Regime-Change in Kiew: SPIEGEL enthüllt Lobbykampagne

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Nach dem Putin-GAU des ZDF muss der SPIEGEL wohl vorpreschen.
Der Autor eines Timoschenko-kritischen Buches kommentiert schadenfroh in der jungen Welt, Interessant, welche Namen dabei fallen: die Riege der alten DDR-Opposition:
https://www.jungewelt.de/2015/12-24/066.php
Auszüge:

Angst vor neuem Maidan

Von Frank Schumann

Timoschenko_GrueneSolidarität mit dem schönsten Hefezopf der Ukraine: EU-Parlamentarier Rebecca Harms und Werner Schulz (beide Grüne) mit Timoschenko-Porträt im Juni 2012 in Charkiw -Foto: Vasily Fedosenko/Reuters

Der aktuelle Spiegel entrüstet sich auf drei Seiten über eine von außen finanzierte Medienkampagne für die seinerzeit inhaftierte Julia Timoschenko.
Die Exregierungschefin der Ukraine, wir erinnern uns, war zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil sie sich im Amte um einige hundert Millionen Dollar bereichert hatte.
2012 kämpften jedoch unisono die deutschen Medien für die Freiheit der kriminellen, korrupten Politikerin, sie wurde von Hamburg bis München auf den Schild gehoben, sie war die Kiewer Jeanne d’Arc, die Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine. Kritik war unzulässig.
Eine Abordnung der Berliner Charité attestierte ihr nämlich ein schweres Rückenleiden, an dem sie zugrunde ginge, würde sie nicht in Deutschland operiert. Bundespräsident Joachim Gauck sagte eine Ukraine-Reise ab, Kanzlerin Merkel blieb der Fußball-EM im Sommer 2012 fern, mehrere EU-Außenminister veröffentlichten einen Appell in der New York Times, dass Kiew die »Unterdrückung der Opposition« beenden solle, weil dies die angestrebte EU-Integration der Ukraine gefährden würde.

Um mir angesichts dieser geschlossenen Meinungsfront selbst ein Bild zu machen, reiste ich im Frühsommer 2012 in die Ukraine. Der Blick hinter die Kulissen erschien als Buch (»Die Gauklerin. Der Fall Timoschenko«). Der Rezensent der jungen Welt nannte es »Wirtschaftskrimi, Politthriller und prononcierte Medienschelte« und konstatierte ziemlich verärgert: »Wie die Täterin zum Opfer mutieren konnte, ist zum Haare raufen« (jW vom 27. Oktober 2012).
Obgleich Dutzende Redaktionen das Buch angefordert hatten, erschien sonst so gut wie keine Besprechung. Dabei gab es bereits Übersetzungen in Frankreich, Russland und der Ukraine. Ich fragte die verstummten potentiellen Rezensenten nach dem Grund.
Die Antwort war fast überall die gleiche. Ein Spiegel-Redakteur und Kenner der Materie bekundete Beifall, dass endlich mal jemand Timoschenko eins auf die Mütze gegeben habe – aber besprechen werde er das Buch dennoch nicht: Der Tenor verstoße gegen die Linie des Blattes.
Offenkundig war die Linie überall: Kein kritisches Wort.

Jetzt enthüllt der Spiegel: Mit 500.000 Euro aus der Ukraine, gezahlt in zwei Raten, war in Deutschland eine Medienkampagne für Timoschenko inszeniert worden. Ihr Parteifreund Arsen Awa­kow hatte laut dem Bericht in Heft 52/2015 Kon­takt zu Ber­li­ner Lob­by­is­ten aufgenommen. Dazu soll der letz­te DDR-Mi­nis­ter­prä­si­dent Lo­thar de Mai­ziè­re gehört haben, außer­dem die Ber­liner Lob­by­fir­ma Ger­man PR and con­sul­ting group, kurz GPRC.
Zuerst soll­te Timoschenkos Me­di­en­prä­senz verstärkt wer­den. Am 12. De­zem­ber 2011 er­schien in Bild ein In­ter­view mit ihrer Tochter: »Mei­ne Mut­ter stirbt, wenn ihr kei­ner hilft!«

Der Spiegel – damals willig dabei – gibt sich heute entrüstet: »Die Kampagne für Timoschenko ist ein Lehrstück über Lobbyarbeit in Berlin, sie zeigt, wie Strippenzieher in der Hauptstadt Medien und Politik zu beeinflussen versuchen.« Nur in der Hauptstadt?

Nachdem 2014 die Regierung von Wiktor Janukowitsch durch das prowestliche Regime von Petro Poroschenko ersetzt wurde, sind Timoschenko und ihr Rücken hierzulande so wenig Thema wie etwa die Presse- und Meinungsfreiheit in der Ukraine. Die, wir erinnern uns, laut deutschen Medien unter dem Diktator Janukowitsch schwer unterdrückt wurde.
Verschiedene Quellen behaupten allerdings, dass es allein in diesem Jahr 224 Attacken unterschiedlicher Art auf Journalisten oder Medien gegeben habe, weil sie nicht der aktuellen Regierungslinie folgten.
Der 45jährige Journalist und Historiker Oles Buzina wurde am 16. April in Kiew erschossen. Er hatte sich gegen Korruption und für eine Föderalisierung der Ukraine eingesetzt. Die Ermittlungen führten bis heute zu keinem Ergebnis.
Drei Tage zuvor war der Journalist Sergej Suchobok ermordet worden: Auch er ein erklärter Gegner des vom Parlament am 9. April verabschiedeten Gesetzes, mit dem die Nazikollaborateure der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) zu »Freiheitskämpfern« erklärt worden waren.

Buzina, Suchobok, Olga Moros, Chefredakteurin des Neteschinski Westnik, und andere ermordete oder mundtot gemachte Journalisten wurden zudem als »Friedensstifter« verhöhnt: Sie hatten auch ein Ende des Bürgerkrieges gefordert.

Inzwischen scheint das Regime subtiler gegen Kritiker vorzugehen, wie der Fall des Nachrichtensenders 112 Ukraina zeigt. Er sendet seit November 2013 – mit Beginn der Maidan-Proteste –, erreicht inzwischen per Kabel und Satellit etwa drei Viertel des Territoriums der Ukraine und hat rund 450 Mitarbeiter.
Der Sender bietet sowohl Regierungs- als auch Oppositionspolitikern eine Bühne. Das genügte bereits, um 112 Ukraina wiederholt den Entzug der Lizenz anzudrohen und Strafverfahren gegen Mitarbeiter anzustrengen.
Verantwortlich ist der Nationalrat für Hörfunk und Fernsehen, der von Poroschenko kontrolliert wird. Nun könnte man unterstellen, dass der Präsident lediglich einen erfolgreichen Konkurrenten ausschalten möchte – er selbst besitzt den Kanal 5, der im Ranking der zehn größten Fernsehsender hinter 112 Ukraina rangiert. Dazu passt auch das jüngste Gerücht, dass Poroschenko über einen Strohmann namens Polischtschuk, einen Immobilienmogul, den Sender kaufen wolle. Angeblich sei schon eine erste Tranche von vier Millionen Dollar geflossen.
Aber dahinter steckt mehr: Es ist die Furcht vor einem neuen Maidan. Poroschenko, der laut ukrainischen Medienberichten 2015 sein Vermögen versiebenfacht haben soll, will mit allen Mitteln sein Regime an der Macht halten.
Kiew, so heißt es in dortigen Oppositionskreisen, sei aktuell von europäischen Werten – wie Presse- und Meinungsfreiheit – so weit entfernt wie vor zwei oder vor zehn Jahren, als Timoschenko Ministerpräsidentin war.
Fließt etwa wieder Geld aus der Ukraine in eine PR-Kampagne, dass man darüber kaum etwas in deutschen Medien erfährt?

Jochen