Ein Lehrstück zu „unseren westlichen Werten“ – Das Imperium schlägt zurück: Bolivien destabilisieren und die Kontrolle übernehmen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das hier beschriebene Vorgehen ist charakteristisch und typisch.
Man kann sich also vorstellen, was hier passieren würde, wenn es – was zur Zeit undenkbar wäre – auch in unserem von den USA besetzten Land mal eine linke Regierung gäbe.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96073

Der historisch-populare Block in Bolivien unter der Regierung von Luis Arce („Bewegung zum Sozialismus“) ist mit internen Bedrohungen und neuen Methoden imperialer Einmischung konfrontiert.
Wie kann man sie angehen und die wachsende Kluft zwischen Regierung und sozialen Bewegungen überwinden?
Von Isabel Rauber.

Kurzer Rückblick auf die Schaffung des plurinationalen Staates

Die Beharrlichkeit der Völker des plurinationalen Staates Bolivien bei der Eroberung von Rechten und deren Verteidigung hat eine lange Geschichte.
Ihr historisches Streben nach Verteidigung ihrer Identität, nach Gerechtigkeit, nach Anerkennung ihrer Lebensweisen, Weltsichten, ihres Wissens, ihrer Weisheiten, Sprachen und Geschichte, das heißt ihrer Existenz in Würde und Respekt stützt sich auf Jahrhunderte des Widerstandes und des Kampfes.
Aufstände, Revolutionen, Streiks und Straßenblockaden legten Zeugnis ab vom Bewusstsein des Volkes – vereint in seiner Vielfalt –, von der Berechtigung seiner Kämpfe, seiner Forderungen sowie von der grundlegenden Bedeutung, Übereinstimmungen herbeizuführen. Diese können die Grundlage für die Verbindung aller sein, um sich auf eine gemeinsame Plattform zu einigen, die sie als kollektives politisches Subjekt (selbst)etablieren würde. Ein Subjekt, das fähig ist, in der nationalen politischen Arena zu handeln und bei Wahlen die Gelegenheit zu nutzen, die Gestaltung ihres Schicksals selbst zu übernehmen und damit die Anerkennung als Staatsbürger mit allen Rechten zu erreichen und diese ohne Einschränkungen ausüben zu können.
Nach einigen historischen Versuchen mündeten die sozialen Kämpfe der großen Bewegungen der Indigenen, der Bauern, Bergleute, Kokabauern und der Frauen vom Land in einen gemeinsamen Strom mit den städtischen und intellektuellen Sektoren und verbanden sich politisch in der Entschlossenheit, die Demokratie herauszufordern, um sie zugunsten aller zu erweitern. Nach der Erringung von Sitzen im Parlament und der Vertretung in verschiedenen Instanzen der Institutionen bei den Ende 2005 abgehaltenen allgemeinen Wahlen eroberte das Ensemble von Organisationen, aus denen sich die Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) zusammensetzte, mit Evo Morales als Kandidat die Präsidentschaft und Regierung des Landes. Das eröffnete die Zeit einer indigenen, bäuerlichen, volksnahen, entkolonialisierten und interkulturellen Demokratie, die zudem den Anspruch erhob, antipatriarchal zu sein.
Das Jahr 2006 brachte dann zusammen mit dem Sieg große Herausforderungen mit sich: die Verantwortung für Staat und Regierung, die Übernahme der Regierungsgeschäfte in den Departamentos und Gemeinden, und das alles bei Fortbestehen einer elitären und ausgrenzenden institutionellen Rechtsprechung. Unbeirrt machten sie sich an die Arbeit, um etwa den in den Jahren der sozialen Kämpfe entworfenen Nationalen Entwicklungsplan zu konkretisieren und umzusetzen, wie auch eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen und durchzuführen, die die Rechtsgrundlagen für die Gründung des Plurinationalen Staates Bolivien schuf.

Diese Prozesse öffneten die Schleusen für die Entwicklungen demokratisierender, dekolonisierender, interkultureller und integrativer Veränderungen.
Die dabei erzielten Errungenschaften und ihre Lehren sind tiefgehend und reichhaltig. Die vielfältigen Bedeutungen des Erreichten sind noch nicht vollständig erfasst worden. Gab es Fehler dabei? Offensichtlich, wie bei allem, was zum menschlichen Handeln gehört.
Aber damit wurde auch der Weg gebahnt für beeindruckende Veränderungen, so gewichtig und tiefgreifend, dass viele von unbedarften Blicken nicht wahrgenommen werden.

Die Steine im Schuh

  1. Die Reaktion der Opposition
    In einem von ihnen als natürlich angesehenen Herrschaftsbereich in Frage gestellt, setzten die mächtigen Kolonialisten, sowohl die historischen wie auch die aktuellen, anfänglich auf das Scheitern der MAS-Regierung und wandten dafür alle Arten von Fallstricken und Tricks an.

    Als das nicht die erhofften Ergebnisse brachte, versuchten sie, die Fortsetzung des Prozesses zu verhindern und Morales zu stürzen. Die Blockaden seitens der Opposition und die Paralysierung großer Teile des Landes, um die Durchführung der Volksabstimmung zur Ratifizierung der Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung zu verhindern, sollten die Regierung und die sozialen Bewegungen der MAS zum Nachgeben bringen. Sie legten aber den antidemokratischen, kolonialistischen und rassistischen Hintergrund dieser Bestrebungen bloß, und unter breiter Teilnahme des Volkes wurde ihnen schließlich eine Niederlage bereitet. Diese drückte sich in der Durchführung des Referendums aus, das die Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung weitgehend bestätigte.
  2. Entfremdung zwischen der MAS-Basis und der Regierung
    Ohne Zweifel hatten nicht alle Stolpersteine und Fallen ihre Ursache in der hartnäckigen Opposition. Es gab auch Spannungen und Probleme, die aus ungeschickten politischen Maßnahmen herrührten, wie etwa die ohne Befragung vorgenommene Preiserhöhung bei Treibstoffen, die den Benzinstreik auslöste (2010), oder der spätere Konflikt um den Bau einer Straße durch das Tipnis-Schutzgebiet (2011).

    Beide Vorgänge führten in erster Linie zu einer unbestreitbaren Ablehnung durch die direkt betroffenen popularen Protagonisten und markierten den Beginn einer Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten, die sich langsam auch in anderen Auffassungen von Regierung und Staat zeigte.
  3. Von Protagonisten zu Zuschauern
    Zusätzlich zu dem oben Erwähnten nahm die Beteiligung der Protagonisten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen und Beschlüssen des Staates bzw. der Regierung immer mehr ab, und in der Folge wurde es immer weniger möglich, dass sie gehört wurden. Die Zurückweisung von Kritik aus den eigenen Reihen, die Ausgrenzung abweichender Meinungen usw. nahmen immer mehr zu. Das alles hatte eine entsprechende Distanzierung einiger der konstitutiven Sektoren der MAS von der Regierungsführung und ihren Behörden zur Folge. Die auf die Rückkehr an die Macht gierige Opposition nutzte das, die Schwächen der MAS wurden schnell und zugleich zu Stärken der Opposition.
    Vielleicht bauten der Bürokratismus der Regierungsführung selbst, die Blendung, die von der Machtausübung ausgeht, die zunehmende Technisierung der Tätigkeit von Staat und Regierung, die aus dem öffentlichen Bereich nach und nach einen für die “befähigten Eliten” reservierten Bereich machte, allmählich systematisch Barrieren zwischen Regierenden und Regierten auf und ließ die Protagonisten zu Zuschauern der Veränderungen werden.*)
  4. Die Loslösung vom kollektiven politischen Subjekt und die Rückkehr des Korporativismus Unterschiedliche soziale Bewegungen und Organisationen, die zuvor vereint waren bei der Formierung eines programmatischen Fundaments, das die Bedingungen für die Regierung Evo Morales 2006 schuf, wurden mehr und mehr von den Regierungsentscheidungen abgekoppelt. Nach und nach wurde die gemeinsame verbindende Basis des kollektiven politischen Subjekts geschwächt und seine Organisationen lösten sich vom Kollektiven – obwohl sie nominal Teil davon blieben –, nahmen wieder Zuflucht in ihren Teilbereichen und machten den Weg frei für bilaterale Verhandlungen mit der Regierung, um Vorteile für Sektoren oder Teilhabe an der Macht einzufordern, je nachdem, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht.
    Das war nicht mehr das vielfältige organisierte Ganze, sondern eine Summe von Teilen, nicht selten mit Rivalitäten untereinander.
  5. Die Schwäche der politischen Führung
    Die gesellschaftliche, politische und kulturelle Verbindung, die zur Bildung der MAS führte, war das Ergebnis von übergreifenden Definitionen, Beziehungen, sektionalen Eigenheiten, Übereinstimmungen, Verbindungen und vom politischen Reifeprozess der Gesamtheit der am Prozess beteiligten gesellschaftlichen und politischen Akteure; das Auseinanderbrechen ihrer Verbindungen war auch das des politischen Instruments und seiner Fähigkeit, den Prozess politisch anzuführen.
    Das schließt eine weitere Dimension der Analyse ein: Wenn das Ganze auseinanderfiel, wenn sich die politischen Akteure abkoppelten, wen repräsentierte und wie führte die MAS dann noch?

Formal existierte eine Führungsinstanz, die scheinbar funktionierte; aber in die Dynamiken des “von oben nach unten” geraten, mehr auf Gehorsam und die Zustimmung der Organisationen aus als auf ihre Basis zu hören, wurden nicht nur die internen Wechselbeziehungen sondern auch das politische und gesellschaftliche Panorama für die MAS immer schwieriger. Es sei daran erinnert, dass diese kollektive politische Organisation niemals eine Entelechie war noch ist; deshalb verringerte das Wegbrechen ihrer Basisbewegungen ihre Fähigkeit für eine einheitliche Führung.
Beeinflusst hat dies auch die Abwanderung einer großen Anzahl von Anführern, die in den Kämpfen geschmiedet wurden, und die Funktionen bzw. Ämter in der Regierung und im Staatsapparat übernahmen und sich dadurch von der Basis entfernten, was die Organisationen und insgesamt das politische Instrument schwächte.
Es ergaben sich neue Facetten des Korporativismus, und zusammen mit internen Machtkämpfen untergruben sie die kollektive Subjektivität, die sich in den Kämpfen bis 2006 herausgebildet und verdichtet hatte.
Die Beziehung zwischen den Mitgliedern, der Parteiführung und der Regierung und dem Staat haben gezeigt, dass es sich nicht um eine “Angelegenheit” handelt, sondern um eine politische Dimension, die nicht spontan gelöst werden kann, die man weder unterschätzen noch dem Gang der Ereignisse überlassen darf. Nicht alles kann vorhergesehen oder im voraus abgewendet werden, aber es gibt wichtige Faktoren, die zur Minimierung der Schwierigkeiten beitragen.
Dazu gehört z.B. die politische und allgemeine Bildung der Mitglieder der Organisationen und die Stärkung der Organisierung der popularen Massen. Dabei sollte die Rotation von Ämtern und Verantwortlichkeiten als verallgemeinerte und ständige Praxis als Teil davon bei allen und jeder einzelnen der gesellschaftlichen, popularen, gewerkschaftlichen, bäuerlichen, indigenen usw. Organisationen bedacht werden.
Das ist zwar keine Lösung für alles, aber es ist ein wichtiges Bollwerk, wenn es darum geht, konkret die Herausforderungen des Regierens und der politischen Führung des Transformationsprozesses anzunehmen.

Vorbereitung und Durchführung des reaktionären Putsches 2019

Die politischen Ereignisse im Land zwischen 2016 und 2019 waren gekennzeichnet von einer Zunahme der Angriffe seitens der Opposition gegen die Regierung, die in einigen Fällen durch Anzeichen von Unstimmigkeiten zwischen den Regierenden und den Regierten vergrößert wurden. Das zeigte sich klar – wenn auch knapp – im “Nein” bei der Volksbefragung bezüglich einer möglichen erneuten Wiederwahl von Evo Morales für das Präsidentenamt des Landes. Dieses Ergebnis wurde wegen der “schmutzigen” Kampagne missachtet, die gegen den Amtsinhaber losgetretenen worden war; die Behörden riefen daraufhin das Verfassungsgericht an, damit es die erneute Kandidatur und Wiederwahl des Amtsinhabers und seiner Regierungsmannschaft zulässt.
Aber die Kandidatur hatte eine inhärente Schwäche: Durch die Missachtung des Ergebnisses der Volksbefragung über die Wiederwahl wurden die Türen geöffnet für neue Provokationen, Verleumdungen, fake news und alle Arten von Manipulationen seitens der lokalen Opposition und ihren internationalen Vertretungen.
Aus den Präsidentschaftswahlen Ende 2019 ging Morales als Sieger hervor, aber der “Faktor OAS **) verzögerte die Bekanntgabe von Teilen der Ergebnisse und machte sie unsichtbar; dadurch wurde der Verdacht möglicher Fehler und nicht gültiger Stimmen mit der klaren Absicht genährt, die Ergebnisse für ungültig zu erklären, Zeit zu gewinnen und die Tore für das zu öffnen, was anschließend geschah: der Staatsstreich.

Diese gewalttätige und verzweifelte Akt der Mächtigen, die sich die Maske der Verfassungsmäßigkeit aufsetzten, war der klarste Indikator für die Richtigkeit und Tiefe der demokratischen Revolution der Völker Boliviens und – daraus folgernd – der Unfähigkeit und Verzweiflung derjenigen, die versuchten, den Prozess zu unterbinden, um sich der ökonomischen und gesellschaftlichen Pfründe zu bemächtigen und jegliche Opposition auszugrenzen und zu zerschlagen.
Die nicht zu kaschierende und zwielichtige Einmischungspolitik der OAS bei der Gestaltung und Lenkung des Putsches machte zugleich nicht nur die Unterstützung des Nordens für die lokalen Oligarchien, sondern auch das geopolitische Gewicht deutlich, das dieser Transformationsprozess für die Region, den Kontinent und die globale imperialistische Hegemonie hatte und hat. Die Wiedererlangung der Kommandogewalt mit diesen Mitteln über ein Gebiet, das als Teil des “Hinterhofs” des US-Establishments angesehen wird, zerriss die Maske von “Freundschaft und Zusammenleben”, die sich ihre Vertreter seit Beginn des Jahrhunderts aufgesetzt hatten. In dieser Zeit transformierten sich Venezuela, Brasilien, Argentinien, Bolivien, Uruguay, Ecuador, Honduras, Paraguay … zu Territorien mit Autonomie und mit Völkern, die immer stärker befähigt sind, ihre Schicksale gemeinsam mit ihren Regierenden selbst in die Hand zu nehmen. Und es war genau diese Gemeinschaft, die sie beschlossen hatten zu zerbrechen.
Trotz der fake news, der Verleumdungen, Fallstricke, der Wiederholung von Lügen durch verschiedene, angeblich informative Kanäle, um Misstrauen zwischen verschiedenen popularen gesellschaftlichen Sektoren und auch innerhalb der MAS zu säen, gelang es den Putschisten nicht, ihre Ziele zu erreichen. Trotz des Durcheinanders und der Zersplitterung oder Abwesenheit einer einheitlichen Führung des Widerstands und in der Konfrontation mit einer anhaltenden und grausamen Unterdrückung gingen die indigenen Völker, die Bauern, die städtischen und bäuerlichen Arbeiter auf die Straße, um sich den Putschisten entgegenzustellen und ihre Manöver zurückzuweisen.

Die Massaker von Sacaba und Senkata zeigten schnell, dass die Putschisten es nicht schaffen würden, die Völker in die Knie zu zwingen, die aufgestanden waren, deren Männer und Frauen die Erfahrung gemacht hatten, dass sie frei auf denselben Wegen wie die Mächtigen gehen können, die die symbolische Macht wertschätzten, dem historischen Unterdrücker direkt gegenüber zu stehen, dass sie nicht nur Zugang zu den staatlichen Institutionen haben, sondern sie auch leiten konnten, dass sie den Wert eines vollwertigen sozialen und politischen Subjekts gewonnen hatten.
All das – zusammengefasst – hinterließ unauslöschbare Spuren in ihren Spiritualitäten und Subjektivitäten und dies stärkte das emanzipatorische und entkolonialisierende Bewusstsein ihres Handelns.
Die popularen Revolten, die Widerstände, das Anprangern des Putsches verbunden mit den andauernden Forderungen nach der Durchführung von Wahlen bereiteten dem Machtstreben der Putschistenbewegung (wenn auch nicht ihren Absichten, noch den Aktionen ihrer Anstifter) ein Ende.
Ende des Jahres 2020 gewann die MAS mit Luis Arce und David Choquehuanca an den Wahlurnen im Verbund mit Indigenen, Bergarbeitern, Bauern, Frauen und popularen Sektoren der Städte.

Die Regierung Arce ist mit neuen imperialen Interventionsversuchen in der Region konfrontiert

Dieser neue Zeitabschnitt für die MAS-Regierung war möglich durch die Zusammenführung der verschiedenen Sektoren zu einer Einheit, die ihre konjunkturellen Betrachtungsweisen beiseite ließen, um die Putschisten zu besiegen.
Aber die internen Brüche und Widersprüche existierten weiter; sie erforderten und erfordern wie nie zuvor die Aufmerksamkeit und politische Arbeit aller und jedes Einzelnen der indigenen, gewerkschaftlichen Sektoren, der bäuerlichen und städtischen Arbeiter, um unter den gegenwärtigen Bedingungen die kommunizierenden Röhren oder die allgemeinen (gesellschaftlichen) Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen sektoralen und territorialen Realitäten und Problemen herauszufinden, um sich aufzumachen zur neuen Organisierung, Herausbildung und Stärkung des kollektiven politischen Subjekts in der jetzigen Zeit.
Aber das kollektive Keimen und Heranreifen einer gemeinsamen neuen politischen Bewusstseinsbildung und Verhaltensweise erfolgt nicht automatisch. In diesem Sinne ist es wichtig – neben den Errungenschaften dieser Periode – sich das Fortbestehen der alten Praktiken vor Augen zu halten, dass Entscheidungen von wenigen und von oben getroffen werden, mit geringer und unzureichender Beteiligung, Konsultation und Dialog mit den Protagonisten des revolutionären politischen Handelns der MAS; was neue Hindernisse bzw. Steine im Schuh der gegenwärtigen Regierung mit sich bringt, die ihr Vorankommen behindern, das Vertrauen untergraben und das politische Instrument schwächen.

Die politischen Gegner, von denen viele erklärte Feinde der Rechte der originären indigenen Völker sind, öffnen heute alle ihre medialen Schleusentore für Desinformations- und Täuschungsmanöver zur politischen Destabilisierung der Regierung. Dieses Ziel wird auf verschiedenen Wegen verbunden mit der Stimulierung von Konkurrenz, Rivalität und internem Misstrauen zwischen Sektoren der MAS, deren Einheit und politische Subjektivität in erster Linie der Gegner ist, den die Opposition zerstören will. Damit stünden ihr die Wege offen.

Die Verschiebung des Datums für die Volkszählung, scheinbar mit dem Einverständnis aller, öffnete die Büchse der Pandora um zu spalten, Fronten zu bilden und das Vertrauen innerhalb der und in die Regierung und ihre hauptsächlichen Vertretern zu untergraben. Welche Ziele wurden damit verfolgt? Das Datum für die Volkszählung hat gewisse Bedeutung, da entsprechend ihrer Ergebnisse den verschiedenen Gebieten Anteile bei der Mitbestimmung und der Vertretung im Parlament zugewiesen werden. Aber das letztendliche Ziel der Proteste seitens der Regierenden von Santa Cruz und ihrer Gefolgsleute ist es, die Regierung, die MAS, ihre höchsten Vertreter und alle diejenigen zu diskreditieren und zu destabilisieren, die sich am Prozess beteiligen oder ihn unterstützen.
Heutzutage sind die Oppositionellen nicht auf einen Putsch aus, auch wenn sie ihn nicht ausschließen. Der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck, der sich in den Blockaden in Santa Cruz ausdrückt, zeigt die neuen, auf Einmischung zielenden Formen der imperialen Strategie für Lateinamerika auf: der Wirtschaft Schaden zufügen, die Regierung diskreditieren, um das Bewusstsein der Menschen zu verunsichern und zu vernebeln, um sie zu spalten und zu isolieren, und sie so ihren Interessen unterordnen zu können.
Sie müssen populare Unterstützung erreichen, um die MAS bei den nächsten Wahlen zu besiegen. Mit ihrer auf Lügen und Verdrehungen basierenden kolonisierenden Strategie hoffen sie, jede Möglichkeit der sozialen Rebellion, des Widerstands, der Veränderung, der kollektiven Organisation ein für allemal zu begraben.

Welches ist die gesellschaftliche, politische und kulturelle Stütze dieser Strategie? Das unablässige und vereinte Agieren der hegemonialen Medien, konzentriert auf die Manipulierung der Tatsachen und klar auf das Erreichen dieser Ziele ausgerichtet, ist eines der Schlüsselwerkzeuge der Mächtigen. Aber die vielfältigen Dimensionen der politischen und sozialen Aktivitäten können nicht auf das Thema Kommunikation reduziert werden, auf das Ergebnis von fake news, von lawfare oder irgendeiner Art von Manipulation oder der fiktiven Schaffung von Szenarien, die den oligarchisch-imperialistischen Interessen förderlich sind und die die Mächtigen zur Rechtfertigung ihres Handelns durchführen könnten.
Niemals wird man frontal mit dem Medienapparat der Mächtigen konkurrieren können: Der ökonomische und juristische Machtapparat würde sich darum kümmern, das zu verhindern. Hier, wie bei allem, was mit kollektivem Handeln zu tun hat, handelt es sich um politische Herausforderungen, um organisierte Massen, um ermächtigte protagonistische Völker.

Unumgängliche Herausforderungen

  1. Die Volksmacht aufbauen, verankert in der Beteiligung der Protagonisten
    Die beste politische Kommunikation der Völker und ihrer Organisationen ist verknüpft mit der Beteiligung ihrer Protagonisten. In diesem Sinne ist es lebensnotwendig, dass die popularen Regierungen zugleich politische Werkzeuge sind, um den popularen Protagonismus bei den Entscheidungsfindungen zu vergrößern. Dafür ist es unumgänglich, die Türen der Regierung und des Staates für die Beteiligung und wachsende Selbstermächtigung der Völker und seiner Organisationen zu öffnen und sich unisono um Information und Bildung zu kümmern.
    All das in Verbindung mit den lokalen Prozessen der Selbstermächtigung in den ländlichen und städtischen Gemeinschaften als Samen der Volksmacht, wo die gesellschaftlichen und politischen Befreiungskräfte aufkeimen und erstarken, die fähig sind, den Transformationsprozess immer mehr zu beleben und zu vertiefen. Aus dieser Perspektive heraus bedeutet das, die Demokratie zu demokratisieren, sie zu auszuweiten und Räume für die Prozesse der Selbstermächtigung der historisch davon Ausgeschlossenen zu öffnen; damit sind die zentralen politischen Herausforderungen im jetzigen Moment zusammengefasst.
  2. Aus der Erfahrung lernen
    Diese Selbstermächtigung war schon vorher im Gange, während und nach 2006, aber es ist gut, das erneut zu bekräftigen und dabei beispielsweise im Auge zu haben, dass die politischen Irrtümer oder Fehler der MAS in der Regierung auch einen Nutzen hatten. Sie unterstrichen – durch Nichtvorhandensein – den transzendentalen politischen Schlüssel des laufenden revolutionären Prozesses: die Notwendigkeit der Beteiligung der indigenen, bäuerlichen, gewerkschaftlichen, popularen … Sektoren als Protagonisten bei Entscheidungen, bei der Bestimmung der öffentlichen Politiken und bei allen gesellschaftlichen Themen, von denen sie Teil sind.
    Es ist dringend notwendig, diese Lehren zu begreifen und sich zu eigen zu machen; sie sind Teil der Fundamente einer neuen und erneuerten Organisierung des kollektiven politischen Subjekts, und das geschieht nicht spontan; die bewusste Arbeit der sozialen, gewerkschaftlichen, indigenen, bäuerlichen, kommunitären, städtischen usw. Organisationen, insbesondere der Strukturen der MAS ist unerlässlich.
    Die Einheit wird nicht deklamiert, sie ist in konkreten Grundlagen verankert, die sich aus der Identifizierung von Brücken und kommunizierenden Röhren zwischen den verschiedenen Realitäten, Identitäten, Weltanschauungen und sektoralen, territorialen und kommunitären Problemstellungen auf Seiten der popularen Akteure und ihrer Organisationen ergeben. Und es ist entscheidend, dass sie es sind – als Protagonisten –, die sich der Aufgabe annehmen, diese Zusammenhänge herauszuarbeiten, indem sie im derzeitigen politischen Panorama die Bruchstellen in dem gesellschaftlichen und kulturellen Durcheinander, das in Krisenzeiten entsteht,  klären. Dies wird die gemeinsame Herausbildung einer aktualisierten kollektiven Identität als materielle Grundlage eines (untereinander) organisierten politischen Subjekts ermöglichen, das die Aufgaben der Gegenwart erfordern. Eine politische Erneuerungs- und Aktualisisierungsarbeit, die – andererseits – ständig erfolgen müsste, wie es René Zavaleta Mercado eindringlich angemahnt hat.
  3. Die Strategie der Rekolonisierung und der Beherrschung der Köpfe besiegen
    Die Hegemonie der Macht rührt nicht allein von der Destabilisierung und Diskreditierung von Regierenden und historischen gesellschaftlichen Anführern her; das “teile und herrsche” reicht nicht mehr aus. In diesen Jahren politischer Kämpfe haben die Mächtigen gelernt und ihre Strategien perfektioniert; insoweit ist es für sie nicht mehr angebracht – wie früher –, den Militärs zu befehlen, die schmutzige Arbeit mit den Staatsstreichen zu erledigen, sie setzen jetzt auf “demokratische Beherrschung”.
    Mit dem Öffnen der demokratischen Kanäle beabsichtigten sie ursprünglich, die popularen Widerstände auszuhebeln und dann die Demokratien nach ihren Erfordernissen zu gestalten, indem sie sie kontrollieren und begrenzen. Dafür haben sie auf die Aktualisierung ihrer alten, heute verstärkten Bestrebung zurückgegriffen, dass nur die Kontrolle und Herrschaft über die Köpfe der Völker es ermöglichen wird, sie zu beugen und niederzuhalten; sie glauben zu machen, dass sie Freiheit genießen, während sie in Unterwerfung leben.
    Sich diesem Kreuzzug der kulturellen Beherrschung (Hollywood & CocaCola) entgegenzustellen, der sich gegen das Volk richtet, ist eine weitere der großen Herausforderungen der jetzigen Zeit, sowohl für Bolivien wie auch für die ganze Region. Dies, verknüpft mit den gleichzeitigen Prozessen der Partizipation und Selbstermächtigung der Völker, des Aufbaus der Volksmacht in verschiedenen Gemeinschaften und Territorien, mit der Schaffung der Einheit in der Vielfalt der Identitäten und Zugehörigkeiten der Völker, die sich aus ihrer Verbindung zu einem kollektiven sozialen und politischen Subjekt ergibt.

Diese politischen Herausforderungen bringen die Überlegungen Rodolfo Puiggrós in die Gegenwart, als er erklärte, dass die ökonomische Beherrschung nur möglich sei, wenn ihr die kulturelle Beherrschung vorausgeht.
Und auch die Warnung von J.W. Cooke, dass es im Bewusstsein keine Leerstellen gibt; dass das, was von der Ideologie der Völker aufgegeben oder vernachlässigt wird, von der Ideologie der Mächtigen besetzt wird. Bleibende Wahrheiten…

Und das erinnert auch – in sehr abgekürzter Form – an ein Schlüsselkriterium der politischen Aktion: vox populi, vox Dei. Und es ist gut, heute wie nie zuvor, sich das vor Augen zu halten.
Die antidemokratischen Sektoren wissen das und versuchen deshalb, die Hirne mit ihren Lügen zu kolonisieren, sie zu vernebeln, das Zugehörigkeitsgefühl zur Klasse und zu den Völkern zu beseitigen.

Die Frage ist: Verstehen wir das alle?

Übersetzung: Gerhard Mertschenk, Amerika21

*: Im Kleinen ließ sich das hier sehr gut in Thüringen unter dem Ministerpräsidenten Ramelow, Mitglied der Linken, gut beobachten.

**: Die OAS ist die von den USA konkurrenzlos domonierte Organisation amerikanischer Staaten

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Faktencheck Venezuela: Was in deutschen Medien über das südamerikanische Land verbreitet wird – und wie es tatsächlich aussieht – Ein „Staatschef“ aus dem Regime-Change-Labor

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Nach einigen Gesprächen mit Patienten und im Familienkreis halte ich es für unbedingt nötig, den systematisch verbreiteten Falschinformationen der Leim-Medien etwas entgegen zu setzen.
Nachdem ich vorige Woche auf B5aktuell eine unerträgliche Lobhudelei auf den von einem CIA-Ableger ausgebildeten Putschisten Juan Guaidó hören musste, habe ich den aufklärenden und sehr ausführlichen Bericht von Dan Cohen und Max Blumenthal aus den NachDenkSeiten auch angehängt.
Bereits unmittelbar nach dem Putsch gab es Anzeichen, dass dort eine über die Atlantik-Connection über lange Zeit vorbereitete Medienkampagne im Sinn der integrierten Propagandakriegsführung der 4. Generation in Gang gesetzt wurde:
https://josopon.wordpress.com/2019/02/07/kaum-hatte-der-putschist-guaido-sich-zum-prasidenten-venezuelas-erklart-wurden-im-bayerischen-rundfunk-schon-sprachregelungen-vollzogen-tagesschau-betreibt-desinformation-um-den-usa-beim-sturz-vo/
Dort auch schon ein Beispiel für „Lügen mit Bildern“.

So etwas entsteht nicht in dieser Perfektion und Selbstbezüglichkeit zufällig oder durch Abschreiben, dem liegen Blaupausen zugrunde, die in den zahlreichen transatlantischen ThinkTanks ausgearbeitet wurden. Hier werden die Verdummungsprinzipien umgesetzt, wie sie Prof. Mausfeld genau beschrieben hat:
https://www.youtube.com/watch?v=1x8x9NokCZ0

Und hier auszugsweise der angekündigte Faktencheck. Wer die genannte Darstellung widerlegen kann, den bitte ich um Wortmeldung:
https://www.jungewelt.de/artikel/350058.fragen-und-antworten-faktencheck-venezuela.html

»Maduros Herrschaft ist diktatorisch, er hat keine demokratische Legitimation, und die Mehrheit der Bevölkerung steht nicht hinter ihm. Er kann sich nur noch auf das Militär stützen.«

Nicolás Maduro ist zweimal zum Präsidenten Venezuelas gewählt worden, 2013 und 2018. Die Wahl im vergangenen Jahr entsprach in ihren Regularien exakt der Parlamentswahl 2015, die von der Opposition gewonnen worden war und deren Legitimität allgemein anerkannt ist. Neben Maduro, der 67,84 Prozent der abgegeben Stimmen gewinnen konnten, gab es drei Kandidaten. Der Sozialdemokrat Henri Falcón kam auf 20,93 Prozent, der evangelikale Prediger Javier Bertucci auf 10,82 Prozent. Lediglich 0,39 Prozent der Voten entfielen auf den linken Basisaktivisten Reinaldo Quijada, der allerdings auf jeden echten Wahlkampf verzichtet hatte.
Die Wahlbeteiligung war mit 46,02 Prozent niedrig. Das lag auch daran, dass eine Reihe von Oppositionsparteien zum Boykott aufgerufen hatte. Wären diese Parteien mit einem gemeinsamen Kandidaten angetreten, hätten sie durchaus Chancen gehabt, Maduro zu schlagen.

Die Umstände der Wahl waren in einem Abkommen festgelegt worden, das Vertreter von Opposition und Regierung bis Anfang 2018 unter internationaler Vermittlung ausgehandelt hatten. Allerdings verweigerten die Oppositionellen im letzten Augenblick die Unterschrift unter das fertige Abkommen.
Der frühere spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, der an den Verhandlungen als Vermittler beteiligt gewesen war, reagierte darauf Anfang Februar 2018 mit einem Brief, den die in Caracas erscheinende Tageszeitung Últimas Noticias veröffentlichte. Das ausgehandelte Abkommen habe die über Monate verhandelten Themen aufgegriffen, unter anderem »einen Wahlprozess mit Garantien und einen Konsens über das Datum der Wahlen«.

»Maduro hat das Parlament aufgelöst und entmachtet und regiert nun gänzlich unkontrolliert. Mit der Verfassung des Landes ist das unvereinbar.«

Venezuelas Parlament ist nicht aufgelöst worden, sondern arbeitet. Erst Anfang Januar wurde ein gewisser Juan Guaidó von den Abgeordneten der Oppositionsparteien zu dessen Präsident gewählt.

Richtig ist allerdings, dass die Beschlüsse der Nationalversammlung nach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (TSJ) »null und nichtig« sind, weil sich das Parlament weigert, mehrere Urteile der Richter umzusetzen. Das begann bereits unmittelbar nach der Wahl 2015, als die Richter nach Einsprüchen die Bestätigung von vier gewählten Abgeordneten aus dem Bundesstaat Amazonas – drei der Opposition und einer der Regierungspartei PSUV – aussetzten.
Trotzdem wurden die drei Regierungsgegner vom Parlamentspräsidium vereidigt und nahmen an den Abstimmungen teil. Daraufhin stellten die Richter fest, dass die unter diesen Bedingungen gefassten Beschlüsse ungültig seien. Im Juli 2017 bekräftigten die Richter diese Entscheidung in einem weiteren Urteil, in dem sie die Ernennung neuer Richter durch das Parlament aufgrund der Nichteinhaltung des in der Verfassung dafür festgelegten Verfahrens für ungültig erklärten.

»Maduro hat sein Land mit Konzeptlosigkeit und Korruption in den Abgrund geführt. Mit Sozialismus hat das nichts zu tun.«

Venezuela ist nach wie vor ein kapitalistisches Land. Das hat auch Hugo Chávez in seinem letzten Wahlprogramm 2012 – das nach dessen Tod 2013 von Nicolás Maduro wortwörtlich übernommen wurde – betont: »Täuschen wir uns nicht, die sozioökonomische Ordnung, die in Venezuela noch vorherrscht, ist kapitalistischen und Rentencharakters.«

Seit seiner Amtsübernahme 2013 sieht sich Maduro einem eingebrochenen Ölpreis gegenüber. Da der Brennstoff jedoch nach wie vor das Hauptexportgut Venezuelas ist, sind die Staatseinnahmen dramatisch zurückgegangen. Verschärft wurde die Krise durch einen regelrechten Wirtschaftskrieg privater Handelskonzerne, die Waren zurückhielten. Supermärkte waren leer, viele Lebensmittel gab es nur noch auf dem Schwarzmarkt zu kaufen.
Das hat sich geändert, inzwischen sind die Geschäfte wieder voll – allerdings sind die Preise durch die Inflation so hoch, dass sie sich nur Wohlhabende leisten können. Hinzu kommen vor allem ab 2017 die immer weiter verschärften Sanktionen durch die USA und – in geringerem Ausmaß – durch die Europäische Union. Sie machen es Caracas nahezu unmöglich, Waren auf dem Weltmarkt regulär einzukaufen, weil der Zahlungsverkehr über die meist in den USA sitzenden Finanzinstitutionen blockiert ist.

Was man dem Präsidenten vorwerfen kann, ist, dass es lange keine wirksamen Maßnahmen gegen die sich immer weiter verschärfenden Probleme gegeben hat. Regelmäßige Lohnerhöhungen wurden durch die Inflation aufgefressen, wirtschaftspolitische Maßnahmen blieben Stückwerk und widersprüchlich.
Erst in der jüngsten Zeit scheint man Wege gefunden zu haben, mit Hilfe befreundeter Länder die ausländische Blockade zu umgehen.
Tatsächlich sind Berichten zufolge in den vergangenen Tagen und Wochen die Preise für Lebensmittel und andere Waren teilweise gesunken.

»Mit Ausnahme von Russland und China fehlt Maduro auf internationaler Ebene jeglicher Rückhalt, sein Regime ist praktisch isoliert.«

In der vergangenen Woche bildete sich bei den Vereinten Nationen in New York eine Gruppe von rund 60 Staaten der Welt, die sich für die Verteidigung der UN-Charta einsetzen wollen – in klarer Unterstützung Venezuelas gegen die von den USA geführte Aggression.
Demgegenüber haben weltweit nur etwa 40 bis 50 Regierungen den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als »Präsidenten« anerkannt.
Hinter Maduro gestellt haben sich dagegen nicht nur die linken Regierungen Lateinamerikas, sondern auch die Karibikgemeinschaft Caricom und der südafrikanische Staatenbund SADC. Wichtige Handelspartner sind und bleiben Indien, der Iran, die Türkei und andere.
Selbst in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben die USA und die venezolanische Opposition keine Mehrheit für eine Anerkennung Guaidós finden können. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betonte, dass der einzige rechtmäßige Präsident Venezuelas Nicolás Maduro ist.
Mexiko und Uruguay bemühen sich um eine Vermittlung ohne ausländische Einmischung.

»Kritische Medien haben unter Maduro keine Chance, sie werden geknebelt und unterdrückt.«

Kaum tritt in Venezuela ein Oppositionspolitiker öffentlich auf, ist er sofort von Dutzenden Mikrofonen umlagert. Es gibt in Venezuela 16 private Fernsehkanäle und mindestens 18 private Radio-Senderketten, die oft mehrere parallele Programme ausstrahlen. Hinzu kommen viele lokale Gemeindesender. Dem stehen drei landesweite Staatssender – VTV, TVes und Vive – gegenüber sowie weitere nur lokal oder über Kabel verbreitete Programme, darunter der internationale Nachrichtensender Telesur. Allerdings hat die Telekommunikationsbehörde Conatel die Verbreitung mehrerer ausländischer Sender in den Kabelnetzen unterbunden. Betroffen davon ist zum Beispiel der kolumbianische Kanal NTN 24, der sich zum Sprachrohr der militanten Regierungsgegner gemacht hat.
Problemlos zu empfangen sind nach einer aktuellen Aufstellung von Kabelnetzbetreibern nach wie vor Fox und Voice of America aus den USA; die britische BBC, die Deutsche Welle und andere.
Interessanterweise macht aber der private Anbieter »Super Cable« seinen Kunden Sender wie TV Bolivia, Cubavisión, das chinesische CCTV oder das iranische Hispan TV nicht zugänglich, im Gegensatz zum staatlichen Betreiber CANTV.

Massenhaft verbreitet sind auch in Venezuela Internetseiten und »soziale Netzwerke«. Immer wieder gibt es Zensurvorwürfe. So beklagte das Internetportal Aporrea.org zuletzt, dass es nicht mehr uneingeschränkt erreichbar sei. Allerdings fallen auch staatliche Seiten wie die Homepage der Tageszeitung Correo del Orinoco oder die Angebote von Radio Nacional de Venezuela häufig aus. Ob es sich also um administrative Eingriffe oder technische Probleme handelt, ist unklar.

Probleme haben in den vergangenen Jahren Zeitungen und Zeitschriften gehabt, denn infolge der Wirtschaftskrise und der vor allem von den USA verhängten Sanktionen ist es für die Verlage immer schwieriger geworden, an das notwendige Papier zu kommen. Deshalb haben Oppositionsblätter wie Tal Cual oder El Nacional ihre gedruckten Ausgaben eingestellt, andere – zum Beispiel El Universal – erscheinen ungehindert weiter.
Betroffen davon sind aber nicht nur die Organe der Opposition. Im vergangenen Jahr musste die Zeitung der Kommunistischen Partei Venezuelas, Tribuna Popular, ebenfalls ihre Druckausgabe aufgeben und erscheint seither nur noch digital. Mehrere staatliche Publikationen haben den Umfang ihrer Ausgaben eingeschränkt oder wurden ganz eingestellt.

»Das Regime hat an der Grenze zu Kolumbien mit Gewalt verhindert, dass humanitäre Hilfe ins Land gelangt. Sicherheitskräfte versuchen, jede Unruhe skrupellos im Keim zu ersticken.«

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat deutlich gemacht, dass es sich nicht um humanitäre Hilfe handelte, sondern um eine politische Aktion. Auch die Vereinten Nationen verweigerten eine Beteiligung an der Show.

Zwischen 20.000 und 50.000 Personen sollten nach Angaben der Opposition durch die Lieferungen für zehn Tage versorgt werden. Selbst wenn das stimmt ist das verschwindend wenig verglichen mit den sechs Millionen CLAP-Lebensmittelpaketen, die monatlich in Venezuela vertrieben werden.
Nach unabhängigen Angaben beziehen inzwischen rund 90 Prozent der Bevölkerung diese subventionierten Grundnahrungsmittel.

Hilfslieferungen erreichen Venezuela auf vielen Wegen, unter anderem geliefert aus Russland und China. Mit der EU hat Caracas Unterstützung im Wert von zwei Milliarden Euro vereinbart, die über die UNO ins Land kommen soll. Venezuela konnte aber nicht akzeptieren, dass eine politische Gruppe ohne Kontrolle einen Konvoi mit unbekannter Ladung über die Grenze bringt.

Die Fernsehbilder zeigen zudem, dass die Gewalt an der Grenze nicht von den venezolanischen Sicherheitskräften ausging. Kolumbianische Sender übertrugen live, wie Vermummte Molotowcocktails befüllten und Steine auf die Soldaten warfen. Von kolumbianischer Seite wurden sie daran nicht gehindert.

Dazu auch: https://josopon.wordpress.com/2017/09/10/warum-ging-venezuela-siegreich-aus-dem-jungsten-krieg-der-vierten-generation-hervor-pressefreiheit-hier-und-dort/

Juan Guaidó: Ein Staatschef aus dem Regime-Change-Labor

Juan Guaidó ist das Produkt von mehr als zehn Jahren Arbeit, koordiniert von den Regime-Change-Trainern der Washingtoner Elite. Während er vorgibt, ein Verfechter der Demokratie zu sein, steht er in Wirklichkeit an der Spitze einer brutalen Destabilisierungskampagne.
Von Dan Cohen und Max Blumenthal. Aus dem Englischen von Josefa Zimmermann.

Auszüge:

Vor dem schicksalhaften 22. Januar hatte nicht einmal jeder fünfte Venezolaner jemals von Juan Guaidó gehört. Noch vor wenigen Monaten war der 35-Jährige ein obskurer Charakter in einer rechtsextremen politischen Randgruppe, die eng mit grausamen Straßenkämpfen in Verbindung gebracht wurde.
Selbst in seiner eigenen Partei hatte Guaidó nur einen mittleren Status in der oppositionsdominierten Nationalversammlung, die nun nach der venezolanischen Verfassung verächtlich gemacht wird.

Doch nach einem einzigen Anruf von US-Vizepräsident Mike Pence erklärte Guaidó sich selbst zum Präsidenten von Venezuela.
Von Washington zum Führer seines Landes erkoren, wurde ein bislang unbekannter, zum politischen Bodenpersonal zählender Mann Präsident der Nation mit den größten Ölreserven der Welt und rückte ins internationale Rampenlicht.

Im Konsens mit Washington begrüßte die Redaktion der New York Times Guaidó als „glaubwürdigen Rivalen” von Maduro mit einem „erfrischenden Stil und der Vision, das Land voranzubringen”.
Die Redaktion der Bloomberg News applaudierte ihm für die „Wiederherstellung der Demokratie” und das Wall Street Journal erklärte ihn „zu einem neuen demokratischen Führer”. Inzwischen haben Kanada, zahlreiche europäische Staaten, Israel und der Block der rechtsgerichteten lateinamerikanischen Regierungen, bekannt als Lima-Gruppe, Guaidó als legitimen Führer Venezuelas anerkannt.

Während Guaidó sich aus dem Nichts materialisiert zu haben scheint, ist er in Wirklichkeit das Produkt von mehr als zehn Jahren eifriger Aufzucht durch die Regime-Change-Fabriken der Washingtoner Elite. In einem Kader rechtgerichteter studentischer Aktivisten wurde Guaidó aufgebaut, um die sozialistische Regierung Venezuelas zu unterminieren, das Land zu destabilisieren und eines Tages die Macht zu ergreifen.
Obwohl er in der venezolanischen Politik eine untergeordnete Rolle spielte, stellte er viele Jahre stillschweigend seinen Wert für die Machtzirkel in Washington unter Beweis.

„Juan Guaidó ist die Figur, die für diese Situation geschaffen wurde“, bemerkte Marco Teruggi, ein argentinischer Soziologe und Chronist der venezolanischen Politik, gegenüber The Grayzone. „Es ist wie in einem Labor – Guaidó ist wie eine Mischung aus verschiedenen Elementen, die verschmolzen wurden zu einem Charakter, der sich, ehrlich gesagt, zwischen lächerlich und Besorgnis erregend bewegt.”

Diego Sequera, ein venezolanischer Journalist und Autor bei dem investigativen Magazin Misión Verdad, stimmte zu: „Guaidó ist außerhalb Venezuelas beliebter als im Land selbst, besonders in den Elite-Zirkeln der Ivy-League-Universitäten und in Washington.” Sequera bemerkte gegenüber The Grayzone: „Dort ist er als Charakter bekannt, er ist berechenbar rechts und gilt als loyal gegenüber dem Programm.“

Während Guaidó heute als das Gesicht des demokratischen Wiederaufbaus verkauft wird, absolvierte er seine Karriere in der brutalsten Gruppierung von Venezuelas radikalster Oppositionspartei und stand an der Spitze mehrerer Destabilisierungskampagnen. Seine Partei war in Venezuela weithin diskreditiert und wird teilweise für die Fragmentierung der stark geschwächten Opposition verantwortlich gemacht.

„Diese radikalen Führer bleiben bei Umfragen unter 20 %“, schrieb Luis Vicente León, der führende Meinungsforscher Venezuelas. Laut Léon ist Guaidós Partei bei der Mehrheit der Bevölkerung isoliert, denn die Mehrheit der Bevölkerung „will keinen Krieg. Was sie will, sind Lösungen.”

Doch genau aus diesem Grund wurde Guaidó von Washington ausgewählt: Niemand erwartet von ihm, dass er Venezuela zur Demokratie führt, sondern dass er das Land destablilisiert, weil es zwei Jahrzehnte lang ein Bollwerk des Widerstands gegen die US-Hegemonie war.
Sein merkwürdiger Aufstieg bildet den Höhepunkt eines zwei Jahrzehnte dauernden Projekts zur Zerschlagung eines stabilen sozialistischen Experiments.

Die „Troika der Tyrannei“ im Visier

Seit der Wahl von Hugo Chávez 1998 kämpften die USA für die Wiedererlangung der Kontrolle über Venezuela und seine riesigen Ölreserven.
Durch Chávez’ sozialistische Programme wurde der Reichtum des Landes umverteilt und Millionen Menschen aus der Armut geholt, aber sie machten ihn auch zur Zielscheibe.

2002 setzte Venezuelas rechte Opposition Chavez mit Unterstützung der USA kurzerhand ab, bevor das Militär ihn nach einer Massenmobilisierung wieder in sein Amt einsetzte. Während der Amtszeiten der US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama überlebte Chávez zahllose Mordanschläge, bevor er 2013 an Krebs starb. Sein Nachfolger Nicolas Maduro überlebte drei Mordanschläge.

Die Trump-Administration erhob Venezuela sofort zum Top-Kandidaten auf der Regime-Change-Liste Washingtons und brandmarkte es als wichtigsten Staat in der „Troika der Tyranneien“. Im vergangenen Jahr versuchte Trumps nationales Sicherheitsteam Mitglieder des Militärs zur Installierung einer Militärjunta zu rekrutieren, aber der Versuch schlug fehl.

Laut venezolanischer Regierung waren die USA auch in eine Verschwörung mit dem Codenamen „Operation Constitution“ verwickelt, die zum Ziel hatte, Maduro im Präsidentenpalast Miraflores gefangen zu nehmen, und in eine zweite namens „Operation Armageddon“, bei der er im Juli 2017 bei einer Militärparade getötet werden sollte. Etwas mehr als ein Jahr später versuchten Oppositionsführer vom Ausland aus vergeblich, Maduro während einer Militärparade in Caracas mit Drohnenbomben zu töten.

Mehr als ein Jahrzehnt vor diesen Intrigen wurde eine Gruppe handverlesener rechtsgerichteter Studenten von einer US-finanzierten Akademie, in der Regime-Changes trainiert werden, ausgebildet, um die Regierung Venezuelas zu stürzen und eine neoliberale Ordnung einzuführen.

Die ‘Export-A-Revolution-Gruppe’ legt die Samen für eine ANZAHL von Farbenrevolutionen

Am 5. Oktober 2005, als Chávez auf dem Höhepunkt seiner Popularität war und seine Regierung sozialistische Reformen plante, landeten fünf „Studentenführer“ aus Venezuela in Belgrad, um für einen Umsturz zu trainieren.

Die Studenten waren mit freundlicher Unterstützung des Center for Applied Non-Violent Action and Strategies (CANVAS) aus Venezuela angereist. Diese Gruppe wird überwiegend vom National Endowment for Democracy, einem CIA-Ableger, finanziert, der der US-Regierung als Hauptinstrument zur Durchsetzung von Regime-Change-Aktivitäten dient, ebenso wie die Ableger International Republican Institute und National Democratic Institute for International Affairs.

Wie durch geleakte E-Mails von Stratfor bekannt wurde, einem Geheimdienst-Unternehmen, das auch „Schatten-CIA“ genannt wird, finanzierte und trainierte die CIA CANVAS wahrscheinlich während der Kämpfe gegen Milosevic 1999/2000.

CANVAS ist eine Ausgliederung von Otpor, einer serbischen Protestorganisation, die 1998 von Srdja Popoviv an der Universität von Belgrad gegründet wurde.
Otpor, das serbische Wort für Widerstand, war eine studentische Gruppe, die international berühmt – und hollywoodmäßig promoted – wurde durch das Organisieren von Protesten, die schließlich zum Sturz von Slobodan Milosevic führten.

Diese kleine Zelle von Regime-Change-Spezialisten operierte nach Methoden des kürzlich verstorbenen Gene Sharp mit dem so genannten „gewaltfreien Kampf nach Clausewitz”, den Sharp gemeinsam mit einem ehemaligen Geheimdienstanalysten der DEA, Oberst Robert Helvey, entwickelt hatte, um einen strategischen Plan zu konzipieren, der bewaffneten Protest als eine Form hybrider Kriegsführung einsetzte und sich gegen Staaten richtete, die sich der unipolaren Dominanz Washingtons widersetzten.

Otpor wurde unterstützt vom National Endowment for Democracy (USAID) und von Sharps Albert Einstein Institute. Sinisa Sikman, einer der Chef-Ausbilder von Otpor, behauptete einmal, dass die Organisation direkt von der CIA finanziert würde.

Laut einer geleakten E-Mail von einem hochrangigen Stratfor-Mitarbeiter nach dem Sturz von Milosewic „wurden die Otpor-Kinder erwachsen, trugen Anzüge und kreierten CANVAS… oder mit anderen Worten, eine ‘Export-A-Revolution-Gruppe’, die die Samen legte für einen ANZAHL von Farbenrevolutionen. **)
Sie sind immer noch von der US-Finanzierung abhängig und ziehen durch die ganze Welt, um Diktatoren und autokratische Regime zu stürzen (alle, die von den USA nicht gemocht werden).

Stratfor enthüllte, dass CANVAS im Jahr 2005 „seine Aufmerksamkeit Venezuela zuwandte”, nachdem es bis dahin Oppositionsgruppen ausgebildet hatte, die NATO-freundliche Regime-Change-Operationen in Ost-Europa durchführten.

Während der Überwachung des CANVAS-Ausbildungsprogramms umriss Stratfor seine Aufstands-Agenda in erstaunlich deutlicher Formulierung: „Erfolg ist keineswegs garantiert. Und studentische Proteste sind nur der Anfang eines möglichen jahrelangen Kampfes, um in Venezuela eine Revolution zu entfachen, aber die Ausbilder haben beim „Schlächter des Balkans“ Erfahrungen gesammelt. Sie besitzen immense Fähigkeiten. Wenn Sie feststellen, dass Studenten an fünf Universitäten in Venezuela gleichzeitig demonstrieren, dann wissen Sie, dass die Ausbildung abgeschlossen ist und die wirkliche Arbeit beginnt.“

Die Geburt der Regime-Change-Kadergruppe „Generation 2007”

Die wirkliche Arbeit begann zwei Jahre später, 2007, als Guaidó sein Studium an der Katholischen Universität Andrés Bello in Caracas abgeschlossen hatte. Er zog nach Washington DC, um sich an der George-Washington-University für ein Studium in „Governance and Political Management“ einzuschreiben, bei dem venezolanischen Ökonomen Luis Enrique Berrizbeitia, einem lateinamerikanischen Spitzenökonomen neoliberaler Ausrichtung. Berrizbeitia war früher Chef des International Monetary Fund (IMF) und verbrachte unter der alten oligarchischen Herrschaft, die durch Chavez beendet wurde, mehr als ein Jahrzehnt in Venezuela, wo er im Energiesektor tätig war.

In diesem Jahr half Guaidó bei der Organisation regierungsfeindlicher Demonstrationen, nachdem die venezolanische Regierung sich geweigert hatte, die Lizenz von Radio Caracas Televisión (RCTV) zu erneuern.

Dieser Privatsender hatte eine führende Rolle beim Putsch gegen Chavez 2002 gespielt. RCTV half bei der Mobilisierung für regierungsfeindliche Demonstranten, gab gefälschte Informationen heraus, legte den Unterstützern der Regierung Gewalttaten zur Last, die Oppositionelle begangen hatten, und unterbrach während des Staatsstreiches jede regierungsfreundliche Berichterstattung. Die Rolle von RCTV und anderer Sender, die sich im Besitz von Oligarchen befanden, wurde in der gefeierten Dokumentation „The Revolution will not be televised“ aufgezeigt.

In demselben Jahr behaupteten die Studenten, das Verfassungsreferendum für einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ verhindert zu haben, der versprach, „den rechtlichen Rahmen für die politische und soziale Reorganisation des Landes zu etablieren, in dem organisierte Gemeinwesen unmittelbare Macht erhalten, ein neues Wirtschaftssystem zu entwickeln.“

Mit den Protesten um RCTV und um das Referendum war eine neue Klasse von US-unterstützten Spezialkadern und Regime-Change-Aktivisten geboren. Sie nannten sich „Generation 2007.

Die Ausbilder dieser Zelle von Stratfor und CANVAS identifizierten Guaidós Mitkämpfer – einen libertären Organisator politischer Aktionen namens Yon Goicoechea – als eine „Schlüsselfigur” bei der Niederschlagung des Verfassungsreferendums. Im folgenden Jahr wurde Goicochea für seine Bemühungen mit dem „Prize for Advancing Liberty“ des Cato-Institutes von Milton Friedmann ausgezeichnet. Die damit verbundenen 500 000 Dollar investierte er sofort in den Aufbau eines politischen Netzwerks.

Friedmann war bekanntlich der Ziehvater der notorischen neoliberalen Chicago Boys, die vom Präsidenten der Junta, Augusto Pinochet, nach Chile eingeflogen wurden, um die radikale fiskale Austeriätspolitik im Sinne der Schock-Doktrin zu implementieren. Und das Cato-Institut ist der libertäre Think-Tank, in Washington DC von den Koch-Brüdern gegründet, den größten Sponsoren der Republikanischen Partei, die zu aggressiven Unterstützern der rechten Politik in Lateinamerika wurden.

WikiLeaks veröffentlichte 2007 eine E-Mail des amerikanischen Botschafters in Venezuela, William Brownfield, an das Außenministerium, den Nationalen Sicherheitsrat und das Department of Defense Southern Command. Er lobte „Generation of ’07”, weil sie „den venezolanischen Präsidenten, der es gewohnt ist, die politische Agenda festzulegen, gezwungen hat (über)zureagieren.“
Zu den „aufstrebenden Führern”, die Brownfield identifizierte, gehörten Freddy Guevara und Yon Goicoechea. Er applaudierte dem Letzteren als „einem der klarsten Verteidiger bürgerlicher Freiheiten”.

Ausgestattet mit dem Geld libertärer Oligarchen und den Soft-Power-Waffen der US-Regierung trugen die radikalen venezolanischen Kaderorganisationen die Otpor-Taktik auf die Straße, zusammen mit dem Logo der Gruppe:

„Öffentliche Unruhen instrumentalisieren… um Vorteile aus der Situation zu ziehen und sie gegen Chavez wenden.“

2009 veranstalteten die jungen Aktivisten der Generation 2007 ihre bislang provokativste Demonstration. Sie ließen auf der Straße ihre Hosen fallen, entblößten ihr Gesäß und wandten die Guerilla-Theater-Taktik aus Gene Sharps Regime-Change-Handbüchern an.
Die Demonstranten hatten gegen die Festnahme eines Verbündeten aus einer anderen Gruppe junger Aktivisten namens JAVU mobilisiert. Diese rechtsextreme Gruppe „sammelte Gelder aus einer Vielzahl von US-Regierungsquellen, das es ihr ermöglichte, schnell als die Hardliner im Straßenkampf der Opposition bekannt zu werden“, so George Ciccariello-Maher in seinem Buch „Building the Commune“.

Obwohl keine Videos der Proteste verfügbar sind, identifizierten viele Venezolaner Guaidó als einen der wichtigsten Teilnehmer der Demonstration. Der Vorwurf ist zwar unbestätigt, aber durchaus plausibel. Die Protestierenden, die ihre nackten Hinterteile zeigten, waren Mitglieder des inneren Kerns der Generation 2007, zu dem Guaidó gehörte, und sie trugen T-Shirts mit ihrem Logo Resistencia! Venezuela!, wie auf dem Foto zu sehen ist.

In dem Jahr exponierte sich Guaidó auf andere Weise in der Öffentlichkeit und gründete eine politische Partei, um die Anti-Chavez-Energie zu nutzen, die seine Generation 2007 aufgebaut hatte. Partei des Volkswillens (Partido de la Voluntad Popular) war ihr Name, angeführt wurde sie von Leopoldo López, einem in Princeton ausgebildeten rechten Hitzkopf, der stark verwickelt war in die Programme von National Endowment for Democracy und zum Bürgermeister eines Bezirks in Caracas gewählt wurde, einem der reichsten Bezirke des Landes.
Lopez war ein Abbild der venezolanischen Aristokratie, ein direkter Abkömmling des ersten Präsidenten seines Landes. Er war auch ein Cousin ersten Grades von Thor Halvorssen, dem Gründer der in den USA ansässigen Human Rights Foundation, die als De-facto-Propagandainstrument für die US-unterstützten Aktivisten gegen die Regierungen der Ländern fungiert, die von Washington für einen Regime-Change vorgesehen sind.

Obwohl Lopez’ Interessen praktisch mit denen Washingtons identisch waren, wies die von WikiLeaks veröffentlichte US-amerikanische diplomatische Korrespondenz auf seine fanatischen Tendenzen hin, die letztendlich zu einer Marginalisierung der Partei führen sollten. Ein Schreiben identifizierte Lopez als „eine spalterische Figur innerhalb der Opposition … die oft als arrogant, rachsüchtig und machthungrig beschrieben wird“. Andere Schreiben betonten seine Besessenheit von Straßenkämpfen und seine „kompromisslose Herangehensweise“ als Ursache von Spannungen mit anderen Oppositionsführern, deren vorrangige Ziele Einheit und Beteiligung an den demokratischen Institutionen des Landes waren.

Im Jahr 2010 nutzten die Partei des Volkswillens und ihre ausländischen Geldgeber die größte Dürre, die Venezuela seit Jahrzehnten heimgesucht hatte. Aufgrund des Mangels an Wasser, das für den Betrieb von Wasserkraftwerken benötigt wurde, kam es zu einer enormen Stromknappheit im Land. Eine weltweite wirtschaftliche Rezession und sinkende Ölpreise verstärkten die Krise und auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung.

Stratfor und CANVAS – wichtige Berater von Guaidó und seiner regierungsfeindlichen Kadertruppe – hatten einen schockierend zynischen Plan entwickelt, um einen Dolch ins Herz der bolivarischen Revolution zu stoßen. Bereits im April 2010 waren 70 Prozent der Stromversorgung zusammengebrochen.

„Dies könnte ein Wendepunkt sein, da Chavez wenig tun kann, um die Armen vor dem Zusammenbruch des Systems zu schützen”, war in einem internen Memo von Stratfor zu lesen. „Die Folge könnte das Aufkommen öffentlicher Unruhen sein und keine Oppositionsgruppe könnte sie besser schüren. Das ist beste Zeitpunkt für eine Oppositionsgruppe, die Situation zu nutzen und sie gegen Chavez und zum eigenen Vorteil zu wenden.“

Zu diesem Zeitpunkt erhielt die venezolanische Opposition laut US-amerikanischen Behörden von US-Regierungsorganisationen wie USAID und dem National Endowment for Democracy die beeindruckende Summe von 40 bis 50 Millionen Dollar pro Jahr. Auch die eigenen Auslandskonten warfen hohe Renditen ab.

Während sich das von Stratfor anvisierte Szenario nicht verwirklichen ließ, distanzierten sich die Aktivisten der Partei des Volkswillens und ihre Verbündeten von jeglichem Anspruch auf Gewaltlosigkeit und bekannten sich zu einem radikalen Plan zur Destabilisierung des Landes.

Auf dem Weg zur gewaltsamen Destabilisierung

Laut E-Mails venezolanischer Geheimdienste, die im November 2010 vom ehemaligen Justizminister Miguel Rodríguez Torres veröffentlicht wurden, nahmen Guaidó, Goicoechea und mehrere andere studentische Aktivisten an einem geheimen fünftägigen Training in einem Hotel namens „Fiesta Mexicana“ in Mexiko teil.
Das Training wurde von Otpor durchgeführt, dem Regime-Change-Unternehmen aus Belgrad, das von der US-Regierung gesponsert wurde. Berichten zufolge war die Veranstaltung von Otto Reich, einem fanatischen Castro-Gegner im Exil, der im State Department von George W. Bush arbeitete, und dem rechtsgerichteten kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe abgesegnet. Bei den Treffen, so heißt es in den E-Mails, brüteten Guaidó und seine Mitstreiter einen Plan aus, Präsident Hugo Chavez zu stürzen, indem sie chaotische Zustände durch immer wieder aufbrechende gewaltsame Straßenkämpfe herbeiführten.

Drei Galionsfiguren der Erdölindustrie – Gustavo Torrar, Eligio Cedeño und Pedro Burelli – hatten angeblich die Kosten von 52 000 Dollar für das Meeting übernommen. Torrar bezeichnet sich selbst als „Menschenrechtsaktivist“ und „Intellektuellen“, dessen jüngerer Bruder Reynaldo Tovar Arroyo der Repräsentant des privaten mexikanischen Öl- und Gas-Unternehmens Petroquimica del Golfo in Venezuela war, das vertragliche Verbindungen mit dem Staat Venezuela hat.

Cedeño ist seinerseits ein geflüchteter venezolanischer Geschäftsmann, der in den USA Asyl beantragt hat und Pedro Burelli ist ehemaliger JP-Morgan-Manager und ehemaliger Direktor des venezolanischen staatlichen Ölunternehmens Petroleum of Venezuela (PDVSA). Er trennte sich 1998 von der Firma, als Hugo Chavez an die Macht kam, und ist Mitglied des Beirats des Latin America Leadership Program der Georgetown Universität.

Burelli insistierte, dass die E-Mails, in denen er seine Teilnahme detailliert beschrieb, gefälscht seien. Er beauftragte sogar einen Privatdetektiv, um dies zu beweisen. Der Ermittler erklärte, die Google-Protokolle zeigten, dass die Mails angeblich nie abgeschickt worden seien. Heute macht Burelli kein Geheimnis aus seinem Wunsch, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro abgesetzt zu sehen. Nach seinen Vorstellungen soll er sogar durch die Straßen geschleift und von einem Bajonett aufgespießt werden, genau wie es bei dem libyschen Führer Moammar Gaddafi durch die NATO-gestützten Milizen geschah.

Update: Burelli kontaktierte das Grayzone-Magazin nach der Veröffentlichung dieses Artikels, um seine Beteiligung an der Fiesta-Mexicana-Geschichte zu erläutern.

Burelli nannte das Meeting „eine legitime Aktion“, die in einem Hotel mit einem anderen Namen in Mexiko stattfand.

Auf die Frage, ob Otpor das Treffen koordinierte, stellte er lediglich fest, dass er die Arbeit von Otpor/CANVAS „schätzt“ und obwohl er sie nicht finanziell fördert, habe er bereits „Aktivisten aus verschiedenen Ländern empfohlen, ihre Arbeit zu verfolgen und an den von ihnen angebotenen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern teilzunehmen.“

Burelli fügte hinzu: „Das Einstein-Institut trainierte Tausende [Aktivisten] öffentlich in Venezuela. Gene Sharpes Philosophie wurde weithin studiert und übernommen. Und vermutlich sorgte sie dafür, dass die Unruhen nicht in einen Bürgerkrieg ausarteten.”

Die angebliche Fiesta-Mexicana-Verschwörung floss ein in einen weiteren Destabilisierungsplan, der in einer Reihe von Dokumenten, die die venezolanische Regierung veröffentlichte, enthüllt wurde. Im Mai 2014 veröffentlichte Caracas Dokumente, in denen ein Attentat gegen Präsident Nicolás Maduro beschrieben wurde.
Die Veröffentlichung ließ erkennen, dass der Anti-Chavez-Hardliner Maria Corina Machado dahinter steckte – heute der wichtigste Handlanger von Senator Marco Rubio. Als Gründer der vom National Endowment for Democracy finanzierten Gruppe „Sumate“ fungierte Machado als internationaler Verbindungsmann der Opposition, der 2005 Präsident George W. Bush besuchte.

„Ich denke, es ist an der Zeit, die Anstrengungen zu verstärken. Erledigen Sie die notwendigen Anrufe und sorgen Sie für die Finanzmittel, um Maduro zu vernichten, und alles Andere wird sich lösen“, schrieb Machado 2014 an den ehemaligen venezolanischen Diplomaten Diego Arria.

In einer anderen E-Mail behauptete Machado, der gewaltsame Plan sei von dem US-Botschafter in Kolumbien, Kevin Whitaker, abgesegnet. „Ich habe mich bereits entschieden und dieser Kampf wird fortgesetzt, bis dieses Regime gestürzt ist und wir unseren Freunden in der Welt liefern können. Wenn ich nach San Cristobal ginge und mich vor die OAS stellte, ich hätte nichts zu befürchten. Kevin Whitaker hat seine Unterstützung bereits bestätigt und die nächsten Schritte beschrieben. Wir haben mehr Geld als das Regime, um den internationalen Sicherheitsring zu durchbrechen.”

Guaidó geht auf die Barrikaden

In Februar errichteten studentische Demonstranten, die als Stoßtrupp der im Exil lebenden Oligarchen fungierten, im ganzen Land gewaltsam Barrikaden und verwandelten die von der Opposition kontrollierten Quartiere in aggressive Festungen, die als Guarimbas bekannt wurden. Während internationale Medien den Aufruhr als spontanen Protest gegen Maduros eiserne Faust darstellten, gab es zahlreiche Beweise dafür, dass die Partei des Volkswillens die Show inszeniert hatte.
„Keiner der Demonstranten an den Universitäten trug ein Universitäts-T-Shirt, sie trugen alle T-Shirts mit dem Logo der Partei des Volkswillen oder von Gerechtigkeit Jetzt”, sagte ein Guarimba-Teilnehmer damals. “Es waren vielleicht Studentengruppen, aber die Studentenräte sind mit den Oppositionsparteien verbunden und sind ihnen Rechenschaft schuldig.”

Auf die Frage nach den Rädelsführen sagte der Guarimba-Teilnehmer: “Wenn ich ganz ehrlich bin, diese Leute sind jetzt Abgeordnete.”

Etwa 43 Menschen wurden 2014 bei den Guarimbas getötet. Drei Jahre später gab es neue Ausbrüche und es kam zu massenhafter Zerstörung der öffentlichen Infrastruktur, der Ermordung von Unterstützern der Regierung und 126 Toten, von denen die meisten Chavez-Anhänger waren. In einigen Fällen wurden die Regierungsanhänger von bewaffneten Gangs lebendig verbrannt.

2014 war Guaidó direkt an den Guarimbas beteiligt. Tatsächlich twitterte er ein Video, das ihn mit Helm und Gasmaske zeigte, umgeben von maskierten und bewaffneten Elementen, die eine Autobahn blockiert hatten und in einen gewaltsamen Zusammenstoß mit der Polizei verwickelt waren. Bezug nehmend auf seine Mitgliedschaft bei der Generation 2007 proklamierte er: „Ich erinnere mich an 2007. Damals proklamierten wir ‘Studenten!’ Jetzt rufen wir ‘Widerstand!Widerstand!’“

Guaido löschte den Tweet in offensichlicher Sorge um sein Image als Verteidiger der Demokratie.

Am 12. Februar 2014, in der heißen Phase der Guarimbas in diesem Jahr, ging Guaidó während des Wahlkampfs der Partei und von Gerechtigkeit Jetzt! zu Lopez auf die Bühne. Während einer sehr langen Hetzrede gegen die Regierung drängte Lopez die Menge zum Marsch auf das Gebäude der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz. Bald darauf wurde Diaz’ Büro von bewaffneten Banden angegriffen, die es in Brand zu setzen versuchten. Sie verurteilte die Aktion als „geplante und vorsätzliche Gewalt”.

Bei einem Fernsehauftritt im Jahr 2016 bezeichnete Guaidó die Todesfälle infolge von Guayas – einer Guarimba-Taktik, bei der Stahldraht über eine Fahrbahn gespannt wird, um Motorradfahrer zu verletzen oder zu töten – als „Mythos“. Seine Kommentare verharmlosten eine fatale Taktik, durch die Zivilisten wie Santiago Pedroza getötet und neben vielen Anderen ein Mann namens Elvis Durán enthauptet wurde.

Diese abscheuliche Missachtung des menschlichen Lebens sollte seine Partei des Volkswillens in den Augen eines Großteils der Öffentlichkeit einschließlich vieler Gegner von Maduro kennzeichnen.

Die Regierung zeigt Härte gegen die Partei des Volkswillens

Die Eskalation der Gewalt und die politische Polarisierung im ganzen Land veranlasste die Regierung, gegen die Parteiführer vorzugehen, die die Eskalation geschürt hatten. Freddy Guevara, Vizepräsident der Nationalversammlung und stellvertretender Vorsitzender der Partei des Volkswillens, war einer der Anführer bei den Straßenkrawallen 2017. Angesichts des drohenden Prozesses wegen seiner Rolle bei den Aufständen suchte er Zuflucht in der chilenischen Botschaft, wo er sich immer noch aufhält.

Ester Toledo, ein Abgeordneter der Partei aus dem Bundesstaat Zulia, wurde im September 2016 von der venezolanischen Regierung wegen Terrorfinanzierung und der Planung von Mordanschlägen gesucht. Er soll die Mordpläne gemeinsam mit dem ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Álavaro Uribe entwickelt haben. Toledo floh aus Venezuela und hielt Vorträge bei Human Rights Watch, bei dem von der US-Regierung unterstützten Freedom House, dem spanischen Kongress und dem Europäischen Parlament.

Carlos Graffe, ein weiteres von Otpor ausgebildetes Mitglied der Generation 2007, das die Partei führte, wurde im Juli 2017 festgenommen. Laut Polizei war er im Besitz einer Tasche, in der sich Nägel, der Sprengstoff C4 und ein Zünder befand. Er wurde am 27. Dezember 2017 freigelassen.

Leopoldo Lopez, der langjährige Vorsitzende der Partei, steht heute unter Hausarrest wegen seiner Schlüsselrolle bei der Tötung von 13 Personen bei den Guarimbas 2014. Amnesty International lobte ihn als „Gefangenen mit gutem Gewissen“ und verurteilte seine Verlegung vom Gefängnis in sein Haus als „nicht ausreichend“. Mittlerweile initiierten Angehörige der Opfer eine Petition für eine höhere Strafe.

Yon Goicoechea, der Posterboy der Koch-Brüder, wurde 2016 von Sicherheitskräften festgenommen, weil sie angeblich ein Kilogramm Sprengstoff in seinem Wagen gefunden hatten. In einem Kommentar der New York Times protestierte Goicoechea, die Beschuldigungen seien „frei erfunden“, und behauptete, er sei nur wegen seines „Traumes von einer demokratischen Gesellschaft, frei von Kommunismus“ in Haft. Er wurde im November 2017 entlassen.

David Smolansky, ebenfalls Mitglied der ursprünglich von Otpor ausgebildeten Generation 2007, wurde der jüngste Bürgermeister von Venezuela, als er 2013 in dem wohlhabenden Vorort El Hatillo gewählt wurde. Er musste jedoch zurücktreten und wurde vom Obersten Gerichtshof zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er für schuldig befunden wurde, bei den Guarimbas Gewalt angestachelt zu haben.

Als die Gefängnisstrafe drohte, rasierte sich Smolansky den Bart ab, setzte eine Sonnenbrille auf und verschwand, als Priester verkleidet, nach Brasilien, mit einer Bibel in der Hand und einem Rosenkranz um den Hals. Heute lebt er in Washington, DC, wo er vom Sekretär der Organisation der Amerikanischen Staaten, Luis Almagro, auserkoren wurde, die Arbeitsgruppe über die venezolanische Migrations- und Flüchtlingskrise zu leiten.

Am 26. Juli vergangenen Jahres veranstaltete Smolansky ein von ihm so genanntes „freundschaftliches Wiedersehen“ mit Elliot Abrams, dem verurteilten Verbrecher aus der Iran-Contra-Affäre, der von Trump als Sondergesandter in Venezuela eingesetzt wurde. Abrams war für die Überwachung der geheimen US-Politik der Bewaffnung der rechten Todesschwadronen in Nicaragua, El Salvador und Guatemala zuständig.
Seine wichtige Rolle bei dem Putsch in Venezuela lässt befürchten, dass ein weiterer blutiger Stellvertreterkrieg bevorsteht.

Vier Tage davor hatte Machado Maduro ein weiteres Mal gedroht und ihm erklärt, wenn er „sein Leben retten will, sollte er verstehen, dass seine Zeit abgelaufen ist”.

Ein Bauer im Spiel

Der Zusammenbruch der Partei des Volkswillens unter dem Gewicht der von ihr inszenierten gewaltsamen Destabilisierungskampagne entfremdete große Teile der Öffentlichkeit von ihr und brachte ihr Führungspersonal ins Exil oder in Haft. Guaidó spielte dabei eine untergeordnete Rolle, da er die meiste Zeit seiner neunjährigen Karriere als Abgeordneter in der Nationalversammlung verbracht hatte.
Guaidó, der aus einem der dünn besiedelten Bundesstaaten Venezuelas stammt, erreichte bei den Parlamentswahlen 2015 den zweiten Platz und gewann nur 26 Prozent der abgegebenen Stimmen, um seinen Platz in der Nationalversammlung halten. In der Tat war sein Hintern vielleicht bekannter als sein Gesicht.

Guaidó ist bekannt als Präsident der von der Opposition dominierten Nationalversammlung, aber er wurde nie in diese Position gewählt. Die vier Oppositionsparteien, aus denen sich der Runde Tisch der Demokratischen Einheit zusammensetzte, hatten sich auf eine rotierende Präsidentschaft geeinigt. Die Partei des Volkswillens war an der Reihe, aber ihr Gründer Lopez stand unter Hausarrest. Unterdessen hatte sein Stellvertreter, Guevara, in der chilenischen Botschaft Zuflucht gesucht. Eine Figur namens Juan Andrés Mejía wäre als Nächster an der Reihe gewesen, aber aus Gründen, die erst jetzt klar sind, wurde Juan Guaidó ausgewählt.

“Der Aufstieg von Guaidó hat etwas mit der Klasse zu tun”, bemerkte der venezolanische Analyst Sequera. „Mejía ist erstklassig, hat an einer der teuersten Privatuniversitäten in Venezuela studiert, aber er konnte nicht so leicht der Öffentlichkeit verkauft werden wie Guaidó. Zum einen hat Guaidó Mestizo-Gesichtszüge, wie die meisten Venezolaner, und er erscheint eher wie ein Mann aus dem Volk. Zum Anderen stand er nicht so sehr im Mittelpunkt des Medieninteresses, so dass man aus ihm so ziemlich alles formen konnte.“
Im Dezember 2018 schlich sich Guaidó über die Grenze und machte Ausflüge nach Washington, Kolumbien und Brasilien, um die Pläne für Massendemonstrationen während der Amtseinführung von Präsident Maduro zu koordinieren. In der Nacht vor Maduros Vereidigung riefen der US-Vizepräsident Mike Pence und die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland Guaidó an, um ihn ihrer Unterstützung zu versichern. Eine Woche später schlossen sich Senator Marco Rubio, Senator Rick Scott und der Abgeordnete Mario Diaz-Balart – alles Abgeordnete aus dem Stützpunkt der rechten kubanischen Exil-Lobby in Florida – Präsident Trump und Vizepräsident Pence im Weißen Haus an. Auf ihre Bitte hin stimmte Trump zu, Guaidó zu unterstützen, wenn er sich selbst zum Präsidenten erklärt.
US-Außenminister Mike Pompeo traf sich laut Wall Street Journal am 10. Januar persönlich mit Guaidó. Pompeo konnte den Namen von Guaidó jedoch nicht aussprechen, als er ihn am 25. Januar in einer Pressekonferenz erwähnte und ihn “Juan Guido” nannte.

Bis zum 11. Januar wurde Guaidós Wikipedia-Eintrag 37-mal verändert, in dem Bemühen, das Image der zuvor unbekannten Figur aufzupeppen, die nun ein Tableau für Washingtons Regime-Change-Ambitionen darstellte. Schließlich wurde die Redaktion für seinen Eintrag dem elitären Gremium der “Bibliothekare” von Wikipedia übergeben, das ihn zum “umstrittenen” Präsidenten von Venezuela erklärte.

Guaidó ist vielleicht eine obskure Figur, aber er kombiniert Radikalismus mit Opportunismus und erfüllt so die Bedürfnisse Washingtons.
“Dieses Puzzlestück fehlte”, sagte ein Vertreter der Trump-Administration über Guaidó. “Er war das Stück, das wir brauchten, damit unsere Strategie kohärent und vollständig wird.”

“Zum ersten Mal”, frohlockte Brownfield, der ehemalige amerikanische Botschafter in Venezuela, gegenüber der New York Times, “haben wir einen Oppositionsführer, der den Streitkräften und den Strafverfolgungsbehörden klar signalisiert, dass er sie auf der Seite der Engel und der Guten halten will. “

Aber Guaidós Partei des Volkswillens bildete die Stoßtruppen der Guarimbas, die den Tod von Polizeibeamten und einfachen Bürgern verursachten. Er rühmte sich sogar, selbst an den Straßenkämpfen beteiligt gewesen zu sein.
Und jetzt muss er diese blutige Geschichte auslöschen, um Herz und Verstand von Militär und Polizei zu gewinnen.

Am 21. Januar, einen Tag bevor es mit dem Putsch ernst wurde, hielt Guaidós Frau eine Video-Ansprache, in der sie das Militär aufforderte, sich gegen Maduro zu erheben. Ihr Auftritt war hölzern und und nicht gerade inspirierend, was auch die politischen Grenzen ihres Mannes unterstreicht.

Während Guaidó auf direkte Hilfe wartet, bleibt er das, was er schon immer war – ein Lieblingsprojekt von zynischen Kräften aus dem Ausland.
“Es spielt keine Rolle, ob er nach all diesen Missgeschicken abstürzt und verbrennt”, sagte Sequera im Staatsfernsehen. “Für die Amerikaner ist er entbehrlich.”

** Zu Farbrevolutionen siehe auch https://josopon.wordpress.com/2014/09/21/cia-in-der-ukraine-freedom-and-democracy/

 

Jochen