Die Vasallisierung Europas

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

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Europäische Denkfabrik konstatiert, die EU-Politik werde seit Beginn des Ukraine-Kriegs exklusiv von den USA dominiert, und warnt mit Blick auf künftige US-Prioritäten vor einer „Vasallisierung Europas“.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9237

WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Eine europäische Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin warnt mit Blick auf die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen vor einer „Vasallisierung Europas“.
Wie es in einer kürzlich publizierten Analyse aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR) heißt, habe der Ukraine-Krieg das Scheitern der vielgepriesenen EU-Bemühungen um „strategische Autonomie“ offen zutage treten lassen.
Seit Kriegsbeginn dominierten die USA die Politik in Europa nicht nur mit der Menge ihrer Rüstungslieferungen an Kiew, sondern auch, indem sie die gemeinsame Kriegsstrategie diktierten. Europa operiere in der zweiten Reihe – wie im Kalten Krieg.
Im Unterschied zu damals aber sei es für Washington heute nicht wichtig, die Länder Europas zu ökonomisch starken Frontstaaten zu formen. Vielmehr habe es für die USA heute Vorrang, ihre eigene Wirtschaft maximal gegen China zu stärken – dies auch auf Kosten von Europas Industrie, die für Washington allenfalls noch Hilfsfunktion besitze. Während Frankreichs Präsident Macron warnt, die EU dürfe nicht zum US-„Vasallen“ werden, sieht Bundeskanzler Scholz ihren Platz weiterhin eng an der Seite der USA.

Strategische Autonomie

Den Anspruch, die EU müsse als eigenständige Weltmacht operieren, hatten Politiker aus Berlin, Paris und Brüssel in den Jahren vor dem russischen Überfall auf die Ukraine immer wieder offen vertreten. Schon in der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU vom Juni 2016 hieß es, man müsse „europäische strategische Autonomie“ und ein militärisch „stärkeres Europa“ anstreben.[1] Anfang 2018 hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, die EU müsse eine eigenständige „Machtprojektion“ „in die Welt hinein“ entfalten.[2]
Anfang 2019 äußerte Gabriels Amtsnachfolger Heiko Maas, es gelte „ein starkes, handlungsfähiges Europa“ anzustreben, um nicht „in einer Welt der Großmachtkonkurrenz zerrieben zu werden“.[3]
Im August 2019 warnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die beiden Staaten, die gegenwärtig „das Sagen“ hätten, seien „die Vereinigten Staaten von Amerika und die Chinesen“; wolle die EU nicht „unbedeutende Verbündete des Einen oder des Anderen“ sein, müsse sie stärker werden.[4]
Im September 2019 kündigte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ihr Amt am 1. Dezember 2019 antrat, ausdrücklich eine „geopolitische EU-Kommission“ an.[5] Regelmäßig war von einer Politik „auf Augenhöhe“ mit den Vereinigten Staaten die Rede.

Schwächer geworden

Wie der European Council on Foreign Relations (ECFR) in einer neuen Analyse konstatiert, hielten die tatsächlichen Leistungen der EU den protzig vorgetragenen Weltmachtansprüchen nicht stand; im Gegenteil: Die EU fiel in den vergangenen 15 Jahren gegenüber den USA in vielfacher Hinsicht zurück.[6]
Das gilt dem ECFR zufolge bereits ökonomisch: War die Wirtschaftsleistung der EU im Jahr 2008 mit 16,2 Billionen US-Dollar noch deutlich größer als diejenige der Vereinigten Staaten (14,7 Billionen US-Dollar), so kamen die USA im Jahr 2022 bereits auf mehr als 25 Billionen US-Dollar, die EU plus Großbritannien hingegen lediglich auf 19,8 Billionen US-Dollar.
Der Versuch, dem Euro zu einer Stellung zu verhelfen, die annähernd derjenigen des US-Dollar entspreche, sei gescheitert; das erlaube es den USA, ohne Rücksicht auf die europäischen Mächte Finanzsanktionen zu verhängen. Zugleich hätten die Vereinigten Staaten ihre Technologiedominanz ausbauen können; anders als China habe die EU es nicht geschafft, Rivalen zu Google, Amazon oder auch Apple zu entwickeln.
Militärisch sei die EU ebenfalls zurückgefallen. Hätten die USA ihren Militärhaushalt von 656 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf 801 Milliarden US-Dollar 2021 gesteigert, erreichten die Streitkräftebudgets der EU und Großbritannien, die 2008 bei 303 Milliarden US-Dollar gelegen hätten, immer noch nur 325 Milliarden US-Dollar.

Zutiefst zerstritten

Habe die EU in den Jahren von 2008 bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs relativ zu den Vereinigten Staaten an Macht eingebüßt, heißt es in der ECFR-Analyse, so sei es gleichzeitig dem europäischen Staatenkartell nicht gelungen, weltpolitisch Schlagkraft zu entwickeln.[7]
Das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Jahr 2009 habe noch den Anschein erweckt, die EU werde nun eine gemeinsame Außenpolitik schmieden und „ihre verborgene Stärke“ zur Geltung kommen lassen. Dies sei nicht geschehen.
Stattdessen hätten die Eurokrise Nord und Süd, die Zuwanderung von Flüchtlingen Ost und West gegeneinander aufgebracht; der Austritt Großbritanniens wiederum habe die EU „ihrer zweitgrößten Wirtschaft und ihrer stärksten Militärmacht“ beraubt – „ein schwerer Schlag für das Ansehen der EU und für ihre Fähigkeit, geopolitischen Einfluss auszuüben“.
Zu den vom ECFR erwähnten Faktoren kommt zweierlei hinzu. Zum einen haben es Berlin und Paris bis heute nicht vermocht, ihre stark divergierenden strategischen Konzeptionen auf einen Nenner zu bringen; vielmehr hat die Bundesrepublik französische Vorstöße regelmäßig ausgebremst, Frankreich hat regelmäßig dagegen aufbegehrt.[8]
Zum anderen ist es den USA gelungen, mit Hilfe einiger Staaten insbesondere aus Osteuropa ein geschlossenes Vorgehen der EU zu torpedieren; vor allem Polen und die baltischen Staaten, immer wieder auch Tschechien und Rumänien treten als loyale Parteigänger Washingtons auf.[9]

Washington entscheidet

Wie der ECFR konstatiert, hat der Ukraine-Krieg die US-Dominanz gegenüber der EU schlagartig offen zutage treten lassen.[10] Tatsächlich geben die Vereinigten Staaten nicht bloß mit ihren Unterstützungsleistungen für die Ukraine den Ton vor. Alle „strategischen Entscheidungen“, so heißt es in der ECFR-Analyse, würden gleichfalls „in Washington getroffen“.
Die europäischen Verbündeten würden faktisch nur um ihr „stillschweigendes politisches Einverständnis“ sowie um „militärische und finanzielle Beiträge zu einer US-geführten Strategie gebeten“. Genaugenommen sei das westliche Bündnis in den Zustand zurückgesunken, in dem es sich in der Zeit des Kalten Kriegs befunden habe. Nicht nur militärisch, auch bei den Sanktionen falle die maßgebliche Rolle Washington zu: Die entscheidende Wirkung habe „der US-Dollar und die amerikanische Kontrolle über das internationale Finanzsystem“.
Für eine „strategische Autonomie“ der EU bleibe keinerlei Raum. Sogar die mit großem Aufwand betriebenen Bestrebungen, eine eigenständige rüstungsindustrielle Basis für die EU zu schaffen, seien gescheitert: Beschafft würden zur Zeit vor allem US-Rüstungsgüter, hält der ECFR fest. Dies gilt besonders auch für die deutschen Aufrüstungsvorhaben – german-foreign-policy.com berichtete [11].

Der Unterschied zum Kalten Krieg

In einem unterscheidet sich die aktuelle Lage allerdings dem ECFR zufolge stark von der Situation in der Zeit des Kalten Kriegs. Damals seien die USA bemüht gewesen, Westeuropa – und insbesondere die Bundesrepublik – zu starken Frontstaaten im Systemkonflikt mit den sozialistischen Staaten Ost- und Südosteuropas zu formen, schreibt die Denkfabrik; daher hätten sie sich als Absatzmarkt für die westeuropäische Industrie zur Verfügung gestellt.[12] Dies ermöglichte in der Tat vor allem der Bundesrepublik den rasanten industriellen Aufstieg zu einer der stärksten Wirtschaftsmächte weltweit.
Heute aber konzentrierten die USA sich auf den Machtkampf gegen China, fährt der ECFR fort; dafür sei kein wirtschaftsstarkes Europa vonnöten, sondern eine erfolgreiche US-Industrie. Dies sei der Grund, weshalb die Biden-Administration alle im Westen verfügbaren ökonomischen Kapazitäten in die USA zu ziehen suche [13] – auch auf Kosten Deutschlands und der EU; deren Rolle bestehe aus US-Sicht heute darin, die US-Industrie zu stärken und ihre Wirtschaftsbeziehungen nach China so umfassend wie möglich zu kappen.
Für Deutschland und die EU wäre das freilich mit einem dramatischen ökonomischen und politischen Abstieg verbunden.
Da sie militärisch von den USA abhängig seien, fehle ihnen das Potenzial, dies zu verhindern, sagt der ECFR voraus und diagnostiziert eine „Vasallisierung Europas“.[14]

Berlin gegen Paris

Wie darauf politisch zu reagieren sei, darüber wird in der EU längst gestritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor kurzem explizit gewarnt, die EU-Staaten dürften nicht zu „Amerikas Gefolgsleuten“, zu „Vasallen“ herabsinken; sie müssten vielmehr „strategische Autonomie“ anstreben und versuchen, zu einer „dritten Supermacht“ zu werden.[15]
Kanzler Olaf Scholz hat dies am Dienstag vor dem Europaparlament in scharfem Ton abgelehnt und erklärt: „Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtphantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit.“[16] Es gelte stattdessen, eng an der Seite der Vereinigten Staaten zu bleiben.

[1] S. dazu Strategische Autonomie.

[2] S. dazu Die Machtprojektion der EU.

[3] S. dazu Europas „geopolitische Identität“.

[4] Emmanuel Macron bei der Botschafterkonferenz 2019. at.ambafrance.org 27.08.2019.

[5] The von der Leyen Commission: for a Union that strives for more. ec.europa.eu 10.09.2019.

[6], [7] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[8] S. dazu Die deutsch-französische „Freundschaft“.

[9] S. dazu Washingtons Prellbock (II) und Machtkämpfe hinter der Front.

[10] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[11] S. dazu Eine neue Epoche der Konfrontation.

[12] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[13] S. dazu Machtkämpfe hinter der Front (II).

[14] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[15] Jamil Anderlini, Clea Caulcutt: Europe must resist pressure to become ‘America’s followers,’ says Macron. politico.eu 09.04.2023.

[16] Thomas Gutschker: Grüne Gardinenpredigt für den Kanzler. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.05.2023.

Was man unter brownnosing versteht, wergibt sich wohl aus dem Kontext.

Passend dazu schon 2017  Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten:

Rüstung statt Abrüstung. Das deutsche Volk lässt sich mehrheitlich grandios verführen, ohne aufzumucken.

a mueller kAls im Jahre 1990 die Konfrontation zwischen West und Ost beendet war und man verabredet hatte, gemeinsam für Sicherheit zu sorgen, schrillten im NATO Hauptquartier in Brüssel alle Alarmglocken. Und bei der Rüstungswirtschaft auch. Dann hat man aber spätestens 1999 mit dem Jugoslawien Krieg neue Arbeit für die NATO gefunden und zugleich auch für die Bundeswehr.
Und jedes Mal, wenn einer der vom Westen geführten Kriege sich zu Ende neigte, machte man sich Sorgen um die weitere Beschäftigung von NATO und Rüstungswirtschaft. Jetzt ist der große Durchbruch erzielt. Ursula von der Leyen gibt Trump recht und fordert 2 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr – hier in der Tagesschau zum Beispiel. Mit einer Palette von Tricks wird uns das Fell über die Ohren gezogen.
Auf einige dieser Tricks möchte ich Sie aufmerksam machen. Sie werden in den nächsten Tagen aus Anlass der Münchner Sicherheitskonferenz, die man auch „Münchner Aufrüstungskonferenz im Interesse der Rüstungswirtschaft“ nennen könnte, weiteres zum Thema hören und sehen und Sie werden erleben, dass außer einer kleinen Minderheit von aufrechten Freunden der Demokratie und des Friedens ansonsten alles stumm bleibt: die Partei der Rüstungsministerin von der Leyen sinkt bei den Umfragen nicht in den Keller; Angela Merkel, die Chefin der militanten Verteidigungsministerin, erleidet keinen Imageeinbruch; die Mehrheit der Deutschen denkt, es geht uns gut, warum sollen wir dann über Rüstung meckern.

Ein Beleg dafür, dass manche Leute Angst vor dem Frieden haben:

Zur Einstimmung mache ich auf eine kleine Textpassage in einem FAZ Artikel vom 21.9.2013 aufmerksam. Dort heißt es unter der Überschrift „Zurück zu den Wurzeln. Die NATO denkt über ihre Zukunft nach dem Abzug aus Afghanistan nach“

„Die Nato sieht sich seit einiger Zeit mit einer Frage konfrontiert, die für ein Militärbündnis alles andere als belanglos ist: Was tun ohne Krieg? Ende nächsten Jahres will das Bündnis seine Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen haben, die Rückverlegung der Truppen ist in vollem Gang. Kommt es nicht zu einem neuen Großeinsatz, und das ist wegen der Kriegsmüdigkeit im Westen wahrscheinlich, dann wird die Allianz zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in einem bewaffneten Konflikt stehen. Vor allem den Militärs bereitet das Kopfzerbrechen. Wie soll man die Einsatzfähigkeit erhalten, wenn die Truppen wieder in den Kasernen zurück sind, fragen sich die führenden Offiziere. Eine erste, für Außenstehende vielleicht etwas überraschende Antwort lautet: indem man eine Schlacht gegen Russland übt.

Der letzte Satz ist von mir gefettet. Sie üben die „Schlacht gegen Russland“. Und das Volk schaut zu. Mehrheitlich jedenfalls.
Säbelrasseln wird nicht mehr bestraft. Auch die schlimmste Form nicht, auch die Planung von Atombewaffnung nicht.

Einige Tricks zur Beeinflussung, ehrlicher gesagt: zur Manipulation der Menschen:

Der erste Trick bestand darin, ein altes Feindbild neu aufzubauen und eine Bedrohung zu konstruieren.
Russland bot sich an. Schon alleine wegen der schon mehrmals erprobten Rolle, von den Nazis und dann nach dem Krieg vom konservativen Teil unserer Gesellschaft. Putin bot die Chance zur Personalisierung der Aggression.

Das ist nahezu komplett gelungen und wird ständig unterfüttert durch Behauptungen wie zum Beispiel jene über Hackerangriffe.
Ein ergänzender Trick bei diesem Feindbildaufbau ist es, die Staaten an der Grenze zu Russland, also die baltischen Staaten und Polen, die mit Recht oder Unrecht Rechnungen mit Russland offen haben, als Katalysatoren zu benutzen.

Der zweite Trick: Ein paar Bemerkungen des neuen Präsidenten der USA über die angebliche Überflüssigkeit der NATO (= obsolet) wurden penetrant so interpretiert, als wäre Europa damit der Schutz der USA gegen Russland entzogen.
Das ist eine grandiose Überinterpretation und Falschinterpretation, aber sie wurde von mehreren Stellen gleichlautend und penetrant in die Köpfe und Herzen der Menschen geklopft.

Dort blieb hängen: Mit Trump haben uns die USA verlassen, uns ihren militärischen und vor allem atomaren Schutz entzogen. Also müssen wir das selber machen. Also müssen wir massiv rüsten.
In der Wirklichkeit findet diese Erzählung keine reale Basis. Sie wird nur gebraucht und deshalb wird sie erzählt, um Geld für die Rüstung locker zu machen.

Der dritte Trick: Man sagt B und meint eigentlich A.
Am 29. Juli 2015 haben wir auf den NachDenkSeiten diese Methode beschrieben. Sie wird gerne angewandt, so wie jetzt auch hier: es wird eine Debatte um die deutsche Atombombe vom Zaun gebrochen. Diese läuft in der FAZ und dann bei Panorama und dann im Deutschlandfunk und dann auch in der Zeit.

Das Volk steht verwirrt beiseite, teilweise auch dagegen. Aber die eigentlich beabsichtigte Botschaft A: wir brauchen Militär und Rüstung gegen den neuen Feind, bleibt als berechtigt hängen.

Der vierte Trick wird uns gerade mit der Sicherheitskonferenz in München demonstriert: Rüstungpropaganda und Propaganda für militärische Einsätze unter einem falschen Label: Sicherheit. Und das auch noch auf unsere, der Steuerzahler Kosten.
Früher hieß die Münchner Sicherheitskonferenz „Wehrkundetagung“. Das war eine einigermaßen ehrliche Bezeichnung.

Dann wurde das Ding in Sicherheitskonferenz umbenannt. Und das ist dann keine ehrliche Bezeichnung mehr, jedenfalls für einen größeren Teil dessen, was dort in München passiert.
Ich erinnere an die gleichlautende Propaganda von Bundespräsident Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen. Sie forderten vor zwei Jahren unisono, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Da konnte man als verantwortungsbewusster Mensch ja noch mitfühlen. Aber gemeint und auch so insinuiert war damals schon Verantwortung durch militärische Einsätze.
Diese Propaganda wird zu einem beachtlichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dabei handelt es sich nicht um eine öffentliche Konferenz und auch nicht um eine von einer öffentlichen Instanz ausgerichtete Konferenz. Die Rüstungswirtschaft lässt sich vom Steuerzahler ihre Lobbyarbeit auch noch bezahlen.

Mein Kommentar: Aus heutiger Sicht fügt sich ddas ein in eine effektive Vorbereitung des Ukraine-Krieges, der seit 2022 ausgebrochen ist.
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Krone-Schmalz zum Ukraine-Konflikt : „Offenbar reicht bei vielen weder die Bildung noch die Fantasie aus, um sich die Schrecken des Krieges vorzustellen“ – aktualisiert am 1.3.2022

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Aktuell in den NachDenk Seiten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=80630
Auszüge:

Was heute fehlt, ist eine kraftvolle Friedensbewegung, die mglichst unideologisch und nicht in Grabenkämpfen verstrickt eine einfache, klare Forderung formuliert: Wir haben die Nase voll von Säbelrasseln ().
Das sagt die Autorin und Journalistin Gabriele Krone-Schmalz im NachDenkSeiten-Interview. Krone-Schmalz, die viele Jahre als ARD-Korrespondentin in Russland gearbeitet hat, zeigt sich hochgradig besorgt über die aktuellen Entwicklungen zwischen der NATO und Russland. Im Interview erklärt Krone-Schmalz, was die Grnde dafür sind, dass es keine neue Ostpolitik gibt, und beleuchtet die geostrategischen Hintergrnde im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt. Von Marcus Klöckner.

Erweiterung am 1.3.2022: Zur aktuellen Situation nach dem Einmarsch russischer Truppen nimmt Frau Krone-Schmalz am Ende dieses Artikels Stellung !

Frau Krone-Schmalz, seit Monaten geht es in den Medien verstärkt darum, ob es einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine geben wird.
Selbst die Frage, ob daraus ein Krieg entstehen knnte, in den dann auch die NATO involviert wre, ist auf dem Tisch. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?

Hochgradig besorgt. Ständig liest man Meldungen wie: Der amerikanische Präsident Biden warnt vor einem unmittelbar bevorstehenden russischen Einmarsch.
Die baltischen Staaten bereiten sich auf einen russischen Angriff vor etc. etc. Man bekommt den Eindruck, einigen Journalisten kann es gar nicht schnell genug gehen mit dem Krieg. Am 4. Februar setzte die amerikanische Agentur Bloomberg eine Eilmeldung auf ihre Webseite: Live: Russland marschiert in die Ukraine ein.
Diese Falschmeldung konnte man dort immerhin 30 Minuten lang lesen. Ich finde den Vorgang bezeichnend für die hysterische und sensationslüsterne Stimmung in manchen Medien.
Warum befasst man sich nicht mit den Dingen, die greifbar sind, statt sich in immer wilderen Spekulationen über mögliche Entwicklungen zu verlieren? Der russische Truppenaufmarsch, die westliche Reaktion, die Forderungen Russlands in Zusammenhang mit Sicherheitsinteressen, die westliche Antwort bzw. westliche Vorschläge, die diplomatischen Aktivitäten mit der genauen Wiedergabe und Analyse dieser Dinge sind wir gut beschäftigt.

Das Wort Krieg geht vielen Medien erstaunlich schnell von der Hand. Auch wenn die Frage vielleicht banal klingt: Was heißt Krieg?

Ich habe das Glück, selbst nie Krieg erlebt zu haben, im Gegensatz zu meinem Mann und meinen Eltern. Und ich habe das Glück, dass ich mit allen dreien darüber habe reden können. Krieg ist Horror und nicht nur aseptische Joystick-Aktivität in durchgestylten IT-Räumen. Aber offenbar reicht bei vielen weder die Bildung noch die Fantasie aus, um sich die Schrecken des Krieges vorzustellen. Anders kann ich mir das Verhalten nicht erklären.
Willy Brandt hat einmal gesagt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

In den Medien gibt es kaum Zweifel daran, wer gut, wer böse ist, also von wem die Aggression ausgeht. Was ist die Realität?

Mit der Realitt ist das so eine Sache. Von Geraldine Chaplin stammt der Satz: Wahrheit ist selten so oder so, meistens ist sie so und so. Unabhängig von Lügen, die es natrlich auch gibt, haben verschiedene Narrative durchaus ihre Berechtigung. Bei der Betrachtung existenzieller Fragen empfiehlt sich immer ein Perspektivwechsel. Nur aus dem eigenen Blickwinkel betrachtet, wird es schwer, Lösungen zu finden, von denen alle Seiten profitieren. Und die simple Unterteilung in gut und böse habe ich in meinen Büchern immer wieder aufs Korn genommen. Denn so einfach ist es meistens nicht.
Nehmen Sie nur die Berichterstattung über Minsk 2. Wer sich mit dem Abkommen nicht auskennt, muss den Eindruck bekommen, es seien vor allem Russland und die Separatisten, die blockieren. In Wahrheit setzt aber auch die Ukraine zentrale Teile des Abkommens nicht um, weil es in einem Moment der militrischen Schwäche ausgehandelt wurde und Kiew auf einen besseren Deal hofft.

Der Begriff geostrategische Interessen wird in deutschen Medien oft nur im Zusammenhang mit dem Handeln der russischen Regierung betrachtet. Aber viele Länder haben geostrategische Interessen. Und ein Bündnis wie die NATO ist auch nicht befreit davon. Was sind die geostrategischen Interessen der USA, der NATO in diesem Konflikt mit Russland?

In der Tat kann man bei manchen Äußerungen den Eindruck gewinnen, als denke man nur noch in Moskau in geopolitischen Einflusszonen. Doch wie glaubwürdig ist das? Etwa, wenn man sich die amerikanische Politik im Nahen Osten anschaut.
Gods_Own_CountryNach dem Ende des Kalten Krieges und der Auflsung von Warschauer Pakt und Sowjetunion waren die USA die alleinige Supermacht *), und eine Zeitlang sah es so aus, als könnten sie ihre Ordnung weltweit durchsetzen. Das geopolitische Interesse der USA war es seitdem, dafür zu sorgen, dass kein Rivale auf der Weltbühne auftaucht, der sie in derselben Weise herausfordern könnte, wie die Sowjetunion es getan hatte.
Eine solche kritische Masse könnte erreicht sein, wenn es Russland gelänge, Weißrussland und die Ukraine zu schlucken, so stand es 1992 in Papieren des Pentagon, die mageblich Paul Wolfowitz entworfen hatte, später stellvertretender Verteidigungsminister unter George W. Bush. Der heutige Konflikt ist sicher vielschichtig. Aber ich wäre sehr überrascht, wenn diese Hintergründe nicht auch eine Rolle spielen wrden.

Und welche geostrategischen Interessen sind auf russischer Seite auszumachen?

Russland hat den Anspruch, ein eigenständiger Pol der Weltpolitik zu sein und zu bleiben. Dafür ist zum Beispiel die Möglichkeit, eine Blockade des Schwarzen Meeres durch die NATO verhindern zu können, von elementarer Bedeutung.
Nur wer sich diesen geostrategischen Zusammenhang vergegenwärtigt, versteht die Bedeutung der Krim sowie die von Abchasien in Georgien.
Wenn die NATO unmittelbar an russische Grenzen heranrückt, dann schränkt das den geopolitischen Spielraum Russlands ein, genau wie es Washington vermutlich auch beabsichtigt. Aber es geht auch generell darum, auf internationalem Parkett als ein solcher unabhängiger Pol wahrgenommen und respektiert zu werden.
Dass Russland dafr auf militärische Drohungen zurckgreifen muss, ist eher ein Zeichen von Schwäche als von Stärke und auch bezeichnend dafür, wie der Westen viele Jahre mit Russland umgegangen ist.

All das, was Sie ausführen, ist im Grunde genommen ja nicht neu. Wohl die meisten Beobachter, die auf den Ukraine-Konflikt blicken, wissen, dass es im Kern um massive geostrategische Interessen auf beiden Seiten geht. Und trotzdem hält sich das Bild in den Medien von Russland, das angeblich als Aggressor handelt und der Westen das Unschuldslamm ist. Wenn westliche Staaten der Ukraine beistehen, dann nur aus den edelsten Motiven.
Sind wir damit dann inmitten der Propaganda oder gar einer kriegsvorbereitenden Propaganda?

Ich finde es in der Tat problematisch, wenn sich Länder so bedingungslos auf eine Seite stellen, statt die Chance zu ergreifen, bei einem Konflikt zu vermitteln.
Man kann Vieles kritisieren mit Blick auf russische Politik, aber das wird nicht glaubwürdiger dadurch, dass man beide Augen zudrückt, sobald es sich um die Ukraine handelt. Die Art, wie zurzeit der ukrainische Botschafter in Deutschland sowohl von der Politik als auch von den Medien hofiert wird, finde ich mehr als befremdlich, und sein Auftreten bei allem Respekt unverschämt. Man stelle sich vor, der deutsche Botschafter in Kiew ruft die ukrainische Bevölkerung auf, endlich ihrer Regierung nachdrücklich deutlich zu machen, was sie zu tun hat, um sich nicht dem Vorwurf unterlassener Hilfeleistung auszusetzen.

Noch mal: Im Grunde genommen ist der Konflikt zwischen der Ukraine, Russland und der NATO nicht so schwer zu durchschauen. Man muss sich nur vorstellen, was wre, wenn Russland versuchen würde, beispielsweise Mexiko immer näher auch miliätrisch an sich zu binden.
Und dennoch zeichnen Medien ein sehr einseitiges Bild dieses Konfliktes. Ist das Vorsatz?

Ich glaube, mit eindimensionalen Erklrungen kommt man nicht weit. Es hat ja Gründe, warum diese Mechanismen und das Entstehen von Freund-Feind-Bildern immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sind.

Einseitige Bilder werden dadurch begünstigt, dass komplizierte Zusammenhänge in kurzer Zeit einfach und verständlich erklärt werden mssen.
Das Bewusstsein, auf der guten Seite zu stehen, verbunden mit missionarischem Eifer, spielt sicher auch eine Rolle.
Und schließlich darf man die Techniken von Staaten und Thinktanks nicht unterschätzen, die Deutungshoheit über die Bewertung politischer Entwicklungen zu erlangen. Das funktioniert überall.
Deshalb ist es so wichtig, in der Journalistenausbildung nicht nur Handwerk zu vermitteln, sondern auch die Fähigkeit, gegen alle Widerstände Verantwortung zu übernehmen und sich den Blick durch nichts und niemanden verengen zu lassen.

Medien haben sich die Tage darber echauffiert, dass Deutschland nur 5000 Helme an die Ukraine liefern werde. In der liberalen Zeit fragt ein Kolumnist allen Ernstes: Was ist los mit Deutschland?

Lächerlich ist nicht die Lieferung der 5.000 Helme, wie überall gensslich zitiert und berichtet wird. Lächerlich ist der Vorgang. Nach meinem Kenntnisstand hat die Ukraine ganz allgemein nach Helmen und Schutzwesten gefragt für all die Zivilisten, die jetzt den Krieg proben. Und zwar ohne eine konkrete Zahl zu nennen.
In Deutschland konnte man offenbar auf Anhieb 5.000 Helme entbehren und hat sie sofort auf die Reise geschickt. Erst dann tauchte die Zahl von 100.000 Helmen auf, um die die Ukraine gebeten habe. Dagegen wirken die 5.000 Helme natürlich etwas albern.
Der ukrainische Botschafter, der am 6. Februar in der Talkshow von Anne Will saß, ist der Frage nach der Chronologie der Geschichte ausgewichen und leider nicht gedrängt worden zu antworten. Der Schenkelklopfer wird uns also wohl erhalten bleiben.

Kann es sein, dass manche Journalisten in Deutschland schlicht im Geschichtsunterricht nicht anwesend waren?
Wie kann man als Journalist alleine schon aufgrund der historischen Hintergründe allen Ernstes wollen, dass sich Deutschland an einer Aufrüstung eines Landes gegen Russland beteiligt?

Manche stellen sich ja auf den Standpunkt, die Ukraine habe es im Zweiten Weltkrieg mindestens so hart getroffen wie Russland ähnlich wie Weirussland, denn beide Länder muss man ja erstmal durchqueren, bevor man in Russland ankommt, und leiten daraus ganz im Gegenteil die Verpflichtung Deutschlands ab, der Ukraine jetzt zu Hilfe zu kommen. Damit werden die verschiedenen Opfergruppen gegeneinander ausgespielt. Ich kann dem nicht folgen.
Es ist und bleibt eine Tatsache, dass es Frieden in Europa nur mit Russland geben kann und nicht ohne, schon gar nicht gegen. Es sollte also auch im Interesse der Ukraine liegen, auf jeden Fall einen Krieg zu vermeiden, und das erreicht man, wie die Geschichte zeigt, nicht durch Aufrüstung, sondern nur durch Diplomatie.

Wir reden jetzt viel ber die Medien. Vielleicht ja auch zu viel. Aber mein Eindruck ist, dass bestimmte Medien und Journalisten sich nicht im Ansatz darber im Klaren sind, was sie mit ihrer zündelnden Berichterstattung anrichten. Wie sehen Sie das?

Eine Kollegin in Washington hat das (am 7.2.) in ihrer Berichterstattung über den Besuch des deutschen Bundeskanzlers Scholz beim amerikanischen Präsidenten Biden sehr gut auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Die wahre Nagelprobe wird nicht das Gesprch mit Biden sein, sondern hinterher die Fragen der Journalisten.
Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Vielen Journalisten passt offenbar nicht, dass die Bundesregierung, übrigens im Verbund mit Frankreich, nicht völlig auf die Position der Scharfmacher in Washington, London, Warschau und den baltischen Staaten einschwenkt. Und sie haben beschlossen, nicht locker zu lassen, bis der Kanzler einknickt.
Doch welche Legitimation haben Journalisten eigentlich, auf diese Weise selbst Politik zu machen? Wer hat sie gewählt? Vor wem mssen sie sich rechtfertigen, wenn es schiefgeht?
Und es ist schon abenteuerlich, wie sehr die eigene Regierung da manchmal herabgewrdigt wird. Von Jesuslatschen ist zu lesen, auf denen der Kanzler unterwegs sei, seine Politik sei blamabel, peinlich und dergleichen. Damit beschädigt man im Endeffekt auch unsere demokratischen Institutionen.

Was msste aus Ihrer Sicht passieren, damit es nicht zu einem Krieg kommt?

Journalisten sollten parteipolitische Spielchen entlarven, statt sie mitzuspielen, und endlich damit aufhören, Horrorszenarien zu entwerfen, mit denen sie Politikern möglichst markige Worte dazu abnötigen, was sie alles im Kcher haben, wenn

Das ist die eine Seite.

Politiker sollten sich nicht kirre machen lassen, sondern das durchziehen, wofür sie schließlich auch Verantwortung bernehmen mssen.
So etwas wie Helsinki 2.0, also eine große Sicherheitskonferenz, wäre ganz bestimmt hilfreich. Das kann aber nur gelingen, wenn Verhandeln und Kompromiss nicht als Schwäche ausgelegt werden, und um auf die Journalisten zurückzukommen, wenn Journalisten endlich aufhören, Fragen zu stellen wie: Wer hat gewonnen, wer verloren, was ist mit dem Gesichtsverlust? Etwas Unwichtigeres kann ich mir zurzeit kaum vorstellen.

Warum ist es so schwer, eine Art neue Ostpolitik aufzuziehen?
Wo sind deutsche Politiker, die dazu sowohl fähig wären?

Weil es in den Leitmedien nicht mehr zu Debatten kommt und alles abgebügelt wird, was nur nach Verständigung mit Russland riecht. Auch die neue Ostpolitik Anfang der 70er Jahre wurde als Vaterlandsverrat diffamiert und deren Vertreter als Fünfte Kolonne gebrandmarkt. Heute erledigt man das mit Begriffen wie Russlandversteher, Putinversteher und Verschwörungstheoretiker.
Leitmedien haben die Deutungshoheit übernommen und wer da vorkommen will, muss mit den Wölfen heulen.
Was heute fehlt, ist eine kraftvolle Friedensbewegung, die mglichst unideologisch und nicht in Grabenkämpfen verstrickt eine einfache, klare Forderung formuliert: Wir haben die Nase voll von Respekt_geht_andersSäbelrasseln, egal auf welcher Seite, wir wollen Entspannungspolitik und die Ideen dazu überall lesen, hören und sehen, damit wir uns damit auseinandersetzen können.

Lesetipp: Krone-Schmalz, Gabriele: Respekt geht anders. Betrachtungen über unser zerstrittenes Land. C.H. Beck Paperback, 16. Oktober 2020. S. 174. 14,90 Euro.

Um die Friedenspolitik kraftvoller zu machen, gibt es auf diesem Blog etliche Aufrufe, auch zum Online-Unterschreiben, z.B.


https://josopon.wordpress.com/2022/02/08/online-aufruf-ukraine-krise-friedenspolitik-statt-kriegshysterie-bitte-unterzeichnen/
https://josopon.wordpress.com/2022/02/07/verhandeln-statt-schiesen-aufruf-des-netzwerks-friedenskooperative/
https://josopon.wordpress.com/2020/08/29/online-petition-aufruf-aus-der-friedensbewegung-an-die-partei-die-linke-oskar-lafontaine-fragt-wer-ist-regierungsf-ahig/
https://josopon.wordpress.com/2020/04/21/online-petition-an-rolf-mutzenich-vorsitzender-der-spd-bundestagsfraktion-atombomber-nein-danke/

*:Amerikanischer Exzeptionalismus, siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2020/11/20/was-wir-von-der-biden-prasidentschaft-im-nahen-osten-erwarten-konnen/

Und hier die aktuelle Stellungnahme:
https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/putin-kennerin-gabriele-krone-schmalz-ich-habe-mich-geirrt-li.214288

„Ich war fest davon überzeugt, dass der Aufbau dieser gigantischen russischen Drohkulisse in den letzten Wochen und Monaten, so riskant und überzogen er auch sein mochte, einem einzigen Zweck diente: nämlich ernstzunehmende Verhandlungen mit dem politischen Westen zu erzwingen, um Russlands Sicherheitsinteressen endlich zum Thema zu machen. Ich habe mich geirrt. Nicht nur mit Blick darauf, was jetzt an Leid und Verwüstung folgt, bin ich fassungslos, sondern auch angesichts dieses Schlags ins Gesicht all derjenigen, die sich – teilweise gegen große politische Widerstände im eigenen Lager – auf den Weg nach Moskau gemacht haben, um diplomatische Lösungen für die tatsächlich vorhandenen Probleme zu finden. Es ist nicht so, als hätte ich keine Kriegsgefahr gesehen, aber dieses Risiko habe ich nicht mit einem russischen Angriff verbunden, der für mich ausgeschlossen schien, sondern mit Missverständnissen, technischen oder menschlichen Pannen zwischen Nachbarn, denen jegliches Vertrauen zueinander abhandengekommen ist. Diverse Szenarien waren denkbar auf der Grundlage von Provokationen oder Prozessen, die aus dem Ruder laufen, aber ein kalkulierter und geplanter Überfall auf die Ukraine – das habe ich nicht für möglich gehalten.

Habe ich mit meinen Positionen dazu beigetragen, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu ermöglichen, wie jetzt manche behaupten? Bin ich für den russischen Einmarsch mitverantwortlich? Es wäre schrecklich, wenn es so wäre. Doch überzeugend finde ich diesen Vorwurf nicht. Er setzt voraus, dass die Idee der Verständigung, der Entspannungspolitik grundverkehrt war, und dass eine Abschreckungspolitik Putin hätte im Zaum halten können. Beide Punkte halte ich nicht für richtig. Denn zum einen haben sich die Entspannungspolitiker in den letzten dreißig Jahren auf internationalem Parkett mit ihrer Politik eher nicht durchsetzen können. Ich möchte die Worte von George Kennan ins Gedächtnis rufen, dem Architekten amerikanischer Eindämmungspolitik. Der für seine scharfen Analysen bekannte Diplomat hat am 2. Mai 1998 – also noch bevor Polen, Tschechien und Ungarn 1999 in die NATO aufgenommen wurden – die NATO-Osterweiterung als tragischen Fehler bezeichnet, da es überhaupt keinen Grund dafür gebe. Niemand bedrohe irgendjemanden. „Natürlich wird es auch darauf zukünftig eine böse Reaktion durch Russland geben“, so Kennan, „und dann werden sie (also die NATO-Erweiterer) sagen: So sind die Russen, wir haben es Euch immer gesagt, aber das ist komplett falsch.“

Und zum anderen scheint mir, dass jeder Versuch, die Ukraine nach 2014 in die NATO mit aufzunehmen, die jetzt erfolgte Intervention nur beschleunigt und nicht verhindert hätte. Ich denke nach wie vor, dass die NATO-Osterweiterung und die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen durch den Westen stark dazu beigetragen haben, dass wir uns heute einem Russland gegenübersehen, das uns als Feind betrachtet und sich auch so verhält. Ich teile nicht die These, dass Putin schon immer der gewesen sei, der er jetzt ist. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir diesen Putin mitgeschaffen haben.

Aber letztlich ist es müßig, noch über die Vergangenheit zu streiten. Die Verständigungspolitik, deren Sinnhaftigkeit ich mit meiner Arbeit immer versucht habe zu erklären und journalistisch zu begleiten, liegt in Trümmern. Putin hat die Hand verdorren lassen, die zwar reichlich später, aber dann doch ausgestreckt war.

Nach allem was man hört, waren selbst einige russische Regierungsmitglieder von der Entscheidung ihres Präsidenten überrascht, den Einmarschbefehl zu geben, noch dazu in dieser Situation: unmittelbar vor weiteren geplanten Gipfeltreffen. Das macht die Lage nicht einfacher.

Der russische Einmarsch in die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Jetzt kann es nur darum gehen, möglichst sichere Wege zu finden die aus dieser Katastrophe herausführen. „Diplomatische Anstrengungen müssen erneut beginnen.“ Das hat Klaus von Dohnanyi jetzt gefordert, wobei auch ihm die Zumutung klar ist, die darin besteht, mit einem Gegenüber zu verhandeln, das dreist gelogen hat. Aber Zumutung, Gesichtsverlust und ähnliches sind keine akzeptablen politischen Kategorien, wenn es darum geht, einen Krieg zu beenden.

Was entspannungspolitisch alles möglich ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Obwohl die Sowjetunion 1968 die Demokratiebewegung in der Tschechoslowakei, den „Prager Frühling“, mit Panzern niedergewalzt hat, haben sich der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und sein Berater Egon Bahr 1970 auf den Weg nach Moskau gemacht. Das war der Beginn der sogenannten Ostpolitik, die auf lange Sicht für alle Beteiligten nur Vorteile gebracht hat. Humanitär und wirtschaftlich.

An der grundsätzlichen Aufgabe hat sich nichts geändert: Wir brauchen eine umfassende Sicherheitsarchitektur, die den Bewohnern des europäischen Kontinents allen gleichermaßen Sicherheit bietet. Die war Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Greifen nah. Es ist erschütternd, sich vor Augen zu führen, welche Chance verspielt worden ist.“

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Macron drängt zum Dialog über atomare Abschreckung. Im Haushalt der EU soll Aufrüstung die höchste Priorität genießen.

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

MacronAm Wochenende in der Süddeutschen: https://www.sueddeutsche.de/politik/macron-atomwaffen-1.4788943

Was sich so alles hinter Worthülsen wie „strategische Kultur„, „Weltordnung im Dienste des Friedens“ und „Sicherheit“ verbirgt…
Auszüge:

  • Frankreichs Präsident Macron will mit über die Rolle der atomaren Abschreckung in Europa diskutieren.
  • Interessierte EU-Staaten könnten an Übungen des französischen Militärs teilnehmen. Die Hoheit über seine Nuklearwaffen will Frankreich aber nicht teilen.
  • Macron fordert, dass die Verteidigung in Europa haushaltspolitische Priorität genießen soll.

Von Leo Klimm, Paris, und Paul-Anton Krüger

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drängt die europäischen Partner zu einem „strategischen Dialog über die Rolle der atomaren Abschreckung für unsere gemeinsame Sicherheit“.
Daraus solle sich eine „gemeinsame strategische Kultur“ in Europa entwickeln. Jene Staaten, die darauf eingehen, will Macron an „Übungen der französischen Streitkräfte zur nuklearen Abschreckung beteiligen“.

Zur Begründung sagte der Staatschef, Frankreichs militärische Interessen hätten heute stets auch eine europäische Dimension. Macron äußerte sich in einer Grundsatzrede vor Offiziersanwärtern an der École de guerre in Paris.
Frankreichs Unabhängigkeit bei der Entscheidung über den Einsatz der Waffen sei „vollständig vereinbar mit unserer unerschütterlichen Solidarität mit unseren europäischen Partnern“, sagte er.
In welcher Form andere europäische Armeen an das Atomwaffenarsenal herangeführt werden könnten, ließ Macron ebenso offen wie die Frage, an welche Partner sich sein Vorschlag richtet.
Aus seinem Umfeld hieß es, der Vorstoß sei als Angebot an Deutschland zu verstehen genauso wie an andere interessierte EU-Staaten.

Aus Macrons Umfeld heißt es, im Rahmen des nun angebotenen Dialogs könne etwa erörtert werden, ob die deutsche Luftwaffe ein neues Kampfflugzeug, das Berlin und Paris bis 2040 gemeinsam entwickeln wollen, auf französische anstatt auf US-Atomsprengköpfe auslegen will.
Macrons Vorstellungen nach verlange Frankreich für die mögliche Beteiligung an der atomaren Abschreckung kein Geld von den europäischen Partnern – im Jahr 2007 hatte der damalige Präsident Nicolas Sarkozy Deutschland den Schutz durch den französischen Nuklearschirm gegen einen finanziellen Beitrag angeboten.

Macron schlägt in dieselbe Kerbe wie Trump

Seit dem Brexit ist Frankreich die einzige Atommacht der EU. Nachdem Macron im Herbst den „Hirntod“ des transatlantischen Verteidigungsbündnisses Nato beklagt und damit Verwunderung auch in Deutschland ausgelöst hatte, legt er nun seine Vorstellungen zur Stärkung der europäischen Verteidigung dar. Er sieht sich in der Rolle, andere europäische Regierungen wach zu rütteln – nicht zuletzt die deutsche. „Wir müssen uns zusammenreißen“, sagte Macron.
„Die Neubegründung einer Weltordnung im Dienste des Friedens muss unser Ziel sein.“ In einer Woche will er seine Vorschläge auf der Münchner Sicherheitskonferenz diskutieren.

Macron zeigte sich überrascht, dass sein verteidigungspolitischer Ehrgeiz so heftige Debatten hervorrufe. Die EU habe sich das Ziel größerer militärischer Handlungsfähigkeit schon beim Europäischen Rat 1999 in Köln gesetzt – er wolle nun damit Ernst machen, sagte Macron. Er stellte die Frage, warum die Verteidigung immer noch keine haushaltspolitische Priorität genieße. Dieselbe Kritik bekommt die Bundesregierung regelmäßig von US-Präsident Donald Trump zu hören.

Frankreichs Präsident sagte, die geopolitischen Risiken für Europa würden zunehmen, auch weil die Architektur der Abrüstungsverträge aus dem Kalten Krieg zwischen Russland und den USA wanke.
Den INF-Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckensysteme hatte Washington wegen Verstößen Moskaus gekündigt.
Der New-Start-Vertrag zur Beschränkung strategischer Atomwaffen läuft 2021 aus, eine Verlängerung ist noch nicht vereinbart.

„Die Handlungsfreiheit Europas setzt die wirtschaftliche und digitale Freiheit voraus“

Macron, der auch auf anderen Feldern für eine Stärkung Europas wirbt, leitet daraus die Notwendigkeit größerer militärischer Autonomie ab.
„Zum strategischen Gleichgewicht Europas gehört auch eine atomare Komponente“, heißt es im Elysée-Palast. Explizit ausgeschlossen wird in Paris allerdings, dass Frankreich die Hoheit über seine Atomwaffen mit anderen Staaten teilen oder den Schutzschirm der USA im Zuge der nuklearen Teilhabe innerhalb der Nato ersetzen könnte. Dazu sei der Bestand an Atomwaffen zu klein, den Macron mit „weniger als 300 Sprengköpfen“ angab.
Frankreich werde sich auch weiterhin nicht an der sogenannten nuklearen Planungsgruppe der Nato beteiligen.

In seiner Rede zählte Macron auch den Schutz „kritischer Infrastrukturen“ zu den verteidigungspolitischen Prioritäten. Die europäischen Staaten dürften die Kontrolle etwa über ihre Hafenanlagen oder den 5G-Mobilfunkstandard nicht ausländischen Investoren überlassen. „Die Handlungsfreiheit Europas setzt die wirtschaftliche und digitale Freiheit voraus“, sagte Macron. „Wir müssen die technologische Unabhängigkeit Europas stärken.“

Das Weltbild sei düster, und „nicht hinzuschauen kann ein historischer Fehler sein“

Der Staatschef zeichnete ein düsteres Bild der Lage der Welt. Das Wetteifern der USA und Chinas um die Vorherrschaft in der Welt fördere das Risiko militärischer Eskalation; die multilaterale Ordnung der Nachkriegszeit, die auf internationalem Recht beruhe, werde ausgehöhlt und zunehmend durch das Recht des Stärkeren ersetzt.
Diese Umbrüche zwängen die Europäer, sich mit den Gefahren künftiger Kriege zu befassen, zumal ihr Kontinent im Mittelpunkt einer neuen Aufrüstungsspirale zwischen den USA und Russland stehen könnte.
„Nicht hinzuschauen kann ein historischer Fehler sein.“

Um die geopolitischen Risiken einzuhegen, sieht Macron auch „ein starkes Bündnis mit den Vereinigten Staaten“ als unabdingbar an. „Doch unsere Sicherheit erfordert ebenfalls größere Selbständigkeit.“
Dies entspreche im Übrigen dem Wunsch der USA.

Daneben verschreibt er sich der Förderung einer multilateralen Weltordnung, die ein neues Vertrauensverhältnis zu Russland und weltweite Rüstungskontrolle ermöglichen soll.
Einen Verzicht Frankreichs auf Atomwaffen lehnt er dagegen als unrealistisch ab. Sein Land mache sich sonst für Erpressung feindlich gesinnter Mächte anfällig.
Die Waffen könnten aber nur „unter extremen Umständen legitimer Verteidigung“ eingesetzt werden. Die Abschreckung diene gerade dazu, Krieg zu verhindern.
Schon 2018 verpflichtete sich Macron, Frankreichs Nukleararsenal bis 2035 komplett zu modernisieren.

nein zur nato ddr1957

nein zur nato ddr1957

Meine Anmerkung: Und natürlich kein Kommentar zu den angeblichen Verstößen Moskaus gegen den INF-Vertrag – das wird einfach als Fakt vorausgesetzt.
Auch nicht zum offensichtlichen Widerspruch zwischen atomarer Hochrüstung der EU, neuem Vertrauensverhältnis zu Russland und weltweiter Rüstungskontrolle.
Anscheinend halten Macron genau wie die Süddeutsche die russische Regierung für Idioten.
Genauso wie die deutschen Bürger in den US-Standorten, die damit zur Zielscheibe eines frühen nuklearen Zweitschlags werden bei einer Frühwarnzeit von unter 5min.

Erinnerung an 2003: Merkels Bückling vor KRIEGSTREIBER Bush

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Hat sich an der deutschen Unterwürfigkeit irgend etwas geändert, anlässlich der Vorbereitung auf einen nuklearen Erstschlag von Militärstützpunkten in Deutschland aus?
Was lernen wir heute aus der Geschichte angesichts der folgenden Kriege in Libyen, Syrien, Jemen`?

http://www.spiegel.de/politik/ausland/beitrag-in-us-zeitung-merkels-bueckling-vor-bush-a-237040.html

Merkels Bückling vor Bush

Merkel Kotau2003

Angela Merkel hat für einen handfesten Eklat gesorgt: In einem Beitrag für die „Washington Post“ stimmte die CDU-Chefin in den Kriegsgesang der US-Regierung ein, wetterte gegen die Bundesregierung – und brach damit nach Ansicht der SPD eine Tradition deutscher Politik.

Berlin 20.02.2003 – Die Blockade der Planungen zur Militärhilfe für die Türkei „untergräbt die Basis der Legitimität der Nato“, schrieb Merkel für die renommierte US-Tageszeitung.

Die „wichtigste Lektion deutscher Politik“, dozierte die CDU-Chefin weiter, sei die, dass es nie wieder einen deutschen Sonderweg geben dürfe.
Nur leider werde diese Lektion von der Bundesregierung hinfort gewischt, „anscheinend mit leichter Hand“. Und das obendrein nur aus „wahltaktischen Gründen“.
Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz demonstrierte Merkel, die am Wochenende die USA besucht, der US-Regierung ihre Unterstützung.
Sie ließ durchblicken, dass sie die Ergebenheitsadresse der acht europäischen Staaten unterschrieben hätte, anstatt wie die Bundesregierung eine Amerika-kritische Politik zu verfolgen.

Nun setzte Merkel zum zweiten Mal zur Attacke gegen die Bundesregierung an – allerdings im Ausland, was einen krassen Bruch der hiesigen politischen Kultur bedeutet.
Denn traditionell tun deutsche Politiker im Ausland vor allem eines, wenn es um innenpolitische Debatten geht: den Mund halten.

Zuletzt war es Herbert Wehner, der 1973 in der Moskauer Botschaft seinen Regierungschef Willy Brandt mit den Worten „Der Herr badet gerne lau“ diskreditierte – und damit zum Sturz Brandts beitrug. Entsprechend empört reagierte die SPD auf Merkels Beitrag in der „Washington Post“ (Titel: „Schröder spricht nicht für alle Deutschen“): Die CDU-Chefin bereite ihre USA-Reise „mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und einem Bückling gegenüber der US-Administration vor“, wetterte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. „Klassenstreber zeichnen sich seit jeher durch Feigheit und Opportunismus aus. Achtung gewinnen sie nicht.“ *)

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von „geschmackloser Anbiederei Merkels“, die dem Ansehen Deutschlands „schweren Schaden“ zufüge.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte Merkels Gastkommentar eine beispiellose Peinlichkeit und „Ausdruck einer liebedienerischen Haltung„.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz legte nach: Merkel verstoße gegen die Grundregel, die eigene Regierung im Ausland „nicht madig zu machen“. Sie falle mit ihrer Kritik der Bundesregierung und Hunderttausenden von Friedensdemonstranten in den Rücken.

Mit dem Angriff auf die Bundesregierung aber ließ es Merkel nicht bewenden. Die Gefahr durch den Irak sei nicht fiktiv, sondern real, schrieb die Vorsitzende von CDU und Unionsfraktion.
Europa müsse seiner Verantwortung gerecht werden, indem es mit den USA zusammenarbeite.*) Worin die Gefahr für die USA und insbesondere für Deutschland konkret bestehe, mochte sie allerdings nicht verraten.

Außerdem, so Merkel weiter, lehre die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, dass militärische Gewalt zwar nie die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein könne – aber als „letztes Mittel, mit Diktatoren umzugehen“ niemals auch nur in Frage gestellt werden dürfe. Nur ist von Selbstverteidigung im Angesicht unmittelbarer Bedrohung keine Rede im Merkel-Text.
Also doch Krieg als Mittel zur Beseitigung missliebiger Regimes? Stimmt Merkel damit gar der neuen amerikanischen Präventivschlags-Doktrin zu?

Ein weiterer Satz der CDU-Chefin unterstützt diese These: „Verantwortliche politische Führung darf niemals den wirklichen Frieden der Zukunft gegen den trügerischen Frieden der Gegenwart eintauschen.“
Mit anderen Worten: Verwandeln wir den falschen Frieden, der uns derzeit plagt, durch Krieg in einen echten. Was immer der Unterschied sein mag.

*: Derselbe Müntefering wandelte sich kein ganzes Jahr später selber zu einem solchen feigen und opportunistischen Streber, als er in die erste große Koalition nach Willy Brandt kroch. Und die Rede von der Verantwortung, weshalb wir der USA in alle angezettelten Kriege folgen sollen, ist heute offizielle SPD-Regierungsdoktrin.

Jochen

Der Attentäter Amri wurde vom Geheimdienst geschützt, um ihn abzuschöpfen – wie beim NSU ?

Was die WELT am Sonntag heute vor einem breiten Publikum ausbreitete, haben wir schon längst vermutet.
Die Angehörigen der Attentatsopfer könnten die Behörden auf Totschlag durch Unterlassung verklagen.
Näheres auszugsweise hier:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article171675717/Das-Ende-von-Wir-schaffen-das.html

amri steckbrief

Das Ende von „Wir schaffen das“

Von Stefan Aust
Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, wurde professionell observiert, weil man seine Kontakte zum IS abschöpfen wollte.
Warum er dennoch morden konnte, muss ein Untersuchungsausschuss klären.

„Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die Regierungshandeln unterminieren“, das sagte der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus Dieter Fritsche, als er im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Schreddern von V-Mann-Akten aus dem NSU-Umfeld befragt wurde.
Es ist ein Satz, der das gegenwärtige Regierungshandeln kennzeichnet – und damit unterminiert. Der Fall Anis Amri ist eine Katastrophe, für die Opfer und deren Angehörige, vor denen die Bundeskanzlerin am Montag in einem Treffen im Kanzleramt und am Dienstag in einer Trauerfeier zum Jahrestag des Anschlags vor der Gedächtniskirche sprechen will.

Und er ist eine Katastrophe für die deutschen Sicherheitsbehörden, die im Fall Amri hochprofessionell vorgegangen sind, die alles im Blick hatten und den Mordanschlag mit 12 Toten und über 60 Verletzten am Ende nicht verhindern konnten.
Und das Schlimmste: Sie wurden offiziell noch als totale Deppen und Versager dargestellt, eine Panne und eine Schlamperei jagte angeblich die nächste.

Ständig „unter Wind“

Die von der WELT AM SONNTAG vorgelegten Unterlagen belegen stattdessen eindeutig, dass Anis Amri über Monate ständig „unter Wind“ gehalten wurde, wie eine Rundumbeobachtung im Geheimdienstjargon heißt. Ganz offenkundig ging es darum, seine IS-Kontakte auszuspähen.

Und diese Kontaktleute in einem IS-Camp in Libyen wurden dann auf den Tag genau vier Wochen nach Amris Mordattentat auf dem Breitscheidplatz durch einen sorgfältig vorbereiteten Bombenangriff der US-Luftwaffe ausgeschaltet. „Odyssee Lightning“ hieß die Operation, mit der die mörderische Odyssee Amris durch einen Blitzschlag beendet wurde.

Es gab genug Hinweise auf ihn

Insofern eine „gelungene Operation“ – wenn man Anis Amri denn hätte daran hindern können, seinen Mordanschlag auf dem Weihnachtsmarkt zu begehen.

Hat man aber nicht. Man hat ihn bei dem Versuch, Deutschland zu verlassen, festnehmen lassen – und dann nach 44 Stunden im Gefängnis wieder auf freien Fuß gesetzt; schon juristisch ein absolutes Unding, denn es gab genügend Hinweise auf Anschlagsplanungen Amris, einen Abschiebebeschluss und dazu noch hatte er zwei gefälschte Ausweise bei sich.

Es war eine Anweisung „von oben“, der SiKo, der „Sicherheitskonferenz“ in Düsseldorf.
Herauszufinden, wer dieses veranlasst und zu verantworten hat, dürfte die Hauptaufgabe eines Bundestags-Untersuchungsausschusses werden.

Jochen

Wehrwirtschaftstagung fordert Bündnis „auf Augenhöhe“ – Kommentar von Albrecht Müller

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Dieses international renommierte Magazin schreibt heute:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59542

Mit dem Begriff „Augenhöhe“ knüpft es damit an den auch hier schon eingestellten Beitrag https://josopon.wordpress.com/2016/05/04/den-usa-kuenftig-auf-augenhoehe-begegnen/ an.

Auszüge:

BERLIN/WASHINGTON(Eigener Bericht) – Vor der heute beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz fordert der deutsche Außenminister ein Bündnis „auf Augenhöhe“ mit den Vereinigten Staaten. Da „Amerika“ nicht „Führungsmacht bleiben kann [!] und will“, solle die EU nun eine gleichberechtigte „Partnerschaft“ einfordern, erklärt Sigmar Gabriel. Zugleich erklärt der Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Brüssel müsse in Zukunft gegenüber Washington „durchaus selbstbewusst auftreten“; es gelte „diejenigen unserer Kerninteressen klar zu kommunizieren, deren Verletzung eine transatlantische Großkrise provozieren würde“.
Während im EU-Establishment Warnungen laut werden, die neue US-Administration könne versuchen, unter Ausnutzung des verbreiteten Unmuts über die deutsche Dominanz die Union zu spalten, empfehlen deutsche Experten, sich Brüche im US-Establishment zunutze zu machen und mit Mitgliedern des US-Kongresses gegen die Regierung Trump zu paktieren.
Berlin kann bei der Abwehr missliebiger Vorhaben des US-Präsidenten erste Erfolge verzeichnen: Am gestrigen Donnerstag hat die NATO eine Reihe antirussischer Maßnahmen beschlossen, die mit Trumps Ankündigung, enger mit Moskau zu kooperieren, kaum vereinbar sind.

Ein stärkeres Europa

Wie Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Interview erklärt, bestehe „die historische Herausforderung“ für Berlin in der Umbruchphase nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump darin, „ein neues, ein stärkeres Europa zu schaffen“.[1]
Dabei könne es sich durchaus um „ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten“ handeln; ein solches sei etwa mit der Euro- oder der Schengenzone schon längst Realität. Für eine engere Kooperation im Rahmen der EU biete sich im nächsten Schritt besonders die Außen- und Militärpolitik an. Ein in der Weltpolitik noch entschlossener um Einfluss kämpfendes „stärkeres Europa“ werde mit den Vereinigten Staaten „eine neue Partnerschaft eingehen“ können.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass „Amerika … nicht die Führungsmacht bleiben kann [!] und will“; deshalb könne die EU in Zukunft „eine Partnerschaft auf Augenhöhe“ beanspruchen – „mit gemeinsamer Verantwortung statt bloßer Gefolgschaft“.

Selbstbewusst auftreten

Ähnlich äußert sich zum wiederholten Male auch der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Der einflussreiche Spitzendiplomat weist zwar in einem ebenfalls gestern publizierten Zeitungsbeitrag darauf hin, dass die EU „kurz- und mittelfristig“ noch „nicht auf die amerikanische Sicherheitsgarantie verzichten“ könne. Deshalb führe aktuell „nichts daran vorbei, die neue amerikanische Regierung so eng wie möglich einzubinden“.[2]
Allerdings könne die EU schon jetzt „durchaus selbstbewusst auftreten“. So seien „diejenigen unserer Kerninteressen klar zu kommunizieren, deren Verletzung eine transatlantische Großkrise provozieren würde“. Zu diesen zähle beispielsweise, „dass ein möglicher Deal zwischen Russland und den USA nicht zulasten Europas geht“ oder dass die EU „nicht bereit“ sei, neue Iran-Sanktionen mitzutragen. Falls Trump tatsächlich „eine Art Herkunftsteuer einführen“ wolle, „um Güter zu fördern, die innerhalb der amerikanischen Grenzen produziert werden“, könne „die EU das Gleiche androhen“; unmittelbare Folge wäre ein transatlantischer Handelskrieg.[3]
„Der Gau in den gegenseitigen Beziehungen“ wäre es freilich, urteilt Ischinger, „wenn es tatsächlich zur neuen Regierungspolitik unter Donald Trump werden sollte, der Europäischen Union als Gegner den baldigen Zerfall zu wünschen“.

Spaltungsstrategie (I)

Genau diese Befürchtung macht sich im EU-Establishment breit, seit sowohl Trump selbst als auch enge Mitarbeiter des US-Präsidenten sich ungewöhnlich kritisch über die Union und die dominante Stellung Deutschlands in ihr geäußert haben und nun auch noch ein erbitterter Kritiker der EU als künftiger Botschafter Washingtons in Brüssel genannt wird (german-foreign-policy.com berichtete [4]).
Die Strategie der neuen US-Administration sei „klar“, heißt es etwa beim European Council on Foreign Relations (ECFR): Sie bestehe darin, „Deutschland zu isolieren und zu schädigen, um die EU“ – als Rivalin der Vereinigten Staaten – „zu schwächen und möglichst zu zerschlagen“.[5]
Dabei könnten die USA davon profitieren, dass ein spürbares „Unbehagen mit der deutschen ‚Hegemonie‘ ein allgegenwärtiges Risiko in Europa“ sei. Tatsächlich hat Berlin mit seinem Dominanzgebaren immer wieder heftigen Unmut bei vielen EU-Verbündeten provoziert; selbst Außenminister Gabriel räumt ein: „Nicht ganz wenige empfinden Deutschland als Lehrmeister, der selbst bei Kleinigkeiten nicht nachgibt, aber selbst Solidarität einfordert, wenn es um eigene Interessen geht.“[6]
Nach Einschätzung des ECFR böte zum Beispiel ein transatlantischer Handelskrieg den USA die Chance, Spaltlinien in der EU zu vertiefen – etwa durch das Angebot, US-Strafzölle auf der Basis bilateraler Absprachen mit Washington unter Umgehung europäischer Übereinkünfte zu vermeiden.[7]
Käme es dazu, dann hätte Berlin zum ersten Mal Konsequenzen seiner bisher bedenkenlos exekutierten Dominanz in der EU zu tragen.

Spaltungsstrategie (II)

Umgekehrt arbeitet Berlin daran, Spaltlinien im US-Establishment zu seinen Gunsten zu nutzen. Schon kurz nach Trumps Wahlsieg hatte der Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin, Thorsten Benner, in einem Beitrag für die führende US-Außenpolitikzeitschrift Foreign Affairs empfohlen, die Beziehungen zu denjenigen Republikanern und Demokraten im US-Kongress zu stärken, die „die Bündnisse und die globale Rolle der Vereinigten Staaten bewahren“ wollten; auf diese Weise könne man Trump in die Parade fahren und seine „schlimmsten Instinkte“ zügeln.[8]
Tatsächlich gibt es im Repräsentantenhaus und im Senat massive Widerstände gegen zentrale Projekte des US-Präsidenten. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat bereits Ende Januar angekündigt, die parlamentarischen Kontakte in Washington auszubauen; „der US-Präsident kann auch nicht alles alleine“, erläuterte Kauder: „Es gibt in Washington auch noch ein Parlament.“[9]
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hat mittlerweile umfassende Gespräche in der US-Hauptstadt geführt; zudem werden an diesem Wochenende zur Münchner Sicherheitskonferenz neben US-Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzminister John Kelly mehr als ein Dutzend Mitglieder des US-Kongresses in der bayerischen Landeshauptstadt erwartet. In den USA gebe es „einen selbstbewussten Kongress“, erklärt Außenminister Gabriel nun mit Blick auf die taktisch nutzbaren Spaltlinien im US-Establishment.[10]

Gegen Russland

Dabei kann Berlin bereits erste Erfolge verzeichnen. Am gestrigen Donnerstag haben die NATO-Verteidigungsminister nicht nur ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit mit Finnland in Sachen Cyberkrieg geschlossen und damit die bisherige Kooperation etwa im Rahmen von Cyber-Manövern ausgebaut – eine Tatsache, die auch deshalb bemerkenswert ist, weil Finnland offiziell noch Neutralität beansprucht. Zudem haben die Minister die Ausweitung der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer angekündigt.
Beides richtet sich gegen Russland und läuft dem einst von Trump angekündigten Abbau der Spannungen mit Moskau diametral zuwider. Ein NATO-Vertreter wird hinsichtlich der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer mit der Aussage zitiert, es gehe dabei unter anderem um die Gewinnung geheimdienstlicher Erkenntnisse zu Aktivitäten russischer Militärs in der Region, unter anderem zur Stationierung russischer Boden-Luft-Raketen.[11]
Berlin hat am Mittwoch zudem die Intensivierung seiner Militärkooperation mit Rumänien per Unterstellung einer rumänischen Brigade unter eine Division der Bundeswehr beschlossen.[12]
Die militärische Formierung gegen Russland schreitet voran.

[1] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[2] Wolfgang Ischinger: Einbinden, Einfluss nehmen. Süddeutsche Zeitung 15.02.2017.
[3] S. dazu Der transatlantische Handelskrieg.
[4] S. dazu Die Stunde der Europäer, Der transatlantische Handelskrieg und Auf- und absteigende Mächte.
[5] Nick Witney: Shooting the ringleader: Trump draws a bead on Germany. www.ecfr.eu 13.02.2017.
[6] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[7] Nick Witney: Shooting the ringleader: Trump draws a bead on Germany. www.ecfr.eu 13.02.2017.
[8] Thorsten Benner: Germany Can Protect the Liberal Order. www.foreignaffairs.com 16.11.2016.
[9] Robert Birnbaum: Kauder schließt EU-Strafzölle gegen USA nicht kategorisch aus. www.tagesspiegel.de 28.01.2017.
[10] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
[11] Nato plant mehr Manöver im Schwarzen Meer. www.spiegel.de 16.02.2017.
[12] S. dazu Unter deutschem Kommando

Passend dazu heute Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten:

Rüstung statt Abrüstung. Das deutsche Volk lässt sich mehrheitlich grandios verführen, ohne aufzumucken.

a mueller k

Als im Jahre 1990 die Konfrontation zwischen West und Ost beendet war und man verabredet hatte, gemeinsam für Sicherheit zu sorgen, schrillten im NATO Hauptquartier in Brüssel alle Alarmglocken. Und bei der Rüstungswirtschaft auch. Dann hat man aber spätestens 1999 mit dem Jugoslawien Krieg neue Arbeit für die NATO gefunden und zugleich auch für die Bundeswehr.
Und jedes Mal, wenn einer der vom Westen geführten Kriege sich zu Ende neigte, machte man sich Sorgen um die weitere Beschäftigung von NATO und Rüstungswirtschaft. Jetzt ist der große Durchbruch erzielt. Ursula von der Leyen gibt Trump recht und fordert 2 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr – hier in der Tagesschau zum Beispiel. Mit einer Palette von Tricks wird uns das Fell über die Ohren gezogen.

Auf einige dieser Tricks möchte ich Sie aufmerksam machen. Sie werden in den nächsten Tagen aus Anlass der Münchner Sicherheitskonferenz, die man auch „Münchner Aufrüstungskonferenz im Interesse der Rüstungswirtschaft“ nennen könnte, weiteres zum Thema hören und sehen und Sie werden erleben, dass außer einer kleinen Minderheit von aufrechten Freunden der Demokratie und des Friedens ansonsten alles stumm bleibt: die Partei der Rüstungsministerin von der Leyen sinkt bei den Umfragen nicht in den Keller; Angela Merkel, die Chefin der militanten Verteidigungsministerin, erleidet keinen Imageeinbruch; die Mehrheit der Deutschen denkt, es geht uns gut, warum sollen wir dann über Rüstung meckern.

Ein Beleg dafür, dass manche Leute Angst vor dem Frieden haben:

Zur Einstimmung mache ich auf eine kleine Textpassage in einem FAZ Artikel vom 21.9.2013 aufmerksam. Dort heißt es unter der Überschrift „Zurück zu den Wurzeln. Die NATO denkt über ihre Zukunft nach dem Abzug aus Afghanistan nach“

„Die Nato sieht sich seit einiger Zeit mit einer Frage konfrontiert, die für ein Militärbündnis alles andere als belanglos ist: Was tun ohne Krieg? Ende nächsten Jahres will das Bündnis seine Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen haben, die Rückverlegung der Truppen ist in vollem Gang. Kommt es nicht zu einem neuen Großeinsatz, und das ist wegen der Kriegsmüdigkeit im Westen wahrscheinlich, dann wird die Allianz zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in einem bewaffneten Konflikt stehen. Vor allem den Militärs bereitet das Kopfzerbrechen. Wie soll man die Einsatzfähigkeit erhalten, wenn die Truppen wieder in den Kasernen zurück sind, fragen sich die führenden Offiziere. Eine erste, für Außenstehende vielleicht etwas überraschende Antwort lautet: indem man eine Schlacht gegen Russland übt.

Der letzte Satz ist von mir gefettet. Sie üben die „Schlacht gegen Russland“. Und das Volk schaut zu. Mehrheitlich jedenfalls.
Säbelrasseln wird nicht mehr bestraft. Auch die schlimmste Form nicht, auch die Planung von Atombewaffnung nicht.

Einige Tricks zur Beeinflussung, ehrlicher gesagt: zur Manipulation der Menschen:

Der erste Trick bestand darin, ein altes Feindbild neu aufzubauen und eine Bedrohung zu konstruieren.

Russland bot sich an. Schon alleine wegen der schon mehrmals erprobten Rolle, von den Nazis und dann nach dem Krieg vom konservativen Teil unserer Gesellschaft. Putin bot die Chance zur Personalisierung der Aggression.
Das ist nahezu komplett gelungen und wird ständig unterfüttert durch Behauptungen wie zum Beispiel jene über Hackerangriffe.

Ein ergänzender Trick bei diesem Feindbildaufbau ist es, die Staaten an der Grenze zu Russland, also die baltischen Staaten und Polen, die mit Recht oder Unrecht Rechnungen mit Russland offen haben, als Katalysatoren zu benutzen.

Der zweite Trick: Ein paar Bemerkungen des neuen Präsidenten der USA über die angebliche Überflüssigkeit der NATO (= obsolet) wurden penetrant so interpretiert, als wäre Europa damit der Schutz der USA gegen Russland entzogen.

Das ist eine grandiose Überinterpretation und Falschinterpretation, aber sie wurde von mehreren Stellen gleichlautend und penetrant in die Köpfe und Herzen der Menschen geklopft.
Dort blieb hängen: Mit Trump haben uns die USA verlassen, uns ihren militärischen und vor allem atomaren Schutz entzogen. Also müssen wir das selber machen. Also müssen wir massiv rüsten.

In der Wirklichkeit findet diese Erzählung keine reale Basis. Sie wird nur gebraucht und deshalb wird sie erzählt, um Geld für die Rüstung locker zu machen.

Der dritte Trick: Man sagt B und meint eigentlich A.

Am 29. Juli 2015 haben wir auf den NachDenkSeiten diese Methode beschrieben. Sie wird gerne angewandt, so wie jetzt auch hier: es wird eine Debatte um die deutsche Atombombe vom Zaun gebrochen. Diese läuft in der FAZ und dann bei Panorama und dann im Deutschlandfunk und dann auch in der Zeit.
Das Volk steht verwirrt beiseite, teilweise auch dagegen. Aber die eigentlich beabsichtigte Botschaft A: wir brauchen Militär und Rüstung gegen den neuen Feind, bleibt als berechtigt hängen.

Der vierte Trick wird uns gerade mit der Sicherheitskonferenz in München demonstriert: Rüstungpropaganda und Propaganda für militärische Einsätze unter einem falschen Label: Sicherheit. Und das auch noch auf unsere, der Steuerzahler Kosten.

Früher hieß die Münchner Sicherheitskonferenz „Wehrkundetagung“. Das war eine einigermaßen ehrliche Bezeichnung.
Dann wurde das Ding in Sicherheitskonferenz umbenannt. Und das ist dann keine ehrliche Bezeichnung mehr, jedenfalls für einen größeren Teil dessen, was dort in München passiert.
Ich erinnere an die gleichlautende Propaganda von Bundespräsident Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen. Sie forderten vor zwei Jahren unisono, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Da konnte man als verantwortungsbewusster Mensch ja noch mitfühlen. Aber gemeint und auch so insinuiert war damals schon Verantwortung durch militärische Einsätze.

Diese Propaganda wird zu einem beachtlichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dabei handelt es sich nicht um eine öffentliche Konferenz und auch nicht um eine von einer öffentlichen Instanz ausgerichtete Konferenz. Die Rüstungswirtschaft lässt sich vom Steuerzahler ihre Lobbyarbeit auch noch bezahlen.

Wir sind schon ganz schön blöd.

Jochen

Übler Etikettenschwindel: Rechtslastiges Personenbündnis klaut die Symbole der Friedensbewegung und will die Demonstration gegen die SIKO spalten

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Und wieder wird versucht, die Friedensbewegung zu spalten. In München wird es eine zweite Demo geben, die gegen die SIKO protestiert. Es ist die gleiche Gruppe Aktiver, die schon am 8. Oktober 2016 in Berlin für Verwirrung gesorgt hat.
Es wird fälschlicherweise behauptet, der Startplatz der Demo wäre an einen anderen Ort verlegt worden.

Diese zweite Demo kommt aus der rechten Ecke, aus der „umgedrehten“ Montagsmahnwachen-Szene, Antideutschen bis zur NPD etc.
Die Demo des seit Jahren bestehenden Bündnisses gegen die SIKO beginnt wie geplant am Stachus! Bitte gebt diese Informationen weiter!

Stellungnahme zur sog. „Friedensbewegung bundesweite Koordination“

Rechtslastiges Personenbündnis will gegen die SIKO demonstrieren

 Eine Gruppierung unter der anmaßenden Bezeichnung Friedensbewegung bundesweite Koordination“ (FbK) ruft für den 18. Februar –
beinahe zeitgleich zur großen Demonstration des Aktionsbündnisses gegen NATO-„Sicherhets“Konferenz – zu einer eigenen Demo auf.

Natürlich hat jede Gruppierung – unabhängig von ihrer politischen Orientierung – das Recht, eigene Demonstrationen gegen die SIKO zu veranstalten.
In diesem Fall aber soll offensichtlich Verwirrung unter denen gestiftet werden, die seit Jahren gegen die NATO und das Treffen der Kriegsstrategen im Bayerischen Hof auf die Straße gehen.

Drahtzieher für diese Demo ist Stephan Steins aus Berlin. Er ist der Organisator und Presse-Sprecher dieser sog. bundesweiten „Friedensbewegung“ und gleichzeitig Chefredakteur der geschichtsrevisionistischen Internetzeitung „Rote Fahne“. Beide sind auf das engste miteinander verkoppelt.

Unter den rund 100 Einzelpersonen ihres Grundsatzpapiers findet sich – mit Ausnahme von zwei Gruppen – keine einzige der seit Jahren aktiven Friedens- und Antikriegsorganisationen der Bundesrepublik. Das ist auch nicht verwunderlich.
Denn abgesehen von Übereinstimmungen bei vielen Forderungen sind zahlreiche Akteure dieser selbsternannten „Friedensbewegung“ so rechtslastig, dass wir mit ihnen absolut nichts zu tun haben wollen. Eine kleine Auswahl:

Hendra Kremzow, von einer „Friedensgruppe München“, die es gar nicht gibt. In einem Interview auf youtube outet er sich als Sympathisant und Verteidiger der NPD und erklärt, dass in dieser rechtsextremistischen Partei „sehr vernünftige Leute“ sind. Bei einer Montagsmahnwache in München sagte er: „Wir haben keine intelligente Zuwanderung … da haben diese Pegida Leute und Rechten schon recht. Wenn wir das nicht regeln, wenn jeder irgendwie daher kommt, dann ist das nicht im Interesse unseres Landes“.

Kathrin Oertel, Ex-Frontfrau von Pegida aus Dresden;

Joachim Wiener, Friedensgruppe Würzburg die ebenfalls nicht existiert, postete auf Facebook unlängst seinen „Reichsbürgerausweis“;

Guido Ciburski, Mahnwache Koblenz sagt in einem Interview: „Ich bin politisch engagiert, wähle mittlerweile die AfD, früher habe ich mal grün gewählt, aber bei der AfD fühle ich mich besser aufgehoben“.

Gerade katastrophal ist der Geschichtsrevisionismus des Chefs dieser „Friedensbewegung“ Stephan Steins, ebenso wie seine Äußerungen zu den Geflüchteten.
In der Roten Fahne vom 5. Mai 2015 schreibt er: „Die zentrale Bedeutung der Nürnberger Prozesse liegt in der Negierung des internationalen Völkerrechts. (…) Nürnberg selbst bedeutete ein Kriegsverbrechen und historische Zäsur gegen das internationale Völkerrecht – mit fatalen Auswirkungen bis heute.“

Und am 17. Januar 2017 schreibt er in der Roten Fahne: „Masseneinwanderung und Überfremdung der Europäischen Republiken und Kulturräume dienen dem Imperialismus (…) mittelfristig wird die kulturelle, soziale und in der Folge staatliche Desintegration der historischen Errungenschaft der bürgerlich demokratischen Republik forciert (…) Vagabunden aus Afrika kampieren in Berlin vor dem Brandenburger Tor, wie auch andernorts. Menschen, die kein Wort deutsch sprechen sitzen vor professionell hergestellten Transparenten in deutscher Sprache … Wer hat diese Leute in die Deutsche Hauptstadt gekarrt?“

Mit solchen Positionen werden die Aktionen der Friedens- und Antikriegsbewegung und auch die Proteste gegen die SIKO in die Nähe der Nazis gerückt.

Wir werden das nicht zulassen. AfD- und Pegida Positionen haben auf unserer Demonstration nichts verloren.

AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-„SICHERHEITS“KONFERENZ

 

Hier der Aufruf zur klassischen Demo:

demo_siko2017Demonstration und Protest-Kette gegen die NATO-Kriegstagung

zum Aufruf

Vorprogramm ab 12:30 Uhr aktualisiert
13:00 Uhr Auftaktkundgebung Stachus/Karlsplatz
Beiträge1:

  • Walter Listl für das Aktionsbündnis
  • Lisa Fitz
14:00 Uhr Umzingelung des Tagungsortes der NATO-Kriegs-Strategen
Demonstration – über Lenbachplatz, Platz der Opfer des Nationalsozialismus – Odeonsplatz – zum Marienplatz
Protest-Kette – über Neuhauser Str. – Kaufingerstr. – zum Marienplatz
(mit Infopunkten)
ca. 15 Uhr Schlußkundgebung – Marienplatz
dort sprechen

  • Narges Nasimi Sprecherin Münchner Flüchtlingsgruppe
  • Sevim Dagdelen MdB DIE LINKE
  • Eugen Drewermann
Kultur-Beiträge sind in Vorbereitung …

Friedenszerstörer Nr. 1: NATO eröffnet einen neuen kalten Krieg !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Begleitet von einer medialen Dauerbeeinflussung, die auch vor der Olympiade keinen Halt macht, (s. heute Jens Berger auf den NachDenkSeiten) erscheinen die gezielten Provokationen der Ukraine auf der Krim in einem neuen Licht als Teil der Vorbereitung eines atomaren Erstschlags. Die Fähigkeit hierzu heisst jetzt verharmlosend »Anfangsoperationsfähigkeit«.

Russia_wants_War

Schau, wie nah sie ihr Land an unsere Militärbasen verlegen!

Ziel ist natürlich, dass die russische Regierung vorher einknickt und, wie schon von Naomi Klein als Schock-Strategie beschrieben, wie zu Jelzins Zeiten den Ausverkauf der Bodenschätze an globale Konzerne betreibt.
Begleitet von „Maßnahmen zur Sicherung der Rohstoffversorgung und des freien Handels“, wie sie im neuen Weissbuch der Bundeswehr beschrieben und gerechtfertigt werden. Ich habe schon 2015 darüber berichtet: https://josopon.wordpress.com/2015/02/08/ein-ring-um-russland-deutschland-ubernimmt-fuhende-rolle-bei-der-einkreisung/
Langsam sollte auch der Naivste eins, zwei, drei und vier zusammenzählen können: Gaucks Kriegsrechtfertigungsrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die Regime-Change-Activities der USA in der Ukraine seit 10 Jahren, die Installation von Raketenabschussrampen rund um Russland, die Modernisierung der in Deutschland stationierten Atomwaffen zur Herstellung der Erstschlagsfähigkeit, der Ausbau der Startbahnen auf den deutschen US-Kriegsflughäfen, die Unterstützung von Terroristen der al-Nusra im mit Russland verbündeten Syrien

Dazu heute in der jungen Welt: http://www.jungewelt.de/2016/07-11/001.php

NATO-Gipfel in Warschau macht Russland offiziell zum Hauptfeind und beschließt Abschreckung, neue Atomwaffen und Raketenabwehr

Von Arnold Schölzel

Nein_zur_Nato_DDR1957Beim NATO-Gipfel in Warschau am Freitag und Sonnabend wurde ein historisches Ziel der Allianz erreicht. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedstaaten vollzogen offiziell die Rückkehr zur Strategie des Kalten Krieges. An die Stelle der Sowjetunion trat Russland als Hauptfeind.
Kernpunkte der Konfrontation sind Abschreckung durch eine Politik der militärischen Stärke an der russischen Westgrenze, eine fälschlich als Modernisierung bezeichnete Einführung neuer atomarer Waffensysteme sowie die Inbetriebnahme einer Raketen“abwehr“. Gearbeitet wird an den Punkten schon seit Jahren.

Die Beschlüsse im einzelnen:

  1. »Abschreckung«: Die Gipfelteilnehmer verständigten sich darauf, jeweils ein Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in Polen, Lettland, Litauen und Estland zu stationieren. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete allerdings, dass Militärfachleute »mit einer bis zu doppelt so hohen Zahl rechnen«.
    US-Präsident Barack Obama habe am Freitag in Warschau bekanntgegeben, dass »das Hauptquartier einer weiteren amerikanischen Kampfbrigade in Polen errichtet wird«. Washington hatte im März angekündigt, dass es eine dritte, gepanzerte Brigade nach Europa bringen werde. Über den Stationierungsort wird noch mit der polnischen Regierung verhandelt.
    Die Bundeswehr ist für den Aufmarsch fest eingeplant. Sie soll mit mehreren hundert Soldaten den Verband in Litauen anführen.
  2.  neue Atomwaffen: Das Abschlusskommuniqué hebt die Bedeutung nuklearer Waffen hervor, ohne Russland zu erwähnen und ohne konkret auf die NATO-Planungen einzugehen. Diese sehen u. a. vor, ab 2020 den neuen Atombombentyp B61-12 auch in Europa zu stationieren. Er kann von allen Trägerflugzeugen der Mitgliedsstaaten abgeworfen werden.
    In der Warschauer Erklärung heißt es, vor allem die Atomwaffen der USA stellten die »wichtigste Garantie für die Sicherheit der Verbündeten« dar. Das erfordere »planerische Leitung kombiniert mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts«.
  3. Raketenabwehr: Der Gipfel feiert das Erreichen der »Anfangsoperationsfähigkeit« auf diesem Gebiet als »Meilenstein«. Das im rumänischen Deveselu kürzlich installierte landgestützte »Aegis«-System, die geplanten in der Türkei und in Polen sowie die im US-Marinestützpunkt Rota in Spanien auf vier Schiffen montierten »Aegis«-Systeme stellten »operationell« einen »wichtigen Schritt« dar. Die Raketenabwehr richte sich »nicht direkt gegen Russland«.

Der Gipfel beschloss außerdem u. a. die Verlängerung der Truppenstationierung in Afghanistan, den Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen zur Überwachung des Luftraumes über Syrien und dem Irak, die Teilnahme an der EU-Marineoperation vor Libyen.

Das russische Außenministerium erklärte dazu am Sonntag: »Die Allianz konzentriert ihre Kräfte darauf, eine nicht existierende ›Gefahr aus dem Osten einzudämmen‹«.
Mit einer »Dämonisierung« Russlands lenke die NATO von ihrer destruktiven Rolle in der Welt ab und halte Spannungen in verschiedenen Regionen der Welt aufrecht.
Die Teilnehmer eines Gegengipfels der internationalen Friedensbewegung kritisierten das NATO-Treffen ebenfalls scharf. An einer Protestdemonstration in Warschau beteiligten sich am Sonnabend mehrere hundert Menschen, darunter Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke.

Ein neuer Eintrag ins Wörterbuch des Neusprech: »Anfangsoperationsfähigkeit« = Erstschlagsfähigkeit

Jochen

„Stopp Ramstein“ – (Drohnen-) Kriege beenden! – Vortrag von Albrecht Müller vom 10.6.2016

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Für die Friedensfreunde Nordschwabens wichtig:
Heute abend, 19:30, Treffen in der „Goldenen Rose“, Baldinger Str., Nördlingen

Textfassung des Vortrags von Albrecht Müller bei „Stopp Ramstein“ am 10.6.2016

Ist die Spirale der Eskalation zwischen NATO und Russland vom Himmel gefallen?

Müller_Albrecht_02mAm 14. Juni hatten die NachDenkSeiten auf das Video mit der Rede „Wir wollen keine Konfrontation mit Russland und laden die USA herzlich ein, gemeinsam in Europa den Frieden zu sichern“ verlinkt. Hier folgt die Textfassung.
Die Rede ist sehr aktuell – wie man zum Beispiel an den Einlassungen von Außenminister Steinmeier wie auch an einer heute (mit Sperrfrist 12 Uhr) veröffentlichten, im Kern begrüßenswerten Erklärung des Willy-Brandt-Kreises sehen kann. Eine kurze Kommentierung dieser Erklärung folgt später. Albrecht Müller

Soviel vorweg: Die Autoren des Willy-Brandt-Kreises müssen sich die Fragen gefallen lassen, ob die „zwischen Russland und der NATO eingetretene Eskalationsdynamik“ vom Himmel gefallen ist und ob der Westen und Russland in gleicher Weise für die neue und gefährliche militärische Konfrontation verantwortlich sind. Meine hier folgende Rede vom 10.6.2016 in Kaiserslautern enthält die ausführliche Antwort auf diese Fragen. Die kurze Antwort lautet: Nein.

(Der Text entspricht in wesentlichen Teilen der gehaltenen Rede, ergänzt um Teile des Entwurfs, die wegen der Kürze der Zeit beim Vortrag gestrichen worden waren.)

Guten Abend, verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frau Reimann, lieber Herr Wimmer.

Was verbindet uns?

Erstens: Wir sind hier, weil wir gescheitert sind. Wir sind hier, weil wir betrogen worden sind.

Zweitens: Wir sind hier, weil wir trotzdem nicht aufgeben. Nicht weil wir Helden sind, es bleibt uns nichts Anderes übrig, wenn wir überleben wollen und wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel auch noch leben können.

Hoffentlich habe ich Sie mit diesen beiden Anfangsbemerkungen nicht hoffnungslos entmutigt. Aber: es bleibt uns nichts Anderes übrig, als der Wirklichkeit in die Augen zu schauen. Diese ist bitter:

Wir sind in der Zeit nach 1989 maßlos und in großem Stil betrogen worden.

Wir Älteren, die damals engagiert waren, sowieso. Die jüngeren, weil der Betrug ihre Zukunft betrifft, ja sogar ihr Leben kosten könnte.

Das klingt etwas rätselhaft. Es ist aber tatsächlich nicht rätselhaft. Ich will erläutern, was ich meine. Und dabei auf meine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen:

  • 1968 bin ich als Redenschreiber des damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller nach Bonn gekommen. Zwei Jahre vorher hatte der kleinere Partner in der Großen Koalition, die SPD, mit Willy Brandt durchgesetzt, dass mit der Ost- und Entspannungspolitik begonnen wird. Ein Jahr später, 1969 war die Blockade durch Kanzler Kiesinger, seine Partei, die Union und die Gegner der Versöhnung mit dem Osten jedoch offensichtlich. Deshalb wurde die neue Friedenspolitik zum Thema des Wahlkampfes 1969. Als Mitarbeiter von Karl Schiller, der Mitglied des Präsidiums der SPD war, bin ich damals mitten in den Wahlkampf um diese Ostpolitik geraten.
  • Nach der Wahl im September 1969 hat dann die neue Regierung Brandt mit der sogenannten Vertragspolitik begonnen: es ging Schlag auf Schlag, schon 1970 der Moskauer Vertrag, dann der Warschauer Vertrag und der Prager Vertrag. Es ging bei den Vertragswerken – wie der Name sagt – darum, sich endlich zu vertragen und den Kalten Krieg zu beenden.
  • Eines der Schlüsselworte lautete „Wandel durch Annäherung“, d.h. Abbau der Konfrontation zwischen West und Ost, um damit Frieden zu schaffen und auch eine Veränderung im Inneren, im Warschauer Pakt und auch bei uns im Westen zu erreichen, insbesondere mehr demokratische Rechte im Osten, mehr Bewegungsfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR und in anderen Ländern des sogenannten Ostblocks.
  • 1972 war ich dann als Wahlkampfleiter von Willy Brandt mitverantwortlich für die Absicherung der Ostpolitik durch die Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl. Das endete mit einem überzeugenden Votum von 45,8 Prozent für die SPD und einem überwältigenden Votum für die Friedenspolitik.
  • Danach ging es mit Höhen und ein paar Tiefen weiter mit der Ostpolitik, über die Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und mit der Idee der Gemeinsamen Sicherheit in Europa. Keine Konfrontation, weder mit den früheren Satelliten der Sowjetunion noch mit der Sowjetunion und Russland selbst.
  • Wichtig ist: die Entspannungs- und Vertragspolitik war von einem besonderen Geist und von wichtigen Einsichten getragen: der Begriff „vertrauensbildende Maßnahmen“ war sehr wichtig. Es war klar, dass die eigene Politik nie dazu beitragen sollte, Misstrauen zu säen. Es war klar, dass wir in dem, was wir taten und was wir sagten, immer mitbedenken wollten und mussten, wie das bei den anderen, dem früheren Gegner, empfunden wird, was es dort auslöst. Konfrontation hatte im anderen Lager Verhärtung ausgelöst. Entspannung und Versöhnung haben dazu geführt, dass Politiker wie Gorbatschow, die auf Versöhnung setzten und ihr Land verändern wollten, möglich wurden. Entspannung, Versöhnung und vertrauensbildende Maßnahmen raubten den Militaristen auf beiden Seiten die Argumente. Das ist sehr aktuell.
  • Wichtig war es damals und wäre es heute, sich in die Lage der anderen zu versetzen. Damals musste dem deutschen Volk – und manchen Politikern und Journalisten ohnehin – erst einmal vermittelt werden, dass und wie sehr Russland, die Sowjetunion und die Völker Ost- und Mitteleuropas unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten haben. 27 Millionen Menschen verloren allein in der Sowjetunion im Krieg zwischen 1941 und 1945 ihr Leben. Im Deutschland der fünfziger Jahre haben die tonangebenden Kräfte hierzulande locker über diese Opfer hinweggesehen und hinweg agitiert, eigentlich ein unglaublicher Vorgang.
  • Diese Entspannungs-, Friedens- und Versöhnungspolitik war dann gekrönt worden: mit dem Mauerfall, mit der Fortsetzung und Intensivierung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit und mit der Weiterarbeit an der zukunftsweisenden Idee „Gemeinsamer Sicherheit“ in Europa.
  • Im SPD-Grundsatzprogramm von 20. Dezember 1989 ist dies und einiges Zukunftsweisendes unser Thema „Stopp Ramstein“ betreffend formuliert und beschlossen worden. Ich erinnere mich deshalb noch gut daran, weil ich damals als Bundestagsabgeordneter und Sprecher der Parlamentarischen Linken zusammen mit Egon Bahr eine Art Schlussredaktion für diesen Teil des Grundsatzprogramms gemacht hatte. Unter der Überschrift „Frieden in gemeinsamer Sicherheit“ steht zu lesen:

    „Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen.“

    Und weiter heißt es von den militärischen Bündnissen Warschauer Pakt und NATO:

    „Sie müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa.“

    So weit waren wir schon einmal!

    „Von deutschem Boden muss Frieden ausgehen“,

    heißt es dann noch. Und von Abrüstung und nicht von Aufrüstung ist die Rede. Der Text wäre wegweisend für heute.

    Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die diese Politik mitbewirkt und mitgetragen haben und auch die handelnden Personen – von Helmut Kohl über Gorbatschow, Willy Brandt, Egon Bahr, Helmut Schmidt, Herbert Wehner und Richard von Weizsäcker bis zu Willy Wimmer, den ich damals noch nicht persönlich kannte – wir alle waren überzeugt davon, dass es in Europa keinen Graben und keine Mauer und keinen Stacheldraht und auch kein Gegeneinanderrüsten mehr geben soll. Wir waren überzeugt davon, dass das auch geht.

  • Und der Osten hat kooperiert. Die Sowjetunion hat sich aus Deutschland zurückgezogen. Sie hat akzeptiert, dass die DDR in die NATO integriert wird. Die Verantwortlichen in Russland haben viele Zugeständnisse gemacht. Sie haben darauf vertraut, dass es kein Wettrüsten zwischen West und Ost mehr geben wird. Auf beiden Seiten gab es vertrauensbildende Maßnahmen und eine glückliche Perspektive.

Dann wurde alles anders. Wir wurden um die Früchte der Friedenspolitik betrogen.

Die NATO wurde bis an die Grenze Russlands ausgedehnt. Deutlich imperialistische Züge bestimmten und bestimmen jetzt die Politik des Westens.

Von dieser grundlegenden Änderung, vom Betrug, wie ich das nenne, hat die deutsche Öffentlichkeit nicht viel wahrgenommen. Willy Wimmer hat mir davon berichtet, dass Helmut Kohl, der Bundeskanzler, anfangs der Neunzigerjahre des Öfteren besorgt aus den USA zurückkam und davon berichtete, dass man dort offensichtlich nicht mehr viel von den gemeinsamen Verabredungen hielt. Er hat miterlebt, wie Helmut Kohl sich Sorgen machte wegen der Neigung der USA, die Konfrontation neu aufzubauen und die NATO nach Osten auszudehnen.

Willy Wimmer hat dann später, 2000, in einem Brief an den dann amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder von den imperialen Absichten berichtet, die auf einer Konferenz in Bratislava, die vom American Enterprise Institute und vom State Department gemeinsam ausgerichtet war, spürbar wurden. Da ging es um die Ausdehnung des Machtbereichs des Westens in Richtung Russland.

Heute müssen wir feststellen, dass die westliche Politik grundlegend auf den Kopf gestellt worden ist: Wir führen Krieg, auch wir Deutschen haben den Krieg auf dem Balkan mitgemacht. Die westlichen Alliierten führen im Irak, in Libyen, in Syrien, in Afghanistan, an vielen Stellen Afrikas Krieg.

Der Westen maßt sich an zu entscheiden, wie Völker und von wem sie regiert werden sollen; der Westen verfolgt deshalb an vielen Stellen die Strategie des sogenannten Regime Change – das ist eine Zielsetzung und eine Strategie, die wahlweise alle Länder betreffen kann, deren Regierungen uns nicht genehm sind: Gaddafis Libyen, Assads Syrien, demnächst vielleicht Putins Russland.

Der Auftrag der Bundeswehr wurde verändert. Die Beschränkung auf Verteidigung beseitigt.

Das sind wirklich gravierende Veränderungen.

Mir waren an zwei Ereignissen anfangs der Neunzigerjahre Zweifel daran gekommen, ob die im Westen führenden Kräfte die Erfolge der Ost- und Vertragspolitik erhalten und genießen wollen:

  1. Ich war Abgeordneter des Deutschen Bundestages, als im Zuge der deutschen Einheit auch über die Rechte der Alliierten und insbesondere der USA in Deutschland beraten wurde. Ich wollte damals genau wissen, ob die uns bedrängenden Sonderrechte erhalten bleiben würden. Das betraf den militärischen Tiefflug, das betraf die Giftgaslager in der Pfalz und die sonstigen Einrichtungen der Alliierten wie hier in Kaiserslautern, in Landstuhl und in Ramstein. Die Tiefflugübungen waren eine Marter. Aber über die Fragwürdigkeit der Fortsetzung dieser Rechte der Alliierten wollte man mit uns Abgeordneten nicht beraten. Ich wurde damals von Bundestagskollegen, die als „links“ galten, bedrängt, ich solle doch meinen Widerstand aufgeben.
  2. Noch markanter war ein Erlebnis mit Rudolf Scharping. Er war 1991 in den Landtagswahlkampf mit der Parole gezogen, Rheinland-Pfalz wolle nicht weiter der „Flugzeugträger der USA in Europa“ sein. Dann wurde gewählt und Rudolf Scharping wurde Ministerpräsident. Er reiste in die USA und rühmte sich dann dessen, einen Lobbyisten für das Land Rheinland-Pfalz in Washington installiert zu haben. Ein guter Freund in den USA konnte darüber nur lächeln, denn da hatte offenbar ein deutscher Ministerpräsident verabredet, dass sein Land, Rheinland-Pfalz, den Lobbyisten der US-Regierung auch noch bezahlt. – Einige Zeit danach traf sich die SPD-Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland in der Saarländischen Landesvertretung in Bonn. Wir sprachen dabei auch über die weitere Ostpolitik und die Zusammenarbeit mit Russland. Des Ministerpräsidenten Rudolf Scharpings Äußerungen widersprachen dabei sowohl seinen Parolen im Wahlkampf, Rheinland-Pfalz solle nicht weiter der Flugzeugträger der USA in Europa sein, als auch dem, was kurz zuvor im Berliner Grundsatzprogramm vom 20.12.1989 beschlossen worden war: die Perspektive einer Beendigung beider Militärblöcke, auch der NATO. – Ich wollte von Rudolf Scharping wissen, ob denn das Berliner Programm für ihn nicht mehr gelte. Er antwortete mit einem klaren Nein. Das Wahlversprechen des Ministerpräsidenten-Kandidaten und späteren Ministerpräsidenten gilt nicht, Rheinland-Pfalz ist weiter der Flugzeugträger der USA in Europa. Die Bundesregierung und auch die rheinland-pfälzische Landesregierung haben sich den Interessen der USA gebeugt.

Es ist wahrscheinlich, dass im Umfeld der Verträge zur deutschen Einheit de facto die Vormachtstellung der USA über unsere Außen- und Sicherheitspolitik und vor allem die Nutzung deutschen Territoriums für Kriegshandlungen festgeschrieben worden ist. Aber dies kann nun wirklich kein Dauerzustand sein.

Wir sind um die Früchte der vergangenen Friedenspolitik betrogen worden. Das ist kein Zufall. Die ethische Grundeinstellung zum Umgang mit anderen Völkern, der Geist, der die Außen- und Sicherheitspolitik heute bestimmt ist ein diametral anderer als zu Beginn des Entspannungs- und Versöhnungspolitik.

In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt vom 28. Oktober 1969 heißt es:

„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen.“

„Von deutschem Boden muss Frieden ausgehen!“

heißt es im oben zitierten Berliner Grundsatzprogramm der SPD.

In seiner Nobelpreisrede sagte Willy Brandt 1971:

Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu begrenzen. Kein nationales Interesse lässt sich heute noch von der Gesamtverantwortung für den Frieden trennen. Jede Außenpolitik muss dieser Einsicht dienen.“

Wir sind inzwischen meilenweit von solchen Einsichten entfernt. Von deutschem Boden geht Krieg aus. Von deutschem Boden aus wird der Einsatz von Drohnen vermittelt und gesteuert, um Menschen zu töten.

Und der Geist der Verantwortlichen hat sich völlig verändert:

„Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen“.

Das ist Originalton des amtierenden Bundespräsidenten Gauck.

Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen sind im Januar 2014 in München bei der Sicherheitskonferenz gemeinsam aufgetreten und haben mehr internationale Verantwortung gefordert und versprochen; damit war unmissverständlich mehr militärischer Einsatz gemeint.

Man muss sich darüber klar werden, wie verschieden der Geist ist,

  • der unser Zusammenleben in Zeiten des Kalten Krieges in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt hatte und heute wieder prägt
  • und jener Geist, der die Zwischenzeit, die Zeit der Entspannungspolitik und der erfolgreichen Beendigung der Konfrontation in Europa geprägt hat.

Die eine Konzeption, die Konzeption der gemeinsamen Sicherheit geht davon aus, dass man sich mit allen Völkern verständigen kann, dass man sich dann allerdings darum bemühen muss. Zu diesen Völkern, um die man sich bemüht hat, gehörte bis 1990 auch Russland.

Die andere Konzeption, die Konzeption der Aufteilung der Welt in Gut und Böse, geht davon aus, dass man dem Bösen drohen muss, dass man rüsten muss, dass man abschrecken muss.

Wenn wir uns die neue Konfrontation zwischen West und Ost in Europa anschauen, dann sollten wir einmal innehalten und uns dessen erinnern, wie es zwischen Deutschland und Frankreich aussah, und wie positiv sich das Verhältnis zwischen unseren Völkern entwickelt hat: Mein Großvater war noch erfüllt von Verachtung für „die Welschen“, wie man zu seiner Zeit in der Kurpfalz die Franzosen nannte. Noch 1950 hat er mir Illustrierte aus dem siebziger Krieg des 19. Jahrhunderts gezeigt, wo der Sieg über die Franzosen gefeiert wurde. Dieser Geist war glücklicherweise nicht maßgeblich für das, was dann passierte: die Verständigung mit Frankreich. Heute kämen zumindest einigermaßen vernünftige Menschen nicht mehr auf die Idee, das Feindbild der Franzosen neu aufzubauen, wie man das mit Russland und Putin tut. Es geht also, trotz aller Unterschiede zwischen den Völkern.

Über die Dringlichkeit der friedenspolitischen Debatte

Wir sind betrogen worden. Aber es bleibt uns nichts Anderes übrig, als weiter zu machen, weiter zu demonstrieren und zu debattieren und Menschen auf die Notwendigkeit des friedlichen Miteinander aufmerksam zu machen.

Das ist wichtig, denn wir sind inzwischen von Menschen und Medien umgeben, die am Krieg nichts außerordentlich Schlimmes finden, die Kriege zu führen als etwas Selbstverständliches betrachten:

Am 8.6. lief im Deutschlandfunk eine Diskussion unter dem TitelAmt und Würden“, moderiert von Stephan Detjen.

In dieser Diskussion sprach der ehemalige Chefredakteur des Rheinischen Merkur, Michael Rutz, davon, Bundespräsident Gauck habe uns vom „friedenspolitischen Mehltau befreit“.

Sie, liebe Freundinnen und Freunde, die Sie heute nach Kaiserslautern gekommen sind, um gegen die Nutzung Ramsteins für den Drohnen-Einsatz der USA zu protestieren, sind Bestandteil dieses Mehltaus.

Die Dringlichkeit der friedenspolitischen Aufklärung wird in einer solchen Äußerung sichtbar. Die Dringlichkeit wird darin sichtbar, dass Kriegstreiberei inzwischen hoffähig geworden ist. Im wahren Sinne des Wortes hoffähig. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck nutzt das Schloss Bellevue dazu, um Stimmung für Kriegseinsätze zu machen und damit auch Stimmung für das, was von hier aus, von Ramstein aus, an Vernichtung und an völkerrechtswidrigem Mord betrieben wird.

Die Kriegsgefahr ist größer geworden. Das will ich an zehn Punkten, an zehn Risiken für den Frieden, sichtbar machen:

  1. Der erste ist die erwähnte Feststellung, dass die Werbung für den militärischen Einsatz, dass Kriegstreiberei wieder hoffähig geworden ist. Der Bundespräsident, mehrere Bundesminister und Diskussionsteilnehmer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie dem Deutschlandfunk bereiten den Boden. Kriege zu führen wird als selbstverständlicher Teil der Politik betrachtet.
  2. Es gibt unter den Menschen geringeren Widerstand gegen Kriege. Das hat viel damit zu tun, dass die meisten heute lebenden Menschen keine unmittelbare Kriegserfahrung mehr haben, nicht mehr haben können. Die Älteren unter Ihnen haben vermutlich Verwandte und Freunde verloren im letzten Krieg oder sie haben Kriegseinsätze unmittelbar erlebt. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, dessen Bahnhof ein Knotenpunkt auf einer Strecke zu einer V2 Produktion war. Wir waren ständig Angriffen von Jagdbombern ausgesetzt. Es gab Tote. In der Ferne haben wir am Nachthimmel Mannheim, Pforzheim, Heilbronn und Würzburg brennen sehen – auch ich als Sechsjähriger. Das prägt. Die Kriegserfahrung unserer heute Sechsjährigen ist eine ganz andere: eine elektronische beim Spiel, eine spannende, oft eine siegreiche. Das prägt auch.
  3. Kriege werden tatsächlich geführt. Die Scheu ist abhandengekommen. Bei Journalisten und Politikern und auch bei Militärs: „Die USA sind bereit, gegen Russland in Europa zu kämpfen und es zu besiegen“, erklärte der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR), US-General Breedlove, in einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses im Februar 2016.
  4. Die Regime Change-Absichten der USA sind höchst gefährlich, gerade wenn sie wie im Falle der Ukraine ein Land in der Nähe Russlands betreffen, oder Russland selbst.
  5. Überall wird an neuen Feindbildern gestrickt. Es wird personalisiert. Putin ist an allem schuld, in Syrien Assad.
  6. Und das Volk ist müde geworden. Das ist verständlich. Der skizzierte Betrug an uns und unseren Erwartungen und Leistungen zur Beendigung der Konflikte in Europa hat ja wohl bei der Mehrheit der Menschen den Eindruck hinterlassen, dass man eh nichts machen kann, dass die Politik von den Oberen bestimmt wird, dass die Rüstungswirtschaft Einfluss auf politische Entscheidungen hat und damit auch auf Kriege.
  7. Die USA sind weit weg. Die zitierte Äußerung des Generals der USA lautet ja nicht zufällig: „die USA sind bereit, gegen Russland in Europa zu kämpfen und es zu besiegen“. Wenn der General angedeutet hätte, dass dieser Krieg auch in den USA selbst geführt werden könnte, wäre er im Ausschuss des Repräsentantenhauses vermutlich nicht freundlich aufgenommen worden.
  8. Im heutigen Ost-West-Konflikt gibt es viele verschiedene Akteure und es gibt viele Gelegenheiten und Möglichkeiten, an denen sich Spannungen entzünden können. Die baltischen Staaten, die Ukraine, die Balkanstaaten, die Rüstungswirtschaft bei uns, in den USA, in Großbritannien, irgendwelche rechts konservativ denkenden Funktionäre – sie alle können die Ursache von kleinen und größer werdenden Konflikten werden.
  9. Es gibt russische Minderheiten in mehreren möglichen Konfliktregionen.
  10. Es ist nicht auszuschließen, sondern eher wahrscheinlich, dass sich auf mittlere Sicht innerhalb möglicher Kriegsparteien kriegslüsterne oder auch nur kriegsbereite Personen und Gruppen durchsetzen. Das kann in den USA passieren. Das kann in Dänemark, in Polen, in den baltischen Staaten oder sonst wo passieren. Und auch in Russland. So wie wir erfolgreich darauf setzen konnten, dass die Strategie des „Wandel durch Annäherung“ dazu führen könnte und wird, dass sich in Russland, in der Sowjetunion und im Warschauer Pakt Kräfte durchsetzen, die Konflikte friedlich lösen wollen und auf gemeinsame Sicherheit in Europa setzen, so kann umgekehrt die neue Konfrontation zu inneren Veränderungen in Russland führen, die uns dem heißen Konflikt näher bringen.

Mit der Beschreibung dieser zehn Risiken für den Frieden wollte ich nicht Angst machen. Ich wollte ein realistisches Bild von der veränderten Situation zeichnen.
Es gibt so viele verschiedene Spieler in den heutigen Auseinandersetzungen und die Wirklichkeit der Welt ist so stark von militärischen Aktionen geprägt, dass es ganz und gar nicht abwegig ist, die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges für hoch zu halten.

Das ist die Botschaft, die ich ihnen vermitteln wollte. Mehr nicht. Und das sollte auch der Anstoß für Sie sein, sich zu engagieren und bei anderen Menschen dafür zu werben, dass sie sich in einer neuen großen Friedensbewegung zusammenfinden.

Unser Ziel ist klar: wir wollen in Europa gemeinsame Sicherheit. Auch mit Russland. Wir wollen die Zusammenarbeit und nicht die Konfrontation.
Wir wollen keine neuen Feinde und keine neuen Feindbilder. Und wir wollen auch nicht, dass von unserem Boden Krieg ausgeht; wir wollen nicht, dass Menschen in anderen Regionen der Welt von hier aus bedroht und getötet werden.

Wenn wir das zusammen mit den USA und anderen westlichen Mächten erreichen, dann ist das prima.

Die USA sind herzlich eingeladen. Auch die Nachbarstaaten Russlands in Osteuropa sind herzlich eingeladen, an dieser friedlichen Zusammenarbeit und am friedlichen Zusammenleben in Europa weiter mitzuwirken. So wie es 1989 und 1990 vereinbart worden ist.

Wenn den USA das nicht möglich ist, dann müssen wir nach Wegen suchen, unsere Beteiligung an Kriegen auf andere Weise zu beenden und wir müssen versuchen, gemeinsame Sicherheit in Europa unter einem begrenzten Teil von Teilnehmern zu organisieren. Das klingt kompliziert. Ich sehe aber nicht, dass wir notfalls eine andere Wahl haben.

Der erste Schritt wäre die Kündigung der Möglichkeit, Einrichtungen wie in Ramstein für den militärischen Einsatz in anderen Ländern zu nutzen.

Der zweite Schritt wäre die Befreiung aus der US-amerikanischen Vormundschaft.
D.h. konkret: Wenn die USA nicht bereit sind, sich auf die Verabredungen von 1989 und 1990 zu verständigen, wenn sie an einer gemeinsamen Sicherheit in Europa, die den Frieden mit Russland einschließt, nicht interessiert sind, dann sollten wir uns aus dem Bündnis, aus der NATO, zurückziehen und wir sollten vorher versuchen, so viele andere Nationen Europas wie möglich, für diesen Schritt zu gewinnen.

Ein solcher Schritt wendet sich nicht gegen das Volk der USA. Es wendet sich gegen eine bestimmte Politik. Er wendet sich gegen die inzwischen eingerissene Vorstellung, die USA seien das einzige Imperium und sie hätten das Recht und die Pflicht, andere Völker als Vasallen oder Mitstreiter zu betrachten.

Der Wandel des Verhältnisses zu den USA und der Wandel der Notwendigkeiten im Umgang mit den USA

Viele Deutsche sehen in den USA eine Nation und in den dortigen Menschen ein Volk, das uns sehr geholfen hat: mitgeholfen bei der Befreiung von den Nazis, geholfen bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Man kann dieses Bild hinterfragen, aber es hat viel Wahres an sich und außerdem empfinden es sehr viele Leute so. Nicht alle.

Viele Deutsche sehen in den USA jene, die uns vor den Sowjets und den Kommunisten geschützt haben. Auch wenn man das anders sehen kann, generell kann man wohl sagen, dass in den fünfziger und sechziger Jahren so etwas wie ein abschreckendes Gleichgewicht der Kräfte bestand. Damals waren wir von den USA geschützt, heute werden wir benutzt.

Heute könnte man und müsste man wohl deutliche Grenzen setzen und zum Beispiel zu sagen wagen:

Bei aller Freundschaft zu US-Amerikanern:

  • es geht nicht, uns als Nachschubbasen und Ausgangsort militärische Aktionen gegenüber anderen Völkern zu benutzen.

Bei aller Freundschaft,

  • wir wollen nicht weiter der Flugzeugträger und Kommunikationsplatz für Drohneneinsätze der USA sein.

Bei aller Freundschaft,

  • wir teilen nicht die Vorstellung, die Welt müsse von einem Imperium beherrscht werden, es muss möglich sein und wird möglich sein, dass alle Völker insgesamt friedlich miteinander umgehen.

Bei aller Freundschaft mit Amerika,

  • wir teilen nicht die Vorstellung, dass sich ein Volk, eine Nation, die Reichtümer eines anderes Landes aneignen kann. Was die USA und ihre Wirtschaft z.B. mit Russland in der Zeit von Präsident Jelzin getrieben haben, ist schlicht unanständig und nicht friedensfördernd.

Die USA sind ein interessantes Land. Die US-Amerikaner sind oft kreativ und menschenfreundlich. Ich habe als junger Mensch in Heidelberg, meiner Heimatstadt, eine Reihe von produktiven kulturellen Erfahrungen mit US-Bürgern gemacht. Im Jazzclub Cave 54, mit dem Amerika-Haus usw.

Es gibt überhaupt keinen Grund, ein schlechtes Verhältnis zu US-Amerikanern zu haben.

Aber es gibt einige Gründe, die USA als imperiale Macht nicht mehr zu akzeptieren.
Weil das gefährlich ist, weil der grundlegende Geist der Beherrschung und der Konfrontation einem friedlichen Zusammenleben der Menschen nicht guttut und im konkreten Fall Europas äußerst gefährlich wird.

Deshalb wird es die Hauptaufgabe der deutschen Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein, uns aus der Vormundschaft der USA zu lösen. Das ist eine Herkulesarbeit.

Unsere Sicherheit in Europa muss auf Zusammenarbeit und nicht auf Konfrontation und nicht auf Abschreckung beruhen.

Jochen

Ein Ring um Russland – Deutschland übernimmt führende Rolle bei der Einkreisung

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Passender Cartoon:

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Aktuell zur „Sicherheits“konferenz hier:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59049
Auszüge:

BERLIN
(Eigener Bericht) – Deutschland übernimmt eine führende Rolle beim Aufbau der neuen NATO-„Speerspitze“ in Osteuropa. Rund 2.700 von insgesamt 5.000 bis 7.000 Soldaten, die in diesem Jahr die gestern von den NATO-Verteidigungsministern beschlossene Kampftruppe etablieren sollen, werden von der Bundeswehr gestellt.
Auch in den NATO-Stützpunkten, die in sechs Staaten Osteuropas eingerichtet werden, wo sie bei Bedarf als Operationszentralen dienen sollen, werden deutsche Militärs präsent sein. Berlin erhält damit prägenden Einfluss auf die künftige NATO-Struktur in seinem traditionellen osteuropäischen Einflussgebiet.
Die Maßnahmen ziehen den Ring, den das westliche Kriegsbündnis um Russland legt, ein weiteres Stück zusammen – zumal bereits vergangenes Jahr Schweden und das im Norden an Russland grenzende Finnland sich der NATO weiter angenähert haben und der Kaukasus-Staat Georgien sich ab diesem Jahr an der NATO Response Force beteiligen will, die auf 30.000 Mann aufgestockt werden soll. Aus ihr wird die NATO-„Speerspitze“ gebildet.
Deutschland wird mit seiner führenden Position in der „Speerspitze“, sollte der Konflikt mit Moskau unkontrolliert eskalieren, an vorderster Front gegen Russland stehen.

Die NATO-„Speerspitze“

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Deutschland übernimmt eine führende Rolle beim Aufbau der neuen NATO-„Speerspitze“ in Osteuropa. Dies ist eines der Ergebnisse des gestrigen (5.2.15) Treffens der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel. Der Schritt ist eingebettet in eine umfangreiche Aufstockung der „NATO Response Force“.
Die Eingreiftruppe soll von 13.000 auf 30.000 Soldaten vergrößert werden. 5.000 bis 7.000 von ihnen sollen eine Einheit bilden, die besonders schnell eingesetzt werden kann (NATO-„Speerspitze“); die Rede ist von einer Mobilisierungszeit von nur 48 Stunden.
Deutschland hat für dieses Jahr rund 2.700 Soldaten für die „Speerspitze“ zugesagt, darunter Militärs des Panzergrenadierbataillons 371 aus Marienberg (Sachsen) sowie Soldaten des Deutsch-Niederländischen Korps aus Münster. Es handelt sich dabei um Truppen, die Berlin bereits vor dem NATO-Gipfel im September 2014, auf dem die Einrichtung der „Speerspitze“ beschlossen wurde, routinemäßig für die NATO Response Force angemeldet hatte.[1]
Die Bundesregierung nutzt sie nun, um in der entscheidenden Aufbauphase der „Speerspitze“ die militärische Führung zu übernehmen und damit stärkstmöglichen Einfluss auf die Strukturen der neuen Truppe nehmen zu können.

Nahe der russischen Grenze

Die NATO-„Speerspitze“, die in diesem Jahr unter deutscher Führung aufgebaut und getestet wird, soll ab 2016 rundum einsatzfähig sein – prinzipiell weltweit; ihr Nutzen für verschiedenste Kriegsszenarien der NATO steht außer Frage.
Ihr Schwerpunkt liegt jedoch in Osteuropa. Offiziell ist sie gegründet worden, um vor allem den baltischen Staaten und Polen die Furcht vor einem angeblich denkbaren Überfall Russlands zu nehmen. Tatsächlich soll sie die Präsenz des westlichen Kriegsbündnisses in großer oder sogar in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze verstärken und damit Offensivpositionen einnehmen, die den militärischen Druck auf Russland verstärken.
Damit werden Garantien gebrochen, die Moskau 1990 – wenn auch nur mündlich – vom Westen als Gegenleistung für seine Zustimmung zur Übernahme der DDR durch die BRD erhielt. Ist die bisherige Praxis, in den östlichen NATO-Staaten NATO-Truppen nur zeitweise und in Rotation zu stationieren, theoretisch vielleicht noch mit den Garantien von 1990 vereinbar, die eine dauerhafte Stationierung kategorisch ausschließen, so gilt das für die aktuellen Maßnahmen nicht mehr.

Stützpunkte im Osten

Demnach werden nun in den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, in Polen sowie in Rumänien und Bulgarien jeweils Logistik-Stützpunkte mit 40 Mann aufgebaut, die unter der Bezeichnung „Nato Force Integration Units“ firmieren.
Die Hälfte des Personals soll von demjenigen Staat gestellt werden, der den jeweiligen Stützpunkt beherbergt; Deutschland will 25 Militärs entsenden. Sie werden dauerhaft weit im Osten stationiert sein und dort die erforderlichen Rahmenbedingungen für einen etwaigen Einsatz der „Speerspitze“ schaffen – planerisch, aber auch durch die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur und des Kriegsgeräts. Letzteres soll ebenfalls von den Gastgeber-Staaten beschafft werden.
Auch hier sichert die deutsche Beteiligung einen signifikanten Einfluss Berlins auf die Ausgestaltung der neuen NATO-Logistikzentralen. Ohnehin maßgeblich beteiligt ist die Bundesrepublik am Multinationalen Korps Nord-Ost, das im Jahr 1999 im polnischen Szczecin in Dienst gestellt wurde und das nun die NATO-„Speerspitze“ führen soll.
Die dort stationierten Einheiten werden auf mehr als 400 Soldaten ausgedehnt; Deutschland stellt fast ein Drittel von ihnen.

Vom Polarkreis bis zum Kaukasus

Fernab der öffentlichen Wahrnehmung hat die NATO ihre Offensivpositionen gegenüber Russland auch dadurch verstärkt, dass die Nicht-NATO-Staaten Finnland und Schweden Anfang September 2014 auf dem Gipfel in Newport ein sogenanntes Host Nation Support Agreement unterzeichnet haben.[2]
Dieses erlaubt es dem westlichen Kriegsbündnis, selbst im Kriegsfalle das Territorium beider Staaten und ihre Infrastruktur zu nutzen – Häfen, Flughäfen sowie Militärstützpunkte inklusive. Finnland hat zudem bereits 2008 beschlossen, sich prinzipiell auch an der NATO Response Force zu beteiligen; Schweden hat 2010 erstmals an einem Manöver der Eingreiftruppe teilgenommen. Einer finnischen oder schwedischen Beteiligung an der NATO-„Speerspitze“ stünde damit grundsätzlich nichts im Wege.
Das gilt im Kern auch auch für Georgien, das an Russlands Südflanke im Kaukasus grenzt. Tiflis hat schon 2006 ein „Host Nation Support Agreement“ mit der NATO geschlossen und will dieses Jahr erstmals Soldaten für die NATO Response Force stellen.[3]
Auch sonst kooperiert es eng mit der NATO, etwa beim Aufbau eines Militär-Trainingszentrums in der Nähe der georgischen Hauptstadt.
Die Einkreisung Russlands durch den Westen reicht damit vom Polarkreis über ganz Osteuropa bis in den Kaukasus hinein.

Klar positioniert

Die führende Rolle, die Berlin beim Aufbau der neuen „Speerspitze“ im NATO-Rahmen übernimmt, trägt der vor allem von Bundespräsident Joachim Gauck seit Oktober 2013 immer wieder geäußerten Forderung Rechnung, Deutschland müsse in Zukunft aggressiver Weltpolitik treiben – auch militärisch.[4]
Für Berlin günstig ist, dass die NATO-„Speerspitze“ insbesondere auf die traditionelle deutsche Einflusssphäre in Osteuropa zugeschnitten wird. Wenngleich die Bundesregierung sich derzeit noch bemüht, eine unkontrollierte Eskalation der Spannungen mit Russland zu verhindern (german-foreign-policy.com berichtete [5]):
Der neu erlangte Einfluss Berlins auf die „Speerspitze“ lässt erkennen, wo Deutschland, sollten die Spannungen zwischen Russland und dem Westen weiter steigen, stehen wird – nämlich an der Spitze der Kampftruppen, die das transatlantische Kriegsbündnis gegen Moskau aufbietet. Welches Eskalationspotenzial der Konflikt dabei hat, das ließ die Zusammenkunft der NATO-Verteidigungsminister am gestrigen Donnerstag erkennen: Sie beinhaltete eine ausführliche Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe.

[1] Thomas Gutschker: Die Deutschen an die Front! www.faz.net 05.02.2015.
[2] S. dazu Ein Ring um Russland.
[3] NATO’s relations with Georgia. www.nato.int.
[4] S. dazu Schlafende Dämonen.
[5] S. dazu Ein Lernprozess und Von Lissabon bis Wladiwostok.

Jochen