Verhandeln statt Schießen! Aufruf des Netzwerks Friedenskooperative

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.friedenskooperative.de/statement-ukrainekrise-verhandeln-statt-schiessen

Gemeinsame Sicherheit in Europa kann es nur mit Russland geben – Militärische Eskalation im Ukrainekonflikt muss gebannt werden

Es droht eine militärische Eskalation des Ukrainekonflikts. Selbst eine größere Konfrontation zwischen NATO und Russland ist nicht auszuschließen, angesichts der fortlaufenden Provokationen durch Manöver und des stetigen Aufbaus von Drohkulissen durch Truppenverlegungen beider Seiten.
Weder NATO noch Russland zeigen sich aktuell zu substantiellen Schritten des Entgegenkommens bereit, um die gefährliche Lage zu entspannen.

Jedes Menschenleben, welches der Krieg in der Ukraine in den vergangenen Jahren gekostet hat, war eines zu viel. Doch jetzt droht eine neue Eskalationsstufe, die zu einem größeren Krieg in Europa führen kann.

Das Netzwerk Friedenskooperative mahnt zur Deeskalation und fordert alle involvierten Parteien auf, miteinander zu sprechen, um die Spannungen zu beenden und die Grundlagen für eine gemeinsame europäische Sicherheitsstruktur zu schaffen.

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • Eine friedliche und diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts mit allen Mitteln der zivilen Konfliktbearbeitung zu fördern.
  • Sich für die Fortsetzung und Stärkung von Diplomatie und Gesprächsformaten mit Russland und der Ukraine einzusetzen, wie etwa das Abkommen Minsk II und das Normandie-Format, damit der Ukrainekonflikt bearbeitet und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann.
  • Den Export von Rüstungsgütern in Krisenregionen zu unterlassen. Dies würde nicht zur Konfliktlösung beitragen, sondern Öl ins Feuer gießen.
    Dies gilt gerade im Sinne der im Koalitionsvertrag vereinbarten feministischen Außenpolitik, die Abrüstung und Demilitarisierung der Gesellschaft zum Ziel hat.
  • Einen Neustart der Beziehungen mit Russland auf europäischer Ebene einzuleiten, damit eine gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa unter Einbeziehung der Sicherheitsinteressen aller beteiligten Staaten errichtet werden kann.

Europa braucht einen Neustart der Beziehungen zu Russland – Konkrete Schritte für Verhandlungen sind nötig

Für eine neue gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa braucht es erste Schritte und Verhandlungsangebote. Dies könnte beispielsweise von Seiten der NATO die Bereitschaft sein, die US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa abzuziehen.
Beidseitig sollte ein Verzicht auf die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraten in Europa verhandelt werden.
Auch ein Teilabzug der NATO-Truppen aus Osteuropa und das Einstellen militärischer Großmanöver in der Region (u.a. Defender) wären weitere wichtige Verhandlungsangebote hin zu Deeskalation und Diplomatie.

atomwaffen illegal

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Ebenso muss das Ende der Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt, die NATO-Osterweiterung kritisch hinterfragt und im Sinne der Entspannung gestoppt werden. Denn insbesondere die Ostererweiterung trug und trägt zu den schlechten Beziehungen bei und erschwert eine Lösung.
Die russische Seite könnte beispielsweise als Gegenangebot die Truppen an der ukrainischen Grenze und aus Belarus abziehen und ebenfalls ihre Militärmanöver beenden. Außerdem sollte Russland ernsthaft den Friedensprozess für die Ukraine stärken, indem es zum Beispiel auf Einhaltung des Waffenstillstandes und auf freie Wahlen hinwirkt. Zu zentralen Grundpfeilern des friedlichen Miteinanders in Europa, wie die Unverletzbarkeit von Grenzen, muss zurückgekehrt werden.

Alle Konfliktparteien sollten einem Sicherheitsbereich beiderseits der ukrainisch-russischen Grenze zustimmen, in dem keine Manöver stattfinden und alle Truppenbewegungen nur unter strengen Auflagen und transparent durchgeführt werden.

Diese Forderungen und Vorschläge sind Lösungsansätze zur Deeskalation eines zunehmend komplexer werdenden Konfliktes, der das Potential hat, sich zu einem weitreichenden Krieg auszuweiten, der nur Verlierer*innen kennen würde. Verhandeln statt schießen muss oberstes Gebot bleiben!

Gemeinsame Sicherheit mit Russland Schlüssel für Frieden und Abrüstung in Europa

Der Schlüssel für umfangreiche Abrüstungsbemühungen liegt in einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, die Russland miteinschließt. Wird Russland nicht mehr als Gefahr für die Sicherheit in Europa angesehen und umgekehrt, fällt die Aufrüstungslogik in sich zusammen.

Den vorgetragenen Begründungen für Aufrüstungsprojekte wie der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO, neuen Trägersystemen für die Atombomben in Büchel oder dem milliardenschweren Rüstungsprojekt FCAS würde so die Grundlage entzogen werden.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels ist es dringend notwendig, mit Russland zukünftig in Frieden zu Leben. Die Unterhaltung des militärischen Apparates, stetige Aufrüstung oder gar ein Konflikt, sind absolut schädlich für das Klima. Um die Bemühungen für eine klimafreundliche Transformation der Weltwirtschaft voranzubringen, ist es unabdingbar, dass die Spannungen zwischen den Großmächten bearbeitet und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen gestärkt wird.

Friedensbewegung ist gefordert

Die Friedensbewegung muss Zeichen für Völkerverständigung in die Öffentlichkeit tragen und die Gefahr eines Krieges ins Bewusstsein der Menschen und vor allem der Politik holen. Sie muss klar sagen und zeigen, dass eine weitere Eskalation nicht hinnehmbar ist. In Richtung der Bundesregierung braucht es klare Ansagen, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland kein Interesse an einer Konfrontation mit Russland und einem Krieg in Europa hat, sondern in Frieden leben möchte. Die Kontakte zwischen den Bevölkerungen in Russland und Deutschland sowie den anderen osteuropäischen Ländern müssen ausgebaut, damit Feindbilder abgebaut werden können.

Wichtig für die Friedensbewegung werden die Ostermärsche vom 14.-18. April 2022 sein, bei denen eine neue Friedenspolitik mit Russland zentrales Thema sein wird. Weitere bereits feststehende Termine für mögliche Protestaktionen und Diskussionen sind die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und die Münchner Friedenskonferenz am 18./19. Februar sowie die Konferenz der Kooperation für den Frieden am 18. und 19. Februar. Darüber hinaus ermutigt das Netzwerk Friedenskooperative Friedensgruppen zu dezentralen Aktionen!

Übersicht mit Stellungnahmen und Aktivitäten aus der Friedensbewegung (wird fortlaufend aktualisiert):

  • IPPNW-Pressemitteilung vom 14. Januar 2022: Friedensnobelpreisträgerorganisation fordert beidseitiges Entgegenkommen, hier lesen.
  • Erklärung des pax christi-Bundesvorstandes vom 27. Januar 2022, Dialog statt militärische Eskalation, hier lesen.
  • Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ vom 27. Januar 2022, Keine Waffenlieferungen in die Ukraine!, hier lesen.
  • „Appell zur De-Eskalation des Konflikts in der Ukraine “ von WILPF Germany vom 27. Januar 2022, hier lesen.
  • Internationaler Versöhnungsbund, „Ukraine-Konflikt: Eskalation durch Drohnen stoppen! – Briefaktion zum Mitmachen!“ vom 01. Februar 2022, hier lesen.
  • Erklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom 03. Februar 2022, „Ukraine-Konflikt deeskalieren – gemeinsame Sicherheit mit Russland suchen!, hier lesen.
  • Erklärung des Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zum Ukraine-Konflikt vom 1.02.2022 „Die Eskalation im Ukraine-Konflikt muss beendet werden“, hier lesen
  • Pressemitteilung des Forums Ziviler Friedensdienst (ForumZFD), „Ukraine-Krise: Den Krieg abwenden, den Frieden vorbereiten“, hier lesen
  • Kommrntar von Martina Fuscher (Brot für die Welt) „Warum es in der Ukraine-Krise Kooperation braucht“ vom 7.2., hier lesen

Hier dazu noch ein 1 Jahr alter Kommentar von Albrecht Müller auf den NDS, der sich mit der Vasallenrolle und der Unterwürfigkeit deutscher Politiker auseinandersetzt:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=68340
Auszüge:

Vasall der USA

Viele Deutsche (West) sehen in den USA eine Nation und in den dortigen Menschen ein Volk, das uns sehr geholfen hat: mitgeholfen bei der Befreiung von den Nazis, geholfen bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Viele Deutsche sehen in den USA jene, die uns vor den Sowjets und den Kommunisten geschützt haben. Auch wenn man das anders sehen kann, generell kann man wohl sagen, dass in den 1950er- und 60er-Jahren so etwas wie ein abschreckendes Gleichgewicht der Kräfte bestand.
Damals wurden wir von den USA geschützt – so sah es zumindest aus –, heute werden wir benutzt.

Nato und RußlandDie Vereinigten Staaten von Amerika verfolgen vornehmlich ihre eigenen Interessen und diese Position hat einen ziemlich imperialen und auf eigene Interessen bedachten Charakter. Das ist nicht erst mit der Präsidentschaft Donald Trumps so gekommen. Es war vorher schon nicht viel anders. Mit Trump ist diese Haltung nur etwas deutlicher geworden, weil er auch die entsprechenden Formulierungen lieferte.
»America first« sollte eigentlich jedem deutlich machen, was hier gespielt wird. Da ist von Partnerschaft nicht die Rede. Es wird offen bekannt, dass die Interessen der USA Vorrang haben. Aber wie gesagt, das ist nicht neu. Das galt auch schon für Barack Obama, für Hillary Clinton, für Bill Clinton und die Bushs sowieso.

Versetzen Sie sich in die Lage des US-amerikanischen Präsidenten, zum leichteren Verständnis einfach in die des Präsidenten Trump.
Dann wird Ihnen vieles von dem, was im Folgenden zu lesen ist, sehr viel leichter einleuchten als ohne Nutzung dieser Verständnishilfe.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der US-Präsident oder Vordenker beim zuständigen Geheimdienst. Was würden Sie dann tun?

Sie würden überlegen, wie Sie den Wohlstand der US-Nation und vor allem der führenden Kräfte auch in Zukunft erhalten können. Deshalb würden Sie zum Beispiel darüber nachdenken, wie man sich die Ressourcen in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Eurasien oder im Mittleren Osten, zu eigen machen kann. Und Sie würden überlegen, wie man potenzielle Konkurrenten, insbesondere die großen Konkurrenten China und Russland, in Schach halten und kleinere Störfaktoren wie den Iran ausschalten kann.
Sanktionen sind eines der Instrumente, mit denen die USA ihre Gegner oder vermeintlichen Gegner zu beeinflussen und ihnen zu schaden versuchen. Sanktionen wirken dann erst richtig, wenn sie nicht von den USA alleine ausgesprochen und vollzogen werden. Die USA haben deshalb immer auch wieder versucht und erfolgreich versucht, andere Völker und Nationen in diese Sanktionspolitik zu integrieren.

Wenn Sie Präsident der USA wären, dann würden Sie selbstverständlich überlegen, wie Sie den Einfluss der USA auf wichtige Akteure in befreundeten Nationen sichern können, in Deutschland zum Beispiel und in Europa. Da würden Sie auf die naheliegende Idee kommen, dass der Einfluss über Parteien läuft, über Medien und über einzelne Gruppen sowie NGOs. Gegebenenfalls würden Sie eigens NGOs gründen oder dieses veranlassen.
Und Sie würden mithelfen, dass Ihre Freunde in angesehenen Organisationen, wie zum Beispiel der Heinrich-Böll-Stiftung oder im German Marshall Fund, das Sagen bekommen und behalten.

Sie würden dafür sorgen, dass diese Gewährsleute – die man auch Einflussagenten nennen könnte – in schwierigen Situationen ihre Stimme zugunsten der US-Politik erheben. Hier ist ein Musterbeispiel dafür. Das Beispiel betrifft die Debatte nach der Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani im Irak. Der Bundestagsabgeordnete Michael Roth twitterte:

»Bei aller berechtigten Kritik an Präsident #Trump: Die von einigen bemühte Gleichsetzung von #USA und #Iran als globales Sicherheitsrisiko ist bescheuert & unanständig. Die USA sind eine liberale Demokratie. Im Iran werden Schwule & Dissidenten an Baukränen erhängt. #Soleimani«41

Dass gerade der Abgeordnete Michael Roth (SPD) jetzt schon seit 2013 Staatsminister im Auswärtigen Amt ist und schon zwei Außenminister überdauert hat, kann ich mir nur so erklären, dass mächtige Kräfte ihre Hand über ihn halten. Und er sich dann mit solchen Äußerungen und mit vielem anderen revanchiert.
Die Behauptung, die USA seien eine »liberale Demokratie«, kann nur von jemandem kommen, der als Propagandist engagiert ist und deshalb übersehen muss, dass in den USA nur Milliardäre oder ihre Gewährsleute Präsidenten werden können – alle Macht geht vom Gelde aus und nicht vom Volk.
Und er muss auch übersehen, dass radikale, rechts-religiöse Ideologen über weite Strecken das Sagen haben und Schwule, Dissidenten und übrigens auch Schwarze dort auf andere Weise fertiggemacht werden.

Der Einfluss auf die Personalpolitik in anderen Ländern und Kontinenten

Wenn Sie US-Präsident, CIA-Chef oder ein einflussreicher Berater wären, dann würden Sie selbstverständlich versuchen, die Personalpolitik anderer Völker und Völkergemeinschaften zu beeinflussen, bei befreundeten Nationen und bei fremden. Fangen wir mit Letzterem an:

Es ist ja kein Geheimnis, dass die USA die Präsidentschaft Boris Jelzins nutzten, um die Politik Russlands der 1990er-Jahre auch im Inneren zu bestimmen.
Die USA haben massenweise Berater geschickt und Jelzin sogar geholfen, eine für ihn gefährdete Wiederwahl zu gewinnen.Schock-Strategie_Naomi_Klein In Naomi Kleins Schock-Strategie wird das ziemlich detailliert beschrieben. Und weil heute mit Präsident Putin der Einfluss auf die Politik Russlands geschwunden ist, wird gegen diesen Stimmung gemacht – von den USA und im Verein damit von allen von den USA beeinflussten Politikern anderer Länder und der dort tätigen Medien, Sachverständigen, Beobachtern, sogenannten Experten.
Diese Stimmungsmache ist so wirksam, dass heute in der allgemeinen Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, Russlands Wohlbefinden habe sich mit dem Wechsel von Jelzin zu Putin verschlechtert. Das ist schlicht die Unwahrheit.

Bei befreundeten Nationen funktioniert sowohl der personalpolitische Einfluss als auch der Einfluss auf Sachentscheidungen über ein Heer von Beratern:

stern

stern

Von der Leyen hat sich als Bundesverteidigungsministerin bei der Frage der Erhöhung der Militärausgaben so verhalten, wie der US-Präsident es gefordert hat: Militärausgaben erhöhen, Aufrüstung statt Abrüstung. Und obwohl diese Ministerin wegen ihrer hohen Ausgaben für Beratungsfirmen und verschiedenen Personalentscheidungen in Schwierigkeiten geraten und alles andere als ein Vorbild war, wurde sie Präsidentin der EU-Kommission.
Das ist eine Schlüsselfunktion und sie ist wichtig für die USA. *)

Die Personalentscheidung für von der Leyen ist lautlos über die Bühne gegangen. Kein vernünftiger Mensch kann erklären, wieso gerade sie dieses wichtige Amt bekommen hat.
Eine richtungsweisende Teilerklärung: Sie hatte die Unterstützung wichtiger Länder aus Osteuropa. Auf diese Staaten haben die USA einen großen Einfluss.

Von der Leyen hat beim ersten großen kritischen Fall sofort und eindeutig die Position der USA vertreten: Schuld an der Konfrontation im Nahen Osten und an der Hinrichtung des iranischen Generals sei der Iran selbst.
Mit ihr können die USA vermutlich auch bei anderen Gelegenheiten Pflöcke einschlagen und die innere Gestaltung der Europäischen Union maßgeblich mitgestalten. Ursula von der Leyen ist das Musterbeispiel einer »Einflussagentin«.

Warum Heiko Maas bei uns Außenminister geworden ist, erschließt sich den meisten Menschen und Beobachtern nicht. Solche Zweifel galten vorher schon für Sigmar Gabriel und den früheren Außenminister und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Bei Gabriel hat sich hinterher flugs gezeigt, in wessen Diensten er steht. Er wurde zum Vorsitzenden der Atlantikbrücke gewählt – als Nachfolger von Merz.

Letzterer gehört zum Kreis der bewährten US-Einflusspersonen. Bei ihm ist die Verflechtung auch institutionell gesichert. Er stand bis zu seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Diensten des großen US-Finanzkapitals, konkret: BlackRock.

Wie sehr die USA und die mit ihnen unmittelbar verbundenen Institutionen wie die NATO in den deutschen Medien verankert sind, wird verdrängt.
Umso wichtiger ist, dass die Anstalt des ZDF am 29. April 2014 detailliert dargestellt hat, welche Personen in deutschen Medien im Dienste atlantischer Interessen stehen. Wichtige deutsche Journalisten und Journalistinnen sind eng mit Institutionen wie der Atlantikbrücke verbunden und geben dieser Verbundenheit mit US-amerikanischen und NATO-Interessen in ihren Berichten und Kommentaren regelmäßig Raum. Das Feindbild Russland wieder neu aufzubauen, wäre ohne diese mediale Unterstützung nicht möglich gewesen.

Der Einfluss der USA auf politische Entscheidungen in anderen Ländern läuft heute schon und künftig wahrscheinlich noch sehr viel mehr über die wirtschaftlichen Verflechtungen, konkret über die Beteiligung großer angelsächsischer Kapitalsammelstellen wie BlackRock und Blackstone an allen wichtigen Unternehmen in Europa und in der Welt. Darüber wurde ausführlich in II. 3 und II. 4 berichtet.

Es gibt noch ein paar besondere Methoden der Einflussnahme. Eine ist schon erwähnt worden: der Aufbau von NGOs, die US-amerikanische Interessen in fremden Ländern vertreten. In der Ukraine haben die USA fünf Milliarden Dollar investiert, um die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszulösen. Auch die Proteste auf dem Maidan im Winter und Frühjahr 2013/2014 sind mithilfe solcher NGOs befeuert worden. Im konkreten Fall gab es auch eine enge finanzielle Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Milliardär Soros.

In den USA sind zum Zwecke der Beeinflussung anderer Völker eine Reihe von Institutionen aufgebaut worden. Eine von besonderer Bedeutung ist die National Endowment for Democracy (NED). Sie wurde 1983 gegründet und soll die liberalen Demokratien in der Welt fördern. Diese Einrichtung war in der Ukraine sehr engagiert. – Man kann ja diese Formen der Einflussnahme für unproblematisch halten. Ja, manche halten diese Mechanismen der Beeinflussung anderer Völker sogar für ehrenwert. Mit zwei anderen Methoden dürften aber selbst dicke Freunde der USA Probleme haben:

Wenn Sie sich in die Rolle des US-amerikanischen Präsidenten versetzen, dann ist Ihnen die hier beschriebene Praxis der weltweiten Machenschaften des US-Finanzministeriums ein Begriff. Sie sind der steuernde Hintermann, Sie nutzen »die Superwaffe des Mr. Glaser. [Nämlich] Sanktionen gegen Russland und den Iran« mit nachhaltigem Erfolg. Sie bringen mithilfe der Sanktionen Völker reihenweise in ökonomische Schwierigkeiten. Sie sorgen auf diese Weise auch dafür, dass Tausende unschuldiger Menschen verhungern oder auf andere Weise sterben.

Leserinnen und Leser, die befürchten, hier würden Verschwörungstheorien ausgebreitet, sollten den Zeit-Artikel über die »Superwaffe des Mr. Glaser« lesen.
Er stammt von 2014 und beschreibt die Instrumente des US-Präsidenten zur Beeinflussung der Finanzmärkte in anderen Regionen und Ländern.

John Perkins berichtet in seinem 2004 erschienenen Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man, wie das aus anderem Anlass und in einem anderen Milieu in der Praxis funktioniert hat. Der Autor schildert, dass er als Angestellter einer Unternehmensberatung im Auftrag der United States Agency for International Development (USAID), der Weltbank und weiterer Institutionen mit Erfolg versucht hat, Repräsentanten anderer, meist kleinerer Staaten dazu zu veranlassen, ihr Land zu verschulden und damit so in Abhängigkeit zu bringen, dass sie sich bei Abstimmungen der UNO und anderen Gelegenheiten dem Willen der USA beugen. Todesopfer waren bei diesen Operationen nicht ausgeschlossen. Auch er schildert die Auslagerung der eigentlichen Drecksarbeit an Dritte.

Dies alles hat mit den hehren Vorstellungen von Freundschaft und Ebenbürtigkeit zwischen USA, uns und anderen Völkern wenig zu tun. Und es ist schlimmer geworden. Wir waren schon einmal autonomer und mutiger, uns dem Einflussbereich der USA zu entziehen.

Dafür will ich nur zwei Beispiele nennen. Sie stammen aus der eigenen Erfahrungswelt:

Erstes Beispiel: Es ist ja allgemein bekannt, dass Brandt nach dem Zweiten Weltkrieg bei seiner politischen Arbeit in Berlin mit den West-Alliierten und insbesondere mit den USA eng zusammengearbeitet hat und von diesen wohl auch gestützt worden ist. Er hat auch den Beginn der Ostpolitik im Dezember 1966 als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland eng mit den westlichen Alliierten und der NATO abgestimmt.
Anders wäre das damals gar nicht möglich gewesen. Als sein Mitarbeiter habe ich ihn dann allerdings während der ganzen Zeit meiner Mitarbeit als autonom und US-kritisch erlebt. Dass die Verantwortlichen in den USA das ähnlich empfunden haben, wird schlagartig an dem bekanntgewordenen Dialog zwischen Präsident Nixon und Sicherheitsberater Kissinger sichtbar. Davon berichtete der Spiegel. Ich zitiere das ganze veröffentlichte Stück, weil daran der Geist dieser Freundschaft wie auch der weitere Niedergang sichtbar wird:

»Todeswünsche für Willy Brandt

kissinger2018

kissinger2018

NixonUS-Präsident Richard Nixon und sein Sicherheitsberater Henry Kissinger haben Kanzler Willy Brandt bekanntlich nie getraut. Neu ist allerdings, dass sie ihm den Tod an den Hals wünschten.
Das zeigt eine Tonbandaufnahme, die nun das US-Außenministerium veröffentlicht hat. Es geht um ein Gespräch am 3. Februar 1973. Brandt litt an einer Stimmbandentzündung und hatte eine Geschwulst entfernen lassen.

Nixon: Wie sieht es mit Brandts Kehle aus?
Kissinger: Leider ist sie (die Geschwulst – Red.) nicht bösartig. Es ist schrecklich, so etwas zu sagen …
Nixon: Ich weiß, was Sie meinen …
Kissinger: Ich meine …
Nixon: Sie meinen, dass er unglücklicherweise bei sehr guter Gesundheit ist.
Kissinger: Leider wird er uns erhalten bleiben, yeah.
Nixon: Er ist ein Trottel.
Kissinger: Er ist ein Trottel …
Nixon: Er ist ein Trottel …
Kissinger: … und er ist gefährlich.
Nixon: Tja, leider ist er gefährlich

Keine Sorge: Die heute amtierenden Politikerinnen und Politiker in Europa wurden und würden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von solchen Todeswünschen verschont. Man ist sich ihrer Zuneigung und Zuarbeit offensichtlich sicher.

Zweites Beispiel: Am 7. Januar 2020 gab es im rheinland-pfälzischen Landtag eine Feierstunde »100 Jahre amerikanische Präsenz an Rhein und Mosel«. Anwesend war der Kommandeur der US-Armee im Europa-Hauptquartier (Wiesbaden), General Christopher Cavoli.
Die pfälzische Zeitung Pfalz Express berichtete: »Landtagspräsident Hendrik Hering und Innenminister Roger Lewentz (SPD) dankten den US-Amerikanern für ihren Beitrag zur Demokratiebildung in Deutschland und für 75 Jahre Frieden.«
Ein kurzer Blick zurück zeigt, wie anders das Verhältnis einmal war. Im Landtagswahlkampf 1990/91 hat der damalige Spitzenkandidat der SPD, Rudolf Scharping, gefordert, Rheinland-Pfalz dürfe nicht weiter der »Flugzeugträger der USA in Europa« sein.

Jetzt wird die Präsenz der Alliierten gefeiert. Wir waren schon mal viel weiter. Heute sieht es jedenfalls nicht so aus, dass wir uns jemals aus den Fängen der USA und der NATO befreien können.

Die USA sind ein interessantes Land. Die US-Amerikaner sind oft kreativ und menschenfreundlich. Ich habe als junger Mensch in Heidelberg, meiner Heimatstadt, eine Reihe von produktiven kulturellen Erfahrungen mit US-Bürgern gemacht. Im Jazzclub Cave 54, mit dem Amerika-Haus und bei vielen weiteren Gelegenheiten.

Es gibt keinen Grund, ein schlechtes Verhältnis zu US-Amerikanern zu haben.

Aber es gibt einige Gründe, die USA als imperiale Macht nicht mehr zu akzeptieren. Weil das gefährlich ist, weil der grundlegende Geist der Beherrschung und der Konfrontation einem friedlichen Zusammenleben der Menschen nicht guttut und im konkreten Fall Europas äußerst gefährlich wird.

Deshalb wird es die Hauptaufgabe der deutschen Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein, uns aus der Vormundschaft der USA zu lösen. Das ist eine Herkulesarbeit. Und sie ist nicht leichter geworden.

Auszug aus Albrecht Müller: Die Revolution ist fällig. Aber sie ist verboten.

Ein drittes Beispiel in dieser Reihe wäre der Umgang der USA mit Schweden (U-Boot-AAffäre) und dem Mord an Olof Palme als Vertreter eines humanisierten dritten Weges gibt es hier ein Video von Dirk Pohlmann 2014 für arte:
https://mega.nz/folder/XYkkGKTb#l-saBKkGnMo4fYJvbRgpJA
Das Video braucht Zeit zum Herunterladen!

*: Nebenbei ist sie, wie Thomas Röper nachgewiesen hat, umgeben von Beratern:= Einflussagenten aus dem Bill-u.Melinda-Gates-Netzwerk.

Die heutigen NachDenkSeiten haben auch das Verhalten des aktuellen kanzlers Scholz analysiert, s.hier:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=80522

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

US-Imperialismus – Staatsstreiche in Serie: Washingtons Versuche, die Regierung Morales in Bolivien zu stürzen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Bei dieser Gelegenheit wünsche ich allen ein besseres neues Jahr!

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Hier ein sehr passendes Thema. Man kann sich vorstellen, was in Deutschland passiert, wenn es einmal eine Regierung gibt, die zum Wohl der Bürger handelt und aus der USA-Hörigkeit heraustritt. Vergl. dazu von Thomas Röper: „Abhängig beschäfigt“.
Ich vermute, dass heute noch und vermerht wieder vom CIA und den deutschen Geheimdiensten gedeckte Stay-Behind-Netzwerke mit engagierter Beteiligung deutscher Rechtsradikaler aktiv sind, die mittlerweile auch sehr gut mit den Rechtsradikalen in den USA wie z.B. White Power und Combat-18 zusammenarbeiten. Vgl. dazu https://josopon.wordpress.com/2015/05/11/der-terror-der-geheimdienste-in-deutschland-vs-bnd-nsa-mad/
und https://josopon.wordpress.com/2015/11/18/italien-in-den-90ern-operation-gladio-faschisten-und-christdemokraten-mafia-und-cia-arbeiteten-hand-in-hand/

Das wäre eine Erklärung dafür, warum die Aufklärung der NSU-Aktivitäten, des Mordes an Walter Lübke u.s.w. von Bundes- und Länderbehörden so effektiv verhindert wurde, dass bisher alle Untersuchungsausschüsse gescheitert sind.

https://www.jungewelt.de/artikel/417519.us-imperialismus-staatsstreiche-in-serie.html

Subversion, Desinformation und Hetzkampagnen: Washingtons Versuche, die Regierung Morales in Bolivien zu stürzen

Von Juan Ramón Quintana

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Juan Ramón Quintana war Minister der Präsidentschaft in den drei Regierungen des früheren bolivianischen Staatschefs Evo Morales.
Der Exmilitär studierte Soziologe und Politikwissenschaftler Quintana gilt als der antiimperialistische Vordenker des Landes.
Am 8. Januar 2022 ist er Referent auf der XXVII. Inter­natio­nalen Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Das Thema seines Vortrags lautet: »Rolle der Demokratie: Abbau von Rechten im bürgerlichen Staat«.

Im folgenden drucken wir einen redaktionell bearbeiteten Auszug aus dem Vorwort seines 2016 erschienenen Buches »BoliviaLeaks. Die politische Einmischung der USA in den Prozess des Wandels (2006–2010)«. Auf Enthüllungen der Plattform Wikileaks gestützt, analysiert Quintana, wie Washington über seine Botschaft in Bolivien versuchte, das Land in den ersten Jahren der Regierung Morales zu destabilisieren und einen Putsch herbeizuführen. (jW)

Bolivien wurde im neuen Jahrtausend im Rahmen der veränderten geopolitischen Ausrichtung im allgemeinen und der neuen Hegemoniebestrebungen in Lateinamerika im speziellen zu einem strategischen Ziel der USA. Die politische Offensive aus Nordamerika erfolgte skrupellos und ohne Rücksicht.
Die subversiven Pläne, von politischen Aktionen bis hin zu Vorstößen auf militärischem Gebiet, gingen immer Hand in Hand mit radikalen politischen Kräften und Gegnern des Prozesses des Wandels. Beweise dafür sind der Versuch, die Verfassunggebende Versammlung zu Fall zu bringen (2006), der Staatsstreich der rechten Präfekturen (2008), das separatistische Abenteuer mit Indienstnahme ausländischer Auftragsmörder (2009), die Destabilisierung durch Proteste indigener Stadtbewohner (Marsch des Isiboro-Sécure-Indigenenschutzgebiets und -Nationalparks, TIPNIS, 2011, 2012) und der sanfte Putsch – politisch-medial – vom 21. Februar 2016, der die Abhaltung des Referendums über die Wiederernennung von Präsident Evo Morales beeinträchtigte.

Man kann von fünf eindeutigen Staatsstreichen in einem Jahrzehnt sprechen. In all diesen Kontexten wandte Washington eine Logik der Bestrafung an.
CIAlogoEs brachte seine Sicherheitsbehörden wie die CIA und DEA, seine Hilfsorganisationen wie USAID und PL-480 und politische Unterstützungsstiftungen wie das National Endowment for Democracy (NED), das International Republican Institute (IRI) oder das National Democratic Institute (NDI) in Stellung und schöpfte die Möglichkeiten von deren zahlreichen Programmen und Projekten voll aus.
So konnten Hunderte über das ganze Land verstreute Nichtregierungsorganisationen mobilisiert werden.

Die von den USA entworfene und umgesetzte subversive Strategie war eine Antwort auf den neuen politischen Kontext in Bolivien seit 2006, der sich durch eine emanzipatorische Qualität auszeichnete und durch einen energischen Prozess der sozialen Inklusion und Demokratisierung der Macht gefördert wurde.
Der antiimperialistische, antikapitalistische und antikoloniale Kampf ist übrigens Teil des Prozesses der Kollektivierung der Regierung selbst und des Aufbaus des neuen plurinationalen Staates.

Evo_MoralesDie Machtübernahme von Evo Morales hat in den USA einen regelrechten politischen Aufruhr ausgelöst.

Die Vereinigten Staaten hatten den bekannten Kokabauern seit vielen Jahre wegen seines unermüdlichen und kompromisslosen politischen Kampfes, wegen seines Widerstandes gegen die imperiale Herrschaft und damit auch seines Einsatzes für die Verteidigung der natürlichen Ressourcen des Landes im Visier.
Washington sah sich nun gezwungen, seine Doppelstrategie zu optimieren.

Unvorstellbares Szenario

Beide Strategien brechen, wie weiter unten noch gezeigt werden wird, mit allen diplomatischen Konventionen und fallen in den Bereich der politischen Subversion – ein Szenario, an das sich die USA im letzten Jahrhundert in Lateinamerika gewöhnt haben. Analysiert und enthüllt wird hier die Anwendung der von Washington geplanten und angeordneten Destabilisierungs- und Putschstrategie gegen den Wandel in Bolivien zwischen 2006 und 2010.
Analyse, Interpretation und Gegenüberstellung der Telegramme der US-Botschaft in Bolivien an das Außenministerium und anderer Quellen von den Botschaften in den Nachbarländern erklären die subversive Haltung des Imperiums und seinen unbändigen Wunsch, der Regierung von Evo Morales ein Ende zu setzen.
Um das zu erreichen, wurden verschiedene Pläne ausgearbeitet, von der Einschüchterung bis zum Putsch. Hinzu kam ein noch nicht geklärter Attentatsversuch, sowie die Förderung und der Aufbau internationalen Drucks, nicht nur in den Nachbarländern, sondern in der ganzen Hemisphäre.

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Die täglichen Berichte von politischen Ereignissen in Bolivien, die sich in den Telegrammen finden lassen, zeigen nicht nur die nordamerikanische Wut wegen der tiefgreifenden Strukturreformen der bolivianischen Regierung – genannt seien die neue Verfassung, Verstaatlichung von fossilen Energieträgern, Schaffung eines neuen, vom Staat getragenen Wirtschaftsmodells, Sozialpolitik mit starkem Einfluss auf die Legitimität der Regierung usw.
Die Wut fand ihren Grund auch und grundsätzlich in der bevorstehenden Auflösung der über fast ein Jahrhundert lang aufgebauten hegemonialen Macht der USA parallel zum Aufbau eines alternativen Vorhabens in Lateinamerika unter den bolivarischen Ländern, angeführt von Venezuelas Staatschef Hugo Chávez. Es war zweifellos der wichtigste Moment in unserer gesamten nationalen Geschichte.

Das unvorstellbare Szenario eines souveränen Landes nach dem Rückzug der imperialen Macht aus Bolivien und der Verstaatlichung seiner Infrastruktur bedeutete für Washington einen dramatischen Verlust, aber gleichzeitig auch eine demütigende politische Niederlage gegenüber einem Land, an dessen Gehorsam es sich gewöhnt, und einer Gesellschaft, die sich mit seiner Herrschaft abgefunden hatte.
Die US-Behörden waren überzeugt, dass eine seit fast einem Jahrhundert anhaltende Hegemonie nicht in so kurzer Zeit zusammenbrechen kann, nur weil ein rebellischer Indigener und seine undankbare Basis nichts mehr von den von ihnen gewährten Vorteilen der Macht wissen wollten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Regierung von Evo Morales in ihren Ursprüngen abgewürgt werden sollte, bevor sie wie Chávez in der Region ein schlechtes Beispiel gibt.

Spionage und Überwachung

Aus dem Inhalt der 1.299 Telegramme, die von US-Diplomaten zwischen 2005 und 2010 erstellt und an Washington geschickt wurden, lässt sich eine Reihe wichtiger Fakten ableiten.
Die erste hat mit der Verletzung aller diplomatischen Protokolle zu tun, da die Botschaft subversive Pläne schmiedete, die ausdrücklich darauf abzielen, eine legal etablierte demokratische Regierung zu zerstören. In diesem Sinne nahmen die politischen Ziele des Imperiums keine Rücksicht auf den demokratischen Status des Gastlandes, seine Souveränität und erst recht nicht auf seine Legitimität oder internationale Anerkennung.

Zweitens legten die Arbeitstechniken der Botschaftsbeamten bewährte Praktiken der Spionage, Überwachung, Verfolgung und Vertrauensbruch gegen die nationale Regierung offen. Angeleitet wurde das von Spezialisten für Konspiration, Subversion und psychologische Kriegführung.
Auch wenn in den Depeschen keine Einzelheiten der subversiven Arbeit der Sicherheitsbehörden beschrieben werden, die sie sicherlich über andere Kanäle an ihr Hauptquartier meldeten, lassen die Handlungen des Botschafters auf das unersättliche Zusammenwirken einer ganzen politisch-militärischen Maschinerie schließen, die darauf abzielte, der nationalen Regierung schwere Schläge zu versetzen.

Interventionsmaschinerie

Drittens unterstreicht das Ausmaß der Koordination zwischen den verschiedenen Agenturen, die auf die Destabilisierung und die Förderung eines Staatsstreichs in dem Gastland abzielten, den Umfang und das Wesen des bürokratischen Apparats der Botschaft.
Diese Struktur, die unter einem zentralisierten Kommando mit dem Botschafter an der Spitze operiert, ist in einer Notsituation oder bei der Erfüllung einer Mission ein echtes Instrument einer Interventionsmaschinerie und jederzeit bereit, sich auf den Kriegspfad zu begeben. Mit anderen Worten: Die US-Botschaft in Bolivien verbarg die Operation eines riesigen militarisierten Sicherheitsapparats, der als diplomatisches Korps getarnt war.

Eine sorgfältige Analyse der Depeschen zeigt, dass die Arbeitsmethoden dieser Maschinerie sowie ihre Ressourcen je nach den Anforderungen der übertragenen Aufgabe variieren. Es wird jedoch klar, dass sie ihre Tätigkeit nicht ohne lokale strategischer Verbündete verrichten können, in diesem Fall konservative Parteien, regierungsfeindliche Meinungsführer, Kirchenvertreter und eine Armee von Schlüsselinformanten.

Die US-Botschaft verfügte über mehrere Informationsquellen – von als privilegiert geltenden Personen, die geschützt werden mussten, bis hin zu institutionellen, regionalen, politischen und zufälligen Quellen. Die regelmäßigen Informanten, zu denen ein größeres Vertrauen aufgebaut werden konnte, gehörten zum Personal der als »streng geschützt« bezeichneten Beamten des Außenministeriums.
Neben den von der Botschaft geleiteten politischen Operationen wurde den auf ein Massenpublikum ausgerichteten Strategien in Zusammenhang mit den Medien Priorität eingeräumt. Wichtige Akteure der Regierung wurden diskreditiert, um die Öffentlichkeit zu verunsichern, was die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen sollte. Konfliktszenarien wurden geschürt und Intrigen gesät, die das interne Vertrauen in die nationale Regierung und soziale Organisationen brechen oder erodieren sollten.
Diese internen medienpolitischen Operationen wurden mit journalistischen Angriffen aus dem Ausland ergänzt. Diese Kombination aus einer dreckigen internen und internationalen Kampagne wurde durch Berichte des Außenministeriums über Menschenrechte, den Kampf gegen Drogenhandel oder Korruption angeheizt.

WIKILEAKSWashington hat seine Beteiligung an den Putschplänen in Lateinamerika und speziell in Bolivien konsequent bestritten. Wikileaks hat darauf mit unwiderlegbaren und zwingenden Beweisen reagiert, wie Recherchen belegen: Die US-Botschaft in Bolivien hat diesen undemokratischen, subversiven und kriminellen Prozess nicht nur geplant, sondern auch politisch durchgeführt. So wurden nicht nur explizite Pläne erstellt, um den Prozess des Wandels zu zerstören, sondern mit interner und internationaler Unterstützung auch den Weg für die Rückkehr des alten politischen Systems mit proimperialem Charakter zu ebnen.
Die politische, territoriale und militärische Dimension, die der Putsch der rechten Präfekturen erreichte, die Terroranschläge sowie die Aktionen mit Unterstützung ausländischer Killer, die Erfahrung in anderen Kriege gesammelt hatten, verfolgten – wenn auch nur implizit – unter anderem das Ziel, den Präsidenten des bolivianischen Volkes zu beseitigen. In diesem Zusammenhang besteht kein Zweifel an der beschämenden und abscheulichen Rolle, die das nordamerikanische Imperium gespielt hat und immer noch spielt, wenn es darum geht, die Stimme der Völker und den Willen der Regierungen in ihrer Aufgabe der Emanzipation zum Schweigen zu bringen.

Übersetzung: Carmela Negrete

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Schöne Feiertage !

Jochen

Hongkong – der neue Systemkonflikt

DSC_0046Dieser Artikel von Werner Rügemer erschien bereits 2019, ist aber immer wieder sehr aktuell, insbesondere weil in den Leim-Medien allzu positive Berichte über China zensiert werden, siehe https://josopon.wordpress.com/2020/06/23/bericht-uber-china-in-der-ard-zensiert-zu-positives-bild/ .

Aktuell dazu auch hier: http://cooptv.wordpress.de/2019/10/11/hongkong-china-die-menschenrechte-weltnetz-tv/

Rügemer nennt Namen und Firmen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=54420
Er weist nach, wie heuchlerisch die Beweigtäucherung einer kleinen, teils gewalttätigen Opposition dargestellt wird. Man stelle sich vor, China hätte in Deutschland für die G20-Aktivisten aus Hamburg interveniert und sie als Freiheitskämpfer verherrlicht.

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Jugendliche fordern Menschenrechte, westliche Meinungsmacher sind begeistert, Unternehmer schweigen: Die Haltungen gegenüber den Protesten von Hongkong sind teils unangemessen und lassen die von Kolonialisten dort lange praktizierte Wirtschaftskriminalität außer Acht.

Die Heritage Foundation, einflussreicher Think Tank von US-Unternehmen, bezeichnete Hongkong im jährlichen Ranking jetzt zum 25. Mal als „freieste Wirtschaft der Welt“.[1] Doch gemessen an Völkerrecht, Demokratie und den UN-Menschenrechten ist das Gegenteil der Fall. Gerade deshalb ist Hongkong für den moralisch und wirtschaftlich absteigenden Westen ein wichtiges Schlachtfeld im Kampf gegen den neuen Hauptfeind, die wirtschaftlich erfolgreiche Volksrepublik China.

1997: Die Kolonie wird an China zurückgegeben

1997 musste das britische Commonwealth seine 154 Jahre lang betriebene Kolonie Hongkong endlich an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben, zumindest teilweise: Hongkong wurde nach dem Muster „Ein Land, zwei Systeme“ als Sonderverwaltungszone wieder Teil des chinesischen Staates.

„Zwei Systeme“ bedeutet: Die Volksrepublik China ist für Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich. Sie war sich seit den Reformen unter Deng Xiaoping in den 1980er Jahren im Klaren, dass die verfestigten kolonialen und neoliberalen Verhältnisse nicht übergangslos integriert werden können – und China brauchte die Kronkolonie, die die Wirtschaft Chinas seit über einem Jahrhundert beherrschte. Deshalb wurde die Laufzeit bis zur vollständigen Integration auf 50 Jahre, bis 2047 vereinbart. Kapitalistisches Privateigentum an Unternehmen und Boden sowie koloniales Wahlrecht bleiben erhalten – der Westen wollte seine einzigartigen Privilegien solange wie möglich bewahren. Die Lebensweise ist weiter „very british“ mit Linksverkehr auf den Straßen und Amtssprache englisch – neben der (süd)chinesischen. Die Bürger Hongkongs haben weiter ohne Visumspflicht Zugang zum Shengen-Raum, im Gegensatz zu den Festland-Chinesen. Das 1.200 Mitglieder umfassende Wahlkomitee, ständerechtlich organisiert, ist mehrheitlich von einheimischen und auch ausländischen Unternehmern und Bankern besetzt, z.B. mit Vertretern der größten einheimischen Bank HSBC und des französischen Versicherungskonzerns AXA.

Seit 1843 Bastion der kolonialen „Open door“-Politik

Schon 1699 hatte sich der expandierende Räuber- und Kolonialstaat England auf der chinesischen Halbinsel Hongkong festgesetzt, in Gestalt der British East India Company. Die trieb Handel in ganz Asien und wurde von der chinesischen Regierung geduldet. Seit etwa 1830 exportierte die Handelsgesellschaft Jardine Matheson das in der benachbarten britischen Kronkolonie Indien angebaute Opium nach China. „Exportieren“ – das bedeutete Schmuggel. Die chinesische Regierung verbot ihn, auch weil das ursprüngliche Heilmittel Opium durch den massenhaften Verkauf für einen großen Teil der Bevölkerung zum Suchtmittel wurde.

Da riefen die beiden Schmuggelkönige Jardine und Matheson das königlich-britische Militär zu Hilfe. England überfiel China, führte 1839 den ersten „Opiumkrieg“, unterwarf den Staat und zwang die Regierung, den Export zu dulden. Der wurde weiter mithilfe einheimischer Warlords und mafiotischer Subunternehmer durchgezogen. England annektierte Hongkong und proklamierte die Stadt 1843 nach Indien ebenfalls als Kronkolonie.

Der zweite „Opiumkrieg“ mit demselben Ziel und mithilfe weiterer Kolonialmächte unterwarf 1860 China noch weiter, die Kolonie Hongkong wurde erweitert, der Opiumhandel wurde legalisiert. China wurden die Kosten des Opiumkriegs der Kolonialherren auferlegt. Neben England errichteten noch die USA, Frankreich und Russland Botschaften in Peking und kontrollierten die Regierung, Christen konnten Privateigentum erwerben. Millionen opiumsüchtige Chinesen vegetierten dahin und starben – die Gewinne von Jardine Matheson stiegen jahrzehntelang ins Unermeßliche.

Die Engländer bauten Hongkong unter königlichen Gouverneuren nach kolonialem Recht zum Finanz- und Handelszentrum für China und ganz Asien aus. Die Kronkolonie wurde die Bastion für die Durchsetzung der „Open door“-Politik. Chinesische Händler wurden hinausgedrängt. Das Empire auf der Höhe seiner Macht, nachdem es für die Tigerjagd seiner Offiziere 1860 noch die Halbinsel Kowloon dazu annektiert hatte, erzwang 1898 für 99 Jahre noch die Pacht für weitere Gebiete, so für 235 vorgelagerte Inseln. „Pacht“ war ein Euphemismus: England zahlte nie eine Pachtgebühr. 99 Jahre: ebenfalls ein Euphemismus, denn England wollte Hongkong für immer.

Das waren übliche koloniale Praktiken – wie etwa in Guantanamo: der zeitlich dort unbefristete Pachtvertrag der USA aus 1903 mit Kuba ist trotzdem längst abgelaufen. Die USA haben die ursprünglich vereinbarte Nutzung verändert, etwa durch die Einrichtung als Folterlager. Der Vertrag wurde damit auch nach den großzügigsten völkerrechtlichen Interpretationen ungültig.[2] Aber die US-Folterer und McDonald’s sind immer noch da, und Siemens soll im Auftrag des Pentagon für 829 Millionen Dollar die Energieversorgung bis 2043 umweltfreundlicher gestalten.[3]

In anderen ehemaligen Kronkolonien Englands, die heute verharmlosend „Überseegebiete“ heißen wie die Britisch Virgin Islands, Belize, die Cayman Islands und einem weiteren knappen Dutzend, ist Queen Elizabeth II. immer noch das staatliche Oberhaupt, das Vereinigte Königreich ist für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig und ernennt den britischen Gouverneur. Ähnliches, in demokratischer Verkleidung, gilt für ein Dutzend US-„Überseegebiete“ wie Guam, die Marshall-Inseln, die amerikanischen Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa.

Die Kronkolonie war noch undemokratischer als die Monarchie im Mutterland: Ohne ein für England ansonsten so gelobtes Parlament von Gnaden der Queen, mit Gouverneur, Militär, Polizei, englischen Richtern und englisch gelenkten Medien; unabhängige Parteien und Gewerkschaften und Arbeiterparteien, die in England legal waren – nichts davon in Hongkong.[4]

20. Jahrhundert: Ausbau zur neoliberalen Freihandelszone

Seit Beginn wurde die Kronkolonie zur antidemokratischen und antikommunistischen Bastion des Westens in Asien, zum Sammelbecken für Händler, Unternehmer, Schmuggler, Kriminelle, Reaktionäre und Vorgestrige aller Schattierungen und aller Nationen. Als Sun Yat-sen 1912 das Feudalregime in China abschaffte und eine bürgerliche Republik nach westlichem Vorbild gründete, waren tausende Feudalherren im befestigten Paradies des britischen Empire mit ihrem Fluchtgeld hochwillkommen. Aufkommende Streiks von rechtlosen Arbeitern – der bekannteste war 1926 – schlug das britische Militär blutig nieder. Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 flüchteten hunderttausende Feudalherren und westlich verbundene Großkapitalisten mit ihrem Reichtum und ihren Familien ebenfalls nach Hongkong.

In den 1960er Jahren unterdrückte die Besatzungsmacht, die notfalls mit Spezialeinheiten vom Flugzeugträger HMS Hermes aus den Ausnahmezustand sicherte, Streiks und Demonstrationen der illegalen Gewerkschaften. Die protestierten gegen Niedriglöhnerei bei 12-Stunden-Tagen, gegen Kinderarbeit, gegen die Verweigerung von Arbeitsverträgen und Sicherheitsmaßnahmen. 5.000 Streikende wurden verhaftet, 2000 zu Gefängnis verurteilt. Menschenrechts-Proteste aus dem Westen? Null.

Deshalb siedelten Banken, Konzerne, Berater, Generalkonsulate und Handelskammern seit den 1960er Jahren sich hier an, aus den USA und den Philippinen, aus Japan, Australien und dem gesamten Westen. Die USA unterhalten hier das größte Konsulat und auch die größte Handelskammer: Sie wurde 1969 gegründet und rühmt sich, „eine der einflussreichsten Wirtschaftsorganisationen im asiatisch-pazifischen Raum“ zu sein.[5] Fast alle EU-Staaten unterhalten hier seit den 1980er Jahren Handelskammern, die größten sind die englische und die französische mit jeweils 750 Unternehmen, die deutsche mit 600 Unternehmen. Daneben sitzt hier noch die Europäische Handelskammer mit Mitgliedern aus 17 EU-Staaten: „Hongkong ist ein idealer Platz für Geschäfte“, hieß es zufrieden einige Wochen vor dem Ausbruch der Proteste.[6]

Unmittelbar geschäftlich, vor allem in leitenden Funktionen, leben in Hongkong etwa 100.000 Briten, 85.000 US-Amerikaner, 60.000 Franzosen, 40.000 Deutsche usw. Hier besteht seit der neoliberalen Globalisierung die größte Bankenkonzentration der Welt, dichter noch als in der City of London: Alle westlichen Großbanken sind vertreten: Aus den USA, aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Schweiz, Kanada, Japan, Australien, Südkorea, den Golfstaaten – und Banken und Unternehmen aus China.

Die Unternehmenssteuern sind mit 16,5 Prozent die niedrigsten in der westlichen Welt. Die Währung Hongkong-Dollar ist an den US-Dollar gebunden. Mit 215 Mrd. US-Dollar an US-Staatsschulden gehören Hongkonger Spekulanten nach Japan und China zu den größten Finanziers der westlichen Supermacht.

Der größte Konzern: Jardine Matheson Holdings

Der größte Konzern ist bis heute, ununterbrochen seit 187 Jahren, Jardine Matheson. Kontrolliert wird er von der Keswick-Familie, direkte Nachfahren des Gründers William Jardine.

Mit den Gewinnen aus dem Opium-Schmuggel wurde ein weitverzweigter Mischkonzern aufgebaut: Zur Holding gehören Hotel- und Einzelhandelsketten, Banken, Finanzdienste, Transportlogistik, Medien, Immobilien, Tourismus einschließlich Kreuzfahrtschiffen sowie Anteile an der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC), der größten Bank vor Ort, am größten US-Rohstoffhändler Glencore, aber auch an chinesischen Konzernen wie dem Hafenbetreiber COSCO.

Der öffentlich so gut wie unbekannte und auch bei Berichten über die Proteste in Hongkong nie genannte Konzern ist weltweit präsent. Jardine Matheson ist z.B. der größte Aktionär der Rothschild-Bankengruppe, die seit ihrem erneuten Aufstieg unter Margaret Thatcher von London aus in 44 Staaten zum wichtigsten Privatisierungsberater europäischer und asiatischer Regierungen und zum Berater für Unternehmensfusionen aufstieg – weswegen u.a. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seinem Amtsende in den Rothschild-Beirat berufen wurde (während deutsche Leitmedien nur Schröders Funktion beim russischen Konzern Gazprom anprangern).[7] Rothschild mit seinen Krediten etwa für die westlich betriebenen Eisenbahnlinien, mit denen der Handel erweitert wurde, war auch im kolonial besetzten China Teil des „britischen Imperialismus“, so der US-Finanzhistoriker Niall Ferguson.[8]

Der Mischkonzern hat 460.000 Beschäftigte, verteilt auf Hongkong und alle asiatischen Länder. Man sitzt selbst in der größten westlichen Finanzoase, aber das reicht nicht: Das Unternehmen hat seinen operativen Sitz in Hongkong, besteht nach britischem Wirtschaftsrecht und hat seinen Steuersitz in der karibischen Finanzoase Bermuda, dem immer noch britisch annektierten „Überseegebiet“.

 Die größte Bank: HSBC

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Die Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) wurde 1865 in Hongkong gegründet und wurde der wichtigste Kreditgeber für den westlichen Handel mit China und lange Zeit für das Reich der Mitte selbst. Ihren größten operativen Sitz hat sie heute hier im 178 Meter hohen Tower an der feinen Adresse 1, Queens Road. Ihre Zentrale musste sie aber 1959 wegen des Aufkaufs von Banken in Großbritannien nach London verlegen. Als größte Bank in Hongkong ist sie mit 255.000 Beschäftigten zugleich die größte Bank Europas.

HSBC betreibt vier Filialen auf der Hauptinsel Hongkong, fünf im dazugehörigen Knowloon und zwei auf benachbarten Inseln, dazu 6.000 Filialen in 70 Staaten auf allen Kontinenten. Es werden die „westlichen Werte“ des deregulierten Finanzzentrums Hongkong und des Vorbilds, des deregulierten Finanzzentrums City of London, vertreten. Das hindert nicht, dass populistisch auch die islamistische Tochtergruppe HSBC Amanah weltweit islamisches Publikum umwirbt.

Mit den Gewinnen in Hongkong kaufte HSBC nicht nur Banken in Großbritannien auf, sondern z.B. auch in den USA und Frankreich. In Deutschland sicherte man sich die feine elitäre Bank Trinkaus & Burkhardt in Düsseldorf: Dort residierte mit dem FDP-Granden Otto Graf Lambsdorff einer der großen illegalen Parteifinanziers der Bundesrepublik, wegen Steuerhinterziehung verurteilt, und dort amtet als Nachfolger im Aufsichtsrat der CDU-Politiker Friedrich Merz, der von den illegalen Cum-Ex-Geschäften der Bank nichts gemerkt hat und deshalb geeignet war, von BlackRock als Vorsitzender des BlackRock-Aufsichtsrates Deutschland berufen und belohnt zu werden.

2012 zahlte HSBC in den USA 1,9 Mrd. Dollar Bußgeld wegen Finanzierung von Terroristen und Drogenhändlern (weil es die falschen waren). In der Schweiz wurde die Bank als „kriminelle Organisation“ eingestuft, wegen Delikten ähnlicher Art, einschließlich der Finanzhilfen für Diktatoren.[9] Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete die Bank als „Tresor der Mächtigen und Verschwiegenen“ (SZ 9.2.2015). In Hongkong bleibt soetwas strafloses business as usual.

Die HSBC wird von den Finanzaufsichten des Westens zu den 29 „systemrelevanten“ Banken gezählt. Sie kann also auch kriminell und spekulativ überdrehen – mit der Gewissheit, auf Staatskosten gerettet zu werden.

Reichster Oligarch: Li Ka-shing

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„Die 21 reichsten Hongkonger“, so die FAZ, weisen offiziell 206,3 Milliarden Euro Eigentum aus.[10] Sie sind wie die Kewicks und die Wok-Brüder meist zugleich die größten Immobilien-Tycoons.

Der wichtigste Multimilliardär und bekannteste Oligarch ist Li Ka-shing. Der Chef des weltweit aktiven Mischkonzerns CK Hutchison steht an 23. Stelle der reichsten Menschen der Erde. Großimmobilien und Internet Service Provider in Hongkong gehören zum Imperium, Einzelhandel, Getränkeherstellung, Anteile am größten US- Versicherungskonzern AIG sowie an den wichtigsten Containerhäfen wie Hongkong selbst, Rotterdam, Panama und den Bahamas. Die Oligarchen sind miteinander vielfach vernetzt, so ist Jardine Matheson auch an CK Hutchison beteiligt. Der Konzern mit seinen zahlreichen Tochtergesellschaften und 323.000 Beschäftigten bestreitet ein Drittel der Marktkapitalisierung an der Börse von Hongkong. Seinen rechtlichen und Steuersitz hat der Konzern auf den Cayman Islands.

In Deutschland wurde Li Ka-shing bekannt (und bald wieder vergessen), als er 2000 den Kauf der Telekommunikationssparte von Mannesmann durch den englischen Konzern Vodafone korruptiv beförderte. Als Miteigentümer von Vodafone zahlte er an den Mannesmann-Vorstandschef Klaus Esser 30 Millionen Euro Schmiergeld als „Anerkennungsprämie“, der Aufsichtsrat unter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann steuerte weitere Millionen für Vorstand und Aufsichtsrat bei – der Kauf ging über die Bühne. Der Hongkonger Drahtzieher verdiente Milliarden; angeklagt vor Gericht wurde das Hilfspersonal in Deutschland, so Esser, Ackermann und der Vorsitzende der IG Metall, Zwickel.[11]

CK Hutchison mischt von der Öffentlichkeit unbemerkt in der Infrastruktur der EU mit, so als Eigentümer des Telekommunikationsunternehmens Vivacom in Bulgarien. In Deutschland gehören dazu etwa 40 Prozent an der Drogeriekette Rossmann, die hier wie CK Hutchison in Hongkong extrem die internationale Niedriglöhnerei organisiert.[12]

Der Medienmogul: Jimmy Lai

Jimmy Lai, der anglisierte Name des geflüchteten Festland-Chinesen Lai Chae-Ying, machte seit den 1980er Jahren seine ersten Millionen durch den Aufbau einer Kette für Billigtextilien, vor allem T-Shirts, die von Niedrigstlöhnern in Hongkong und in sweat shops diverser asiatischer Staaten wie Bangladesh produziert und auch in die USA exportiert wurden.

Inzwischen gehört ihm vor allem der Medienkonzern Next Digital. Emotionsgeladene Schnell- und Kurzbotschaften sind die Spezialität, auch als „Paparazzi-Journalismus“ bezeichnet. Dazu gehören kostenlos vertriebene, mit Sensationsberichten und Werbung vollgestopfte Medien. Bekannt ist Apple Daily, das auch in Taiwan verbreitet wird. Lai hält die Verbindung zu dieser Insel, die ebenfalls zu China gehört, auf die sich ein anderer Teil der von Mao Tse Tung entmachteten Feudalklasse geflüchtet hatte und die von den USA als diplomatisch nicht anerkanntes Sondergebiet alimentiert wird. Lai hält hier auch Anteile an Elektronikfirmen. Auch er hantiert von der Finanzoase Hongkong aus mit anderen Finanzoasen, wobei er die British Virgin Islands bevorzugt.

Dieser westliche Vorzeige-Demokrat sponsert die Demokratische Partei des Rechtsanwalts Martin Lee. Der organisiert in Hongkong seit Jahren Protestbewegungen gegen China, nachdem er wie Lai selbst mit der britischen Kolonialverfassung immer zufrieden war und an Demokratie kein Interesse gezeigt hatte.

Weltweit vernetzte Steueroase

Wie die Steuersitze von Jardine Matheson, CK Hutchison und Lai zeigen, ist Hongkong nicht nur selbst eine Steueroase, sondern der Mittelpunkt eines Steueroasen-Netzes. So ist etwa auch die Filiale der Rothschild-Bank in Hongkong keine Tochtergesellschaft der Zentralen in London und New York, sondern eine Tochtergesellschaft der Rothschild-Tochter in der Finanzoase Schweiz.

So sind in Hongkong auch Banken aus allen wichtigen Finanzoasen wie Liechtenstein, Luxemburg, und der Niederlande vertreten. Eine besonders enge Vernetzung besteht mit den englischen „Übersee-Territorien“, den ehemaligen Kolonien, die unter britischer Oberhoheit zu Finanzoasen ausgebaut wurden und darin ihre Staatsraison finden, so die Britisch Virgin Islands, Gibraltar, Belize, Jersey, Isle of Man und St. Vincent.

Ebenso sind die Big Four der Wirtschafts“prüfer“, also Price Waterhouse Coopers (PWC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte hier mit großem Personal vertreten, PWC beispielsweise mit 600 Partnern (Miteigentümern) und 17.000 der weltweit 250.000 Beschäftigten. Steuer“­gestaltung“ für Konzerne und superreiche BlackRock- und Blackstone-Kunden, also das Herausfinden der jeweils günstigsten Finanz- und Steueroase, ist neben der Bilanzprüfung ihr zweiter, lukrativer Geschäftsbereich, der in Hongkong eine besondere Rolle spielt. Sie konstruieren die kaskadenartig auf mehrere Finanzoasen hintereinander geschalteten Briefkastenfirmen.[13]

Hongkong hat unter seinen sieben Millionen Einwohnern mit die größte Dichte an Superreichen: 170.000 Millionäre sind hier ansässig, so der letzte Global Wealth Report der Schweizer Steuerhinterziehungs-Hilfebank Crédit Suisse. Es können auch viel mehr sein, denn für das Verstecken von Eigentumsrechten an Unternehmen und an Luxus- und Geschäftsimmobilien steht hier das Instrumentarium bereit.

EU und OECD führen schwarze und graue Listen der Steueroasen, deren Praktiken bekämpft werden sollen. Diese Listen beinhalten solche Finanzoasen, die für die Steuerflucht von Individuen und Kleinkriminellen die einschlägigen Dienste anbieten wie die größte unter ihnen, die Schweiz. Aber in den Listen fehlen gerade alle Finanzoasen, die für große Konzerne, Banken und Kapitalorganisatoren wie BlackRock und Blackstone ihre Dienste anbieten, so Delaware/USA sowie Luxemburg, die Niederlande, Irland[14] – und Hongkong.

Banken- und Finanzkriminalität

Professionelle Finanzkriminalität wurde als Standortvorteil ausgebaut, Verurteilungen wegen Unternehmenskriminalität gibt es nicht. Die Finanzaufsicht ist bestenfalls symbolisch.

Das konstatiert auch die international tätige Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner: Für Wirtschafts- und Finanzkriminalität, etwa für rechtswidrige Überweisungen „stellt Hongkong mit seinem wirtschaftsfreundlichen Bankenumfeld und extrem liberalen Wirtschaftssystem einen gefundenen Nährboden“ dar.[15]

Die Kanzlei, die viele deutsche Unternehmen berät, fügt hinzu: „Die unkomplizierte Gründung und Schließung von Gesellschaften sowie hohe Transaktionsvolumina sind für eine internationale Handelsmetropole nichts Ungewöhnliches. Viele der in der VR China ansässigen Täter, die in Hongkong über Scheingesellschaften und Bankkonten verfügen, nutzen den vorbezeichneten Status und die räumliche Nähe zur Volksrepublik für ihre kriminellen Zwecke aus. In der Regel verbleiben die betrügerisch vereinnahmten Gelder nur kurze Zeit in Hongkong, bevor sie dann anschließend sternförmig auf Konten in Hongkong, aber meist ins Ausland – mit Schwerpunkt in die VR China – weiterverteilt werden – ein Umstand, der die Rechtsverfolgung zusätzlich erschwert.“

Menschenrechte in Hongkong

Westliche Regierungen und Leitmedien unterstützen in Hongkong die von den Protestbewegungen erhobenen Forderungen nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Doch diese Unterstützung ist heuchlerisch. Zunächst: Schon während der gesamten Zeit Hongkongs als britische Kronkolonie wurden diese Rechte verletzt, vom Westen aber nicht unterstützt. Hongkong ist auch seit der Rückgabe an China 1997 keine parlamentarische Demokratie und kein demokratischer Rechtsstaat: Gerade darauf haben Großbritannien und der gesamte Westen zum eigenen Vorteil bestanden und haben das bis heute nicht kritisiert. Auch frühere Proteste gegen den unmenschlichen Wohnungsnotstand und Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen wurden nicht unterstützt.

Alle westlichen Staaten, allen voran die USA und alle EU-Staaten, die in Hongkong mit Banken, Konzernen, Beratern und Generalkonsulaten präsent sind, lehnen prinzipiell die weltweite Geltung der Sozial- und Arbeitsrechte als Menschenrechte ab, die von der UNO und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO beschlossen wurden. Gegenwärtig bekräftigt die „westliche Wertegemeinschaft“ dies beim Binding Treaty: 2013 beschloss die UN-Generalversammlung auf Initiative von 85 Mitgliedsstaaten, dass die Ausarbeitung eines verbindlichen Vertrages zu Wirtschaft und Menschenrechten eingeleitet wird: In den internationalen Produktions- und Lieferketten sollen Unternehmen die Menschenrechte einhalten. 2014 legte der UN-Menschenrechtsrat eine entsprechende Resolution vor.

Die Neinstimmen kamen von den Staaten, die auch in Hongkong dominieren: USA, Deutschland mit allen vertretenen EU-Staaten, Japan, Australien, Südkorea – übrigens: China zusammen mit den anderen BRICS-Staaten Brasilien, Indien, Russland und Südafrika stimmte der Resolution zu.[16]

Sogar die bürgerlichen Menschenrechte wie die jetzt in Hongkong hochgehaltenen Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit lehnen die westlichen Banken, Konzerne, Berater und Staaten überall auf der Welt als verbindlich ab und verletzen sie bei Bedarf:

  • Das gilt etwa für die Golfstaaten wie Katar, in denen insbesondere Wanderarbeiter massenhaft in sklavenähnlichen Verhältnissen zugunsten westlicher Unternehmen beschäftigt und festgehalten werden. Sie dürfen keine unabhängigen Assoziationen bilden und nicht streiken;[17]
  • es gilt in der Türkei, in Indien und Südamerika, wo deutsche Konzerne, auch solche mit staatlicher Beteiligung wie die Deutsche Post DHL es kommentarlos und klammheimlich nutzen, dass streikende Gewerkschafter verhaftet werden;[18]
  • es gilt in südeuropäischen Agrarindustriezonen wie Italien und Spanien, wo die EU mafiadurchsetzte Agrarunternehmen subventioniert;[19]
  • es gilt in den USA, wo die Ausbeutung der zugleich diskriminierten illegalen WanderarbeiterInnen am verbreitetsten überhaupt ist und wo westliche Konzerne, auch die führenden deutschen Automobilkonzerne wie VW und BMW „vor allem dort investieren, wo selbst nach US-Standards die Arbeitnehmerrechte am schwächsten und die antigewerkschaftlichen Lobbyisten in Politik und Wirtschaft am stärksten sind, nämlich in den Südstaaten der USA“ und wo weder nach deutschem noch nach US-Recht eine Belegschaftsvertretung gewählt werden konnte.[20]

Alle genannten westlichen Staaten lehnen in allen ihren Freihandelsverträgen wie TTIP, TISA, JEFTA und den Economic Partnership Agreements (EPA) der EU mit afrikanischen Staaten die Verankerung von verbindlichen demokratischen, bürgerlichen sowie Sozial- und Arbeitsrechten ab. Ebenso lehnen sie bekanntlich das urdemokratische Grund- und Menschenrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz ab.[21]

China braucht Hongkong immer weniger

Die Herren der Kronkolonie stiegen auf und wurden reich durch legale, halblegale, illegale, immer straflose Geschäfte in den ärmeren Staaten Asiens. Das galt besonders unter allen Regierungsformen im großen und unterentwickelten Land China, vom Feudalismus über die kurze bürgerliche Republik des Sun Yat-sen und die US-geförderte Diktatur des Generalissimus Tschiang Kai-shek bis 1949.

Auch das sozialistische China unter Mao Tse-tung konnte sich den engen traditionellen Beziehungen nicht entziehen. Das hatte auch positive Seiten: Bei allen von den USA organisierten Boykotten, etwa ab 1949 mithilfe der CoCom-Liste verbotener Technologie – Hongkong half bei der Umgehung westlicher Regeln, vermittelte Kredite, lieferte Waren und Geräte. Das nahm noch zu, als China seit den 1980er Jahren gezielt westliche Unternehmen ins Land holte – General Motors, VW, Nissan, Renault, Siemens, IBM, Bayer, Apple, Microsoft, Foxconn, Mittelständler und hunderttausend weitere. Mit ihnen kamen westliche Banken, Händler und Berater nach Hongkong, und auch die einheimischen Clans der Kronkolonie weiteten ihre Geschäfte weltweit aus.

Doch das geht nun in der Tendenz schrittweise zu Ende. Als der Status als britische Kronkolonie 1997 beendet wurde, hatten die USA die Mitgliedschaft Chinas in der Welthandelsorganisation WTO noch verhindern können. So liefen die wachsenden Exporte Chinas formell über Hongkong. Zölle und andere Handelshemmnisse konnten umgangen werden.

Als Chinas WTO-Mitgliedschaft 2001 nicht mehr verhindert werden konnte, wurde noch die Hälfte der Exporte über Hongkong abgewickelt – aber heute sind es weniger als 12 Prozent.[22]

Zudem: China verfügt mittlerweile über die vier größten Banken der Welt und über international tätige Investmentbanken. Die chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzen haben inzwischen eine Marktkapitalisierung, die doppelt so hoch ist wie die in Hongkong. An der Shanghaier Börse wurde eine neue Abteilung für Technologie-Unternehmen eröffnet. Sogar New York bemüht sich, dass chinesische Konzerne wie Alibaba ihren Börsengang in den USA organisieren. Die chinesische Währung Renminbi wird inzwischen auch in anderen Finanzzentren anerkannt. Die neueren wichtigen Kapitalorganisatoren wie Blackrock und Fidelity gehen nicht nach Hongkong, sondern erhielten 2016 ihre Lizenzen als Fondsmanager in Shanghai.[23]

„Chinas Abhängigkeit von Hongkong ist vorbei“ – das erkennt man auch in westlichen Leitmedien.[24] Die führenden Geschäftemacher Hongkongs haben sich zu lange und zu selbstsicher auf ihren alten Supergewinnen und einzigartigen Privilegien ausgeruht, genauso wie gegenüber Festland-China[25] – das ist ja das Muster im US-geführten Westen überhaupt, aber in Hongkong noch extremer ausgeprägt.

Auslöser der Proteste: Auslieferungs-Gesetz

Nachdem die Regierung von Hongkong 2019 den Entwurf des Auslieferungsgesetzes für 27 Straftaten wie Mord, vor allem aber für das breite Spektrum der Unternehmenskriminalität wie Bestechung und Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung, Betrug und Insidergeschäfte plante, bekräftigte das State Department die US-Position: Das Extradition Law, wonach Straftäter, die China von Hongkong aus geschädigt haben, an die Volksrepublik ausgeliefert werden können, untergrabe Hongkongs Autonomie, schädige den Finanzplatz und unterwerfe US-Bürger in Hongkong der chinesischen Justiz.

Die kommunistische Staatsführung verfolgt schon seit Jahren verstärkt die systemischen kapitalistischen Formen der Unternehmenskriminalität auf dem Festland: Und mit dem geplanten Auslieferungs-Gesetz „könnte fast jeder Hongkonger Geschäftsmann theoretisch ins Visier der chinesischen Justiz geraten“, erkennt realistisch auch die FAZ, die ansonsten die Menschenrechtsbewegung in den höchsten Tönen lobt.[26]

China will die Herrschaft des Rechts durchsetzen, gegen chinesische wie ausländische Unternehmer, Banker, Manager und Berater. Die Herrschaft des Rechts, rule of law, ist eigentlich ein fundamentaler „westlicher Wert“, den aber der Westen selbst weniger denn je einhält, sondern diese permissive Praxis und das rechtliche Vollzugsdefizit auf dem Gebiet von Unternehmen und Banken[27] auch in Hongkong verbissen verteidigt. Genauso bekämpft die von christlichen Parteien gestützte deutsche Unternehmenslobby die Einführung eines modernen Unternehmens-Strafrechts.[28]

Gegen Völkerrecht und Verfassung: Hongkong soll westliche Kolonie bleiben

Trotz oder gerade wegen der schwindenden Bedeutung des „freiesten Wirtschaftsgebietes der Welt“ für China halten die westlichen Meinungs- und Politikmacher die gefakete Fahne von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten hoch. Jetzt erst recht. Keine Region der Welt unter westlichem Einfluss ist immer noch so eng vernetzt mit dem chinesischen Festland. Deshalb schuf der Westen für die Aufrechterhaltung des traditionellen Einflusses vor der Übergabe 1997 an die Volksrepublik zusätzliche Instrumente.

Während der vieljährigen Verhandlungen baute der US-Kongress schon mal vor. 1992 beschloss er mit dem Hongkong Policy Act: Die USA werden die Freihandelszone immer als unabhängig behandeln und nie als Teil der Volksrepublik China anerkennen.

Das verletzte den Beschluss der UNO-Vollversammlung von 1972, wonach die britische Besetzung völkerrechtswidrig ist und beendet werden muss. Die USA unterhalten neben den diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik weiter eine Sonderbeziehung zu Hongkong und lassen zu Spionagetätigkeit und Umgehungspraktiken Chinas über die Sonderverwaltungszone laufend ermitteln.[29] Das verletzt damit tendenziell das Grundgesetz (basic law) von Hongkong. Es besagt in Artikel 1: „Die Sonderverwaltungszone ist ein unveräußerlicher (inalienable) Teil der Volksrepublik China“.

Bereits seit 1995 finanziert die zivile CIA-Vorfeldorganisation National Endowment for Democracy (NED)[30] *) den Hongkong Human Rights Monitor (HKHRM). Dessen Initiatoren hatten zu allen Verletzungen von Menschenrechten, auch der Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, und gegen das Fehlen der Arbeitsrechte zuvor nie protestiert: Gerade das qualifizierte sie zu den neuen Vertretern der Menschenrechte. Von 1995 bis 2013 flossen aus Washington zwei Millionen US-Dollar, allein im Jahr 2018 floss eine halbe Million an diverse neue Oppositionsgruppen.[31] Die FAZ konstatiert das nebenbei als normale US-Praxis, bezeichnet aber die Behauptung, die Bewegung sei fremdgesteuert, als „Verschwörungstheorie“.[32]

Anfang August 2019 traf sich die Diplomatin Julie Fadeh vom Hongkonger Generalkonsulat der USA mit Führern der Protestbewegung. Zur gleichen Zeit wollten zwei US-Kriegsschiffe, die USS Lake Erie und USS Green Bay, da sie mit der Pazifikflotte sowieso in der Gegend unterwegs waren, mal eben nebenbei im Hafen von Hongkong einen „Zwischenstopp“ einlegen, mit oder ohne Zustimmung von Präsident Trump – die chinesische Regierung verbot es.[33] „Man stelle sich vor“, kommentiert der französische Blog Voltaire.net, „chinesische Diplomaten hätten sich in New York mit Führern von Occupy Wall Street getroffen.“[34] Man stelle sich ebenfalls vor: Zwei chinesische Kriegsschiffe wollten während der Occupy-Wall-Street-Proteste mal eben an der Freiheitsstatue vorbei im Hafen von New York einen Zwischenstopp einlegen!

Großbritannien hatte sich mit einem Jahrzehnt Verzögerung, erst 1982, auf Verhandlungen zur Rückgabe eingelassen. Vor der Rückgabe bis 1996 verteilte die britische Regierung 3,4 Millionen Reisepässe an ausgewählte Hongkonger Bürger.

Medienmogul Jimmy Lai, der ebenfalls die Proteste unterstützt und finanziert, wurde Anfang Juli 2019 in Washington als Vertreter der Demokratie-Bewegung von US-Vizepräsident Mike Pence, Sicherheitsberater John Bolton und State-Department-Chef Michael Pompeo empfangen.[35] Wikileaks hatte schon zum Missfallen von US-Präsident Barack Obama enthüllt, dass Lai und die CIA zusammenarbeiten.

Deshalb verletzen auch die Demonstranten das in Hongkong geltende Grundgesetz, wenn sie – zudem teilweise mit US- und Hongkongs britischer Kolonialflagge – die Unabhängigkeit der Sonderverwaltungszone fordern. Die chinesische Regierung sieht deshalb die Sicherheit des Landes bedroht.

Auch die deutsche Regierung erweist sich als serviler Helfer. „Seit Mai 2018 genießen zwei Männer in Deutschland Asyl für Personen, die in Hongkong in der Nacht vom 8. auf den 9. 2.2016 festgenommen worden waren, weil sie sich an blutigen Ausschreitungen im Distrikt Mong Kok beteiligt hatten. Dort hatten mehrere hundert Personen Polizisten mit Flaschen und Steinen angegriffen, Fahrzeuge in Brand gesteckt und mehr als 80 Beamte verletzt. Die zwei Männer gehören der Organisation Hong Kong Indigenous an, die die Stadt von China abspalten will.“[36] Dass auch der FDP-Vorsitzende Lindner sich in Hongkong mit der Demokratischen Partei trifft und sich um die Menschenrechte von Bankern sorgt, während er in Deutschland eine neue Agenda 2010 mit neuen Hartz-Gesetzen fordert und die entsprechenden Menschenrechte mit Füßen tritt, gehört zum widerlichen internationalen Erscheinungsbild Deutschlands.

 Protestgründe: Wohnungsnot, niedrige Einkommen, Rezession

 

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Hongkong ist mit seinen auf der Insel verdichteten Hochhaustürmen und Wohnungskomplexen der teuerste Immobilienstandort der Erde. Auch die Preise für Eigentumswohnungen und die Mieten gehören weltweit zu den höchsten. Da steckt zudem viel Schwarzgeld aus Hongkong selbst und aus aller Welt – nicht zuletzt aus China. Auch in diesem Milieu verbreitet sich Angst vor rechtsstaatlichen Ermittlungen.

Der extreme Reichtum hat als Kehrseite die extreme Armut bei einheimischen abhängig Beschäftigten und ihren Kindern, bei Rentnern und Alten hervorgebracht: „Penthouse-Paradiese für Milliardäre und Käfigwohnungen für die Massen.“[37] Über die teuren Wohnkäfige mit zwei Kubikmetern Wohnraum für die hunderttausenden Wohnungslosen wird seit langem international berichtet. Aber westliche Proteste gegen die Verletzung des Menschenrechts auf menschenwürdiges, sicheres Wohnen: Null.

Die von den digitalen, gedächtnislosen Medien des Jimmy Lai und über Facebook und Twitter kurz und heftig vernetzten Studenten, Schüler, jungen Angestellten der Banken, Dienstleister und Konzerne sehen ihre Zukunft schwarz. Die Normalarbeitszeit für einfache Arbeiter und Angestellte in der „freiesten Wirtschaft der Welt“ beträgt 55 Stunden pro Woche. Mit einem Monatsgehalt können auch besser bezahlte Angestellte bestenfalls die Miete bezahlen: Das durchschnittliche Monatsgehalt liegt bei 17.500 Hongkong-Dollar, die Durchschnittsmiete für ein Einzimmer-Appartement beträgt 16.500 Hongkong-Dollar. So zitiert die FAZ einen 24jährigen Bankangestellten: „Viele von uns sehen keine Zukunft mehr. Wir werden uns nie eine Wohnung leisten können.“[38]

Die Oligarchen und Superreichen Hongkongs sind mit ihrem, vom Westen geförderten freien Handeln schuld an Niedriglöhnen, exzessiven Mietsteigerungen und sozialem Elend. Sie ebenso wie die westlichen Profiteure der „freiesten Wirtschaft der Welt“ freuen sich klammheimlich, dass die Wut sich gegen die Volksrepublik richtet. Die wiederum ist noch nicht ganz unabhängig von der Sonderwirtschaftszone, will aber 2047 auch keine neoliberale Wüste übernehmen.

Westliche Unternehmen produzieren und nutzen weltweit Niedriglöhnerei, Armut und Unrechtsverhältnisse, in Hongkong seit fast zwei Jahrhunderten in extremer Form. Die westliche Meinungsmache lobt und fördert die Menschenrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit der protestierenden Jugend, aber nicht deren Menschenrechte auf auskömmliches Arbeitseinkommen und sicheres Wohnen. Gerade im Kampf gegen den neuen Hauptfeind ist demagogisch jedes Mittel recht.

Die Volksrepublik China, gestützt auf ihre innere Entwicklung mit steigenden Löhnen und neuen modernen Wohnstädten und in Übereinstimmung mit der international militärisch defensiven Haltung, praktiziert Geduld. Zeit und Entwicklungslogik sprechen für China und gegen den Westen.
In diesem geopolitischen Konflikt stoßen zwei Wertewelten aufeinander – ein aufschlussreicher und bedeutsamer Konflikt für die Zukunft von Freiheit, Demokratie, Völkerrecht und Menschenrechten.

[«1] heritage.org/index/ranking

[«2] Der Pachtvertrag zwischen Kuba und den USA über Guantanamo, Deutscher Bundestag / Wissenschaftliche Dienste, 2006, WD 2-135/06

[«3] Siemens: Lukrativer Auftrag in Guantanamo Bay, manager maganzin 26.7.2019

[«4] Zur Geschichte der Kronkolonie Hongkong siehe Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415 – 2015. München 2016, S. 825ff.

[«5] Amcham.org/UK, abgerufen 20.8.2019

[«6] eurocham.com/hk 20.3.2019

[«7] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 132ff.

[«8] Niall Ferguson: The House of Rothschild. The World’s Banker 1849 – 1999, New York 2000, S. 295

[«9] Die Schweizer HSBC-Tochter wird die Vergangenheit nicht los, Neue Zürcher Zeitung 10.2.2015

[«10] Hongkonger protestieren auch wegen Geld, FAZ 17.8.2019

[«11] Ackermann lächelt, Esser triumphiert, Spiegel online 31.3.2004; Esser, Ackermann und Zwickel wurden freigesprochen.

[«12] Rossmann-Drogerie: Warum wurde das Unternehmen für den Schwarzen Freitag den 13. Januar 2017 nominiert? Aktion.arbeitsunrecht.de

[«13] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 27ff. und 217ff.

[«14] Liste mit Loch, Der Spiegel 24.8.2019, S. 63

[«15] CEO-Fraud durch Social Engineering in Hongkong, roedl.de/themen/hongkong-ceo-fraud-social-engineering, abgerufen 25.8.2019

[«16] Stop Corporate Impunity: Treaty on Transnational Corporations and their Supply Chains with Regards to Human Rights, October 2017 edition

[«17] UNI Global Union/ITUC/CSI/IGB: Unternehmerische Verantwortungslosigkeit. Weltweite Arbeitspraktiken von Deutsche Post DHL, 2012

[«18] DHL und Telekom als Union Buster im Ausland, arbeitsunrecht.de 4.6.2012

[«19] Europas dreckige Ernte, ARD/die story 9.7.2018

[«20] Deutsche Unternehmen lassen die Mitbestimmung zuhause, IG Metall Extranet 18.4.2018

[«21] CETA, TTIP, TiSA, JEFTA & Co – Gefahren für die Demokratie abwenden, lobbycontrol.de/schwerpunkt/ttip/

[«22] Why China No Longer Needs Hong Kong, New York Times 3.7.2019

[«23] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, S. 270

[«24] Why China No Longer Needs Hong Kong, New York Times 3.7.2019

[«25] China eyes HongKong more als rival, not an indispensable ally, Financial Times 7.8.2019

[«26] Ein Land, zwei Jusitzsysteme, FAZ 11.6.2019

[«27] Werner Rügemer: Arbeitsverhältnisse – Unternehmer als ungestrafte Rechtsbrecher, in: Klaus-Jürgen Bruder u.a. (Hg.): Gesellschaftliche Spaltungen. Gießen 2018, S. 207 – 222

[«28] Verbände laufen Sturm gegen Unternehmenssanktionen, Handelsblatt 22.10.2018

[«29] Hong Kong Policy Reevaluation Act of 2019, congress.gov/bill/116th-congress

[«30] Werner Rügemer: Leitmedien als Instrumente der Inszenierung, nachdenkseiten.de 7.6.2019

[«31] Proteste in Hongkong, German Foreign Policy 14.8.2019

[«32] Die Legende von der Fremdsteuerung, FAZ 13.9.2019

[«33] China verbietet US-Kriegsschiffen die Einfahrt nach Hongkong, Spiegel online 14.8.2019

[«34] The British and the „coloful revolution in Hong Kong, voltairenet.org 12.8.2019

[«35] Hong Kong media tycoon Jimmy Lai meets US no.2 Mike Pence and Secretary of State Pompeo to discuss extradition bill, Hong Kong Free Press 10.7.2019

[«36] Proteste in Hongkong, German Foreign Policy 14.8.2019

[«37] Massenproteste in Hongkong, Nachdenkseiten 20.8.2019

[«38] Hongkonger protestieren auch wegen Geld, FAZ 17.8.2019

*: Andere Aktionsfelder der National Endowment for Democracy siehe hier:

https://josopon.wordpress.com/2020/05/21/geld-fur-systemwechsel-us-stiftung-fur-demokratieforderung-schuttete-2019-erneut-millione-n-fur-kubas-gegner-aus/
https://josopon.wordpress.com/2014/09/21/cia-in-der-ukraine-freedom-and-democracy/
https://josopon.wordpress.com/2019/03/08/was-will-die-opposition-in-venezuela%e2%80%a8/
https://josopon.wordpress.com/2019/02/28/faktencheck-venezuela-was-in-deutschen-medien-uber-das-sudamerikanische-land-verbreitet-wird-und-wie-es-tatsachlich-aussieht-ein-staatschef-aus-dem-regime-change-labor/

Das Thema wude auch hier  schon eingestellt: http://cooptv.wordpress.de/2019/10/11/hongkong-china-die-menschenrechte-weltnetz-tv/

 

 

 

Geld für Systemwechsel: US-Stiftung für »Demokratieförderung« schüttete 2019 erneut Millionen für Kubas Gegner aus

CastroJochens SOZIALPOLITISCHE
NACHRICHTEN

Eine gute Vorstellung davon, was auch uns in Deutschland blühen würde, wenn es bei uns mal eine wahrhaft sozialdemokratische Bundesregierung gäbe.
Die hier für Kuba genannten Organisationen haben auch in Deutschland Zweigstellen, die ihren Einfluss heute schon bis weit in die Linkspartei und die Grünen ausüben: https://josopon.wordpress.com/2020/01/08/mit-allen-mitteln-und-unterstutzung-aus-der-linkspartei-fur-das-grose-inferno-in-nahost/ und https://josopon.wordpress.com/2014/12/17/von-ard-bis-zeit-grune-an-der-spitze-der-entspannungsgegner/.
Eine Mischung aus Erpressung und subtiler Gewalt, wie schon von Uwe Ulfkotte……… beschrieben: https://josopon.wordpress.com/2014/11/10/interview-mit-udo-ulfkotte-ex-faz-uber-gekaufte-journalisten-in-grosen-zeitungen/

Propagandakrieg

Von Volker Hermsdorf
Die USA verteilen immer mehr Geld an Organisationen und Gruppierungen in aller Welt, die damit Washingtons Aktivitäten für einen regime change in Kuba unterstützen sollen. Allein die staatlich finanzierte US-Stiftung »National Endowment for Democracy« (NED) hat im vergangenen Jahr mehr als 5,4 Millionen US-Dollar für insgesamt 52 Projekte in verschiedenen Ländern vergeben.
Im Jahr 2019 hat die NED-Stiftung weltweit 42 Einrichtungen finanziert – darunter Hochschulen, NGO, Bürgerinitiativen, »Menschenrechtsaktivisten« und »unabhängige Medien« –, die sich für einen Systemwechsel auf der Insel engagieren. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte das NED diese Ausgaben nochmals um 16 Prozent. Im Vergleich zu 2017 beträgt die Steigerung sogar 42 Prozent.
Der US-amerikanische Journalist Tracey Eaton listet die Profiteure des Geldsegens in seinem Blog »Cuba Money Project« namentlich und mit Beträgen auf und veröffentlichte die aktuellen Zahlen am 9. Mai.

Das 1983 vom US-Kongress als Dachorganisation US-amerikanischer NGOs gegründete NED ist eines der wichtigsten Instrumente für Washingtons Außenpolitik. Offizielle Aufgabe der Organisation, die über ein jährliches Budget von rund 140 Millionen US-Dollar verfügt, ist die »weltweite Förderung der Demokratie«. US-Politiker machen keinen Hehl daraus, was sie darunter verstehen.
Während die seit 60 Jahren gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade mit dem Amtsantritt von Donald Trump immer weiter verschärft wurde, setzt Washington offenbar zugleich auf verstärkte subversive Aktivitäten zur Destabilisierung des Landes.
»Wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, Kuba stärker unter Druck zu setzen«, zitierte die den antikubanischen Contras in Miami nahestehende Tageszeitung Nuevo Herald Trumps »Sonderbeauftragten«, Elliott Abrams, bereits im Oktober vorigen Jahres. »Wir werden die kubanische Wirtschaft erdrosseln«, kündigte Abrams an. Das erklärte Ziel der US-Politik bestehe darin, Kuba Devisen zu entziehen, erklärte er.
Inmitten der Coronakrise hofft Washington jetzt vor allem darauf, dass zunehmende Versorgungsengpässe zu Unzufriedenheit und möglichen Unruhen in der Bevölkerung führen.
Die vom NED großzügig finanzierten Gruppierungen sind aus Sicht der USA hilfreich, um subversive Aktionen propagandistisch vorzubereiten und zu begleiten.

Der größte Einzelposten aus dem Millionentopf des NED ging an das 1990 in Miami gegründete »Directorio Democrático Cubano«, das 2019 wie im Jahr zuvor 650.000 US-Dollar einstrich.
Diese Organisation verteilt die von den USA zur Verfügung gestellten Beträge nach eigenen Angaben an Oppositionelle in Kuba, stattet subversive Gruppen mit Material aus und stellt Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und Systemgegnern her.
Den zweitgrößten Betrag erhielt mit 305.000 Dollar das der US-Handelskammer nahestehende und mit dem NED fest assoziierte
»Center for International Private Enterprise« (CIPE), das Einfluss auf »Vertreter der Wirtschaft, politische Entscheidungsträger und Journalisten« nehmen soll. Die Aufgabe des CIPE besteht nach eigener Darstellung vor allem darin, »die Demokratie rund um den Globus durch privates Unternehmertum und marktorientierte Reformen zu stärken«.

Flankiert werden die Aktivitäten der Marktradikalen durch den in Miami ansässigen Verein »Grupo Internacional para la Responsabilidad Social Corporativa en Cuba« (GIRSCC), der den Aufbau »freier Gewerkschaften« in Kuba vorantreiben soll und dafür im Jahr 2019 mit 230.000 US-Dollar den drittgrößten Betrag vom NED erhielt.

Neben der Einflussnahme auf Politik und Wirtschaft legt Washington einen Schwerpunkt auf die Unterstützung »unabhängiger«, das heißt im Sinne der USA agierender, Journalisten und Medien.
Gut 225.000 US-Dollar gingen an das von Miami aus betriebene Contraportal »Cubanet«.
Die in Madrid von kubanischen Systemgegnern publizierte Internetzeitung Diario de Cuba wurde vom NED wie 2018 mit 220.000 US-Dollar finanziert, vorgeblich um die Verbreitung »unabhängiger Nachrichten aus Kuba« zu unterstützen.
Beträge zwischen 4.200 und 146.300 US-Dollar wurden an zahlreiche weitere Gruppierungen ausgeschüttet, die damit »unabhängige« kubanische Journalisten und Schriftsteller organisieren und fördern sollen.
Auch im Ausland ansässige NGO stehen auf der NED-Förderliste. Fünf- bis sechsstellige Summen gingen unter anderem an Gruppen in Mexiko, Peru und Kolumbien. Den Löwenanteil von 200.000 US-Dollar strich jedoch die 1992 von Antikommunisten in Prag gegründete Organisation »Clovek v tisni« (Mensch in Not) ein, die das erhaltene Geld wiederum an Systemgegner auf Kuba verteilt.

Siehe dazu schon 2016 hier:
https://josopon.wordpress.com/2016/09/26/kuba-als-jugendaustausch-getarnte-regime-change-programme-der-usa-kubanische-schuler-und-studenten-protestieren/
Jochen

Faktencheck Venezuela: Was in deutschen Medien über das südamerikanische Land verbreitet wird – und wie es tatsächlich aussieht – Ein „Staatschef“ aus dem Regime-Change-Labor

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Nach einigen Gesprächen mit Patienten und im Familienkreis halte ich es für unbedingt nötig, den systematisch verbreiteten Falschinformationen der Leim-Medien etwas entgegen zu setzen.
Nachdem ich vorige Woche auf B5aktuell eine unerträgliche Lobhudelei auf den von einem CIA-Ableger ausgebildeten Putschisten Juan Guaidó hören musste, habe ich den aufklärenden und sehr ausführlichen Bericht von Dan Cohen und Max Blumenthal aus den NachDenkSeiten auch angehängt.
Bereits unmittelbar nach dem Putsch gab es Anzeichen, dass dort eine über die Atlantik-Connection über lange Zeit vorbereitete Medienkampagne im Sinn der integrierten Propagandakriegsführung der 4. Generation in Gang gesetzt wurde:
https://josopon.wordpress.com/2019/02/07/kaum-hatte-der-putschist-guaido-sich-zum-prasidenten-venezuelas-erklart-wurden-im-bayerischen-rundfunk-schon-sprachregelungen-vollzogen-tagesschau-betreibt-desinformation-um-den-usa-beim-sturz-vo/
Dort auch schon ein Beispiel für „Lügen mit Bildern“.

So etwas entsteht nicht in dieser Perfektion und Selbstbezüglichkeit zufällig oder durch Abschreiben, dem liegen Blaupausen zugrunde, die in den zahlreichen transatlantischen ThinkTanks ausgearbeitet wurden. Hier werden die Verdummungsprinzipien umgesetzt, wie sie Prof. Mausfeld genau beschrieben hat:
https://www.youtube.com/watch?v=1x8x9NokCZ0

Und hier auszugsweise der angekündigte Faktencheck. Wer die genannte Darstellung widerlegen kann, den bitte ich um Wortmeldung:
https://www.jungewelt.de/artikel/350058.fragen-und-antworten-faktencheck-venezuela.html

»Maduros Herrschaft ist diktatorisch, er hat keine demokratische Legitimation, und die Mehrheit der Bevölkerung steht nicht hinter ihm. Er kann sich nur noch auf das Militär stützen.«

Nicolás Maduro ist zweimal zum Präsidenten Venezuelas gewählt worden, 2013 und 2018. Die Wahl im vergangenen Jahr entsprach in ihren Regularien exakt der Parlamentswahl 2015, die von der Opposition gewonnen worden war und deren Legitimität allgemein anerkannt ist. Neben Maduro, der 67,84 Prozent der abgegeben Stimmen gewinnen konnten, gab es drei Kandidaten. Der Sozialdemokrat Henri Falcón kam auf 20,93 Prozent, der evangelikale Prediger Javier Bertucci auf 10,82 Prozent. Lediglich 0,39 Prozent der Voten entfielen auf den linken Basisaktivisten Reinaldo Quijada, der allerdings auf jeden echten Wahlkampf verzichtet hatte.
Die Wahlbeteiligung war mit 46,02 Prozent niedrig. Das lag auch daran, dass eine Reihe von Oppositionsparteien zum Boykott aufgerufen hatte. Wären diese Parteien mit einem gemeinsamen Kandidaten angetreten, hätten sie durchaus Chancen gehabt, Maduro zu schlagen.

Die Umstände der Wahl waren in einem Abkommen festgelegt worden, das Vertreter von Opposition und Regierung bis Anfang 2018 unter internationaler Vermittlung ausgehandelt hatten. Allerdings verweigerten die Oppositionellen im letzten Augenblick die Unterschrift unter das fertige Abkommen.
Der frühere spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, der an den Verhandlungen als Vermittler beteiligt gewesen war, reagierte darauf Anfang Februar 2018 mit einem Brief, den die in Caracas erscheinende Tageszeitung Últimas Noticias veröffentlichte. Das ausgehandelte Abkommen habe die über Monate verhandelten Themen aufgegriffen, unter anderem »einen Wahlprozess mit Garantien und einen Konsens über das Datum der Wahlen«.

»Maduro hat das Parlament aufgelöst und entmachtet und regiert nun gänzlich unkontrolliert. Mit der Verfassung des Landes ist das unvereinbar.«

Venezuelas Parlament ist nicht aufgelöst worden, sondern arbeitet. Erst Anfang Januar wurde ein gewisser Juan Guaidó von den Abgeordneten der Oppositionsparteien zu dessen Präsident gewählt.

Richtig ist allerdings, dass die Beschlüsse der Nationalversammlung nach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (TSJ) »null und nichtig« sind, weil sich das Parlament weigert, mehrere Urteile der Richter umzusetzen. Das begann bereits unmittelbar nach der Wahl 2015, als die Richter nach Einsprüchen die Bestätigung von vier gewählten Abgeordneten aus dem Bundesstaat Amazonas – drei der Opposition und einer der Regierungspartei PSUV – aussetzten.
Trotzdem wurden die drei Regierungsgegner vom Parlamentspräsidium vereidigt und nahmen an den Abstimmungen teil. Daraufhin stellten die Richter fest, dass die unter diesen Bedingungen gefassten Beschlüsse ungültig seien. Im Juli 2017 bekräftigten die Richter diese Entscheidung in einem weiteren Urteil, in dem sie die Ernennung neuer Richter durch das Parlament aufgrund der Nichteinhaltung des in der Verfassung dafür festgelegten Verfahrens für ungültig erklärten.

»Maduro hat sein Land mit Konzeptlosigkeit und Korruption in den Abgrund geführt. Mit Sozialismus hat das nichts zu tun.«

Venezuela ist nach wie vor ein kapitalistisches Land. Das hat auch Hugo Chávez in seinem letzten Wahlprogramm 2012 – das nach dessen Tod 2013 von Nicolás Maduro wortwörtlich übernommen wurde – betont: »Täuschen wir uns nicht, die sozioökonomische Ordnung, die in Venezuela noch vorherrscht, ist kapitalistischen und Rentencharakters.«

Seit seiner Amtsübernahme 2013 sieht sich Maduro einem eingebrochenen Ölpreis gegenüber. Da der Brennstoff jedoch nach wie vor das Hauptexportgut Venezuelas ist, sind die Staatseinnahmen dramatisch zurückgegangen. Verschärft wurde die Krise durch einen regelrechten Wirtschaftskrieg privater Handelskonzerne, die Waren zurückhielten. Supermärkte waren leer, viele Lebensmittel gab es nur noch auf dem Schwarzmarkt zu kaufen.
Das hat sich geändert, inzwischen sind die Geschäfte wieder voll – allerdings sind die Preise durch die Inflation so hoch, dass sie sich nur Wohlhabende leisten können. Hinzu kommen vor allem ab 2017 die immer weiter verschärften Sanktionen durch die USA und – in geringerem Ausmaß – durch die Europäische Union. Sie machen es Caracas nahezu unmöglich, Waren auf dem Weltmarkt regulär einzukaufen, weil der Zahlungsverkehr über die meist in den USA sitzenden Finanzinstitutionen blockiert ist.

Was man dem Präsidenten vorwerfen kann, ist, dass es lange keine wirksamen Maßnahmen gegen die sich immer weiter verschärfenden Probleme gegeben hat. Regelmäßige Lohnerhöhungen wurden durch die Inflation aufgefressen, wirtschaftspolitische Maßnahmen blieben Stückwerk und widersprüchlich.
Erst in der jüngsten Zeit scheint man Wege gefunden zu haben, mit Hilfe befreundeter Länder die ausländische Blockade zu umgehen.
Tatsächlich sind Berichten zufolge in den vergangenen Tagen und Wochen die Preise für Lebensmittel und andere Waren teilweise gesunken.

»Mit Ausnahme von Russland und China fehlt Maduro auf internationaler Ebene jeglicher Rückhalt, sein Regime ist praktisch isoliert.«

In der vergangenen Woche bildete sich bei den Vereinten Nationen in New York eine Gruppe von rund 60 Staaten der Welt, die sich für die Verteidigung der UN-Charta einsetzen wollen – in klarer Unterstützung Venezuelas gegen die von den USA geführte Aggression.
Demgegenüber haben weltweit nur etwa 40 bis 50 Regierungen den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als »Präsidenten« anerkannt.
Hinter Maduro gestellt haben sich dagegen nicht nur die linken Regierungen Lateinamerikas, sondern auch die Karibikgemeinschaft Caricom und der südafrikanische Staatenbund SADC. Wichtige Handelspartner sind und bleiben Indien, der Iran, die Türkei und andere.
Selbst in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben die USA und die venezolanische Opposition keine Mehrheit für eine Anerkennung Guaidós finden können. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betonte, dass der einzige rechtmäßige Präsident Venezuelas Nicolás Maduro ist.
Mexiko und Uruguay bemühen sich um eine Vermittlung ohne ausländische Einmischung.

»Kritische Medien haben unter Maduro keine Chance, sie werden geknebelt und unterdrückt.«

Kaum tritt in Venezuela ein Oppositionspolitiker öffentlich auf, ist er sofort von Dutzenden Mikrofonen umlagert. Es gibt in Venezuela 16 private Fernsehkanäle und mindestens 18 private Radio-Senderketten, die oft mehrere parallele Programme ausstrahlen. Hinzu kommen viele lokale Gemeindesender. Dem stehen drei landesweite Staatssender – VTV, TVes und Vive – gegenüber sowie weitere nur lokal oder über Kabel verbreitete Programme, darunter der internationale Nachrichtensender Telesur. Allerdings hat die Telekommunikationsbehörde Conatel die Verbreitung mehrerer ausländischer Sender in den Kabelnetzen unterbunden. Betroffen davon ist zum Beispiel der kolumbianische Kanal NTN 24, der sich zum Sprachrohr der militanten Regierungsgegner gemacht hat.
Problemlos zu empfangen sind nach einer aktuellen Aufstellung von Kabelnetzbetreibern nach wie vor Fox und Voice of America aus den USA; die britische BBC, die Deutsche Welle und andere.
Interessanterweise macht aber der private Anbieter »Super Cable« seinen Kunden Sender wie TV Bolivia, Cubavisión, das chinesische CCTV oder das iranische Hispan TV nicht zugänglich, im Gegensatz zum staatlichen Betreiber CANTV.

Massenhaft verbreitet sind auch in Venezuela Internetseiten und »soziale Netzwerke«. Immer wieder gibt es Zensurvorwürfe. So beklagte das Internetportal Aporrea.org zuletzt, dass es nicht mehr uneingeschränkt erreichbar sei. Allerdings fallen auch staatliche Seiten wie die Homepage der Tageszeitung Correo del Orinoco oder die Angebote von Radio Nacional de Venezuela häufig aus. Ob es sich also um administrative Eingriffe oder technische Probleme handelt, ist unklar.

Probleme haben in den vergangenen Jahren Zeitungen und Zeitschriften gehabt, denn infolge der Wirtschaftskrise und der vor allem von den USA verhängten Sanktionen ist es für die Verlage immer schwieriger geworden, an das notwendige Papier zu kommen. Deshalb haben Oppositionsblätter wie Tal Cual oder El Nacional ihre gedruckten Ausgaben eingestellt, andere – zum Beispiel El Universal – erscheinen ungehindert weiter.
Betroffen davon sind aber nicht nur die Organe der Opposition. Im vergangenen Jahr musste die Zeitung der Kommunistischen Partei Venezuelas, Tribuna Popular, ebenfalls ihre Druckausgabe aufgeben und erscheint seither nur noch digital. Mehrere staatliche Publikationen haben den Umfang ihrer Ausgaben eingeschränkt oder wurden ganz eingestellt.

»Das Regime hat an der Grenze zu Kolumbien mit Gewalt verhindert, dass humanitäre Hilfe ins Land gelangt. Sicherheitskräfte versuchen, jede Unruhe skrupellos im Keim zu ersticken.«

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat deutlich gemacht, dass es sich nicht um humanitäre Hilfe handelte, sondern um eine politische Aktion. Auch die Vereinten Nationen verweigerten eine Beteiligung an der Show.

Zwischen 20.000 und 50.000 Personen sollten nach Angaben der Opposition durch die Lieferungen für zehn Tage versorgt werden. Selbst wenn das stimmt ist das verschwindend wenig verglichen mit den sechs Millionen CLAP-Lebensmittelpaketen, die monatlich in Venezuela vertrieben werden.
Nach unabhängigen Angaben beziehen inzwischen rund 90 Prozent der Bevölkerung diese subventionierten Grundnahrungsmittel.

Hilfslieferungen erreichen Venezuela auf vielen Wegen, unter anderem geliefert aus Russland und China. Mit der EU hat Caracas Unterstützung im Wert von zwei Milliarden Euro vereinbart, die über die UNO ins Land kommen soll. Venezuela konnte aber nicht akzeptieren, dass eine politische Gruppe ohne Kontrolle einen Konvoi mit unbekannter Ladung über die Grenze bringt.

Die Fernsehbilder zeigen zudem, dass die Gewalt an der Grenze nicht von den venezolanischen Sicherheitskräften ausging. Kolumbianische Sender übertrugen live, wie Vermummte Molotowcocktails befüllten und Steine auf die Soldaten warfen. Von kolumbianischer Seite wurden sie daran nicht gehindert.

Dazu auch: https://josopon.wordpress.com/2017/09/10/warum-ging-venezuela-siegreich-aus-dem-jungsten-krieg-der-vierten-generation-hervor-pressefreiheit-hier-und-dort/

Juan Guaidó: Ein Staatschef aus dem Regime-Change-Labor

Juan Guaidó ist das Produkt von mehr als zehn Jahren Arbeit, koordiniert von den Regime-Change-Trainern der Washingtoner Elite. Während er vorgibt, ein Verfechter der Demokratie zu sein, steht er in Wirklichkeit an der Spitze einer brutalen Destabilisierungskampagne.
Von Dan Cohen und Max Blumenthal. Aus dem Englischen von Josefa Zimmermann.

Auszüge:

Vor dem schicksalhaften 22. Januar hatte nicht einmal jeder fünfte Venezolaner jemals von Juan Guaidó gehört. Noch vor wenigen Monaten war der 35-Jährige ein obskurer Charakter in einer rechtsextremen politischen Randgruppe, die eng mit grausamen Straßenkämpfen in Verbindung gebracht wurde.
Selbst in seiner eigenen Partei hatte Guaidó nur einen mittleren Status in der oppositionsdominierten Nationalversammlung, die nun nach der venezolanischen Verfassung verächtlich gemacht wird.

Doch nach einem einzigen Anruf von US-Vizepräsident Mike Pence erklärte Guaidó sich selbst zum Präsidenten von Venezuela.
Von Washington zum Führer seines Landes erkoren, wurde ein bislang unbekannter, zum politischen Bodenpersonal zählender Mann Präsident der Nation mit den größten Ölreserven der Welt und rückte ins internationale Rampenlicht.

Im Konsens mit Washington begrüßte die Redaktion der New York Times Guaidó als „glaubwürdigen Rivalen” von Maduro mit einem „erfrischenden Stil und der Vision, das Land voranzubringen”.
Die Redaktion der Bloomberg News applaudierte ihm für die „Wiederherstellung der Demokratie” und das Wall Street Journal erklärte ihn „zu einem neuen demokratischen Führer”. Inzwischen haben Kanada, zahlreiche europäische Staaten, Israel und der Block der rechtsgerichteten lateinamerikanischen Regierungen, bekannt als Lima-Gruppe, Guaidó als legitimen Führer Venezuelas anerkannt.

Während Guaidó sich aus dem Nichts materialisiert zu haben scheint, ist er in Wirklichkeit das Produkt von mehr als zehn Jahren eifriger Aufzucht durch die Regime-Change-Fabriken der Washingtoner Elite. In einem Kader rechtgerichteter studentischer Aktivisten wurde Guaidó aufgebaut, um die sozialistische Regierung Venezuelas zu unterminieren, das Land zu destabilisieren und eines Tages die Macht zu ergreifen.
Obwohl er in der venezolanischen Politik eine untergeordnete Rolle spielte, stellte er viele Jahre stillschweigend seinen Wert für die Machtzirkel in Washington unter Beweis.

„Juan Guaidó ist die Figur, die für diese Situation geschaffen wurde“, bemerkte Marco Teruggi, ein argentinischer Soziologe und Chronist der venezolanischen Politik, gegenüber The Grayzone. „Es ist wie in einem Labor – Guaidó ist wie eine Mischung aus verschiedenen Elementen, die verschmolzen wurden zu einem Charakter, der sich, ehrlich gesagt, zwischen lächerlich und Besorgnis erregend bewegt.”

Diego Sequera, ein venezolanischer Journalist und Autor bei dem investigativen Magazin Misión Verdad, stimmte zu: „Guaidó ist außerhalb Venezuelas beliebter als im Land selbst, besonders in den Elite-Zirkeln der Ivy-League-Universitäten und in Washington.” Sequera bemerkte gegenüber The Grayzone: „Dort ist er als Charakter bekannt, er ist berechenbar rechts und gilt als loyal gegenüber dem Programm.“

Während Guaidó heute als das Gesicht des demokratischen Wiederaufbaus verkauft wird, absolvierte er seine Karriere in der brutalsten Gruppierung von Venezuelas radikalster Oppositionspartei und stand an der Spitze mehrerer Destabilisierungskampagnen. Seine Partei war in Venezuela weithin diskreditiert und wird teilweise für die Fragmentierung der stark geschwächten Opposition verantwortlich gemacht.

„Diese radikalen Führer bleiben bei Umfragen unter 20 %“, schrieb Luis Vicente León, der führende Meinungsforscher Venezuelas. Laut Léon ist Guaidós Partei bei der Mehrheit der Bevölkerung isoliert, denn die Mehrheit der Bevölkerung „will keinen Krieg. Was sie will, sind Lösungen.”

Doch genau aus diesem Grund wurde Guaidó von Washington ausgewählt: Niemand erwartet von ihm, dass er Venezuela zur Demokratie führt, sondern dass er das Land destablilisiert, weil es zwei Jahrzehnte lang ein Bollwerk des Widerstands gegen die US-Hegemonie war.
Sein merkwürdiger Aufstieg bildet den Höhepunkt eines zwei Jahrzehnte dauernden Projekts zur Zerschlagung eines stabilen sozialistischen Experiments.

Die „Troika der Tyrannei“ im Visier

Seit der Wahl von Hugo Chávez 1998 kämpften die USA für die Wiedererlangung der Kontrolle über Venezuela und seine riesigen Ölreserven.
Durch Chávez’ sozialistische Programme wurde der Reichtum des Landes umverteilt und Millionen Menschen aus der Armut geholt, aber sie machten ihn auch zur Zielscheibe.

2002 setzte Venezuelas rechte Opposition Chavez mit Unterstützung der USA kurzerhand ab, bevor das Militär ihn nach einer Massenmobilisierung wieder in sein Amt einsetzte. Während der Amtszeiten der US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama überlebte Chávez zahllose Mordanschläge, bevor er 2013 an Krebs starb. Sein Nachfolger Nicolas Maduro überlebte drei Mordanschläge.

Die Trump-Administration erhob Venezuela sofort zum Top-Kandidaten auf der Regime-Change-Liste Washingtons und brandmarkte es als wichtigsten Staat in der „Troika der Tyranneien“. Im vergangenen Jahr versuchte Trumps nationales Sicherheitsteam Mitglieder des Militärs zur Installierung einer Militärjunta zu rekrutieren, aber der Versuch schlug fehl.

Laut venezolanischer Regierung waren die USA auch in eine Verschwörung mit dem Codenamen „Operation Constitution“ verwickelt, die zum Ziel hatte, Maduro im Präsidentenpalast Miraflores gefangen zu nehmen, und in eine zweite namens „Operation Armageddon“, bei der er im Juli 2017 bei einer Militärparade getötet werden sollte. Etwas mehr als ein Jahr später versuchten Oppositionsführer vom Ausland aus vergeblich, Maduro während einer Militärparade in Caracas mit Drohnenbomben zu töten.

Mehr als ein Jahrzehnt vor diesen Intrigen wurde eine Gruppe handverlesener rechtsgerichteter Studenten von einer US-finanzierten Akademie, in der Regime-Changes trainiert werden, ausgebildet, um die Regierung Venezuelas zu stürzen und eine neoliberale Ordnung einzuführen.

Die ‘Export-A-Revolution-Gruppe’ legt die Samen für eine ANZAHL von Farbenrevolutionen

Am 5. Oktober 2005, als Chávez auf dem Höhepunkt seiner Popularität war und seine Regierung sozialistische Reformen plante, landeten fünf „Studentenführer“ aus Venezuela in Belgrad, um für einen Umsturz zu trainieren.

Die Studenten waren mit freundlicher Unterstützung des Center for Applied Non-Violent Action and Strategies (CANVAS) aus Venezuela angereist. Diese Gruppe wird überwiegend vom National Endowment for Democracy, einem CIA-Ableger, finanziert, der der US-Regierung als Hauptinstrument zur Durchsetzung von Regime-Change-Aktivitäten dient, ebenso wie die Ableger International Republican Institute und National Democratic Institute for International Affairs.

Wie durch geleakte E-Mails von Stratfor bekannt wurde, einem Geheimdienst-Unternehmen, das auch „Schatten-CIA“ genannt wird, finanzierte und trainierte die CIA CANVAS wahrscheinlich während der Kämpfe gegen Milosevic 1999/2000.

CANVAS ist eine Ausgliederung von Otpor, einer serbischen Protestorganisation, die 1998 von Srdja Popoviv an der Universität von Belgrad gegründet wurde.
Otpor, das serbische Wort für Widerstand, war eine studentische Gruppe, die international berühmt – und hollywoodmäßig promoted – wurde durch das Organisieren von Protesten, die schließlich zum Sturz von Slobodan Milosevic führten.

Diese kleine Zelle von Regime-Change-Spezialisten operierte nach Methoden des kürzlich verstorbenen Gene Sharp mit dem so genannten „gewaltfreien Kampf nach Clausewitz”, den Sharp gemeinsam mit einem ehemaligen Geheimdienstanalysten der DEA, Oberst Robert Helvey, entwickelt hatte, um einen strategischen Plan zu konzipieren, der bewaffneten Protest als eine Form hybrider Kriegsführung einsetzte und sich gegen Staaten richtete, die sich der unipolaren Dominanz Washingtons widersetzten.

Otpor wurde unterstützt vom National Endowment for Democracy (USAID) und von Sharps Albert Einstein Institute. Sinisa Sikman, einer der Chef-Ausbilder von Otpor, behauptete einmal, dass die Organisation direkt von der CIA finanziert würde.

Laut einer geleakten E-Mail von einem hochrangigen Stratfor-Mitarbeiter nach dem Sturz von Milosewic „wurden die Otpor-Kinder erwachsen, trugen Anzüge und kreierten CANVAS… oder mit anderen Worten, eine ‘Export-A-Revolution-Gruppe’, die die Samen legte für einen ANZAHL von Farbenrevolutionen. **)
Sie sind immer noch von der US-Finanzierung abhängig und ziehen durch die ganze Welt, um Diktatoren und autokratische Regime zu stürzen (alle, die von den USA nicht gemocht werden).

Stratfor enthüllte, dass CANVAS im Jahr 2005 „seine Aufmerksamkeit Venezuela zuwandte”, nachdem es bis dahin Oppositionsgruppen ausgebildet hatte, die NATO-freundliche Regime-Change-Operationen in Ost-Europa durchführten.

Während der Überwachung des CANVAS-Ausbildungsprogramms umriss Stratfor seine Aufstands-Agenda in erstaunlich deutlicher Formulierung: „Erfolg ist keineswegs garantiert. Und studentische Proteste sind nur der Anfang eines möglichen jahrelangen Kampfes, um in Venezuela eine Revolution zu entfachen, aber die Ausbilder haben beim „Schlächter des Balkans“ Erfahrungen gesammelt. Sie besitzen immense Fähigkeiten. Wenn Sie feststellen, dass Studenten an fünf Universitäten in Venezuela gleichzeitig demonstrieren, dann wissen Sie, dass die Ausbildung abgeschlossen ist und die wirkliche Arbeit beginnt.“

Die Geburt der Regime-Change-Kadergruppe „Generation 2007”

Die wirkliche Arbeit begann zwei Jahre später, 2007, als Guaidó sein Studium an der Katholischen Universität Andrés Bello in Caracas abgeschlossen hatte. Er zog nach Washington DC, um sich an der George-Washington-University für ein Studium in „Governance and Political Management“ einzuschreiben, bei dem venezolanischen Ökonomen Luis Enrique Berrizbeitia, einem lateinamerikanischen Spitzenökonomen neoliberaler Ausrichtung. Berrizbeitia war früher Chef des International Monetary Fund (IMF) und verbrachte unter der alten oligarchischen Herrschaft, die durch Chavez beendet wurde, mehr als ein Jahrzehnt in Venezuela, wo er im Energiesektor tätig war.

In diesem Jahr half Guaidó bei der Organisation regierungsfeindlicher Demonstrationen, nachdem die venezolanische Regierung sich geweigert hatte, die Lizenz von Radio Caracas Televisión (RCTV) zu erneuern.

Dieser Privatsender hatte eine führende Rolle beim Putsch gegen Chavez 2002 gespielt. RCTV half bei der Mobilisierung für regierungsfeindliche Demonstranten, gab gefälschte Informationen heraus, legte den Unterstützern der Regierung Gewalttaten zur Last, die Oppositionelle begangen hatten, und unterbrach während des Staatsstreiches jede regierungsfreundliche Berichterstattung. Die Rolle von RCTV und anderer Sender, die sich im Besitz von Oligarchen befanden, wurde in der gefeierten Dokumentation „The Revolution will not be televised“ aufgezeigt.

In demselben Jahr behaupteten die Studenten, das Verfassungsreferendum für einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ verhindert zu haben, der versprach, „den rechtlichen Rahmen für die politische und soziale Reorganisation des Landes zu etablieren, in dem organisierte Gemeinwesen unmittelbare Macht erhalten, ein neues Wirtschaftssystem zu entwickeln.“

Mit den Protesten um RCTV und um das Referendum war eine neue Klasse von US-unterstützten Spezialkadern und Regime-Change-Aktivisten geboren. Sie nannten sich „Generation 2007.

Die Ausbilder dieser Zelle von Stratfor und CANVAS identifizierten Guaidós Mitkämpfer – einen libertären Organisator politischer Aktionen namens Yon Goicoechea – als eine „Schlüsselfigur” bei der Niederschlagung des Verfassungsreferendums. Im folgenden Jahr wurde Goicochea für seine Bemühungen mit dem „Prize for Advancing Liberty“ des Cato-Institutes von Milton Friedmann ausgezeichnet. Die damit verbundenen 500 000 Dollar investierte er sofort in den Aufbau eines politischen Netzwerks.

Friedmann war bekanntlich der Ziehvater der notorischen neoliberalen Chicago Boys, die vom Präsidenten der Junta, Augusto Pinochet, nach Chile eingeflogen wurden, um die radikale fiskale Austeriätspolitik im Sinne der Schock-Doktrin zu implementieren. Und das Cato-Institut ist der libertäre Think-Tank, in Washington DC von den Koch-Brüdern gegründet, den größten Sponsoren der Republikanischen Partei, die zu aggressiven Unterstützern der rechten Politik in Lateinamerika wurden.

WikiLeaks veröffentlichte 2007 eine E-Mail des amerikanischen Botschafters in Venezuela, William Brownfield, an das Außenministerium, den Nationalen Sicherheitsrat und das Department of Defense Southern Command. Er lobte „Generation of ’07”, weil sie „den venezolanischen Präsidenten, der es gewohnt ist, die politische Agenda festzulegen, gezwungen hat (über)zureagieren.“
Zu den „aufstrebenden Führern”, die Brownfield identifizierte, gehörten Freddy Guevara und Yon Goicoechea. Er applaudierte dem Letzteren als „einem der klarsten Verteidiger bürgerlicher Freiheiten”.

Ausgestattet mit dem Geld libertärer Oligarchen und den Soft-Power-Waffen der US-Regierung trugen die radikalen venezolanischen Kaderorganisationen die Otpor-Taktik auf die Straße, zusammen mit dem Logo der Gruppe:

„Öffentliche Unruhen instrumentalisieren… um Vorteile aus der Situation zu ziehen und sie gegen Chavez wenden.“

2009 veranstalteten die jungen Aktivisten der Generation 2007 ihre bislang provokativste Demonstration. Sie ließen auf der Straße ihre Hosen fallen, entblößten ihr Gesäß und wandten die Guerilla-Theater-Taktik aus Gene Sharps Regime-Change-Handbüchern an.
Die Demonstranten hatten gegen die Festnahme eines Verbündeten aus einer anderen Gruppe junger Aktivisten namens JAVU mobilisiert. Diese rechtsextreme Gruppe „sammelte Gelder aus einer Vielzahl von US-Regierungsquellen, das es ihr ermöglichte, schnell als die Hardliner im Straßenkampf der Opposition bekannt zu werden“, so George Ciccariello-Maher in seinem Buch „Building the Commune“.

Obwohl keine Videos der Proteste verfügbar sind, identifizierten viele Venezolaner Guaidó als einen der wichtigsten Teilnehmer der Demonstration. Der Vorwurf ist zwar unbestätigt, aber durchaus plausibel. Die Protestierenden, die ihre nackten Hinterteile zeigten, waren Mitglieder des inneren Kerns der Generation 2007, zu dem Guaidó gehörte, und sie trugen T-Shirts mit ihrem Logo Resistencia! Venezuela!, wie auf dem Foto zu sehen ist.

In dem Jahr exponierte sich Guaidó auf andere Weise in der Öffentlichkeit und gründete eine politische Partei, um die Anti-Chavez-Energie zu nutzen, die seine Generation 2007 aufgebaut hatte. Partei des Volkswillens (Partido de la Voluntad Popular) war ihr Name, angeführt wurde sie von Leopoldo López, einem in Princeton ausgebildeten rechten Hitzkopf, der stark verwickelt war in die Programme von National Endowment for Democracy und zum Bürgermeister eines Bezirks in Caracas gewählt wurde, einem der reichsten Bezirke des Landes.
Lopez war ein Abbild der venezolanischen Aristokratie, ein direkter Abkömmling des ersten Präsidenten seines Landes. Er war auch ein Cousin ersten Grades von Thor Halvorssen, dem Gründer der in den USA ansässigen Human Rights Foundation, die als De-facto-Propagandainstrument für die US-unterstützten Aktivisten gegen die Regierungen der Ländern fungiert, die von Washington für einen Regime-Change vorgesehen sind.

Obwohl Lopez’ Interessen praktisch mit denen Washingtons identisch waren, wies die von WikiLeaks veröffentlichte US-amerikanische diplomatische Korrespondenz auf seine fanatischen Tendenzen hin, die letztendlich zu einer Marginalisierung der Partei führen sollten. Ein Schreiben identifizierte Lopez als „eine spalterische Figur innerhalb der Opposition … die oft als arrogant, rachsüchtig und machthungrig beschrieben wird“. Andere Schreiben betonten seine Besessenheit von Straßenkämpfen und seine „kompromisslose Herangehensweise“ als Ursache von Spannungen mit anderen Oppositionsführern, deren vorrangige Ziele Einheit und Beteiligung an den demokratischen Institutionen des Landes waren.

Im Jahr 2010 nutzten die Partei des Volkswillens und ihre ausländischen Geldgeber die größte Dürre, die Venezuela seit Jahrzehnten heimgesucht hatte. Aufgrund des Mangels an Wasser, das für den Betrieb von Wasserkraftwerken benötigt wurde, kam es zu einer enormen Stromknappheit im Land. Eine weltweite wirtschaftliche Rezession und sinkende Ölpreise verstärkten die Krise und auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung.

Stratfor und CANVAS – wichtige Berater von Guaidó und seiner regierungsfeindlichen Kadertruppe – hatten einen schockierend zynischen Plan entwickelt, um einen Dolch ins Herz der bolivarischen Revolution zu stoßen. Bereits im April 2010 waren 70 Prozent der Stromversorgung zusammengebrochen.

„Dies könnte ein Wendepunkt sein, da Chavez wenig tun kann, um die Armen vor dem Zusammenbruch des Systems zu schützen”, war in einem internen Memo von Stratfor zu lesen. „Die Folge könnte das Aufkommen öffentlicher Unruhen sein und keine Oppositionsgruppe könnte sie besser schüren. Das ist beste Zeitpunkt für eine Oppositionsgruppe, die Situation zu nutzen und sie gegen Chavez und zum eigenen Vorteil zu wenden.“

Zu diesem Zeitpunkt erhielt die venezolanische Opposition laut US-amerikanischen Behörden von US-Regierungsorganisationen wie USAID und dem National Endowment for Democracy die beeindruckende Summe von 40 bis 50 Millionen Dollar pro Jahr. Auch die eigenen Auslandskonten warfen hohe Renditen ab.

Während sich das von Stratfor anvisierte Szenario nicht verwirklichen ließ, distanzierten sich die Aktivisten der Partei des Volkswillens und ihre Verbündeten von jeglichem Anspruch auf Gewaltlosigkeit und bekannten sich zu einem radikalen Plan zur Destabilisierung des Landes.

Auf dem Weg zur gewaltsamen Destabilisierung

Laut E-Mails venezolanischer Geheimdienste, die im November 2010 vom ehemaligen Justizminister Miguel Rodríguez Torres veröffentlicht wurden, nahmen Guaidó, Goicoechea und mehrere andere studentische Aktivisten an einem geheimen fünftägigen Training in einem Hotel namens „Fiesta Mexicana“ in Mexiko teil.
Das Training wurde von Otpor durchgeführt, dem Regime-Change-Unternehmen aus Belgrad, das von der US-Regierung gesponsert wurde. Berichten zufolge war die Veranstaltung von Otto Reich, einem fanatischen Castro-Gegner im Exil, der im State Department von George W. Bush arbeitete, und dem rechtsgerichteten kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe abgesegnet. Bei den Treffen, so heißt es in den E-Mails, brüteten Guaidó und seine Mitstreiter einen Plan aus, Präsident Hugo Chavez zu stürzen, indem sie chaotische Zustände durch immer wieder aufbrechende gewaltsame Straßenkämpfe herbeiführten.

Drei Galionsfiguren der Erdölindustrie – Gustavo Torrar, Eligio Cedeño und Pedro Burelli – hatten angeblich die Kosten von 52 000 Dollar für das Meeting übernommen. Torrar bezeichnet sich selbst als „Menschenrechtsaktivist“ und „Intellektuellen“, dessen jüngerer Bruder Reynaldo Tovar Arroyo der Repräsentant des privaten mexikanischen Öl- und Gas-Unternehmens Petroquimica del Golfo in Venezuela war, das vertragliche Verbindungen mit dem Staat Venezuela hat.

Cedeño ist seinerseits ein geflüchteter venezolanischer Geschäftsmann, der in den USA Asyl beantragt hat und Pedro Burelli ist ehemaliger JP-Morgan-Manager und ehemaliger Direktor des venezolanischen staatlichen Ölunternehmens Petroleum of Venezuela (PDVSA). Er trennte sich 1998 von der Firma, als Hugo Chavez an die Macht kam, und ist Mitglied des Beirats des Latin America Leadership Program der Georgetown Universität.

Burelli insistierte, dass die E-Mails, in denen er seine Teilnahme detailliert beschrieb, gefälscht seien. Er beauftragte sogar einen Privatdetektiv, um dies zu beweisen. Der Ermittler erklärte, die Google-Protokolle zeigten, dass die Mails angeblich nie abgeschickt worden seien. Heute macht Burelli kein Geheimnis aus seinem Wunsch, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro abgesetzt zu sehen. Nach seinen Vorstellungen soll er sogar durch die Straßen geschleift und von einem Bajonett aufgespießt werden, genau wie es bei dem libyschen Führer Moammar Gaddafi durch die NATO-gestützten Milizen geschah.

Update: Burelli kontaktierte das Grayzone-Magazin nach der Veröffentlichung dieses Artikels, um seine Beteiligung an der Fiesta-Mexicana-Geschichte zu erläutern.

Burelli nannte das Meeting „eine legitime Aktion“, die in einem Hotel mit einem anderen Namen in Mexiko stattfand.

Auf die Frage, ob Otpor das Treffen koordinierte, stellte er lediglich fest, dass er die Arbeit von Otpor/CANVAS „schätzt“ und obwohl er sie nicht finanziell fördert, habe er bereits „Aktivisten aus verschiedenen Ländern empfohlen, ihre Arbeit zu verfolgen und an den von ihnen angebotenen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern teilzunehmen.“

Burelli fügte hinzu: „Das Einstein-Institut trainierte Tausende [Aktivisten] öffentlich in Venezuela. Gene Sharpes Philosophie wurde weithin studiert und übernommen. Und vermutlich sorgte sie dafür, dass die Unruhen nicht in einen Bürgerkrieg ausarteten.”

Die angebliche Fiesta-Mexicana-Verschwörung floss ein in einen weiteren Destabilisierungsplan, der in einer Reihe von Dokumenten, die die venezolanische Regierung veröffentlichte, enthüllt wurde. Im Mai 2014 veröffentlichte Caracas Dokumente, in denen ein Attentat gegen Präsident Nicolás Maduro beschrieben wurde.
Die Veröffentlichung ließ erkennen, dass der Anti-Chavez-Hardliner Maria Corina Machado dahinter steckte – heute der wichtigste Handlanger von Senator Marco Rubio. Als Gründer der vom National Endowment for Democracy finanzierten Gruppe „Sumate“ fungierte Machado als internationaler Verbindungsmann der Opposition, der 2005 Präsident George W. Bush besuchte.

„Ich denke, es ist an der Zeit, die Anstrengungen zu verstärken. Erledigen Sie die notwendigen Anrufe und sorgen Sie für die Finanzmittel, um Maduro zu vernichten, und alles Andere wird sich lösen“, schrieb Machado 2014 an den ehemaligen venezolanischen Diplomaten Diego Arria.

In einer anderen E-Mail behauptete Machado, der gewaltsame Plan sei von dem US-Botschafter in Kolumbien, Kevin Whitaker, abgesegnet. „Ich habe mich bereits entschieden und dieser Kampf wird fortgesetzt, bis dieses Regime gestürzt ist und wir unseren Freunden in der Welt liefern können. Wenn ich nach San Cristobal ginge und mich vor die OAS stellte, ich hätte nichts zu befürchten. Kevin Whitaker hat seine Unterstützung bereits bestätigt und die nächsten Schritte beschrieben. Wir haben mehr Geld als das Regime, um den internationalen Sicherheitsring zu durchbrechen.”

Guaidó geht auf die Barrikaden

In Februar errichteten studentische Demonstranten, die als Stoßtrupp der im Exil lebenden Oligarchen fungierten, im ganzen Land gewaltsam Barrikaden und verwandelten die von der Opposition kontrollierten Quartiere in aggressive Festungen, die als Guarimbas bekannt wurden. Während internationale Medien den Aufruhr als spontanen Protest gegen Maduros eiserne Faust darstellten, gab es zahlreiche Beweise dafür, dass die Partei des Volkswillens die Show inszeniert hatte.
„Keiner der Demonstranten an den Universitäten trug ein Universitäts-T-Shirt, sie trugen alle T-Shirts mit dem Logo der Partei des Volkswillen oder von Gerechtigkeit Jetzt”, sagte ein Guarimba-Teilnehmer damals. “Es waren vielleicht Studentengruppen, aber die Studentenräte sind mit den Oppositionsparteien verbunden und sind ihnen Rechenschaft schuldig.”

Auf die Frage nach den Rädelsführen sagte der Guarimba-Teilnehmer: “Wenn ich ganz ehrlich bin, diese Leute sind jetzt Abgeordnete.”

Etwa 43 Menschen wurden 2014 bei den Guarimbas getötet. Drei Jahre später gab es neue Ausbrüche und es kam zu massenhafter Zerstörung der öffentlichen Infrastruktur, der Ermordung von Unterstützern der Regierung und 126 Toten, von denen die meisten Chavez-Anhänger waren. In einigen Fällen wurden die Regierungsanhänger von bewaffneten Gangs lebendig verbrannt.

2014 war Guaidó direkt an den Guarimbas beteiligt. Tatsächlich twitterte er ein Video, das ihn mit Helm und Gasmaske zeigte, umgeben von maskierten und bewaffneten Elementen, die eine Autobahn blockiert hatten und in einen gewaltsamen Zusammenstoß mit der Polizei verwickelt waren. Bezug nehmend auf seine Mitgliedschaft bei der Generation 2007 proklamierte er: „Ich erinnere mich an 2007. Damals proklamierten wir ‘Studenten!’ Jetzt rufen wir ‘Widerstand!Widerstand!’“

Guaido löschte den Tweet in offensichlicher Sorge um sein Image als Verteidiger der Demokratie.

Am 12. Februar 2014, in der heißen Phase der Guarimbas in diesem Jahr, ging Guaidó während des Wahlkampfs der Partei und von Gerechtigkeit Jetzt! zu Lopez auf die Bühne. Während einer sehr langen Hetzrede gegen die Regierung drängte Lopez die Menge zum Marsch auf das Gebäude der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz. Bald darauf wurde Diaz’ Büro von bewaffneten Banden angegriffen, die es in Brand zu setzen versuchten. Sie verurteilte die Aktion als „geplante und vorsätzliche Gewalt”.

Bei einem Fernsehauftritt im Jahr 2016 bezeichnete Guaidó die Todesfälle infolge von Guayas – einer Guarimba-Taktik, bei der Stahldraht über eine Fahrbahn gespannt wird, um Motorradfahrer zu verletzen oder zu töten – als „Mythos“. Seine Kommentare verharmlosten eine fatale Taktik, durch die Zivilisten wie Santiago Pedroza getötet und neben vielen Anderen ein Mann namens Elvis Durán enthauptet wurde.

Diese abscheuliche Missachtung des menschlichen Lebens sollte seine Partei des Volkswillens in den Augen eines Großteils der Öffentlichkeit einschließlich vieler Gegner von Maduro kennzeichnen.

Die Regierung zeigt Härte gegen die Partei des Volkswillens

Die Eskalation der Gewalt und die politische Polarisierung im ganzen Land veranlasste die Regierung, gegen die Parteiführer vorzugehen, die die Eskalation geschürt hatten. Freddy Guevara, Vizepräsident der Nationalversammlung und stellvertretender Vorsitzender der Partei des Volkswillens, war einer der Anführer bei den Straßenkrawallen 2017. Angesichts des drohenden Prozesses wegen seiner Rolle bei den Aufständen suchte er Zuflucht in der chilenischen Botschaft, wo er sich immer noch aufhält.

Ester Toledo, ein Abgeordneter der Partei aus dem Bundesstaat Zulia, wurde im September 2016 von der venezolanischen Regierung wegen Terrorfinanzierung und der Planung von Mordanschlägen gesucht. Er soll die Mordpläne gemeinsam mit dem ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Álavaro Uribe entwickelt haben. Toledo floh aus Venezuela und hielt Vorträge bei Human Rights Watch, bei dem von der US-Regierung unterstützten Freedom House, dem spanischen Kongress und dem Europäischen Parlament.

Carlos Graffe, ein weiteres von Otpor ausgebildetes Mitglied der Generation 2007, das die Partei führte, wurde im Juli 2017 festgenommen. Laut Polizei war er im Besitz einer Tasche, in der sich Nägel, der Sprengstoff C4 und ein Zünder befand. Er wurde am 27. Dezember 2017 freigelassen.

Leopoldo Lopez, der langjährige Vorsitzende der Partei, steht heute unter Hausarrest wegen seiner Schlüsselrolle bei der Tötung von 13 Personen bei den Guarimbas 2014. Amnesty International lobte ihn als „Gefangenen mit gutem Gewissen“ und verurteilte seine Verlegung vom Gefängnis in sein Haus als „nicht ausreichend“. Mittlerweile initiierten Angehörige der Opfer eine Petition für eine höhere Strafe.

Yon Goicoechea, der Posterboy der Koch-Brüder, wurde 2016 von Sicherheitskräften festgenommen, weil sie angeblich ein Kilogramm Sprengstoff in seinem Wagen gefunden hatten. In einem Kommentar der New York Times protestierte Goicoechea, die Beschuldigungen seien „frei erfunden“, und behauptete, er sei nur wegen seines „Traumes von einer demokratischen Gesellschaft, frei von Kommunismus“ in Haft. Er wurde im November 2017 entlassen.

David Smolansky, ebenfalls Mitglied der ursprünglich von Otpor ausgebildeten Generation 2007, wurde der jüngste Bürgermeister von Venezuela, als er 2013 in dem wohlhabenden Vorort El Hatillo gewählt wurde. Er musste jedoch zurücktreten und wurde vom Obersten Gerichtshof zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er für schuldig befunden wurde, bei den Guarimbas Gewalt angestachelt zu haben.

Als die Gefängnisstrafe drohte, rasierte sich Smolansky den Bart ab, setzte eine Sonnenbrille auf und verschwand, als Priester verkleidet, nach Brasilien, mit einer Bibel in der Hand und einem Rosenkranz um den Hals. Heute lebt er in Washington, DC, wo er vom Sekretär der Organisation der Amerikanischen Staaten, Luis Almagro, auserkoren wurde, die Arbeitsgruppe über die venezolanische Migrations- und Flüchtlingskrise zu leiten.

Am 26. Juli vergangenen Jahres veranstaltete Smolansky ein von ihm so genanntes „freundschaftliches Wiedersehen“ mit Elliot Abrams, dem verurteilten Verbrecher aus der Iran-Contra-Affäre, der von Trump als Sondergesandter in Venezuela eingesetzt wurde. Abrams war für die Überwachung der geheimen US-Politik der Bewaffnung der rechten Todesschwadronen in Nicaragua, El Salvador und Guatemala zuständig.
Seine wichtige Rolle bei dem Putsch in Venezuela lässt befürchten, dass ein weiterer blutiger Stellvertreterkrieg bevorsteht.

Vier Tage davor hatte Machado Maduro ein weiteres Mal gedroht und ihm erklärt, wenn er „sein Leben retten will, sollte er verstehen, dass seine Zeit abgelaufen ist”.

Ein Bauer im Spiel

Der Zusammenbruch der Partei des Volkswillens unter dem Gewicht der von ihr inszenierten gewaltsamen Destabilisierungskampagne entfremdete große Teile der Öffentlichkeit von ihr und brachte ihr Führungspersonal ins Exil oder in Haft. Guaidó spielte dabei eine untergeordnete Rolle, da er die meiste Zeit seiner neunjährigen Karriere als Abgeordneter in der Nationalversammlung verbracht hatte.
Guaidó, der aus einem der dünn besiedelten Bundesstaaten Venezuelas stammt, erreichte bei den Parlamentswahlen 2015 den zweiten Platz und gewann nur 26 Prozent der abgegebenen Stimmen, um seinen Platz in der Nationalversammlung halten. In der Tat war sein Hintern vielleicht bekannter als sein Gesicht.

Guaidó ist bekannt als Präsident der von der Opposition dominierten Nationalversammlung, aber er wurde nie in diese Position gewählt. Die vier Oppositionsparteien, aus denen sich der Runde Tisch der Demokratischen Einheit zusammensetzte, hatten sich auf eine rotierende Präsidentschaft geeinigt. Die Partei des Volkswillens war an der Reihe, aber ihr Gründer Lopez stand unter Hausarrest. Unterdessen hatte sein Stellvertreter, Guevara, in der chilenischen Botschaft Zuflucht gesucht. Eine Figur namens Juan Andrés Mejía wäre als Nächster an der Reihe gewesen, aber aus Gründen, die erst jetzt klar sind, wurde Juan Guaidó ausgewählt.

“Der Aufstieg von Guaidó hat etwas mit der Klasse zu tun”, bemerkte der venezolanische Analyst Sequera. „Mejía ist erstklassig, hat an einer der teuersten Privatuniversitäten in Venezuela studiert, aber er konnte nicht so leicht der Öffentlichkeit verkauft werden wie Guaidó. Zum einen hat Guaidó Mestizo-Gesichtszüge, wie die meisten Venezolaner, und er erscheint eher wie ein Mann aus dem Volk. Zum Anderen stand er nicht so sehr im Mittelpunkt des Medieninteresses, so dass man aus ihm so ziemlich alles formen konnte.“
Im Dezember 2018 schlich sich Guaidó über die Grenze und machte Ausflüge nach Washington, Kolumbien und Brasilien, um die Pläne für Massendemonstrationen während der Amtseinführung von Präsident Maduro zu koordinieren. In der Nacht vor Maduros Vereidigung riefen der US-Vizepräsident Mike Pence und die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland Guaidó an, um ihn ihrer Unterstützung zu versichern. Eine Woche später schlossen sich Senator Marco Rubio, Senator Rick Scott und der Abgeordnete Mario Diaz-Balart – alles Abgeordnete aus dem Stützpunkt der rechten kubanischen Exil-Lobby in Florida – Präsident Trump und Vizepräsident Pence im Weißen Haus an. Auf ihre Bitte hin stimmte Trump zu, Guaidó zu unterstützen, wenn er sich selbst zum Präsidenten erklärt.
US-Außenminister Mike Pompeo traf sich laut Wall Street Journal am 10. Januar persönlich mit Guaidó. Pompeo konnte den Namen von Guaidó jedoch nicht aussprechen, als er ihn am 25. Januar in einer Pressekonferenz erwähnte und ihn “Juan Guido” nannte.

Bis zum 11. Januar wurde Guaidós Wikipedia-Eintrag 37-mal verändert, in dem Bemühen, das Image der zuvor unbekannten Figur aufzupeppen, die nun ein Tableau für Washingtons Regime-Change-Ambitionen darstellte. Schließlich wurde die Redaktion für seinen Eintrag dem elitären Gremium der “Bibliothekare” von Wikipedia übergeben, das ihn zum “umstrittenen” Präsidenten von Venezuela erklärte.

Guaidó ist vielleicht eine obskure Figur, aber er kombiniert Radikalismus mit Opportunismus und erfüllt so die Bedürfnisse Washingtons.
“Dieses Puzzlestück fehlte”, sagte ein Vertreter der Trump-Administration über Guaidó. “Er war das Stück, das wir brauchten, damit unsere Strategie kohärent und vollständig wird.”

“Zum ersten Mal”, frohlockte Brownfield, der ehemalige amerikanische Botschafter in Venezuela, gegenüber der New York Times, “haben wir einen Oppositionsführer, der den Streitkräften und den Strafverfolgungsbehörden klar signalisiert, dass er sie auf der Seite der Engel und der Guten halten will. “

Aber Guaidós Partei des Volkswillens bildete die Stoßtruppen der Guarimbas, die den Tod von Polizeibeamten und einfachen Bürgern verursachten. Er rühmte sich sogar, selbst an den Straßenkämpfen beteiligt gewesen zu sein.
Und jetzt muss er diese blutige Geschichte auslöschen, um Herz und Verstand von Militär und Polizei zu gewinnen.

Am 21. Januar, einen Tag bevor es mit dem Putsch ernst wurde, hielt Guaidós Frau eine Video-Ansprache, in der sie das Militär aufforderte, sich gegen Maduro zu erheben. Ihr Auftritt war hölzern und und nicht gerade inspirierend, was auch die politischen Grenzen ihres Mannes unterstreicht.

Während Guaidó auf direkte Hilfe wartet, bleibt er das, was er schon immer war – ein Lieblingsprojekt von zynischen Kräften aus dem Ausland.
“Es spielt keine Rolle, ob er nach all diesen Missgeschicken abstürzt und verbrennt”, sagte Sequera im Staatsfernsehen. “Für die Amerikaner ist er entbehrlich.”

** Zu Farbrevolutionen siehe auch https://josopon.wordpress.com/2014/09/21/cia-in-der-ukraine-freedom-and-democracy/

 

Jochen

Kuba: als Jugendaustausch getarnte Regime-Change-Programme der USA – Kubanische Schüler und Studenten protestieren

kuba_flaggeJochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ja, das ist die Verführung. Das Programm kommt unter emazipatorischen Überschriften auf der Homepage daher: https://www.worldlearning.org/who-we-are/

World Learning is a nonprofit organization advancing leadership in more than 60 countries. We envision a just world, driven by engaged citizens and thriving communities. Our mission is to empower people and strengthen institutions through education, sustainable development, and exchange programs.

For more than 80 years, World Learning programs has helped empower new generations of global leaders to create a more peaceful, democratic and prosperous world.

Man frage sich einmal, woher diese Organisation finanziert wird und was der unterschwellige Kontext ist. Warum sind sie gerade in Kuba aktiv, wo die geringste Quote an Analphabeten in ganz Lateinamerika ist und wo andererseits gerade die Embargopolitik der USA und ihrer Verbündeten einer freien Kommunikation im Wege steht. Ich fühle mich an die von der NPD organisierten Kinderfeste und an die großzügige Einflussnahme der westdeutschen Schwesterparteien auf CDU, SPD und LDPD in den neuen deutschen Ländern erinnert.
Interessant ist auch, dass das ganze von in Kuba verdeckt arbeitenden Rekruteuren vorbereitet wurde, die eben keinen Konsens und keien Absprache mit den offiziellen Studentenorganisationen gesucht haben.
So sucht sich die US-Regierung ihre Zuträger in fremden Ländern unter dem Deckmantel der „Freiheit“ und der Menschenrechte:
https://www.jungewelt.de/m/artikel/294349.einmischung-abgelehnt.html
Auszüge:

Kubanische Schüler und Studenten protestieren gegen als Jugendaustausch getarnte Regime-Change-Programme der USA

Von Volker Hermsdorf

Zahlreiche Schüler und Studenten haben am Freitag in verschiedenen Bildungseinrichtungen Havannas gegen den jüngsten Versuch der US-Regierung protestiert, Jugendliche anzuheuern, um in Kuba einen Systemwechsel herbeizuführen.
Die jungen Kubaner wehren sich mit ihren Protesten gegen ein Programm der Organisation »World Learning« mit Sitz in Washington und Vermont. Die vorgebliche NGO hatte Mittel- und Oberstufenschüler von der Insel im Juli und August mit einem »Stipendium« geködert und zu einem vierwöchigen Seminar in die USA eingeladen.
Dort ging es aber nicht um klassische Studieninhalte, sondern darum, die Schüler als Akteure für einen Regime-Change in ihrer Heimat anzuwerben.
»World Learning« übernahm dafür die Visa- und Reisekosten, organisierte Unterkünfte, zahlte Verpflegung, Spesen und ein Taschengeld.

Vertreter von Schüler- und Studentenorganisationen empörten sich in der kubanischen Hauptstadt über den Betrug und den Missbrauch des Jugendaustausches. Die Protestaktionen fanden am Freitag unter anderem an der Universität von Havanna, der polytechnischen Universität (CUJAE), der polytechnischen Schule für Chemie, Informatik und Pharmazeutik »Mártires de Girón« und an einer Reihe weiterer Ausbildungsstätten statt. Die Hintergründe und Ziele des Subversions­programms seien zuvor in mehr als 460 Versammlungen thematisiert worden, berichtete Suzanne Santiesteban Puertas, die Vorsitzende der FEEM (Federación de Estudiantes de la Enseñanza Media), einer Organisation von Mittel- und Oberstufenschülern, in der Zeitung Juventud Rebelde.
Sie und andere Studentenführer wie Joan Palmero von der Universität Havanna betonten, dass ihr Protest sich nicht gegen den akademischen Austausch richte. Die Initiative von »World Learning« sei jedoch als Trojanisches Pferd konzipiert, indem ihre Teilnehmer später zur Destabilisierung der kubanischen Gesellschaft eingesetzt werden sollen.

Bereits bei der Auswahl der kubanischen Stipendiaten hatte die US-Organisation sich über die kubanischen Gesetze hinweggesetzt. Zur Auswahl und Vorbereitung der »Stipendiaten« auf ihr Training in den USA hatte »World Learning« aus Panama vier ausländische »Experten« geschickt, die unter falschen Angaben und mit einem einfachen Touristenvisum in Kuba eingereist waren. Sie wurden wegen Verstoßes gegen die Aufenthaltsbestimmungen den Behörden übergeben.
Auch die Art der Anwerbung deutet auf die subversiven und illegalen Absichten der angeblichen NGO hin.

Laut Ausschreibung sollten die 16- bis 18jährigen Kubaner während ihres vierwöchigen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten »gemeinsam mit US-Studenten« an Aktivitäten in Klubs, Organisationen und anderen Jugendeinrichtungen teilnehmen. In »informativen Veranstaltungen« sollten sie unter anderem lernen, »öffentlich aufzutreten«, in »Teams zu arbeiten«, »Verhandlungen zu führen, Konflikte zu lösen und Konsens herzustellen« sowie »die eigenen Rechte zu verteidigen«. Während ihres Trainings würden die Stipendiaten von speziell dafür ausgebildetem Personal betreut, heißt es auf der Homepage von »World Learning«.

Dort finden sich auch Informationen über Donald Steinberg, den Chef der Organisation und ihrer internationalen Ausbildungsaktivitäten, über die es heißt: »Unsere Programme unterstützen die nächste Generation der Weltführer (…) bei der Veränderung ihrer Länder.« Steinberg war unter anderem Abteilungsleiter im Weißen Haus, arbeitete im US-Außenministerium und als Botschafter in Angola. Dem guatemaltekischen Journalisten und früheren kubanischen Undercoveragenten Percy Alvarado Godoy zufolge werden mindestens 40 Programme von »World Learning« direkt vom US-Dienst USAID finanziert.

Die heutige Organisation »World Learning« ist Nachfolger der »Delphi International Group«, deren weltweite Trainingsprogramme ebenfalls von der USAID und dem US-Dienst NED mit Millionen finanziert wurden. *)
Gegen diese Art »Hilfe« richtete sich am Freitag der Protest der kubanischen Schüler und Studenten. »Wir fordern«, verlangte dabei Studentensprecherin Suzanne Santiesteban Puertas in Richtung Washington, »dass sie unsere Prinzipien achten und die kubanischen Gesetze respektieren.«

* Die Delphi International Group ist als mächtigste Organisation zur Bekämpfung der nicaraguanischen Demokratie hier so beschrieben:

Delphi International Group was the biggest recipient of NED Funds for its work in Nicaragua.

Henry Quintero worked at Delphi International Group where he administered the La Prensa grants received from NED (he was also hired by International Foundation for Electoral Systems (IFES) in 1989 to assist in their election work in Nicaragua). (1,2) La Prensa is the spearhead of the anti-Sandinista media in Nicaragua. (3)
Delphi also received grants from NED for Nicaraguan broadcast media, training and „civic education“ and other projects to build opposition to the Sandinistas.

Leider ist davon auszugehen, dass solche Programme immer wieder Resonanz finden, wie z.B. in Brasilien und Venezuela, weil sie sich an die natürlicherweise entstehende Unzufriedenheit wenden.

Jochen

CIA in der Ukraine: »Freedom and Democracy«

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

CIAlogoGuter Überblick in der jungen Welt – wer noch Fakten braucht, um die Propaganda einzuordnen:
http://www.jungewelt.de/2014/09-22/001.php

Aktualisierung am 27.05.2015: passendes Video von RTDeutsch hier:

https://www.youtube.com/watch?v=tnAfSecr9rc

Auszüge:

Seit Weltkriegsende ist die CIA in der Ukraine aktiv: von der Unterwanderung der Kulturszene über die Inszenierung einer »orangen Revolution« bis zur heutigen Militärberatung

Von Paul Schreyer

In der Ukraine-Krise liegt der mediale Fokus weiterhin auf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Was will er, was plant er, was denkt er?
So fragen viele Kommentatoren und vermeiden dabei in der Regel einen ähnlich gründlichen Blick in die andere Richtung, gen Westen.
Nicht wenige Beobachter waren daher überrascht, diesen selbstkritischen Blick nun in der aktuellen September­ausgabe der altehrwürdigen Zeitschrift Foreign Affairs zu entdecken, bekanntlich herausgegeben vom konservativen New Yorker Eliteklub »Council on Foreign Relations«.

Der renommierte Politologe John Mearsheimer argumentiert dort freimütig, daß die USA und ihre europäischen Alliierten »den größten Teil der Verantwortung für die Krise tragen«. »Die Wurzel der Probleme«, so Mearsheimer, »ist die NATO-Erweiterung, als zentrales Element einer größeren Strategie, um die Ukraine aus dem russischen Einflußbereich herauszutrennen und in den Westen zu integrieren«.
Die Lösung des Konflikts bestehe nun darin, sich von diesem Ziel zu verabschieden und die Ukraine gerade nicht weiter zum Frontstaat, sondern zu einer neutralen Brücke zwischen Ost und West zu machen – vergleichbar etwa der Rolle Österreichs im Kalten Krieg.
Auch solle der Westen seine Bemühungen um ein »Social Engineering« in der Ukraine »erheblich einschränken«.
Was Mearsheimer damit meint, ist die aktive westliche Unterstützung der sogenannten Farbrevolutionen, wie etwa der »orangen Revolution« von 2004 oder eben der jüngsten Maidan-Bewegung in Kiew.

Daß diese spezielle Form der »Demokratieförderung« in der Ukraine ihre Wurzeln in CIA-Programmen hat, ist zwar immer wieder vermutet worden, wurde in seiner historischen Komplexität erst in jüngerer Zeit bekannt.
Denn wie Dokumente zeigen, operiert die CIA tatsächlich seit den 1950er Jahren kontinuierlich in der Ukraine – dabei meist an der Seite rechtsextremer Nationalisten.

Die historische Forschung zu diesem Thema stützt sich auf das 1998 in den USA verabschiedete Nazi War Crimes Discloser Act (Gesetz zur Enthüllung von Kriegsverbrechen der Nazis), in dessen Folge die Behörden mehrere Millionen Seiten amtlicher Dokumente freigaben.
In den vergangenen Jahren entstanden dazu umfangreiche Regierungsberichte, in denen sich – aktuell brisant – auch ein ganzes Kapitel mit der Geschichte westlicher Geheimdienstaktivitäten in der Ukraine beschäftigt.1

Instrument der Wirtschaftseliten

Nachdem die Nazis bei ihrem Vormarsch gegen die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg bereits auf die Unterstützung ukrainischer Nationalisten unter Stepan Bandera gesetzt hatten, nahm nach dem Krieg die CIA Banderas Sicherheitschef Mikola Lebid unter ihre Fittiche. Lebid wurde in internen Dokumenten von den Amerikanern als »bekannter Sadist und Kollaborateur der Deutschen« mit »hinterhältigem Charakter« beschrieben, und man wußte von ihm, daß die Gestapo ihn ausgebildet hatte.
Lebid wurde zum wichtigsten Mann der CIA, um im Kalten Krieg Einfluß auf die Ukraine zu nehmen. Ab etwa 1950 war dies die Aufgabe der CIA-Operation »Aerodynamic«, zu deren Schlüsselfigur Lebid aufstieg. Es wurden Agenten in die Ukraine ein- und ausgeschleust und das Untergrundnetzwerk des Landes in jeder Hinsicht unterstützt. Ebenso wie heute ging es dabei im Kern um die Schwächung Moskaus.

Die Gründung der CIA 1947 lag damals nur wenige Jahre zurück. Erst der Zweite Weltkrieg hatte die USA bekanntlich zur Supermacht werden lassen.
Die Besetzung führender Industriestaaten, wie Deutschland, Japan oder Italien, und die damit einhergehende neue Rolle in der Welt erforderte auch eine Umstrukturierung und Erweiterung des eigenen Sicherheitsapparats. Das neu geschaffene Imperium mußte angemessen verwaltet werden.

Schlüsselpersonen in diesem Prozeß waren unter anderem Allen W. Dulles, weltgewandter Diplomat, Unternehmensanwalt und Bankier, sowie James Forrestal, Direktor einer der damals führenden Investmentbanken, und bald darauf erster Chef des ebenfalls nach dem Krieg neu geschaffenen Verteidigungsministeriums. Dulles hatte bereits in den 1930er Jahren eine wesentliche Rolle dabei gespielt, die USA für Auslandsinterventionen bereitzumachen.
Als sich die politische Elite des Landes, noch unter dem Eindruck der großen Wirtschaftskrise, in Isolationisten und Interventionisten aufspaltete, wurde er zum Lobbyisten für ein energisches »Einmischen« in die Weltpolitik. Bücher unter seiner Koautorenschaft wie die 1939 erschienene Abhandlung »Kann Amerika neutral bleiben?« halfen dabei, das Land geistig auf den Kriegseintritt vorzubereiten. Der Tenor lautete, daß eine militärische und ökonomische Isolation in einem zunehmend vernetzten internationalen System nicht länger möglich wäre. Dahinter stand die Überzeugung von Finanzeliten und Politplanern, daß die Vereinigten Staaten ohne die Märkte des britischen Weltreichs, der westlichen Hemisphäre und Asiens nicht dauerhaft prosperieren könnten. Dulles selbst arbeitete dabei im Rahmen des eingangs bereits erwähnten »Council on Foreign Relations«, der den New Yorker Geldadel repräsentierte.

Nach dem gewonnenen Krieg galt es sodann, rasch neue und dauerhafte Strukturen des Machtmanagements zu schaffen.

Der spätere CIA-Direktor Richard Helms (1966–1973) schildert dazu in seinen Memoiren, wie Dulles 1946 gebeten wurde, »Vorschläge für die Form und Organisation dessen zusammenzustellen, was 1947 die CIA werden sollte«.
Dulles, Partner einer einflußreichen Unternehmenskanzlei und später von 1953 bis 1961 auch selbst Chef der CIA, bildete zu diesem Zweck eine sechsköpfige Beratergruppe, die im wesentlichen aus Wall-Street-Bankern und Anwälten bestand. Zwei Jahre später, 1949, berief Exbanker und Verteidigungsminister Forrestal ihn darüber hinaus zum Vorsitzenden eines Komitees, das gemeinsam mit zwei weiteren New Yorker Anwälten die Arbeit der CIA überprüfen sollte. Die drei Juristen trafen sich dazu regelmäßig in den Vorstandsräumen einer Wall-Street-Investmentfirma.

Entscheidend an dieser Struktur ist weniger die politische Korruption, die unvermeidlicher Teil solcher Verstrickungen ist, als vielmehr die Schaffung und Nutzung von staatlichen Geheimdiensten im Sinne einer Wirtschafts- und Finanzelite. Denn die Wall-Street-Anwälte und Investmentbanker, die hinter der Gründung der CIA standen, sahen in der Behörde von vornherein keinen reinen Nachrichtendienst, sondern vor allem ein Instrument für verdeckte Aktionen.

Eigens zu diesem Zweck wurde 1948 innerhalb der CIA eine noch geheimere Abteilung, das sogenannte »Office of Policy Coordination« (OPC) gegründet – ohne Billigung oder auch nur Wissen des Parlaments. Eben jenes Büro steuerte die in den 1950er Jahren startende Operation »Aerodynamic« in der Ukraine. Angesichts des Ausmaßes und der Aktivität der ukrainischen Widerstandsbewegung schätzte Frank Wisner, ebenfalls Wall-Street-Anwalt und damaliger Chef des OPC, dieses Projekt als »Toppriorität« ein.

Aufbau einer Kunstszene

Mitte der 1950er Jahre allerdings, nachdem es der Sowjetunion schließlich gelungen war, das Netzwerk von Mikola Lebid in der Ukraine zu infiltrieren, endete die aggressive Phase des CIA-Programms »Aerodynamic«. Das Ein- und Ausschleusen von Agenten und militanten Widerstandskämpfern war erst einmal passé.

In der Folge verlegte man sich auf den nicht weniger bedeutsamen verdeckten ideologischen Kampf. Unter Lebids Führung wurde in New York eine Art »Kulturprogramm« gestartet. Die CIA gründete dazu eine private Organisation namens »Prolog Research Corporation«, die ukrainische Zeitungen und Bücher herausgab sowie Radioprogramme produzierte. Parallel wurde eine Außenstelle in München namens »Ukrainische Gesellschaft für Auslandsstudien« geschaffen, wo die meisten »Prolog«-Veröffentlichungen entstanden.
Die Corporation bezahlte eine ganze Reihe von ukrainischen Schriftstellern im Exil, von denen die meisten nichts vom CIA-Hintergrund der Organisation wußten. Die schönen Künste wurden zur Propagandawaffe. Das Geheimdienstprogramm unterstützte in den 1970er Jahren sogar Ausstellungen ukrainischer Kunst in den USA, wobei der Schwerpunkt auf Arbeiten von Dissidenten lag, die in der Ukraine verboten waren.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit war das in München erscheinende programmeigene Magazin Suchasnist (Modernität), eine Literaturzeitschrift, die großes Ansehen in Emigrantenkreisen genieße und von der Sowjetunion stark angegriffen werde. Ein kürzlich freigegebener CIA-Bericht erwähnt auch die Genehmigung des Projekts durch das »40 Committee«, das zu der Zeit unter dem Vorsitz von Henry Kissinger stand und sämtliche verdeckte Operationen beaufsichtigte.
In den 1960er und 1970er Jahren beeinflußte »Prolog« eine ganze neue Generation von Ukrainern, die weder ahnten, daß die USA der Zahlmeister vieler ihrer Ideengeber waren, noch, daß diese Unterstützung ihres nationalen kulturellen Selbstbewußtseins nur ein Mittel zu einem größeren imperialen Zweck sein sollte.

Lebid setzte sich 1975 zur Ruhe, blieb aber weiterhin Berater von »Prolog«. Ende der 1970er Jahre weitete Zbigniew Brzezinski, damals Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident James Carter, das Programm weiter aus, da er von dessen Erfolg überzeugt war. Sein familiärer Hintergrund spielte wohl ebenso eine Rolle – Brzezinskis Vater, ein polnischer Diplomat, war im Gebiet der späteren Ukraine aufgewachsen.
In den 1980er Jahren wurde das Programm auf weitere Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion ausgedehnt und galt letztlich als eines der erfolgreichsten dieser Art für die CIA.

»Zeitalter der offenen Aktionen«

Parallel wurden die Projekte zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung organisatorisch auf neue Beine gestellt. Nachdem die Watergate-Enthüllungen in den 1970er Jahren auch zur Aufdeckung vieler illegaler CIA-Operationen im Ausland geführt hatten, waren die Kompetenzen des Geheimdienstes von Präsident Carter wesentlich beschränkt worden.
Als Ronald Reagan 1980 im Weißen Haus einzog, überlegte man dort, wie man die neuen gesetzlichen Beschränkungen umgehen könnte. Reagans Wahlkampfmanager und späterer CIA-Chef William J. Casey verfiel dabei auf die Idee, die Geheimprogramme zur Meinungsbeeinflussung in eine offizielle Stiftung zur »Demokratieförderung« auszulagern.

Dazu schuf man 1983 eine seltsame Hybridstruktur namens »National Endowment for Democracy« (NED). Diese »Nationale Stiftung für Demokratie« wurde offiziell vom Parlament gegründet und vom Außenministerium finanziert, firmierte aber formell als private, überparteiliche und gemeinnützige Stiftung. Diese Konstruktion ermöglichte es, ausländische Organisationen zu fördern, ohne daß die US-Regierung direkt Gelder überwies oder in Haftung genommen werden konnte. Zugleich behielt die CIA über Mittelsmänner ihren Einfluß.

Die Washington Post schilderte 1991 in einem euphorischen Artikel unter der Überschrift »Innocence Abroad: The New World of Spyless Coups« (Unschuld im Ausland: Die neue Welt der Staatsstreiche ohne Agenten) diesen Wandel hin zu »mehr Offenheit«:
»Wir leben jetzt im Zeitalter der offenen Aktion. Die große demokratische Revolution, die in den vergangenen Jahren über den Globus fegte, war ein Triumph der offenen Aktion. Die alten Veteranen der CIA haben eine Generation lang von dieser Art weltweitem antikommunistischen Putsch geträumt. Doch als es dann passierte, geschah es offen. Es gab keine geheimen paramilitärischen Armeen und fast kein Blutvergießen. Als Schlüsselelemente in der Verschwörung erwiesen sich Telefone, Fernseher und Faxgeräte. Im hellen Tageslicht konnten die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten Dinge erreichen, die im verborgenen undenkbar gefährlich gewesen wären. (…)
Der Zahlmeister offener Operationen ist die Nationale Stiftung für Demokratie, eine quasiprivate Gruppe, die von Carl Gershman geleitet und vom US-Kongreß finanziert wird. In den späten 1980er Jahren organisierte sie offen, was einst unaussprechlich geheim war – Geld an antikommunistische Kräfte hinter dem Eisernen Vorhang zu verteilen. Wer die Liste der Empfänger von NED-Geldern liest (ein öffentliches Dokument), der unternimmt zugleich einen Streifzug durch die Geschichte der Demokratiebewegungen: In der Tschechoslowakei begann die Stiftung 1984 damit, demokratische Kräfte zu unterstützen; in Ungarn startete die Förderung 1986 – dazu gehörte Hilfe bei den Wahlen sowie Geld für die erste »unabhängige« öffentliche Meinungsumfrage in Ungarn; in Rumänien und Bulgarien unterstützte die Stiftung neue Zeitschriften Intellektueller und andere Hilfsmittel der Demokratie. (…)
Die Stiftung war auch in der Sowjetunion aktiv. Sie gab Geld an sowjetische Gewerkschaften; an die liberale ›Interregionale Gruppe‹ im Parlament (…), an die ukrainische Unabhängigkeitsbewegung und an viele andere Projekte. Die verdeckte Finanzierung wäre, falls enthüllt, der Todeskuß für diese Gruppen gewesen. Die offene Finanzierung war, so scheint es, ein Geburtshelfer.«

»Demokratieförderung«

Beflügelt von ihrem Erfolg hat die NED in den 25 Jahren seit dem Mauerfall konsequent weiter ihr Geld verteilt und Netze der Einflußnahme geknüpft.
Der Jahresetat beträgt zirka 100 Millionen US-Dollar. 2012 ließ die Stiftung laut Jahresbericht 3,4 Millionen davon zur »Demokratieförderung« in die Ukraine fließen. Die Größenordnung scheint konstant zu sein – aktuell listet die offizielle Webseite der NED mehr als 50 separat unterstützte Einzelprojekte in der Ukraine auf, die sich auf derzeit 2,8 Millionen Dollar summieren. Im Durchschnitt erhält jeder der begünstigten lokalen Vereine und Verbände somit etwa 50000 Dollar pro Jahr.

Ein Blick in die Förderliste2 gibt detailliert Auskunft: So erhielt ein »Center for International Private Enterprise« aktuell 350000 Dollar, um »die Marktwirtschaft zu entwickeln« und das »Geschäftsklima zu verbessern«.
Ein »National Democratic Institute for International Affairs« wiederum bekam 370000 Dollar, um inländische Beobachter zu bezahlen, die Poroschenkos Wahl zum Präsidenten im Mai »freier und fairer« machen sollten, so NED.
Aber auch kleinere Projekte werden sorgsam gehegt, etwa das »Dniprovsky Center for Social Research«, das 20000 Dollar erhielt, um den »Zugang zu unabhängigen Nachrichten in der östlichen Region von Dnipropetrowsk zu verbessern«. Es gibt dazu eine eigene Onlineregionalzeitung heraus.
40000 Dollar flossen an den Donezker Presseclub, um den »Professionalismus der Medien in der Ostukraine zu verbessern«.
Die Stiftung hat ein feines Netz gespannt, das mittlerweile über sämtliche Regionen des Landes reicht und natürlich auch Abhängigkeiten vom zahlungskräftigen Geldgeber schafft.

Die ukrainische Exilgemeinde in den USA ist darüber hinaus traditionell gut organisiert. Hauptlobbyverband ist das »Ukrainian Congress Committee of America«, das im Kalten Krieg mehr als 20 Jahre lang von dem glühenden antikommunistischen Aktivisten Lev E. Dobriansky geführt wurde. Der Sohn eines ukrainischen Emigranten war auch Ideengeber der seit den 1950er Jahren bis heute offiziell und alljährlich in den USA begangenen Gedenkwoche für sogenannte »eingesperrte Nationen«. Er leitete den ukrainischen Lobbyverband bis 1983 und unterhielt gute Beziehungen auch zum Weißen Haus unter Ronald Reagan. Seine Tochter Paula übernahm in Reagans Nationalem Sicherheitsrat die Zuständigkeit für Osteuropa. Paula Jon Dobriansky wechselte später in den 1990er Jahren als Leiterin zum Washingtoner Büro des »Council on Foreign Relations«, bevor George W. Bush sie 2001 schließlich zur Staatssekretärin im Außenministerium ernannte – wo sie bis 2009 Dienst tat und in historischer Kontinuität den »Demokratieexport« nach Osteuropa mitorganisierte.
Aktuell ist dafür im US-Außenministerium Victoria Nuland zuständig, bekannt geworden durch ihr abgehörtes »Fuck the EU«-Telefonat, in dem sie bereits Anfang Februar zu verstehen gab, daß der zu der Zeit in der Ukraine eher unbedeutende Politiker Arsenij Jazenjuk Präsident werden solle – was wenige Wochen später auch geschah.

US-Berater in Kiew

Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, wenn die Vizepräsidentin von NED, Nadia Diuk, im Frühjahr 2014 in einem Artikel zur Maidan-Bewegung von einer »selbstorganisierenden Revolution« in der Ukraine spricht. So wenig, wie die ukrainische Zivilgesellschaft wirklich autonom und selbstbestimmt ist, so wenig ist deren Förderung durch den Westen dem hehren Ziel von »Freedom and Democracy« gewidmet.

Nachdem im April 2014 herauskam, daß CIA-Chef John Brennan unter falschem Namen zu Gesprächen nach Kiew gereist war, wurden einige Medien zwar kurz aufmerksam – insbesondere als es hieß, daß just nach seinem Treffen mit lokalen Sicherheitschefs die »Antiterroroperation« in der Stadt Slowjansk und im weiteren in der Ostukraine insgesamt gestartet wurde.
Doch US-Präsident Barack Obama wiegelte schon kurze Zeit später ab. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel anläßlich ihres Besuchs in Washington im Mai sagte er: »Es gab Unterstellungen, daß Amerikaner irgendwie in der Ukraine Unruhe stiften würden. Ich muß sagen, daß es uns nur darum geht, daß die Ukraine ihre eigenen Entscheidungen treffen kann. Das letzte, was wir wollen, sind Unordnung und Chaos im Zentrum Europas. Der deutschen Öffentlichkeit, die vielleicht russisches Fernsehen schaut, möchte ich raten, auf die Fakten konzentriert zu bleiben – auf das, was tatsächlich im Land passiert ist.«

Die Empfehlung wurde im offiziellen Berlin offenbar als Provokation empfunden. Nur zwei Tage später jedenfalls berichtete Bild unter Berufung auf »deutsche Sicherheitskreise«, daß die Putschregierung in Kiew »von Dutzenden Spezialisten« von CIA und FBI beraten werde, die dabei helfen, die Rebellion im Osten des Landes zu beenden.

Und so führt der rote Faden von den militanten 1940er Nachkriegsjahren und dem Elitenberater Allan W. Dulles über die Zusammenarbeit mit ukrainischen Nazikollaborateuren wie Mikola Lebid bis hin zur waffenlosen »Soft power« der Intellektuellenförderung durch CIA wie NED und nun zu einer wieder militanten Gegenwart mit CIA-Beratern beim »Antiterror«-Krieg in der Ostukraine. Dazu passen auch die aktuellen Aussagen von Semjon Semjontschenko, dem Anführer des rechtsnationalen ukrainischen Bataillons »Donbass«, der eigenen Angaben zufolge derzeit in Washington weilt, um Gespräche mit US-Politikern zu führen und ein Training seiner Kämpfer durch die US-Armee zu vereinbaren. Semjontschenko gehört zu den Hardlinern, die auch Poroschenko intern unter Druck setzen.
Ob diejenigen Kräfte, die, wie der eingangs zitierte John Mearsheimer, die Ukraine jetzt zu einer Brücke und eben nicht zu einem Frontstaat machen wollen, an Einflüssen gewinnen können, steht derzeit in den Sternen.

Anmerkungen

1 Richard Breitman und Norman J. W. Goda: »Hitler’s Shadow: Nazi War Criminals, U. S. Intelligence, and the Cold War«. U. S. National Archives, 2010

2 ned.org/where-we-work/eurasia/ukraine

Der hier abgedruckte Text ist eine ergänzte Version eines Kapitels aus dem aktuellen Buch »Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren« von Paul Schreyer und Mathias Bröckers aus dem Westend Verlag in Frankfurt am Main. Der Titel ist im jW-Shop erhältlich.

Mein Kommentar: Das Muster wiederholt sich, im Iran, in Venezuela, in Ägypten, und befolgt dabei die von Naomi Klein beschriebene Schockstrategie. Und so katastrophal sind auch die Reultate.

Jochen