Schädlicher Freihandel – Wie die EU Kamerun aussaugen will

Aktuelles Gegenargument zu TTIP hier:

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59231

Auszüge:

Das vor der Umsetzung stehende sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Kamerun wird das afrikanische Land weiter in die Armut treiben. Dies erklärt die Generalsekretärin der kamerunischen Bürgerorganisation ACDIC, Yvonne Takang, gegenüber german-foreign-policy.com. Takang warnt, das Abkommen (Economic Partnership Agreement, EPA), das auf Druck aus Brüssel im vergangenen Jahr in einer Nacht- und Nebel-Aktion ratifiziert wurde, schade Kamerun „in der Landwirtschaft und bei der regionalen Integration“; auch stehe es einer etwaigen Industrialisierung des Landes im Wege. Takang kündigt Widerstand gegen die Umsetzung des Abkommens an. Die EU bemüht sich bereits seit dem Jahr 2002, mit den ehemaligen europäischen Kolonien Afrikas, der Karibik und der Pazifikregion EPAs zu schließen – mit dem Ziel, Märkte für europäische Unternehmen zu öffnen, attraktive Investitionsgelegenheiten zu schaffen und günstige Rohstoffimporte zu sichern. Die geplante Deregulierung lässt die schwächeren Nationalökonomien Afrikas ohne Schutz. Bekanntes Beispiel für die Folgen, die dabei drohen, ist die einheimische Produktion von Hühnerfleisch in Ghana, die nach der Öffnung des westafrikanischen Landes für europäische, auch deutsche Geflügelexporte faktisch zusammengebrochen ist. Profitiert haben hingegen deutsche Schlachtereien, die ihre Hähnchen-Ausfuhren und ihren Gewinn deutlich steigern konnten.

Die EPAs

Die Economic Partnership Agreements (EPAs) stehen seit 2002 auf der Tagesordnung der EU-Außenwirtschaftspolitik. Damals hatte Brüssel Verhandlungen darüber mit den sogenannten AKP-Staaten aufgenommen. Die AKP-Staaten sind 79 zumeist ärmere Länder Afrikas, der Karibik und der Pazifikregion, darunter vor allem ehemalige europäische Kolonien; bei den EPAs handelt es sich um Freihandelsabkommen, die im Wesentlichen darauf abzielen, die Exportchancen von Unternehmen aus der EU zu verbessern, ihnen attraktivere Investitionsbedingungen in den AKP-Staaten zu sichern und darüber hinaus die Einfuhren aus der AKP-Region – in hohem Maße sind dies Agrarprodukte und Rohstoffe für Europas Industrie – zu verbilligen. Offiziell heißt es etwa im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), die EPAs seien notwendig, um die Handelsbeziehungen zwischen beiden Seiten auf eine WTO-konforme Grundlage zu stellen.[1] Tatsächlich enthalten die EPAs Regelungen, die deutlich über WTO-Standards hinausgehen (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Sie sind Teil der „Global Europe“-Strategie, die von der EU-Kommission im Jahr 2006 formuliert wurde und die europäische Wirtschaft in der globalen Konkurrenz möglichst an die Spitze bringen soll.[3] Die Strategie ist auch von deutschen Organisationen wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geprägt worden.

Verbotenes Dumping

Welche Gefahren ein umfassender Freihandel für die dann ungeschützten Nationalökonomien der AKP-Staaten mit sich brächte, zeigte sich exemplarisch schon vor Jahren in drastischer Weise am Niedergang der Geflügelproduktion in mehreren Staaten Westafrikas. In Ghana etwa, wo der Geflügelbedarf Anfang der 1990er Jahre noch weitgehend aus eigener Herstellung gedeckt werden konnte, lag die Kapazitätsauslastung der einheimischen Schlachthöfe im Jahr 2003 nur noch bei 25 Prozent. 2011 hieß es, die Produktion von Hühnerfleisch in Ghana sei „komplett zusammengebrochen“ [4]; bis zu 100.000 Arbeitsplätze seien verlorengegangen. Ursache war, dass einheimische Geflügelzüchter wegen unzureichenden Schutzes durch Zölle nicht mehr mit den hochsubventionierten Schlachthöfen aus den EU-Staaten konkurrieren konnten. Umgekehrt waren deutsche Schlachtereien in der Lage, ihre Exporte stark auszuweiten. Führten sie im Jahr 2000 lediglich 5.000 Tonnen Geflügel in afrikanische Länder aus, so lieferten sie 2011 bereits 19.000 Tonnen; 2012 verkauften sie bereits knapp 43 Millionen Tonnen Hähnchen an Staaten südlich der Sahara. Durch „verbotenes Dumping“ würden insbesondere Kleinbauern in Westafrika vollständig vom Markt „verdrängt“, kritisierte die evangelische Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ im Jahr 2013: „Mit Importpreisen von circa 80 Eurocent pro Kilo“ könnten sie „nicht konkurrieren“.[5]

Teile und herrsche

Entsprechend hat es insbesondere in afrikanischen Ländern von Anfang an Widerstände gegen die Unterzeichnung der EPAs gegeben – anders als in der Karibik, mit der im Jahr 2007 wie geplant ein solches Abkommen auf regionaler Ebene unterzeichnet werden konnte. Weil die Verhandlungen mit den Staaten Afrikas schleppend liefen, setzte Brüssel nach einigen Jahren den Abschluss sogenannter Interim-EPAs mit einigen Ländern durch, darunter etwa Ghana und Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste). Mit ihnen sollten in einer Art „Teile und herrsche“-Strategie Standards festgelegt werden, die bei der anvisierten Verabschiedung regionaler EPAs, so beispielsweise eines Abkommens mit dem westafrikanischen Wirtschaftsbündnis ECOWAS, nicht mehr auszuhebeln waren.
2014 erhöhte die EU ihren Druck und kündigte an, zum 1. Oktober 2014 sämtlichen AKP-Staaten, die „keine wirkliche Absicht zeigten“, die EPAs „zu unterzeichnen und zu ratifizieren“, den Marktzugang in Europa zu erschweren.[6]
Der Druck hat unter anderem dazu geführt, dass Kameruns Parlament das Abkommen im Juli 2014 in einer Nacht- und Nebel-Aktion ratifizierte – in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause kurz vor Mitternacht.[7]
Die EU drängt Kamerun nun, weitere Länder Zentralafrikas zur Unterzeichnung zu veranlassen. Genannt werden unter anderem Gabun und Äquatorialguinea sowie die Demokratische Republik Kongo.

Widerstand

Dabei hält der Widerstand gegen die EPAs auch in Kamerun an. Schon seit Jahren macht sich dort unter anderem die Bürgerorganisation ACDIC (Association Citoyenne de Défense des Intérèts Collectifs) gegen das Abkommen stark. „Es wird definitiv zu mehr Armut führen“, warnt ACDIC-Generalsekretärin Yvonne Takang. Das EPA schade Kamerun „in der Landwirtschaft und bei der regionalen Integration“; so zwinge es faktisch „zur Aufgabe des Anbaus von Nahrungsmitteln, die wir selbst produzieren können“ – etwa Milch, Zucker und Speiseöl. Der Import von Dumping-Hühnerfleisch aus der EU, der zahllose Kleinbauern in Ghana ruinierte, habe nach langem Kampf gestoppt werden können, berichtet Takang; inzwischen gebe es wieder Bauern in Kamerun, die ihren Lebensunterhalt mit der Hühnerzucht verdienten. Man hoffe nun auf ähnliche Erfolge beim EPA. Immerhin habe es fünf Jahre gedauert, bis die Regierung die Vereinbarung ratifiziert habe: „Jetzt kämpfen wir dafür, dass das Abkommen nicht implementiert wird.“[8] Laut Aussage der EU soll es 2023 vollständig umgesetzt sein.

Kein Ausweg in Sicht

Allgemein stimmt Takang der Auffassung zu, die EU wolle die EPAs nutzen, um „sich Afrika als billigen Rohstofflieferanten zu erhalten und zugleich die Entwicklung eigener Industrien“ in Afrika „zu behindern“. Die Marktöffnung nutze einseitig den reichen europäischen Staaten, warnt die ACDIC-Generalsekretärin: „Selbst wenn die EU ihre Märkte zu tausend Prozent für uns öffnen würde, hätten wir kaum (industrielle, d. Red.) Produkte zu verkaufen. Die EU hingegen hat alle Möglichkeiten, unsere Märkte zu überschwemmen.“[9]
Auswege aus der Abhängigkeit Kameruns von den industriellen Wohlstandszentren Europas und aus der Armut wären bei einer Realisierung des EPA demnach weniger in Sicht denn je.
Bitte lesen Sie auch unser Interview mit Yvonne Takang.

Details von Freihandelsabkommen zwischen USA und Pazifikregion: Verheerende Folgen für Arbeiterrechte

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Es gibt immer mehr Gründe, den derzeitigen Geheimverhandlungen zu misstrauen, die ein Bundesminister einer ehemaligen deutschen Arbeiterpartei immer deutlicher propagiert:

https://www.jungewelt.de/2015/03-27/012.php
Auszüge:

Arbeiten wie in Asien

Wikileaks deckt Details von Freihandelsabkommen zwischen USA und Pazifikregion auf: Verheerende Folgen auch für Arbeiterrechte in Europa

Von André Scheer

Stop_TTPProtest gegen das transpazifische Freihandelsabkommen TPP im April 2014 in Tokio – Foto: AP Photo/Shizuo Kambayashi

Können chinesische Unternehmen künftig die US-Regierung verklagen und zu Gesetzesänderungen zwingen? Dieses Szenario zeichnet die New York Times in ihrer Donnerstagausgabe, nachdem die Enthüllungsplattform Wikileaks am Vortag einen Abschnitt der derzeit verhandelten »Transpazifischen Partnerschaft« (TPP) veröffentlicht hatte: https://wikileaks.org/tpp/pressrelease.html.
Dieses Abkommen ist das asiatisch-nordamerikanische Gegenstück zu dem in Geheimverhandlungen zwischen den USA und der EU beratenen Freihandelsabkommen TTIP.
Beteiligt an TPP sind neben den Vereinigten Staaten Japan, Mexiko, Kanada, Australien, Malaysia, Chile, Singapur, Peru, Vietnam, Neuseeland und Brunei. China ist nicht dabei, doch Unternehmen aus der Volksrepublik könnten – so die Befürchtung der New York Times – über Tochterunternehmen in einem Mitgliedsland die Mechanismen des Vertrags ausnutzen.

Hintergrund sind die Bestimmungen über die Einrichtung von transnationalen Schiedsgerichten, vor denen Firmen, die sich von nationalen Regelungen benachteiligt fühlen, Regierungen auf Schadensersatz in unbegrenzter Höhe verklagen können. Dazu müssen sie nicht einmal die vor Ort geltenden Rechtswege ausschöpfen.

»So bekommen ausländische Investoren mehr Rechte als nationale«, warnt die peruanische Tageszeitung La República.

Sorgen müssen sich zunächst vor allem die Lateinamerikaner machen. So wäre in Peru, Mexiko und Chile mit Inkrafttreten des TPP-Abkommens die Nationalisierung oder Verstaatlichung von »Investitionen«, wie sie in vergangenen Jahren etwa in Venezuela oder Bolivien vorgenommen wurden, ausdrücklich untersagt.
Grund für Schadensersatzforderungen wären dem 55 Seiten starken Papier zufolge auch soziale Konflikte oder nationale Gesetzesänderungen, zum Beispiel zum Schutz der Umwelt oder der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Es reicht, wenn »Investoren« ihre »Gewinnerwartungen« geschmälert sehen.

Es sind Bestimmungen, die ganz ähnlich auch für das TTIP-Abkommen zwischen EU und USA vorgesehen sind. Auch wenn derzeit Stimmen laut werden, die eine »Modernisierung« der Schiedsverfahren fordern, bleiben die realen Positionen durch die Geheimnistuerei der EU-Kommission weiter unklar.
Selbst Europaabgeordnete, die Einsicht in Teile von TTIP nehmen konnten, dürfen unter Strafandrohung nichts über dessen Inhalt mitteilen.
Zugleich dringen Brüssel und Berlin auf Eile. So forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang März bei ihrem Besuch in Tokio einen schnellen Abschluss des parallel beratenen Freihandelsabkommens zwischen Japan und der EU – ausdrücklich mit Blick auf TPP.
Der Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard, ging gegenüber Reuters noch weiter: »Wenn TPP fertig würde und das EU-USA-Abkommen (TTIP) nicht, dann wäre dies ein sehr großer Nachteil für die deutsche und europäische Wirtschaft. Dann könnten Sie die Weltkarte neu zeichnen – mit Europa nicht in der Mitte, sondern am Rand.«

Die deutschen Kapitalisten hoffen auf den großen Reibach: Noch sind die Standards in Südostasien oft geringer als in den USA, so dass dortige Schutzbestimmungen unter Druck geraten. Sind diese aber erst mal gefallen, können nordamerikanische Unternehmen von den Europäern ebenfalls eine Anpassung nach unten verlangen.
Bezahlen werden am Ende Beschäftigte und Verbraucher.

Für Interessierte im Raum Donau-Ries-Nordschwaben ein Veranstaltungshinweis:

„Freihandel“ ist ein Täuschungsbegriff: Es geht vor allem um Investitionen, d.h. „Inve­sti­tionshemmnisse“ aus Sicht der internationalen Investoren sollen beseitigt werden.
Arbeits- und Gewerkschaftsrechte sind solche Hemmnisse. Zudem sieht es auf die­sem Gebiet beim Verhandlungspartner USA besonders schlecht aus:
Auch deutsche Kon­zerne wie Daimler, VW, BMW und Bayer, die in den gewerkschaftsfreien US-Südstaaten von der dortigen Niedriglöhnerei profitieren, wollen diese Verhältnisse auch in Europa haben.

Selbst das Bundeskanzleramt schreibt in einem Brief: „Allerdings trifft es zu, dass der Regelungsspielraum der EU und der EU-Mitgliedsstaaten durch konkrete Vereinbarungen über eine engere transatlantischer Regulierungszusammenarbeit, etwa im Rahmen einer gegenseitigen Anerkennung von Standards, in teilen eingeschränkt werden können.“ Ein offenes Eingeständnis der Preisgabe politischer Souveränität.

TTIP und Arbeitnehmerrechte

Veranstaltung mit Werner Rügemer

am Donnerstag, 21. Mai 2015, 19.30 Uhr

im Gasthaus „Roter Ochse“

in Nördlingen, Baldinger Str. 17
Eintritt frei !

Veranstalter: Soziales Forum Nordschwaben

c/o Bernhard Kusche, 86754 Munningen

Für eine soziale und gerechte Gesellschaft,

für die Durchsetzung unseres Grundgesetzes, Artikel 13, Abs. 2:

Eigentum verpflichtet.

Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle aller dienen.