Reiner Braun in Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Sein Bericht auszugsweise auf den NachDenkSeiten https://www.nachdenkseiten.de/?p=92101

Reiner Braun, einer der führenden Köpfe der deutschen Friedensbewegung, ist im Spätherbst letzten Jahres nach Moskau gereist, um sich vor Ort Eindrücke von der Lage und der Stimmung der Menschen zu machen. Seine Gesprächspartner waren vor allem Angehörige der linken russischen Friedensbewegung, die den Krieg kritisieren. Anders als rechte Oppositionelle wie Nawalny kommen diese Stimmen in deutschen Medien jedoch nicht zu Wort.
Wir möchten Ihnen den Reisebericht von Reiner Braun nicht vorenthalten, da er viele interessante Gedanken enthält, auch wenn wir als Redaktion der NachDenkSeiten nicht alle seine Schlussfolgerung so teilen.

Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Lange habe ich gezögert, diese Reise zu machen – welchen Sinn kann sie haben, zu umständlich, zu teuer, zu unsicher.
Doch persönliche und politische Gründe haben mich dann doch bewogen, vom 22.11. bis zum 29.11.2022 über Baku nach Moskau zu reisen.
Ich wollte einen eigenen, ganz persönlichen, aber auch politischen Eindruck von der Situation bekommen, um besser beurteilen zu können, wie in „Moskau“ der Krieg gesehen wird, und weder auf die eine noch auf die andere Propaganda angewiesen zu sein.
Was ich jetzt aufschreibe, sind keine wissenschaftliche Arbeit oder wissenschaftliche Erkenntnisse, es sind Impressionen eines Besuches und persönliche Eindrücke, vermittelt durch eine Vielzahl von politischen und persönlichen Gesprächen in einer besonderen Zeit, die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geprägt ist.

Natürlich hat auch dieser Krieg eine Vorgeschichte oder besser eine jahrzehntelange westliche Provokation, genannt NATO-Osterweiterung. Und dieser Krieg hat auch nicht am 24.02.2022 begonnen, wahrscheinlich ist auch das Jahr 2014/2015 als Kriegsbeginn zu kurz gegriffen.
Erkenntnisfördernder ist, die Aussagen des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso als Grundlage zu nehmen, der 2008 in mehreren Reden und während seines Besuchs in Kiew deutlich machte, eine EU-Kooperation gibt es nur bei Abbruch der Beziehungen zu Moskau. Die EU wollte als Vorläufer für die damals politisch nicht durchsetzbare NATO-Mitgliedschaft die Ukraine in das „westliche Lager“ holen.
Dies war gedacht als Einstieg auch für eine NATO-Mitgliedschaft, die besonders von den USA immer angestrebt wurde. Dieses Ziel war verbunden mit einer massiven Militarisierung der Ukraine durch die NATO und auch der Schießkrieg gegen die „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“ ist Teil einer aggressiven westlichen Politik.
Die reaktionäre Regierung der Ukraine ab 2014 tat ein Übriges, die Situation zu verschärfen. All dies rechtfertigt aber nach der UN-Charta niemals einen präventiven Angriffskrieg gegen ein unabhängiges Land.

Ich reiste auch mit eigenen Erfahrungen der letzten Monate. Wohl selten war die Friedensbewegung so isoliert, so vielfältig, ja gespalten in der Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Krieg, auf den Wirtschaftskrieg, ja selbst bei der Ablehnung von Waffenlieferungen waren wir uns nicht einig.

Trotzdem waren wir auf den Straßen, lokal und regional, bei den Ostermärschen und am 1.10. bei den bundesweiten Protestaktionen und Demonstrationen.
Darüber wollte ich sprechen und für den Frieden werben.

Die Reise von Berlin nach Moskau dauerte viermal so lang, die Kontrolle an der Grenze war noch genauer – mein Jahresvisum wurde „auswendig gelernt“, sie war aber höflich und freundlich – wie immer.

Mit dem Zug vom Flughafen Domodedowo in die Stadt und mit der Metro in die Wohnung erbrachte die erste Überraschung – die Metro war um 22.00 Uhr leer. In all den vielen Jahren habe ich niemals eine leere Metro erlebt.
Auf meine erstaunte Frage wurde nachdenklich und besorgt erwidert: Ja, viele bleiben zu Hause, es gibt ja nichts Wirkliches zu feiern, Ausgehen ins Theater oder Kino ergibt für viele keinen Sinn – zu ernst ist die Lage. Es herrscht eine Verunsicherung, es wird nach all den Jahren, nach denen es uns doch besser ging (und das moderne Moskau ist ein Sinnbild dieser Entwicklung), wieder schlechter und schlimmer.
Kommen die desaströsen 90er Jahre zurück oder gar ein Atomkrieg? – Fragen und Sorgen, die prägen.

Besorgnis und Ernst, das ist die Stimmung, wie ein Dunstschleier liegt diese ernsthafte Besorgnis über der Stadt. Wird es noch gefährlicher, droht ein großer Krieg? – Ausgesprochen und unausgesprochen schwebt diese Frage über fast allen Diskussionen und Unterhaltungen. Erinnerungen werden wieder wach an den 2. Weltkrieg, an Erzählungen über ihn.
Das oberflächliche „wir leben weiter wie bisher“, es hat sich kaum etwas verändert, ist weniger als die halbe Wahrheit. Dieser Krieg lähmt – wie immer er auch eingeschätzt wird – und ist alles andere, nur nicht populär. Dieses gilt auch für die, die diesen Krieg für eine notwendige „begrenzte Militäroperation“ halten.

Oberflächlich normal erlebte ich vieles bei dem Spaziergang durch die weihnachtlich bunte und farbig geschmückte Moskauer Innenstadt mit dem entsprechenden „Konsumrausch“ des Einkaufens, oder dass in der letzten Oktoberwoche die zweite russische Konferenz zu aktuellen Theoriefragen „Marxismus und Russland“ an der Lomonossow-Universität stattfand oder die intensive Debatte um ein „nachhaltiges Moskau“.
Normal auch die wie immer in den letzten Jahren gut gefüllten Supermärke, ausgetauscht wurden spezifische Produkte. Anstelle des kaum trinkbaren, billigen deutschen Weins gibt es jetzt zunehmend schmackhaften chilenischen und südafrikanischen Wein. Der Danone-Joghurt wird ersetzt durch Joghurt aus der Türkei und den Golfstaaten.
Die Inflationsrate ist leicht zurückgegangen von ca. 15 Prozent auf 11 Prozent, der Umtauschkurs des Rubels (soweit überhaupt getauscht wird) hat sich für uns gegenüber dem Zeitraum von vor 2 Jahren deutlich verschlechtert (damals 1 Euro zu 57 Rubel, heute zu 1 Euro zu 22).

Trotzdem trifft der Wirtschaftskrieg Sektionen der russischen Industrie, besonders die sowieso gering entwickelte High-Tech-Industrie, die Elektronik, die Halbleiterproduktion, die Entwicklung moderen Algorithmen und weiteres. Nur ruinieren wird das Russland nicht und zusammenbrechen wird Russland erst recht nicht. Aber viele und neue Schwierigkeiten wird es geben. Die Einschätzungen wissenschaftlicher Institute sind da durchaus skeptisch.

Meine Gespräche in Moskau

Ich habe neben vielfältigen persönlichen Kontakten und Gesprächen mit Personen aus der Akademie der Wissenschaften, der Universität (Studierende und Hochschullehrer:innen), den Müttern gegen den Krieg, Anti-Kriegs-Aktivist:innen, Abgeordneten bzw. Mitarbeiter:innen aus der Duma geredet, mit der linksradikalen außerparlamentarischen Opposition diskutiert, mir ihre Meinungen angehört und auch immer meine Friedensposition dargestellt.
Ich werde in meinem Artikel keine Namen nennen, ich will niemanden gefährden oder (weiteren) Repressionen aussetzen.

Zusammenfassend ist es sicher richtig zu sagen, dass es zu dem Krieg in der Ukraine eine große Diversität von Meinungen gibt. Es stimmt vielleicht nicht für das ganze riesige Land, aber in Moskau gibt es eine große, auch öffentlich und familiär diskutierte Unterschiedlichkeit der Bewertung, die Kontroverse geht durch Institutionen und Familien.

Es ist die junge Generation, bei der dieser Krieg besonders unpopulär ist und auf vielfältige Ablehnung stößt. 700.000 junge Männer haben Russland verlassen. Die meisten aus der Intelligenz – ein Verlust an Wissen und Zukunft von denen, die gerade jetzt angesichts des westlichen Wirtschaftskrieges für eine mehr nationale Entwicklung so notwendig wären. Sie haben das Land verlassen, weil sie nicht in den Krieg ziehen wollen, viele lehnen den Krieg ab.

Für dieses System wollen wir nicht kämpfen und sterben. Oft schwingt eine individualistische, neoliberale Grundhaltung mit: dieser Krieg passt nicht in meine persönliche Entwicklung, das ist nicht die Freiheit, die ich will. Das autoritäre Regime will mich jetzt auch noch in einen Krieg zwingen, mit dem ich nichts zu tun habe.
Kriegsablehnung hat viele Begründungen, aber auch viele Folgen für diese Menschen, die überstürzt ihr Land verlassen und sich um eine Zukunft bemühen müssen, in einem fremden Land, allein und oft ohne Perspektive. Der Courage des eigenen Handelns stehen noch große Herausforderungen bevor – berufliche und persönliche.

Das „Nein“ der Mütter und Bräute gegen den Krieg ist geprägt von der Sorge um die Liebsten – den Sohn, den Freund, den Verlobten, den Mann.
Oft ist die Ablehnung des Krieges eindeutig – oft der Satz: Dieser Krieg ist nichts Gutes für unser Land – oder sogar noch zugespitzter – Jeder Krieg ist ein Verbrechen.

Aber auch hier gibt es keine Eindeutigkeit. Wir wollen unsere Kinder nicht in einen Krieg schicken, zu dem sie nicht ausgebildet sind oder werden, bei denen es keine vernünftige und zu wenige gute Waffen gibt und noch nicht einmal eine warme Uniform und brauchbare Stiefel. Wenn schon, dann effektiv und effizient.
Das Desaster der russischen Kriegsführung widerspiegelt sich in diesen Äußerungen, die Unfähigkeit, wenn schon Krieg – dann bitte sollte er gewonnen werden.

Diese systemimmanente Kritik scheint mir stark verankert zu sein: Was ist aus unserer Armee geworden, wie konnten so verheerende Strategien von wem aus den Eliten und Mächtigen entwickelt werden? Diese Kritik knüpft an der Bürokratie- und Staatsablehnung aufgrund der Erfahrungen in den 90er Jahren an, aber auch im Sowjetsystem war diese tief verankert.

Übrigens verstärkte dieses Desaster der Militär- und politischen Führung die Verunsicherung und steigert und verfestigt eine emotionale Opposition zur politischen Führung im Kreml, besonders zu dem sogenannten Präsidialregime. Immer wieder werden Korruption und Bereicherung angeprangert.

Das NEIN zum Krieg und ein Bekenntnis zum Frieden und zur Versöhnung mit der Ukraine (dem Brudervolk) bestimmt das Handeln der Anti-Kriegsaktivist:innen und der radikalen Linken. Die Courage dieser Menschen, besonders auch der Frauen, ist bewundernswert, beeindruckend und verlangt unsere Solidarität.
Trotz aller Repressionen, Verhaftungen oder Titulierung ihrer kleinen Organisationen als „foreign agent“ protestieren sie auf den Straßen (zuerst viele, dann aber immer weniger – die Repressionen wirkten), über Social-Media-Kanäle, mit kleinen, attraktiven Aktionen und vielfältigem persönlichen Engagement gegen diesen Krieg. Sie wirken für Frieden.

Die Verleihung des IPB-MacBride-Preises 2022 an zwei von ihnen ist mehr als gerechtfertigt und wird von ihnen als eine große Unterstützung angesehen. Sie brauchen die Zusammenarbeit mit den internationalen Friedensbewegungen, allein haben sie gegen die Repressionskräfte im Lande keine Chance.
Deserteur:innen brauchen unsere Unterstützung. Sie alle sind das Friedensgesicht dieses großen Kulturlandes.
Sie sprechen – dieses ist mein Eindruck – mehr Menschen in dem Land aus dem Herzen und der Seele, als viele – in Russland und im Westen – annehmen.

Interessant auch die Äußerungen „linksradikaler Freunde“, dass die rechte außerparlamentarische Opposition („Nawalny“) kaum eine politisch mobilisierende Rolle spielt und in der Kriegsfrage gespalten ist.

Die berechtigte Nachdenklichkeit über die Herausforderungen in den wissenschaftlichen Institutionen und der mit ihnen verbundenen Personen beinhaltet eine stärkere zukunftsorientierte Diskussion. Wie können die wissenschaftlichen Kooperationen nach dem Westen wieder aufgenommen und neue entwickelt werden?
Wie können gerade jetzt Kontakte gehalten und besonders bei Fragen der Rüstungskontrolle doch noch Gemeinsamkeiten mit westlichen Kolleg:innen entwickelt und diskutiert werden?

Der verrückte und aus meiner Sicht völlig unverantwortliche Abbruch aller Beziehungen zur russischen Wissenschaft als Sanktion (gegen wen eigentlich?) führt zu einem neuen Nachdenken über die eigene Rolle und auch die Aufgaben, die vor Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung stehen. Statt auf IBM und internationale Foundations – so oft formuliert – muss jetzt wieder mehr auf die eigenen Kräfte gesetzt werden, dies ist sicher nicht einmal die schlechteste Lösung.
Wir sollten unsere Kolleginnen und Kollegen in Russland nicht alleine lassen und uns einsetzen, dass russische Wissenschaftler:innen auch weiterhin in internationalen Fachorganisationen mitarbeiten und dort weiterhin Führungspositionen ausüben können. Wir haben Albert Einstein nicht vergessen!

In diesen Diskussionen wurde immer wieder deutlich: Der zukünftige Blick Russlands geht nach Osten, nach Asien. Europa wird auch in der Zukunft nicht mehr der Bezugspunkt für Russland sein! Dies ist sicher nicht der Wunsch, aber die Notwendigkeit.

Als Letztes zu den Gesprächen mit der „Politik“ und zur Frustration meinerseits. Hier konnte ich außer der Wiedergabe bekannter Positionen nichts erfahren, keine Nachdenklichkeit, keine Zukunftsorientierung – enttäuschend. Frieden ist für die Herren weit weg.

Ein Wort zu den Medien und ein vielleicht zugespitzter Vergleich. Sie ähneln sich mehr, als sie sich unterscheiden. Die mediale Kriegspropaganda oder anders die Diskussionsfreiheit zwischen unterschiedlichen militaristischen Strategien ähneln sich doch stark. Trotz aller einseitiger Medienpropaganda auf allen Sendern ist der Krieg unpopulär.

Zusammenfassung einiger, oft geäußerter Gedanken:

Enttäuschung über die Bundesregierung und die deutsche Politik, dass sie so den USA nachläuft und sich unterordnet. Viele hätten in der Tradition von Brandt und Bahr eine eigenständige, verständnisvollere Rolle erwartet.
Salopp gesagt haben viele von der NATO und den USA nichts anderes erwartet (die NATO-Euphorie der 90er Jahre ist tot), aber von Deutschland, das der Sowjetunion/Russland so viel zu verdanken hat (Wiedervereinigung, Abzug aller Soldaten, etc.). Diese Enttäuschung wird auch zu einem veränderten „Deutschlandbild“ führen.

Das Regime Putin ist nicht länger gestaltungs-, entwicklungs- und lebensfähig. Ohne mich an den Spekulationen über Putin zu beteiligen (2024 stehen Präsidentenwahlen auf der Agenda), zeigt sich doch, dass die Lebensfähigkeit dieser auf einer Präsidialverwaltung und einem fast allmächtigen Präsidenten zentristisch ausgerichteten Führung zu einem Ende kommt, angesichts von Korruption, Schwächen und Desastern der aktuellen Politik und der militärischen Kriegsführung. Was danach kommt, steht noch in den Sternen.

Von einer Revolution träumen können nur die, die die Realität als Bezugspunkt aufgegeben haben. Ein „Eliten-Change“ oder eine „Palastrevolution“ ist viel wahrscheinlicher. Ein Weg zu mehr Demokratie und Freiheit ist dieses wohl kaum.
Es gibt aber kein Zurück zum „alten Gesellschaftsvertrag“ der politischen Herrschaft um Putin, in ökonomischer Verbundenheit mit den Oligarchen und der gelenkten Demokratie. Es bleiben viele offene Fragen! Mehr Repression löst dabei kein Problem.

Ein Zurück zu einer internationalen Politik der gemeinsamen Sicherheit und der Kooperation ist kaum sichtbar, weder in Russland noch bei uns, sie ist zurzeit sicher nicht gestaltungs- und mehrheitsfähig. Hier bleibt besonders für uns – Friedens- und Entspannungsfreund:innen – viel zu tun.
Es bleibt auf beiden Seiten ein – wenn auch beschränktes – Interesse an Rüstungskontrolle.

Ausblick

Es gibt sicher nichts Wichtigeres, als alles zu tun, in der Ukraine einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu erreichen. Wenn es noch nicht zu Weihnachten gelungen ist, bleibt dieses die zentrale Herausforderung. Uns dafür mit aller Kraft einzusetzen, ist die Aufgabe aller friedensliebenden Kräfte.
Für den Frieden in der Ukraine sind Nato-Freiheit und Neutralität der Ukraine eine unabwendbare Voraussetzung, über vieles werden Männer und Frauen aus Russland und der Ukraine lange mit klugen Moderatorinnen aus dem globalen Süden verhandeln.
Die Vereinbarungen von Istanbul (vom Westen gekillt), das Minsker Abkommen (von Angela Merkel mit dem Zeit-Interview endgültig versenkt) werden leider nicht mehr als brauchbare Grundlage akzeptiert werden, aber mit den Vorschlägen des Vatikans, der mexikanischen und italienischen Regierungen, den Anregungen des UN-Generalsekretärs und anderen liegen umfassende Vorschläge vor.

Frieden ist möglich, bei vorhandenem politischem Willen! Die Ukraine blockiert aus Systemüberlebensinteressen, aber auch in Russland muss für einen aktiven, kompromissbereiten Verhandlungsprozess noch mehr gewirkt werden.

Der Friedensprozess in der Ukraine muss sicher verbunden sein mit dem Beginn eines Dialoges und einer Diskussion um eine neue Friedensarchitektur in Europa, was heißt, Politik der gemeinsamen Sicherheit in Europa und der Welt. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen, gibt es doch zu der Politik der gemeinsamen Sicherheit keine friedenspolitische Alternative.

Frieden in Europa ist nur möglich mit Russland! Diesen Gedanken wieder in Deutschland hegemoniefähig zu machen, ist und muss unser Friedensbeitrag sein, soll Europa überleben und eine eigene friedenspolitische Rolle spielen.

Zu mehr Frieden in Europa gehört auch die Wiederaufnahme der Rüstungskontrolle und Abrüstungsverhandlungen, um zu neuen Übereinkünften zu kommen. Wenn nicht durch die freiwerdenden Gelder aus der Rüstung, woraus sollen die globalen Herausforderungen der Menschheit finanziert werden?
Auch Deutschland und Russland brauchen diese Milliarden zur Finanzierung der eigenen sozial-ökologischen Transformation.

Frieden gibt es nur mit und durch das Engagement von Menschen. Deshalb ist Diplomatie von unten, eine Friedenspolitik der Menschen gerade jetzt so wichtig.

Alle meine Gesprächspartnerinnen und -partner teilten einen Gedanken: Lasst uns die Kontakte, die Zusammenarbeit, die Gespräche zwischen Deutschen und Russen niemals wieder abreißen, lasst uns miteinander in Kontakt treten und bleiben: von Sportverein zu Verein, von Singegruppen zur Oper, von Friedensinitiativen zu Aktivistinnen, in der Wissenschaft, der Wirtschaft, von Gewerkschaften, Sport, Kirchen, Umweltverbänden, von Stadt zu Stadt, Dorf zu Dorf, aber auch von Projekt zu Projekt und vielem mehr.
Wir brauchen ein enges Netzwerk der Zusammenarbeit von unten, das auch „unsere Politik“ wieder zur Kooperation zwingt. Schaffen wir Frieden von unten, von und mit und zwischen den Menschen.

Es bleibt die Grundlage unseres Engagements und unserer Überzeugung, was Willy Brandt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises ausgeführt hat:

Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Noam‌ ‌Chomsky:‌ ‌Internationalismus‌ ‌oder‌ ‌Untergang‌

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

PI-Ratsmitglied Noam Chomskys programmatische Rede auf dem Eröffnungsgipfel der Progressiven Internationale

Eine Rede, die von sehr viel Weitblick und Einsicht zeugt, von dem alten Anarchisten:

Internationalism_Extinctionhttps://progressive.international/wire/2020-09-18-noam-chomsky-internationalism-or-extinction/de
Bei Rosa Luxemburg hieß das noch: „Sozialismus oder Barbarei“

chomsky american dreamAuszüge:

Wir treffen uns zu einem Zeitpunkt des Zusammentreffens diverser Krisen von außerordentlicher Schwere, in dem das Schicksal des Experiments Menschheit buchstäblich auf dem Spiel steht.
In den kommenden Wochen werden sich die Probleme in den beiden imperialen Großmächten der Neuzeit zuspitzen.

Das immer schwächer werdende Vereinigte Königreich, das öffentlich erklärt hat, dass es internationales Recht zurückweist, steht kurz vor einem klaren Bruch mit Europa und ist auf dem besten Weg, noch deutlicher zu einem US-Satelliten zu werden, als es dies ohnehin schon ist.
Aber was für die Zukunft natürlich von größter Bedeutung ist, ist das, was im wahren globalen Hegemon geschieht — geschwächt durch Trumps Amokläufe, aber immer noch mit überwältigender Macht und unvergleichlichen Vorteilen. Sein Schicksal, und gleichsam das Schicksal der Welt, wird womöglich im November entschieden.

Wenig überraschend ist der Rest der Welt daher besorgt, wenn nicht gar entsetzt. Es ist schwierig, einen so nüchternen und renommierten Kommentator wie Martin Wolf von der Londoner Financial Times zu finden. Und selbst er schreibt, dass der Westen vor einer ernsten Krise steht und wenn Trump wiedergewählt wird, “wird dies das Ende sein”.
Das sind starke Worte und er bezieht sich nicht einmal auf die großen Krisen, mit denen die Menschheit aktuell konfrontiert ist.

Wolf bezieht sich auf die globale Ordnung, sicher eine wichtige Angelegenheit, wenn auch nicht in der Größenordnung der Krisen, von denen weitaus schwerwiegendere Folgen drohen.
doomsday-clockAlso derjenigen Krisen, die die Zeiger der berühmten “Doomsday Clock” in Richtung Mitternacht treiben — in Richtung Ende.

Wolfs Begriff des “Endes” ist kein neuer Beitrag zum öffentlichen Diskurs. Wir leben seit 75 Jahren in dessen Schatten, seit wir an einem unvergesslichen Augusttag erfuhren, dass die menschliche Intelligenz nun Mittel entwickelt hatte, die bald die Fähigkeit zur tödlichen, absoluten Zerstörung hervorbringen würden.
Das war erschütternd genug, aber da war noch mehr: Damals verstand man noch nicht, dass die Menschheit in eine neue geologische Epoche, das Anthropozän, eintritt. Eine Epoche, in der menschliche Aktivitäten die Umwelt auf eine Art und Weise verwüsten, das diese sich nun ebenfalls der endgültigen Zerstörung nähert.

Die Zeiger der “Doomsday Clock” wurden zum ersten Mal eingestellt, kurz nachdem Atombomben in einer Eskalation des unnötigen Abschlachtens eingesetzt wurden.
Seitdem haben die Zeiger im Zuge der Entwicklung der jeweiligen globalen Umstände oft oszilliert. Doch mit jedem Jahr, in dem Trump im Amt war, haben sich die Zeiger weiter in Richtung Mitternacht bewegt. Vor zwei Jahren waren sie so nah wie nie zuvor. Im vergangenen Januar sprachen Beobachter*innen nicht mehr von Minuten und wandten sich stattdessen den Sekunden zu: 100 Sekunden vor Mitternacht.
Sie verwiesen auf dieselben Krisen wie zuvor: die wachsende Gefahr eines Atomkrieges, einer Umweltkatastrophe sowie der Verfall der Demokratie.

Letzteres mag auf den ersten Blick unangebracht erscheinen, ist es aber nicht. Die zu beobachtende Rückgang der Demokratie passt in dieses düstere Trio.
Denn die einzige Hoffnung, den beiden Bedrohungen des “Endes” zu entkommen, ist eine lebendige Demokratie, in der besorgte und informierte Bürger*innen sich voll und ganz in Deliberation, Politikgestaltung und direkte Aktionen einbringen.

Das war also im vergangenen Januar. Seitdem hat Präsident Trump es geschafft, alle drei Bedrohungen zu verschlimmern. Das ist ja in gewisser Weise auch eine Leistung.

green-attraction-war-museum.jpgEr hat die Zerschlagung des Systems der Rüstungskontrolle — das einen gewissen Schutz gegen die Gefahr eines Atomkriegs bot — fortgesetzt und gleichzeitig, sehr zur Freude der Rüstungsindustrie, die Entwicklung neuer und noch gefährlicherer Waffen gefördert.
pexels-photo-545960.jpegIn seinem engagierten Einsatz für die Zerstörung der lebenserhaltenden Umwelt hat Trump riesige neue Gebiete für Bohrungen erschlossen, darunter auch die letzten großen Naturschutzgebiete.
Unterdessen sind seine Schergen dabei, systematisch das Regulierungssystem abzubauen, das die zerstörerischen Auswirkungen der Nutzung fossiler Brennstoffe etwas mildert und die Bevölkerung vor giftigen Chemikalien und Umweltverschmutzung schützt — ein Übel, das angesichts der aktuellen schweren epidemischen Ausbreitung einer Atemwegserkrankung (SARS-CoV2) doppelt mörderisch ist.SARS-CoV-2

Des Weiteren hat Trump seine Kampagne zur Schwächung der Demokratie fortgeführt. Laut Gesetz unterliegen die Ernennungen durch den Präsidenten der Bestätigung durch den Senat.
Trump vermeidet diese Unannehmlichkeiten, indem er die Positionen einfach unbesetzt lässt und die Ämter lediglich mit “vorübergehend ernannten” Personen besetzt, die seinem Willen nachkommen —und wenn sie dies nicht mit ausreichender Loyalität gegenüber ihrem Herren tun, werden sie entlassen.
Er hat die Exekutive von jeglicher unabhängigen Stimme gesäubert. Nur noch Speichellecker bleiben übrig.
coins-currency-investment-insurance-128867.jpegDer Kongress hatte schon vor langer Zeit Generalinspektoren eingesetzt, um die Leistung der Exekutive zu überwachen. Sie begannen, sich mit dem Sumpf der Korruption zu befassen, den Trump in Washington geschaffen hat. Er kümmerte sich schnell um dieses Problem, indem er sie entließ.
Vom republikanisch dominierten Senat, den Trump fest im Griff hat, war kaum ein Mucks zu hören; kaum ein Fünkchen Integrität blieb zurück, so erschrocken sind sie dort über die “Volksbasis”, die Trump mobilisiert hat.

Dieser Angriff auf die Demokratie ist erst der Anfang. Trumps warnte jüngst, dass er gegebenenfalls sein Amt nicht niederlegen wird, wenn er mit dem Ergebnis der Wahlen im November nicht zufrieden ist.
Diese Drohung wird in hohen Kreisen sehr ernst genommen. Um nur einige Beispiele zu nennen:
Zwei angesehene pensionierte hochrangige Militärkommandeure veröffentlichten einen offenen Brief an den Vorsitzenden des Generalstabs, General Milley, in dem sie ihn an seine verfassungsmäßige Verantwortung erinnerten, die Armee zu entsenden, um einen “gesetzlosen Präsidenten”, der sich weigert, nach der Wahlniederlage aus dem Amt zu scheiden, gewaltsam zu entfernen.

firearm-handgun-revolver-gun-53351.jpegAußerdem warnten sie vor möglichem Widerstand durch paramilitärische Einheiten, die Trump bereits nach Portland, Oregon, entsandt hatte, um die Bevölkerung dort zu terrorisieren — entgegen des heftigen Widerstands der gewählten Amtsträger*innen dort.

Viele Persönlichkeiten des Establishments halten die Warnungen für realistisch, darunter auch das angesehene Transition Integrity Project, das soeben die Ergebnisse der “Kriegssimulation” veröffentlicht hat, die es zu möglichen Folgen der Wahlen im November durchgeführt hat.
Die Projektmitglieder gehören “zu den versiertesten Republikanern, Demokraten, Beamten, Medienexperten, Meinungsforschern und Strategen überhaupt”, erklärt der Ko-Direktor des Projekts.
Unter ihnen sind auch prominente Persönlichkeiten beider Parteien. In jedem denkbaren Szenario, abgesehen von einem klaren Trump-Sieg, führten die Simulationen zu so etwas wie einem Bürgerkrieg, womit Trump also beschließen würde, “das amerikanische Experiment” endgültig zu beenden.

Wiederum starke Worte, die so noch nie zuvor von nüchternen Mainstream-Stimmen zu hören waren. Allein die Tatsache, dass solche Gedanken aufkommen, ist schon bedrohlich genug.
Und sie sind bei Weitem nicht allein. Angesichts der unvergleichlichen Macht der USA ist weit mehr als das “amerikanische Experiment” in Gefahr.

Nichts dergleichen ist in der oft turbulenten Geschichte der parlamentarischen Demokratie bisher geschehen. Wenn man sich an die vergangenen Jahre erinnert, so hatte Richard Nixon — sicherlich nicht die angenehmste Person in der Geschichte der Präsidentschaft — guten Grund zu der Annahme, dass er die Wahlen von 1960 nur wegen krimineller Manipulation durch Mitarbeiter der Demokraten verloren hatte. Er focht die Ergebnisse dennoch nicht an und stellte das Wohlergehen des Landes über seine persönlichen Ambitionen.
Albert Gore
tat im Jahr 2000 dasselbe. Heute gilt das nicht mehr.

In reiner Verachtung für das Wohlergehen des Landes neue Wege zu beschreiten, reicht dem Größenwahnsinnigen, der die Welt beherrscht, offenbar nicht mehr aus.
Nein, Trump hat darüber hinaus mehrfach angekündigt, dass er die Verfassung missachten und über eine dritte Amtszeit “verhandeln” könnte, wenn er entscheidet, dass er irgendeinen Anspruch darauf hat.

Manche tun das als Verschrobenheit einer Witzfigur ab. Wie die Geschichte zeigt, tun sie das aber auf eigene Gefahr.

Das Überleben der Freiheit wird nicht durch “Pergament-Barrieren” garantiert, wie James Madison warnte.
Das will heißen: Worte auf Papier reichen nicht aus. Freiheit gründet auf den Grunderwartungen von Gutwilligkeit und dem allgemeinen Anstand.
Diese Grunderwartung ist von Trump zusammen mit seinem Mitverschwörer, dem Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell — der das “größte beratende Gremium der Welt”, wie es sich selbst nennt, in einen erbärmlichen Witz verwandelt hat — in Stücke zerfetzt worden.
McConnells Senat weigert sich, Gesetzesvorschläge auch nur in Erwägung zu ziehen. Seine Sorge gilt den Reichen und der Justiz, die von oben bis unten mit jungen Anwält*innen der extremen Rechten besetzt ist. Diese sollen sicherstellen, dass die reaktionäre Trump-McConnell-Agenda über die nächste Generation hinweg gesichert wird — was auch immer die Allgemeinheit will; was auch immer die Welt zum Überleben braucht.

Die Unterwürfigkeit der Republikanischen Partei unter Trump und McConnell in ihrem Dienst an den Reichen ist wirklich bemerkenswert, selbst für die neoliberalen Standards und der dort üblichen Verherrlichung der Gier.
Eine Veranschaulichung liefern die führenden Spezialisten für Steuerpolitik, die Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman. Sie zeigen, dass im Jahr 2018, nach dem Steuerbetrug, der bisher die einzige Errungenschaft von Trump-McConnell war, “zum ersten Mal in den letzten hundert Jahren Milliardäre weniger [an Steuern] bezahlt haben als Stahlarbeiter*innen, Lehrer*innen und Rentner*innen” und damit “ein Jahrhundert der Steuergeschichte” praktisch ausgelöscht wurde.
“Im Jahr 2018 wurde zum ersten Mal in der modernen Geschichte der Vereinigten Staaten das Kapital weniger besteuert als die Arbeit” — ein wirklich beeindruckender Sieg in diesem Klassenkampf, der in der aktuell hegemonialen Doktrin “Freiheit” genannt wird.

syringe and pills on blue backgroundDie “Doomsday Clock” wurde im vergangenen Januar neu gestellt, also bevor das Ausmaß der Pandemie verstanden wurde. Die Menschheit wird sich früher oder später von der Pandemie erholen, was schreckliche Kosten verursacht. Es sind oftmals unnötige Kosten.
Wir sehen das deutlich an den Erfahrungen der Länder, die entschiedene Maßnahmen ergriffen, als China der Welt am 10. Januar die relevanten Informationen über das Virus zur Verfügung stellte:
An erster Stelle standen dabei Ost-Südostasien und Ozeanien, andere folgten. Das Schlusslicht bilden einige veritable Katastrophen, namentlich die USA, gefolgt von Brasilien unter Bolsonaro und Indien unter Modi.

Doch trotz des Fehlverhaltens oder der Gleichgültigkeit einiger politischer Anführer wird es letztlich eine Art Erholung von der Pandemie geben.
Im Gegensatz dazu werden wir uns jedoch weder vom Abschmelzen der Polkappen noch von der in die Höhe schießende Zahl der Brände in der Arktis, die enorme Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre freisetzen, oder von anderen Schritten auf unserem Marsch in die Klimakatastrophe erholen.

Wenn die renommiertesten Klimawissenschaftler*innen uns mahnen, “jetzt in Panik zu geraten”, sind sie nicht alarmistisch. Wir dürfen keine Zeit verlieren.
Nur wenige tun genug; und was noch schlimmer ist: die Welt ist mit führenden Politiker*innen gestraft, die sich nicht nur weigern, ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, sondern den Wettlauf in die Katastrophe absichtlich beschleunigen. Die Bösartigkeit im Weißen Haus steht bei diesem ungeheuerlichen Verbrechen unangefochten an der Spitze.

Doch es sind nicht nur Regierungen. Dasselbe gilt für die fossile Brennstoffindustrie, die Großbanken, die sie finanzieren, und andere Industrien, die von Handlungen profitieren, die das “Überleben der Menschheit” ernsthaft gefährden, wie es in einem geleakten internen Memo der größten Bank Amerikas heißt.

Die Menschheit wird diese institutionelle Bösartigkeit nicht mehr lange überleben. Die Mittel zur Bewältigung der Krise sind zwar vorhanden; aber nicht mehr lange.
Eine Hauptaufgabe der Progressiven Internationale ist es daher dafür zu sorgen, dass wir jetzt alle in Panik geraten — und entsprechend handeln.

Die Krisen, mit denen wir in diesem einzigartigen Moment der Menschheitsgeschichte konfrontiert sind, sind natürlich internationaler Natur.
Die Umweltkatastrophe, der Atomkrieg und die Pandemie kennen und akzeptieren keine Grenzen.
Und in weniger offensichtlicher Weise gilt das auch für den dritten der Dämonen, die die Erde heimsuchen und den Zeiger der “Doomsday-Clock“ weiter gen Mitternacht treiben: der Verfall der Demokratie.
Der internationale Charakter dieser letzten Seuche wird deutlich, wenn wir ihre Ursprünge untersuchen.

Die Umstände sind unterschiedlich, aber es gibt einige gemeinsame Grundlagen. Ein großer Teil des Übels geht auf den vor 40 Jahren gestarteten neoliberalen Angriff auf die Weltbevölkerung zurück.

Der grundsätzliche Charakter dieses Angriffs wurde in den Ansprachen seiner prominentesten Figuren festgehalten.
Präsident Ronald Reagan erklärte in seiner Antrittsrede, dass die Regierung das Problem ist und nicht die Lösung — was bedeutet, dass Entscheidungen von Regierungen, die zumindest teilweise unter öffentlicher Kontrolle stehen, auf private Macht übertragen werden sollten, die der Öffentlichkeit gegenüber keinerlei Rechenschaft ablegen muss und deren einzige Verantwortung die Selbstbereicherung ist, wie der Ökonom Milton Friedman proklamierte.
Die andere Figur war Margaret Thatcher, die uns lehrte, dass es keine Gesellschaft gibt, sondern nur einen Markt, auf den die Menschen geworfen werden, um so gut wie möglich zu überleben — und zwar ohne Organisationen, die es ihnen ermöglichen, sich gegen die zerstörerischen Kräfte des Marktes zu wehren.

Zweifellos unbeabsichtigt paraphrasierte Thatcher damit Marx, der schon die autokratischen Herrscher seiner Zeit dafür verachtete, dass sie die Bevölkerung in einen “Sack Kartoffeln” verwandelt hatten: wehrlos gegenüber konzentrierter Macht.

Mit beeindruckender Konsequenz zogen die Regierungen Reagan und Thatcher los, um die Arbeiter*innenbewegung zu zerstören, das Haupthindernis für eine harte Klassenherrschaft der wirtschaftlich Stärksten.
Damit übernahmen sie die Leitprinzipien des Neoliberalismus aus seinen Anfängen im Wien der Zwischenkriegszeit, wo der Gründer und Schutzpatron der Bewegung, Ludwig von Mises, seine Freude kaum im Zaum halten konnte, als die protofaschistische Regierung Österreichs lebendige Sozialdemokratie und diese verabscheuungswürdigen Gewerkschaften, die sich in die ach-so-gesunde Wirtschaft einmischten, indem sie die Rechte der Werktätigen verteidigten, gewaltsam zerstörte.
Wie von Mises in seinem neoliberalen Klassiker “Liberalismus” von 1927 (fünf Jahre nachdem Mussolini seine brutale Herrschaft begann) erklärte: „Es kann nicht geleugnet werden, dass der Faschismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und dass ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. Das Verdienst, das sich der Faschismus damit erworben hat, wird in der Geschichte ewig fortleben” — wenn auch der Faschismus selbst nur vorübergehend sei, versicherte er uns.
Die Schwarzhemden werden also gesittet nach Hause gehen, nachdem sie ihr gutes Werk vollbracht haben.

Dieselben Prinzipien beflügelten die begeisterte neoliberale Unterstützung für die abscheuliche Pinochet-Diktatur.
Einige Jahre später wurden sie in anderer Form unter der Führung der USA und des Vereinigten Königreichs auf globaler Ebene durchgesetzt.

pexels-photo-259027.jpegDie Folgen waren vorhersehbar: Zum einen kam es zu einer starken Konzentration des Reichtums bei gleichzeitiger Stagnation für einen Großteil der Bevölkerung, was sich im politischen Bereich in der Aushöhlung der Demokratie niederschlug.
Die Auswirkungen in den Vereinigten Staaten zeigen sehr deutlich, was man erwarten kann, wenn die Herrschaft des “Business” praktisch unangefochten ist. Nach 40 Jahren verfügen nun 0,1 Prozent der Bevölkerung über 20 Prozent des Reichtums, doppelt so viel wie zum Zeitpunkt der Wahl Reagans.
Die Vergütung der CEOs ist nach oben geschnellt und hat das Vermögen des gesamten Managements mit in die Höhe getrieben. Die Reallöhne für männliche Arbeitnehmer ohne Aufsichtsfunktion sind hingegen gesunken.
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck, mit nahezu keinerlei Reserven.
Auch die Finanzinstitutionen, die weitgehend rücksichtslos und räuberisch auftreten, sind in ihrer Größe geradezu explodiert. Es gab wiederholte Zusammenbrüche, die jedes Mal schlimmer wurden.
Die Täter wurden per Bailout vom freundlichen Steuerzahlenden gerettet — wobei das wohl noch eine der geringsten der indirekten staatlichen Subventionen ist, die sie erhalten.
“Freie Märkte” führten zu einer Monopolisierung mit weniger Wettbewerb und Innovation, da die Starken die Schwachen schluckten.
Die neoliberale Globalisierung hat ganze Regionen im Rahmen der Investorenrechtsabkommen, die fälschlicherweise als “Freihandelspakte” bezeichnet werden, deindustrialisiert.
Mit der Annahme der neoliberalen Doktrin, dass “Besteuerung Raub ist”, öffnete Reagan die Tür für Steuerparadiese und Briefkastenfirmen — die zuvor verboten und durch wirksame Rechtsdurchsetzung praktisch ausgeschlossen waren.
Das führte sofort zu einer riesigen Steuerhinterziehungsindustrie, die den massiven Raubüberfall auf die breite Bevölkerung durch die Reichen und die Konzerne beschleunigte. Und das war keine kleine Veränderung; das Ausmaß wird auf Dutzende Billionen Dollar geschätzt.

So ging es weiter und die neoliberale Doktrin festigte sich.

Als dieser Angriff gerade erst begann, Gestalt anzunehmen, trat der Präsident der Gewerkschaft “United Auto Workers”, Doug Fraser, 1978 aus einem von der Carter-Administration eingerichteten Ausschuss für Arbeiter*innen und Angestellte zurück und drückte seine Betroffenheit darüber aus, dass die Wirtschaftsführer “beschlossen hatten, in diesem Land einen einseitigen Klassenkrieg zu führen — einen Krieg gegen die arbeitende Bevölkerung, die Arbeitslosen, die Armen, die Minderheiten, die ganz Jungen und die ganz Alten und sogar viele aus der Mittelschicht unserer Gesellschaft”.
Damit hätten sie “den zerbrechlichen, ungeschriebenen Pakt, der zuvor in einer Zeit des Wachstums und des Fortschritts existierte, zerbrochen und weggeworfen”.
Er verwies damit auf die Zeit der Klassenzusammenarbeit im reglementierten Kapitalismus.

Er erkannte etwas verspätet, wie die Welt funktioniert. Und zwar zu spät, um den erbitterten Klassenkampf abzuwehren, der von den Wirtschaftsführern angezettelt wurde, denen von willfährigen Regierungen bald freie Hand gelassen wurde.
Die Folgen für einen Großteil der Welt sind wenig überraschend: weit verbreitete Wut, Ressentiments, Verachtung für politische Institutionen, während die vorrangig wirtschaftlichen Institutionen durch wirksame Propaganda eher im Schatten stehen können.
All das bietet ein fruchtbares Terrain für Demagogen, die vorgeben können, Dein Retter zu sein, während sie Dir in den Rücken fallen und gleichzeitig die Schuld für die herrschenden Zustände auf Sündenböcke abwälzen: Immigrant*innen, Schwarze, China, wer auch immer am besten zu lang bekannten Vorurteilen passt.

Doch kommen wir zurück zu den großen Krisen, mit denen wir in diesem historischen Moment konfrontiert sind: Alle sind international; und zwei internationale Gruppierungen formieren sich, um ihnen zu begegnen. Eine davon wird heute vorgestellt: die Progressive Internationale.
Die andere hat bereits unter Trumps Führung des Weißen Hauses Gestalt angenommen: Eine Reaktionäre Internationale, der die reaktionärsten Staaten der Welt angehören.

In der westlichen Hemisphäre umfasst diese Reaktionäre Internationale Bolsonaros Brasilien und einige andere.
Im Nahen Osten sind die wichtigsten Mitglieder die Familiendiktaturen am Golf, die ägyptische Diktatur von al-Sisi — vielleicht die härteste in der ohnehin bitteren Geschichte Ägyptens—- und Israel, das vor langer Zeit seine sozialdemokratischen Ursprünge über Bord geworfen hat und weit nach rechts gerückt ist; die vorhersehbaren Auswirkungen der lang anhaltenden und brutalen Besatzung.
Die gegenwärtigen Abkommen zwischen Israel und arabischen Diktaturen, die langjährige stillschweigende Beziehungen formalisieren, sind ein bedeutender Schritt zur Festigung dieser Nahost-Basis der Reaktionären Internationale. Den Palästinenser*innen wird ins Gesicht getreten.
Es ist das scheinbar angemessene Schicksal derer, denen es an Macht mangelt und die nicht ordnungsgemäß vor den Füßen ihrer natürlichen Herren kriechen.

Ein Partner im Osten ist Indien, wo Premierminister Modi die säkulare Demokratie Indiens zerstört und das Land in einen rassistischen hinduistisch-nationalistischen Staat verwandelt, während er Kaschmir vernichtet.
Das europäische Kontingent umfasst die “illiberale Demokratie” Viktor Orbans in Ungarn und ähnliche Elemente in anderen Ländern.
Die Reaktionäre Internationale hat auch starke Rückendeckung in den dominierenden globalen Wirtschaftsinstitutionen.

Diese beiden Internationalen machen einen guten Teil der Welt aus, die eine auf der Ebene der Staaten, die andere auf der Ebene der Basisbewegungen. Jede von ihnen ist eine prominente Vertreterin viel breiterer gesellschaftlicher Kräfte, die gegensätzliche und hart umkämpfte Visionen von der zukünftigen Welt haben, die aus der gegenwärtigen Pandemie entstehen soll.
Eine Kraft arbeitet unermüdlich daran, eine strengere Version des neoliberalen globalen Systems zu konstruieren, von dem sie sehr profitiert hat, mit einer intensiveren Überwachung und Kontrolle.
Die andere freut sich auf eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens, in der Energien und Ressourcen auf die Bedürfnisse der Menschen und nicht auf die Forderungen einer winzigen Minderheit ausgerichtet sind.
Es ist eine Art Klassenkampf auf globaler Ebene, mit vielen komplexen Facetten und Wechselwirkungen.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das Schicksal des Experiments Menschheit vom Ausgang dieses Kampfes abhängt.

Hier kann man den Newsletter bestellen und Mitglied werden:

https://progressive.international/

hawking

Schon 2016 warnte Stephen Hawking: https://josopon.wordpress.com/2016/11/23/stephen-hawking-warnt-erde-wird-spatestens-in-1-000-jahren-zerstort-sein/

samir amin

Zum Thema „Internationale“ vgl. hier Samir Amin: https://josopon.wordpress.com/2017/10/01/interview-mit-okonom-samir-amin-wir-brauchen-eine-funfte-internationale/
Von Chomsky habe ich hier schon berichtet:
https://josopon.wordpress.com/2017/02/09/noam-chomsky-sozialismus-in-zeiten-der-reaktion/
und https://josopon.wordpress.com/2014/12/23/wiederkehr-des-kalten-krieges-einsichten-von-noam-chomsky-uber-die-amerikanische-ausenpolitik-a-nlasslich-des-ukraine-konfliktes/

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Macron drängt zum Dialog über atomare Abschreckung. Im Haushalt der EU soll Aufrüstung die höchste Priorität genießen.

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

MacronAm Wochenende in der Süddeutschen: https://www.sueddeutsche.de/politik/macron-atomwaffen-1.4788943

Was sich so alles hinter Worthülsen wie „strategische Kultur„, „Weltordnung im Dienste des Friedens“ und „Sicherheit“ verbirgt…
Auszüge:

  • Frankreichs Präsident Macron will mit über die Rolle der atomaren Abschreckung in Europa diskutieren.
  • Interessierte EU-Staaten könnten an Übungen des französischen Militärs teilnehmen. Die Hoheit über seine Nuklearwaffen will Frankreich aber nicht teilen.
  • Macron fordert, dass die Verteidigung in Europa haushaltspolitische Priorität genießen soll.

Von Leo Klimm, Paris, und Paul-Anton Krüger

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drängt die europäischen Partner zu einem „strategischen Dialog über die Rolle der atomaren Abschreckung für unsere gemeinsame Sicherheit“.
Daraus solle sich eine „gemeinsame strategische Kultur“ in Europa entwickeln. Jene Staaten, die darauf eingehen, will Macron an „Übungen der französischen Streitkräfte zur nuklearen Abschreckung beteiligen“.

Zur Begründung sagte der Staatschef, Frankreichs militärische Interessen hätten heute stets auch eine europäische Dimension. Macron äußerte sich in einer Grundsatzrede vor Offiziersanwärtern an der École de guerre in Paris.
Frankreichs Unabhängigkeit bei der Entscheidung über den Einsatz der Waffen sei „vollständig vereinbar mit unserer unerschütterlichen Solidarität mit unseren europäischen Partnern“, sagte er.
In welcher Form andere europäische Armeen an das Atomwaffenarsenal herangeführt werden könnten, ließ Macron ebenso offen wie die Frage, an welche Partner sich sein Vorschlag richtet.
Aus seinem Umfeld hieß es, der Vorstoß sei als Angebot an Deutschland zu verstehen genauso wie an andere interessierte EU-Staaten.

Aus Macrons Umfeld heißt es, im Rahmen des nun angebotenen Dialogs könne etwa erörtert werden, ob die deutsche Luftwaffe ein neues Kampfflugzeug, das Berlin und Paris bis 2040 gemeinsam entwickeln wollen, auf französische anstatt auf US-Atomsprengköpfe auslegen will.
Macrons Vorstellungen nach verlange Frankreich für die mögliche Beteiligung an der atomaren Abschreckung kein Geld von den europäischen Partnern – im Jahr 2007 hatte der damalige Präsident Nicolas Sarkozy Deutschland den Schutz durch den französischen Nuklearschirm gegen einen finanziellen Beitrag angeboten.

Macron schlägt in dieselbe Kerbe wie Trump

Seit dem Brexit ist Frankreich die einzige Atommacht der EU. Nachdem Macron im Herbst den „Hirntod“ des transatlantischen Verteidigungsbündnisses Nato beklagt und damit Verwunderung auch in Deutschland ausgelöst hatte, legt er nun seine Vorstellungen zur Stärkung der europäischen Verteidigung dar. Er sieht sich in der Rolle, andere europäische Regierungen wach zu rütteln – nicht zuletzt die deutsche. „Wir müssen uns zusammenreißen“, sagte Macron.
„Die Neubegründung einer Weltordnung im Dienste des Friedens muss unser Ziel sein.“ In einer Woche will er seine Vorschläge auf der Münchner Sicherheitskonferenz diskutieren.

Macron zeigte sich überrascht, dass sein verteidigungspolitischer Ehrgeiz so heftige Debatten hervorrufe. Die EU habe sich das Ziel größerer militärischer Handlungsfähigkeit schon beim Europäischen Rat 1999 in Köln gesetzt – er wolle nun damit Ernst machen, sagte Macron. Er stellte die Frage, warum die Verteidigung immer noch keine haushaltspolitische Priorität genieße. Dieselbe Kritik bekommt die Bundesregierung regelmäßig von US-Präsident Donald Trump zu hören.

Frankreichs Präsident sagte, die geopolitischen Risiken für Europa würden zunehmen, auch weil die Architektur der Abrüstungsverträge aus dem Kalten Krieg zwischen Russland und den USA wanke.
Den INF-Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckensysteme hatte Washington wegen Verstößen Moskaus gekündigt.
Der New-Start-Vertrag zur Beschränkung strategischer Atomwaffen läuft 2021 aus, eine Verlängerung ist noch nicht vereinbart.

„Die Handlungsfreiheit Europas setzt die wirtschaftliche und digitale Freiheit voraus“

Macron, der auch auf anderen Feldern für eine Stärkung Europas wirbt, leitet daraus die Notwendigkeit größerer militärischer Autonomie ab.
„Zum strategischen Gleichgewicht Europas gehört auch eine atomare Komponente“, heißt es im Elysée-Palast. Explizit ausgeschlossen wird in Paris allerdings, dass Frankreich die Hoheit über seine Atomwaffen mit anderen Staaten teilen oder den Schutzschirm der USA im Zuge der nuklearen Teilhabe innerhalb der Nato ersetzen könnte. Dazu sei der Bestand an Atomwaffen zu klein, den Macron mit „weniger als 300 Sprengköpfen“ angab.
Frankreich werde sich auch weiterhin nicht an der sogenannten nuklearen Planungsgruppe der Nato beteiligen.

In seiner Rede zählte Macron auch den Schutz „kritischer Infrastrukturen“ zu den verteidigungspolitischen Prioritäten. Die europäischen Staaten dürften die Kontrolle etwa über ihre Hafenanlagen oder den 5G-Mobilfunkstandard nicht ausländischen Investoren überlassen. „Die Handlungsfreiheit Europas setzt die wirtschaftliche und digitale Freiheit voraus“, sagte Macron. „Wir müssen die technologische Unabhängigkeit Europas stärken.“

Das Weltbild sei düster, und „nicht hinzuschauen kann ein historischer Fehler sein“

Der Staatschef zeichnete ein düsteres Bild der Lage der Welt. Das Wetteifern der USA und Chinas um die Vorherrschaft in der Welt fördere das Risiko militärischer Eskalation; die multilaterale Ordnung der Nachkriegszeit, die auf internationalem Recht beruhe, werde ausgehöhlt und zunehmend durch das Recht des Stärkeren ersetzt.
Diese Umbrüche zwängen die Europäer, sich mit den Gefahren künftiger Kriege zu befassen, zumal ihr Kontinent im Mittelpunkt einer neuen Aufrüstungsspirale zwischen den USA und Russland stehen könnte.
„Nicht hinzuschauen kann ein historischer Fehler sein.“

Um die geopolitischen Risiken einzuhegen, sieht Macron auch „ein starkes Bündnis mit den Vereinigten Staaten“ als unabdingbar an. „Doch unsere Sicherheit erfordert ebenfalls größere Selbständigkeit.“
Dies entspreche im Übrigen dem Wunsch der USA.

Daneben verschreibt er sich der Förderung einer multilateralen Weltordnung, die ein neues Vertrauensverhältnis zu Russland und weltweite Rüstungskontrolle ermöglichen soll.
Einen Verzicht Frankreichs auf Atomwaffen lehnt er dagegen als unrealistisch ab. Sein Land mache sich sonst für Erpressung feindlich gesinnter Mächte anfällig.
Die Waffen könnten aber nur „unter extremen Umständen legitimer Verteidigung“ eingesetzt werden. Die Abschreckung diene gerade dazu, Krieg zu verhindern.
Schon 2018 verpflichtete sich Macron, Frankreichs Nukleararsenal bis 2035 komplett zu modernisieren.

nein zur nato ddr1957

nein zur nato ddr1957

Meine Anmerkung: Und natürlich kein Kommentar zu den angeblichen Verstößen Moskaus gegen den INF-Vertrag – das wird einfach als Fakt vorausgesetzt.
Auch nicht zum offensichtlichen Widerspruch zwischen atomarer Hochrüstung der EU, neuem Vertrauensverhältnis zu Russland und weltweiter Rüstungskontrolle.
Anscheinend halten Macron genau wie die Süddeutsche die russische Regierung für Idioten.
Genauso wie die deutschen Bürger in den US-Standorten, die damit zur Zielscheibe eines frühen nuklearen Zweitschlags werden bei einer Frühwarnzeit von unter 5min.

Deutsche Regierung verweigert Abrüstung – 71 Prozent der Bundesbürger wollen ein Verbot von Atomwaffen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Exklusiv im Neuen Deutschland:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1063434.regierung-verweigert-abruestung.html
Auszüge:

Umfrage: 71 Prozent der Bundesbürger wollen ein Verbot von Atomwaffen

Es ist ein Novum in der bundesrepublikanischen Geschichte: Noch nie hat sich Deutschland multilateralen Gesprächen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle verweigert.
122 Staaten hatten sich am 7. Juli in der Vollversammlung der Vereinten Nationen auf einen Vertrag über ein Verbot von Kernwaffen geeinigt. Am 20. September wird UN-Genrealsekretär António Gueterres diesen feierlich zur Unterschrift frei gegeben.
Vermutlich nicht unterschreiben werden neben Deutschland auch die weiteren NATO-Mitglieder.

Dabei handelt die Bundesregierung gegen die Meinung einer klaren Mehrheit der Bevölkerung. Im Auftrag der Organisation »Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen« (ICAN) hat YouGov 2060 Personen über 18 Jahre befragt.
Das Ergebnis ist eindeutig: 71 Prozent der Befragten gaben an, dass Deutschland den Vertrag unterzeichnen solle, nur 14 Prozent sprachen sich dagegen aus. Dabei sind sich Anhänger aller Parteien einig, 76 Prozent der CDU-Wähler, 83 der SPD- und 79 Prozent der LINKEN-Wähler befürworten ein Verbot. Lediglich bei Nichtwählern ist die Unterstützung mit 57 Prozent geringer.

Sascha Hach von ICAN Deutschland kritisierte am Montag bei der Vorstellung der Umfrage in Berlin die Haltung der Regierung: »Die Bevölkerung verlangt von der Regierung eine klare Haltung gegen Atomwaffen. Die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister handeln gegen diesen common sense im Volk.« Zusammen mit den Organisationen »Internationale Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges« (IPPNW) und der Juristenvereinigung gegen Atomwaffen IALANA hat ICAN eine Kampagne initiiert. Auf der Homepage »nuclearban.de« können Wähler an die Bundestagskandidaten in ihrem Wahlkreis schreiben und eine Unterstützung des Atomwaffenverbots einfordern.

90 Tage nachdem mindestens 50 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet haben, tritt dieser in Kraft. Das würde auch Konsequenzen für Deutschland haben. Denn eine Stationierung von Atomwaffen in Deutschland würde dem Völkerrecht widersprechen, auch wenn die Bundesregierung den Vertrag nicht unterzeichnet. Somit zeigt sich der SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz in diesem Punkt auf der Höhe der Zeit, wenn er den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland fordert.

Im Gegensatz zum Atomwaffensperrvertrag begrenzt das neue Abkommen nicht nur die geografische Verbreitung von Atomwaffen, sondern verbietet generell den Einsatz von und die Drohung mit ihnen. Darüber hinaus werden Besitz, Lagerung, Erwerb, Entwicklung, Erprobung und Herstellung sowie der Transfer, die Verfügungsgewalt und Stationierung nuklearer Waffen verboten.

Die Abrüstungsexpertin der IPPNW Xanthe Hall sieht in dem Vertrag einen Meilenstein auf dem Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen: »Der Atomwaffenverbotsvertrag erkennt die die katastrophalen humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen an, ebenso die Opfer der Atomwaffeneinsätze und -tests.«

Dass es den Atommächten nicht egal sein kann, dass in der UN-Vollversammlung gegen ihre Interessen gestimmt wurde, erklärt Manfred Mohr, Völkerrechtler und Mitglied von IALANA. Die Atomwaffenstaaten können den Vertrag nicht ignorieren, glaubt der Jurist. Und: »Die Nukleardoktrin der NATO wird mit dem Vertrag illegal.« So seien es vor allem auch die USA und Deutschland gewesen, die anderen Regierungen Druck gemacht hätten, sich nicht an den Verhandlungen zu beteiligen.

Für Hach hat der Vertrag auch noch eine weitere Konsequenz: Er hinterfragt das ordnungspolitische Machtgefüge der Welt. Die Mehrheit der UN-Vollversammlung hat sich den Interessen der Mitglieder des Sicherheitsrates widersetzt. Wobei es die alten Atommächte USA, Russland und Frankreich gewesen waren, die Verhandlungen über den Vertrag rundweg abgelehnt hatten. Die Länder also, »die sich am wenigsten auf das Schrumpfen ihres Wirkungsraums angepasst haben«, sagte Hach. China, Pakistan und Indien hätten sich der Abstimmung über den Verhandlungsbeginn enthalten.

 

Jochen