Was Insider über die Ausbeutung in der Fleischindustrie verraten – aktuell zum Fall Tönnies

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Schon vor einem Monat erschien der u.a. Artikel im Tagesspiegel, den ich unten auszugsweise wiedergebe. Danach aktuelle Kommentare aus dem Neuen Deutschland, der jungen Welt und aus den NachDenkSeiten.
https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/das-schweinesystem-was-insider-ueber-die-ausbeutung-in-der-fleischindustrie-verraten/25840872.html
ToenniesGesetzesverschärfungen nützen nichts, wenn im neoliberalen schlanken Staat die für den Schutz der Bevölkerung zuständigen Behörden ausgetrocknet werden und die Kontrolle den Firmen selber überlassen wird, wie es die Bundesweinkönigin empfiehlt.
In diesem Artikel kamen vor einem Monat Politiker zu Wort, die bis heute keine effektiven Maßnahmen getroffen haben.

In deutschen Schlachthöfen werden Menschen und Tiere gleichzeitig ausgebeutet, sagen Insider. Sie berichten von Alkoholsucht, Druck und Gewalt.

Sebastian Leber

Eigentlich infiltrieren sie Schlachthöfe, um Misshandlungen von Rindern und Schweinen aufzudecken. Doch was seine Mitstreiter und er bei ihren Undercover-Recherchen in deutschen Schlachthöfen Schockierendes erlebten, gehe weit darüber hinaus, sagt Friedrich Mülln.

Da seien zum Beispiel die Arbeiter afrikanischer Herkunft, die für 16-Stunden-Schichten, sechs Tage die Woche, im Monat knapp 700 Euro erhielten.
Einer verletzte sich, hatte eine tiefe Schnittwunde an der Hand und erklärte seinem Vorarbeiter, er brauche Hilfe. Der Vorarbeiter schickte ihn blutend zurück auf seinen Posten. Er sagte nur: „Arbeiten! Arbeiten! Zeit ist Geld!“

Friedrich Mülln, 40, ist Gründer des Vereins „Soko Tierschutz“. Seine Rechercheure haben selber in den überfüllten Sammelunterkünften gelebt, in Sälen mit Stockbetten geschlafen.
„Dort, wo ich war, mussten sich Dutzende Arbeiter eine Kochplatte und eine Toilette teilen“, erzählt er, „die Räume waren schwer verdreckt.“ Nach einer Woche hielt es Mülln nicht mehr aus.

Mülln sagt, er habe in den Betrieben beobachtet, wie Menschen und Tiere gleichzeitig ausgebeutet werden: „Beides verstärkt sich gegenseitig.“
Es wundere ihn, dass Politik und Behörden erst jetzt erkennen, wie groß die Gefahr für massenhafte Corona-Infektionen in den Schlachthöfen ist. „Es war definitiv abzusehen. Man hätte viel früher systematisch testen müssen.“

Nun sind Deutschlands Schlachthöfe Corona-Hotspots. Bundesweit haben sich mehrere Hundert Arbeiter mit dem Virus infiziert. Am 17.Mai wurde der jüngste Fall bekannt: In einem Zerlegebetrieb in Dissen bei Osnabrück, der zu 50 Prozent dem Konzern „Westfleisch“ gehört, haben sich 92 Mitarbeiter angesteckt.
Immer deutlicher wird, dass es sich nicht um Zufälle handelt, sondern um Symptome einer Branche, in der prekäre Beschäftigungsverhältnisse und das Unterlaufen von Mindeststandards System haben.
SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil spricht offen von „Ausbeutung“. Und er gibt ein Versprechen: „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen.“
Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Karl-Josef Laumann von der CDU erklärt, die Zustände in der Fleischwirtschaft seien „weder mit einem christlichen Menschenbild noch mit der sozialen Marktwirtschaft vereinbar“.

NGGlogoDas sind erstaunlich klare Analysen angesichts der Tatsache, dass genau diese Zustände lange bekannt sind. „Seit 20 Jahren weisen wir darauf hin, und immer blieb es bei Kosmetik“, sagt Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, kurz NGG, am Telefon. Die massenhaften Corona-Infektionen seien „trauriges Resultat eines kranken Systems“, das „beschämende und menschenverachtende Zustände“ nicht nur toleriere, sondern gezielt hervorbringe.

Ein zentraler Fehler dieses Systems sei, dass Fleischkonzerne das Schlachten und Zerlegen von Tieren an Subunternehmen auslagern könnten. Von den geschätzt 40 000 Arbeitern in deutschen Schlachthöfen verfügen etwa drei Viertel über Werkverträge, viele kommen aus Bulgarien oder Rumänien und erhalten Dumpinglöhne.
Auch einige der 92 Arbeiter, die nun im Zerlegebetrieb im niedersächsischen Dissen positiv getestet wurden, kommen von Subunternehmen.

Warum die Arbeiter strikt voneinander getrennt werden

Karin Vladimirov war mehrfach selbst in Schlachthöfen zu Besuch. Sie berichtet von Menschen, die „psychische und physische Schwerstarbeit verrichten müssen“. Durch die Farbe ihrer Mützen seien die Werkarbeiter von der Stammbelegschaft leicht unterscheid- und somit separierbar: „Sowohl am Fließband als auch in den Pausenräumen ist ihnen untersagt, sich mit der Stammbelegschaft zu unterhalten.“
Die Unternehmen wollten so verhindern, dass die Werkarbeiter von grundlegenden Arbeitnehmerrechten und Standards erführen, auf die sie sich dann berufen könnten. In manchen Betrieben gebe es extra Sicherheitskräfte, die aufpassten, dass die verschiedenen Gruppen nicht zueinanderfinden.

Schnittwunden gehören im Schlachtbetrieb zu den häufigsten Arbeitsunfällen. Die Mitarbeiter hantieren mit Messern und Kettensägen. Sind ihre Verletzungen zu schwer, müssen sie zurück in ihr Heimatland, werden durch neue Kräfte ersetzt.

Die Forderung der NGG, Werkverträge zu verbieten, sei stets am starken Einfluss der Unternehmen gescheitert. Auch andere Verbesserungsvorschläge seien abgelehnt worden.
Vladimirov sagt: „Wir haben in Gesprächen oft die Hände gereicht. Es wurde immer auf sie draufgehauen.“ Ihre Gewerkschaft sei froh, dass die Bundesregierung nun handeln wolle. „Diesmal hoffentlich wirklich.“

Vladimirov wünscht sich, dass der durch die Corona-Infektionen an den Tag gelegte Aktionismus zu dauerhaften Veränderungen führt, die noch nach Abklingen der Pandemie Bestand haben.

Friedrich Mülln, der Gründer der „Soko Tierschutz“, hat in den vergangenen Jahren diverse Videos veröffentlicht, die Missstände in den Betrieben dokumentieren – und vor allem das Leid des Viehs zeigen.
Schweine werden unzureichend betäubt und bei Bewusstsein an Schlachterhaken aufgehängt, wo man ihnen die Halsschlagader durchschneidet und sie ausbluten lässt.
Verängstigte Rinder, die sich gegen das Betreten der Schlachträume wehren, werden mit dem Elektroschocker malträtiert, bis zu 170 Mal innerhalb weniger Minuten. Zum Teil werden die Tiere mit Wasser übergossen, dies macht die Schocks schmerzhafter, oder Stromstöße werden ins Gesicht oder den After gesetzt.

Bolzenschüsse, die die Tiere eigentlich betäuben sollten, gehen oft daneben, sodass fünf Schüsse nötig sind, jeder einzelne zertrümmert ein Stück Schädel des Rinds.
Es kommt vor, dass Tiere auf nassen Böden ausrutschen und sich die Beine brechen. Dann werden sie von Arbeitern zur nächsten Station geschleift.

Die Bedingungen, unter denen Menschen in Schlachthöfen arbeiten und wohnen müssten, führten automatisch zu einer Verrohung, unter der die Tiere zusätzlich litten. „Wenn schon Menschen so schlecht behandelt werden, braucht es niemanden zu wundern, dass mit Hühnern, Rindern und Schweinen noch skrupelloser umgegangen wird“, sagt Mülln.

Um die eigene Ausbeutung, aber auch die Misshandlungen des Viehs zu ertragen, flüchteten sich viele in massiven Alkoholkonsum. In einem großen Schlachthof in Bayern werde der Kopfschlächter, also derjenige, der für das Betäuben der Tiere und Durchtrennen der Hauptschlagader verantwortlich ist, von seinen Kollegen „Weißbier“ genannt. „Der Mann erscheint schon morgens alkoholisiert zur Arbeit, und zwar täglich.“

In einem anderen Betrieb entdeckte Mülln ein verstecktes Lager an Schnapsflaschen. Auch der Tierschutzbeauftragte des betreffenden Unternehmens sei stets betrunken gewesen.

„Es sind keine Ausnahmen, die wir aufgedeckt haben“, sagt Mülln, „ganz im Gegenteil. In der Fleischbranche führt jede Stichprobe zum Treffer.
Sieben Schlachthöfe hat die „Soko Tierschutz“ bislang infiltriert, in allen wurden massive Verstöße dokumentiert. Sechs der Betriebe wurden von den Behörden dauerhaft stillgelegt.
„Die hohe Schließquote liegt nicht am Eifer der Behörden“, sagt Friedrich Mülln, „sondern daran, dass die Missstände derart gravierend waren. Ihnen blieb keine andere Wahl.“

Hat sein Verein genug Verstöße dokumentiert, stellt er Anzeige und veröffentlicht kurz darauf die Beweise. „Ohne öffentlichen Druck machen die Veterinärämter garantiert nichts.“
Tatsächlich habe er bereits erlebt, wie von ihnen informierte Behörden die Schlachthöfe warnten und dort dann versucht wurde, Beweise zu vernichten. „Es liegt an den Strukturen, den engen Verbindungen. Auf unseren Videos sind reihenweise die Mitarbeiter der Veterinärämter zu sehen. Sie stehen dabei und lassen die Misshandlungen geschehen.“
Die Offenlegung eines solchen Alltags durch Dritte sei für die Ämter „hochgradig peinlich“.

Bei großen Betrieben muss ständig ein amtlicher Veterinär anwesend sein. Dass dieser im Zweifel wegsehe, liege auch daran, dass die eingesetzten Aufpasser keine Beamten seien. Die hoheitliche Aufgabe der Kontrollen werde an private Tierärzte ausgelagert. „Die hängen natürlich an ihrem Job, und wenn sie zu oft den Betrieb aufhalten, werden sie ausgetauscht.
In ländlichen, bevölkerungsarmen Regionen kämen zudem persönliche Beziehungen zwischen Veterinären und Schlachthofpersonal vor – und sei es nur, dass die Kinder dieselbe Kita besuchen.

Auch die Tierschutzorganisation „Animal Rights Watch“ hat Missstände in deutschen Schlachthöfen dokumentiert. Sprecherin Sandra Franz sagt, die Öffentlichkeit wisse inzwischen um den Horror in Großbetrieben. Allerdings gebe es weiterhin die Vorstellung, in kleinen, regionalen Schlachtereien seien die Standards höher. Gerade in solchen, die Biobauern als Kunden haben.

„Das ist ein Irrglauben“, sagt Franz. Vor zwei Jahren veröffentlichte „Animal Rights Watch“ heimlich aufgenommenes Videomaterial, das grobe Verstöße in einer Brandenburger Bioschlachterei zeigt. Auf seiner Homepage warb der Betrieb mit einem „hohen Maß an Verantwortung“ gegenüber den Tieren. Tatsächlich wurden Rinder systematisch mit Eisenstangen geschlagen, mit Stromstößen gequält und getreten. Andere Aufnahmen zeigen, wir Tiere durch falsch gesetzte Schnitte nur langsam ausbluten, bei Bewusstsein.
Die drei Arbeiter, die auf den Videos bei Straftaten zu sehen sind, kamen vor Gericht. Alle Verfahren wurden gegen geringe Geldstrafen eingestellt.

Die dokumentierten Misshandlungen seien erschütternd, aber nicht überraschend, sagt Sandra Franz. „Sie sind eine Folge des Drucks, unter dem die Arbeiter stehen – auch des Tempos, das sie aufrechterhalten müssen, damit der Betrieb mit den Preisen des Markts mithalten kann.“ Die Menschen ließen die Frustration und Wut über ihre eigene Ausbeutung an den Tieren aus.
„Animal Rights Watch“ fordert den Komplettausstieg aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung.

Die Erfahrung, dass kleine und Biometzgereien genauso schwer misshandeln wie andere, hat auch Friedrich Mülln gemacht. „Laut Gesetz muss hier nicht rund um die Uhr ein Veterinär anwesend sein“, sagt Mülln, „dafür ist aber eine sogenannte Lebend- und Totbeschau Pflicht.“ Sein Verein habe Fälle dokumentiert, in denen dies monatelang nicht passierte, ein Veterinär schlicht nicht auftauchte.

Friedrich Mülln sagt: „Schlachthöfe sind Planeten, die unabhängig von unseren Gesetzen und ethischen Werten existieren. Das System, wie es derzeit besteht, muss zerschlagen werden.“

Die Schritte, die Arbeitsminister Hubertus Heil vorschweben, sind deutlich verhaltener. Am Montag danach wollte er im Corona-Kabinett eigentlich Vorschläge zur Novelle des Arbeitsschutzgesetzes vorlegen.
Dazu kam es nicht, die Beratungen wurden kurzfristig auf Mittwoch verlegt.
Bekannt ist bisher: Hubertus Heil drängt auf verbindliche Kontrollquoten sowie „schmerzhafte Bußgelder“ bei Verstößen. Auch über die derzeit weitverbreiteten Werkvertragskonstruktionen will er nachdenken, das Subunternehmertum in der Fleischbranche nennt er die „Wurzel des Übels“.

Der Opposition geht das nicht weit genug. Der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff fordert etwa, Schlachthöfe zu schließen, solange keine Mindestabstände und eine Einzelunterbringung der Arbeitskräfte sichergestellt sind.
Seine Parteifreundin Renate Künast plädiert für die Einführung von Videoüberwachung, zumindest in den Bereichen des Schlachtprozesses, in denen am meisten Misshandlungen geschehen. Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es ausweichend, man verschließe sich dem Anliegen nicht, die „Einführung einer Videoüberwachung zu prüfen“.

Der Betrieb in Dissen, von dem 92 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet wurden, darf vorerst weiterarbeiten. Wie der Landkreis Osnabrück am Montag mitteilte, sind bereits „große Mengen von bereits geschlachtetem Schweinefleisch“ aus ganz Europa in Lastwagen auf dem Weg nach Dissen, diese könnten nun nicht mehr gestoppt werden. Erst nach ihrer Weiterverarbeitung soll der Betrieb für zwei Wochen schließen. Das Unternehmen habe, heißt es, umgehend ein „detailliertes Hygienekonzept“ ausgearbeitet, um die „größtmögliche Sicherheit“ der Arbeiter zu gewährleisten.

Darfs noch eine Scheibe Dreistigkeit mehr sein?

Stephan Fischer zum erneuten Corona-Ausbruch in einem Schlachthof in NRW

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138022.corona-und-die-fleischindustrie-darfs-noch-eine-scheibe-dreistigkeit-mehr-sein.html

Toennies_kMan könnte diesen Kommentar sehr kurzfassen – allerdings ist dies nicht gerade die Stärke des Kommentators. Schauen Sie sich das Bild an, das ein Schild auf dem Dach eines Tönnies-Schlachthof zeigt. Und jetzt gleichen Sie dieses Bild mit jenen ab, die Sie aus Schlachthöfen und Ställen in der »Fleischindustrie« kennen – mit dem Wissen, dass diese in vielen Fällen auch noch geschönt sind.

Der Mensch ist zu unglaublich vielen gedanklichen und emotionalen Verrenkungen fähig. Die Dissonanz zwischen beiden Bildern auszuhalten und weiter genussvoll ins fleischliche Grillgut zu beißen, scheint mir eine – ganz wertfrei formuliert– ziemlich große Überwindung von Widersprüchen zu erfordern. Natürlich macht sich nicht jeder Gedanken und natürlich, man muss es ja jedes Mal schreiben, soll nicht jeder zum Denken gezwungen werden und schon gar nicht zur Änderung seiner Essgewohnheiten. Es ist nur so: Rational scheint die Sache ziemlich klar. Auf der einen Seite stehen Argumente wie Tierleid und Tierquälerei; die Klimabilanz der massenhaften Fleischproduktion ist verheerend, Wasser und Böden werden verseucht; wie mit den Arbeitern umgegangen wird, kann jeder sehen der will; und ob man sich als Konsument neben tierischen Fasern auch noch gesund mit Antibiotika versorgen muss, die eigentlich als letzte Reserve und Verteidigungslinie gedacht sind, nun ja.

Auf der anderen Seite steht: Es schmeckt mir aber so gut.

Zu welcher Entscheidung die Abwägung am Ende führt, muss und soll jeder selbst entscheiden, es finden sich bestimmt auch diverse Hilfskonstruktionen, um das Geschmacksargument zu stärken: Die Nährstoffe! Vitamin B12! Man selbst kauft nur bio und kennt jedes Stück Fleisch beim Namen, dem ihn der Hausschlachter des Vertrauens gegeben hat. (Etwas zu essen, das vorher einen von Menschen verliehenen Namen hatte, erfordert dann eine noch stärkere Verdrängung und Verrenkung, versuchen Sie das mal Kindern zu erklären, aber vielleicht entschädigt ja das Bärchengesicht auf der Wurstscheibe). Natürlich, man kann auch den Zug an einer Zigarette rechtfertigen, weil man damit ja auch ein bisschen Sauerstoff in die Lunge zieht und Sauerstoff ist schließlich lebensnotwendig. Oder die Wohnung abfackeln, weil einem gerade kalt ist. Oder einen vergifteten Apfel essen – da ist schließlich Vitamin C drin.

Deutscher Exportschlager

Coronapandemie in der Fleischbranche

Von Simon Zeise
Brecht_Student

stud. med. Bertold Brecht

In der Fleischindustrie herrscht die ungeschönte Brutalität des Kapitalismus. Bert Brecht ließ einst »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« sagen: »Ich sehe das System, und äußerlich ist’s lang bekannt, nur nicht im Zusammenhang!« Heute spült die Coronakrise die dunklen Machenschaften der Branche an die Oberfläche. Dort werden Arbeiter zu Dumpinglöhnen aus dem Ausland angeheuert. Gegen den produzierenden Konzern können sie sich nicht organisiert zur Wehr setzen, denn der vergibt die Aufträge über Werkverträge an Subunternehmen. Rechtsbruch ist an der Tagesordnung. Den Tagelöhnern werden die Kosten für Unterkunft und Schutzausrüstung von ihrem kargen Gehalt abgezogen. Sie hausen eingepfercht auf engstem Raum wie im Gefängnis.

Dass sich die Branche zum Corona-Hotspot entwickelt, ist also kein Zufall. Das »Schweinesystem« ist ein Exportschlager: Deutschland importiert moderne Lohnsklaven aus Osteuropa und exportiert billiges Fleisch. Im Ausland kann mit den niedrigen Preisen nicht mitgehalten werden, Bauern in armen Ländern werden niederkonkurriert.

Vorneweg Branchenprimus Tönnies: 750 Coronainfizierte meldete der Konzern zuletzt. Der Umsatz des Konzerns ist im vergangenen Jahr auf mehr als sieben Milliarden Euro gestiegen. Firmenpatriarch Clemens Tönnies hat sich laut Forbes ein Vermögen in Höhe von zwei Milliarden Euro zusammenschlachten lassen. Was er von Migranten hält, hatte er im Sommer vergangenen Jahres auf dem »Tag des Handwerks« in Paderborn öffentlich kundgetan. Die Regierung solle statt Steuern gegen den Klimawandel zu erheben, besser Atomkraftwerke in Afrika finanzieren. »Dann hören die auf, die Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, wenn wir die nämlich elektrifizieren, Kinder zu produzieren.« Hinter seiner rassistischen Tirade steckte nüchternes betriebswirtschaftliches Kalkül: Laut UN-Landwirtschaftsorganisation FAO sind 14,5 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Haltung und Verarbeitung von Tieren zurückzuführen. Staatliche Schutzmaßnahmen würden Tönnies’ Gewinne schmälern.

Auch um das Coronavirus einzudämmen, müsste der Fleischgigant Geld ausgeben. Die Fließbänder im Werk laufen im Akkord, der Abstand zwischen den Arbeitern beträgt wegen der hohen Taktung oft nur einen halben Meter. Die Gewerkschaft NGG schätzt, wenn Arbeitsrecht eingehalten würde, müsste der Fleischpreis um zehn Cent pro Kilo angehoben werden.

Der Regierung sind Menschenleben und Umweltschutz wurscht. Werkverträge könnten über Nacht verboten und rigorose Kontrollen zur Einhaltung des Arbeitsschutzes durchgesetzt werden. Statt dessen gießen die verantwortlichen Politiker Öl ins Feuer. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will mit solchem Schweinskram nichts zu tun haben. Für ihn war schnell klar: Das Virus kommt aus Bulgarien oder Rumänien – der Mann will Kanzler und nicht mit einem Seuchenpfuhl assoziiert werden.

Covid-19, das System Tönnies und die Wegwerfmenschen – die NachDenkSeiten bieten Nachhilfe für alle, die sich jetzt empören

https://www.nachdenkseiten.de/?p=62164

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Jens Berger

In Europas größter Schlachtfabrik in Rheda-Wiedenbrück sind bislang 657 Corona-Fälle registriert worden. 7.000 Menschen sind in Quarantäne – der größte je gemessene punktuelle Ausbruch. Dass sich das Virus nun auch mitten im Herz des Imperiums des Billigfleisch-Moguls Clemens Tönnies ausbreitet, ist – zumindest für Leser der NachDenkSeiten – alles andere als überraschend. Die „Katastrophe“ kam vielmehr mit Ansage. Zur aktuellen Debatte verweisen wir daher gerne auf unser informatives Dossier zu diesem Thema und laden auch die Kollegen von den klassischen Medien ein, sich bei uns zu informieren. Von Jens Berger


Als Einstieg und Hintergrundrecherche zum „System Tönnies“ ist Werner Rügemers Beitrag „Wir fordern: Das System Tönnies muss gestoppt werden!“ zu empfehlen. Der Beitrag ist ein Manuskript der Rede, die Rügemer im Rahmen der Kampagne „Schwarzer Freitag, der 13.“ der „aktion gegen arbeitsunrecht“ gehalten hat. Auf den Seiten der „aktion gegen arbeitsunrecht“ finden Sie zahlreiche weitere Einträge zum Thema „Tönnies“.

Nachdem in Deutschland die ersten Covid-19-Fälle in Schlachthöfen gemeldet wurden, legte Werner Rügemer bei uns nach und beschrieb im Artikel „Hoch-Risikogruppe: Fleischarbeiter“ die prekären Arbeitsbedingungen in den deutschen Schlachthöfen und schlug dabei bereits den Bogen zum Covid-19-Risiko bei Tönnies.

Als die Debatte vor zwei Wochen noch einmal Fahrt aufnahm und die Bundesregierung vermelden ließ, sie wolle „in der Fleischindustrie aufräumen“, analysierte Werner Rügemer auf den NachDenkSeiten im Artikel „Werkverträge in der Fleischindustrie abschaffen? Das vordergründige Skandal-Management der Bundesregierung – Lügen inbegriffen.“ die Glaubwürdigkeit dieser Ankündigungen. Interessanterweise wurden Rügemers Zweifel von den aktuellen Kommentaren der klassischen Medien nicht geteilt.

Diese drei Artikel bieten eigentlich alles, was man zum Thema wissen muss. Wenn Sie Zeit und Muße haben und sich für das Thema „System Tönnies“ interessieren, ist die Lektüre sicherlich sehr ergiebig.

Die NachDenkSeiten haben jedoch auch die heuchlerische Debatte um Tönnies und die Billigfleischdebatte bereits behandelt. Im Artikel „BILD, SPIEGEL und die verlorene Ehre des Clemens Tönnies“ hatte ich (Jens Berger) die heuchlerische Debatte um die rassistischen Äußerungen von Tönnies, die im letzten Sommer Schlagzeilen machten, kritisch kommentiert. Und im Artikel „Debatte um Lebensmittelpreise – scheinheilig und zynisch“ hatte ich im Februar dieses Jahres den Debattenraum noch einmal erweitert. Auch diese beiden Artikel möchte ich Ihnen noch einmal zur Lektüre empfehlen.

Jochen

Wir fordern: Das Lohndumping-System Tönnies muss gestoppt werden!

Am Freitag wird vor der Nördlinger ALDI-Filiale eines Konzerns, der zu DSC_0046den größten Tönnies-Hehlern gehört, eine Aktion im Rahmen der KampagneSchwarzer Freitag der 13. stattfinden. Wir suchen noch aktive Teilnehmende. Hier schon einmal der Entwurf der Rede, die unser Freund Werner Rügemer, morgen vor der Tönnies-Filiale in Rheda-Wiedenbrück halten wird. 

_FREITAG13_Toennies-stoppen_Plakat-A1_druckversion_VorschauRede von Werner Rügemer zum Aktionstag, #Freitag13. September 2019[1]

Wir fordern das Ende des Systems Tönnies. Denn der Konzern im Eigentum des Rassisten und Menschenverächters Clemens Tönnies und seines Familienclans ist ein System. Es verletzt die Menschenrechte und die Demokratie.
Dieses System des europäischen Marktführers bei der Schweineschlachtung hat sich nicht nur in die Arbeitsverhältnisse eingefressen, sondern auch in die Natur, in die Lebensgrundlage Wasser, in die Tierwelt und nicht zuletzt in die politischen Verhältnisse in Deutschland und in der Europäischen Union, auch in die Kommunen, die mit Tönnies-Standorten gesegnet beziehungsweise belastet sind.

Die zentrale Tönnies-Holding mit Sitz in Dänemark hat jetzt beim Landgericht Berlin gegen unsere aktion gegen arbeitsunrecht eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Wir sollen unter anderem nicht mehr behaupten dürfen, dass Tönnies Lohnraub begeht.
Wir werden gegen diese Verfügung in Widerspruch gehen und die Gelegenheit nutzen, um die Tönnies-Praktiken weiter bekannt zu machen. Denn obwohl Tönnies der größte Schweineschlachtkonzern ist, sind seine Praktiken der Bevölkerung, den Einwohnern der Tönnies-Standorte und auch den meisten Käufern der Tönnies-Produkte so gut wie unbekannt.
Dafür sorgen auch unsere Leitmedien, die privaten wie die öffentlich-rechtlichen, die der sogenannten Meinungsfreiheit verpflichtet sind. Sie kritisieren ein bisschen, wenn der Chef Clemens Tönnies sich als Rassist äußert und Menschen in Afrika verächtlich macht, aber diese ach so freien Medien schweigen auf der nationalen Ebene zu den Arbeitsverhältnissen in den Tönnies-Betrieben und was diese sonst noch an Schweinereien in der Gesellschaft anrichten.

Sozialschädliche Arbeitsverhältnisse

Ja – der Konzern begeht Lohnraub, systematischen Lohnraub, und zwar durch die Kombination mehrerer Praktiken.
Die Mehrheit der Schlachter ist nicht bei Tönnies angestellt, sondern bei Werkvertragsfirmen. Von diesen Vermittlern gibt es bei Tönnies mindestens ein Dutzend. Sie haben öffentlich so unbekannte Namen wie PTW, DSI, Best Promo, MGM, FSD, Agriserv Europa Meat ZNL, Lazar, Flash Works, Besselmann Services, Ni.Ke, FBS, Ninbog und Christian Fleisch – schon mal gehört?
Clemens Tönnies und sein Geschäftsführer Josef Tillmann behaupten: Festanstellungen seien nicht möglich, denn die Bulgaren, Rumänen, Ungarn, Polen, Griechen undsoweiter wollen nur befristet arbeiten und ihr Leben in ihren Heimatländern nicht aufgeben.[2]
Aber: Auch für eine zeitlich befristete Anstellung von einem oder zwei Jahren kann bekanntlich ein regulärer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, viele solche Arbeitsverträge sind heute befristet.

Oder Tönnies könnte sich Leiharbeiter holen. Aber nein, selbst Leiharbeiter sind noch zu teuer und haben zu viele Rechte, denn immerhin nach 9 Monaten müssen Leiharbeiter mit den regulär Beschäftigten gleichgestellt werden. Nein, Tönnies lässt sich die Mehrheit der Beschäftigten als Werkvertragsarbeiter liefern. Sie bilden die Mehrheit in Rheda-Wiedenbrück, der größten Tönnies-Schlachterei, und im ostdeutschen Weißenfels, der zweitgrößten Schweineschlachterei, sind es etwa 70 Prozent.

Werkvertragler haben einen noch schlechteren Status als Leiharbeiter. Sie können auch keinen Betriebsrat wählen und können sich auch nicht selbst zur Wahl stellen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nicht.
Der Mindestlohn gilt zwar im Prinzip, aber nicht für diejenigen, die als Selbständige beziehungsweise als Scheinselbständige arbeiten.
Tarifliches Recht auf Kranken-, Urlaubs- und Weihnachtsgeld gilt nicht – Tönnies weigert sich, mit der zuständigen Gewerkschaft NGG überhaupt zu verhandeln.

Werkverträge als moderne Sklaverei

Hinzu kommen weitere Praktiken. Selbst der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung in Paderborn, Friedhelm Koch, sieht Tönnies als „Sklavenhalter“. In zwei Branchen bestehe diese moderne Sklaverei.
Damit wird die Armut in den von der EU verarmten Peripherie-Staaten ausgenutzt, nämlich in der Prostitution und in der Fleischzerlegung, sagt Koch.
Diese Art moderner Sklaverei zeige sich darin, dass Tönnies den Werkvertraglern „schon einmal 200 Euro für ein Bett in einer überfüllten Wohnung abzieht“. Die NGG Ostwestfalen kennt Wucherpreise bis 270 Euro im Vierbettzimmer.[3]
Der MDR berichtete über 250 Euro pro Bett in einem 7-Bett-Zimmer.[4]
Dass es sich um ein Element von Lohnraub handelt, wird auch daraus deutlich, dass osteuropäische Vorarbeiter, die zudem viel besser bezahlt werden, von Tönnies eine viel bessere Wohnmöglichkeit bekommen, und die ist außerdem kostenlos.[5]

Ein weiteres Element, auf dem der Lohnraub beruht, sind die Gebühren, die die Fleischzerleger schon in der Heimat ihren Werkvertragsfirmen bezahlen müssen. Sie müssen dieses teure Eintrittsticket kaufen, um überhaupt zu Tönnies zugelassen zu werden.[6]
Wenn sie ganz normale Arbeitnehmer wären, bräuchten sie dieses Eintrittsticket gar nicht. Also auch hier: ein Element des Lohnraubs.

Tönnies nutzt Armut und Abhängigkeit aus und führt ein Angstregime. Kaum ein Werkvertragler spricht öffentlich über das Arbeitsunrecht. Nur ganz ganz wenige haben sich einmal für ihre Rechte vor Gericht getraut. Und dann blockiert das Tönnies-System feige ein Urteil, scheut den Rechtsstaat.
Zum Beispiel haben zwei Werkvertragler auf Nachzahlung der täglichen Rüst- und Wegezeiten geklagt. Sie mussten als Angestellte der Werkvertragsfirma Besselmann Services eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn im Tönnies-Betrieb sein und sich mit der Schutzkleidung ausrüsten und dann zum Arbeitsplatz gehen. Diese Zeit wurde nicht bezahlt, obwohl das zur Arbeitszeit zählt.
Das Gericht ordnete an, dass ein Gutachter in den Betrieb geht. Doch Tönnies verweigerte ihm den Zutritt. Zum Gerichtsverfahren erschien das Werkvertragsunternehmen nicht.
Das Gericht erließ deshalb ein Versäumnisurteil, Besselmann zahlte sofort in aller Stille für die täglichen 26 Minuten nach: Damit wurde aber ein Grundsatzurteil verhindert. So berichtet der DGB Rechtsschutz.[7]

Die DGB-Beratungsstelle „Faire Mobilität“ berät Wanderarbeiter aus Osteuropa, auch viele, die an diversen Standorten von Tönnies arbeiten.
Der mit den Werkvertragsfirmen vereinbarte Mindestlohn wird vielfach unterlaufen: Überstunden werden nicht dokumentiert und nicht bezahlt, ebenso Umkleide- und Wegezeiten.
Die meisten Arbeiter nehmen ihre Rechte nicht wahr, aus Angst, den ohnehin befristeten Job zu verlieren, so berichtet der Mitarbeiter der Beratungsstelle Szabolcs Sepsi. So führt Tönnies ein Angstregime.
Was ist hier mit der ansonsten so gelobten Meinungsfreiheit? Meinungsfreiheit für Rassisten wie Tönnies – aber keine Meinungsfreiheit für hart arbeitende Menschen?
Tönnies verletzt Menschenrechte, tausendfach, dauerhaft.[8]

Wie wurde Deutschland zum Niedriglohnparadies?

Die Bundesregierungen mit den Regierungsparteien CDU, CSU, SPD und Grünen sind verantwortlich für die Niedriglohnwüste Deutschland. Und dafür, dass Unternehmer, die Gesetze verletzen, nicht bestraft werden. Deshalb haben Schlachtereien aus anderen EU-Staaten wie Dänemark und den Niederlanden Schlachtereien nach Deutschland verlegt.
So wurde der führende Niedriglohnstaat Deutschland zum führenden Schlachtzentrum Europas und Tönnies dessen Marktführer.

Auch die Europäische Union hat zu diesem Arbeitsunrecht beigetragen. Auch der Marktführer Tönnies hat möglichst lange den Werkvertragsarbeitern die üblichen Sozialabgaben vorenthalten.
Das war möglich, solange es noch Sonderregelungen für osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten gab. Da waren die Werkvertragler bei ihren Vermittlern in Bulgarien und Rumänien angestellt und da galt nicht einmal das niedrige Arbeitsrecht in Deutschland.

Die Lüge vom Fachkräftemangel

Chef Tönnies behauptete: „Wir sind auf Werkvertragsunternehmen angewiesen. Sonst würden wir nicht die Mitarbeiter in Menge und Qualifikation finden, die wir brauchen.[9]
Natürlich ist das eine Lüge. Natürlich würden die Arbeiter aus Rumänien, Bulgarien, Polen, Ungarn und Griechenland auch kommen, wenn sie regulär angestellt würden. Da würden sie sogar noch viel lieber kommen, sie würden mehr verdienen und sie würden mehr Rechte haben. So strickt Tönnies auch mit an der Lüge des Fachkräftemangels.

Klärschlamm-Wahnsinn: Nitrat ins Trinkwasser, Methangas in die Luft

Die Tönnies-Schlachterei in Rheda-Wiedenbrück leitet von den täglich etwa 30.000 geschlachteten Schweinen täglich tonnenweise Schlachtabfälle in das Abwasser-Klärwerk der Stadt Rheda-Wiedenbrück ein. Daraus entsteht Klärschlamm. Tönnies verursacht davon täglich 480 Kubikmeter. Das sind 70 Prozent des Klärschlamms der Stadt, während alle weiteren Betriebe in der Stadt und alle Einwohner zusammen nur 30 Prozent des Klärschlamms verursachen.

Bevor der schadstoffhaltige Klärschlamm täglich durch zwei Sattelzüge mit jeweils 22 Tonnen abtransportiert wird, muss er im Faulturm zwischengelagert werden. Der hat ein Fassungsvermögen von 11.500 Kubikmetern. Dabei entsteht das ozonschädliche Methangas. Hallo Umweltfreundinnen und Umweltfreunde: Methangas aus den Klärschlämmen! Schon gehört?

Der Klärschlamm wurde und wird nach „Ostdeutschland“ entsorgt, Ihr wisst schon: Dorthin wo man aus dem sauberen Westen und der sauberen Stadt Rheda-Wiedenbrück und aus der sauberen Tönnies-Schlachterei allen Schmutz wegschaffen kann. „Ausnahmeregelung zur Düngung von Zwischenfruchtflächen in Ostdeutschland“ heißt das im offiziellen deutschen Beschönigungs-Unrechts-Sprech.

Die Tönnies-RWE-Braunkohle-Connection

Ein größerer Teil des Klärschlamms wird allerdings tief in den Westen weggeschafft. Er wird nämlich in Kohlekraftwerken mitverbrannt. Und die gehören wem? Richtig, die gehören dem Umweltvergifter RWE.
Und der Klärschlamm aus Weißenfels wird im Braunkohlekraftwerk Lippendorf in der Lausitz verbrannt. Bei der Verbrennung gelangen Schadstoffe auch in die Luft.
Schadstoffe, die im Filter aufgefangen werden, werden in stillgelegte Bergwerke weggeschafft und können das Grundwasser verseuchen.
Hallo Umweltfreunde: Schon mal gehört? Tönnies gehört also, bisher ungenannt, zur Braunkohle-Verbrennungs-Umwelt-Zerstörungs-Connection.

Tönnies schlachtet immer mehr, auch wenn das schon überlastete Klärwerk von Rheda-Wiedenbrück gar nicht auf die Verarbeitung der immer mehr Schlachtabfälle eingerichtet ist. Deshalb muss die Stadt auf ihre Kosten seit 2018 einen zusätzlichen Lagerplatz bauen. Schon mal 320.000 Euro für den ersten Bauabschnitt.
Da liegt also der Klärschlamm herum. Methangas tritt aus. Die Düngemittel- und Klärschlamm-Verordnung wird verletzt. Der überschuldete Stadthaushalt wird durch Tönnies noch weiter überschuldet.

Die Abwässer aus dem Klärwerk von Rheda-Wiedenbrück werden in den Fluss Ems eingeleitet. Die Ems gehört zu den besonders mit Schadstoffen belasteten Flüssen in Deutschland.
Aber haben die sogenannten Aufsichtsbehörden aussagekräftige Messungen über multiresistente Keime in der Ems vorgenommen, hinter der Einleitungsstelle des Klärwerks Rheda-Wiedenbrück im Vergleich zur Belastung vor der Einleitungsstelle? Nein, solche Messungen gibt es nicht. Die Behörden sperren wie die drei Affen Nase und Mund und Ohren zu. Rechtsstaat mit Tönnies?

Im ausgebeuteten Ostdeutschland kann Tönnies sich noch viel mehr erlauben. Von 2006 bis 2011 hat seine Schlachterei in Weißenfels seine Abwässer in die Saale geleitet, illegal, durch einen bypass im städtischen Klärwerk. Dafür hat Tönnies, erst gezwungen nach einem langen Gerichtsverfahren, 1,5 Millionen Euro Buße gezahlt.
Methode Tönnies: Gesetze brechen, wenn keiner aufpasst. Damit Gewinne machen. Notfalls nachher ein Bußgeld aus der Portokasse.

Übrigens, wenn wir schon mal dabei sind: vernutzt auch das wertvolle Grundwasser. Tönnies zapft in Weißenfels das Grundwasser an. Zusätzlicher Vorteil: Tönnies braucht dafür nicht das Wasser aus den Stadtwerken zu bezahlen.

Deutsche Kontrollbehörden: Nichts sehen, nichts hören, nichts riechen

Wir haben den stellvertretenden Leiter des Klärwerks von Rheda-Wiedenbrück, Herrn Rainer Bollmers, angefragt: Wieviel Kubikmeter Abwasser leitete Tönnies in den Jahren 2016, 2017 und 2018 in die Kläranlage ein?
In welche der vier Schadstoff-Belastungsstufen wurde das Tönnies- Abwasser entsprechend der Abwassersatzung der Stadt eingestuft?

Welchen Verschmutzungszuschlag zahlt Tönnies entsprechend dieser Einstufung? Wurden überhaupt Messungen in der Zuleitung aus dem Schlachtbetrieb in die Kläranlage vorgenommen?
Wie hoch ist die Emission des ozonschädlichen Methangases aus dem Faulturm und vom Lagerplatz?
Wieviele Tonnen Klärschlamm wurden in den Jahren 2016, 2017 und 2018 in RWE-Kraftwerken verbrannt?

Die Verbrennung einer Tonne Klärschlamm kostet die Stadt 150 Euro – wieviel davon zahlt Tönnies?

Weder Herr Bollmers noch jemand anders aus der Stadtverwaltung hat geantwortet. Es herrscht das Gesetz des Schweigens.
Wir haben dieselben Fragen auch an Tönnies gerichtet. Tönnies hat ja zur Beantwortung von Fragen eine eigene „Kommunikations“abteilung. Chef ist Herr Dr. André Vielstädte. Er hat schon viel zur schönen Sauberkeit der Arbeitsverhältnisse und auch des Wassers bei Tönnies an die Medien kommuniziert. Aber zu unseren Fragen schweigt verbissen auch dieser ansonsten vielschwätzende Kommunikationsstratege.

Tönnies als größter Schlachtbetrieb Europas beruht auf der Schweinemast in zahlreichen Mastbetrieben. Dort wird Gülle in die Umwelt eingeleitet, in den Boden als Dünger, ebenfalls in die dortigen Kläranlagen, in die Flüsse, in das Grundwasser. Ebenfalls versenkt Tönnies Klärschlämme als Zwischennutzung in Ostdeutschland.
Aber die Komplizenschaft der Behörden auf kommunaler Ebene setzt sich beim Landkreis Gütersloh und beim Regierungspräsidenten in Herford fort. Dasselbe in Weißenfels im ostdeutschen Sachsen-Anhalt.

Bekanntlich stellt die Europäische Kommission, die gewiss sehr nachsichtig ist, besonders mit dem mächtigen Deutschland und seiner christlich-nachsichtigen Bundeskanzlerin, immer wieder fest: Die Bundesrepublik verletzt nachhaltig die Gülle-Verordnung. Das hat auch der Europäische Gerichtshof festgestellt.
Deutsches Grundwasser gehört zum schlechtesten in der EU“, erklärt die Kommission. In einigen Regionen wird der zulässige Grenzwert um das Vier- bis Sechsfache überschritten.
Vom Grundwasser gelangt das krebserregende Nitrat ins Trinkwasser. Die Bundesregierungen erlauben die dauerhafte Verletzung des Gesetzes, gefährden die Bevölkerung, insbesondere Kleinkinder und Schwangere.

Zur Belohnung gibt es EU-Subventionen

Dabei hat die Europäische Union zum Aufstieg von Tönnies selbst beigetragen: acht Schlachtereien in Deutschland, weitere Standorte inzwischen in Dänemark, Polen, Frankreich und Großbritannien, Exporte in 80 Staaten. Das hat die EU nicht nur durch die Förderung der Niedriglöhne in den armen Mitgliedsstaaten und durch die Freizügigkeit für Werkvertragsfirmen bewirkt.
Die EU hat Tönnies auch mit Agrarsubventionen beschenkt. So erhielt Tönnies im Jahre 2008 2,67 Millionen Euro aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft.[10]

Kartellamt durch Bauerntrick getäuscht

2014 verhängte das Bundeskartellamt gegen 21 Wursthersteller wegen Preisabsprachen Bußgelder von insgesamt 338 Millionen Euro. Der Löwenanteil von 128 Millionen Euro entfiel auf Haupttäter Tönnies.
Doch Tönnies trickste und löste die betroffenen Tochterfirmen Böklunder Plumrose und Könecke schnell auf. Das Kartellamt resignierte. Tönnies brauchte nicht zu zahlen.[11]

Das System Tönnies schadet den Beschäftigten und ihren Menschenrechten, dem Wasser, den Böden, den Tieren, den Bürgern in den betroffenen Kommunen, dem Rechtsstaat, der Demokratie.

Was tun?

Wir fordern deshalb: Das System Tönnies endlich stoppen! Reguläre Arbeitsverträge und Meinungsfreiheit für die Werkvertragsarbeiter! Menschenwürdige Unterbringung!
Glasklare Messungen der Abwässer aus den Tönnies-Schlachtereien! Keine Verbrennung der Klärschlämme in den RWE-Kohlekraftwerken!
Einwohner von Rheda-Wiedenbrück, Weißenfels, Kempten und so weiter: Klopft Euren Stadtverwaltungen auf die Finger!

Und was können wir noch tun? Kaufen wir Tönnies nichts mehr ab! Seine Marken Böklunder – für Schweine und Rindfleisch – und Gutfried – für Geflügel – liefert er an alle Supermärkte, für ALDI die Hausmarken Tillmann’s, Sölde, Rolffes, Landbeck.

Hallo Fans von Schalke 04 und VfB Stuttgart: Sorgt dafür, dass Tönnies Böklunder Dumping-Wurst aus euren Fußballstadien verschwindet! Dann macht Fußball erst richtig Spaß!

[«1] Werner Rügemer ist der Vorsitzende des Vereins aktion ./. arbeitsunrecht – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb. Er hält die Rede am 13. September 2019 in Rheda-Wiedenbrück. Die Rede mag vervielfältigt und bei Aktionen genutzt und – auch auszugsweise – verlesen werden.

[«2] Kreis Gütersloh, Der Landrat: Protokoll des Erörterungstermins am 12.7.2017, S. 10

[«3] CDU-Mittelstandspolitiker: Tönnies macht Profit mit „Sklaverei“, WDR-Lokalzeit 16.8.2019; nw.de/nachrichten/wirtschaft/22536149_CDU-Mittelstandspolitiker-Toennies-macht-Profite-mit-Sklaverei.html

[«4] Viel Arbeit, wenig Lohn, mdr/Heute im Osten 27.11.2017

[«5] Was Tönnies’ Angestellte zu ihren Arbeitsbedingungen sagen, Der Westen 30.8.2013

[«6] Siehe Fußnote 2

[«7] Kein Grundsatzurteil über Umkleide- und Wegezeiten, 28.6.2017, dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitszeit/kein-grundsatzurteil-ueber-umkleide-und-wegezeiten/

[«8] Siehe Fußnote 3

[«9] Siehe Fußnote 3

[«10] Hintergrund, 27.8.2013

[«11] Wurstkartell: Kartellamt gibt auf, Tönnies ist aus dem Schneider, juve.de/nachrichten/verfahren 19.10.2016

Meine Anmerkung: Das System ALDI Schämt sich auch nicht, großflächig Agrarsubventionen abzukassieren, siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2019/09/11/aldi-landgrabbing-in-deutschland-den-ausverkauf-stoppen/

Totengräber des DGB – Bündnis konservativer Gewerkschaften – mit einem Kommentar von Elmar Wigand

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Fracking, Kohleverstromung, TTIP, Anbiedern, Gabriels Schoßhündchen spielen – Wer hier mitgliederfreundliche Politik erwartet hat, sieht alt aus:
http://www.jungewelt.de/2015/04-17/013.php

Es hat sich angedeutet. Doch dass es die Chefs der Industriegewerkschaften IG Metall, IG BCE und IG BAU gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auf eine offene Spaltung des DGB ankommen lassen würden, ist doch überraschend.
Vordergründig handelt es sich bei dem am Mittwoch gegenüber handverlesenen Medienvertretern präsentierten Papier um eine Kooperationsvereinbarung, die Abgrenzungsprobleme der beteiligten Organisationen vermeiden helfen soll.
Tatsächlich aber ist es eine Kampfansage an die Gewerkschaften im Dienstleistungsbereich, allen voran ver.di.
Noch mehr: Die Zukunft des DGB als handlungsfähiger Gewerkschaftsverbund steht auf dem Spiel.

»Diese Kooperation ist gegen niemanden gerichtet, sondern nur für uns«, zitiert die Süddeutsche Zeitung vom Donnerstag den Vorsitzenden der Chemiegewerkschaft (IG BCE), Michael Vassiliadis.
Doch diese Aussage darf bezweifelt werden. Wenn sich vier Einzelgewerkschaften zusammentun – und die anderen vier DGB-Organisationen bewusst außen vor lassen – ist das eine klare Botschaft. Sie richtet sich vor allem gegen ver.di. Die 1.000-Berufe-Gewerkschaft steht naturgemäß im Zentrum der Abgrenzungsprobleme. Mit der IG BAU hat sie sich in der Vergangenheit heftig um die Vertretung der Reinigungskräfte in Krankenhäusern gestritten. Während dieser Konflikt weitgehend beigelegt ist, eskaliert die Auseinandersetzung mit der IG Metall zusehends.

Deren Vorsitzender Detlef Wetzel erklärte schon vor seiner Wahl Ende 2013 kategorisch: »Alles, was zur Wertschöpfungskette eines Endprodukts gehört, muss in unserem politischen Fokus sein.« Soll heißen: Die gesamte Lieferkette, sämtliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Autos, Maschinen etc. werden von der IG Metall erfasst.
Sicherlich macht es Sinn, zum Beispiel bei der Ausgliederung von Unternehmensteilen dafür Sorge zu tragen, dass die direkt Betroffenen in ihrer angestammten Gewerkschaft bleiben können, die ihnen Unterstützung im alten Stammbetrieb verschafft.
Doch zu klären sind derlei Fragen nur in solidarisch geführten Verhandlungen.

Offensichtlich ist: Es geht vor allem um das Anliegen der Apparate, die Mitgliedszahlen und damit ihre Finanzkraft zu stabilisieren. Mit dem Interesse der abhängig Beschäftigten als Klasse hat das nichts zu tun.
Doch der Konflikt hat auch einen politischen Kern. Die beteiligten Organisationen sind allesamt streng sozialdemokratisch ausgerichtet. Regierungskritische und gesellschaftspolitische Kampagnen lehnen sie anders als ver.di, GEW und NGG kategorisch ab.
Auch beim Gesetz zur »Tarifeinheit« wird die politische Spaltung deutlich. Empörend ist, dass sich DGB-Chef Reiner Hoffmann öffentlich auf die Seite einer Fraktion stellt. Er könnte damit zum Totengräber des Gewerkschaftsbundes werden, dem er selbst vorsitzt.

Dazu noch auszugsweise ein Kommentar von Elmar Wigand im ND:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/969093.fragwuerdiges-buendnis-der-dgb-bolschewiki.html

Besondere Aufmerksamkeit ist generell immer dann gefragt, wenn Dinge hervorgehoben werden, die eigentlich für alle Beteiligten klar sein sollten.

Am 15. April luden vier Gewerkschaftsbosse in Berlin zu einem Pressegespräch. Die Spitzen der DGB-Gewerkschaften IG Metall, IG BCE, EVG und IG BAU gaben eine erweiterte Kooperation bekannt (»nd« berichtete). Dieser nach gesundem Menschenverstand eigentlich selbstverständliche Vorgang – dass Gewerkschafter, die zudem noch im selben Dachverband sind, eng kooperieren wollen – lässt Raum für Interpretationen und gibt Auskunft über die Verfassung der DGB-Gewerkschaften in Zeiten der Großen Koalition.
Dreh- und Angelpunkt dieser DGB-internen Viererbande ist bei näherer Betrachtung ihr Verhältnis zu zentralen Politik-Projekten der SPD in dieser Legislaturperiode.

Das erstaunliche Binnenbündnis innerhalb des DGB bahnte sich bereits durch ähnliche PR-Termine an. Am 16. November 2014 traten die Vier als »Allianz für Vernunft in der Energiepolitik« vor die Presse und leisteten Lobbyarbeit für Fracking in Deutschland. Das wegen möglicher Umweltgefahren höchst umstrittene Verfahren »dürfe nicht von vornherein ausgeschlossen werden«, sagte IG BCE-Chef Vassiliadis damals. Er war mit dem Vorstandsvorsitzenden von ExxonMobil Deutschland, Gernot Kalkoffen, in die USA gereist, »um sich über die US-Energiepolitik und die Erfahrungen mit Fracking zu informieren«. Offensichtlich konnte er überzeugende Erkenntnisse gewinnen, an denen er andere Gewerkschaftsgranden teilhaben ließ.
Auch IG-Metall-Chef Detlef Wetzel forderte also im Sinne von ExxonMobil: »Wir brauchen eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung. Sie bildet die Basis für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.«

Im Januar 2015 wiederholte sich das Spiel. Es ging um eine Beschränkung des Streikrechts in der Daseinsvorsorge – bekannt als Gesetzesinitiative zur »Tarifeinheit«. In einer Presseerklärung der IG BCE hieß es: »Der DGB und die Mehrheit seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützen den Gesetzentwurf der Bundesregierung.« Unterschlagen wurde, dass diese Mehrheit keineswegs überwältigend war, da ver.di (ca. 2 Mio. Mitglieder), NGG und GEW die geplanten Angriffe auf das Streikrecht grundsätzlich ablehnten.
Beim transatlantischen  Investitionsschutz-Abkommen TTIP zeigt sich die neu geschmiedete Allianz der DGB-Viererbande dagegen brüchig.
So wagte es die IG BAU, sich gegen das TTIP zu positionieren. Sie steht damit auf der ablehnenden Seite von ver.di und der NGG.

Die Entscheidungsfindung innerhalb der neuen DGB-Fraktion verlief keineswegs demokratisch, sondern genügte bestenfalls den Prinzipien des »demokratischen Zentralismus«. Die einfachen Gewerkschaftssekretäre waren von den Vorstößen ihrer Führungsebenen überrascht, von einer demokratischen Meinungsbildung keine Spur.
Dissidenten müssen mit dem Gang der Dinge leben und können nur die Faust in der Tasche ballen. Möglicherweise sind sie sogar in der Mehrheit.

Bezeichnend war auch die elitäre Art der Präsentation. Exklusiv geladen waren nur vier Pressevertreter: Alfons Frese (Tagesspiegel), Stefan Sauer (DuMont Schauberg), Detlef Esslinger (SZ) und Stefan Kreutzberger (FAZ). Hierbei scheint es sich um verdiente Alpha-Journalisten zu handeln, denen die DGB-Mehrheitsfraktion vertraut, welche intern von der IG Metall angeführt wird.
Auch hier bleiben Fragen: Warum wurden selbst bewährte, staatstragende Medien wie »Spiegel«, »Zeit« und »stern« nicht bedacht? Von systemkritischen Geistern oder exotischen Wesen wie Bloggern ganz zu schweigen…

Als Gesamteindruck bleibt: Das Auftreten der besagten DGB-Gewerkschaften ist in sich verworren und widersprüchlich.
Darin spiegelt sich vor allem eine tiefe Ratlosigkeit: Wie soll sich die Gewerkschaftsbewegung aus ihrer babylonischen Gefangenschaft in der Sozialdemokratie und aus ihrer Nähe zu Großkonzernen und deren Projekten befreien?
Oder ist es nicht angenehmer, weiterhin die wärmende Nähe der Macht zu spüren, anstatt den mühseligen Weg der Konfrontation, Abgrenzung und Neuformierung zu gehen? Zumal dieser gegen eine beängstigende Medienmacht erfolgen müsste.

Für alle, die auf eine Erneuerung der Gewerkschaftsbewegung als gesellschaftliche Gegenmacht setzen, ist das neue Bündnis der regierungskonformen DGB-Bolschewiki äußerst ernüchternd. Und genau in diesem Sinne sollte die Botschaft vermutlich auch wirken: Haltet die Klappe und setzt euch!
Dass der gesamte Laden bald auseinanderbricht, ist dabei eher unwahrscheinlich. Dass er nach der Lateinlehrer-Methode dauerhaft zusammengezwungen werden kann, ebenfalls.

Elmar Wigand forscht zum »union busting« – der Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften. Er ist ist Gründungsmitglied der aktion./ .arbeitsunrecht.

Jochen

Gewerkschaftsfeind Hoeneß ablösen, den Anstand retten!

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

HoWe1Liebe Freunde, Kollegen, Genossen,
obwohl „Anstand“ eine hoffnungslos bourgeoise Kategorie ist und Herr H. sich genau so verhält, wie man sich so einen Kapitalisten vorstellt, inklusive der Krokodilstränen, habe ich auf openPetition eine Petition unterschrieben, die auch Euch interessieren könnte. Unterzeichnet bitte auch:

https://www.openpetition.de/petition/online/hoeness-abloesen-den-anstand-retten

Ich habe unterschrieben, weil:
Laut NGG würde den Beschäftigten von HoWe Wurstwaren KG, Lieferant der Discounter Aldi, Plus und Netto, lediglich ein Hungerlohn gezahlt, würden verstärkt eingesetzt und ein Betriebsrat für die Beschäftigten existiere nicht.
Als Hoeneß von den Protesten der Gewerkschaft hörte, zeigte er sich verärgert: „Wir leben in keinem Gewerkschaftsstaat, wo mir die NGG Vorschriften machen kann“, zitiert ihn die Nürnberger Abendzeitung.
Ohnehin helfe er nur beim Verkauf, das operative Geschäft habe er längst an seinen Sohn Florian abgegeben.
Dieser wehrte sich prompt. Die Gewerkschafter würden nur gegen das Unternehmen schießen, „weil wir den Namen Hoeneß tragen.“

Während die NGG dem Unternehmen vorwirft, die 290 Beschäftigten mit einem Niedriglohn von 1.380 Euro brutto abzuspeisen, wolle Florian Hoeneß keine Zahlen nennen. Mit einem Lohn dieser Größenordnung habe er aber für „Ungelernte mit Sprachschwierigkeiten überhaupt kein Problem.“ Das sei branchenüblich.

Vielmehr trage der Verbraucher die Verantwortung, der immer alles möglichst billig kaufen wolle. Zudem könne der Staat ja entsprechende Mindestlöhne einführen. Auch den Vorwurf der übermäßigen Beschäftigung von Leiharbeitskräften wollte Hoeneß junior gegenüber der Nürnberger Abendzeitung nicht gelten lassen. Es seien nur 80 Personen, die zu den gleichen Konditionen wie die Festangestellten beschäftigt würden, so der Wurstfabrikant. Zudem hätten alle Beschäftigten eine sechsköpfige Interessenvertretung gewählt.
„Nürnberger Rostbratwürste sind besser geschützt als die Beschäftigten in den Herstellungsbetrieben“, kommentierte Regina Schleser, Vorsitzende des Landesbezirks Bayern der NGG, die Argumentation.
Und hier der Text der Petition:

FC_BayernMuenchenHiermit fordere ich Sie als Mitglied des Aufsichtsrates des FC Bayern München auf, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Präsidenten des FC Bayern, Herrn Hoeneß, sofort abzulösen.

Begründung:

Herr Hoeneß hat zugegeben, 18,5 Millionen Steuern hinterzogen zu haben. Das ist sowohl aus der Sicht der Fans des FC Bayern wie auch aus der Sicht fast aller deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger eine unvorstellbar hohe Summe, um die er das Gemeinwesen betrogen hat . Hoeneß ist zum Sinnbild von Maßlosigkeit und Unanständigkeit geworden.

– Wenn Sie diesen Präsidenten im Amt lassen, dann fördern Sie die Verwilderung der Sitten in Deutschland, dann machen Sie den schlampigen und kriminellen Umgang mit dem Staat und mit unseren öffentlichen Einrichtungen hoffähig.

– Wenn Sie nicht sofort handeln und den Aufsichtsratsvorsitzenden und Präsidenten entlassen, dann fällt auch ein böser Schatten auf die großen Unternehmen, deren Repräsentanten mehrere von Ihnen sind. Sie entwerten damit zugleich das Bemühen deutscher Unternehmen um eine von Anstand und Solidarität bemühte Unternehmensführung, den so genannten Corporate Governance Kodex.

Das alles gilt unabhängig davon, ob Herr Hoeneß mit einer Haft bestraft wird oder nicht.
Wenn Sie aus falscher Solidarität mit dem Steuerbetrüger Hoeneß nichts tun, dann fällt dieses Verhalten als Kumpanei auf Sie und Ihre Unternehmen zurück.

Weiter Infos auf den NachDenkSeiten: www.nachdenkseiten.de/?p=21051

Im Namen aller Unterzeichner/innen.

Pleisweiler, 11.03.2014 (aktiv bis 10.05.2014)
v.

Debatte zur Petition

PRO: Die Causa Hoeneß beschäftigt die Republik. Zu Recht. Wird hier doch exemplarisch deutlich, in welch einer verluderten Gesellschaft wir leben. Ein Mann schickt sich an, die Entscheidung darüber zu fällen, was mit dem Geld zu geschehen hat, dass er sich …

PRO: Bei Bankräubern, prügelnden Ehemännern, Geldfälschern, Kinderschändern, Alkoholfahrern erlauben wir uns schnell eine Meinung aufgrund unserer Kultur und der Erfordernisse für ein geregeltes Zusammenleben. Wir würden ihnen wichtige Funktionen natürlich …

CONTRA: Diese Petition ist gar nicht umsetzbar. Der Aufsichtsrat kann Uli gar nicht als Präsident des FC Bayern München e.v. ablösen. Das können nur die Vereinsmitglieder. Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand der ausgegliederten FC Bayern München AG und dort …

CONTRA: Wenn Sie diese Petition unterzeichnen, „dann fällt dieses Verhalten als Kumpanei zwischen Ihnen und den von Ihnen der Moral „bezichtigten“ Unternehmen zurück.“ Die Klasse der Unterprivilegierten mach sich Sorgen um das Ansehen der Herrschenden: Sehr lustig.

Jochen