Maaßen wird Staats-Sicherheits-Sekretär – Hat die Speerspitze des Tiefen Staates ins Auge der Bundesregierung getroffen ?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Mit einer aktuellen satirischen Ergänzung aus dem POSTILLON

Herr Maaßen hatte vor seinem Fall nach oben in der Öffentlichkeit behauptet:
„Wenn ich falle, fällt auch Seehofer !“
Was wusste der, das Seehofer in Verlegenheit hätte bringen können ?
Ist das mögliche, vom Steuerzahler aufzubringende Schweigegeld für die nächsten Jahrzehnte gut angelegt ?
Die Akten jedenfalls dürfen 12o Jahre lang weggesperrt werden

Es klingt nach Verschwörungstheorie, aber wenn ich vor der Enttarnung des NSU behauptet hätte, dass ein Trio junger Neonazis mindestens 9 feige Morde begeht und dabei jahrelang unter Beobachtung des BND und des Verfassungsschutzes steht und erst dann enttarnt wird, wenn eine Polizistin das Opfer wird, hätte mich Wikipedia garantiert unter diese Rubrik abgespeichert.
Aber es war so, und die Vertuschungsaktionen, während denen 3 aussagefähige Zeugen unter nicht aufklärbaren Bedingungen zu Tode kamen, machten alles noch schlimmer.
Eine Täterin hatte man noch zum Vorzeigen, obwohl ihr bei keiner der Morde die Anwesenheit nachgewiesen werden konnte.
In der JVA fühlt sie sich mittlerweile nach dem obigen Geschehen vermutlich sicherer als draußen. Sie hatte brav die zugewiesene Rolle gespielt.

Wolf Wetzel hat jahrelang recherchiert und auf den NachDenkSeiten kommentiert, dankeschön. Er hat auch untersucht, was aus den staatlichen Vertuschern wurde, u.a. einem Tatzeugen im staatlichen Dienst, für den sich schon die Reinemachefrau vom NDR eingesetzt hatte.
Weiter unten führe ich seinen Beitrag an und kann an den Parallelen zum Fall des Maaßen nicht vorbei schauen trotz meiner 64 Jahre alten Augen.
Siehe hier den sehr ausführlichen Beitrag vom 19. März 2018: https://www.nachdenkseiten.de/?p=43045
002 maassen bfv

Das „massive Behördenversagen“ in Sachen „NSU“ macht Karriere


der amtierende Chef des Inlandgeheimdienstes/BfV, Hans-Georg Maaßen, ließ 2015 die Öffentlichkeit wissen:

„Ich weise diese Kritik zurück; viele Vorwürfe sind unsachlich oder zu pauschal. Klar ist: Mein Amt war nicht zuständig für die Fahndung nach dem Trio. Das war Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaften. Damals sind schwere Fehler gemacht worden, aber ich verwahre mich dagegen, dies meiner Behörde zuzurechnen.“ (taz vom 11.2.2015)

Ein mehr als durchsichtiger Versuch, einen nicht gemachten Vorwurf mit Verve zurückzuweisen. Denn niemand erwartete vom BfV, dass es die Fahndung nach untergetauchten Neonazis selbst in die Hand nimmt, was ihm untersagt ist. Vielmehr lautet der vielfach belegte Vorwurf, den eigenen Vorgaben massiv zuwider gehandelt zu haben:
Informationen und Kenntnisse über die untergetauchten Neonazis an die zuständigen Polizeibehörden weiterzugeben, um schwere Straftaten zu verhindern bzw. an der Aufklärung einer begangenen Straftat mitzuwirken.
Genau dies ist nachweislich in unzähligen Fällen nicht passiert! Zahlreiche Festnahmemöglichkeiten wurden durch Interventionen von seiten des Verfassungsschutzes, dem sich das Innenministerium anschloss, verhindert:

„Vergangene Woche war in einer vertraulichen Sitzung des Thüringer Justizausschusses bekannt geworden, dass ein halbes Dutzend Aktennotizen aus der Zeit zwischen 2000 und 2002 existieren, laut denen das Innenministerium Festnahmeversuche verhindert hatte.“ (Frankfurter Rundschau vom 8.12.2011)

Dennoch erntete der neue Geheimdienst-Chef für diese Irreführung und Selbstamnestierung keine erbosten Gegenstimmen, keine Entrüstung aus dem parlamentarischen Raum.
Schon gar nicht antwortete man ihm mit Entlassung.

Bleiben wir einmal bei dieser Art der „Aufklärung“. Wenn zumindest viele „Einzelne“ gegen Strafgesetze und Dienstvorschriften verstoßen haben, dann müssten doch all jene „Einzeltäter“ mit straf- bzw. dienstrechtlichen Mitteln belangt worden sein. Das Ergebnis ist mehr als niederschmetternd.

Ich möchte dies an einigen herausragenden Personen nachzeichnen, die in exponierter Position dieses „massive Behördenversagen“ ermöglicht haben.

Andreas Temme, V-Mann-Führer im Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen

Andreas Temme war beim Mord an Halit Yozgat in einem Internetcafé in Kassel 2006 am Tatort gewesen. Er hatte sich dort unter falschem Namen eingeloggt und war der einzige Zeuge, der sich nicht gemeldet hatte.
Die Polizei ermittelte seine wahre Identität und führte ihn längere Zeit als Tatverdächtigen.
Nachdem alle ihm vorgesetzten Dienststellen das polizeiliche Ermittlungsverfahren torpedierten, wurde das Verfahren im Januar 2007 gegen ihn eingestellt.

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen häuften sich disziplinarrechtliche „Vergehen“:

  • Er machte während seiner Einlassungen Falschaussagen.
  • Bei ihm wurden zahlreiche Waffen und Munition gefunden.
  • Er konsumierte faschistisches Propagandamaterial und Cannabis.

Man leitete ein Disziplinarverfahren ein – ohne jemals tatsächlich zu ermitteln. Ein Phantom-Verfahren oder eine „Farce“, wie es die SPD-Obfrau Nancy Faeser qualifizierte.

Der damit beauftragte Regierungsdirektor am Regierungspräsidium Darmstadt, Wolfgang V., erklärte im NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags am 30.9.2016, dass er nicht einmal Temmes Namen erfahren habe „und keine konkreten Vorwürfe“. (FR vom 4.10.2016). Am 26.2.2007 stellte er etwas ein, was nur dem Anschein dienen sollte.

Temme hat heute einen geruhsamen Job in der Rentenabteilung des hessischen Innenministeriums.

Michael Menzel, Einsatzleiter in Eisenach 2011, später Chef der SOKO „Capron“ und zugleich Leiter der Polizeidirektion in Gotha

Am 4. November 2011 soll die Polizei durch Zeugen auf einen Campingwagen in Eisenach aufmerksam gemacht worden sein, in den sich mutmaßliche Bankräuber geflüchtet haben sollen.
Man will zwei Schüsse gehört haben. Die Schüsse wurden nicht auf Beamte abgefeuert.
Laut Ermittlungsergebnis tötete Uwe Mundlos mit einer Pumpgun zuerst Uwe Böhnhardt mit einem Schuss in den Kopf.
Dann setzte er den Campingwagen in Brand, lud das ca. 80 Zentimeter lange Repetiergewehr nach, richtet den Lauf von unten gegen den eigenen Kopf und tötet sich selbst.
Wenig später war die Feuerwehr vor Ort, löschte den Brand und machte zu Dokumentationszwecken Fotos – auch vom Innenraum.

Entgegen dieser bis heute gültigen Version erzählte Michael Menzel, damaliger Leiter der für Eisenach zuständigen Polizeidirektion Gotha (später Chef der SOKO „Capron“), der BILD-Zeitung etwas ganz Anderes:
„Wir wussten, dass sie scharfe Waffen hatten. … “, sagte Menzel. (Bild.de vom 26.11.2011).

Wenn die bis heute gültige Version die richtige ist, dann hat der Leiter der Polizeidirektion Gotha eine Falschaussage gemacht!

Tatsächlich traf Michael Menzel knapp 30 Minuten nach Auffinden des Campingwagens am Tatort ein. Seine erste Amtshandlung bestand darin, die Kamera des Feuerwehrmanns zu beschlagnahmen.
Eine Amtsanmaßung, eine Straftat im Amt, denn es gab keinen einzigen dienstlichen Grund, die Fotos, die zu Dokumentationszwecken erstellt werden, zu kassieren.
Obwohl es zum Einmaleins der Ermittlungsarbeit gehört, bestimmte weder ein Notarzt vor Ort den Todeszeitpunkt, noch konnte die Gerichtsmedizin ihrer Arbeit nachgehen, anhand von Blutmusterbildern zu überprüfen, ob diese mit dem angenommenen Geschehensablauf übereinstimmen. Die Gerichtsmediziner wurden einfach weggeschickt.

Wenig später ordnete Michael Menzel an, den ausbrannten Campingwagen über eine 20 bis 30 Grad geneigte Rampe abzuschleppen, wodurch der mögliche Tatort im Polizeijargon „kontaminiert“, also für eine Spurenauswertung unbrauchbar gemacht, wurde. Eine Spurensicherung vor Ort wurde also unterlassen.

Damit wurden gängige und im Schlaf eingeübte Ermittlungsmethoden komplett ausgeschaltet, was zur Folge hat, dass alle „Ermittlungsergebnisse“, die später präsentiert wurden, wertlos sind, also einem Verwertungsverbot unterliegen müssten.

Eine Serie von „Pannen“ also, die auf systematische Weise die Rekonstruktion der tödlichen Ereignisse verhindert hatte. All dies ist unter Leitung und auf Anweisung des späteren Chefs der SOKO „Capron“ passiert. Hat man ihn wenigstens wegen der „Pannen“ gerügt oder sanktioniert?

Menzel ist derzeit im Thüringer Innenministerium Referatsleiter Verbrechensbekämpfung.“ (thueringer-allgemeine.de vom 18.11.2015)

Viel höher kann man nicht „fallen“. (mein Kommentar: doch, er könnte noch Nachfolger von Maaßen werden !)

Gordian Meyer-Plath | Verfassungsschutz in Brandenburg

Gordian Meyer-Plath war zeitweilig V-Mann-Führer des angeworbenen Neonazis Carsten Szczepanski mit Deckname „Piatto“:
„Von Januar 1997 bis Oktober 1998 war er VM-Führer von Piatto, zusammen mit einem zweiten VM-Führer, der bisher nicht eindeutig identifiziert ist. Meyer-Plath traf sich 37-mal mit Piatto, der bis zu 300 DM pro Treff als Honorar bekam, insgesamt 50.000 DM, zuzüglich Extraprämien für besonders wertvolle Informationen und Spesen.“ (Thomas Moser)

Der Neonazi und V-Mann Carsten Szczepanski ist zweifelsohne eine Schlüsselfigur im NSU-VS-Komplex:
„Der Mann war 1995 wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer (Steve Erenhi, d.V.) zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde damals im Gefängnis zu einem Informanten der Behörde und lieferte auch Hinweise auf die Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle.
Meyer-Plath hatte lange in der Verfassungsschutzabteilung des Brandenburger Innenministeriums gearbeitet und gehörte in den 90er Jahren zu den Führern des V-Mannes. Meyer-Plath betonte, ihm sei bekannt gewesen, dass der Mann ein führender und gefährlicher Rechtsextremist gewesen sei. Seine Vorgesetzten hätten sich aber aus strategischen Gründen für die Kooperation entschieden.
‚Ich habe die Früchte geerntet und das nicht hinterfragt‘, sagte er. (…) Der V-Mann lieferte 1998 auch Hinweise auf das gerade abgetauchte rechtsextreme Terrortrio NSU.“ (spiegel.de vom 15.4.2013)

Was 2013 noch nebulös als Hinweise umschrieben wurde, steht nun mehr als quellensicher fest. Der zweite V-Mann-Führer von „Piatto“ bestätigte am 2.3.2016 vor dem OLG in München genau das, was Recherchen bereits ans Licht gebracht hatten: Bereits 1998 habe ihm „Piatto“ erzählt, „die Unterstützer wollten Waffen für die drei besorgen und aus Konzerterlösen bezahlen. ‚Piatto’ habe ihm als Info-Quelle zwei Anführer der „Blood & Honour“-Gruppe genannt. Das war 1998 einer der wenigen Hinweise bundesweit auf den NSU.“ (pnn.de vom 3.3.2016)

Bei den „drei“ handelte es sich um die abgetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Nach seiner Haftentlassung 1999 machte er sich als Neonazi und V-Mann an den Aufbau von Wehrsportgruppen und beteiligte sich aktiv daran, einen Ableger von „combat 18“ aufzubauen.
Nach vollbrachter staatlich geförderter Neonazitätigkeit wurde er ins Zeugenschutzprogramm genommen und vor rechtstaatlichen Ermittlungen abgeschirmt: Der Verfassungsschutz Brandenburg verhindert durch eine sogenannte Sperrerklärung, dass der Neonazi und V-Mann in Münchner NSU-Prozess umfänglich aussagt.

Ganz auf der Linie des Justiz- und Innenministeriums agierte auch Gordian Meyer-Plath. Am 22. April 2015 wurde er als Zeuge im NSU-Prozess in München gehört.
Sein Erinnerungsvermögen glich dem der Neonazis, die als Zeugen gehört wurden. In den allermeisten Fällen, vor allem dann, wenn es konkret wurde, konnte er sich nicht erinnern. Manchmal verwies er auch auf seine Aussagebeschränkung.

Was auch hier bestenfalls als „Panne“ bedauert wird, ist der Aufbau eines neonazistischen Untergrundes, seine Co-Finanzierung und die gezielte Unterlassung von Möglichkeiten, neonazistische Straftaten zu verhindern.

All das hat Gordian Meyer-Plath nicht geschadet: Er ist seit 2013 Präsident des Verfassungsschutzes in Sachsen.

Referatsleiter Axel M. | Deckname Lothar Lingen | Bundesamt für Verfassungsschutz/BfV in Köln

Der Referatsleiter im BfV, mit dem Decknamen Lothar Lingen, „über Jahre verantwortlich für das Anwerben und Führen rechtsradikaler Spitzel, hat am Vortag (am 10.11.2011) um 10.25 Uhr per Mail den Auftrag erteilt, Dokumente zu sechs V-Männern aus Thüringen und einem aus Niedersachsen zu vernichten.
Die Akten zu den Fällen Tobago, Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tinte, Tarif würden ‚nicht mehr gebraucht‘.
Die Spitzel führte das Amt von 1999 bis 2003 – im Rahmen der ‚Operation Rennsteig‘.“ (Operation Konfetti, stern.de vom 16.10.2012)

Das Magazin Der Stern zeichnete die „Operation Konfetti“ wie folgt nach: „Am 4. November 2011 erschießen sich in einem Wohnmobil zwei Männer. In Zwickau explodiert ein Haus. Eine Mordserie endet. Seit Jahren bleiben Fragen unbeantwortet. (…) Köln, Bundesamt für Verfassungsschutz, 10. November 2011. Frau N., Sachbearbeiterin, gewissenhaft, fragt sicherheitshalber noch einmal nach.

“Was soll hier vernichtet werden?”
“Sechs Akten”, sagt der Referatsleiter M.
“Sind das denn V-Mann-Akten, oder sind das Werbungsakten?”
“Es sind V-Mann-Akten.”
“Die werden doch nicht vernichtet. Wieso sollen die vernichtet werden?”
“Tun Sie das, was ich sage.”
“Nein, das tue ich nicht. Geben Sie mir das schriftlich.”
Referatsleiter M. schickt eine E-Mail.

Einen Tag später, zwischen zehn und elf Uhr, schiebt Frau N., gewissenhaft und zusammen mit einem Kollegen, sechs Akten in den Schlund des gewaltigen Reißwolfs im Keller des Bundesamts.
Sechs Akten, auf die der Referatsleiter stieß, als er hektisch nach drei Namen suchte: Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt. (…)
Drei Namen, die den Verfassungsschützern seit einer Woche Sorgen machen, seit Maskierte eine Bank in Eisenach überfielen und ein Haus in Zwickau explodierte.
Namen, die schon bald mit einer Mordserie verbunden, zu Synonymen einer Staatsaffäre werden.“ (Stern vom 26.11.2014)

Nachdem dieser Vorgang nicht mehr als ganz normaler Vorgang im Rahmen gesetzlicher Löschfristen frisiert werden konnte, galt es einen hierarchiefreien Einzelgänger zu finden.
Genau dies tat der damalige Vize-Präsident Klaus-Dieter Fritsche in seiner Erklärung am 18.12.2012 vor dem PUA in Berlin wie folgt:

„Hiervon getrennt zu sehen ist der Sachverhalt der außerordentlichen Aktenvernichtung im BfV noch nach Bekanntwerden des NSU, über den ich erstmalig am 27.06.2012 Kenntnis erlangt habe und der mich fassungslos gemacht hat. Ich habe den damaligen Präsidenten des Bundesamtes unmittelbar aufgefordert, den Sachverhalt umfassend zu erheben und habe mir gleichzeitig disziplinarrechtliche Maßnahmen vorbehalten. (…) Ich möchte seinem heutigen Abschlussbericht in diesem Ausschuss nicht vorgreifen. Aber das offensichtlich bewusste, individuelle Fehlverhalten eines Referatsleiters hat dazu geführt, eine ganze Behörde in Verruf zu bringen.

Gehen wir auch hier davon aus, dass wieder einmal ein hochrangiger Beamter ganz eigensinnig und seiner inneren Stimme folgend, genau jene Beweismittel vernichtet hatte, die zuvor angefordert wurden.
Glauben wir weiterhin, dass ein solcher Beamter „eine ganze Behörde in Verruf“ gebracht hat, dann müsste es ihm in der Folge ganz schlimm ergangen sein!

Vor allem dann, wenn spätestens seit dem 24. Oktober 2014 mit seiner Vernehmung durch BKA-Beamte aktenkundig ist, dass weder Löschfristen, noch ein Versehen für die Vernichtung von V-Mann-Akten verantwortlich sind, sondern eine gezielte Vertuschung der Tatsache, dass der Verfassungsschutz zahlreiche V-Leute im Nahbereich des NSU hatte:

„Und da habe ich mir gedacht, wenn der quantitative Aspekt, also die Anzahl unserer Quellen (…) in Thüringen nicht bekannt wird, dass dann die Frage, warum das BfV von nichts gewusst hat, vielleicht gar nicht mehr auftaucht“, sagte Lingen laut BKA-Protokoll. (FR vom 5.10.2016)

Der Referatsleiter des Inlandgeheimdienstes hat also nicht nur wichtige Beweismittel vernichtet, die den Staatsanteil im NSU-Komplex qualifizieren könnten.
Er hat darüber hinaus diese Straftat mit vorgetäuschten Amtshandlungen verdeckt. Welche Folgen hatte dieses „offensichtlich bewusste, individuelle Fehlverhalten eines Referatsleiters“?

Er wurde ins Bundesverwaltungsamt in Köln versetzt, „wo er unter anderem Personenvorschläge für Auszeichnungen durch den Bundespräsidenten erarbeitet“ (FR vom 5.10.2016), unter seinem echten Namen: Axel Minrath.

Alexander Eisvogel | Direktor im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)

Alexander Eisvogel hatte von 2004 bis 2006 als Direktor beim Verfassungsschutz die damals neu gegründete Abteilung “Islamischer Extremismus und islamistischer Terrorismus” geleitet. Von seinem Amtskollegen im hessischen Verfassungsschutz bekam er die Anfrage, ein Gutachten anzufertigen, das den Schutz von V-Leuten unterstreichen sollte. Hintergrund dieses Ansinnens war, dass die ermittelnde Polizei im Mordfall Kassel 2006 den hessischen Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme als möglichen Tatverdächtigen führte. Dieser war zur Tatzeit anwesend und „führte“ u.a. den Neonazi Benjamin Gärtner, der zum NSU-Netzwerk gehörte, als V-Mann.
Da er am Tattag telefonischen Kontakt zu besagtem Neonazi und V-Mann hatte, wollten die Ermittler diesen Neonazi als Zeugen befragen.

Das beauftragte Gutachten kam zu dem Schluss, dass der Schutz von V-Leuten „unabdingbar“ sei und dies auch die „Sicherheitslage“ verlange.
Dank dieses Gutachtens wies der damalige Innenminister Volker Bouffier den Antrag auf Vernehmung dieses V-Mannes zurück.

Weniger als zwei Monate nach der Erstattung des Gutachtens wurde Eisvogel von Bouffier zum Präsidenten des hessischen Verfassungsschutzes ernannt.“ (FR vom 10./11.9.2016)

Auch das sollte noch nicht alles sein:

„Nach seiner Rückkehr zum BfV als dessen Vizepräsident leitete er zuletzt das Projekt zur Reform des Verfassungsschutzes.“ (n24. de vom 15.9.2013)

Klaus-Dieter Fritsche | Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Klaus-Dieter Fritsche war von Oktober 1996 bis November 2005 Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Im September 2003 verfasste er in dieser Funktion einen als geheim eingestuften Bericht, der die Frage nach einer „braunen RAF“, also nach terroristischen Strukturen und Verbindungen innerhalb der Neonaziszene, beantworten sollte.
Laut dem Magazin Stern kam der Bericht zu folgendem Ergebnis:

„Fritsche erinnerte die These von der braunen RAF an Berichte über ‚drei Bombenbauer aus Thüringen, die seit mehreren Jahren abgetaucht‘ seien. Dabei seien ‚diese Personen auf der Flucht‘ und hätten ‚seither keine Gewalttaten begangen‘. Ihre Unterstützung sei ‚nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten Kampf aus der Illegalität‘. Zudem seien ‚Absichten für einen solchen Kampf in der rechtsextremistischen Szene nicht erkennbar‘, ein ‚potenzielles Unterstützerumfeld‘ gebe es ‚nicht‘.“ (Operation Konfetti, stern.de vom 16.10.2012)

Von Dezember 2005 bis Dezember 2009 arbeitete Fritsche als Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt. Er hatte also leitende Funktionen inne, als das Totalversagen seinen Lauf nahm.
Und spätestens seit 2006 wusste er nicht nur, was im Bundesamt für Verfassungsschutz gemacht bzw. unterlassen wurde, sondern auch, was der Militärische Abschirmdienst/MAD dazu beigetragen hat.

Nachdem die Existenz des NSU nicht mehr zu verheimlichen war, versprach die Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011 der Öffentlichkeit und den Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors lückenlose Aufklärung.
Wie das gemeint war, bewies das Bundesamt für Verfassungsschutz zeitnah: Es wurde eine umfangreiche Vernichtung von V-Mann-Akten angeordnet, die im Nahbereich des NSU operiert hatten:

„Berlin, 14. November 2011, Bundesinnenministerium.
Ein Sachbearbeiter ist es, zuständig für Geheimschutz im Referat ‘S III 3‘, der einen vertraulichen ‚Vernichtungserlass‘ ans BfV abschickt. Es ist eine Weisung: Akten zu Abhörmaßnahmen müssten vernichtet werden, weil Löschungsfristen abgelaufen seien. Die ‚Sammelanordnung‘ betrifft auch sechs Ordner mit Abhörprotokollen von Rechtsextremisten.
Der Auftrag zum Schreddern kommt direkt aus dem Ministerium – aus einer Abteilung aus dem Bereich des Sicherheits-Staatssekretärs Fritsche.“
(Operation Konfetti, stern.de vom 16.10.2012)

Um zu klären, wie „versehentlich“ wichtige Akten von V-Leuten im Nahbereich des NSU vernichtet werden konnten, wurde Klaus-Dieter Fritsche am 18.10.2012 als Zeuge vor dem NSU-Ausschuss in Berlin befragt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bediensteten dieser Behörde gab er sich mit Bedauern und Erinnerungslücken nicht ab.
Er machte klar und deutlich, warum es hier geht, warum seine Behörde so gehandelt hat, warum alles richtig war und ist:

Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. Es darf auch nicht so weit kommen, dass jeder Verfassungsfeind und Straftäter am Ende genau weiß, wie Sicherheitsbehörden operativ arbeiten und welche V-Leute und verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates eingesetzt sind. Es gilt der Grundsatz ‚Kenntnis nur wenn nötig‘. Das gilt sogar innerhalb der Exekutive.
Wenn die Bundesregierung oder eine Landesregierung daher in den von mir genannten Fallkonstellationen entscheidet, dass eine Unterlage nicht oder nur geschwärzt diesem Ausschuss vorgelegt werden kann, dann ist das kein Mangel an Kooperation, sondern entspricht den Vorgaben unserer Verfassung. Das muss in unser aller Interesse sein.“

Damit war die Frage beantwortet, warum über 300 Akten vernichtet worden sind, warum zahlreiche V-Mann-Akten nur geschwärzt einsehbar sind, warum der Tatanteil von V-Männern am Zustandekommen des NSU bis heute gedeckt wird. Die offene und unmissverständliche Ankündigung und Rechtfertigung, die juristische und politische Aufklärung zu sabotieren, hat auch diesem Mann nicht geschadet. Im Gegenteil: Er wurde dafür fürstlich belohnt.

Seit Dezember 2013 ist er Staatssekretär für die Belange der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt. Dieser Posten wurde von der Bundeskanzlerin Angela Merkel neu geschaffen.

Freispruch am laufenden Meter

Man muss den Ausgang im NSU-Prozess in München nicht abwarten, um mit dieser Art der „Aufklärung“ abzuschließen.
Denn lange bevor das Urteil in München gesprochen wird, wurden die an dem „massiven Behördenversagen“ Beteiligten mit diesen Belobigungen „gefeiert“.

Und es lässt sich ein mehr als düsteres Fazit ziehen:
Wenn all jene nichts zu befürchten haben, die den NSU ausgestattet haben, Festnahmemöglichkeiten verhindert hatten, V-Leute als Neonazis gewähren ließen, Akten vernichtet haben, die dies belegen würden – wenn diese vielmehr gedeckt, beschützt, belohnt und befördert werden, dann haben sie nichts falsch, sondern alles richtig gemacht.

Quelle: Eine sehr gute Zusammenfassung zur „Operation Konfetti“ findet sich hier (stern.de vom 16.10.2012)

Wolf WetzelDer NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2015/3. Auflage

https://www.der-postillon.com/2018/09/nahles-maassen-spd.html?m=1

Nahles verteidigt Maaßen-Deal: „Versager zu befördern hat eine lange Tradition in der SPD“

NahlesBerlin (dpo) – Nach scharfer Kritik durch Medien und Parteikollegen hat SPD-Chefin Andrea Nahles heute den Kompromiss der Großen Koalition zur Personalie Maaßen mit klaren Worten verteidigt.
„Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Versager zu befördern hat doch eine lange Tradition in der SPD“, so Nahles in einer Pressekonferenz. „Seit Jahrzehnten befördern wir Wahlverlierer und jene, die mit ihrer Politik für den Absturz unserer Partei verantwortlich sind, in immer höhere Positionen.“
So sei etwa Peer Steinbrück zur Belohnung für seine Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zum Finanzminister und später gar zum Kanzlerkandidaten befördert worden. Heiko Maas wurde nach seiner Niederlage im Saarland mit dem Posten als Justizminister belohnt. Frank-Walter Steinmeier, der die Bundestagswahl 2005 in den Sand gesetzt hat, sei inzwischen Bundespräsident. Selbst Kanzlerkandidat Martin Schulz sollte nach seiner krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl 2017 mit dem prestigeträchtigen Amt des Bundesaußenministers belohnt werden.
„Da ist es doch völlig klar, dass wir einen Mann wie Maaßen, der gegen Journalisten wegen Landesverrats ermitteln ließ, zweifelhafte AfD-Kontakte pflegte, Snowden als russischen Agenten bezeichnete, über V-Leute im Umfeld des Terroristen Amri log und zuletzt Äußerungen zu Chemnitz tätigte, die er nicht belegen konnte, nicht einfach rausschmeißen, sondern in einen höheren Posten heben“, so Nahles.
„Auch ich wäre ohne dieses Prinzip nie Parteivorsitzende geworden. Ich meine, schauen Sie mich doch mal an! Aber nicht zu lange, sonst gibt’s auf die Fresse.“ Sie schaut kurz ernst und bricht dann in schallendes Gelächter aus.

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Jochen

Der Terror der Geheimdienste in Deutschland: VS, BND. NSA, MAD

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Die Linke Ulla Jelpke, MdB, auf den NachDenkSeiten spricht das aus, was auch ich vermute:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=26060
Auszüge:

Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst – die Liste der deutschen Geheimdienste ist lang. Und in Skandale und illegale Machenschaften scheinen sie allesamt verstrickt. Unterminiert das nicht wirklich kontrollierte Agieren der Dienste womöglich unsere Demokratie?
Zu diesen Fragen sprach
Jens Wernicke mit der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, die in der Linksfraktion zu Sicherheits- und Grundrechtsfragen tätig ist.

Stasi versus NSA: Vergleich der Aktenmengen

Stasi versus NSA

Frau Jelpke, Sie kritisieren seit Langem die Geheimdienste im Land. Warum? Die Dienste beschützen uns doch vor Terror und anderer Gefahr…

Und ans Sandmännchen glauben Sie wahrscheinlich auch…

Wie meinen Sie das?

Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem nachgewiesen wurde, dass die Geheimdienste wirklich einen Terroranschlag verhindert haben.
Aber es gibt viele Fälle, in denen sich die Geheimdienste selbst als Rechtsbrecher erwiesen haben.

Die aktuellen Berichte, wonach der BND Erkenntnisse zu europäischen Bürgern und Konzernen an die NSA übermittelt hat, sind ja nur die Spitze des Eisbergs.
Hier wurde jeder rechtsstaatliche Grundsatz verletzt: Von Grundrechten über das informationelle Selbstbestimmungsrecht bis hin zu den Interessen der Konzerne.

Nicht, dass mir das Interesse von Rüstungsschmieden an der Geheimhaltung ihrer Geschäfte besonders am Herzen liegen würde – ich hätte gar nichts dagegen, wenn deren dunkle Geschäfte ans Tageslicht kämen. Aber darum ging es ja nicht, sondern nur um Wirtschaftsspionage zugunsten der USA.
Dass sich der BND dazu bereitgefunden hat, und das angeblich keiner gemerkt haben will, ist für mich ein klares Zeichen dafür, dass er sich keinen Deut um seine rechtlichen Kompetenzen schert, sondern vielmehr wie ein Staat im Staate agiert.

„Staat im Staate“ meint dabei was genau?

Dass es praktisch keine Möglichkeiten gibt, zu kontrollieren, was der BND, und die anderen Geheimdienste, eigentlich treiben. Es gibt zwar interne und externe Kontrollinstanzen, insbesondere das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag und jetzt auch einen Untersuchungsausschuss. Aber die sind zu einer wirklichen Kontrolle überhaupt nicht in der Lage.
Dem Untersuchungsausschuss etwa werden Akten vorenthalten oder geschwärzt vorgelegt, häufig auch erst in letzter Minute zugestellt. Die wirklich brisanten Meldungen über Skandale sind ja bislang immer von investigativen Journalisten in Zusammenarbeit mit Whistleblowern in die Öffentlichkeit gelangt.
Das hat mit einem rechtsstaatlich abgesicherten und effektiven Kontrollverfahren natürlich nichts zu tun.

Wenn ich aber einen Geheimdienst mit einem Budget von einigen Hundert Millionen Euro habe, der genau weiß, dass er von außen, sprich: von der zivilen Öffentlichkeit und dem Parlament, völlig abgeschottet ist, muss ich mich auch nicht wundern, dass er von diesem Freibrief auch Gebrauch macht und tut und lässt, was er für richtig hält.

Ich will damit nicht sagen, dass andere staatliche Institutionen alle supergut kontrolliert oder transparent wären. Aber es gibt schon Unterschiede. Ich erlebe das ja auch in meiner parlamentarischen Arbeit immer wieder: Da kann ich von der Bundesregierung im Rahmen so genannter „Kleiner Anfragen“ Auskunft über Details des Regierungshandelns bzw. von Erkenntnissen der Regierung verlangen, etwa was die Bundespolizei im Ausland so treibt. Die bekomme ich auch, wenn auch manchmal mit Widerstreben und nicht so ausführlich wie ich das für nötig halte. Aber wenn es um Geheimdienste geht, werden sofort die Jalousien runtergelassen: Absolute Geheimhaltung, nicht einmal im Geheimschutzbunker darf ich mir Unterlagen ansehen, weil angeblich Gefahr für den Fortbestand der westlichen Zivilisation bestünde.

„Wie uns angeblich noch keiner – um mit Bismarck zu reden – den preußischen Leutnant nachgemacht hat, so hat uns in der Tat noch keiner den preußisch-deutschen Militarismus ganz nachzumachen vermocht, der da nicht nur Staat im Staate, sondern geradezu ein Staat über dem Staat geworden ist (…).“

Karl Liebknecht

Und diese Probleme haben derlei Institutionen grundsätzlich? Also auch der VS, der MAD und wie sie alle heißen; auf alle trifft dasselbe zu?

Klar, die können ja genauso wenig kontrolliert werden. Der MAD ist ja ein vergleichsweise kleiner Dienst, der wenig Schaden anrichtet. In den Auslandseinsätzen ist sowieso schon der BND für die geheimdienstliche Aufklärung zuständig, der MAD agiert nur innerhalb der Bundeswehrcamps. Da wird ja auch von Seiten der herrschenden Regierungsparteien immer wieder eine Einsparung vorgeschlagen.
Allerdings fordert auch der MAD jetzt mehr Vollmachten zur Überprüfung von Bundeswehrrekruten – angeblich, um bereits im Vorfeld Salafisten erkennen zu können, die nur zur Bundeswehr gehen, um dort eine Kampfausbildung zu erhalten.

Und was den Verfassungsschutz angeht: Wir wissen ja mittlerweile, dass der einen aktiven Part dabei hatte, den Naziterroristen, die später beim NSU mordeten, den Rücken frei zu halten. Die haben denen Geld und falsche Ausweise verschafft und sie vor polizeilichen Ermittlungen bewahrt.

Verstehe ich recht: Sie sprechen nicht – wie andere – von „Ermittlungspannen“, sondern sagen: Der Verfassungsschutz hat diesen faschistischen Terror mutwillig ermöglicht und hiernach dann gedeckt?

Ich weiß, dass das ein harter Vorwurf ist. Und beweisen lässt sich so etwas natürlich derzeit noch nicht. Ich kann nur von den bislang bekannten Tatsachen und Indizien ausgehen.
So war nahezu jedes zehnte Mitglied der Neonazikameradschaft Thüringer Heimatschutz, dem die späteren NSU-Terroristen in den 90er Jahren angehörten, V-Mann eines Geheimdienstes. Und auch der Chef des Heimatschutzes, Tino Brandt, arbeitete für den Thüringer Verfassungsschutz und bezog dafür einen Agentenlohn von 200.000 Mark. Quasi vor den Augen des Verfassungsschutzes bzw. seiner V-Leute konnte das NSU-Trio dann abtauchen, als wegen Bombenfunden gegen die drei ermittelt wurde.
Der Verfassungsschutz versuchte, ihnen Geld für falsche Papiere zukommen zu lassen – und auch die Ausweise, die sie dann verwendeten, sollen aus Geheimdienstbeständen stammen. Über seine V-Leute war der Verfassungsschutz zumindest am Anfang eigentlich ständig über den Aufenthalt des Trios informiert.
Und dann haben wir den hessischen Verfassungsschützer Andreas Temme mit dem bezeichnenden Spitznamen „Klein Adolf“, der nicht nur angeblich zufällig während eines NSU-Mordes am Betreiber eines Kasseler Internetcafés anwesend war, von diesem aber nichts bemerkt haben will, sondern ebenfalls in unmittelbar zeitlicher Nähe zu weiteren NSU-Morden Telefonkontakte zu seinem V-Mann aus der militanten Naziszene unterhielt.
Wie aus einem Abhörprotokoll der Polizei hervorging, ermahnte der Geheimschutzbeauftragte des Verfassungsschutzes in Hessen Temme vor der Polizeivernehmung mit den Worten „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, dann nicht vorbeifahren.“
Dass die Geheimdienste hier etwas zu verbergen haben, wird auch durch die umfangreiche Aktenschredderei nach Auffliegen der NSU-Zelle deutlich. Und inzwischen sind mehrere, zum Teil sehr junge Zeugen einschließlich V-Leuten plötzlich verstorben.

Über mögliche Motive bei den Verfassungsschützern können wir auch nur Mutmaßungen anstellen. Im harmloseren Fall wollten Geheimdienstler vielleicht ihre Quellen – also ihre V-Leute – nicht gefährden und haben darum nicht eingegriffen. Sie hofften, vielleicht, nach weiterem Abwarten ein großes Nazinetzwerk aufrollen zu können.
Sollte das der Plan gewesen sein, dann ist das natürlich gründlich danebengegangen. 10 Tote durch den NSU sind einfach ein zu hoher Preis dafür.

Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass hier eine Fraktion im Geheimdienst selbst aus dem Ruder gelaufen ist. Also eine faschistische Fraktion oder einzelne Verfassungsschutzmitarbeiter, die hier Killer aus der Nazi-Szene als Männer fürs Grobe rekrutieren wollten und daher den NSU an der langen Leine laufen ließen.
Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sich der Staat auch solcher Mittel bediente. Ich erinnere da etwa an die NATO-Geheimarmee Gladio, die in allen NATO-Staaten – auch in der Bundesrepublik – existierte, zum Teil auch mit Beteiligung von Faschisten. Ursprünglich für den Fall einer sowjetischen Invasion zum Kampf hinter den feindlichen Linien gedacht, sollten Gladio-Kräfte später auch gegen vermeintliche innere Feinde – Kommunisten aber auch Sozialdemokraten – vorgehen, um eine politische Linksentwicklung zu verhindern. Zu diesem Vorgehen gehörten auch Terroranschläge und False-Flag-Operationen, wie wir sie insbesondere aus Italien kennen, wo Gladio ja auch hinter dem Anschlag auf den Bahnhof von Bologna im Jahr 1980 steckte.
Im gleichen Jahr kam es dann zu einem Anschlag eines Neonazis auf das Münchner Oktoberfest, für den es ebenfalls Hinweise auf eine Gladio-Verbindung gibt.

Das wäre dann ja wörtlich das, was in Teilen der Linken üblicherweise unter dem Begriff „Staat im Staate“ adressiert wird: Geheimdienste, die vorgeben, die Bürger zu schützen, im Zweifelsfall aber vielmehr – zur Wahrung der Interessen einer kleinen, mächtigen Minderheit im Staate – selbst extralegal Verbrechen decken, zu solchen anstiften, töten oder gar Terror inszenieren.
In der interessierten Öffentlichkeit leidlich bekannt sind da etwa die Geschehnisse um das „Celler Loch“, die Forschungen von Daniele Ganser zu besagten NATO-Armeen Geheimarmeen sowie der kürzliche Zusammenbruch des Lügengebäudes um den Flugzeugabsturz von Ustica 1980.
Lassen Sie mich daher fragen: Wem dienen die Dienste Ihrer Einschätzung nach denn …hier? Wenn ich mich recht erinnere, war es etwa der Verfassungsschutz, der einst bei BILD ein- und ausging und Hand in Hand mit Springer daran arbeitete, Günter Wallraff politisch mundtot zu machen… Aber es ist ein paar Jahre her, dass ich das las – und vielleicht irre ich mich auch.

Ich würde weniger fragen, wem, sondern vielmehr, wozu die Geheimdienste dienen. Denn ihre Aufgabe ist letztlich wie bei allen Sicherheitsbehörden des bürgerlichen Staates die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung und der Schutz der Privilegien der Besitzenden. Das verbirgt sich hinter dem vielbemühten Schutz der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung, die in Wirklichkeit eine einseitige antisozialistische Auslegung des Grundgesetzes darstellt.

Klar war von Anfang an, dass für den Verfassungsschutz der Feind links steht. Er wurde ja zur Hochzeit des Kalten Krieges gegründet.
Seilschaften von Altnazis aus Gestapo, SD und SS gewannen zuerst als freie Mitarbeiter und später verbeamtet erheblichen Einfluss. Sie wurden aufgrund ihrer im Faschismus gewonnenen Erfahrung bei der Bekämpfung des Kommunismus gebraucht.
Und beim BND sieht es nicht viel anders aus, nur dass dieser Dienst weniger für den Kampf gegen linke, kapitalismuskritische Entwicklungen im Inland zuständig ist.
Er kümmert sich vielmehr um die Durchsetzung deutscher Macht-Interessen in aller Welt. Das heißt, darum, dass „unser“ Zugang zu Rohstoffen und Märkten, also die Ausplünderung anderer Länder, nicht von dortigen Befreiungsbewegungen, antiimperialistischem Widerstand oder antikolonialen Maßnahmen linker Regierungen gestört wird.

Zur Bekämpfung linker Bewegungen im Inland gehört aber nicht nur ihre geheime Bespitzelung durch die Geheimdienste. Das sieht man etwa an der Partei DIE LINKE.
Die wurde bis vor kurzem ganz offen beobachtet, angeblich nur unter Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen. Heute werden „nur noch“ die vermeintlich extremistischen Zirkel beobachtet, zu denen etwa die AG Cuba Si gehört.
Nur ist klar: Staatsgefährdende Umtriebe gehen von der LINKEN nicht aus. Warum also die Beobachtung? Ich glaube, hier steht vor allem der Aspekt von Einschüchterung und Diffamierung im Vordergrund.
Die Bundesregierung setzt darauf, alles, was auch nur im Verdacht steht, antikapitalistisch zu sein, zum Paria zu machen, zu Schmuddelkindern, mit denen wahre Demokraten nicht spielen dürfen. So könnten sich einfache Bürger etwa gehemmt sehen, Wahlkreisbüros von LINKEN aufzusuchen, weil sie Sorge haben, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.
Das gleiche Konzept verfolgt die ewige Vorfeld-Kriminalisierung beispielsweise von Gipfelprotesten, die als „extremistisch“ verteufelt werden, um sie möglichst klein zu halten.

Der Erfolg dieser Taktik ist allerdings fraglich – ich habe die Hoffnung, dass immer mehr Menschen erkennen, dass der Kapitalismus keineswegs unter Verfassungsschutz steht und Opposition zu diesem Ausbeutungssystem nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig ist.

„Also haben wir es sowohl mit einem Geheimdienst- als auch mit einem Regierungsskandal zu tun. Skandal? Das klingt so wie Ausnahme, Einzelfall oder Ausreißer. Doch davon müssen wir uns verabschieden – denn die zahlreichen „Skandale“, von denen wir seit Snowdens Enthüllungen, seit Aufdeckung der NSU-Mordserie und der Verwicklungen des „Verfassungsschutzes“ in Neonaziszenen erfahren mussten, führen uns deutlich vor Augen: Diese Skandale haben System, und dieses System ist ein Geheimsystem, das mit den technologischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters Gesellschaften und Demokratien auf immer aggressivere Weise durchsetzt. Der „tiefe Staat“ lässt grüßen. Dafür verantwortlich sind Bundesregierungen und Parlamentsmehrheiten, die dieses System aufrechterhalten und es wuchern lassen – trotz aller Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaats und seiner Bürger, trotz millionenfacher Verletzung ihrer Freiheitsrechte und Privatsphäre.“

Rolf Gössner in: „BND und NSA Eine grauenhafte Allianz

Und welche Funktion spielt die „Extremismustheorie“ bei alledem?

Nun, die Bundesregierung, vor allem die Unionsfraktion, ist ja eine große Verfechterin des „Extremismusansatzes“, sprich der Gleichsetzung von Rechts- und Links-Extremisten. Nur konsequent also, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Oktober 2011 ein Aussteigerprogramm Links ins Leben gerufen hat. Eines für Nazis gibt es ja schon, also musste auch eines für Linke her.

Die Hilfsangebote umfassen prinzipiell auch Hilfe bei der Wohnungssuche und beim Umzug – falls eben jemand aus einer linken WG raus will. Im Wesentlichen, so meint die Bundesregierung, besteht die Funktion des Geheimdienstes dabei darin, „als Gesprächspartner“ zu dienen; für Leute, die „kaum über soziale Kontakte außerhalb der Szene“ verfügen. Wer Angst hat, keine Freunde mehr zu haben, wenn er die 1.-Mai-Demo meidet und nicht mehr zum Antifa-Plenum geht, soll also seinen Kontaktmann beim Verfassungsschutz anrufen – eine ziemlich absurde Vorstellung.

Ich habe mich in zwei parlamentarischen Anfragen nach diesem Programm erkundigt und konnte feststellen: Der Arbeitsaufwand für den Verfassungsschutz hält sich in engen Grenzen. Im ersten Jahr gab es immerhin noch 33 Kontaktaufnahmen. Die meisten Anrufer waren allerdings Scherzbolde oder Journalisten.
In drei Fällen folgten persönliche Gespräche, und am Ende hat, nach Regierungsangaben, ein – ich wiederhole: ein – junger Mann in Bayern mit Hilfe des Verfassungsschutzes die autonome Szene verlassen. Inwiefern die geheimdienstliche Unterstützung dabei ausschlaggebend war, kann ich nicht genau sagen.
Der Erfolg des ersten Jahres konnte jedenfalls nicht wiederholt werden: Im Jahr 2013 gab es nur noch fünf Kontaktaufnahmen und keinen einzigen Aussteiger mehr.
Das Programm verläuft damit ganz zu meiner Zufriedenheit: Im Sande.

All das ist dann wohl auch der Grund, warum einige Linke meinen, „Geheimdienste“ seien mit einem demokratischen Rechtsstaat per se nicht zu vereinbaren und sollten daher aufgelöst werden, was andere wiederum für utopisch oder gar verrückt halten, da diese der Auffassung sind, die Dienste beschützen sie doch.
Wie sehen Sie das? Was wäre Ihre Option?

Man muss zunächst einmal klarmachen, dass die Geheimdienste keinen Schutz gewähren, sondern eine alltägliche Bedrohung sind.
Sie geben vor, die Freiheit zu verteidigen, aber was sie tatsächlich tun, ist, Grundsätze der Freiheit, des Rechts, der Privatsphäre usw. immer wieder zu verletzen.
Und das sind keine Ausrutscher, sondern das ist System, wobei ich behaupten würde, dass das im Wesen von Geheimdiensten generell liegt.
Auch die Staatssicherheit der DDR unterlag keiner gesellschaftlichen Kontrolle und keiner Transparenz und hatte deswegen ihre bekannten Auswüchse. Genutzt hat sie am Ende sowieso nichts.

Meine Position ist und bleibt daher, dass es in einer Demokratie keine Bereiche geben darf, in denen staatliche Organe klandestin und ohne effektive Kontrolle agieren, denn das bedeutet zwangsläufig, dass sie auch jenseits von Recht und Gesetz agieren.

Wie aber sollte es ohne sie gehen?

So, wie es in einem Rechtsstaat auch vorgesehen ist: Für die Kriminalitätsbekämpfung ist die Polizei zuständig. Wenn ihr Anhaltspunkte bekannt sind, dass jemand einen Anschlag plant, kann sie beim zuständigen Gericht eine Telekommunikationsüberwachung beantragen usw. usf. Wer sagt denn, dass das nicht ausreichend ist?

Ich warne jedenfalls davor, einen Mittelweg in Form eines „gezähmten“ Geheimdienstes für realistisch zu halten. Denn den gibt es nicht.
Gleichzeitig geht keiner der parlamentarischen Reformvorschläge, die ich kenne, wirklich soweit, die Geheimdienste auch nur jenem Maß an Kontrolle zu unterwerfen, das für die Polizei verbindlich ist. Die Vorschläge erschöpfen sich vielmehr darin, Regelungen zu ersinnen, welche die Herausnahme der Geheimdienste aus dem rechtsstaatlichen Transparenzgebot nur anders organisieren und begründen.
Da sollen dann beispielsweise das Parlamentarische Kontrollgremium durch neue Mitarbeiterposten verstärkt und Oppositionsrechte gestärkt werden.

Die SPD hat in einem Papier sogar mal behauptet, ein Umzug des Verfassungsschutzes von Köln nach Berlin wäre schon ein Gewinn für die Demokratie, weil an der Spree ein demokratischerer Geist wehe. Das ist natürlich Quatsch.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist vielmehr jene: Wollen wir, dass eine Behörde mit einem Millionenbudget im Verborgenen agiert, ihr damit also auch weitere Straftaten möglich sind, oder wollen wir die Demokratie tatsächlich schützen – was, wie ich meine, mit Anti-Demokratie nicht möglich ist?

Sie würden die Dienste also auflösen?

Ja, unbedingt. Denn, wie gesagt: Der Schutz der Verfassung, wenn er denn ernst genommen wird, ist ja eine absolut notwendige Sache.
Und mit dieser Position bin ich auch nicht allein: Die Linksfraktion hat Mitte April einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der darauf hinausläuft, den sich „Verfassungsschutz“ nennenden Inlandsgeheimdienst abzuschaffen.

Wir wollen das Bundesamt für Verfassungsschutz abwickeln und stattdessen eine „Koordinierungsstelle zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ schaffen. Die soll, wie es auch im Grundgesetz vorgesehen ist, Unterlagen über einschlägige verfassungsfeindliche Bestrebungen sammeln und für ihre koordinierte Weiterleitung sorgen, etwa an die Polizeien der Länder. Sie ist aber ausdrücklich nicht zur eigenständigen Erhebung von Informationen befugt, und zwar weder aus geheimen Beobachtungen noch aus öffentlich zugänglichen Quellen. Damit unterscheidet sie sich fundamental vom geheimdienstlichen Verfassungsschutz.

Dem Schutz der Verfassung wäre damit gedient, ohne die Nachteile eines unkontrollierten Staates im Staate in Kauf zu nehmen.

Dann … eine letzte Frage noch: Seit Stuttgart21 und verstärkt noch nach den Ausschreitungen bei Blockupy wird immer wieder über sogenannte „Polizei-Provokateure“ gesprochen, denen man zuschreibt, sie würden Gewalt unter den Demonstranten gezielt eskalieren, um die – in aller Regel kritischen – Versammlungen hierdurch ihrer obrigkeitsstaatlichen Auflösung zuführen zu können. Ist das wahr oder Verschwörungstheorie – was ist Ihr Wissensstand hierzu?

Agents Provocateures oder Lockspitzel sind keine Verschwörungstheorie sondern ein altes Mittel staatlicher Behörden, um Proteste zu diskreditieren.

Ein bekannter Fall war in den späten 60er Jahren der Verfassungsschutzagent Peter Urbach, der die linksradikale Szene ungefragt mit Schusswaffen, Molotowcocktails, Spreng- und Brandbomben belieferte und damit zur Militarisierung dieser Szene bis zur Herausbildung von Stadtguerillagruppen beitrug. Auch spätere RAF-Mitglieder erhielten Waffen von dem Verfassungsschutzmann.

Und in Berlin haben wir vor einigen Jahren beim 1. Mai erlebt, wie schwarz-vermummte scheinbare Autonome aus Polizeiwagen stiegen und sich unter die Demonstranten mischten, von wo kurz darauf Steine und Flaschen geworfen wurden.

Im jetzt von der Regierung vorgelegten Gesetz zur Neuregelung der Kompetenzen von V-Leuten des Verfassungsschutzes werden übrigens beispielsweise militante Aktionen auf oder nach Demonstrationen ausdrücklich als zulässig betrachtet, wenn ein V-Mann so seine Glaubwürdigkeit in der jeweiligen Szene sichern muss. Der Übergang zum Agent Provocateur ist da fließend.

Ich bedanke mich für das Gespräch.


Weiterlesen:

Mein Nachtrag: Bei der großen Demo gegen Stuttgart 21 wurde tatsächlich ein schwarz vermummter Polizeiagent enttarnt. Der damalige Ministerpräsident Mappus hatte sich vom hessischen Kollegen Koch dessen Polizeiexperten "ausgeliehen".
Und es gab bei den letzten Blockupy-Demos gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt Neonazi-Gruppen, die versuchten, unter den Autonomen unterzutauchen. Wurden die vielleicht auch von einem Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes geführt ?

 Jochen