AUTOBAHNBRÜCKENSPERRUNG – Großes Chaos in einem kleinen Land oder der Betrug an allen Generationen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ja, liebe Mitmenschen, so sind die Zusammenhänge verstehbar, wenn man die Hintergründe kennt. Fechinger_TalbrueckeDanke, Herr Professor !

Hier zu lesen:
http://www.flassbeck-economics.de/grosses-chaos-in-einem-kleinen-land-oder-der-betrug-an-allen-generationen/
Auszüge:

Im Saarland ist in der vergangenen Woche über Nacht eine Autobahnbrücke gesperrt worden, die täglich von rund 40 000 Autos benutzt wurde.
Die Brücke sei akut einsturzgefährdet, hörte man als Begründung von der Verkehrsministerin. Daraufhin brach, obwohl noch Ferienzeit ist, auf kleinen Umleitungsstrecken ein veritables Verkehrschaos aus, das wohl noch Monate anhalten wird, weil es bis zu einem Jahr dauern kann, die Brücke notdürftig zu flicken (hier ein Bericht dazu).

Was daran erstaunt, ist die Tatsache, dass kaum jemand kritische Fragen stellt. Man nimmt das wie ein Naturereignis hin und fordert die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und geduldig auf das Ende der Bauarbeiten zu warten.
Niemand fragt, wieso in einem hochentwickelten Industrieland eine Brücke so akut einsturzgefährdet sein kann, dass sie von einer Stunde zur nächsten total gesperrt werden muss.
Kaum jemand fragt, wieso überhaupt die deutsche Infrastruktur in einem so maroden Zustand ist, dass so etwas (wie schon vor einiger Zeit bei der Schiersteiner Brücke in Wiesbaden) anscheinend zur Regel wird.
Es hat auch niemand den sofortigen Rücktritt der saarländischen Verkehrsministerin gefordert und schon gar niemand ist auf die Idee gekommen, dass das mit der absurden Politik des Bundesfinanzministers zu tun hat und dass der eigentlich zurücktreten müsste.

All diese Fragen werden nicht gestellt – und die von den Umleitungen betroffene Bevölkerung denkt nicht einmal im Traum daran, aus Protest gegen den Lärm und Dreck auf die Straße zu gehen. Wir kennen ja die Antwort auf all die Fragen genau und wissen, wie es zu dem „Naturereignis“ Brückensperrung kam:
Es ist einfach kein Geld da! Das Saarland ist arm, das weiß nun wirklich jeder, und der Bund muss sparen, weil wir sonst die zukünftigen Generationen mit unseren Schulden belasten.

Mit dieser Begründung kann man in Deutschland die Bevölkerung bei jedem Problem sofort stillstellen.
Man muss nur laut „Geld, Schulden und Generationengerechtigkeit“ rufen, sofort fällt die gesamte Bevölkerung in Duldungsstarre und lässt auch die schlimmsten Qualen wie in Trance über sich ergehen.

Es ist wirklich beeindruckend, wie man seit Jahrhunderten immer wieder 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung mit einer extrem primitiven Hausväterideologie von jedem Nachdenken abhalten kann. Und noch beeindruckender ist, dass es eine sogenannte Wissenschaft von der Wirtschaft gibt, die nichts anderes im Sinn hat, als mit allen Mitteln, die man sich nur vorstellen kann, dieses Täuschungsmanöver zu unterstützen.
Dass das selbst jetzt gelingt, in den Zeiten von Nullzinsen und wirklich ungewöhnlicher Maßnahmen der Zentralbanken, kann man allerdings mit „Täuschungsmanöver“ nicht mehr angemessen umschreiben. In Wirklichkeit ist es jetzt ein Betrugsmanöver, ein kollektiver Betrug der unwissenden Massen durch eine Phalanx von Medien, Wissenschaft und Politik. *)

Man muss ja nur eine ganz simple Rechnung aufmachen, um zu sehen, wie alle Generationen der Gesellschaft betrogen werden. Nehmen wir an, man hätte die Brücke im Saarland und alle anderen Brücken, die gefährlich sind, mit staatlichem Geld in einem großen Infrastrukturprogramm genau dann zu sanieren begonnen, als die de facto Nullzinspolitik (also zuerst Realzins Null und jetzt sogar Nominalzins Null) absehbar war, also 2011 spätestens.
Nehmen wir weiter an, der Staat hätte dazu 50 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen und bis heute vollständig ausgegeben.
Jenseits aller unmittelbaren Vorteile, die für die Volkswirtschaft dabei in Form von höheren Einkommen und mehr Jobs, größerer Verkehrssicherheit, geringerer ökologischer Belastungen durch Staus, weniger Stress usw. angefallen wären, hätte auch der Staat durch höhere Steuereinnahmen unmittelbar Vorteile gehabt. Dagegen wären seine Zinszahlungen durchweg nahe Null.

Nehmen wir weiter an, die Anleihen des Staates hätten eine Laufzeit von fünf Jahren gehabt. Also lässt der Staat sie auslaufen und nimmt sofort wieder in gleicher Höhe Anleihen mit der gleichen Laufzeit auf – nun sogar zu einem negativen Nominalzins. Dazu nimmt er wiederum 50 Milliarden über fünf Jahre auf.
Die Anleihesumme des Staates über die gesamten zehn Jahre gerechnet, ist damit auf 100 Mrd. gestiegen, da er die erste Anleihe nicht zurückgezahlt, sondern nur durch eine neue ersetzt hat. Die meisten derjenigen, die schon die erste Anleihe des Staates gezeichnet haben, werden auch die nächsten beiden zeichnen, weil es (für Versicherungen zum Beispiel) am Kapitalmarkt kaum Alternativen zu den staatlichen Anleihen in puncto Sicherheit gibt.

Nun kommt, das ist neu, noch der Effekt hinzu, dass die EZB den wichtigsten Haltern der Staatsanleihen, den Banken, einen erheblichen Teil der Staatsanleihen mit ihrem Programm zur Stimulierung der Konjunktur und der Inflation sofort wieder abkauft. In der Tat will sie in den nächsten Monaten in Höhe von 80 Milliarden Euro pro Monat solche Papiere kaufen, was nichts anderes heißt, als dass die EZB Geld (aus dem Nichts) schafft, um die Wirtschaft anzuregen.

Mit der neuen Anleihe hat der deutsche Staat nun wieder 50 Milliarden zur Verfügung, die er in andere Projekte (wie Bildungsarbeit oder ökologische Vorsorge) stecken kann. Diese Projekte werden quasi von der EZB dem Staat zu einem erheblichen Teil dadurch ermöglicht, dass sie ihm – auf dem Weg durch die Banken – frisches Geld gibt, das er für vernünftige Dinge ausgeben soll.
Die direkten „Kosten“ für den Staat auch aus seiner neuen Anleihe sind Null oder sogar leicht positiv, während die Erträge für die Gesellschaft klar positiv sind und auch die Erträge des Staates in Form von Steuern und geringeren Ausgaben für Arbeitslose und Sozialleistungen eindeutig positiv sind.

Man kann nun an die Zahl, über die wir reden, noch eine Null hängen, also 500 Milliarden für fünf Jahre anvisieren und am Ergebnis ändert sich nichts, außer, dass die positiven Effekte für alle größer werden. Jedenfalls gilt das immer, so lange es unterausgelastete Kapazitäten und Deflation gibt.
Das Einzige, was man negativ verbuchen kann, ist womöglich (aber selbst das ist nicht sicher wegen der oben erwähnten positiven Effekte auf die staatlichen Einnahmen und die Ausgaben und auf das gesamtwirtschaftliche Einkommenswachstum), dass in der Statistik, die üblicherweise für die Staatsschulden in Relation zur Größe der Volkswirtschaft aufgestellt wird, sich die Zahlen leicht verändern. Es könnte sein, dass nun bei dem Verhältnis Staatsschulden insgesamt zu Bruttoinlandsprodukt (also beim Vergleich der Bestandsgröße „die Schulden aller Zeiten“ mit der Stromgröße „gesamtwirtschaftliches Einkommen eines Jahres“) die Zahl von 70 Prozent auf 72 Prozent steigt. Welche Katastrophe?

Diese Statistik selbst ist aber von vorneherein unsinnig, weil man Schulden mit Vermögen vergleichen muss und nicht mit dem laufenden Einkommen.
Das Vermögen des Staates ist aber bei der Sanierung oder dem Neubau der Brücken mit Sicherheit gestiegen, so dass sich hier, also bei dem einzigen wirtschaftlich sinnvollen Vergleich, im – vollkommen unwahrscheinlichen – schlechtesten Fall nichts verändert hat, also Vermögen und Schulden im gleichen Maße gestiegen sind. Auch mehr Bildung und mehr ökologische Vorsorge erhöhen das gesellschaftliche Vermögen.
Im Normalfall wird sich das Verhältnis von Vermögen und Schulden durch die staatliche Aktivität klar verbessern, weil die gesamtwirtschaftlich positiven Effekte der staatlichen Investitionen auf jeden Fall das Vermögen der Gesellschaft insgesamt stärker erhöht haben als die Schulden.

So ist tatsächlich aus Nichts etwas Sinnvolles entstanden. Niemand hat verzichten müssen, um die Brücken zu sanieren, sondern insgesamt haben alle gewonnen. Nun muss sich die Gesellschaft nur noch eine Frage stellen: Wollen wir bewusst auf solche ketzerischen Gedanken verzichten, weil wir den Untergang des Abendlandes fürchten, wenn mehr Menschen verstehen, wie Volkswirtschaft wirklich funktioniert, und wollen wir folglich versuchen, die Menschen für die nächsten 500 Jahre weiterhin für dumm zu verkaufen?

Machen wir uns nichts vor, viele verstehen diese einfachen Zusammenhänge wirklich nicht, andere wollen sie nicht verstehen. Es gibt aber auch die Klasse derjenigen, die es verstehen, denen es aber unheimlich und äußerst gefährlich vorkommt, wenn man den Menschen sagt, aus Nichts könne etwas Positives und Produktives entstehen. Wer dem Volk nicht Blut, Schweiß und Tränen predigt, sondern dem Staat und dessen Macht über das Geld vertraut, ist in ihren Augen ein Verführer des Volkes, ein Luftikus, ein verantwortungsloser Geselle.
Diese Klasse von Staatskritikern hat nichts anderes im Sinn, als eine relativ einfach zu beantwortende volkswirtschaftliche Frage zu einer ideologischen Auseinandersetzung hochzustilisieren, bei der es scheinbar um Wohl und Wehe der Menschheit und ihrer moralischen Grundregeln geht. Sie bekämpfen die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen nicht, weil sie diese an sich für falsch halten oder nicht verstehen, nein, sie bekämpfen sie, weil sie die Richtung für gefährlich halten, die Vorstellung nämlich, der Staat könne zu mächtig werden, in ihre Privilegien eingreifen und generell etwas tun, was den Privaten verwehrt ist.
Das ist die Art der Auseinandersetzung, die, jenseits der rein wissenschaftlichen Fragen, von denen, die einsichtig sind, viel offensiver geführt werden muss.

*: Siehe dazu https://josopon.wordpress.com/2019/10/23/lakaien-des-kapitals-journalisten-und-politiker-weltanschaulich-eng-miteinander-verbunden/

Jochen

Ein extremes Jahr, meint H.Flassbeck

http://www.flassbeck-economics.de/ein-extremes-jahr/flasbeck2013kAuszüge:
Vieles ist passiert und wir hoffen, dass es bald wieder einmal Normalität im besten Sinne geben wird. Wir haben sehr viele neue Freunde in diesem Jahr gewonnen. Wir sind aber auch nicht davor zurückgeschreckt, die Dinge auf den Punkt zu bringen und damit Widerspruch zu provozieren. Aufklärung ist mehr denn je gefordert. Die Widersprüche in unserer Welt werden von Tag zu Tag größer und viele Menschen finden sich nicht mehr zurecht.

So beschließen die Regierungen aller Nationen in Paris, durch Einsparung von fossilen Rohstoffen den Klimawandel zu verhindern, gleichzeitig sinkt weltweit der Ölpreis, real gerechnet, auf einen Wert wie zu Beginn der siebziger Jahre und die reichen Nationen verbrauchen Öl auf Teufel komm raus.

Das gleiche Deutschland, dass monatelang Russland des Bruchs des Völkerrechts beschuldigt hat, beteiligt sich an einer eindeutig völkerrechtswidrigen Intervention in Syrien und fast alle schweigen.

Man fordert in unglaublicher Penetranz Obergrenzen für die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland, sagt aber nicht, wer die übrig gebliebenen Flüchtlinge aufnehmen soll.

Die Finanzminister der Eurogruppe fordern die Staaten auf, um jeden Preis zu sparen, und die europäische Zentralbank versucht mit Nullzinsen verzweifelt, das Verschulden anzuregen.

In den Krisenstaaten Europas wählen die Bürger die gescheiterten Konzepte des ökonomischen Mainstream ab, aber die Mächtigen in Europa setzen sie gegen den Willen des Volkes dennoch durch. In England wählt eine Partei einen Vorsitzenden, der anders denkt, und er wird von der Presse gnadenlos verfolgt, weil er nicht die „richtigen“ Konzepte hat.

Das alles sind Zeichen für eine schwere Krise jenseits der vielen aktuellen Krisen. Es ist eine Krise des geistigen, des intellektuellen Zusammenlebens. Intellektuelle Auseinandersetzung, das Infrage stellen dessen, was oft allzu leichtfertig geglaubt wird, ist der Kern jedes vernünftigen Miteinanders. Es ist zuallererst der Staat, der die Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass es eine offene und faire Auseinandersetzung um den besten Weg in die Zukunft gibt. Versagt er, weil er selbst Vertreter von Einzelinteressen wird, fällt die Gesellschaft denen anheim, die mächtig genug sind, ihre Positionen ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen. Deutschland ist leider ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die offene intellektuelle Auseinandersetzung auszuhebeln und durch einfache Glaubenssätze zu ersetzen. In solchen Gesellschaften wird nicht nur Demokratie zu einem hohlen Begriff, solche Gesellschaften können auch einfach ihre Probleme nicht mehr lösen.

Aus der intellektuellen Verarmung entsteht eine gefährliche Sekundäruntugend. Weil wir nicht mehr in der Lage sind, uns intellektuell und fair auseinanderzusetzen, sorgen die sich auftürmenden politischen und wirtschaftlichen Probleme bei manchen Mitbürgern für enorme Verunsicherung und provozieren ein noch schlimmeres Phänomen: Die um sich greifende Diskriminierung bestimmter Menschengruppen. „Ausländer“ oder „Flüchtling“, „Grieche“ oder „Linker“ werden scheinbar zu einer Beschreibung von Menschen und man glaubt, man könne die eigene Haut damit retten, dass man andere in eine emotional negativ beladene Kategorie verschiebt, die ihnen automatisch die Schuld für das kollektive Versagen gibt.

Wehret den Anfängen! Europa und Deutschland brauchen eine neue Kultur der intellektuellen Auseinandersetzung, um eine neue Kultur der Zwischenmenschlichkeit zu schaffen. Wir brauchen eine wahre Willkommenskultur.

Und der Kernsatz dieser Willkommenskultur muss lauten: Ganz gleich, ob Sie Mann oder Frau sind, ganz gleich, ob Sie an einen Gott glauben oder nicht, ganz gleich, an welchen Gott Sie glauben, woher Sie kommen, welche Hautfarbe Sie haben, welche Sprache Sie sprechen, wie Sie ihr Privatleben gestalten, wo Sie leben wollen und welche politischen Überzeugungen Sie haben: Wir werden Sie akzeptieren so wie Sie sind, wenn Sie den universellen Grundsatz beherzigen, den Immanuel Kant den kategorischen Imperativ genannt hat.

Wenn Sie bereit sind zu akzeptieren, dass alle Menschen, die mit anderen zusammenleben wollen, sich so verhalten, dass ihre eigenen Verhaltensnormen zu einer allgemeinen Norm des menschlichen Zusammenlebens gemacht werden können, sind Sie bei uns herzlich willkommen, wenn Sie in ihrer Heimat nicht mehr leben können.

In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Lesern schöne Ferien- und Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Heiner Flassbeck und das gesamte Team von flassbeck-economics

Jochen und das Soziale Forum Nordschwaben