Warum die USA mehr Interesse an einer russischen Ukraine-Invasion haben als Putin – Interview mit Chrustschows Urenkelin

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aktuell aus dem Stern: https://www.stern.de/politik/ausland/russland-expertin—die-usa-haben-groesseres-interesse-an-einer-russischen-invasion-als-putin–31632222.html

Auszüge:

Wladimir Putin sieht sich selbst als genialen Geo-Strategen. Doch in der Ukraine-Krise werden die Fäden in Washington gezogen, sagt Professorin für Internationale Politik Nina Chruschtschowa.
Die Urenkelin des sowjetischen Führers Nikita Chruschtschow ist sicher: Putin plant keinen Krieg. Dennoch reiche ein Funke, damit die Ukraine brennt.

16. Februar, 3 Uhr morgens: Dann sollte mitten in Europa ein Krieg beginnen. Die US-Geheimdienste schrien am vergangenen Dienstag im dröhnenden Alarm in die Welt hinaus: Eine russische Invasion würde nur noch wenige Stunden entfernt sein, trotz aller diplomatischer Verhandlungsversuche und eines angekündigten Abzugs des russischen Militärs von der ukrainischen Grenze.

Am 16. Februar ist an der ukrainischen Grenze alles still geblieben. Absolut vorhersagbar, sagt Nina Chruschtschowa. Die Professorin für Internationale Politik an der New School in New York und Urenkelin des sowjetischen Politikers Nikita Chruschtschow war sich von Beginn der neuen Eskalationsrunde in der Ukraine-Krise an sicher: Putin plant keine Invasion in der Ukraine.
Aber warum dann der Alarmismus aus den USA? Dahinter steckt eine klare Strategie, sagt die Expertin für internationale Beziehungen.
Welche Ziele die USA verfolgen könnten, erklärt sie im Gespräch mit dem stern.

Wladimir Putin sieht sich selbst als genialen Geo-Strategen. Doch in der Ukraine-Krise werden die Fäden in Washington gezogen, sagt Professorin für Internationale Politik Nina Chruschtschowa. Die Urenkelin des sowjetischen Führers Nikita Chruschtschow ist sicher: Putin plant keinen Krieg. Dennoch reiche ein Funke, damit die Ukraine brennt.

16. Februar, 3 Uhr morgens: Dann sollte mitten in Europa ein Krieg beginnen. Die US-Geheimdienste schrien am vergangenen Dienstag im dröhnenden Alarm in die Welt hinaus: Eine russische Invasion würde nur noch wenige Stunden entfernt sein, trotz aller diplomatischer Verhandlungsversuche und eines angekündigten Abzugs des russischen Militärs von der ukrainischen Grenze.

Am 16. Februar ist an der ukrainischen Grenze alles still geblieben. Absolut vorhersagbar, sagt Nina Chruschtschowa. Die Professorin für Internationale Politik an der New School in New York und Urenkelin des sowjetischen Politikers Nikita Chruschtschow war sich von Beginn der neuen Eskalationsrunde in der Ukraine-Krise an sicher: Putin plant keine Invasion in der Ukraine. Aber warum dann der Alarmismus aus den USA? Dahinter steckt eine klare Strategie, sagt die Expertin für internationale Beziehungen. Welche Ziele die USA verfolgen könnten, erklärt sie im Gespräch mit dem stern.

stern: Dr. Chruschtschowa, die westliche Welt schaut seit Wochen gebannt auf die ukrainische Grenze und rätselt darüber, was für Pläne Wladimir Putin in seinem Bunker ausbrüten mag. Die USA haben sogar ein genaues Datum für einen russischen Einmarsch genannt: 16. Februar, 3 Uhr morgens. Stand ein russischer Angriff unmittelbar bevor?

Chruschtschowa: Ich bin zutiefst überzeugt, dass es keine Invasion geben soll und geben wird. Ich kann mich wahnsinnig täuschen. Aber wie ich Russland kenne, gibt es für Moskau keinen Grund, einen Krieg zu wollen. Für mich sieht es nach einer gezielten US-amerikanischen Kampagne aus. Die Entwicklungen der letzten Wochen erinnern in erschreckender Weise an das Vorspiel des Irak-Krieges. Damals machten die USA die Welt glauben, Saddam Hussein verfüge über biologische und chemische Massenvernichtungswaffen, was sich als Lüge entpuppte. Jetzt beschwört man die Gefahr einer russischen Invasion in die Ukraine herbei.

Was würde das den USA nützen?

Hinter dieser Strategie sehe ich gleich mehrere Interessen stehen. Zum einen mussten viele Akteure der aktuellen US-Regierung 2014 eine herbe Demütigung einstecken, als Putin die Krim annektierte.
Sie befinden sich auf einem persönlichen Vergeltungszug, um ihre Schmach wiedergutzumachen, darunter die Staatssekretärin im Außenministerium für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, und Außenminister Anthony Blinken.
Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan hasst bekanntlich Putin aus tiefsten Herzen. Er will aus Putin am liebsten den nächsten Saddam Hussein machen.

Zum anderen gilt nach wie vor: Ein Präsident, der Krieg führt, bleibt an der Macht. Der Rückzug der Amerikaner aus Afghanistan hat Joe Biden geschädigt. Um sein Image wieder aufzupolieren, braucht man einen neuen Schützling. Die Ukraine ist da der perfekte Kandidat. Sie liegt mitten in Europa, ist aber weit genug von der eigenen Haustür entfernt.

Der Schutz der Ukraine allein wird aber weder Vergeltung für die einen bringen noch den anderen die Macht sichern.

Ich denke, in Washington hat man beschlossen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um Putin in die Knie zu zwingen. Die Vergiftung der Skripals, der Anschlag auf Nawalny – da gibt es genug, was die Amerikaner nicht mehr dulden wollen. Und man muss klar sagen: Die USA lieben es, für Machtwechsel zu sorgen.
Putin kann dieses Vorhaben naturgemäß nicht gefallen. Er will nicht ausgewechselt werden. Deswegen versucht er mit allen Mitteln, die USA von sich fernzuhalten.

Und die Amerikaner versuchen ihrerseits alles, um ihn zu einem Fehler zu verleiten. Sodass er tatsächlich in die Ukraine einmarschiert. Washington spekuliert darauf, dass in diesem Fall Putin sich so sehr im eigenen Land unbeliebt macht, dass die Russen ihn stürzen. Dieser Tango wird von Washington und Moskau im Duo getanzt. Die Leidtragende ist die Ukraine.

Aber wer hat den Tango angefangen?

Ursprünglich war es Putin, der mit der Annektierung der Krim, den Konflikt ausgelöst hat. In der aktuellen Zuspitzung der Krise haben jedoch die USA den Tanz eröffnet. Sie haben Truppenbewegungen beobachtet und haben entschieden, Alarm zu schlagen.
Damit fährt Washington in jedem Fall sicher. Eskaliert die Lage, so muss sich die US-Regierung nicht den Vorwurf gefallen lassen, sie hätte nichts von dem aufkommenden Sturm bemerkt – wie es 2014 bei der Annektierung der Krim passiert ist. Kommt es zu keiner Eskalation, wird sich Washington auf die Fahnen schreiben, man habe Europa vor einem Krieg bewahrt.
Putin blufft. Aber die USA geben vor, nicht zu erkennen, dass es ein Bluff ist.

Das würde bedeuten, dass Washington die russischen Manöver als Vorwand nutzt, um eine Kriegsgefahr mitten in Europa vorzugaukeln.
Aber warum spielt dann Putin mit? Mit einer Verlegung der Truppen könnte er der US-Regierung jeden Wind aus den Segeln nehmen.

Putin ist Putin. Wenn die USA sagen, er könne die amerikanische Demokratie vorführen, dann macht er das. Wenn die USA sagen, dass russische Truppen an der Ukraine-Grenze stehen, dann beordert er sie dahin. Er macht sich einen Spaß daraus.
Kreml-Sprecher Peskow witzelte zuletzt, ob die USA Putin nicht noch verraten wollen, wann die Invasion stattfinden soll. Das ist der Humor Putins. In seinem Bunker lacht er sich schlapp. Wenn ihr wollt, bitte schön. Das ist seine Denke.

Zudem bekommt er das, was er so sehr liebt: Aufmerksamkeit, Kniefälle, Visiten der westlichen Staatsoberhäupter.
Putin ist süchtig nach Anerkennung. Er profitiert von der andauernden Krisensituation. Für ihn ist sie die Gelegenheit, giftige Pfeile in die Beziehungen der westlichen Staaten zu jagen.
Das ist ein Spiel, von dem der ehemalige KGB-Niemand nur träumen konnte.

Putin muss sich als der Nabel der Welt fühlen. So präsentiert er sich zumindest seinem heimischen Publikum. Warum geben die USA ihm aber diese Bühne?

Aus Eigennutz. Das Ziel ist, Russland zum Feind Nr. 1 zu stilisieren. Putin soll auf einer Linie mit Saddam Hussein und Kim Jong Un gebracht werden.
Dann können die USA Russland sanktionieren, wie immer sie wollen.

Aber die USA könnten auch jetzt schon für sich allein jegliche Sanktionen gegen Russland verhängen. Anlässe und Gründe gebe es genug.
Versucht Washington mit dieser Strategie Europa hinter sich zu bringen? Etwa was Nord Stream 2 angeht. Den Bau der Pipeline wollten die USA von Anfang an verhindern.

Europa spielt in diesem Spiel eine große Rolle. Die USA müssen Europa hinter sich vereinen. Und hierfür müssen sie Putin dazu bringen, wenigstens einen Fingerbreit auf ukrainisches Territorium vorzudringen. Wenn das geschieht, werden sich alle hinter Washington zusammenschließen.

Sind es also die USA, die von einer russischen Invasion in der Ukraine profitieren würden?

Ja, die USA haben ein viel größeres Interesse an einer Invasion als Putin. Ich weiß, das ist eine sehr rigorose Position, aber bislang sehe ich nichts, was das Gegenteil bedeuten würde.
Wozu bräuchte Putin einen Krieg? Wozu bräuchte er Kiew? Wozu sollte er ein Land einnehmen wollen, dessen 40 Millionen Einwohner, ihn aus tiefstem Herzen hassen?

Ich könnte erklären, wozu er die Krim braucht, oder sogar den Donbass. Aber Kiew? Nein. Er hat überhaupt kein Motiv.
Ich bestreite nicht, dass Putins Russland ein Imperium des Bösen ist. Aber die USA sind auch kein Imperium des Guten.

Dass die USA so präzise den Tag und sogar die Uhrzeit einer Invasion prognostiziert haben, aber ohne einen einzigen Beweis dafür vorzulegen, ist tatsächlich auf Skepsis gestoßen.

Betrachten wir doch die chronologische Abfolge des Geschehens. Macron verkündet nach dem Treffen mit Putin „Mission vollendet“. Kurz darauf erklärt Biden: Nein, am 16. Februar wird Putin einmarschieren. Macron soll schließlich auf keinen Fall die Lorbeeren für die Bändigung Putins bekommen.

Wenig später verkündet der russische Verteidigungsminister, dass die Übungen in Belarus zu Ende gehen und man die Truppen danach abzieht. Da erklärt Boris Johnson, man stünde praktisch am Abgrund. Jedes Mal, wenn es also Zeichen der Entspannung gibt, tauchen die Angelsachsen auf und erklären alles für nichtig.

Wenn man es so liest, dann scheint Washington nicht an einer Entspannung der Situation interessiert zu sein.

Gods_Own_CountryIn meinen Augen wird die Krise von den USA angefacht. Amerika braucht den Krieg. Es ist eine Cowboy-Kultur. Zudem werden diese Kriege woanders geführt, nicht in Amerika.
Ein Krieg würde Biden eine zweite Amtszeit garantieren. Ganz nach dem Szenario von Bush, der 2004 wiedergewählt wurde.

Zudem ist Russland der perfekte Sündenbock. Wenn Trump gewählt wird, sind die Russen schuld. Wenn Amerikaner in Afghanistan sterben, sind die Russen schuld. Leiden Diplomaten am Havanna-Syndrom, sind die Russen schuld. Russland ist an vielem Schuld, aber nicht an allem.

In Moskau sind nun Witze über die Ankündigungen konkreter Daten eines angeblichen Angriffs durch die US-Geheimdienste en vogue geworden. Im Westen spekuliert man derweil, ob es in Moskau nicht einen Maulwurf gibt, der die USA mit Informationen versorgt.
Könnte es aber nicht sein, dass Putin sich einen Spaß gönnt und die Informationen den USA extra zuspielt? Gerade wenn man annimmt, dass die Situation im Kreml wie ein spaßiges Spiel aufgenommen wird.

Absolut! Ich denke in dem Theater, was da seit drei Monaten gespielt wird, ist vieles auf diese Mentalität zurückzuführen. Putin liebt Verspottung dieser Art. Er schickt mal seine Panzer dahin, mal dahin, und schaut zu, wie die Amerikaner ihm hinterher hecheln. Er wirft das Stöckchen, und die Gegenseite jagt hinterher.

Wenn Putin etwas machen will, dann macht er das einfach. Das hat man 2008 (Einmarsch in Georgien) gesehen, das hat man 2014 (Annektierung der Krim) gesehen. Und die Welt erfährt es am nächsten Tag, wenn alles vollzogen ist.
Aber dieses andauernde Spiel? Ich denke, hier verhält es sich ähnlich wie mit Putins Auftritten, wo er mit entblößten Männerbüsten durch Sibirien läuft.
Es ist eine Inszenierung, die alle sehen sollen. Alle sollen sich den Kopf zerbrechen, was es soll. Wenn es nicht so gefährlich wäre, könnte man darüber lachen. Aber angesichts der Lage ist dieses Spiel erschreckend.

Wirft man einen Blick in die Geschichte, stellt man fest, dass viele Kriege von Nichtigkeiten, Missverständnissen oder Unachtsamkeit ausgelöst wurden.
Aus einem Funken wird schnell ein Feuer, wenn der Zunder trocken ist.

Das ist auch die Gefahr, die ich sehe. Auch wenn Putin ursprünglich keinen Angriff geplant hat, in so einer aufgeladenen Situation reicht ein falscher Schritt und es herrscht Krieg.

Haben sie ihren Großvater Nikita Chruschtschow noch kennengelernt?

Ja, das habe ich. Als Kind erzählte er mir noch von den Vorzügen des kommunistischen Systems.

Was würde er zu der heutigen Politik Russlands sagen?

Er wäre entsetzt. Über die Annektierung der Krim wäre er schockiert. Als 1968 sowjetische Panzer in die damalige Tschechoslowakei geschickt wurden, und das nachdem 1956 er selbst die Panzer nach Ungarn geschickt hatte, sagte er: „Es sind zwölf Jahre vergangenen, aber wir haben nichts gelernt.“
Die Ungerechtigkeit der sowjetischen Politik hat ihn in seinen späteren Jahren sehr beschäftigt.

Was ist mit der aktuellen Situation an der ukrainischen Grenze?

Über die aktuelle Zuspitzung der Krise wäre er ebenso entsetzt. Er und John F. Kennedy haben die Kuba-Krise innerhalb von 13 Tagen beendet, aus Entsetzten vor dem, wozu Muskelspiele führen könnten. Aber heute dauert das Säbelrasseln zwischen Washington und Moskau nun drei Monate an.
Jetzt stehen an der Grenze zu Ukraine erboste, verunsicherte und verängstigte Generäle. Da braucht nur einer die Nerven zu verlieren.

Nina Chruschtschowa

Nina Chruschtschowa ist Professorin für Internationale Politik an der New School in New York. Sie ist Senior Fellow des World Policy Institute.
Nach Erwerb ihres Doktortitels an der Princeton University, hatte sie eine zweijährige Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der School of Historical Studies des Institute for Advanced Study in Princeton und war dann stellvertretende Herausgeberin der East European Constitutional Review an der NYU School of Law.

Nina Chruschtschowa kam am 1. August 1962 in Moskau zur Welt und ist eine Urenkelin des sowjetischen Politikers Nikita Chruschtschow. Bevor sie in die USA auswanderte, studierte sie Russisch an der Lomonossow-Universität Moskau mit einem Abschluss im Jahr 1987.
Nikita Chruschtschowwarvon 1953 bis 1964 als Erster Sekretär der KPdSU der mächtigste Politiker der Sowjetunion.

Anmerkung: Vieles kann ich natürlich nicht teilen. Aber es ist schon interessant, darauf hinzuweisen, wer langfristig der Profiteur des Spiels sein wird – nicht Putin.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Noam Chomsky: Sozialismus in Zeiten der Reaktion

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Im Original hier:
https://diefreiheitsliebe.de/politik/sozialismus-in-zeiten-der-reaktion-im-gespraech-mit-noam-chomsky/
Auszüge:

chomsky american dreamObwohl er auf die 90 zugeht, wächst Noam Chomskys Werk immer noch. Und er gibt, zum Glück für die internationale Linke, noch immer Interviews. Wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag gab Chomsky ein Interview in seinem Büro in Cambridge, Massachusetts. Das Gespräch führte Vaios Triantafyllou, ein Student an der Universität von Pennsylvania.
Chomsky sprach über alles von Sozialismus, die menschliche Natur und Adam Smith, bis zu Donald Trump. (Das Transkript wurde aus Gründen der Lesbarkeit verdichtet und redigiert.)

Mit Trump im Amt sieht Chomsky eine Zukunft in Bigotterie und Kleinkrämerei. Aber wir haben noch immer die Wahl: „Ob sie gelingen“, sagt Chomsky über die „teile und herrsche“-Taktiken, „hängt von der Art des Widerstands ab, die Menschen wie du dem entgegensetzen.“

Jacobin Mag: Wie sollten Sozialisten über die Beziehung von Reformen zur Humanisierung des bestehenden Produktionssystems (wie es Bernie Sanders vorschlägt) und dem langfristigen Ziel einer gänzlichen Abschaffung des Kapitalismus denken?

Noam Chomsky: Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass der Begriff „Sozialismus“, wie alle Begriffe des politischen Diskurses, mehr oder weniger seine Bedeutung eingebüßt hat. „Sozialismus“ hat mal etwas bedeutet. Wenn wir weit genug zurückblicken, war damit die Kontrolle über die Produktion durch die Produzenten gemeint, die Abschaffung der Lohnarbeit, die Demokratisierung aller Lebenssphären: Produktion, Handel, Bildung, Medien, Arbeiterkontrolle über die Betriebe, gesellschaftliche Kontrolle der Gesellschaft usw. Das hieß „Sozialismus“ früher.

Aber diese Bedeutung hat er keine hundert Jahre beibehalten. Tatsächlich waren die sogenannten sozialistischen Länder die anti-sozialistischten Länder der Welt.
Arbeiter hatten mehr Rechte in den Vereinigten Staaten und in England als in Russland, und dennoch wurde es Sozialismus genannt.

Was Bernie Sanders betrifft, ist er ein anständiger und ehrbarer Mensch, den ich unterstütze. Doch was er als „Sozialismus“ bezeichnet, ist Liberalismus im Stile des New Deal. Wahrscheinlich wären seine aktuellen Forderungen keine große Überraschung für General Eisenhower.
Dass sie als politische Revolution bezeichnet werden, zeigt, wie sehr das politische Spektrum nach rechts gerückt ist – vor allem in den letzten 30 Jahren, seit die neoliberalen Programme institutionalisiert wurden. Was Sanders fordert, ist eine Restauration des New Deal-Liberalismus, was eine sehr gute Sache ist.

Zurück zu deiner Frage, sollten wir uns fragen: Sollten Leute, die sich um andere Menschen, um deren Leben und ihre Bedürfnisse kümmern, versuchen, das bestehende Produktionssystem zu humanisieren, so wie du es sagst? Die Antwort ist: Auf jeden Fall – es ist besser für die Menschen.

Sollten sie sich gleichzeitig weiter für das langfristige Ziel einsetzen, die kapitalistische Organisationsweise der Produktion abzuschaffen? Selbstverständlich. Sie hatte ihre Erfolge. Aber sie basiert auf sehr brutalen Annahmen, unmenschlichen Annahmen.
Die Grundannahme ist, dass eine Klasse von Menschen, kraft ihres Besitzes und ihres Reichtums einer anderen, gewaltigen Klasse befehlen kann.
Und dass diese andere diesen Befehlen zu folgen hat, weil ihnen der Zugang zu Wohlstand und Macht fehlt. Das ist inakzeptabel.

Also, ja, der Kapitalismus sollte abgeschafft werden. Aber es handelt sich hier nicht um Alternativen. Es sind Vorgänge, die zusammengehen.

Jacobin Mag: Eines der Hauptargumente, das gegen Sozialismus vorgebracht wird, ist, die menschliche Natur selbst wäre von Egoismus und Konkurrenzdenken geprägt. Wie würdest du antworten?

Noam Chomsky: Man darf nicht vergessen, dass der Kapitalismus bisher nur eine kurze Periode der menschlichen Gesellschaft darstellt. Es gab nie einen reinen Kapitalismus, sondern immer nur die eine oder andere Variante. Der Grund dafür: Reiner Kapitalismus würde sich sofort selbst vernichten.
Also haben die geschäftstüchtigen Klassen immer massive staatliche Interventionen gefordert, um die Gesellschaft vor den zerstörerischen Effekten der Marktkräfte zu schützen. Es sind oft Geschäftsleute, die hier die Führung übernehmen, weil sie nicht wollen, dass alles zerstört wird.

Es gab also die eine oder andere Form von Staatskapitalismus während einer extrem kurzen Spanne der Menschheitsgeschichte, aber das sagt uns sehr wenig über die menschliche Natur. Bei der Betrachtung menschlicher Gesellschaften und Beziehungen kann man alles finden: Egoismus, Altruismus, Mitgefühl.

Nehmen wir Adam Smith, den Schutzheiligen des Kapitalismus. Was dachte er darüber? Er hielt Mitgefühl für den menschlichen Hauptinstinkt. Man muss sich ansehen, wie er den Begriff der „unsichtbaren Hand“ verwendete. Auf welche Art er diesen Begriff verwendete. Es ist nicht schwer, das heraus zu finden, weil er es maßgeblich zwei mal getan hat: jeweils in seinen beiden Hauptwerken.

Einmal erscheint der Begriff in Wohlstand der Nationen und läuft auf eine Kritik neoliberaler Globalisierung hinaus. Was er sagt, ist, dass wenn England, wenn die Fabrikanten und Kaufleute im Ausland investierten und von dort importierten, Gewinne machen könnten. Doch das wäre schädlich für England. Aber ihr Pflichtgefühl gegenüber ihrem Heimatland reiche aus, so dass es unwahrscheinlich sei, dass sie das täten – geschützt durch eine „unsichtbare Hand“ bliebe England von dem verschont, was wir neoliberale Globalisierung nennen. Das ist das eine Mal.

Das andere Mal benutzt er den Begriff in Theorie der ethischen Gefühle (das nicht oft gelesen wird, doch Smith selbst hielt es für sein Hauptwerk). Er ist ein Egalitarier.
Er glaubte an Gleichheit als Resultat, nicht Gegensätzlichkeit. Adam Smith ist eine Figur der Aufklärung, eine vor-kapitalistische.

Er sagt, wenn, vermutlich in England, ein Landeigner das meiste des Landes besäße und andere Menschen hätten nichts mehr, wo sie leben könnten, so wäre das nicht schlimm – der reiche Landeigner, kraft seines Mitgefühls für andere, würde die Ressourcen unter ihnen verteilen. Mit einer „unsichtbaren Hand“ landeten wir in einer ziemlich egalitären Gesellschaft. Das ist sein Konzept der menschlichen Natur.

Das ist nicht die Art, in welcher „die unsichtbare Hand“ von Leuten gebraucht wird, mit denen man Kurse besucht oder deren Bücher man liest. Das zeigt einen Unterschied in der Doktrin – aber nicht in der menschlichen Natur. Was wir über die menschliche Natur wissen, ist, dass sie all diese Facetten hat.

Jacobin Mag: Denkst du, es ist notwendig, konkrete Vorschläge für eine zukünftige sozialistische Ordnung zu entwerfen, eine solide Alternative, die bei den meisten Menschen Anklang findet?

Noam Chomsky: Ich glaube, viele Menschen haben Interesse an authentischen sozialistischen Langzeitzielen (die nicht das sind, was für gewöhnlich „Sozialismus“ genannt wird). Sie sollten sorgfältig darüber nachdenken, wie so ein Projekt funktionieren sollte – ohne zu sehr ins Detail zu gehen, denn vieles kann nur im Experiment erlernt werden. Und wir wissen auf keinen Fall genug darüber, wie Gesellschaften im Detail geplant werden könnten.
Der große Rahmen aber könnte ausgearbeitet werden und viele der spezifischen Probleme können diskutiert werden.

Und das sollte Teil des allgemeinen Bewusstseins sein. So könnte der Übergang zum Sozialismus stattfinden. Wenn er ein Teil der Erkenntnis, des Bewusstseins und des Strebens einer großen Mehrheit der Bevölkerung wird.

Sehen wir uns als Beispiel eine der großen Leistungen in diese Richtung an, vielleicht die größte: Die anarchistische Revolution in Spanien 1936.
Sie wurde jahrzehntelang vorbereitet: in der der Bildung, im Aktivismus und in den Bemühungen, erlitt manchmal Rückschläge, doch als der Faschismus angriff, hatten die Menschen eine Vorstellung davon, welche Gesellschaftsorganisation sie wollten.

Wir haben auch andere Beispiele. Sagen wir, der Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Auswirkung des Zweiten Weltkriegs waren für den größten Teil Europas verheerend.

Doch es brauchte nicht lange, die staatskapitalistischen Demokratien wieder aufzubauen, denn sie waren in den Köpfen der Leute vorhanden.

In anderen Teilen der Welt, die verwüstet wurden, war das nicht möglich. Die Leute hatten kein Konzept im Kopf. Menschliches Bewusstsein macht eine Menge aus.

Jacobin Mag: Syriza kam mit dem Versprechen von Sozialismus an die Macht. Doch schlussendlich kooperieren sie mit der EU und sind auch nicht zurückgetreten, nachdem sie gezwungen wurden, die Austeritätspolitik zu übernehmen. Wie können wir einen ähnlichen Ausgang in Zukunft vermeiden?

Noam Chomsky: Ich denke, die wahre Tragödie Griechenlands – abseits der Brutalität der europäischen Bürokratie, der Brüsseler Bürokratie, und die der nordischen Banken, die wahrlich bestial waren – dass die Griechenland-Krise gar nicht hätte ausbrechen müssen. Man hätte sie verhältnismäßig leicht ganz zu Anfang bewältigen können.

Aber es ist soweit gekommen, und Syriza mit dem erklärten Versprechen ins Amt eingezogen, die Krise zu bekämpfen. Tatsächlich haben sie ein Referendum abgehalten, das Europa entsetzt hat: Der Gedanke, dass es Menschen erlaubt sein sollte, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden, ist schlicht ein Anathema für die europäischen Eliten – wie kann Demokratie nur wirklich gestattet werden (selbst in dem Land, in dem sie erfunden wurde)?

Als Ergebnis dieses kriminellen Akts, Menschen zu fragen, was sie wollen, wurde Griechenland noch mehr bestraft. Die Forderungen der Troika wurden wegen dem Referendum viel harscher. Sie befürchteten einen Dominoeffekt – wenn wir Rücksicht auf die Nöte der Menschen nehmen, könnten andere auf denselben Gedanken kommen und sich die Plage der Demokratie verbreiten. Also müssen wir sie an der Wurzel ausrotten.

Danach hat Syriza kapituliert und seitdem Dinge getan, die ich für inakzeptabel halte.

Du fragst, wie die Menschen darauf antworten sollen? Sie sollten etwas besseres schaffen. Das ist nicht einfach, besonders, wenn sie isoliert sind. Griechenland allein ist in einer sehr verletzlichen Lage. Wenn die Griechen die Unterstützung progressiver linker und populärer Kräfte woanders in Europa gehabt hätten, hätten sie den Forderungen der Troika vielleicht Widerstand leisten können.

Jacobin Mag: Was denkst du über das System, das Castro nach der Revolution in Kuba geschaffen hat?

Noam Chomsky: Ja, was Castros tatsächliche Ziele waren, das wissen wir nicht. Vom ersten Moment an wurde er massiv eingeschränkt durch die raue und grausame Attacke der herrschenden Supermacht.

Wir müssen uns erinnern, dass buchstäblich innerhalb von Monaten, nachdem Castro ins Amt kam, Flugzeuge von Florida aus anfingen, Kuba zu bombardieren.
Innerhalb eines Jahres beschloss die Eisenhower-Administration im Geheimen, aber mit Nachdruck, die Regierung [auf Kuba] zu stürzen.
Danach kam die Invasion in der Schweinebucht. Die Kennedy-Administration war rasend über das Scheitern der Invasion und begann augenblicklich einen großen Terrorkrieg, einen Wirtschaftskrieg, der über die Jahre immer schärfer wurde.

Unter diesen Bedingungen ist es erstaunlich, dass Kuba überlebt hat. Es ist eine kleine Insel direkt vor der Küste einer großen Supermacht, die sie zu zerstören versucht, und war offensichtlich zum Überleben ihre ganze vorherige Geschichte von den USA abhängig. Aber irgendwie haben sie überlebt. Es ist war, dass es eine Diktatur war: viel Grausamkeit, viele politische Gefangene, viele wurden getötet.

Man muss sich vorstellen, dass der US-Angriff auf Kuba ideologisch als absolut notwendig dargestellt wurde, um uns vor den Russen zu verteidigen. Aber sobald die Russen verschwunden waren, wurde der Angriff noch schärfer. Es gab dazu kaum Erklärungen, aber es bestätigt dir, dass die vorherigen Behauptungen Lügen waren, die sie mit Sicherheit waren.

Wenn man sich interne US-Dokumente ansieht, dann wird klar, welche Bedrohung von Kuba ausging. Damals in den 60ern betrachtete das Außenministerium die von Kuba ausgehende Gefahr als Castros erfolgreiche Missachtung der US-Politik, welche auf die Monroe-Doktrin zurück ging.
Die Monroe-Doktrin begründete den Anspruch – sie hatten es damals noch nicht durchsetzen können, aber es war der Anspruch – die westliche Hemisphäre zu beherrschen. Und Castro hatte das erfolgreich infrage gestellt.

Das kann nicht toleriert werden. Es ist, wie wenn jemand sagt, „lasst uns in Griechenland Demokratie einführen“, und wir können das einfach nicht tolerieren, also müssen wir die Bedrohung mit ihren Wurzel ausreißen. Niemand darf erfolgreich den Meister der Hemisphere, eigentlich der Welt, herausfordern – darum diese Rage.

Aber die Reaktionen blieben gemischt. Es gab Errungenschaften, wie das Gesundheitssystem, die Alphabetisierung und so weiter. Der Internationalismus war unglaublich.
Es gibt einen Grund, warum Nelson Mandela nach Kuba reiste, um Castro zu loben und dem kubanischen Volk zu danken, kaum war er aus dem Gefängnis entlassen.
Das ist eine Dritte-Welt-Reaktion, und das verstehen sie.

Kuba spielte eine enorme Rolle bei der Befreiung Afrikas und der Überwindung der Apartheid. Es hat Ärzte und Lehrer in die ärmsten Gegenden der Welt geschickt: nach Haiti, nach Pakistan nach dem Erdbeben, beinahe überall hin. Der Internationalismus ist einfach erstaunlich. Ich denke, so etwas hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.

Die Errungenschaften im Gesundheitssystem waren erstaunlich. Die Gesundheitsstatistiken in Kuba waren ähnlich denen in den Vereinigten Staaten – bei diesem Unterschied an Reichtum und Macht.

Auf der anderen Seite gab es eine scharfe Diktatur. Also gab es beides.

Ein Übergang zum Sozialismus? Darüber können wir nicht einmal sprechen. Die Bedingungen machten es unmöglich, und wir wissen nicht einmal, ob das gewollt war.

Jacobin Mag: In den vergangen Jahren sind in den USA zahlreiche Bewegungen entstanden, die die derzeitige soziale und wirtschaftliche Organisationsform kritisieren. Wie dem auch sei: Die meisten haben sich gegen einen gemeinsamen Feind vereint, anstatt sich um eine gemeinsame Vision zu sammeln. Wie sollten wir über die Lage sozialer Bewegungen und deren Fähigkeit, sich zu einen, denken?

Noam Chomsky: Nehmen wir die Occupy-Bewegung. Occupy war keine Bewegung, es war eine Taktik. Man kann nicht für immer in einem Park nahe der Wall Street sitzen. Nicht länger als ein paar Monate.

Es war eine Taktik, die ich nicht voraus gesehen hatte. Wenn mich jemand gefragt hätte, ich hätte davon abgeraten.

Aber es war ein großer Erfolg, ein enormer Erfolg, mit einer großen Auswirkung auf das Denken und Handeln der Menschen. Das ganze Konzept, wie Reichtum konzentriert wird (1 Prozent und 99 Prozent) – das Wissen war sicherlich da, irgendwo im Hintergrund, aber so wurde es nach vorn gekehrt.
Es wurde sogar in den Massenmedien herausgestellt (z.B. im Wall Street Journal) – und es führte zu vielen Formen von Aktivismus, es stärkte Menschen und so weiter. Aber es war keine Bewegung.

Die Linke, in einem übergreifenden Sinne, ist sehr atomisiert. Wir leben in hoch atomisierten Gesellschaften. Die Leute sind ziemlich oft allein: Nur du und dein iPad.

Die großen Organisationszentren, wie etwa die Arbeiterbewegung, wurden ernstlich geschwächt, in den Vereinigten Staaten sehr ernstlich, von der Politik.
Das passierte nicht wie ein Hurrikan. Die Politik wurde so gestaltet, um die Organisationen der Arbeiterklasse zu untergraben.
Der Grund dafür ist nicht nur, dass Gewerkschaften für die Rechte von Arbeitern kämpfen, sondern auch, dass sie einen demokratisierenden Effekt haben.
Es sind Institutionen, in denen Menschen ohne Macht zusammenkommen können, sich gegenseitig unterstützen, etwas über die Welt lernen, ihre Ideen ausprobieren, Programme initiieren können – das ist gefährlich. Das ist wie ein Referendum in Griechenland. Es ist zu gefährlich, um es zu erlauben.

Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass es während des Zweiten Weltkrieges und der Großen Depression einen Aufschwung breiter, radikaler Demokratie gab, überall auf der Welt. Er nahm verschiedene Formen an, aber er war da, überall.

In Griechenland war es die Griechische Revolution. Und sie musste niedergeschlagen werden. In Ländern wie Griechenland wurde sie mit Gewalt nieder gerungen.
In Ländern wie Italien, wo amerikanische und britische Truppen 1943 einmarschierten, wurde er nieder gerungen durch Angriffe auf und die Zerschlagung anti-deutscher Partisanen und die Wiederherstellung der traditionellen Ordnung.
In Ländern wie den Vereinigten Staaten wurde dieser Aufschwung nicht mit Gewalt niedergeschlagen – der Kapitalismus hat diese Macht hier nicht – aber es wurden, beginnend in den späten 1940ern, große Anstrengungen unternommen, um die Arbeiterbewegung zu unterminieren und zu zerstören. Und es ging weiter.

Das wurde wieder fortgeführt unter Reagan, es wurde fortgeführt unter Clinton, und heute ist die Arbeiterbewegung extrem schwach (in anderen Ländern hat es andere Formen angenommen). Aber das war eine dieser Institutionen, in welcher Menschen zusammen kamen, um gemeinsam zu handeln und mit gegenseitiger Unterstützung, und auch andere solche Institutionen wurden stark dezimiert.

Jacobin Mag: Was können wir von Donald Trump erwarten? Bereitet sein Aufstieg den Boden für eine Neudefinierung und Vereinigung einer sozialistischen Bewegung um eine gemeinsame Vision in den Vereinigten Staaten?

Noam Chomsky: Die Antwort darauf liegt grundsätzlich bei dir und deinen Freunden. Es hängt wirklich davon ab wie Menschen, besonders junge Menschen, reagieren.
Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die ergriffen werden könnten. Aber das ist auf keinen Fall zwangsläufig.

Nehmen wir an, was wahrscheinlich geschehen wird. Trump ist extrem unvorhersehbar. Er weiß selbst nicht, was er plant. Aber was passieren könnte, ein Beispiel für ein mögliches Szenario: Viele Menschen, die für Trump gestimmt haben, Menschen aus der Arbeiterklasse, haben 2008 für Obama gestimmt. Sie wurden verführt von Slogans wie „Hope“ und „Change“. Sie haben weder Hoffnung noch Veränderung bekommen, sie wurden desillusioniert.

Dieses Mal haben sie für einen anderen Kandidaten gestimmt, der Hoffnung, Veränderung und eine ganze Reihe toller Sachen versprochen hat. Aber er wird sie nicht liefern. Also, was wird in ein paar Jahren geschehen, wenn er nicht geliefert hat und dieselbe Wählerschaft wieder desillusioniert ist?

Wahrscheinlich macht das herrschende System das, was es unter solchen Umständen für gewöhnlich macht. Unter den noch Verwundbaren einen Sündenbock suchen, um sagen zu können: „Ja, ihr habt nicht bekommen, was wir versprochen haben – und der Grund sind diese wertlosen Menschen, die Mexikaner, die Schwarzen, die syrischen Immigranten, die Sozialschmarotzer. Das sind diejenigen, die alles zerstören. Wir müssen sie verfolgen! Die Schwulen, das sind die Schuldigen!“

Das könnte passieren. Das ist in der Geschichte wieder und wieder passiert mit allen hässlichen Konsequenzen.

Ob sie Erfolg haben werden, liegt an der Art des Widerstands, den Menschen wie du dem entgegensetzen. Die Antwort auf die Frage liegt bei dir, nicht mir.

Veröffentlicht im Jacobin Mag und übersetzt von David Dannys.

 

Jochen