Wie das Gehirn zwischen Gut und Böse unterscheidet – Neuronale Netzwerke entdeckt

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Mal etwas aus der aktuellen Wissenschaft zur Betonung der materiellen Basis höherer seelischer Funktionen:

Ob wir eine Aussage als Kompliment oder versteckte Beleidigung betrachten, ist oft auch eine Frage der Interpretation. Forscher haben entdeckt, was dabei im Gehirn passiert.

von Daniela Zeibig

http://www.spektrum.de/news/wie-das-gehirn-zwischen-gut-und-boese-unterscheidet/1419697

Auszüge:

Wissenschaftler um Christiane Rohr vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben zwei Hirnregionen identifiziert, die aktiv werden, wenn wir Situationen positiv oder negativ deuten. Die Forscher spielten 27 Probanden im Magnetresonanztomografen verschiedene 1,5- bis 3-minütige Filmsequenzen vor, die emotional widersprüchliche Szenen zeigten. So sahen die Teilnehmer etwa einen Ausschnitt aus Quentin Tarantinos „Reservoir Dogs“, in dem eine Person eine andere foltert und sich dabei fröhlich lachend mit seinem Opfer unterhält. Anschließend sollten sie beurteilen, ob sie die Szenen eher als angenehm oder unangenehm empfanden.

lobus pariet inf

lobus parietalis inferior

Dabei stießen die Wissenschaftler auf den so genannten Sulcus temporalis superior im Schläfenlappen und den Lobus parietalis inferior im Scheitellappen, die wie zwei „Schalter“ zu fungieren scheinen und entweder ein Hirnnetzwerk für die positive oder eines für die negative Bewertung anknipsen.

sulc temp sup k

sulcus temporalis superior

Beurteilten die Probanden eine Situation positiv, war vor allem der Lobus parietalis inferior aktiv, bei negativen Interpretationen schaltete sich dagegen der Sulcus temporalis superior ein. „Die beiden Regionen scheinen miteinander zu kommunizieren und so herauszufinden, welche von ihnen aktiviert und welche inaktiviert wird“, sagt Studienautor Hadas Okon-Singer von der Universität Haifa.

Dieser Prozess könnte im Alltag etwa dann eine Rolle spielen, wenn wir anhand von Merkmalen wie dem Tonfall darauf schließen, ob eine Aussage als ehrliches Kompliment oder als versteckte Beleidigung gemeint ist – oder ob uns jemand mit Zynismus begegnet.

The neural networks of subjectively evaluated emotional conflicts

Hum Brain Mapp 37:2234–2246, 2016 Abstract

Previous work on the neural underpinnings of emotional conflict processing has largely focused on designs that instruct participants to ignore a distracter which conflicts with a target. In contrast, this study investigated the noninstructed experience and evaluation of an emotional conflict, where positive or negative cues can be subjectively prioritized. To this end, healthy participants freely watched short film scenes that evoked emotional conflicts while their BOLD responses were measured. Participants‘ individual ratings of conflict and valence perception during the film scenes were collected immediately afterwards, and the individual ratings were regressed against the BOLD data.
Our analyses revealed that (a) amygdala and medial prefrontal cortex were significantly involved in prioritizing positive or negative cues, but not in subjective evaluations of conflict per se, and (b) superior temporal sulcus (STS) and inferior parietal lobule (IPL), which have been implicated in social cognition and emotion control, were involved in both prioritizing positive or negative cues and subjectively evaluating conflict, and may thus constitute “hubs” or “switches” in emotional conflict processing.
Psychophysiological interaction (PPI) analyses further revealed stronger functional connectivity between IPL and ventral prefrontal—medial parietal areas in prioritizing negative cues, and stronger connectivity between STS and dorsal-rostral prefrontal—medial parietal areas in prioritizing positive cues.
In sum, our results suggest that IPL and STS are important in the subjective evaluation of complex conflicts and influence valence prioritization via prefrontal and parietal control centers.. © 2016 Wiley Periodicals, Inc.

Zur BOLD-Methode auf Wikipedia:
Als BOLD-Kontrast (von englisch blood oxygenation level dependent, also „abhängig vom Blutsauerstoffgehalt“) bezeichnet man in der Magnetresonanztomographie (MRT) die Abhängigkeit des (Bild-)Signals vom Sauerstoffgehalt in den roten Blutkörperchen. Die Hauptanwendung des BOLD-Kontrasts ist die funktionelle MRT (fMRT) zur Darstellung der Hirnaktivität.