liegt bei 17.500 Hongkong-Dollar, die Durchschnittsmiete für ein Einzimmer-Appartement beträgt 16.500 Hongkong-Dollar. So zitiert die FAZ einen 24jährigen Bankangestellten: „Viele von uns sehen keine Zukunft mehr. Wir werden uns nie eine Wohnung leisten können.“[38]

Die Oligarchen und Superreichen Hongkongs sind mit ihrem, vom Westen geförderten freien Handeln schuld an Niedriglöhnen, exzessiven Mietsteigerungen und sozialem Elend. Sie ebenso wie die westlichen Profiteure der „freiesten Wirtschaft der Welt“ freuen sich klammheimlich, dass die Wut sich gegen die Volksrepublik richtet. Die wiederum ist noch nicht ganz unabhängig von der Sonderwirtschaftszone, will aber 2047 auch keine neoliberale Wüste übernehmen.

Westliche Unternehmen produzieren und nutzen weltweit Niedriglöhnerei, Armut und Unrechtsverhältnisse, in Hongkong seit fast zwei Jahrhunderten in extremer Form. Die westliche Meinungsmache lobt und fördert die Menschenrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit der protestierenden Jugend, aber nicht deren Menschenrechte auf auskömmliches Arbeitseinkommen und sicheres Wohnen. Gerade im Kampf gegen den neuen Hauptfeind ist demagogisch jedes Mittel recht.

Die Volksrepublik China, gestützt auf ihre innere Entwicklung mit steigenden Löhnen und neuen modernen Wohnstädten und in Übereinstimmung mit der international militärisch defensiven Haltung, praktiziert Geduld. Zeit und Entwicklungslogik sprechen für China und gegen den Westen.
In diesem geopolitischen Konflikt stoßen zwei Wertewelten aufeinander – ein aufschlussreicher und bedeutsamer Konflikt für die Zukunft von Freiheit, Demokratie, Völkerrecht und Menschenrechten.

[«1] heritage.org/index/ranking

[«2] Der Pachtvertrag zwischen Kuba und den USA über Guantanamo, Deutscher Bundestag / Wissenschaftliche Dienste, 2006, WD 2-135/06

[«3] Siemens: Lukrativer Auftrag in Guantanamo Bay, manager maganzin 26.7.2019

[«4] Zur Geschichte der Kronkolonie Hongkong siehe Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415 – 2015. München 2016, S. 825ff.

[«5] Amcham.org/UK, abgerufen 20.8.2019

[«6] eurocham.com/hk 20.3.2019

[«7] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 132ff.

[«8] Niall Ferguson: The House of Rothschild. The World’s Banker 1849 – 1999, New York 2000, S. 295

[«9] Die Schweizer HSBC-Tochter wird die Vergangenheit nicht los, Neue Zürcher Zeitung 10.2.2015

[«10] Hongkonger protestieren auch wegen Geld, FAZ 17.8.2019

[«11] Ackermann lächelt, Esser triumphiert, Spiegel online 31.3.2004; Esser, Ackermann und Zwickel wurden freigesprochen.

[«12] Rossmann-Drogerie: Warum wurde das Unternehmen für den Schwarzen Freitag den 13. Januar 2017 nominiert? Aktion.arbeitsunrecht.de

[«13] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 27ff. und 217ff.

[«14] Liste mit Loch, Der Spiegel 24.8.2019, S. 63

[«15] CEO-Fraud durch Social Engineering in Hongkong, roedl.de/themen/hongkong-ceo-fraud-social-engineering, abgerufen 25.8.2019

[«16] Stop Corporate Impunity: Treaty on Transnational Corporations and their Supply Chains with Regards to Human Rights, October 2017 edition

[«17] UNI Global Union/ITUC/CSI/IGB: Unternehmerische Verantwortungslosigkeit. Weltweite Arbeitspraktiken von Deutsche Post DHL, 2012

[«18] DHL und Telekom als Union Buster im Ausland, arbeitsunrecht.de 4.6.2012

[«19] Europas dreckige Ernte, ARD/die story 9.7.2018

[«20] Deutsche Unternehmen lassen die Mitbestimmung zuhause, IG Metall Extranet 18.4.2018

[«21] CETA, TTIP, TiSA, JEFTA & Co – Gefahren für die Demokratie abwenden, lobbycontrol.de/schwerpunkt/ttip/

[«22] Why China No Longer Needs Hong Kong, New York Times 3.7.2019

[«23] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, S. 270

[«24] Why China No Longer Needs Hong Kong, New York Times 3.7.2019

[«25] China eyes HongKong more als rival, not an indispensable ally, Financial Times 7.8.2019

[«26] Ein Land, zwei Jusitzsysteme, FAZ 11.6.2019

[«27] Werner Rügemer: Arbeitsverhältnisse – Unternehmer als ungestrafte Rechtsbrecher, in: Klaus-Jürgen Bruder u.a. (Hg.): Gesellschaftliche Spaltungen. Gießen 2018, S. 207 – 222

[«28] Verbände laufen Sturm gegen Unternehmenssanktionen, Handelsblatt 22.10.2018

[«29] Hong Kong Policy Reevaluation Act of 2019, congress.gov/bill/116th-congress

[«30] Werner Rügemer: Leitmedien als Instrumente der Inszenierung, nachdenkseiten.de 7.6.2019

[«31] Proteste in Hongkong, German Foreign Policy 14.8.2019

[«32] Die Legende von der Fremdsteuerung, FAZ 13.9.2019

[«33] China verbietet US-Kriegsschiffen die Einfahrt nach Hongkong, Spiegel online 14.8.2019

[«34] The British and the „coloful revolution in Hong Kong, voltairenet.org 12.8.2019

[«35] Hong Kong media tycoon Jimmy Lai meets US no.2 Mike Pence and Secretary of State Pompeo to discuss extradition bill, Hong Kong Free Press 10.7.2019

[«36] Proteste in Hongkong, German Foreign Policy 14.8.2019

[«37] Massenproteste in Hongkong, Nachdenkseiten 20.8.2019

[«38] Hongkonger protestieren auch wegen Geld, FAZ 17.8.2019

*: Andere Aktionsfelder der National Endowment for Democracy siehe hier:

https://josopon.wordpress.com/2020/05/21/geld-fur-systemwechsel-us-stiftung-fur-demokratieforderung-schuttete-2019-erneut-millione-n-fur-kubas-gegner-aus/
https://josopon.wordpress.com/2014/09/21/cia-in-der-ukraine-freedom-and-democracy/
https://josopon.wordpress.com/2019/03/08/was-will-die-opposition-in-venezuela%e2%80%a8/
https://josopon.wordpress.com/2019/02/28/faktencheck-venezuela-was-in-deutschen-medien-uber-das-sudamerikanische-land-verbreitet-wird-und-wie-es-tatsachlich-aussieht-ein-staatschef-aus-dem-regime-change-labor/

Das Thema wude auch hier  schon eingestellt: http://cooptv.wordpress.de/2019/10/11/hongkong-china-die-menschenrechte-weltnetz-tv/

 

 

 

Hongkong, China & die Menschenrechte (Weltnetz TV)

Eine sehr respektable Erklärung eines Insiders, der das Licht auf die fehlenden sozialen Menschenrechte in Hongkong wirft.

CO-OP NEWS

Dieses Statement des Anwalts und Chinaexperten Rolf Geffken rechnet ab mit dem durch westliche Medien verbreiteten Vorurteilen in Bezug auf die Volksrepublik China und Hongkong. Menschenrechte werden seit Jahrzehnten in Hongkong verletzt aber es sind vor allem die sozialen Grundrechte, die die Tycoons Hongkong seit der britischen Kolonialherrschaft verletzen. Vom Stopp des Auslieferungsgesetzes hingegen profitieren vor allem die aus der Volksrepublik China geflohenen Wirtschaftskriminellen.
Das „Theater“ um den „Protagonisten“ Joshua Wong wurde nach Erstellung des Videos noch getoppt durch die Kampagne der BILD-Zeitung, die an einem Tag vermeldete, „Chinas Schergen“ hätten ihm die Ausreise zum Fest der BILD in Berlin verweigert, um dann am anderen Tag zu vermelden, er nehme an dem Fest bereits teil.

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Deutschland geht klauen – und bezahlt die Gewerkschaften der Plantagenarbeiter*innen!

Dieses YouTube-Video ist einfach sehenswert:

Am 28.02.2018 veröffentlicht

Warum geht Deutschland klauen?

Deutschland geht klauen. Die Discounter führen einen Preiskampf um die billigsten Lebensmittel und klauen dafür den Menschen, die die Produkte herstellen, ihre Würde.
Sie lassen unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren, sie lassen Menschen dafür leiden, damit wir als Konsumenten billig einkaufen können.

Deutschland geht klauen. Wichtigster Komplize von Rewe, Aldi, Edeka, Norma und Lidl ist die Bundesregierung.
Sie weigert sich, Gesetze zu erlassen, welche die Menschenrechte der Produzenten schützen und die Discounter zur Rechenschaft ziehen.

Deutschland geht klauen. Auch wir sind Komplizen.
Denn jedes Mal, wenn wir die Produkte der Discounter kaufen, machen auch wir Konsumenten uns schuldig.
Wir machen uns unschuldig schuldig, weil wir keine Wahl haben. Zwar können wir uns bei wenigen Produkten für die Fair-Trade-Variante entscheiden.
Doch das zeigt uns vor allem, dass die große Mehrheit unserer Konsumgüter, mit den Worten der UN gesprochen, auf moderner Sklaverei basiert.

Deshalb gehen wir jetzt richtig klauen. Für die Rechte der Menschen, die unsere Lebensmittel produzieren.
Das Geld, das wir dabei sparen, geben wir Gewerkschaften und Organisationen, die sich für die Rechte der Erzeuger einsetzen.

Denn das, was die Regierung hier zur Zeit tut, ist nicht genug. Der nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte setzt auf Selbstverpflichtung der Unternehmen und bleibt dabei unverbindlich.
Der Plan benennt zwar die Verantwortung der Unternehmen, verpflichtet sie aber nicht dazu, die Produktionsbedingungen zu verbessern. Demnach ist alles in Ordnung, wenn sich nur die Hälfte aller Unternehmen nicht an Menschenrechte halten und die andere Hälfte lediglich erklären kann, warum sie sich nicht daran hält. Super.

Deshalb treten wir den Rechtsstaat mit Füßen, bis er in die Pötte kommt. Wir müssen Unternehmen in Deutschland verklagen können, wenn sie uns Produkte anbieten, für die andere Menschen mit ihren Grundrechten bezahlen.
Eine entsprechende Gesetzesvorlage gibt es sogar bereits. Doch fehlt der Wille, sie umzusetzen. Dabei ist dies auch eine Chance, Fluchtursachen im Ursprungsland dieser Ursachen, in Deutschland, zu bekämpfen.

(Aus dem Neuen Deutschland:)
Peng
will mit ihrer neuen Aktion auf globale Ungleichheiten aufmerksam machen und zeigen: Für unsere niedrigen Preise zahlen andere einen hohen Preis.

»Die Supermärkte klauen jeden Tag auf legale Weise«, erklärt Schneider bei Bier und selbst gedrehten Zigaretten in einem Hinterzimmer der Kneipe.
Die heimischen Supermärkte seien direkt und indirekt an Menschenrechtsverletzungen im Ausland beteiligt.
Auf der Homepage des Kollektivs heißt es: »Die vier großen Discounter Lidl, Edeka, Aldi und Rewe bestehlen täglich ihre Produzent*innen, denn sie verhindern Gewerkschaften, zahlen Hungerlöhne und befördern die Verletzungen von Menschenrechten«. Ein Beispiel: Auf den Kakao-Farmen in Ghana, Kamerun und Elfenbeinküste arbeiten zwei Millionen Kinder. Sie schuften für unsere Schokolade.

In der Kreuzberger Bar wird ein Video an die Wand gestrahlt. Die Bilder zeigen einen Supermarkt irgendwo in Deutschland. Die Stimme aus dem Off sagt: »Dank der Plantagenarbeiter in Brasilien, die für sie auf ihre Arbeitsrechte verzichten, kostet das Kilo Orangen heute nur 99 Cent.«

Mit ihrer Aktion will Peng die »heilige Kuh des Eigentums« angreifen. Über rechtliche Konsequenzen haben sich die Künstlerinnen viele Gedanken gemacht.
Jurist
innen wurden zu Rat gezogen. Aber: »Wir stellen uns auf ein breites Spektrum von möglichen rechtlichen Konsequenzen ein.«
Die Berliner*innen hoffen, dass die Aktion als Kunst wahrgenommen wird. Ob das »Schutzschild der Kunstfreiheit« aber wirklich schützt, ist unsicher.
Für Menschen, die im Supermarkt klauen und erwischt werden, auf jeden Fall nicht! Peng schreibt, dass sie keine Kapazitäten hätten diese Menschen »rechtlich oder finanziell zu unterstützen«.

Jochen

Syrien und kein Ende / Ein Beitrag von Prof.Dr.Gabriele Krone-Schmalz

krone schmalz

Katharina Ebel hat Recht! Aber wer hört schon auf Katharina Ebel, obwohl es doch vorrangig um Menschenrechte gehen sollte und darum, das kaum vorstellbare Leid von Menschen zu beenden, die zwischen alle Fronten geraten sind.

Katharina Ebel ist Nothilfe-Koordinatorin der SOS-Kinderdörfer in Syrien und war am 9. Oktober Gast in der ARD Sendung „Anne Will“. Dort konnte sie zwei wesentliche Gedanken ausführen, die so genial wie einfach sind, eben weil sie sich an den Menschenrechten orientieren und an sonst nichts.

Zum einen: es hat keinen Sinn, wenn diejenigen, um die es geht, bei Verhandlungen gar nicht am Tisch sitzen. Zum anderen: es ist den Menschen in Aleppo egal, wer die Bomben schmeißt, Hauptsache, der Beschuss hört auf. Es macht für die Opfer keinen Unterschied, ob sie im Ostteil Aleppos von „russischen“ und „syrischen“ Bomben aus der Luft getroffen werden oder im Westteil von Bodenraketen diverser oppositioneller Kräfte.

Es hilft nicht, danach zu fragen, ob man die jetzige Situation hätte vermeiden können – obwohl die Vorstellung schmerzt, dass genau das der Fall gewesen sein könnte, wenn politisches Handeln von Intelligenz und den immer wieder zitierten Menschenrechten getragen worden wäre, statt von geopolitischen Machtüberlegungen, ganz gleich von welcher Seite – aber es hilft sehr wohl, die jetzige Situation zu analysieren, sie im Zusammenhang und nicht als Momentaufnahme zu sehen, um keine weiteren Fehler zu begehen.

Als erstes: das unendliche Leid der Menschen in Syrien dient nur noch dazu Schuldzuweisungen zu bebildern. Nach halbwegs logischen Motiven für das, was passiert, wird nicht gefragt.

Erinnert sich noch jemand an die Anfänge? Im Gefolge des arabischen Frühlings machten sich auch in Syrien oppositionelle Kräfte bemerkbar, die von Assad brutal bekämpft wurden. Während ein Teil des Westens darüber diskutierte, die sogenannte gemäßigte Opposition zu unterstützen, schuf ein anderer Teil vollendete Tatsachen und lieferte Waffen und know how. Damals weit von sich gewiesen, heute unbestritten: es gab keine exakte Trennungslinie zwischen „gemäßigter“ Opposition und terroristischen Gruppen. Mit anderen Worten: Vom Westen gelieferte Waffen sind in die falschen Hände geraten. Der Konflikt wurde nicht entschärft – dadurch dass der Westen „die“ Opposition (die es als berechenbare einheitliche politische Kraft nie gab) unterstützte -, sondern er wurde befeuert.

Die Interessenlage der USA und Russlands war klar. Die Amerikaner wollten einen Regime-Change. Die Russen wollten Assad halten. Das hatte auf beiden Seiten weniger mit der Person Assad zu tun, als mit der Frage des jeweiligen politischen Einflusses.

Selbst wenn man sich im Sinne der Menschenrechte eine Ablösung Assads gewünscht hätte – wie naiv oder verantwortungslos war es, einen Staatschef zum Teufel jagen zu wollen, ohne auch nur in Ansätzen eine funktionierende Ersatzstruktur liefern zu können! Schon gar nach den Erfahrungen in Libyen. Libyen ist kaputt. Vor ein paar Tagen noch sagte der EU-Ratspräsident Donald Tusk: „Niemand hat eine Idee für Libyen, ehrlich gesagt.“

Es gab bereits in den Anfängen Vorschläge, über die Zukunft Syriens unter internationaler Beteiligung zu beraten, unter Einbeziehung der USA und Russlands. Aber die USA verweigerten den Dialog mit Assad. Wenn man vorgibt, im Sinne von Menschenrechten zu handeln, kann man sich dann die Haltung: „Mit Dir red‘ ich nicht“ leisten?

Der Konflikt eskalierte und es kam der Punkt, an dem die sogenannte internationale Gemeinschaft beschloss, den IS in Syrien zu bombardieren. Der hatte das Machtvakuum nämlich ausgenutzt und seine Basis erweitert. Fortan flogen Kampfjets der US-Koalition Angriffe. Das ging eine Weile, ohne dass nennenswerte Erfolge – in dem Sinne, dass der IS zurückgedrängt werden konnte – erzielt wurden. Dann griff Russland auf Anfrage aus Damaskus in die Kämpfe ein. Diese konzertierte Aktion wirkte. Doch bald wurde darüber gestritten, ob Russland seine Angriffe nicht auch gegen die „gemäßigte“ Opposition flog, um Assad zu stützen, statt nur gegen den IS.

Bemerkenswert in der Berichterstattung und der politischen Diskussion ist an dieser Stelle zweierlei. Zum einen fällt auf, dass erst dann angefangen wurde zivile Opfer zu zählen, als auch Russland mitgebombt hat. Vorher waren das – falls überhaupt erwähnt – bedauerliche Kollateralschäden. Zum anderen wurde an keiner Stelle die Tragik ernsthaft thematisiert, die darin bestand und besteht, dass es keine klaren Trennlinien zwischen der „gemäßigten“ Opposition und terroristischen Gruppierungen gibt.

Am 12. September trat eine Waffenruhe in Kraft, die der amerikanische Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow mühselig ausgehandelt hatten. Das war eine wirkliche Zäsur und Anlass zur Hoffnung, denn sowohl die USA als auch Russland sind über ihre jeweiligen Schatten gesprungen und haben Konzessionen gemacht. Beide.

Diese Waffenruhe wurde allerdings von Anfang an in Washington nicht breit getragen. Außenminister Kerry hat mit seinen eigenen Leuten länger verhandeln müssen als mit seinem russischen Amtskollegen. Das zeigt deutlich, welche Widerstände da aus der amerikanischen Führungsriege kommen. Und – bei der Gelegenheit – diese Widerstände werden unter einer möglichen Präsidentin Clinton eher wachsen. (Über Donald Trump muss ich kein Wort verlieren.)

Zur allseitigen Verwunderung hielt die Waffenruhe mehrere Tage. Am 17. September kam es zu einer – wie es hieß – versehentlichen Bombardierung einer Garnison der syrischen Armee durch Kampfjets der US-Koalition. Das Bombardement forderte – je nach Quelle – zwischen 62 und 92 Tote und ca. 100 zum Teil Schwerverletzte. Danach war der syrische Präsident Assad nicht mehr bereit, seinerseits auf Bombardements zu verzichten. Das erklärte er am 19. September. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Am 20. September wurde ein Hilfskonvoi angegriffen. Unmittelbar danach wurden die Russen dafür verantwortlich gemacht. Bewiesen ist nichts.

Nebenbei bemerkt, aber nicht minder wichtig: Das versehentliche Bombardement der USA wurde in den Hauptnachrichtensendungen nur gemeldet, nicht kommentiert oder in irgendeiner Form bewertet.

Zum 70. Jahrestag der Vereinten Nationen hat der russische Präsident Wladimir Putin am 29. September 2015 in New York eine Rede gehalten. Mit Blick auf den internationalen Terrorismus und die Bedrohung durch den IS hat er eine Koalition vorgeschlagen. Er sagte: „Wie die Anti-Hitler-Koalition, könnte sie in ihren Reihen unterschiedlichste Kräfte vereinen, die bereit sind, denjenigen entschieden entgegenzutreten, die wie die Nazis das Böse und die Menschenverachtung säen.“ Nach Putin sprach der amerikanische Präsident Obama. Es war viel von Menschenrechten und Werten die Rede und davon, dass die Ablösung Assads eine unabdingbare Voraussetzung für alle weiteren gemeinsamen Aktivitäten darstellte. Auch in US-Medien wurde darüber als „vertane Chance“ berichtet.

Es gibt keinen „sauberen“ Krieg. Krieg ist immer schmutzig. Leider sterben auf dem europäischen Kontinent diejenigen aus, die Krieg am eigenen Leib erfahren haben. Es fehlt an mutigen warnenden Stimmen. Kein Wunder, wenn man damit rechnen muss, ins politische Abseits gestellt zu werden.

Es ist Zeit Bilanz zu ziehen: Regime-Changes haben in keinem Land zu Besserem geführt, eher im Gegenteil. Aus stabilen Regionen mit Menschenrechtsverletzungen sind instabile Regionen mit Menschenrechtsverletzungen geworden. Wenn das Scheitern einer Strategie, die von weiten Teilen der Bevölkerung nie mitgetragen wurde, so offensichtlich zu Tage tritt, dann muss die Frage gestattet sein, was diese Strategie noch rechtfertigt. Es muss ein Recht auf ernsthafte Überprüfung bisheriger Politik geben und die Chance umzusteuern.

Gabriele Krone-Schmalz, 23.10.2016

Postmaterialistischer Abgrund: wo bleibt der antikapitalistische Kern der Linken?

Interessanter Beitrag aus der Ostflanke der EU in der Juli-IPG. Dort auch eine sehr kontroverse Reaktion in den Diskussionsbeträgen:

http://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/die-linke-global-wo-funktioniert-es/artikel/detail/der-postmaterialistische-abgrund-1500/

Auszüge:

Der antikapitalistische Kern der Linken darf nicht durch kleinbürgerlichen Liberalismus, Transgenderrechte und Tierschutz ersetzt werden.

Portrait_Blaha

Dubos Blaha

Von Ľuboš Blaha | 04.07.2016

Ich kritisiere an den europäischen sozialdemokratischen Parteien nun schon seit einigen Jahren, dass sie sich von den Arbeitnehmern entfernt haben und ihre Wertvorstellungen an einer liberalen städtischen Mittelschicht ausrichten. Für mich liegt genau hier die Wurzel der gegenwärtigen Krise der Linken.

Meine Kritik an der liberalen Agenda kommt nicht aus einer konservativen Ecke. Ich habe mehrere philosophische Bücher über Sozialliberalismus und Neomarxismus geschrieben und unterstütze die Agenda der postmodernen Linken, einschließlich ihres Eintretens für die Rechte der LGBTI-Gemeinde. Es ist jedoch auffällig, dass bei linksgerichteten Parteien post-materialistische Themen in den Vordergrund gerückt sind, und zwar häufig zulasten von traditionellen sozialen und wirtschaftlichen Inhalten. Das ist ein strategischer Fehler, der die Linken in ganz Europa teuer zu stehen kommt. Sie büßen damit die traditionelle Wählerschaft aus der Arbeiterschicht ein, und die Wechselwähler aus der Mittelschicht sind kein beständiger Ersatz. Denn diese geben ihre Stimme auch gern mal den Grünen oder aber irgendeiner für einen freien Markt eintretenden neoliberalen Partei.

Der europäische Wähler versteht den Unterschied zwischen linker und rechter Politik schon gar nicht mehr.

Ich verstehe mich als Linker, weil ich für die sozialen Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen, für mehr soziale Gleichheit, einen Sozialstaat und für Wirtschaftsdemokratie kämpfe. In meinen Augen kommt der linken Wirtschaftspolitik ein höherer Stellenwert zu als der kulturellen Linksorientierung. In Zeiten neoliberaler Reformen, die in ganz Europa auf soziale Kompromisse abzielen, ist es für linke Parteien zwingend notwendig, wieder radikalere wirtschaftliche Forderungen zu stellen und diesen Vorrang vor allem anderen einzuräumen. Kurz gesagt brauchen wir mehr sozialökonomischen und weniger kulturliberalen Radikalismus.

In der Slowakei hat die Linke im Grunde ohnehin keine andere Wahl. Würde sie versuchen, die kulturelle und ethische liberale Agenda voranzutreiben, müsste sie damit rechnen, gar nicht mehr ins Parlament gewählt zu werden. Mitteleuropa ist eine sehr viel traditionellere und konservativere Region als Nord- oder Westeuropa. Natürlich muss sich das allmählich ändern. Aber das wird nicht passieren, wenn wir unsere traditionelle Wählerschaft verlieren, die vornehmlich aus trotz Erwerbstätigkeit armen Menschen in den Dörfern und Kleinstädten besteht.

Die Arbeiterklasse war von jeher als Stammwählerschaft das Fundament der Sozialdemokratie. Diese Menschen vertreten häufig konservativere und autoritärere politische Ansichten. Sie zu missachten, wäre der Weg in den Abgrund. Der politische Kampf der Linken muss sich logischerweise gegen das Kapital richten, nicht gegen die Arbeiter.

Es ist deutlich zu beobachten, dass die immer zahlreicher werdenden radikalen oder gar extremistischen Rechtsparteien den Linksparteien die Wähler aus der Arbeiterschicht stehlen. Aber wie konnte es passieren, dass wir uns die Themen des Antikapitalismus und einer alternativen Globalisierung stehlen ließen?! Wie kann es sein, dass wir nicht entschieden gegen die Austeritätspolitik protestieren, die seit Jahren nicht nur die arbeitende Bevölkerung Griechenlands, sondern ganz Europas dezimiert?! Wie ist es möglich, dass wir nicht deutlicher und massiver gegen die sogenannten Freihandels- und Investitionsabkommen wie CETA und TTIP vorgehen, die unser europäisches Sozial- und Umweltsystem zersetzen könnten?!

Der europäische Wähler versteht den Unterschied zwischen linker und rechter Politik schon gar nicht mehr. In Bezug auf Wirtschaftspolitik ist es für ihn wie der Unterschied zwischen Pepsi und Coca Cola, wie es Slavoj Žižek sarkastisch ausdrückte. Meiner Überzeugung nach muss die Linke nach sozial gerechteren Alternativen zum globalen Kapitalismus suchen. Ansonsten ist sie nicht länger die Linke. Der antikapitalistische Kern der Linken darf nicht durch einen kleinbürgerlichen Liberalismus ersetzt werden, der mit Debatten über Transgenderrechte und Tierschutz gewürzt ist. Das Hauptgewicht muss nach wie vor auf dem Kampf gegen den Neoliberalismus liegen.

Unsere Genossen im Westen sind häufig verwundert, dass die zentraleuropäische Linke sich in kulturellen Fragen häufig nicht sonderlich liberal zeigt. Der philosophische Unterschied ist offensichtlich: Während die moderne westliche Linke ihr Programm und ihre Ideologie auf eine konsequente Auslegung und Umsetzung der Menschenrechte (einschließlich der sozialen Rechte) gründet, steht für die mitteleuropäische Linke der soziale Schutz im Vordergrund, darunter auch der Schutz, den der Staat seinen Bürgern gewährt, um sie vor dem Wildwuchs der Märkte zu schützen.

Daraus folgt, dass die Linke in Zentraleuropa in ihrem Kern eher gemeinschaftsorientiert als individualistisch geprägt ist. Das hängt nicht nur mit unserer staatsgeprägten Geschichte zusammen (bis 1989 war der Staatssozialismus offizielles Regime), sondern auch mit unserer konservativeren Kultur (Individualismus und Liberalismus waren eher die Themen der marktfreundlichen rechtsgerichteten Parteien).

Die liberale Linke, wie man sie in Westeuropa kennt, ist in der zentraleuropäischen politischen Landschaft bestenfalls eine Randerscheinung. Wir sprechen hier von lediglich ein paar Tausend Intellektuellen, Aktivisten und Journalisten. Sie sind zwar durchaus lautstark zu vernehmen, weil sie häufig in den Medien erscheinen, aber der Großteil der Gesellschaft, insbesondere der traditionelle Linkswähler aus der Arbeiterschicht, traut ihnen nicht über den Weg. Diese Wähler erwarten den sozialen Schutz vom Staat und von den sozialistischen Parteien; sie erwarten eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, ein faires Arbeitsrecht, die Umverteilung von Reichtum, menschenwürdige Löhne usw. Sie wollen so gut wie gar nichts von der kulturellen liberalen Agenda wissen, sondern erwarten eine sozialistische Wirtschaftsagenda.

Auch bei den Einstellungen zum Multikulturalismus wird ein Unterschied in den Wertesystemen zwischen der west- und der mitteleuropäischen Linken deutlich. Die Zustimmung zu Einwanderung und multikultureller Gesellschaft ist ein selbstverständlicher Bestandteil des Eintretens der westlichen Linken für Toleranz, Vielfalt und universelle Menschenrechte. Angesichts der Tatsache, dass in diesen Gesellschaften seit Jahrhunderten verschiedene ethnische und religiöse Gemeinschaften Seite an Seite leben, ist das auch gut nachvollziehbar. Andererseits ist der Verlust an Wählerstimmen für die westlichen sozialdemokratischen Parteien möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass sie den kulturellen Liberalismus zu sehr propagieren, weshalb die konservativeren Wähler der Arbeiterschicht sich eher den rechtsgerichteten Parteien zuwenden.

Zentraleuropa ist in kultureller und religiöser Hinsicht eine weit homogenere Region und zurückhaltender in Sachen Multikulturalismus. Hier geht der Wert der Solidarität nicht auf die universelle Gültigkeit der Menschenrechtserklärung zurück, sondern auf ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft – der slowakischen oder europäischen Gesellschaft. In der slowakischen Linken spiegelt sich diese gemeinschaftsorientierte Bindung wider; sie erinnert eher an das schwedische Konzept der Folkhemmet nach Per Albin Hansson oder Tage Erlanders Vorstellung von der „starken Gesellschaft“. Diese beiden Politiker wollten ein „Volksheim“ für alle Schweden schaffen, was damals vor dem Hintergrund einer homogenen schwedischen Nation erfolgte. Wenn man in der Slowakei von „der Linken“ spricht, meint man eine Vision dieser Art von sozial gerechterer und egalitärer Gesellschaft. Der Multikulturalismus hat einfach nicht denselben automatischen und natürlichen Platz in diesem Narrativ, wie er ihn in der Erzählung der westlichen Linken hat. Allerdings will sich auch niemand einer Debatte verweigern.

Wenn wir nicht darauf beharren, dass es im Zeitalter des globalen Kapitalismus, in dem die neoliberale Wirtschaftsglobalisierung nach und nach den Sozialstaat auflöst, unbedingt notwendig ist, gegen wirtschaftliche Missstände, gegen Armut, Ausbeutung und soziale Ungleichheit zu kämpfen, dann sind alle kulturellen Triumphe wie die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen oder der Rechte von Ureinwohnern irgendwo in Lateinamerika letztlich nichts als Pyrrhussiege.

Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler William Robinson führt in seinem Buch Latin America and Global Capitalism ein gutes Beispiel dafür an. Er erzählt die Geschichte einiger lateinamerikanischer Eingeborenenstämme, die nach jahrelangem Kampf durchsetzen konnten, dass ihre kulturellen Rechte von den Regierungen Mexikos, Perus, Ekuadors und Brasiliens verfassungsrechtlich anerkannt wurden, nur um zu erleben, dass ihnen (von denselben Regierungen) die Eigentumsrechte an den historisch ihnen gehörenden Ländereien aberkannt wurden, die dann an multinationale Riesenkonzerne verpachtet wurden. Die stolzen Stämme sind jetzt anerkannt … und stehen vor der Zwangsvollstreckung.

Das ist eine Mahnung, was in den Zeiten eines sozial unsensiblen globalen Kapitalismus wirklich wichtig ist.

Vielleicht sollten wir die traditionellen Werte der alten Linken wieder stärker aufleben lassen und uns weniger auf die post-materialistische Agenda der neuen Linken konzentrieren.

Zumindest ist das die Lehre, die in der Slowakei gezogen wurde, wo eine sozialdemokratische Partei unter der Führung von Robert Fico weiterhin von 25 Prozent der Bevölkerung unterstützt wird und damit seit zehn Jahren die stärkste Partei im Land ist.

Ľuboš Blaha ist ein neo-marxistischer Philosoph und Politiker aus der Slowakei. Er ist Abgeordneter im Nationalrat für die sozialdemokratische Partei Smer und sitzt dem parlamentarischen Komitee für Europäische Angelegenheiten vor.

Gaby Weber: Die Bundesregierung unterstützt und beschützt Folterer und Mörder bis in alle Ewigkeit

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Entlarvendes Interview auf den NachDenkSeiten:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=34472

Gaby_WeberSPD-Mitglied Gerhard Löwenthal, konservativer ZDF-Magazin-Chef, hatte im Kinderbordell „Colonia Dignidad“ sich „wie im Paradies“ gefühlt.Dem gegenüber erscheinen die Verfehlungen heutiger SPD-Bundestagsmitglieder als Bagatellen. 

Und die Notvernichtungshandlung: Offensichtlich werden bei den Geheimdiensten gezielt Akten geschreddert, sobald Anfragen von Journalisten eingehen, wie in der NSU-Affäre.

Die Geheimdienste schützen die Bürger und „wir, „der Westen“, stehen für Demokratie und Menschenrechte in aller Welt? Mitnichten. Ja, ganz im Gegenteil! Die Aktivitäten der Geheimdienste bedrohen zunehmend die Demokratie und höhlen sie mehr und mehr aus. Westliche Kriege und Neokolonialismus haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten Millionen Tote produziert. Und das deutsche Agieren im Ausland ist oftmals am ehesten als Angriff auf die Menschenrechte zu verstehen.
Ein gutes Beispiel hierfür liefert das Gebaren der Regierung und ihrer Geheimdienste in Bezug auf die Machenschaften derColognia Dignidadin Chile. Denn, wie die Journalistin und Trägerin des Alternativen Medienpreises Gaby Weber im Interview mit Jens Wernicke betont: mit Merkels Segen werden die beteiligten deutschen Folterer und Mörder bis heute geschützt.

Auszüge:

Frau Weber, dieser Tage geisterte durch die Medien, dass der Bundesnachrichtendienst und damit die deutsche Bundesregierung bereits seit mindestens 1966 von den Machenschaften der Sekte Colonia Dignidad informiert war. Das „Neue Deutschland“ etwa titelte mitFolter mit Kenntnis des BNDund das Nachrichtenportal „amerika21“ mitBonner Regierung schützte Colonia Dignidad bis kurz vor Ende der Diktatur in Chile. Was ist von diesen offenbar neuen Erkenntnissen zu halten, was meinen Sie?

Hier geht einiges durcheinander. Man muss bei der Colonia Dignidad zwei Dinge unterscheiden: einmal war da der systematische sexuelle Missbrauch und die Gehirnwäsche der deutschen Insassen durch den Sektenchef Paul Schäfer und seine Führungsclique, darunter der Arzt Hartmut Hopp, der trotz eines chilenischen Haftbefehls heute ohne Probleme in Krefeld lebt. Und zum Zweiten die Folter und Morde in der Colonia an chilenischen Regimegegnern ab 1973, als das Militär geputscht hatte.

Die Sekte an sich stand schon vor ihrem Umzug nach Chile im Verdacht, Kinder zu misshandeln. Das Amtsgericht Siegburg hatte 1961 Haftbefehl gegen Schäfer wegen Unzucht mit Abhängigen erlassen und trotzdem zugesehen, wie er sich nach Chile absetzte, wo er dann bis Ende der Diktatur 1989 von der Deutschen Botschaft unterstützt wurde.
Sie verkaufte das Schwarzbrot und Sauerkraut aus der „Kolonie der Würde“ und unternahm nichts, um die gegen ihren Willen Festgehaltenen zu befreien.

Und bei all dem hatte auch der BND seine Hände Spiel?

Ganz sicher. Da ist zum Beispiel der deutsche Waffenhändler Gerhard Mertins, der den „Freundeskreis der Colonia Dignidad“ gegründet hatte. Mertins hatte für den BND illegal Waffen in Krisengebiete verschoben, wurde aber am Ende nicht verurteilt, weil der BND ja mit von der Partie war. Mertins ging in der Kolonie ein und aus, die nach dem Putsch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Südchile geworden war. Sie war in den Bergbau und in die Herstellung von chemischen Waffen eingestiegen.

Mertins ist inzwischen ja tot…

Ja, aber ich habe ihn 1980 noch auf seinem Gut Buschof besucht. Für ihn war die Colonia Dignidad ein „Paradies“, sagte er mir. Für seine Mitstreiter vermutlich auch: für den ZDF-Journalisten Gerhard Löwenthal, den Münchner CSU-Stadtrat Wolfgang Vogelsgesang und den damaligen deutschen Botschafter, Erich Strätling. Mertins: „Vorerwähnte Herren waren in Dignidad und haben die gleichen positiven Eindrücke gewonnen wie ich“.

Mertins hatte mir einen 20-minütigen Werbefilm vorgeführt: unschuldige Kindergesichter und Bienchen, und er schwärmte von seinem Busenfreund, dem chilenischen Geheimdienstchef Manuel Contreras: „Er hat ein rundes Gesicht mit weichen Zügen und macht den Eindruck, dass es ihm schwerfallen würde, eine Fliege zu töten“. Nach dem Ende der Diktatur wurde Contreras wegen mehrerer Morde verurteilt, um „Fliegen“ ging es dabei nicht.

Verstehe ich recht: Das alles war seit Jahren bekannt und die Medien hielten dennoch bis heute den Mund?

Ja. Bereits in den siebziger Jahren veröffentlichten Amnesty International und der Stern die Vorwürfe gegen das deutsche Foltercamp und die Kolonie klagte vor dem Bonner Landgericht.

Ich selbst habe damals bei der Ortsbesichtigung den Verlag Gruner und Jahr vertreten und war mit dem Arzt und Schäfer-Vertrauten Hopp aneinandergeraten, weil er mich nicht auf das Koloniegelände lassen wollte – obwohl die Prozessbeteiligten das eigentlich durften. Man fürchtete wohl, dass ich fotografieren würde.

Und warum dann hier und heute der um sich greifende „Medienhype“? Spätestens mit dem Ende der Diktatur hätten die Verbrechen ja aufgeklärt werden und die Aufarbeitung beginnen können.

In Deutschland ist durch den Spielfilm „Es gibt kein Zurück“ der Fall wieder hochgekommen, nur leider ist bis auf Lippenbekenntnisse aus dem Auswärtigen Amt und dem Präsidialamt nichts passiert. Von Aufarbeitung kann keine Rede sein.

Allerdings ist in Chile einiges passiert. Nach der Diktatur sind die Besitzverhältnisse untersucht worden, denn man hatte beizeiten das Vermögen auf Scheinfirmen übertragen.
Und gegen Schäfer und seine Clique wurde wegen Missbrauchs ermittelt, und die Führungsriege landete im Gefängnis. Schäfer ist dort verstorben.
Aber auch im Andenstaat ist einiges noch tabu, vor allem, inwieweit Schäfer an der Herstellung von Giftgas mitgewirkt hat. Wenn Sie sich erinnern: unter anderem wurde der frühere, christdemokratische Staatschef Frei durch Giftgas ermordet.

Ist denn die Rolle des Bundesnachrichtendienstes untersucht worden?

Nein. Die Bundesregierung hat hier systematisch vertuscht, und zwar böswillig.
Es steht außer Frage, dass der BND detaillierte Kenntnis von den Zuständen in der Kolonie hatte. Dies sprach mir eines der Colognia-Dignidad-Gründungsmitglieder, Heinz Kuhn, einmal ins Mikrophon.

Kuhn verhalf einigen Sektenmitgliedern zur Flucht ins Ausland und unterhielt Kontakte zur US-Botschaft und zum FBI. Mit Beamten des BND hat er sich „mehrfach getroffen. Da gings um bestimmte Fälle“, so Kuhn. „Globalmente war der BND über sämtliche Missstände in der Kolonie informiert, auch über den Fall Weisfeiler“.

Der US-Bürger Boris Weisfeiler war 1985 in der Nähe der Kolonie aufgegriffen worden und verschwand für immer. Er soll einen Geigerzähler mit sich geführt haben. Auch die CIA habe sich für den Fall interessiert. Kuhn hatte dem BND alle Informationen über den Fall übergeben: „Ich hab mit den Leuten zusammengearbeitet, in dem Sinne, dass ich ihnen immer wieder Material habe zukommen lassen”.

Ein Wolfgang Jensen habe ihn rekrutiert, der war an der Deutschen Botschaft in Buenos Aires und flog regelmäßig nach Santiago. Einmal sei er auch extra nach Argentinien geflogen, um sich mit dem BND-Residenten zu treffen. Was der ihm versprochen hat? „Unser Gespräch ging immer nur mit ganz kleinen Zettelchen und da wurden Notizen gemacht. Was die dann aus den Notizen, die ich ihnen übergeben habe, gemacht haben, das kann ich nicht wissen”.

Sie führen ja diverse Klagen gegen BND und Konsorten. Haben Sie auch in Sachen Colonia Dignidad versucht, Akten aus Pullach zu bekommen?

Sicher, ich bin seit Ende der siebziger Jahre an dem Thema dran und habe wiederholt auch versucht, dort hineinzukommen. Das gelang mir erst nach dem Ende der Diktatur.
Am 1. Februar 2009 hatte ich beim BND einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Der wurde abgelehnt mit der Begründung, dass „sämtliche Unterlagen des BND Verschlusssachen“ seien.

Auf meinen Widerspruch erhielt ich aus Pullach den Brief mit dem Vermerk „nur für den Dienstgebrauch“ mit der Bitte, dass man das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes abwarten möchte.

Wie, der BND schreibt Ihnen einen Brief und erklärt den für „nur für den Dienstgebrauch“?

Ja, aber ich habe schon lange aufgehört, mich über den BND zu wundern. Mit dem vorgeschlagenen Vorgehen war ich einverstanden. Ein Jahr zuvor hatte ich nämlich den BND auf Einsicht in seine Eichmann-Akten verklagt – es würde ein Grundsatzurteil werden. Und das wurde es auch. Die Leipziger Richter gaben mir weitgehend Recht.
Nur 100 Blatt bleiben weiter geheim, weil das Bundeskanzleramt meinte, dass der Mossad sich über eine Freigabe ärgern würde und dieses Risiko könne man in Zeiten des Terrorismus nicht eingehen.

Das heißt: Frau Merkel hält Akten zu einem Nazi-Kriegsverbrecher geheim, um einem ausländischen Geheimdienst gefällig zu sein.

Wie dem auch sei, nach dem Leipziger Urteil wollte ich endlich die Dignidad-Akten erhalten, fragte erneut in Pullach nach und erhielt die Auskunft, dass man „alle verfügbaren Archivunterlagen“ an das Koblenzer Bundesarchiv abgegeben habe.

Na bitte, ist doch ein Fortschritt!

Nein, ganz im Gegenteil, reine Verarschung. Bei meinem Besuch in Koblenz wurde mir nur ein Schnellhefter ausgehändigt mit insgesamt 22 Seiten. Blatt Nummer Eins war ein „VS Inhaltsverzeichnis zugleich Notvernichtungshandlung und Abgabequittung zu Abgabeverzeichnis 30/2004“, gefolgt von einem kurzen Brief des CDU-Politikers Heiner Geissler mit der Bitte um Aufklärung und einer nichtssagenden Antwort des BND-Präsidenten an Geissler.

Die Abgeordnete der Linken, Ulla Jelpke, fragte die Bundesregierung, was mit den Akten, die im Frühjahr 2009 noch nicht offenzulegende „Verschlusssachen“ waren, nunmehr passiert war und was diese „Notvernichtungshandlung“ sei? Befindet sich etwa der BND in solcher Not, weil er Mitarbeiter schützen oder die eigene Verwicklung in das Kinderbordell und die Machenschaften von Paul Schäfer verdecken will?

Bundesminister Ronald Pofalla antwortete auf die Kleine Anfrage. Ob Dokumente vernichtet oder ausgelagert wurden, könne „den recherchierbaren Unterlagen nicht entnommen werden. Aber: „Dem Antrag der Journalistin wurde entsprochen“.

Damit meinte er die 22 Blatt sowie die „Notvernichtungshandlung“ – ein Begriff der „standardmäßig verwendet (werde), um für den Fall einer schnell vorzunehmenden Vernichtung von Verschlusssachen, etwa bei der kurzfristigen Räumung einer Dienststelle im Ausland, einen Nachweis der vernichteten Dokumente zu erhalten“. Auch die Bundeswehr kennt solche „Notvernichtungshandlungen“, wenn zum Beispiel ein Schiff im Sinken begriffen ist und die an Bord befindlichen Geheimdokumente nicht dem Feind in die Hände fallen dürfen“.

Vielleicht ist der BND ja „im Sinken begriffen“ – und angesichts dieser Pofalla-Antwort nicht nur der BND. Aber meinen die das wirklich ernst, dass Ihr Antrag auf Freigabe der Unterlagen zur Colonia Dignidad eine kriegerische Handlung sei?

Für das Bundeskanzleramt offensichtlich. Ich hoffe aber, dass die Bundesverwaltungsrichter das anders sehen. Ich habe erneut Klage gegen den BND eingereicht. Diesmal geht es um alle Berichte seines Residenten an der Botschaft in Buenos Aires. Der war auch zuständig für Chile.

In welchem Stadium befindet sich dieser Prozess?

Der BND führt sich auf, als wäre er, um mal die Worte von Frank Rieger vom CCC zu gebrauchen, „eine Mafia mit Rechtsabteilung“. Er sperrt sich partout gegen eine generelle Offenlegung seiner Dokumente aus der Zeit der argentinischen Militärdiktatur.

Er hat damals eng mit dem argentinischen Geheimdienst SIDE zusammengearbeitet, der systematisch gefoltert und Regimegegner zu tausenden aus Flugzeugen ins Meer werfen ließ. Ein paar Berichte hat man mir gegeben, aber ich will die kompletten Akten – oder eben eine Sperrerklärung des Bundeskanzleramtes, der übergeordneten Behörde.

Wie argumentiert denn der BND?

Das muss man sich tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen. O-Ton: „Der Umstand, dass dieses Regime Unrecht begangen hat, beeinflusst nicht den vom BND gewährten umfassenden Vertraulichkeitsgrundsatz hinsichtlich nachrichtendienstlicher Kooperationen gegenüber dem Staat Argentinien. Jedwede Offenlegung von Informationen könnte dazu führen, dass der Austausch mit anderen Nachrichtendiensten beeinträchtigt oder gefährdet wird“. Mit anderen Worten: Wir schützen auch Folterer und Mörder – und zwar bis in alle Ewigkeit.

Und wie verhalten sich andere Länder hierzu?

Barack Obama hat bei seinem letzten Besuch in Argentinien angekündigt, Akten zur argentinischen Diktatur zu desklassifizieren, auch die der CIA.
Papst Franziskus hat selbiges versprochen. Und die argentinische Regierung – die jetzige wie die vorige – hat ihre Archive zur Diktatur geöffnet und sogar entsprechende diplomatische Abkommen mit den Nachbarstaaten über die Offenlegung dieser Unterlagen zur Operation Cóndor unterzeichnet.

Das heißt: Alle Staaten geben ihre Unterlagen zum damaligen argentinischen Folterregime frei, und eine einzige Dienstanweisung des Kanzleramts nach Pullach würde ausreichen, um internationale Mindeststandards zu erfüllen.
Aber Angela Merkel zieht es vor, sich – in guter deutscher Tradition, wenn man so will – als das Schmuddelkind aufzuführen.

Das Schmuddelkind der Menschenrechte.

Ich bedanke mich für das Gespräch.

Wanderprediger des Tages: Joachim Gauck – Sechs flüchtige Beobachtungen

Gauckihttps://www.jungewelt.de/2016/03-24/035.php

China hat bislang unverschämtes Glück gehabt. Seit vier Jahren ist Joachim Gauck deutscher Präsident, die Volksrepublik hatte er stets gemieden. Nun allerdings ist diese wundervolle Zeit vorbei: Der »erklärte Antikommunist« (Bild) wollte »Defizite in der chinesischen Politik« ansprechen und hielt am Mittwoch vor der Tongji-Universität in Shanghai »eine Rede, die sich deutlich von denen anderer europäischer Staats- und Regierungschefs unterscheidet«.

Das kann man sich vorstellen. Bei diesem Mann, dem wohl selbst der morgendliche Brötchenkauf zu einer Mischung aus staatsbürgerlicher Weihestunde und Grundkurs im evangelischen Erwachsenenkatechismus gerät, ist Diplomatie gleichbedeutend mit bramarbasieren.

Gauck gab, so weiß es Hofpostille Bild, seine liebsten Kalendersprüche zum besten: »Das menschliche Verlangen nach Freiheit bricht sich immer wieder Bahn.« Mit gewohnter Gravität umriss der Denker hinter der Waschbrettstirn nur die ganz großen Themen: »Manche fragen sich, wie der Wohlstand gleichmäßiger verteilt werden kann.« In China natürlich, denn hierzulande wurde das Problem gelöst: Das reichste Prozent der Deutschen besitzt ein Drittel alles Privatvermögens.

 

Die taz, von der Bild nur noch durchs »Binnen-I« zu unterscheiden, flankiert den Auftritt ähnlich rührselig: »Gauck trickst Chinas Stasi aus«. Das allerdings wird ihm wohl genausowenig gelungen sein, wie es ihm vor der »Wende« mit ihrem ostdeutschen Pendant glückte. Die DDR ging, das muss ab und an wiederholt werden, völlig ohne Gaucks Zutun unter.

Die Chinesen werden – wohlerzogen, wie sie sind – den Auftritt dieser deutschen Naturgewalt in Würde erduldet haben. Nach präsidialer Ansprache, so die Bild, hätten ein paar Studenten gesagt, »dass Gaucks Rede ihnen helfe, Deutschland noch besser zu verstehen«. Das ist ebenso höflich wie vernichtend. (sc)

Dazu auch:

Pastoraler Ton und Kohlenschaufel-Hände:

Sechs flüchtige Beobachtungen beim Staatsbesuch in Peking von Christian Y. Schmidt

http://www.neues-deutschland.de/artikel/1006210.faszination-gauck.html

Das Erste, was an Gauck auffällt, ist, wie klein er ist. Man weiß das natürlich, man hat das irgendwo mal gelesen, aber erst, wenn er durch ein Spalier von Leuten geht – eine Gasse, die ihm das Protokoll mit Hilfe von Security-Leuten gebahnt hat -, weiß man, wie klein er wirklich ist. Und man begreift sofort, warum dieser Mann so oft »ich« sagen muss. Kleine Menschen müssen so oft »ich« sagen, damit man sie wahrnimmt. 

Das Zweite, was auffällt, sind Gaucks riesige Hände. Es sind Pranken, richtige Kohlenschaufeln, vor allem im Verhältnis zu seinem Körper. Wozu er diese hat, und was solche Hände mit einem Menschen machen, versteht man erst mal gar nicht. Man starrt sie einfach gebannt an.

Das Dritte ist dann die Art und Weise seiner Rede: Es ist die salbungsvolle, nur etwas verschachtelte Predigt eines Pfarrers. Ich kenne diese Art zu reden sehr gut: Ich bin in einer protestantischen Anstalt aufgewachsen, die mindestens dreißig Pfarrer beschäftigte, die sonntags abwechselnd in den verschiedenen Kirchen miteinander um ihr Publikum wetteiferten. Der Pfarrer, der am salbungsvollsten predigte, mit der sonorsten Stimme, der anschauliche Beispiele aus dem Leben gebrauchte, der Volkstümlichkeiten und manchmal sogar einen kleinen Witz in die Rede einstreute, gewann. Gauck hätte da gut mithalten können.

Die wichtigsten Elemente einer Predigt aber sind die der Aufzählung und Wiederholung. Alles muss drei, vier Mal gesagt werden, damit es sich ins Hirn der Gläubigen einbrennt. Gauck greift zu dem Mittel oft. Laufend wiederholt die altbekannte Metapher vom »Brückenbauer«, immer wieder Vokabeln »dankbar«, »Dankbarkeit« und »danken«. »Ich schließe mit einem dreifachen Dank. Der erste Dank richtet sich an die Vertreter Chinas, die Vertreter der Politik, denen ich herzlich danken will …«

Am Ende seiner Rede wird er es in der ganzen deutschen Botschaft praktisch keinen geben, dem er nicht gedankt hat. Auch so etwas kommt bei einer Gemeinde gut an. Man fühlt sich gebauchpinselt und der Pfarrer gilt als demütig.

Das Vierte ist diese protestantische Pfarrersfröhlichkeit, die auch Gauck verbreitet. Das ist ein ganz spezifisches Erkennungsmerkmal. »Hey, kuckt mal, ich bin gut drauf, obwohl ich evangelisch bin und an Gott glaube.« Gauck versprüht geradezu diese aggressive Dauerfröhlichkeit.

Das Fünfte ist etwas Spezifisches am heutigen Tag. Der Mann, der sonst kaum eine Gelegenheit auslässt, den Schulmeister und Menschenrechtshaber zu geben, hält sich zurück. Er lobt die Leistungen der chinesischen Regierung »bei der Armutsbekämpfung. Das sehen wir natürlich mit Freude…« und die gute Zusammenarbeit mit China in außenpolitischen Fragen (Nordkorea, Naher Osten, UN Flüchtlingshilfswerk). Jeder, der Gauck etwas kennt, weiss natürlich, dass er gerne etwas anders sagen würde, aber – und hier zeigt sich wieder das Geschick des evangelischen Pfarrers – er lässt es einen nicht spüren.

Das Sechste ist das Raffinierte. Beziehungsweise das, was Gauck dafür hält. Statt selbst groß über die Menschenrechte zu reden, erklärt Gauck, die Delegation, die mit ihm reist, zum integralen Teil seiner frohen Botschaft. »Ich möchte abschließend noch einen Blick auf meine Delegation werfen und ihnen darstellen, wer mich bei diesem Staatsbesuch begleitet hat, weil die Zusammenstellung dieser Delegation auch ein Teil der Botschaft ist, die ich mit diesem Staatsbesuch verbinde. Ich werde begleitet von Vertretern der Politik, und zwar von einem Regierungsmitglied und von Bundestagsabgeordneten, zwei Damen, die mich da begleiten, eine von ihnen ist die neue Repräsentantin, ist die neue Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Kofler

So hat er indirekt doch noch gesagt, was er eigentlich sagen wollte, und jetzt kann Gauck seine – fast würde ich sagen: diebische – Freude über sein eigenes Raffinement kaum verhehlen. Ein Pfarrer hält sich ja meistens für klüger als seine Gemeinde. So auch Gauck. Natürlich weiß er gar nicht, dass sich die Chinesen in Menschenrechtsfragen schon wesentlich Deutlicheres anhören mussten als so was.

Jetzt einmal abgesehen vom Politischen: Ich hatte erwartet, Gauck abstoßender zu finden, galt er mir doch bisher als Paradebeispiel für ein misslungenes Leben. Abstoßend fand ich ihn nicht; eher harmlos, und trotz, der Mühe, die er sich gab, anders zu wirken, leicht durchschaubar.

Wenn es allerdings um die Frage gehen würde, ob diesem Mann über den Weg zu trauen sei, hätte ich eine klare Antwort: Ganz gewiss nicht.

Und dann bleibt auch immer noch ein schwer zu beschreibendes Unbehagen: die Hände, diese großen Hände, was macht er bloss mit denen?

Der Terrorismus der westlichen Welt – Teil 3: Hybride Kriegsführung, verdeckte Operationen und geheime Kriege

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Passend zu dem, was in Syrien und in der Ukraine läuft, hier eine ausführliche Analyse von Sascha Pommrenke, mit beachtlichem Literaturteil. Ein Vorläufer der hier beschriebenen Spezialkräfte waren übrigens die „Einsatzgruppen“ von SS, Polizei und Wehrmacht, die hinter der osteuropäischen deutschen Kampffront Massenmorde an Juden, Sinti, Roma und Russen begingen und von ukrainischen Faschisten noch heute als Vorbild angesehen werden. Was hier beschrieben wird, ist entsetzlich, aber es ist wichtig, dass es nicht vergessen wird:

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45422/

Auszüge:

Die NATO ist verunsichert angesichts einer neuartigen Bedrohung aus Russland. Diese neue Art des Krieges wird „hybride Kriegsführung„[1] genannt. „Propaganda, verdeckte Aktionen, schließlich bewaffnete Auseinandersetzungen, in denen so genannte Separatisten oder Soldaten ohne Hoheitsabzeichen angreifen – auf der Krim hat Russland damit erstmals zugeschlagen“, weiß der SWR[2] im Februar 2015 zu berichten.
Die Welt[3] kann davon erzählen, dass die NATO sogar „unzureichend auf solche Konflikte vorbereitet“ ist. Und Matthias Nass von der Zeit kann als mental vollständig embedded aus den „Gegenstrategien“ der NATO berichten[4]: „Fassungslos verfolgt die Nato das Geschehen“.
Fassungslos macht jedoch lediglich die Berichterstattung darüber.

Zwar erkennt Nass immerhin, dass „der Westen die einzelnen Elemente des ‚hybrid warfare‘ in seinem Repertoire“ hat, aber es wäre nicht die Zeit, wenn nicht sofort relativiert würde: „Was heute anders ist, was die hybride Kriegsführung so gefährlich macht, ist die Schnelligkeit, mit der ein Konflikt in der digitalisierten Welt eskalieren kann.“

Das Offensichtliche aber ist von Nass nicht zu vernehmen. Denn das, was den Unterschied „heute“ ausmacht, ist, dass nicht die NATO, eine Koalition von Willigen, oder nur die USA die Eskalationsdynamik bestimmen, sondern dass dieses Mal Russland interveniert.
Neu ist daran allerdings gar nichts, lediglich der Protagonist hat sich geändert. Und während es dem Westen vollkommen egal ist, wenn die eigenen oder zumindest „befreundete“ Truppen irgendwo einfallen, fallen Qualitätsjournalisten aus allen Wolken, wenn Russland das Vorgehen kopiert.
Ebenso wie es absurd ist anzunehmen, die USA bzw. die NATO würden nicht in der Ukraine agieren, ist es abwegig zu glauben, Russland würde dort nicht intervenieren.

Der Sinn verdeckter Operationen beruht schließlich auf der in den 1950er Jahren in den USA entwickelten politischen Doktrin der „Plausible Deniability“ (plausiblen Abstreitbarkeit). „Im Kern zielte diese darauf ab, Führungsstrukturen und Befehlsketten auf einer informellen Basis so zu strukturieren, dass diese für Außenstehende weder nachvollziehbar noch zu rekonstruieren waren und im Fall politischer Verwerfungen glaubhaft bestritten werden konnte, eine gegebene verdeckte Operation sei im Auftrag von bestimmten politisch verantwortlichen Führungspersonen durchgeführt worden.“1

Selbstverständlich wird Russland alle seine Machtchancen nutzen, um seine nationalen Interessen zu sichern. Das machen alle Nationen, die sich einen entsprechenden Militärapparat auf Kosten des Lebensstandards der Bevölkerung leisten. Und so wie die USA alle Länder der Welt als Gegenstand ihres nationalen Interesses ausgemacht hat, ist es unzweifelhaft, dass Russland in seinem Nahbereich agiert.
Das ist Teil der grundlegenden Dynamik konkurrierender Militärmächte. Das ist Teil der Dynamik eines internationalen Staatengefüges, das sich über Nationen oder „Kulturkreise“ identifiziert und damit eben auch gegenseitig ausgrenzt und befeindet.

Die Bevölkerungen glauben zu machen, dass nur der gerade als „Feind“ auserkorene, sich solcher Methoden bedient, ist Propaganda. Aktuell ist es Putin als personifiziertes Böses, dem sich die EU und die NATO nur entgegenstemmen können, indem aufgerüstet wird. Oder wie es die Stiftung Wissenschaft und Politik, der Regierungs-Think Tank für Sicherheitspolitik, nennt: Es muss die Widerstandsfähigkeit Deutschlands erhöht werden.[5]
Und zwar möglichst schnell und möglichst viel. Waren die Bedrohungsszenarien der letzten 15 Jahre irgendwelche Wüstenszenarien, sind es plötzlich wieder Panzerschlachten in der Heide, von denen Welt-Redakteure tatsächlich glauben[6], ein Mehr an Panzern und eine „bessere“ Munition seien eine Abschreckung gegen Russland.

Dabei ist die hybride Kriegsführung weder neu, noch auch nur ansatzweise eine Strategie, die auf Russland zurückgeht. Harry Truman, der US-Präsident, der den Massenmord durch Atombomben zu verantworten hat, genehmigte am 18. Juni 1948 die Direktive NSC-10/2[7], in der er Geheimdiensten und Militärs so ziemlich alles erlaubte:

Propaganda, Wirtschaftskrieg; vorbeugende direkte Aktion, einschließlich Sabotage, Anti-Sabotage, Zerstörungs- und Evakuierungsmaßnahmen; Subversion gegen feindliche Staaten, einschließlich Unterstützung von Widerstandsbewegungen im Untergrund, Guerilla- und Fluchthilfegruppen und Unterstützung einheimischer antikommunistischer Elemente in bedrohten Ländern der freien Welt.

Armin Wertz2

Operation PBSUCCESS

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es vor allem der Antikommunismus, der das Handeln der USA bestimmte. Was auf politisch-ideologischer Seite die Angst vor dem Kommunismus ist, ist auf der verschwägerten Seite der Wirtschaftsideologie, die Furcht vor Verstaatlichung und vor der Minderung der Profitrate. Um dies zu verhindern, waren die Entscheider in den USA bereit, über Leichen zu gehen und das Selbstbestimmungsrecht anderer Nationen zu ignorieren. Und so nannten die USA alles „kommunistisch, jeden Ausdruck von Nationalismus oder wirtschaftlicher Unabhängigkeit, jeden Wunsch nach sozialem Fortschritt, jede intellektuelle Neugier und jedes Interesse für fortschrittliche liberale Reformen“, beklagte sich Guatemalas Außenminister 1954.3

In den frühen 50er Jahren des 20. Jahrhunderts führte Guatemala eine umfangreiche Landreform durch. Betroffen war neben Großgrundbesitzern vor allem die United Fruit Company, die über 40 Prozent der Agrarflächen des Landes besaß. Die erste demokratische Regierung Guatemalas war dementsprechend auch „eine zunehmende Bedrohung für die Stabilität von Honduras und El Salvador“, ließ das US-Außenministerium verlauten.

Die Stabilität à la Washington war bedroht, weil Guatemalas Agrarreform eine machtvolle Propagandawaffe ist; das umfassende Sozialprogramm, das die Arbeiter und Bauern in einem siegreichen Kampf gegen die Oberschichten und großen ausländischen Unternehmen unterstützen soll, übt auf die Bevölkerung der mittelamerikanischen Nachbarstaaten, in denen ähnliche Bedingungen herrschen, starke Anziehungskraft aus.

Noam Chomsky4

Demokratie und Menschenrechte waren noch nie die primären Beweggründe für militärisches Eingreifen, sondern manchmal lediglich ein Kollateralnutzen.
Sie sind der Anschein, den Interventionisten benötigen, um die eigene Bevölkerung über die wahren Beweggründe zu täuschen. Woodrow Wilson forderte bereits 1907 die Macht des Staates einzusetzen, um „die Welt zu einem Markt“ für Händler und Hersteller zu machen.
„Tore zu Ländern, die verschlossen sind“, so Noam Chomsky5, „müssen eingeschlagen werden …, selbst wenn die Souveränität unwilliger Nationen dabei mit Füßen getreten wird.

1952 autorisierte Truman den ersten Plan der CIA PBFORTUNE, um den rechtmäßig gewählten Präsidenten Guatemalas Jacobo Arbenz Guzmán zu stürzen. Der Geheimdienst erstellte umgehend eine Liste mit 58 vermeintlichen Kommunisten, die es zu exekutieren, zu vertreiben oder zu inhaftieren galt.
In den USA gibt es offensichtlich eine lange Tradition in der Erstellung von Todeslisten. PBFORTUNE wurde jedoch in letzter Sekunde durch ein Missgeschick in der Geheimhaltung gestoppt. Ein Jahr später unter Präsident Dwight D. Eisenhower wurde der nächste Versuch mit PBSUCCESS unternommen. Eleganterweise war nun der CIA-Direktor Allen Welsh Dulles als Rechtsanwalt und Lobbyist für die United Fruit Company tätig. Eine fruchtbare Verquickung.
Der neuen Operation standen 2,7 Millionen Dollar für einen „kleinen paramilitärischen Krieg“ zur Verfügung. Dazu sollten unter anderem „psychologische Kriegsführung“, „Subversion“ und „politische Aktionen“ gehören. Darüber hinaus wurde die Option erwogen, Arbenz einfach zu ermorden.

Im National Security Archive der George Washington Universität kann man zahlreiche Dokumente[8] zu den Attentatsvorhaben sowie der hybriden Kriegsführung der CIA in Guatemala finden. Darunter sind auch die bemerkenswerten Dokumente „A Study of Assassination“, quasi eine kurze Einführung für CIA-Attentäter, sowie die Todesliste mit mittlerweile 78 (gelöschten) Namen derjenigen „Kommunisten“, die während einer Militäroperation „entsorgt“ werden sollten. Des Weiteren existiert noch ein Geheimdokument, das die Eliminierung von 15-20 Personen der politischen wie wirtschaftlichen Führungskräfte Guatemalas vorsah.

Im Mittelpunkt der hybriden Kriegsführung der CIA stand jedoch die psychologische Kriegsführung. Ziel war es, einen Putsch des guatemaltekischen Militärs herbeizuführen. Für diesen Zweck organisierte die CIA eineBefreiungsarmee“ von lediglich ein paar hundert Mann von Exilanten, „nicaraguanischen Nationalgardisten und amerikanischen Söldnern“.6
Die anstehende Invasion der kleinen Armee wurde von einer massiven Propagandaoperation begleitet, so dass die wesentlich größere guatemaltekische Armee glaubte, keine Chance gegen die von den USA unterstützten Invasoren zu haben. Zumal beständig von einem Volksaufstand berichtet wurde, der sich den Invasoren anschließen würde. Nebeneffekt der psychologischen Kriegsführung war, dass Medien weltweit genau diese Propaganda als Tatsachen verbreitet hatten. Guatemala wurde als kommunistischer Aggressor dargestellt, vor dem sich die freie Welt verteidigen müsse.

Mitte Juni 1954 griff die Söldnertruppe der CIA Guatemala an. Zusätzlich zu der paramilitärischen Invasion ließ die CIA Häfen, Öltanks und andere Infrastrukturen, aber auch eine Schule und kleinere Ortschaften bombardieren.7
Obwohl das guatemaltekische Militär keine Schwierigkeiten hatte, die Invasion zu stoppen, und es zu keinen größeren Auseinandersetzungen kam, zeigte die massive Propaganda Wirkung und die Armeeführung fürchtete ein direktes Eingreifen des US-amerikanischen Militärs. Fünf Wochen später zwang die Armee Arbenz zum Rücktritt.

Der anschließend eingesetzte Diktator Carlos Castillo Armas machte zahlreiche Sozialreformen rückgängig, verhaftete 72.000 Menschen unter dem Vorwand des Kommunismus und stürzte das Land letztlich in einen fast 40 Jahre andauernden Bürgerkrieg, der etwa 200.000 Menschen das Leben kostete und über eine Millionen Menschen zu Flüchtlingen machte. In den Folgejahren unterstützten die verschiedenen US-Regierungen die jeweiligen Diktatoren mit „Waffenlieferungen, Napalm, Ausbildungsprogrammen, Bombardements von Maya-Dörfern“ und militärischen Spezialeinheiten zur Aufstandsbekämpfung.
Über das von den USA unterstütze Anti-Guerillaprogramm urteilte das State Departement später: „Um ein paar Guerilleros zu eliminieren, hat die Regierung ungefähr 10.000 guatemaltekische Bauern getötet.“8

Die Operation PBSUCCESS kann als erste militärische Operation nach 1945 gegen einen souveränen Staat gelten, die von einem Geheimdienst organisiert und durchgeführt wurde. Durch die Rekrutierung von Söldnern und die Abwesenheit regulärer militärischer Einheiten verwischte bereits 1954 die Grenze zwischen militärischen und geheimdienstlichen Operationen. Zusammen mit psychologischer Kriegsführung, Wirtschaftssanktionen und diplomatischem Druck ergibt sich ein Bild, das Journalisten als aktuelles Phänomen in Russland ausgemacht haben wollen. Denn erst wenn die nationalen Interessen westlicher Staaten gefährdet sind, interessieren uns plötzlich Demokratie und Menschenrechte. Ist kein Profit zu erwarten, interessieren uns auch keine Unpersonen. Was sind schon ein paar hunderttausend tote Guatemalteken?

Indochina – Der Krieg, den man nicht sieht

Die USA haben aus der Operation PBSUCCESS ihre Lektionen gelernt. Obwohl der paramilitärische Teil eher ein Desaster, denn ein Erfolg war, war das Zusammenspiel der verschiedenen Elemente des hybrid warfare ein voller Erfolg und sollte bis heute die Blaupause für verdeckte Operationen und geheime Kriege in souveränen Staaten sein.

Verdeckte Operationen gehörten jedoch prinzipiell schon immer zum Repertoire militärischer Aktionen. Die USA waren bereits seit 1953[9] mit geheimen Operationen in den Indochinakrieg in Vietnam verwickelt. Und sie ließen von Beginn an die Grenzen zwischen zivil und militärisch verschwimmen.
Ein zentrales Element der „modernen“ hybriden Kriegsführung. Mit der CIA-Tarnfirma Civil Air Transport „CAT“ (später Air America), einer ansonsten normalen zivilen Fluggesellschaft, flogen die USA Material und Waffen in klandestinen Operationen in französische Stellungen vor allem zu den eingeschlossenen Fremdenlegionären in Dien Bien Phu.

Die CIA unterstütze Frankreich bei der „Aufstandsbekämpfung“ im ersten Indochinakrieg mit der Tarnfirma „CAT“. Zwei CAT-Piloten starben im Mai 1954 in Dien Bien Phu. Es waren die ersten US-amerikanischen Kriegsopfer des „Vietnam-Krieges“ der USA. Bild: Warner Pathé News. Public Domain

Es gehört zu den Legenden um den Vietnamkrieg, dass die USA in einen Stellvertreterkrieg hineingezogen wurden. Ganz im Gegenteil haben die USA den Krieg über ein Jahrzehnt überhaupt erst zu einem solchen eskalieren lassen. Bereits 1955 entsandten die USA erste „Militärberater“. Diese Berater waren damals und sind auch heute nichts anderes als Geheimdienstagenten, die den aktuellen Freund mit Geheimdienstinformationen versorgen, Spezialeinheiten, die die befreundeten Kampftruppen trainieren und bei Einsätzen begleiten, sowie Killerkommandos, die die High Value Targets lieber gleich selbst exekutieren.
Im Laufe der Jahre verschärften die USA die Situation, indem sie bis 1962 12.000 „Militärberater“ nach Vietnam schickten. Zwei Jahre später, zum Zeitpunkt der Tonkin Resolution, befanden sich bereits 22.000 Special Forces, Marines-, Navy- und Air-Force-Einheiten sowie CIA-Agenten im Land.
Besonders hervorgetan hat sich dabei der beliebte „Friedenspräsident“ John F. Kennedy. Unter seiner Anweisung gründeten[10] die USA Guerilla- und Partisanenkriegsführungseinheiten. Ziel war die Vernichtung der „kommunistischen Bedrohung“ in einem unkonventionellen, geheimen Krieg.9

Die USA waren überzeugt, dass der Vietnamkrieg aufgrund ihrer technischen Überlegenheit und der damit einhergehenden „überwältigenden Feuerkraft“ ein kurzer Krieg sein würde. Und während es einen von Medien begleiteten öffentlichen Krieg in Vietnam gab, gab es auch verdeckte Operationen. Denn als bis 1967 die Erfolge ausbleiben sollten, schritten die USA weiter voran auf dem Weg in den totalen Krieg. Im April gründeten sie die Task Force Oregon, ein Kampfverband mit „maximaler operativer Unabhängigkeit„.10
Die Hauptaufgabe der Task Force bestand, laut dem Historiker Bernd Greiner, zunächst darin Angst und Schrecken zu verbreiten: „Wenn es schon nicht gelang, die Bauern von der amerikanischen Sache zu überzeugen, so sollten sie doch zu der Überzeugung kommen, dass sich die Solidarität mit dem Vietcong noch weniger auszahlte.“11
Und Greiner wird noch deutlicher: „William Westmoreland [Oberbefehlshaber der US-Truppen in Vietnam] hätte auch sagen können: Wir bomben die Bauern aus der Solidarität mit dem Vietcong heraus, suchen den ‚breaking point‘ der Bevölkerung und brechen ihren Eigensinn durch Terror.“12
Und genau das tat die Task Force dann auch. Nach der Vorgabe shock and awe ging es vor allem darum, die Bevölkerung aus den strategisch wichtigen Gebieten zu vertreiben. Neben dem willkürlichen Töten von Zivilisten waren Vergewaltigungen Hauptmethode des Terrors.

Die Zeremonie der Abschreckung wurde in Vietnam auf unterschiedliche Weise ins Werk gesetzt. Als wollten sie ihre Opfer für alle sichtbar zu Gefallenen deklarieren und Unbeteiligte an die Stelle des unsichtbaren Vietcong treten lassen, ritzten Soldaten mit dem Bajonett ein großes „C“ in die Haut ermordeter Frauen – ein Kürzel für den im soldatischen Slang „Charlie“ genannten männlichen Feind. Sie hinterließen die Abzeichen ihrer Kompanie auf den entstellten Leibern, verstümmelten die Geschlechtsorgane ihrer Opfer auf jede erdenkliche Weise – mit Tritten, Leuchtspurmunition und Gewehrkolben. „Frauen, die man für Unterstützer der Vietcong hielt, wurde die Vagina zugenäht oder die Brüste mit erhitzten Bajonetten gebrandmarkt.“ Und schließlich gehörte eine Vergewaltigung in aller Öffentlichkeit, oft in Anwesenheit von Verwandten – so ein Dschungelkämpfer -, zum Ritual, „weil sie einen bleibenden Eindruck bei dem Kerl hinterlässt, […] der beobachten muss, wie seine Tochter rangenommen wird. […] Was wir mit Frauen gemacht haben, war im Vergleich zu Männern noch einmal verdoppelt.“

Bernd Greiner13

Im Schatten der Task Force Oregon wurde die Tiger Force gegründet. Die „Elite der Elite“. 120 Freiwillige der Fallschirmjäger der 101. Airborne Division. Die Spezialeinheit war nirgends eingetragen und die Soldaten galten als Ghost Warriors[11].
Die Mitglieder trugen keine regulären Kampfanzüge, keine Hoheitsabzeichen und keinen Helm. Ihr Auftrag war „to outguerilla the guerillas“.14
Anfang der 60er Jahre vermeldete[12] die New York Times über die Special Forces noch: „Jeder Guerillasoldat“ besitze „mehr Bildung und Intelligenz, auch mehr charakterliche Reife als der normale Soldat.“ Die Tiger Force, die an die Task Force Oregon „ausgeliehen“ wurde, sollte hingegen ein Mahnmal gegen Geheimkommandos werden.

Special Forces der USA. Statt der grünen Standarduniform, wurde ein „Tigergestreifter“ Kampfanzug mit Dschungelhut getragen. Bild: U.S. Army

Sieben Monate lang zog die „Tiger Force« eine Blutspur durch Qang Tin und das Song Ve-Tal. Sie erschossen ohne jeden Anlass Bauern im Feld und mordeten Menschen, die ihnen zufällig über den Weg liefen, folterten Gefangene und führten sie einzeln oder in Gruppen zur Exekution, fielen spätabends oder am frühen Morgen in Dörfer ein und streckten mit Maschinengewehren alle nieder, deren sie habhaft werden konnten – Bauern, die sich zum Essen versammelt hatten oder schliefen, Kinder, die im Freien spielten, Alte beim Spaziergang. […]

Sie stahlen und brandschatzten, prügelten ihre Opfer zu Tode oder vergewaltigten sie bis zur Bewusstlosigkeit, sie erschossen Bewohner, die kurz zuvor abgeworfene Flugblätter in Händen hielten und der Aufforderung zur Evakuierung nachkommen wollten, sie veranstalteten „Zielschießen“ auf Personen, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten. Sie verschonten weder Verwundete noch Kranke, schossen aus der Distanz mit der M-16 wie aus nächster Nähe mit Handfeuerwaffen.

Bernd Greiner15

Die Tiger Force war eine geheime Todesschwadron[13]. Unterschiedslos wurde im Namen der „freien Welt“ dem Kommunismus Einhalt geboten.
Dazu wurde auch ein Baby enthauptet, Leichen wurden verstümmelt und einige der Soldaten schmückten sich mit Skalps oder Ketten aus Ohren.
Unwillkürlich fragt man sich, was für Menschen zu solchen Taten fähig sind? Und die Antwort ist erschreckend. Denn die Soldaten der Tiger Force waren wie die anderen Soldaten in Vietnam sehr jung. Insgesamt lag das Durchschnittsalter der US-Soldaten in Vietnam bei 20 Jahren.16
Es lohnt sich die Fotos auf den Webseiten[14] der Veteranen[15] der Tiger Force[16]anzuschauen. Der Spruch von Hannah Arendt, der auf Adolf Eichmann nicht wirklich zutraf, bekommt hier seine wahre Bedeutung: Die Banalität des Bösen. Teenager und Heranwachsende, „gute Jungs“, werden zu Menschenschlachtern.

Doch nicht alle Soldaten der Tiger Force waren mit dem Niedermetzeln Unschuldiger einverstanden. Einige Wenige meldeten die Kriegsverbrechen ihren Vorgesetzten, woraufhin ein Offizier antwortete: „Wir sind mitten in einem Krieg. Und Sie verlangen von mir, dass ich unsere beste Einheit deaktiviere, nur weil ein paar Jungs Gooks umbringen?“ 17
Bernd Greiner schließt mit der Feststellung:

Truppen wie die „Tiger Force“ wurden gebraucht, ihre Gräueltaten waren die Späne, die beim Hobeln anfielen. Ohne Einheiten, die zum Terror willens und fähig waren, wäre der Vorsatz, die Bauern von Quang Ngai bis Quang Tri in Angst und Schrecken zu versetzen, eine unglaubwürdige Drohung geblieben. Dass „Special Forces“ zur exzessiven Gewalt neigten und mitunter den Krieg selbst in die Hand nahmen, hatten einige Offiziere bei MACV [Military Assistance Command, Vietnam]18 bereits Mitte der 1960er Jahre zu bedenken gegeben. Doch die Kritiker wurden damals, nicht zuletzt von William Westmoreland, mit dem Hinweis auf die Besonderheiten eines Guerillakrieges in die Schranken gewiesen.

Bernd Greiner19

Und obwohl es aufgrund der Anzeigen beteiligter Soldaten zu einem fast fünfjährigen Ermittlungsverfahren kam, wurde kein einziger Soldat angeklagt, geschweige denn verurteilt. Es mangelte nicht im Geringsten an Beweisen, es mangelte an politischem Interesse. Und wer wollte schon die „beste Einheit“ anklagen?

Laos, der geheime Krieg

Im selben Zeitraum wurde ein noch geheimerer Krieg in Laos geführt. Nachdem die Franzosen im Indochinakrieg in Vietnam unterlagen, gaben sie bei der Genfer Konferenz 1954 offiziell alle Ansprüche in Indochina auf und anerkannten die Unabhängigkeit Laos. In Laos rangen anschließend die kommunistischen Pathet Lao mit den königlichen Truppen um die Vorherrschaft. Jede Einigung wurde jedoch von den USA sabotiert.

Nach zweimaligen Übereinkommen zwischen Regierung und Pathet Lao unterstützten die USA rechtsradikale Militärs, die im Süden Laos eine Gegenregierung etablierten. Was folgte, war die größte Militäroperation in der Geschichte der CIA.
Da Laos offiziell neutral war, konnten die USA dort keine direkten Militäraktionen durchführen. Die Angst vor der Ausweitung des Einflusses der Pathet Lao und die Verlegung des Ho-Tschi-Minh-Pfades, der zentralen Versorgungsroute der Nordvietnamesen von Nord- nach Südvietnam durch Teile Laos, gab der CIA den nötigen Vorwand, eine Geheimarmee anzuheuern.

Einheiten von CIA und Special Forces Operational Detachment -Alpha (ODA oder auch A-Team) bilden die Hmong zu Guerilla-Einheiten aus. Bild: U.S. Air Force

Die CIA konnte dabei auf eine bereits bestehende Guerilla-Truppe zurückgreifen, die die Franzosen im Kampf gegen Befreiungsbewegungen aufgebaut hatten. Diese irregulären Kämpfer umfassten einige tausend Stammesmitglieder des Bergvolkes der Hmong (auch Meo genannt). Von 1960 bis Mitte der 60er Jahre bestand die Hauptaufgabe der CIA darin, aus den Hmong eine Armee zu machen, die verhindern sollte, dass die Kommunisten Laos übernehmen könnten.20

Gleichzeitig wurden zwei große Militärbasen errichtet. Die Hauptbasis Long Tieng wurde zur zweitgrößten „Stadt“ des Landes mit bis zu 40.000 Einwohnern und 400 Starts der CIA eigenen Fluglinie Air America, sowie später auch Kampfbombern. Damit war Long Tieng zeitweise der meistbeflogenste Flugplatz der Welt. Und das, obwohl der Ort auf keiner Karte verzeichnet war und die Weltöffentlichkeit nichts von den Kriegsvorbereitungen in einem neutralen, souveränen Land erfuhr.

Long Tien: Der „meistbeflogene Flugplatz der Welt“ konnte jahrelang vor der Weltöffentlichkeit geheim gehalten werden. Bild: Garry Jenkin. Lizenz: CC-BY-2.0[1]

Offiziell waren die Amerikaner unter dem Label der Entwicklungshilfe USAID in Laos. Für das Hilfsprogramm wurden Hunderte von Landebahnen in Laos gebaut. „Bis 1965 hatten die USA unter dem Vorwand der humanitären Hilfe eine perfekte Infrastruktur für den Krieg geschaffen“, wie es in der unbedingt sehenswerten Dokumentation „Amerikas geheimer Krieg in Laos“[17] von Marc Eberle heißt.
Die zweite Basis befand sich in Sam Thong. Hier betrieb USAID ein Flüchtlingslager.21 Wenn hybride Kriegsführung die Verwischung der Grenzen zwischen militärischen und zivilen Mitteln ist, dann haben die USA mit dem Verzahnen von Hilfsorganisationen mit Geheimdienst- und Militäroperationen die Messlatte für die Perversion der Kriegsführung recht hoch gelegt. Man sollte Meldungen über entführte Entwicklungshelfer auch immer in diesem Zusammenhang bedenken.

Die Geheimarmee der Hmong wuchs währenddessen an und bildete eigene Terrorspezialisten aus. Die Special Guerilla Unit (ASGU) verübte im Verbund mit den amerikanischen „Militärberatern“ „Anschläge und Hinterhalte“. Die Air America flog die SGU in Gebiete der Pathet Lao, was zu genau dem gewollten Ziel führte, dass diese ihr Einflussgebiet nicht ausweiten konnten.

Mit der Eskalation des Vietnamkrieges veränderte sich allerdings auch die Kriegsführung in Laos. Der Bombenterror, mit dem man schon den Zweiten Weltkrieg und den Koreakrieg gewonnen hatte, sollte nicht nur im Vietnamkrieg zum Sieg verhelfen, sondern auch den geheimen Krieg in Laos entscheiden. Die Ebene der Tonkrüge[18] eine bis zu 2000 Jahre alte Kulturstätte wurde dabei zum Schandmahl amerikanischer Kriegspolitik. Zwischen 1965 und 1973 warfen die US-Amerikaner über zwei Millionen Tonnen Bomben auf Laos. Das sind mehr Bomben als auf Deutschland und Japan während des Zweiten Weltkrieges zusammen abgeworfen wurde. Die Ebene der Tonkrüge gilt als der meistbombardierte Ort der Welt. Was man sich dabei immer wieder ins Bewusstsein rufen muss: Dies war ein geheimer Krieg. Der massivste Bombenterror in der Menschheitsgeschichte konnte fernab medialer Aufmerksamkeit geschehen.

B-52 Bomber, Symbol für unterschiedsloses Flächenbombardement und damit Bombenterror. Bild: U.S. Air Force

Es ging bei der Bombardierung Laos nie um die Nachschubwege des Ho-Tschi-Minh-Pfades. Dazu muss man nur einen Blick auf die Karten werfen, die die Bombardierungen der USA[19] markieren und sie mit Karten vergleichen, auf denen der etwaige Verlauf des Pfades ausgewiesen[20] wird.
Die Ausweitung des Krieges auf Laos und auch auf Kambodscha war nichts anderes als Terror, um die Bevölkerungen zu demoralisieren und die prokommunistischen nationalen Befreiungsbewegungen zu bekämpfen. Dazu warfen die USA 270 Millionen Streubomben über Laos ab. 80 Millionen sind nicht detoniert. Bis heute sind davon lediglich 1 Prozent geräumt worden. Mehr als die Hälfte aller Streubombenopfer[21] weltweit kommen aus Laos. Jedes Jahr gibt es etwa 100 neue Opfer dieser Anti-Personen-Minen. 40 Prozent der Opfer sind Kinder.

Aus Streubomben lösen sich hunderte kleinere Bomben, die auf einem großflächigen Gebiet gegen „weiche Ziele“ eingesetzt werden. Bild: U.S. Army

Der Historiker Alfred McCoy bilanziert in der oben erwähnten Dokumentation: „Wir zerstörten eine ganze Zivilisation. Wir zerstörten eine regionale mittelalterliche Kultur, die Lao-Phong-Kultur auf der Ebene der Tonkrüge. Wir wischten sie vom Antlitz des Planeten. Wir machten Zehntausende zu Flüchtlingen. Wir verschuldeten, ich weiß nicht wie viele Tote. Es gibt keine Zahlen. Wir verbrannten, wir atomisierten menschliche Überreste in diesem Luftkrieg.“

Während in Vietnam das Leichenzählen (Bodycount) zum Siegesmaßstab erhoben wurde, interessierten sich die USA nicht im Geringsten für die Toten in Laos. In den Augen der Verantwortlichen handelte es sich sowieso immer nur um feindliche Militärs. Tatsächlich wurden zehntausende Zivilisten getötet und hunderttausende vertrieben. Der Journalist Fred Branfman, der die Bombardierung der Zivilisten in Laos aufdeckte, kommt ebenfalls in der Dokumentation zu Wort:

Die US-Regierung war bereit, Hunderte von Millionen US Dollar auszugeben, um unschuldige Menschen zu bombardieren und hat fast nichts wieder gut gemacht. Schadensersatz für die Überlebenden, Reparationen wie nach dem Zweiten Weltkrieg, Mittel um die Blindgänger zu räumen, die sie zurückließen. All die tausenden von Bomben, die heute noch Leute töten und verletzen. Die USA scheren sich nicht darum, aber die Leute, die das erleiden mussten, zahlen dafür ihr Leben lang. … Die Ebene der Tonkrüge ist ein Symbol dafür, wie Menschen in der Dritten Welt, die wir nie sehen, nicht kennen und von denen wir nie hören, ausgelöscht und vom Antlitz der Erde weggefegt werden können, ohne dass wir hier je davon erfahren.

Fred Branfman

Was interessieren uns Unpersonen?

Der geheime Krieg in Laos war die Fortführung und Exzessivierung verdeckter Operationen, die mit PBSUCCESS begonnen hatten. Die Menschen im Westen wissen nichts über die Kriege, die in ihrem Namen geführt werden.
Ein Großteil dieser Kriege besteht aus verdeckten Operationen oder gleich ganzen geheimen Kriegen. Politiker und Militärs geben sich dabei die größte Mühe, die Öffentlichkeit zu belügen, zu hintergehen und zu desinformieren. Und der weitaus größte Teil der Medien macht dabei immer mit. Ob aus vorauseilendem Gehorsam und Untertanentum, ob aus Ungebildetheit und Naivität, ob aus ideologischer Überzeugung oder persönlichem Vorteil mag dahingestellt bleiben.
Fakt ist, die Propaganda funktioniert. Was man nicht sieht, existiert auch nicht. Nur muss man sich fragen, was hat das dann noch mit Demokratie zu tun, wenn sich die vier Gewalten des Staates alle Mühe geben, ihr tatsächliches Vorgehen vor dem Souverän zu verbergen?

Keine fünf Jahre nach Beendigung des Vietnamkrieges resümiert Nixon:

Seit unserem Scheitern in Vietnam sind die Amerikaner bei der Anwendung von Gewalt übertrieben ängstlich gewesen, eine Hemmung, welche die Sowjets und ihre Stellvertreter nicht geteilt haben. […] Wenn die Vereinigten Staaten die falschen Lehren von Vietnam nicht abschütteln und das Vietnam-Syndrom nicht hinter sich lassen, werden wir die Sicherheit unserer Verbündeten und schließlich unsere eigene Sicherheit verspielen. Das ist die wahre Lehre von Vietnam – nicht daß wir auf die Macht verzichten sollten, sondern daß, wenn wir nicht lernen, sie erfolgreich zur Verteidigung unserer Interessen einzusetzen, das Blatt der Geschichte sich gegen uns wenden wird und gegen alles, woran wir glauben.

Richard Nixon22

Und mit Vietnam-Syndrom ist die krankhafte Ablehnung militärischer Gewalt gemeint.

JSOC und Operation Cyclone

Bereits 1999 verkündet George W. Bush in einer Wahlkampfrede die neue Kriegsdoktrin.

Im kommenden Jahrhundert müssen unsere Streitkräfte wendig, todbringend und jederzeit einsatzbereit sein und mit einem Minimum an logistischer Unterstützung auszukommen verstehen. Wir müssen in der Lage sein, unsere Macht über weite Entfernung hinweg auszuüben, und eher innerhalb von Tagen und Wochen als von Monaten. An Land müssen unsere schweren Truppen leichter werden. Unsere leichten Truppen müssen schlagkräftiger werden. Alles muss einfacher zum Einsatz zu bringen sein.

George W. Bush23

Zwei Jahre vor dem 11. September 2001, der angeblich die Welt verändert hat, ist die alte Doktrin, die neue Doktrin: Spezialeinsatzkräfte des US-Militärs müssen jederzeit, weltweit „todbringend“ zuschlagen können. Was nicht gerade nach einem Projekt zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten klingt, ist tatsächlich auch nur das Vorhaben, „die amerikanische Dominanz über die natürlichen Ressourcen weltweit noch stärker auszubauen und dabei auch in direkte Konfrontation mit jenen Staaten zu gehen, die sich dem in den Weg stellen würden“, so Jeremy Scahill über die Ziele der Neokonservativen.24

Für den neuen weltweiten Dominanzkrieg, der unter dem gesellschaftlich wesentlich akzeptableren Label „War on Terror“ daher kommt, sind spezielle Kampftruppen vonnöten. Das Problem ist allerdings die Möglichkeit diese Kommandos auch einsetzen zu dürfen. enn ein Präsident eine verdeckte Operation am Kongress vorbei durchführen will, benötigt er besonders geheime Einheiten. Und seit den 1980er Jahren stehen ihm diese auch zur Verfügung.

Das Joint Special Operations Command (JSOC) wurde 1980 gegründet, nachdem die Operation Eagle Claw desaströs gescheitert war. Bei dieser Operation sollten Delta Force Truppen 1979 die amerikanischen Staatsbürger bei der Geiselnahme von Teheran in der US-Botschaft befreien. Nicht nur, dass zwei Helikopter auf dem Flug zum Einsatz im Sandsturm im Iran abstürzten, bei der Evakuierungsmission kollidierte auch noch ein weiterer Hubschrauber mit einem Transportflugzeug. Acht Soldaten starben und keine Geisel wurde befreit. ls Reaktion gründeten die USA JSOC. Es sollte die geheimste Zusammenführung von Spezialeinsatzkräften werden. Da das JSOC nirgends offiziell erwähnt wurde, sollte es direkt dem Präsidenten unterstehen und somit als seine „Privatarmee“ fungieren.25

Für besondere Aufgaben, braucht es besondere Kräfte. Und so setzt sich JSOC aus verschiedenen Einheiten zusammen: Delta Force, Navy SEALs, 75. Army Rangers. Ergänzt wird JSOC bei Bedarf durch die Paramilitärs der Special Activities Division der CIA.
JSOC, das „sind Kommandotruppen, sie töten Einheimische. Diese Leute haben wenig Ahnung vom Gesamtbild, von den Auswirkungen [ihrer Operationen] auf das Ansehen der USA in der Welt“, so Oberst Walter Patrick Lang, Spezialist für Geheimoperationen.26
Und weil diese Einheiten die Zusammenhänge nicht verstehen und auch nicht hinterfragen, weil Patriotismus und Korpsgeist das Gewissen ausschalten, sind diese Truppen auch überall und für alles einsetzbar. In den schmutzigen Kriegen in Lateinamerika spielten sie immer eine zentrale Rolle.
Ob bei der Operation „Urgent Fury“ in Grenada, ob in Honduras bei der Unterstützung für die Contras in Nicaragua, ob bei der Operation „Just Cause“ in Panama oder später in Afghanistan, Somalia, Mogadischu, Irak, Jemen und Pakistan. JSOC-Einheiten sind laut Scahill vor allem eines, Kampftruppen mit der besonderen Fertigkeit zur „Niederschlagung von Aufständen.“27

Eine bedeutende Rolle spielte JSOC bei der „Operation Cyclone“. Von Beginn an war eines der zentralen Einsatzgebiete Afrika und der so genannte Nahe Osten. Zusammen mit der CIA bestand der Auftrag in Aufbau und Unterstützung antikommunistischer Guerillas in Afghanistan. Von 1979 an bewaffneten US-Einheiten die Mujaheddin und bildeten sie an schweren Waffen und in Partisanentechniken aus. Von 1979 bis 1989 verausgabten die USA zwischen 328 und 6[22] Milliarden US-Dollar Militärhilfe für die Mudschaheddin. Saudi Arabien sicherte Militärhilfe in der gleichen Höhe zu. Es sollte jedoch nicht nur bei der Militärhilfe bleiben.

Moderne Stingerraketen brachten die Wende im antikommunistischem Kampf gegen die Sowjetunion. Lieferung und Ausbildung übernahmen u.a. JSOC Einheiten. Bild: Department of Defense

1980 übernahm Gustav Avrakotos den Posten des Task Force Chiefs. Spitzname Dr. Dirty. Dieser ließ Schubkarren und Fahrräder so präparieren, dass darin Bomben versteckt werden konnten. Anschließend wurden diese vor die Quartiere der Sowjets in Kabul abgestellt. Lange bevor ISAF-Soldaten von IEDs (improvised explosive device – unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen) der „Taliban“ zerrissen wurden, brachten US-Spezialeinheiten den Terror nach Afghanistan. Avrakatos wurde später zitiert: „Do I want to order bicycle bombs to park in front of an officer’s headquarter? – Yes. That’s what spread fear.“29

IEDs sind die größte Bedrohung für Soldaten der westlichen Wertegemeinschaft in Afghanistan. „That’s what spread fear.“ Bild: United States Marine Corps

War on Terror

Nach dem 11. September 2001 setzten die USA zunächst auf eine altbewährte Strategie. Während medienwirksam Cruise Missiles in die Wüste geschossen wurden und irgendwelche Kampfflugzeuge beim Starten und Landen auf Flugzeugträgern gefilmt wurden, rekrutierten CIA-Paramilitärs die gut bekannten ehemaligen Mudschaheddin der Nordallianz. Es ist das gleiche Vorgehen wie in Laos oder in Nicaragua und Kolumbien. Die ersten Special Forces, die unter dem Codenamen Jawbreaker Afghanistan infiltrierten, bildeten zusammen mit ODA-Teams die Milizen der ortsansässigen Warlords für den Kampf mit den Taliban aus.30
Dabei sind die Kommandosoldaten nicht als reguläre Soldaten gekennzeichnet. Nach US-Definition[23] wären es illegale Kombattanten, die nicht dem Kriegsrecht unterstehen.

US Special Forces Operational Detachment Alpha 574 zusammen mit Hamid Karzai im Oktober 2001. Bild: U.S. Army

Kaum acht Wochen nach den Anschlägen hatte die Nordallianz bereits die wichtigsten Städte unter ihre Kontrolle gebracht. Und während die Medien über Bombardierungen von Bergen und unglaublichen Bunkeranlagen berichteten[24], verübte die Nordallianz unter den Augen der Special Forces zahlreiche Kriegsverbrechen. Am 25. November 2001 kam es zu einem Aufstand in der zu einem Gefängnis umgebauten Festung Qala-i-Jangi. Etwa 500 vermeintliche Taliban konnten einige Bewacher töten und erhielten so Zugang zu einigen Schnellfeuerwaffen und Mörsern und Granaten.

Die Nordallianz begann daraufhin die Festung mit Panzern zu beschießen. Später kamen US-amerikanische Special Forces und britische Einheiten der Special Boat Service zur Unterstützung hinzu. Zur Vorbereitung eines Angriffes beschossenen zwei AC-130 die Festung. Ein Kampfflugzeug, das darauf ausgelegt ist, lange Zeit über dem Zielgebiet zu kreisen und das gesamte Gebiet mit den an Bord befindlichen zahlreichen Maschinenkanonen unter Dauerfeuer zu legen. Dabei geht es nicht im Geringsten um Präzision, sondern um flächendeckende Vernichtung.

Drei Tage lang wurden die Aufständischen von Panzern, Kampfflugzeugen und Bodentruppen beschossen. 100 Gefangene verschanzten sich daraufhin in den Kellergewölben der Anlage. Nachdem es trotz Einsatzes von Granaten und brennendem Öl nicht gelang, die Aufständischen zum Aufgeben zu bewegen, setzte die Nordallianz unter General Dostum das Gewölbe unter Wasser. Mehr als 60 Menschen ertranken. Lediglich 86 der 500 Gefangenen überlebten, viele erlagen später ihren schweren Verletzungen. Zahlreiche Tote hatten auf dem Rücken verbundene Hände, weshalb Amnesty International und die UNO eine Untersuchung forderten, die von den USA und Großbritannien abgelehnt wurde.

AC-130H Spectre: Fliegende Massenvernichtungswaffen. Bild: U.S. Air Force

Im Dezember 2001 verbrachte die Nordallianz wieder unter Aufsicht amerikanischer Spezialeinheiten tausende Gefangene in Frachtcontainern in ein neues Gefängnis. Zwischen 150 und 300 Gefangene wurden in einen Container gesperrt. Schon nach kurzer Zeit rangen die vermeintlichen Taliban nach Luft. Es wurde unerträglich heiß und die Gefangenen drohten während der langen Fahrt zu verdursten oder zu ersticken. Die „Taliban“ fingen an zu rufen und zu flehen, woraufhin die Sicherheitskräfte begannen, „Luftlöcher“ in die Container zu schießen. „Nach den Aussagen eines Taxifahrers rann aus dreien der Container Blut.“ In der Nähe des Ziel-Gefängnisses, in Dasht-i-Leili, hielten die LKW an. Hunderte Gefangene waren zu diesem Zeitpunkt entweder verblutet, verdurstet oder erstickt. Wer noch lebte, wurde nun „unter den Augen von 30 bis 40 US-Amerikanern“[25] zu einem Massengrab gebracht und dort hingerichtet.
Bis zu 3.000 Menschen sollen auf diese Weise exekutiert worden sein (Das Massaker, das nicht sein darf[26].

Die Kriegsverbrechen, die begangen wurden, wurden dennoch nicht in Zusammenhang mit den USA gebracht. Die verdeckten Kriege in Laos, Kambodscha aber auch Kolumbien und Nicaragua hatten gezeigt, dass die Delegation der Gewaltausübung an lokale Akteure, lediglich unterstützt von eigenen Special Forces und CIA-Paramilitärs, die eigene Beteiligung auf ein Minimum reduziert und die Öffentlichkeit, auch durch die Kumpanei von Medien, in die Irre führt.31

Menschenjagd – die weltweite Tötungsmaschine

In den Folgejahren wurde JSOC immer weiter ausgebaut. „Von 2003 bis 2007 war das US-Budget für Spezialeinsätze um 60 Prozent auf über 8 Milliarden Dollar jährlich gewachsen.“32 Das ist über ein Viertel des Wehretats Deutschlands. Und zwar ausschließlich für geheime Operationen!
Noch frappanter werden die Größenordnungen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass darüber hinaus 85 Prozent des US-Gesamtbudgets für Geheimdienste dem Pentagon unterliegt. Die CIA hat lediglich 12 Prozent zur Verfügung.33 In einer Militärdiktatur würden die Zahlen wohl kaum anders aussehen.

Ausgestattet mit solchen Finanzmitteln „konnten nicht nur die Kampfeinheiten erheblich vergrößert werden, sondern es wurde auch massiv in Nachschub und Logistik investiert, was den Navy Seals und der Delta Force künftig erlauben würde, verdeckte Operationen über Tage oder Wochen hinweg durchzuführen. […] Jetzt konnte [JSOC] seine eigenen Kriege führen“.34

Doch die Kriege von JSOC sind keine konventionellen Kriege. Es sind Guerilla- und Partisanenkriege. Es sind Mordkommandos und Terroranschläge.
Der Hauptauftrag von JSOC besteht allerdings in der Menschenjagd. Jeremy Scahill hat zu seinem Standardwerk „Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen“ auch eine äußerst empfehlenswerte Fernsehreportage gedreht. In dieser kommt Captain Andrew Exum von den Army Rangers zu Wort. Exum war im Irak unter dem Kommando von JSOC im Einsatz. „Du beginnst mit einer Liste von Zielen. Vielleicht sind da 50 Leute drauf oder 200. Jetzt arbeitest du dich durch diese Liste und plötzlich hast du eine neue Liste mit 3.000 Namen drauf. Wieso ist die so lang geworden?“

Die Einsätze der Sonderkommandos beruhen ausschließlich auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und niemand außerhalb von JSOC überprüft diese. Auftrag ist Auftrag. Colonel Lawrence Wilkerson, der ehemalige Stabschef von Colin Powells warnte vor dem möglichen Machtmissbauch:

Man macht sich an die Arbeit und erhält Informationen, und in der Regel kommen auch deine Informationen über diesen Apparat, und also sagt man: „Ja, das sind wirklich brauchbare Erkenntnisse. Also los mit Operation Blue Thunder. Packen wir’s an.“ Und du packst es an und tötest 27, 30 oder 40 Leute, wie viele auch immer, und nimmst sieben oder acht gefangen. Dann aber stellst du fest, dass die Informationen falsch waren und du einen Haufen unschuldiger Menschen gefangen hast. Also schickst du sie nach Guantánamo, denn dann erfährt niemand etwas davon. Du musst niemandem beweisen, dass du richtig gehandelt hast. Du hast alles im Geheimen getan, also kannst du einfach die nächste Operation in Angriff nehmen.

Colin Powell35

US Army Rangers. „Durch die Liste arbeiten“. Bild: U.S. Army

Die Soldaten wissen nicht, wen sie dort jagen und töten. Ihnen wird lediglich ein Geheimdienstmemo vorgelegt, dass es sich um ein hochwertiges Ziel handelt, dass es auszuschalten gilt. Woher die Informationen kommen, ob es sich um Beweise oder Gerüchte handelt, wissen die Tötungsspezialisten nicht. Und sie können und wollen es auch gar nicht überprüfen. Zusammen mit der bis heute geheim gehaltenen National Security Presidential Directive-38 von 2004 ergibt sich ein erschütterndes Bild über den Zustand der westlichen Wertegemeinschaft. In dieser Direktive wird, laut Scahill, dem Special Operations Command der USA genehmigt, die weltweite Menschenjagd zu betreiben.
Der Anwalt Scott Horton warnte, dass in diesem Tötungsprogramm erwogen werde, „Leute in Hamburg, Deutschland, Norwegen oder Italien ebenso zu ermorden wie in Marokko, Jordanien, dem Senegal, der Türkei, dem Jemen, den Philippinen und Staaten am Horn von Afrika.“36

Der Historiker Gareth Porter konstatierte: „Phoenix war praktisch der Vorläufer dieser [JSOC-] Methode der Kriegsführung.“37
Was Porter noch nicht wissen konnte, hat die New York Times aktuell bestätigt[27]. Das Tötungsprogramm von JSOC heißt „Omega“ und ist tatsächlich dem Phoenix-Programm nachmodelliert. Und das Phoenix-Programm in Vietnam wird von Beteiligten mit den „Gräueltaten der Nazis“ verglichen (Staatsterrorismus, Tyrannei und Folter[28]).
Ein Programm bei dem zwischen 20.000 und 80.000 vornehmlich Zivilisten gefoltert und ermordet wurden, dient der „Führungsnation der freien Welt“ als Modell für neue Tötungsaufträge. Und was in Vietnam im Kampf gegen den Kommunismus „funktioniert“ hat, wird auch heute im Kampf gegen den Terror wieder angewendet: Terror.

„Wenn sie [JSOC-Einheiten] hinter einer Person her sind, und es befinden sich weitere 34 Personen in dem Gebäude, dann werden 35 Personen sterben.“38
Das Vorgehen der Einsatzgruppen von JSOC erinnert durchaus an das Vorgehen der Wehrmacht bei der Partisanenbekämpfung. Wenn die Wehrmacht mit ihren Massenexekutionen „völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht“ unterlagen und Massaker an der Zivilbevölkerung später als rechtmäßige „Sühneaktionen und Vergeltungsmaßnahmen“ akzeptiert wurden, können aktuelle „Repressaltötungen“ kaum noch verwundern.

Auch in diesem Zusammenhang sind die immerwährenden Klagen zu verstehen, man könne ja so schwer zwischen „Taliban“ und Zivilisten unterscheiden. JSOCs Massenexekutionen sind lediglich in der Form verändert und den technischen Möglichkeiten angepasst, inhaltlich sind sie hingegen sehr ähnlich. Auch wenn sich die USA selbstverständlich mehrheitlich nicht in einem Weltanschauungs- und Rassenkrieg befinden.

Im Mittelpunkt steht immer JSOC. Das berüchtigte Team 6 der Navy SEALs, das zwischenzeitlich umbenannt wurde in DEVGRU (United States Naval Special Warfare Development Group) und mittlerweile unter einem geheimen Einsatznamen operiert, entwickelt sich dabei zu einem Nachfolger der Tiger Force.
So berichtet[29] ein Ex-Mitglied, dass die Soldaten „wild geworden“ und „Tötungsorgien“ Routine seien. „Die Zielpersonen seien immer weniger bedeutend geworden.“ Das Einsatzzeichen des Red Squadron von Team Six zeigt einen „Indianer“ mit gekreuzten Tomahawks. Und ganz getreu dem Motto der SEALs „Gott wird unsere Feinde richten. Wir arrangieren das Treffen“, schlachtete in mindestens einem Fall ein Soldat einen „Feind“ mit einem extra angefertigten Tomahawk ab. „Diese Gemetzel wurden irgendwann zur Routine. Es gab so viele Ziele, jedes Opfer war nur noch ein weiterer Name“, zitiert[30] die New York Times einen ehemaligen Offizier.

Navy SEALs, früher legendenumwobene Spezialeinheit, heute Todesschwadron. Bild: Department of Defense

Und genau wie bei der Tiger Force werden Verbrechen nicht verfolgt und geahndet, Bei der „Operation Pandera“ soll[31] das Blue Squadron von Team Six in einem Dorf zahlreiche Zivilisten getötet haben. Nach Angabe einiger Beteiligter soll es sogar den Befehl gegeben haben, „alle Männer“ zu exekutieren. Ein Vorgehen, das aus Vietnam vielfach dokumentiert ist.
Spezialeinheiten mit dem besonderen Charisma des Ausgewähltseins, mit der Gewissheit im höheren Auftrag unterwegs zu sein und nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, führen regelmäßig Gewaltexzesse aus. Das ist bekannt und wird nicht verhindert.
Im Gegenteil, genau diese Dynamik wird von den Verantwortlichen gefördert. Trotz der Zeugenaussagen zu dem Gemetzel wurden die Ermittlungen bezüglich Operation Pandera eingestellt und das Blue Squadron von „jedem Fehlverhalten“ frei gesprochen.

Dabei sind sich die Soldaten von JSOC der Illegalität ihrer Einsätze voll bewusst, aber das stört sie nicht weiter, da sie sich von höchster Stelle gedeckt fühlen. Sie sind „wie ein Wolfsrudel an vorderster Front, und sie tun, was sie für das Werk Gottes, manche auch für die Aufgabe Amerikas halten“.39
Angesichts des JSOC Chefs (2003-2008) Stanley A. McChrystal mag das kaum verwundern. War dieser doch der Überzeugung die USA befänden sich im Krieg mit dem Islam. Und um diesen Krieg zu gewinnen, müsste man einen Kreuzzug gegen das Kalifat führen, weshalb man den Begriff Terrorist „sehr, sehr weit gefasst“ hat.40

Die amerikanischen Taliban

Am 12. Februar 2010 feierte Mohammed Daoud Sharabuddin den Namenstag seines vor sechs Tagen geborenen Sohnes. Daoud ist ein Paradebeispiel für die amerikanische Strategie, „Herz und Verstand“ der Menschen gewinnen zu wollen. Er ist ein weithin respektierter Polizeibeamter und vor kurzem sogar zum Geheimdienstchef der Provinz Paktia befördert worden. Jahrelang hatte er gegen die Taliban gekämpft, auf einigen Fotos kann man ihn zusammen mit US-amerikanischen Soldaten posieren sehen, denn Daoud hatte zahlreiche Ausbildungsprogramme der USA durchlaufen.

Knapp 30 Menschen feierten und tanzten, als plötzlich das Licht auf dem Anwesen abgeschaltet wurde. Ein Musiker im Hof bemerkte, wie Laserstrahlen das Gelände abtasteten. Aus Angst vor einem Angriff der Taliban informierte er die anderen Anwesenden. Daoud und sein 15-jähriger Sohn Sediqullah wollten nachsehen, was an der Geschichte dran sei. Kaum hatten sie den Hof betreten, durchschlugen mehrere Kugeln ihre Körper und die beiden sackten blutüberströmt zu Boden. Und während sich die Angreifer zum Sturm auf das Haus formierten, brach drinnen Panik aus.

Plötzlich bemerkte jemand, dass die Angreifer nicht nur Paschtu, sondern auch Englisch sprachen. Die Angreifer waren Amerikaner. Während Daoud auf dem Boden zu verbluten drohte, ergriff sein Bruder Zahir die Initiative. Als Staatsanwalt der von den USA unterstützen Regionalregierung sprach er ein wenig Englisch. „Wir arbeiten für die Regierung!“, schrie er den Angreifern entgegen. „Schauen Sie sich doch unsere Polizeiwagen an. Sie haben einen Polizeikommandanten verwundet!“41
Zaid wollte den Angreifern entgegen gehen, um sie auf ihren Fehler aufmerksam zu machen. Drei Frauen der Familie versuchten ihn davon abzuhalten und hielten ihn an der Kleidung fest. Doch in diesem Moment schlugen bereits die nächsten Kugeln der Scharfschützen ein. Zahir, Bibi Saleha, 37, und Bibi Shirin, 22, starben schnell. Daoud und die erst 18-jährige Gulalai verbluteten über Stunden.

Ein Spezialeinsatzkommando der USA hatte aus der Familienfeier in Sekunden ein Massaker veranstaltet. Insgesamt wurden sieben Personen hingerichtet, zwei der Frauen waren schwanger. Die vermummten Kommandosoldaten stürmten das Gebäude, fesselten alle Männer und durchsuchten die Räume. Der Vater von Gulalai bat um ärztliche Hilfe für seine verblutende Tochter, doch die Soldaten antworteten nur, dass bald ein Hubschrauber die Verletzten in ein Krankenhaus fliegen würde.
Aber es kam kein Hubschrauber. Ganz im Gegenteil begannen die Soldaten plötzlich mit Messern in den Wunden der Frauen herumzustochern. „Sie holten die Kugeln aus den Leichen, um den Beweis für ihr Verbrechen zu beseitigen“, sagte Mohammed Sabir, ein Bruder von Daoud.42

Alle Überlebenden wurden in den Hof gebracht. Frauen und Männer wurden getrennt. Den Männern wurden Kapuzen über den Kopf gezogen. Mindestens zehn Männer, darunter der 65-jährige Familienvorstand Hadschi Sharabuddin, wurden massiv geschlagen und getreten. Es scheint, dass Kommandosoldaten die westlichen Werte in die Köpfe der Feinde hineinschlagen wollen. Ein Untersuchungsbericht der UN bestätigte später, dass die Überlebenden eine „brutale, unmenschliche und entwürdigende Behandlung [erfahren hätten], indem sie von amerikanischen und afghanischen Einsatzkräften körperlich attackiert, festgehalten und gezwungen wurden, mit bloßen Füßen mehrere Stunden draußen in der Kälte zu stehen.“43

Sieben Männer wurden anschließend in ein Geheimgefängnis verbracht und tagelang verhört. „Die amerikanischen Vernehmer hatten Bärte und trugen keine amerikanische Uniform. Sie waren sehr muskulös“, berichtete Sabir von den Verhören. Später wird das Familienoberhaupt Hadschi gegenüber dem Investigativjournalisten Jeremy Scahill sagen:

Am Anfang dachten wir, die Amerikaner seien die Freunde der Afghanen, aber jetzt halten wir die Amerikaner selbst für Terroristen. Die Amerikaner sind unsere Feinde. Sie bringen Terror und Zerstörung. Die Amerikaner haben nicht nur mein Haus, sie haben meine Familie zerstört. Die Amerikaner haben uns die Spezialkräfte auf den Hals gehetzt. Diese Spezialkräfte mit ihren langen Bärten haben entsetzliche, kriminelle Sachen gemacht. Wir nennen sie die amerikanischen Taliban.

Hadschi44

Kommandosoldaten der Delta Force ohne Uniform und Hoheitsabzeichen. Hybride Kriegsführung und verdeckte Operationen haben in den USA eine lange Tradition. Bild: United States Government

Der entgrenzte Krieg

Die US-Regierung eskaliert den Staatsterror immer weiter. Zwischen 2006 und 2008, so die New York Times[32], sind pro Nacht bis zu 25 Menschen allein von Team 6 der Navy SEALs ermordet worden. „Gegen Ende 2009 führten JSOC-Kommandos monatlich nicht weniger als achtzig, neunzig solcher Mordaufträge aus“, erklärt Armin Wertz in seiner Zusammenschau „Die Weltbeherrscher. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA“.

Im September 2009 reichte der US-Diplomat Matthew Hoh, mehrfach ausgezeichneter US-Marine mit Einsätzen im Irak und anschließend höchster US-Vertreter in der afghanischen Provinz Zabul, sein Rücktrittsgesuch ein. Im Zentrum steht seine Anklage, dass die „Präsenz und die Operationen der USA und der NATO in den paschtunischen Tälern und Dörfern“ faktisch auf „eine Besatzungsmacht“ hinauslaufen, „gegen die ein Aufstand gerechtfertigt ist“.45
Die meisten Taliban würden die USA überhaupt nicht bedrohen, „sondern eigentlich nur gegen uns kämpfen, weil wir uns in ihren Tälern herumtreiben“. Nach Einschätzung Hohs gab es damals „fünfzig bis hundert al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan“.46

Ein Krieg kann total sein in der Anwendung der Waffen. Er kann total sein in der Brutalisierung der Kriegsführung. Er kann total sein in der Gleichschaltung der Bevölkerung durch Desinformation und Propaganda. Und er kann total sein in der Ausweitung der Zielgebiete und Zielpersonen.
Zwischen 2011 und 2014 waren US-Special Forces in 150 von 196 Ländern der Erde aktiv[33].
Neben „Militärberatung“ und Ausbildung von Spezialeinheiten „befreundeter“ Länder gehören „capture or kill“-Aufträge zum Aufgabenspektrum.
Die USA führen einen geheimen, weltweiten Krieg und westliche Politiker wie Medien verschließen die Augen davor. Das Special Operations Command der US-Streitkräfte hat, ganz nach der oben erwähnten Bush-Doktrin, sein Personal von 2001 bis heute auf mehr als 70.000 Einsatzkräfte verdoppelt. Und immer wieder sind die Spezialkommandos bei Umstürzen oder Aufstandsbekämpfungen dabei. Je nachdem, wie es den USA nützt.

In Afghanistan werden die Truppenstärken reduziert und es sollen angeblich nur noch Objektsicherer, Unterstützer und Ausbilder im Land bleiben. Doch die Realität sieht anders aus. „Es liegt jetzt alles im Schatten“, erklärte[34] ein ehemaliger afghanischer Sicherheitsbeamter. „Der offizielle Krieg der Amerikaner – der Teil des Krieges den man sehen kann – ist beendet. Der geheime Krieg aber geht weiter. Und er geht hart weiter.“

Deutschlands neue Macht – das Kommando Spezialkräfte?

Auch die Bundeswehr verfügt seit 1996 über Kommandosoldaten, die schnell weltweit zum Einsatz kommen können. Offiziell sollen es etwa 1.100 Soldaten inklusive Unterstützungskräften und Stab sein. Genaues weiß man jedoch nicht, da alles, was mit dem Kommando Spezialkräfte (KSK) zu tun hat, der militärischen Geheimhaltung unterliegt[35]. Alle „Missionen sind geheim, nur ein sehr kleiner Kreis von Bundestagsabgeordneten wird im Nachhinein informiert“. Die westlichen Werte Demokratie und Rechtsstaat enden da, wo militärische Werte beginnen.
Und das ist der Kern des westlichen Wertebündnisses, welches vielmehr ein westliches Militär- und Ressourcensicherungsbündnis ist.

„Kurz nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 in den USA, die Trümmer rauchten noch, haben sich die Special Forces der Amis, also Navy Seals, Ranger und Delta Force, bei uns gemeldet und darum gebeten, dass wir ihnen bei der Fahndung nach den verantwortlichen Tätern in Afghanistan helfen.
Kanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping haben gleich grünes Licht gegeben. Wir sind also ohne Mandat des Parlaments in den Krieg gezogen. Und das unter einer rot-grünen Regierung …“, erinnert[36] sich ein Kommandosoldat.

Im März 2002 nimmt das KSK an der multinationalen „Operation Anaconda“ teil, bei der angeblich bis zu 1.000 Al Qaida- und Talibankämpfer aufgespürt und vernichtet werden sollen. „Und dann liegst du in getarnter Stellung. Warten, gucken, warten, gucken. Kommt so eine blöde Ziege näher. Wir werfen Steine – nutzt nix. Wenig später ist der Hirte da, ein Alter. Du zielst auf ihn. Deine Dipolantenne ragt aus der Stellung. Der bückt sich runter zu dir, sagt ,Salem Aleikum“ und geht ganz cool weiter. Du bist enttarnt, meldest das, verlegst die Stellung, und irgendwann holt dich der Helikopter da raus“, beschrieb[37] ein Kommandohauptfeldwebel die Situation.
Später werden die US-Amerikaner „hart nachfragen, weshalb der Oberfeldwebel den Ziegenhirten nicht ‚eliminiert‘ habe. Schallgedämpft abknallen, dann hätte er den Auftrag fortsetzen können.“

Ziegenhirten „abknallen“, denn die Freiheit der westlichen Welt wird am Hindukusch verteidigt. Bild: U.S. Navy

Ein ehemaliger KSK-Offizier weiß zu berichten, dass die „Amis“ tatsächlich solche „Bedrohungen“ einfach eliminieren. „Wir haben in Afghanistan gesehen, wie ekelhaft US-Soldaten mit Afghanen umgesprungen sind, Fußtritte und Kolbenstöße waren noch harmlos. Sie haben sie behandelt wie Untermenschen.“
Bei der „Operation Anaconda“ hätten die Spezialeinheiten der Amerikaner auch ganze Dörfer „platt gemacht“ und Häuser geplündert. Diese Zurückhaltung sollte das KSK jedoch später ablegen.

So erklärte[38] NATO General a.D. Egon Ramms gegenüber Deutschlandradio: „Deutsche Soldaten, Spezialkräfte, sind auch schon im Jahr 2002, Ende 2001, Anfang 2002 unter dem Mandat für Operation Enduring Freedom nach Afghanistan gegangen – ich wiederhole: deutsche Spezialkräfte -, und die sind dort nicht gewesen, um Blümchen zu pflücken.“
Auch Hans-Otto Budde, Generalleutnant a.D. und von 2004 bis 2010 Inspekteur der Heeres, verweist[39] auf die neuen Soldaten für die neuen Aufgaben:

Der „Staatsbürger in Uniform“, der mit seiner Familie in unserer Nachbarschaft wohnte und um siebzehn Uhr dreißig nach Hause kam, hat ausgedient. „Wir brauchen den archaischen Kämpfer und den, der den High-Tech-Krieg führen kann.“

Hans-Otto Budde

Archaische Kämpfer und der Mann an sich. Über die Einsätze deutscher Kommandosoldaten ist so gut wie nichts bekannt. Bild: U.S. Army

Und als archaische Kämpfer nehmen sich die Kommandosoldaten auch wahr. „Da geht es auch um den Mann an sich, den Krieger“, sagt[40] ein 32-jähriger Hauptmann. Und was die Aufgabe eines solchen Kriegers ist, erläutert[41] Brigadegeneral Hans-Christoph Ammon, Kommandeur des KSK von 2007-2010: „Die Einsätze haben sich verändert: Unsere Soldaten müssen regelmäßig töten.“
Da kommt ein Kommandosoldat schon mal auf „ein gutes Dutzend“ getöteter „Feinde“. Aber unzweifelhaft ist der Gegner selber schuld. „Der Feind war und ist grausam. Natürlich haben wir Namen von Zielpersonen und Handy-Nummern, die wir beschaffen konnten, an die Nato-Kommandozentrale weitergegeben. Wir haben die Taliban gejagt, ausgespäht, umzingelt, in blutigen Gefechten getötet.“
Wie die Zielpersonen auf die Listen kommen, das weiß ein Elitesoldat nicht, aber es kümmert ihn auch nicht weiter, schließlich sind das alles Terroristen.

Doch wird der Begriff Terrorismus meist nur propagandistisch benutzt. Und zwar, so Noam Chomsky47, „um terroristische Handlungen zu bezeichnen, die von Feinden gegen uns oder unsere Verbündeten begangen werden. Diese propagandistische Bedeutung ist nahezu universell. Dieser ‚Terrorismus‘ wird von allen verurteilt. Auch die Nationalsozialisten wandten sich gegen ihn und lancierten ‚gegen-terroristische‘ Angriffe, um die Partisanen abzuwehren.“

Das alles klingt nicht nach den offiziellen Verlautbarungen, dass es um die westlichen Werte von Demokratie und Menschenrechten gehen würde. Andererseits hatte der der Sprecher des deutschen Isaf-Kontingents, Fregattenkapitän Alexander von Heimann, bereits 2008 konstatiert[42]: „Menschenrechte sind nicht unser Mandat.“

Westliche Werte, geheime Kriege und parapolitische Strukturen

Der sicherheitspolitische Analyst Daniel Robert Kramer hat aufgezeigt, wie die Verantwortlichen für verdeckte Operationen und geheime Kriege parallele Strukturen zu den offiziellen Staatsstrukturen aufbauen. „Die Praxis verdeckter paramilitärischer Operationen wurde durch informelle Netzwerke bestimmt. In der Umsetzung der Kriege entwickelten sich Prozesse, die zur Verfestigung parapolitischer Strukturen führten.“48 So kann der Präsident der USA mittlerweile Kriege führen „ohne auf die Bestätigung durch demokratische Kontrollorgane angewiesen zu sein und Einschränkungen durch den Kongress Beachtung schenken zu müssen“49

Diese informellen und geheimen Strukturen werden durch einen engen Personenkreis gestützt. „Bei parapolitischen und paramilitärischen Netzwerken handelt es sich entsprechend um Akteursgruppen, die mit offiziellen politischen und militärischen Institutionen verbunden sind und zusammenarbeiten, um eigene, verdeckte, illegale Ziele zu verfolgen, die im Resultat dem Funktionieren offizieller staatlicher Institutionen entgegenstehen.“50

Ein Netzwerk aus Politikern, Militärs, Rüstungsindustriellen, Unternehmern, Geheimdienstlern, Wissenschaftlern und Medienvertretern ist prinzipiell nichts anderes als das, was unter anderem unter dem Begriff „Tiefer Staat“ firmiert. Zusammen mit Notstandsgesetzen und Ausnahmezustandsregelungen verfestigen sich antidemokratische, klandestine Strukturen, deren Machtpotenzial von keiner demokratisch legitimierten Institution kontrolliert oder gar wieder abgeschafft werden kann.

Dementsprechend ist es möglich, dass ein Großteil der politischen wie militärischen Entscheider nicht einmal weiß, welche Rolle ihnen im Gesamtgeschehen zukommt. Während große Kampfverbände im Irak und in Afghanistan zumindest in der Selbstwahrnehmung tatsächlich versuchen, defensiv und schützend zu agieren, hintergehen Spezialeinsatzkommandos diese Bemühungen in verdeckten Operationen. Aufgrund der Geheimhaltung wird dies auch nie jemand überprüfen können. Und wie es Oberst Lang zusammenfasste: „Diese Leute [Kommandosoldaten] haben wenig Ahnung vom Gesamtbild.“

Ähnliche Strukturen sind von Bereichen der organisierten Kriminalität oder von Terrororganisationen bekannt. Der Kern krimineller bzw. terroristischer Aktionen wird verdeckt durch einen dicken Mantel an zivilen, sozialen Bemühungen. Die Hamas betreibt Krankenhäuser, Kindergärten, eine Universität und unterstützt Opfer israelischer Militäreinsätze, mafiöse Organisationen finanzieren Schulen oder bauen Fußballstadien.
Ähnlich werden die illegalen Mordkommandos des Westens mit normalen Einheiten umgeben, die in Kriegsgebieten „Wiederaufbau“ betreiben und ebenfalls Schulen aufbauen und Frauenrechte schützen sollen. Der Kampf um Herz und Verstand ist nichts anderes als die propagandistische Desinformation der Bevölkerungen sowohl im Heimatland als auch im Kriegsgebiet, um geheime Ziele in verdeckten Operationen zu verfolgen.

„Wenn es aus den Militäroperationen der vergangenen zehn Jahre eine Lehre zu ziehen gibt, dann die, dass die USA hervorragend Aufstände anzetteln können. Sie verstehen sich darauf, eine Regierung zu stürzen“, so Daveed Gartenstein-Ross, Anti-Terror-Berater für verschiedene US-Regierungsbehörden und Senior Fellow des konservativen Think Tanks Foundation for Defense of Democracies.51
Die westliche Wertegemeinschaft besteht im Kern aus nur einem Wert. Bedauernswerterweise sind dies nicht die Menschenrechte, sondern der gemeinsame Wille, die Welt zu beherrschen und zu unterwerfen. Weltherrschaft um jeden Preis.

Anhang – Fußnoten

1) Daniel Robert Kramer. Verdeckte militärische Operationen der USA. Informelle Netzwerke, Paramilitärs und delegierte Kriegsführung in den Drogenökonomien Laos, Nicaragua, Kolumbien und Afghanistan. Berlin 2011. S. 11

2) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA. Frankfurt/Main 2015. S. 90

3) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. S. 92

4) Noam Chomsky: People without Rights. Kosovo, Ost-Timor und der Westen. Hamburg 2002. S. 38

5) Noam Chomsky. Die göttliche Lizenz zum Töten (1987). In: Noam Chomsky. Die Herren der Welt. Essays und Reden aus fünf Jahrzehnten. Wien 2014. S. 97

6) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. S. 132

7) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. S. 145

8) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. S. 151

9) Armin Wertz. Die Weltbeherrscher. S. 129ff

10) Bernd Greiner. Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam. Hamburg 2009. S. 212

11) Bernd Greiner. Krieg ohne Fronten. S. 215

12) Bernd Greiner. Krieg ohne Fronten. S. 216

13) Krieg ohne Fronten. S. 225

14) Bernd Greiner. Krieg ohne Fronten. S. 231

15) Krieg ohne Fronten. S. 238

16) Erik Fischer. Die USA im Vietnamkrieg. Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten. Hamburg 2009. S. 101.

17) Bernd Greiner. Krieg ohne Fronten. S. 253f.

18) Eigentlich MACV-SOG: Military Assistance Command, Vietnam – Studies and Observation Group. Ein Spezialeinsatzkommando für „unkonventionelle Kriegführung“. Es war während des Vietnamkrieges bei streng geheimen Operationen in ganz Südostasien im Einsatz.

19) Krieg ohne Fronten. S. 254

20) Vgl. Daniel Robert Kramer. Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 33ff

21) Vgl. Daniel Robert Kramer. Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 34

22) Richard Nixon: So verlieren wir den Frieden. Der III. Weltkrieg hat schon begonnen. Hamburg 1980 S. 130

23) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen. München 2013. S. 25

24) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen. München 2013. S. 25

25) Vgl. Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 75

26) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 76

27) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 78

28) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 182

29) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 186

30) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 202

31) Vgl. Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. 229

32) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 272

33) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 135

34) Mark Mazzetti. Killing Business. Der geheime Krieg der CIA. Berlin 2013. S 151

35) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 177

36) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 218

37) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 155

38) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 316

39) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 231

40) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 149

41) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 414

42) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 415

43) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 416

44) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 428

45) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 410

46) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 411

47) Noam Chomsky: The Attack. Hintergründe und Folgen. Hamburg 2001. S. 64

48) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. S. 233

49) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. S. 234

50) Daniel Robert Kramer: Verdeckte militärische Operationen der USA. S. S. 236

51) Jeremy Scahill: Schmutzige Kriege. S. 263

Links

[1] http://www.heise.de/tp/artikel/42/42753/

[1] http:/ /creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

[1] http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

[2] http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/kontext/swr2-kontext-weder-krieg-noch-frieden-russlands-hybride-kriegsfuehrung/-/id=4352076/did=14792746/nid=4352076/3pykcc/index.html

[3] http://www.welt.de/politik/ausland/article137341869/Experten-warnen-vor-hybrider-Kriegsfuehrung.html

[4] http://www.zeit.de/2015/11/nato-ukraine-krieg-russland

[5] http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A27_tga.pdf

[6] https://twitter.com/spomke/status/592580747816542208

[7] https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1945-50Intel/d292

[8] http://nsarchive.gwu.edu/NSAEBB/NSAEBB4/

[9] https://www.cia.gov/news-information/featured-story-archive/earthquake-mcgoons-final-flight.html

[10] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45139982.html

[11] http://www.war-stories.com/pointman-a-shau-valley-mcginley-1968.htm

[12] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45139982.html

[13] http://www.spiegel.de/panorama/kriegsverbrechen-in-vietnam-apocalypse-now-a-295224.html

[14] http://www.327infantry.org/photos/p_vietnam?q=photos/p_vietnam-8&phpMyAdmin=2a8cbab6008b35bc262dc17200499568

[15] http://www.327infantry.org/first/tiger_force_photos.htm

[16] http://www.tigerforcerecon.com/

[17] http://www.arte.tv/guide/de/030738-000/amerikas-geheimer-krieg-in-laos

[18] http://de.wikipedia.org/wiki/Ebene_der_Tonkr%C3%BCge

[19] http://legaciesofwar.org/about-laos/secret-war-laos/

[20] http://en.wikipedia.org/wiki/File:HoCMT.png

[21] http://legaciesofwar.org/about-laos/secret-war-laos/

[22] http://www.spiegel.de/einestages/30-jahre-afghanistan-invasion-a-948665.html

[23] http://de.wikipedia.org/wiki/Ungesetzlicher_Kombattant

[24] http://www.faz.net/aktuell/politik/terror-und-die-folgen-1-000-al-qaida-kaempfer-bei-tora-bora-eingekesselt-129238.html

[25] http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/massaker.html

[26] http://www.heise.de/tp/artikel/12/12758/

[27] http://www.nytimes.com/2015/06/07/world/asia/the-secret-history-of-seal-team-6.html

[28] http://www.heise.de/tp/artikel/44/44047/

[29] http://www.spiegel.de/politik/ausland/navy-seals-weiten-einsaetze-aus-und-toeten-oft-gezielt-a-1037638.html

[30] http://www.nytimes.com/2015/06/07/world/asia/the-secret-history-of-seal-team-6.html

[31] http://www.focus.de/politik/ausland/exzessives-toeten-eliteeinheit-auf-menschenjagd-die-geheimen-operationen-des-navy-seal-team-6_id_4733463.html

[32] http://www.nytimes.com/2015/06/07/world/asia/the-secret-history-of-seal-team-6.html

[33] http://www.tomdispatch.com/blog/175945/tomgram%253A_nick_turse%252C_a_shadow_war_in_150_countries/

[34] http://www.nytimes.com/2015/02/13/world/asia/data-from-seized-computer-fuels-a-surge-in-us-raids-on-al-qaeda.html

[35] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ehemaliger-ksk-soldat-in-geheimer-mission-verschlissen-12911510-p2.html

[36] http://www.focus.de/politik/ausland/afghanistan/reportage-enttarnt-vom-ziegenhirten_id_4473332.html

[37] http://www.stern.de/politik/deutschland/3-kommando-spezialkraefte-die-profis-531806.html

[38] http://www.deutschlandradiokultur.de/bundeswehr-in-afghanistan-die-sind-nicht-dort-gewesen-um.1008.de.html?dram:article_id=307423

[39] http://www.welt.de/print-wams/article107173/Bundeswehr-braucht-archaische-Kaempfer.html

[40] http://www.zeit.de/2010/31/KSK-Kommando-Spezialkraefte/seite-2

[41] http://www.focus.de/politik/ausland/afghanistan/reportage-enttarnt-vom-ziegenhirten_id_4473332.html

[42] http://www.taz.de/!5179711/

[43]  http://www.heise.de/tp/artikel/44/44047/

Jochen

Neue Seidenstraße – Eine Parallelstruktur zu NATO, WTO, IWF und Weltbank baut sich auf –  „the future geopolitical Big Bangness of it all“ – Original in Englisch

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein echtes Gegengewicht, u.a. zur militärisch-finanzkapitalistisch dominierten USA-Hemisphäre hat sich gegründet- den meisten westlichen Medien ist es entgangen.  Nicht so der linksliberalen Onlinezeitung „The Nation“. Die sparwahn-tyrannisierte Schäuble-EU wird übergangen.

Leider ist der Artikel auf Englisch – Gute Übersetzungen, keine automatischen, sind willkommen. Wichtig sind auch die letzten kapitel, die die Auswirkungen auf das militärische Gleichgewicht behandeln !
Näheres hier:
http://www.thenation.com/article/the-geopolitical-big-bang-you-probably-dont-see-coming/

The Geopolitical Big Bang You Probably Don’t See Coming

China and Russia are gearing up to create an economic zone beyond Washington’s reach.

Let’s start with the geopolitical Big Bang you know nothing about, the one that occurred just two weeks ago.
Here are its results: from now on, any possible future attack on Iran threatened by the Pentagon (in conjunction with NATO) would essentially be an assault on the planning of an interlocking set of organizations — the BRICS nations (Brazil, Russia, India, China, and South Africa), the SCO (Shanghai Cooperation Organization), the EEU (Eurasian Economic Union), the AIIB (the new Chinese-founded Asian Infrastructure Investment Bank), and the NDB (the BRICS’ New Development Bank) — whose acronyms you’re unlikely to recognize either. Still, they represent an emerging new order in Eurasia.
Tehran, Beijing, Moscow, Islamabad, and New Delhi have been actively establishing interlocking security guarantees. They have been simultaneously calling the Atlanticist bluff when it comes to the endless drumbeat of attention given to the flimsy meme of Iran’s “nuclear weapons program.”

And a few days before the Vienna nuclear negotiations finally culminated in an agreement, all of this came together at a twin BRICS/SCO summit in Ufa, Russia — a place you’ve undoubtedly never heard of and a meeting that got next to no attention in the U.S.
And yet sooner or later, these developments will ensure that the War Party in Washington and assorted neocons (as well as neoliberalcons) already breathing hard over the Iran deal will sweat bullets as their narratives about how the world works crumble.

THE EURASIAN SILK ROAD

With the Vienna deal, whose interminable build-up I had the dubious pleasure of following closely, Iranian Foreign Minister Javad Zarif and his diplomatic team have pulled the near-impossible out of an extremely crumpled magician’s hat: an agreement that might actually end sanctions against their country from an asymmetric, largely manufactured conflict.

Think of that meeting in Ufa, the capital of Russia’s Bashkortostan, as a preamble to the long-delayed agreement in Vienna. It caught the new dynamics of the Eurasian continent and signaled the future geopolitical Big Bangness of it all.
At Ufa, from July 8th to 10th, the 7th BRICS summit and the 15th Shanghai Cooperation Organization summit overlapped just as a possible Vienna deal was devouring one deadline after another.

Consider it a diplomatic masterstroke of Vladmir Putin’s Russia to have merged those two summits with an informal meeting of the Eurasian Economic Union (EEU). Call it a soft power declaration of war against Washington’s imperial logic, one that would highlight the breadth and depth of an evolving Sino-Russian strategic partnership.
Putting all those heads of state attending each of the meetings under one roof, Moscow offered a vision of an emerging, coordinated geopolitical structure anchored in Eurasian integration. Thus, the importance of Iran: no matter what happens post-Vienna, Iran will be a vital hub/node/crossroads in Eurasia for this new structure.

If you read the declaration that came out of the BRICS summit, one detail should strike you: the austerity-ridden European Union (EU) is barely mentioned. And that’s not an oversight. From the point of view of the leaders of key BRICS nations, they are offering a new approach to Eurasia, the very opposite of the language of sanctions.

Here are just a few examples of the dizzying activity that took place at Ufa, all of it ignored by the American mainstream media. In their meetings, President Putin, China’s President Xi Jinping, and Indian Prime Minister Narendra Modi worked in a practical way to advance what is essentially a Chinese vision of a future Eurasia knit together by a series of interlocking “new Silk Roads.” Modi approved more Chinese investment in his country, while Xi and Modi together pledged to work to solve the joint border issues that have dogged their countries and, in at least one case, led to war.

The NDB, the BRICS’ response to the World Bank, was officially launched with $50 billion in start-up capital. Focused on funding major infrastructure projects in the BRICS nations, it is capable of accumulating as much as $400 billion in capital, according to its president, Kundapur Vaman Kamath. Later, it plans to focus on funding such ventures in other developing nations across the Global South — all in their own currencies, which means bypassing the U.S. dollar. Given its membership, the NDB’s money will clearly be closely linked to the new Silk Roads. As Brazilian Development Bank President Luciano Coutinho stressed, in the near future it may also assist European non-EU member states like Serbia and Macedonia. Think of this as the NDB’s attempt to break a Brussels monopoly on Greater Europe. Kamath even advanced the possibility of someday aiding in the reconstruction of Syria.

You won’t be surprised to learn that both the new Asian Infrastructure Investment Bank and the NDB are headquartered in China and will work to complement each other’s efforts. At the same time, Russia’s foreign investment arm, the Direct Investment Fund (RDIF), signed a memorandum of understanding with funds from other BRICS countries and so launched an informal investment consortium in which China’s Silk Road Fund and India’s Infrastructure Development Finance Company will be key partners.

FULL SPECTRUM TRANSPORTATION DOMINANCE

On the ground level, this should be thought of as part of the New Great Game in Eurasia. Its flip side is the Trans-Pacific Partnership in the Pacific and the Atlantic version of the same, the Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), both of which Washington is trying to advance to maintain U.S. global economic dominance.
The question these conflicting plans raise is how to integrate trade and commerce across that vast region. From the Chinese and Russian perspectives, Eurasia is to be integrated via a complex network of superhighways, high-speed rail lines, ports, airports, pipelines, and fiber optic cables. By land, sea, and air, the resulting New Silk Roads are meant to create an economic version of the Pentagon’s doctrine of “Full Spectrum Dominance” — a vision that already has Chinese corporate executives crisscrossing Eurasia sealing infrastructure deals.

For Beijing — back to a 7% growth rate in the second quarter of 2015 despite a recent near-panic on the country’s stock markets — it makes perfect economic sense: as labor costs rise, production will be relocated from the country’s Eastern seaboard to its cheaper Western reaches, while the natural outlets for the production of just about everything will be those parallel and interlocking “belts” of the new Silk Roads.

Meanwhile, Russia is pushing to modernize and diversify its energy-exploitation-dependent economy. Among other things, its leaders hope that the mix of those developing Silk Roads and the tying together of the Eurasian Economic Union — Russia, Armenia, Belarus, Kazakhstan, and Kyrgyzstan — will translate into myriad transportation and construction projects for which the country’s industrial and engineering know-how will prove crucial.

As the EEU has begun establishing free trade zones with India, Iran, Vietnam, Egypt, and Latin America’s Mercosur bloc (Argentina, Brazil, Paraguay, Uruguay, and Venezuela), the initial stages of this integration process already reach beyond Eurasia.
Meanwhile, the SCO, which began as little more than a security forum, is expanding and moving into the field of economic cooperation. Its countries, especially four Central Asian “stans” (Kazakhstan, Kyrgyzstan, Uzbekistan, and Tajikistan) will rely ever more on the Chinese-driven Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB) and the NDB. At Ufa, India and Pakistan finalized an upgrading process in which they have moved from observers to members of the SCO. This makes it an alternative G8.

In the meantime, when it comes to embattled Afghanistan, the BRICS nations and the SCO have now called upon “the armed opposition to disarm, accept the Constitution of Afghanistan, and cut ties with Al-Qaeda, ISIS, and other terrorist organizations.”
Translation: within the framework of Afghan national unity, the organization would accept the Taliban as part of a future government. Their hopes, with the integration of the region in mind, would be for a future stable Afghanistan able to absorb more Chinese, Russian, Indian, and Iranian investment, and the construction — finally! — of a long-planned, $10 billion, 1,420-kilometer-long Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-India (TAPI) gas pipeline that would benefit those energy-hungry new SCO members, Pakistan and India. (They would each receive 42% of the gas, the remaining 16% going to Afghanistan.)

Central Asia is, at the moment, geographic ground zero for the convergence of the economic urges of China, Russia, and India. It was no happenstance that, on his way to Ufa, Prime Minister Modi stopped off in Central Asia.
Like the Chinese leadership in Beijing, Moscow looks forward (as a recent document puts it) to the “interpenetration and integration of the EEU and the Silk Road Economic Belt” into a “Greater Eurasia” and a “steady, developing, safe common neighborhood” for both Russia and China.

And don’t forget Iran. In early 2016, once economic sanctions are fully lifted, it is expected to join the SCO, turning it into a G9. As its foreign minister, Javad Zarif, made clear recently to Russia’s Channel 1 television, Tehran considers the two countries strategic partners. “Russia,” he said, “has been the most important participant in Iran’s nuclear program and it will continue under the current agreement to be Iran’s major nuclear partner.” The same will, he added, be true when it comes to “oil and gas cooperation,” given the shared interest of those two energy-rich nations in “maintaining stability in global market prices.”

GOT CORRIDOR, WILL TRAVEL

Across Eurasia, BRICS nations are moving on integration projects. A developing Bangladesh-China-India-Myanmar economic corridor is a typical example. It is now being reconfigured as a multilane highway between India and China.

Meanwhile, Iran and Russia are developing a transportation corridor from the Persian Gulf and the Gulf of Oman to the Caspian Sea and the Volga River. Azerbaijan will be connected to the Caspian part of this corridor, while India is planning to use Iran’s southern ports to improve its access to Russia and Central Asia. Now, add in a maritime corridor that will stretch from the Indian city of Mumbai to the Iranian port of Bandar Abbas and then on to the southern Russian city of Astrakhan. And this just scratches the surface of the planning underway.

Years ago, Vladimir Putin suggested that there could be a “Greater Europe” stretching from Lisbon, Portugal, on the Atlantic to the Russian city of Vladivostok on the Pacific. The EU, under Washington’s thumb, ignored him. Then the Chinese started dreaming about and planning new Silk Roads that would, in reverse Marco Polo fashion, extend from Shanghai to Venice (and then on to Berlin).

Thanks to a set of cross-pollinating political institutions, investment funds, development banks, financial systems, and infrastructure projects that, to date, remain largely under Washington’s radar, a free-trade Eurasian heartland is being born. It will someday link China and Russia to Europe, Southwest Asia, and even Africa. It promises to be an astounding development. Keep your eyes, if you can, on the accumulating facts on the ground, even if they are rarely covered in the American media. They represent the New Great—emphasis on that word—Game in Eurasia.

LOCATION, LOCATION, LOCATION

Tehran is now deeply invested in strengthening its connections to this new Eurasia and the man to watch on this score is Ali Akbar Velayati. He is the head of Iran’s Center for Strategic Research and senior foreign policy adviser to Supreme Leader Ayatollah Khamenei. Velayati stresses that security in Asia, the Middle East, North Africa, Central Asia, and the Caucasus hinges on the further enhancement of a Beijing-Moscow-Tehran triple entente.

As he knows, geostrategically Iran is all about location, location, location. That country offers the best access to open seas in the region apart from Russia and is the only obvious east-west/north-south crossroads for trade from the Central Asian “stans.” Little wonder then that Iran will soon be an SCO member, even as its “partnership” with Russia is certain to evolve. Its energy resources are already crucial to and considered a matter of national security for China and, in the thinking of that country’s leadership, Iran also fulfills a key role as a hub in those Silk Roads they are planning.

That growing web of literal roads, rail lines, and energy pipelines, as TomDispatch has previously reported, represents Beijing’s response to the Obama administration’s announced “pivot to Asia” and the US Navy’s urge to meddle in the South China Sea. Beijing is choosing to project power via a vast set of infrastructure projects, especially high-speed rail lines that will reach from its eastern seaboard deep into Eurasia. In this fashion, the Chinese-built railway from Urumqi in Xinjiang Province to Almaty in Kazakhstan will undoubtedly someday be extended to Iran and traverse that country on its way to the Persian Gulf.

A NEW WORLD FOR PENTAGON PLANNERS

At the St. Petersburg International Economic Forum last month, Vladimir Putin told PBS’s Charlie Rose that Moscow and Beijing had always wanted a genuine partnership with the United States, but were spurned by Washington. Hats off, then, to the “leadership” of the Obama administration. Somehow, it has managed to bring together two former geopolitical rivals, while solidifying their pan-Eurasian grand strategy.

Even the recent deal with Iran in Vienna is unlikely—especially given the war hawks in Congress—to truly end Washington’s 36-year-long Great Wall of Mistrust with Iran. Instead, the odds are that Iran, freed from sanctions, will indeed be absorbed into the Sino-Russian project to integrate Eurasia, which leads us to the spectacle of Washington’s warriors, unable to act effectively, yet screaming like banshees.

NATO’s supreme commander, Dr. Strangelove, sorry, American General Philip Breedlove, insists that the West must create a rapid-reaction force—online—to counteract Russia’s “false narratives.” Secretary of Defense Ashton Carter claims to be seriously considering unilaterally redeploying nuclear-capable missiles in Europe. The nominee to head the Joint Chiefs of Staff, Marine Commandant Joseph Dunford, recently directly labeled Russia America’s true “existential threat”; Air Force General Paul Selva, nominated to be the new vice chairman of the Joint Chiefs, seconded that assessment, using the same phrase and putting Russia, China, and Iran, in that order, as more threatening than the Islamic State (ISIS). *) In the meantime, Republican presidential candidates and a bevy of congressional war hawks simply shout and fume when it comes to both the Iranian deal and the Russians.

In response to the Ukrainian situation and the “threat” of a resurgent Russia (behind which stands a resurgent China), a Washington-centric militarization of Europe is proceeding apace. NATO is now reportedly obsessed with what’s being called “strategy rethink”—as in drawing up detailed futuristic war scenarios on European soil. As economist Michael Hudson has pointed out, even financial politics are becoming militarized and linked to NATO’s new Cold War 2.0.

In its latest National Military Strategy, the Pentagon suggests that the risk of an American war with another nation (as opposed to terror outfits), while low, is “growing” and identifies four nations as “threats”: North Korea, a case apart, and predictably the three nations that form the new Eurasian core: Russia, China, and Iran. They are depicted in the document as “revisionist states,” openly defying what the Pentagon identifies as “international security and stability”; that is, the distinctly un-level playing field created by globalized, exclusionary, turbo-charged casino capitalism and Washington’s brand of militarism.

The Pentagon, of course, does not do diplomacy. Seemingly unaware of the Vienna negotiations, it continued to accuse Iran of pursuing nuclear weapons. And that “military option” against Iran is never off the table.

So consider it the Mother of All Blockbusters to watch how the Pentagon and the war hawks in Congress will react to the post-Vienna and—though it was barely noticed in Washington—the post-Ufa environment, especially under a new White House tenant in 2017.

It will be a spectacle. Count on it. Will the next version of Washington try to make it up to “lost” Russia or send in the troops? Will it contain China or the “caliphate” of ISIS? Will it work with Iran to fight ISIS or spurn it? Will it truly pivot to Asia for good and ditch the Middle East or vice-versa? Or might it try to contain Russia, China, and Iran simultaneously or find some way to play them against each other?

In the end, whatever Washington may do, it will certainly reflect a fear of the increasing strategic depth Russia and China are developing economically, a reality now becoming visible across Eurasia. At Ufa, Putin told Xi on the record: “Combining efforts, no doubt we [Russia and China] will overcome all the problems before us.”

Read “efforts” as new Silk Roads, that Eurasian Economic Union, the growing BRICS block, the expanding Shanghai Cooperation Organization, those China-based banks, and all the rest of what adds up to the beginning of a new integration of significant parts of the Eurasian land mass. As for Washington, fly like an eagle?

Try instead: scream like a banshee.

*) Natürlich, wo doch der ISIS seitens der CIA gegründet wurde als Schreckgespenst, um eine Allianz gegen Syrien aufzubauen. Bis heute gibt es hinweise auf indirekte Waffenlieferungen der USA an ISIS. Die haben den ISIS also im Sack!

Mein Kommentar: Man sieht, die Konkurrenz schläft nicht – die haben sich bei den USA-dominierten Wirtschaftsorganisationen was abgeschaut wund wollen es besser machen. Wir wollen natürlich nicht vergessen, dass das alles mit Sozialismus und bürgerlichen Menschenrechten nur wenig zu tun hat – aber es untergräbt eine unilaterale Militärdominanz der USA, was veilleicht eher zum Frieden beitragen könnte.
Die kommenden Kriege werden an den Börsen ausgefochten, und die USA hat da eine weiche Flanke.

Heute war ich aber fleißig beim Bloggen. Seid auch fleißig, bitte, beim Kommentieren hier.

Jochen