Das neue „Weißbuch der Bundeswehr“- Vorbereitung für Eroberungskriege

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Seit mindestens 2012 wird versucht, die Bevölkerung zu „entpazifizieren“. Gauck, v.d.Leyen, de Misere, die gleichgeschalteten Medien ziehen da an einem Strang. Auch das Deutsche Rote Kreuz und die Militärseelsorge marschiert mit.
Kollwitz_KriegEiner der Kalten Krieger sprach schon von seinem Ärger darüber, dass die westdeutsche Bevölkerung von der Friedensbewegung in den 80er Jahren „durchpazifiziert“ wurde.
In Ostdeutschland hat der Militärdienst in der NVA offensichtlich fast allen Rekruten jede Lsut am Kriegspielen verdorben.
Aber wozu haben wir den Gauck, die Springerpresse, die überwiegend von der Rüstungsindustrie bespendete CDU/CSU, die Atlantik-Brücke, die Stiftung Wissenschaft und Politik u.s.w.?

Die Investitionen müssen sich doch lohnen !

Man höre dazu im Hintergrund https://www.youtube.com/watch?v=NTMCdnE5QEU
Hier eine ausführliche und gut dokumentierte Einschätzung von german-foreign-policy in zwei Teilen.
Das Weißbuch selber kann hier herunter geladen werden:
http://www.public-security.de/pdf/Weissbuch2016.pdf
Und hier die Dokumentation. In den Originalartikeln auch die Links:

Deutschlands globaler Horizont (I)

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59411 

14.07.2016 BERLIN (Eigener Bericht) – Im neuen „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ formuliert die Bundesregierung offiziell ihren Anspruch auf eine führende Rolle in der Weltpolitik. „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“, heißt es in dem gestern veröffentlichten Dokument, das als „das oberste sicherheitspolitische Grundlagendokument Deutschlands“ firmiert. Berlin sei bereit, „Führung zu übernehmen“, heißt es weiter; gefordert wird die ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat. Insgesamt geht die Bundesregierung zwar von einem ökonomischen und infolgedessen auch politisch-militärischen Einflussverlust der westlichen Mächte aus; sie erklärt, „das internationale System“ entwickle sich hin zu einer „multipolaren Ordnung“. Doch blieben „auch in einer derart multipolaren Welt“ die Vereinigten Staaten eine prägende Macht; insofern werde man militärisch weiterhin „gemeinsam mit den USA“ die größte Schlagkraft entwickeln können. Freilich müssten „unsere amerikanischen Partner“ von nun an „den Weg gemeinsamer Entscheidungsfindung gehen“. Bezüglich Russlands spricht das Weißbuch explizit von „strategischer Rivalität“. Diese resultiere daraus, dass Moskau sich in der Weltpolitik „als eigenständiges Gravitationszentrum“ präsentiere.

Die globale Ordnung

Das neue Weißbuch formuliert offen den Anspruch Berlins, in Zukunft eine führende Rolle in der Weltpolitik zu spielen. Dieser Anspruch ist in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich vorgetragen worden. „Deutschland wird künftig öfter und entschiedener führen müssen“, hieß es etwa vor fast drei Jahren in einem Strategiepapier, das von rund 50 teils hochrangigen Personen aus dem außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik erstellt und im Oktober 2013 von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) publiziert wurde.[1]
Im Weißbuch heißt es nun ähnlich, die Bundesrepublik sei „ein in hohem Maße global vernetztes Land“, das „aufgrund seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung“ daran gehen werde, „die globale Ordnung aktiv mitzugestalten“: „Deutschland ist bereit, sich früh, entschieden und substanziell als Impulsgeber in die internationale Debatte einzubringen … und Führung zu übernehmen“.
Die Bundesrepublik werde nicht nur „zunehmend als zentraler Akteur in Europa wahrgenommen“; sie „gestalte“ darüber hinaus die „internationale Ordnung mit“: „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global. Dieser umfasst ausdrücklich auch den Cyber-, Informations- und Weltraum.“ Entsprechend erklärt die Bundesregierung im Weißbuch auch, man sei „bereit“, „ständiges Mitglied des VN-Sicherheitsrates“ zu werden.[2]

Rohstoffe und Handelswege

Auch die Beschreibung deutscher Interessen sowie tatsächlicher oder angeblicher Bedrohungen für die Bundesrepublik knüpft unmittelbar an die Debatte der vergangenen Jahre an. Die deutsche Wirtschaft sei „auf gesicherte Rohstoffzufuhr und sichere internationale Transportwege angewiesen“, heißt es im Weißbuch: „Die Sicherheit maritimer Versorgungswege und die Garantie der Freiheit der Hohen See sind für eine stark vom Seehandel abhängige Exportnation wie Deutschland von herausragender Bedeutung.“
Hinzu komme, dass inzwischen auch „funktionierende Informations- und Kommunikationswege“ unverzichtbar seien: „Deutschland muss sich daher für die ungehinderte Nutzung der Land-, Luft- und Seeverbindungen ebenso wie des Cyber-, Informations- und Weltraums einsetzen.“
Als zentrale Bedrohungen werden daher nicht nur „zwischenstaatliche Konflikte“, „transnationaler Terrorismus“ und „fragile Staatlichkeit“ genannt, sondern auch die „Gefährdung … der Rohstoff- und Energieversorgung“ sowie „Herausforderungen aus dem Cyber- und Informationsraum“.
Originell ist der Gedanke, „weltweite Aufrüstung“ im Weißbuch als Bedrohung aufzuführen: Die Bundesrepublik, drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt [3], könnte die in der Tat brandgefährliche globale Hochrüstung mit dem Stopp ihrer Waffenausfuhren im Handumdrehen massiv verringern. Zu den Bedrohungen, denen Deutschland zur Zeit ausgesetzt sei, zählt das neue Weißbuch neben „Pandemien und Seuchen“ auch „unkontrollierte und irreguläre Migration„.

Machtverschiebungen

Bei der Durchsetzung seiner weltweiten Interessen ist Deutschland dem Weißbuch zufolge mit weitreichenden Verschiebungen in den globalen Machtverhältnissen konfrontiert. „Perspektivisch“ werde die Bundesrepublik ihre derzeitige „Stellung als weltweit viertgrößte Wirtschaftsmacht einbüßen“, heißt es: „Die Volkswirtschaften aufstrebender Mächte in Asien und Lateinamerika werden nach heutigem Ermessen in den kommenden Jahren das deutsche … Bruttoinlandsprodukt überholen.“
Der Aufstieg vor allem Chinas, aber auch Indiens und auf lange Sicht auch Brasiliens habe Folgen: „Resultat des wirtschaftlich, politisch und militärisch weiter wachsenden Einflusses von Schlüsselstaaten vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika“ seien „Multipolarität und geopolitische Machtverschiebungen“.
Resümierend heißt es im Weißbuch: „Das internationale System entwickelt sich zu einer politisch, wirtschaftlich und militärisch multipolaren Ordnung.“ Infolgedessen könnten sich „konkurrierende Ordnungsentwürfe für die Ausgestaltung internationaler Politik entwickeln“, heißt es weiter; das sei ein „Risiko“.
Über die globalen Machtverhältnisse der Zukunft sagt das Weißbuch voraus: „Die USA werden die internationale Sicherheitspolitik auch in einer derart multipolaren Welt weiterhin prägen.“

Bündnis auf Gegenseitigkeit

Entsprechend folgert das Weißbuch: „Nur gemeinsam mit den USA kann sich Europa wirkungsvoll gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts verteidigen“. „Bündnissolidarität“ sei deshalb „Teil deutscher Staatsräson“. „Wahrnehmung deutscher Interessen“ bedeute entsprechend „immer auch Berücksichtigung der Interessen unserer Verbündeten“; Berlin nehme „in Sicherheitsfragen bewusst gegenseitige Abhängigkeiten in Kauf“, nicht zuletzt die Abhängigkeit „von einer engen Sicherheitspartnerschaft mit den USA“.
Allerdings müssten derlei „Interdependenzen“ nun „im Interesse unserer Souveränität … grundsätzlich auf Gegenseitigkeit angelegt sein“. Vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat in jüngster Zeit mehrmals den gegenüber den Vereinigten Staaten gestiegenen Machtanspruch Berlins betont, zudem die Vorstellung von einer US-dominierten „unipolaren Welt“ zur „Illusion“ erklärt [4] und ausdrücklich dafür geworben, die EU zur „unabhängigen“ globalen Macht zu formen [5].
Das Weißbuch bestätigt nun, die deutschen Aktivitäten im transatlantischen Bündnis beruhten „auf einer klaren nationalen Positionsbestimmung„. Die „transatlantische Sicherheitspartnerschaft“ werde sich dabei „umso intensiver und fruchtbarer weiterentwickeln“, je stärker „unsere amerikanischen Partner den Weg gemeinsamer Entscheidungsfindung gehen“.

Strategische Rivalität

Erstmals seit 1990 erklärt das Weißbuch mit Russland einen Staat ausdrücklich zum „Rivalen“. Dabei räumt die Bundesregierung in dem Dokument ein, „die Krise in der und um die Ukraine“ sei „konkreter Niederschlag einer langfristigen innen- und außenpolitischen Entwicklung“.
Unerwähnt bleibt freilich – wie üblich – die treibende Rolle Berlins und Washingtons bei der Herbeiführung des Konflikts.[6]
Über die russische Reaktion auf die westliche Aggression heißt es: „Russland wendet sich … von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und betont strategische Rivalität. International präsentiert sich Russland als eigenständiges Gravitationszentrum mit globalem Anspruch.“
Daraus folgert das Weißbuch: „Ohne eine grundlegende Kursänderung wird Russland … auf absehbare Zeit eine Herausforderung für die Sicherheit auf unserem Kontinent darstellen“. Die Absicht, kein „eigenständiges Gravitationszentrum“ zu dulden, erklärt die neuen Aggressionen der NATO und die deutsche Beteiligung daran.[7]
Dennoch heißt es weiter, die EU verbinde mit Russland „nach wie vor ein breites Spektrum gemeinsamer Interessen und Beziehungen“; es müsse deshalb in Zukunft wieder „eine belastbare Kooperation mit Russland“ geben. Das Weißbuch schreibt die in jüngster Zeit von Berlin geforderte „Doppelstrategie“ [8] gegenüber Moskau explizit fest: „Im Umgang mit Russland“ überaus „wichtig“ sei „die richtige Mischung aus kollektiver Verteidigung und Aufbau von Resilienz einerseits und Ansätzen kooperativer Sicherheit und sektoraler Zusammenarbeit andererseits“.

Innere Formierung

Weitreichende Aussagen enthält das neue Weißbuch auch zur inneren Formierung Deutschlands und der EU. german-foreign-policy.com berichtet am morgigen Freitag.

[1] Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch. Ein Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und des German Marshall Fund of the United States (GMF). Oktober 2013. S. dazu Die Neuvermessung der deutschen Weltpolitik.
[2] Zitate hier und im Folgenden aus: Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, Juni 2016.
[3] S. dazu Die Rüstungsoffensive des Westens.
[4] S. dazu Auf Weltmachtniveau.
[5] S. dazu Die Europäische Kriegsunion.
[6] S. dazu Expansiver Ehrgeiz und Koste es, was es wolle.
[7] S. dazu An der russischen Grenze.
[8] S. dazu Abschreckung und Dialog.

Deutschlands globaler Horizont (II)

 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59412

15.07.2016 BERLIN (Eigener Bericht) – Das neue Bundeswehr-Weißbuch fordert Maßnahmen zur Vorbereitung der deutschen Gesellschaft auf erwartete Gegenschläge gegen deutsche Auslandsinterventionen. Um „Deutschlands Handlungsfreiheit zu erhalten“, müssten „Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ihre Widerstands- und Resilienzfähigkeit erhöhen“ – mit dem Ziel, nicht näher erläuterte etwaige „Schadensereignisse“, die auf die „Handlungen“ Berlins folgten, „absorbieren zu können“, heißt es in dem Dokument.
Das Weißbuch, das in seinem Hauptteil die strategische Grundorientierung der Bundesrepublik vornimmt, fordert zudem eine Straffung der strategischen Entscheidungsfindung und eine stärkere Einbeziehung ziviler Kräfte in die Realisierung der staatlichen Strategien.
Auf EU-Ebene dringt es auf umfassende Maßnahmen zur Verflechtung der nationalen Streitkräfte der Mitgliedstaaten und zur Bündelung der nationalen Rüstungsindustrien; Deutschland allerdings müsse seine „Schlüsseltechnologien“ im Wehrbereich behalten.
Das oberste Strategiedokument der Bundesregierung sieht zudem die Auffrischung der deutschen Streitkräfte durch die Übernahme von Bürgern der EU-Verbündeten vor.

Die Europäische Kriegsunion

Zu den Forderungen, die sich aus dem neuen Weißbuch der Bundeswehr ergeben, gehört eine weitere Militarisierung der EU. „Als Fernziel strebt Deutschland eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion an“, heißt es in dem Papier. „Auf dem Weg zu dieser“ setze man „auf die Nutzung aller durch den Lissaboner Vertrag eröffneten Möglichkeiten“ zur intensiveren militärischen Kooperation; vor allem solle „das engmaschige und vielfältige bi- und multilaterale verteidigungs- und militärpolitische Beziehungsgeflecht der EU-Mitgliedstaaten untereinander“ ausgebaut werden.[1]
Als Beispiele für die erwünschte engere Zusammenarbeit der nationalen Streitkräfte innerhalb der EU führt das Weißbuch bestehende Formen der „Streitkräfteintegration“ auf, etwa die Deutsch-Französische Brigade, „dauerhafte wechselseitige Truppenunterstellungen wie zum Beispiel zwischen Deutschland und den Niederlanden sowie zwischen Deutschland und Polen“ [2] oder die „Bereitstellung multinationaler Kommandostrukturen“ wie im Fall des Multinationalen Kommandos Operative Führung in Ulm [3].
Genannt wird auch die „Streitkräfteverflechtung“ zum Beispiel in den EU Battle Groups und im Europäischen Lufttransportkommando (EATC) [4], aber auch innerhalb der NATO, etwa im Rahmen der NATO-„Speerspitze“ [5].
Die „Interoperabilität der Streitkräfte in Europa“ müsse erhöht werden, „um die Handlungsfähigkeit Europas weiter zu verbessern“, heißt es.[6]

Zivil-militärische Führung

Darüber hinaus verlangt das Weißbuch die „Europäisierung“ der Rüstungsindustrie. Es gelte, „militärische Fähigkeiten gemeinsam zu planen, zu entwickeln, zu beschaffen und bereitzustellen“, heißt es; dazu sei „eine weitergehende Restrukturierung und Konsolidierung der Verteidigungsindustrien in Europa erforderlich“. Allerdings legt Berlin Wert darauf, dass „nationale Schlüsseltechnologien“ in Deutschland verbleiben; es gehe darum, „die eigene technologische Souveränität … zu bewahren“, um so „die militärischen Fähigkeiten und die Versorgungssicherheit der Bundeswehr … technologisch und wirtschaftlich sicherzustellen“.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass andere EU-Staaten im Zuge der Zusammenführung der Rüstungsindustrien auf ihre „technologische Souveränität“ zu verzichten haben. Schließlich dringt das Weißbuch darauf, auch auf EU-Ebene die Einbindung ziviler Organisationen und Institutionen in die militärischen Planungen voranzutreiben. Die „Integration ziviler und militärischer Fähigkeiten“ müsse intensiviert werden, heißt es: „Zur Stärkung der Reaktions- und Einsatzfähigkeit der EU im zivilen und militärischen Bereich“ strebe man „mittelfristig ein ständiges zivil-militärisches operatives Hauptquartier und damit eine zivil-militärische Planungs- und Führungsfähigkeit an“. Dies sei „in dieser Weise noch nicht in den EU-Mitgliedstaaten vorhanden“.

Europäer für Deutschland

Nicht zuletzt kündigt das Weißbuch an, Deutschland werde unmittelbar auf die Bürger der übrigen EU-Staaten zurückzugreifen, um den Personalbestand der Bundeswehr aufzustocken.
Den deutschen Streitkräften gelingt es bislang nur höchst unzureichend, neue Rekruten zu gewinnen – und dies, nachdem erst kürzlich die feste Obergrenze für die Zahl der Bundeswehrangehörigen aufgehoben wurde, um, wie es im Weißbuch heißt, „den Personalkörper bedarfsgerecht anzupassen, wenn sich die sicherheitspolitische Lage und damit die Anforderungen an die Bundeswehr ändern“. Zur Nachwuchsgewinnung will sich Berlin in Zukunft also auch bei seinen engsten Verbündeten bedienen. Die „Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU“ biete „nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr“; sie sei darüber hinaus „ein starkes Signal für eine europäische Perspektive“, heißt es dazu im Weißbuch. Der deutsche Zugriff auf die Ressourcen anderer EU-Staaten weitet sich damit nun auch auf deren Bevölkerung aus.
Nach Lage der Dinge käme vor allem das personelle Ausweiden der verarmten Regionen im Süden und im Osten der EU in Betracht. Ein ähnliches Vorgehen ist in Europa bislang aus Spanien bekannt: Die spanischen Streitkräfte werben Rekruten in Spaniens ehemaligen Kolonien an. Die Bundesregierung verallgemeinert das kolonial geprägte Verhältnis nun auf Deutschland und seine „Partner“ in der EU.

Strategiefähigkeit

In Vorbereitung auf künftige Kriege nimmt das Weißbuch schließlich auch Deutschlands innere Formierung in den Blick. Erkennbar ist ein Mix aus einer Straffung der tatsächlichen Entscheidungswege bei gleichzeitiger Ausweitung des strategisch nutzbaren Umfelds. So soll der Bundessicherheitsrat, ein exklusives Gremium, dem die Kanzlerin, der Kanzleramtschef und die mächtigsten Minister angehören, aufgewertet werden. Er werde sich in Zukunft „kontinuierlicher mit strategischen Fragen“ befassen, „um seine Rolle als strategischer Impulsgeber weiter zu stärken“, heißt es; damit werden entscheidende Fragen der deutschen Außenpolitik dem parlamentarischen Feld noch stärker als bisher entzogen und zur Domäne eines kleinen Zirkels in Berlin.
Außerdem sollen die „Kompetenzen“ der Regierung „in den Bereichen strategische Vorausschau, Steuerung und Evaluierung ausgebaut und miteinander verknüpft werden“, um die staatliche „Strategiefähigkeit“ zu verbessern.
Da einerseits Auslandsinterventionen häufig als Eingriffe zur Beilegung von Krisen legitimiert werden, andererseits aber Gegenschläge zu echten Krisen im Inland führen können, sieht das Weißbuch vor, dass „Prioritäten des Krisenmanagements … und gemeinsame Handlungsansätze für konkrete Krisenlagen in geeigneten … Gremien abgestimmt“ werden. „Angesichts der Bandbreite möglicher Herausforderungen“, heißt es summarisch, sei „unser sicherheitspolitisches Instrumentarium … agil und flexibel auszugestalten“.

Im Schadensfall

Dies bezieht ausdrücklich nichtstaatliche Milieus ein. So heißt es im Weißbuch, „zur Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität“ müsse die „Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren“ intensiviert werden – etwa durch den „Aufbau eines Netzwerkes“, in das gesellschaftliche Kräfte unterschiedlichster Art integriert werden. „Im Schadensfall“, also wenn ein Gegenschlag gegen äußere Aggressionen des deutschen Staates erfolgt, müsse „gesellschaftlicher Selbstschutz und Selbsthilfe“ staatliche „Bewältigungsmaßnahmen“ ergänzen. Dabei gehe es nicht nur um materielle Schäden, sondern auch um die „öffentliche Meinung„, die „vielfach Versuchen externer Einflussnahme ausgesetzt“ sei. Der gesellschaftliche Zusammenschluss gegen einen äußeren Gegner, der entschlossenes Vorgehen im Konflikt- und Kriegsfall erst ermöglicht, wird im Weißbuch mit dem modischen Schlagwort „Resilienz“ bezeichnet. „Resilienz“ strebe, so heißt es, den Ausbau der Widerstandsfähigkeit „von Staat und Gesellschaft gegenüber Störungen“ an.

Deutschlands Handlungsfreiheit

Dabei werden in Berlin offenbar sogar schwerste „Schadensfälle“ nicht ausgeschlossen: Explizit konstatiert das Weißbuch, Ziel der „Resilienzbildung“ müsse es sein, „Schadensereignisse absorbieren zu können, ohne dass die Funktionsfähigkeit [!] von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt wird“.
Über den Anlass der Konflikte, aus denen sich die „Schadensfälle“ zu ergeben drohen, heißt es: „Staat, Wirtschaft und Gesellschaft müssen ihre Widerstands- und Resilienzfähigkeit erhöhen, um Deutschlands Handlungsfreiheit zu erhalten“.

Mehr zum Thema: Deutschlands globaler Horizont (I).

[1] Zitate hier und im Folgenden aus: Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, Juni 2016.
[2] S. dazu Der deutsche Weg zur EU-Armee (I) und Der deutsche Weg zur EU-Armee (V).
[3] S. dazu Botschaft an die Weltöffentlichkeit.
[4] S. dazu Der deutsche Weg zur EU-Armee (III).
[5] S. dazu Kriegsführung im 21. Jahrhundert (I) und Kriegsführung im 21. Jahrhundert (II).
[6] S. auch Die Europäische Kriegsunion.

Europäische Militarisierungsoffensive: Autonom Krieg führen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Im Windschatten der Fußball-EM wird weiter Militarisierung betrieben. Dazu auch die heutige Regierungserklärung durch Angela Merkel. Man beachte das neoliberale Neusprech mit vielen neu eingeführten Begriffen!:
https://www.jungewelt.de/2016/07-06/060.php
Auszüge:

Die neue »EU-Globalstrategie« proklamiert verschärfte Aufrüstung und die ­weltweite Durchsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik

Von Sabine Lösing und Jürgen Wagner

Überschattet von der Brexit-Abstimmung verabschiedeten die europäischen Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen in Brüssel am 28. und 29. Juni nahezu unbemerkt eine neue EU-Globalstrategie (EUGS). Das seit über einem Jahr unter der Ägide der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini ausgearbeitete Papier namens »Gemeinsame Vision, gemeinsame Aktion – ein stärkeres Europa«1 ersetzt die bisher gültige »Europäische Sicherheitsstrategie« (ESS) aus dem Jahr 2003.
Die EUGS steckt als Grundlagendokument die allgemeinen Ziele ab, die die Europäische Union mit ihrer Außen- und Sicherheitspolitik verfolgen möchte. Sie liefert damit die Grundlage, um nun – wahrscheinlich in einem späteren Weißbuch – eine konkrete Militarisierungsagenda zur Umsetzung dieser Absichten auszuarbeiten.
Und ausgerechnet der Brexit könnte sich als regelrechter Segen für die Propagandisten einer »Militärmacht Europa« erweisen, da Großbritannien bislang Initiativen in diese Richtung stets ablehnend gegenüberstand. Jedenfalls gingen die Außenminister Deutschlands und Frankreichs unmittelbar nach dem britischen Referendum mit einem gemeinsamen Papier in die Offensive, in dem sie eine Reihe von Vorschlägen unterbreiten, um die EUGS mit militärischer Substanz anzureichern.

»Ein stärkeres Europa«

Eines fällt gleich beim ersten Blick in das Mo­gherini-Papier auf: Der triumphal-optimistische Ton, der sich noch wie ein roter Faden durch den Vorgänger zog, wurde von einer deutlich düstereren Lageeinschätzung verdrängt. Die ESS 2003 war beispielsweise noch mit folgendem Satz eingeleitet worden: »Nie zuvor ist Europa so wohlhabend, so sicher und so frei gewesen. Die Gewalt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist einer in der europäischen Geschichte beispiellosen Periode des Friedens und der Stabilität gewichen.«2

Ganz offensichtlich hat sich diese nach Eigeneinschätzung überaus komfortable Lage seitdem grundlegend verändert. So wurde bereits in einem vom EU-Parlament im April 2016 verabschiedeten Entschließungsantrag zur Globalstrategie gefordert, »dass sich die Europäische Union des gesamten Ausmaßes der Verschlechterung ihres unmittelbaren strategischen Umfelds und der sich daraus ergebenden langfristigen Folgen bewusst werden muss«.3
In der EUGS werden nicht minder pessimistische Töne angeschlagen: »Wir erleben gegenwärtig eine existentielle Krise, innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Unsere Union ist bedroht. Unser europäisches Projekt, das uns in beispielloser Weise Frieden, Wohlstand und Demokratie gebracht hat, ist in Frage gestellt.«

Gleichzeitig wird betont, dass es durchaus möglich sei, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien – und dafür dient die EUGS quasi als Anleitung.
Schon unmittelbar nachdem sie vom Europäischen Rat im Juni 2015 den Auftrag zur Ausarbeitung der Globalstrategie erhalten hatte, veröffentlichte Mogherini als eine erste Standortbestimmung einen »Strategischen Überprüfungsbericht« (»Strategic Review«), in dem Sinn, Zweck und Anspruch des Unterfangens folgendermaßen umrissen wurden: »Die EU verfügt über alle Mittel, um in der Zukunft ein einflussreicher globaler Akteur zu sein – wenn sie gemeinsam handelt. (…) In einer verflochtenen, umkämpften und komplexen Welt benötigen wir eine klare Vorstellung über die richtige Richtung. Wir müssen uns über unsere Prioritäten und Ziele und über die Mittel, wie wir sie erreichen wollen, verständigen. (…) Wir benötigen eine gemeinsame, umfassende und schlüssige EU-Globalstrategie.«4

Die Interessen der Mitgliedsländer ließen sich, so der Befund, nicht mehr nationalstaatlich durchsetzen. Nur im EU-Verbund könne die für notwendig erachtete machtpolitische Schlagkraft generiert werden, um auch in Zukunft weltweiten Einfluss ausüben zu können.
In der EUGS selbst wird diese Überlegung aufgegriffen: »Wir brauchen ein stärkeres Europa. (…) In einer komplexeren Welt der globalen Machtverschiebungen und breiteren Machtverteilung muss die EU zusammenhalten. (…) Gemeinsam können wir mehr erreichen, als wenn jeder Mitgliedsstaat allein und ohne Abstimmung mit den anderen handelt.«

Fragt man nach den Interessen, für die EU-Europa sein Gewicht in die Waagschale werfen soll, wird schnell klar, worum es geht: Die Regeln der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung, von denen nicht zuletzt Deutschland als Spitzenexporteur profitiert, sollen mit Nachdruck durchgesetzt werden:
»Voraussetzung für eine prosperierende Union ist ein starker Binnenmarkt und ein offenes internationales Wirtschaftssystem. Wir haben ein Interesse an fairen und offenen Märkten, an der Festlegung globaler Wirtschafts- und Umweltregeln und an einem dauerhaften Zugang zu den globalen Gemeingütern über offene See-, Land-, Luft- und Weltraumwege.«

Auffällig ist in diesem Zusammenhang das flammende Bekenntnis zu TTIP, dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ungeachtet des massiven Widerstands innerhalb der Bevölkerung wird ihm eine zentrale Bedeutung zugeschrieben: »Die EU wird eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den Vereinigten Staaten anstreben. Ebenso wie das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada bezeugt TTIP das transatlantische Bekenntnis zu gemeinsamen Werten und zeigt unsere Bereitschaft, eine ehrgeizige und geregelte Handelsagenda zu verfolgen.«
Bei TTIP geht es in letzter Konsequenz vor allem darum, die Position des schwächelnden neoliberalen Westens gegenüber stärker staatskapitalistisch ausgerichteten Konkurrenten wie China und Russland zu stärken.

Welche entscheidende Rolle TTIP dabei spielt, weltweit »die Regeln zu setzen«, bringt der der Rüstungsindustrie nahestehende Informationsdienst Griphan Briefe mit beeindruckender Klarheit und in einer ebenso bemerkenswerten Kunstsprache auf den Punkt: »Wir haben auf diesen Seiten grundsätzlich Position bezogen. Im Telegrammstil: Das Projekt einer gemeinsamen Währung ist mehr als die Möglichkeit, in Amsterdam den Kaffee in gleicher Münze zahlen zu können. Der Euro ist strategischer Partner des Dollar beim amerikanischen Bestreben, den Aufstieg Chinas einzuhegen. Europa ist Partner beim Setzen international verbindlicher Standards in Form von Good governance, anti-corruption, and the rule of law (gute Regierungsführung, Bekämpfung der Korruption und der Herrschaft des Rechts, jW ) Darum geht es beim Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP): Wer die Standards setzt, schafft Märkte! Und damit sind die Globalisierung und Geoeconomics das eigentliche Narrativ; und dieser Erzählfaden hat ein – nicht unwesentliches – militärisches Kapitel.«5

Russland: Vom Partner zum Gegner

Während China in der EUGS nur am Rande erwähnt wird, widmet sich das Dokument Russland sehr intensiv – und auch hier werden gänzlich neue Töne angeschlagen.
So hieß es in der »Europäischen Sicherheitsstrategie« aus dem Jahr 2003 noch: »Wir müssen uns weiter um engere Beziehungen zu Russland bemühen, das einen wichtigen Faktor für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand bildet. Die Verfolgung gemeinsamer Werte wird die Fortschritte auf dem Weg zu einer strategischen Partnerschaft bestärken.«
In der EUGS wird hingegen erklärt: »Wesentliche Veränderungen in den Beziehungen zwischen der EU und Russland hängen ab von der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts und der Grundsätze, auf denen die europäische Sicherheitsordnung aufgebaut ist, einschließlich der Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris. Wir werden weder die illegale Annexion der Krim durch Russland anerkennen noch die Destabilisierung der östlichen Ukraine hinnehmen. Wir werden die EU stärken, die Widerstandsfähigkeit unserer östlichen Nachbarn erhöhen und ihr Recht, frei über ihre Haltung gegenüber der EU zu bestimmen, verteidigen.«

Mit diesen reichlich ignoranten Aussagen werden bewusst einige unbequeme Tatsachen ausgeklammert: So etwa, dass es die NATO unter Beteiligung zahlreicher EU-Staaten war, die beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 das Völkerrecht eklatant verletzt hatte.
Auch mit der »freien Entscheidung« der Nachbarländer ist es nicht so weit her, wie die EU glauben machen möchte. Beispielsweise war man nicht gewillt, die Entscheidung des – in freien und fairen Wahlen an die Macht gekommenen – damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu akzeptieren, im November 2013 die Unterzeichnung des strategisch wichtigen Assoziierungsabkommens mit der EU auf Eis zu legen. Statt dessen wurden Proteste unterstützt, die schlussendlich zu einem Putsch und der Einsetzung einer prowestlichen Regierung führten und die Vorgeschichte dessen bilden, was hier als »illegale Annexion der Krim durch Russland« bezeichnet wird.

Statt »Freundschaft« Umzingelung

Auch die Situation im Nachbarschaftsraum der EU hat sich aus Sicht des Staatenbündnisses nicht eben positiv entwickelt. In der ESS wurde 2003 noch das Ziel ausgegeben, man wolle einen »Ring verantwortungsvoll regierter Staaten« um die EU herum schaffen. Hierfür wurde ein Jahr später die »Europäische Nachbarschaftspolitik« (ENP) ins Leben gerufen, die, in den Worten der damaligen EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, »einen ›Ring von Freunden‹ entlang der Grenzen der erweiterten EU«, eine »Zone der Stabilität und des Wohlstandes« hervorbringen sollte, »von Osteuropa über den Kaukasus und den Nahen Osten quer durch den gesamten Mittelmeerraum.«6

Auch hiervon ist wenig übriggeblieben. Bereits in Mogherinis »Strategic Review« hieß es: »Seit der Sicherheitsstrategie 2003 hat sich das strategische Umfeld der EU radikal verändert. (…) Heute umgibt die EU ein Krisenbogen der Instabilität
Wiederum ganz ähnlich heißt es auch in der EUGS: »Im Osten wird gegen die europäische Sicherheitsordnung verstoßen, und Terrorismus und Gewalt suchen Nordafrika und den Nahen Osten und auch Europa selbst heim.« Hier wird ebenfalls auf jede Form von Selbstkritik verzichtet – waren es doch die im Rahmen der ENP vorangetriebenen neoliberalen Assoziierungsabkommen, die in vielen Ländern mit ihrer Freihandelsagenda wesentlich zur Verarmung und Destabilisierung beigetragen haben.
Dennoch propagiert die EUGS die Fortsetzung genau jener Politik: »Viele Menschen im Osten und im Süden würden im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) gerne engerer Beziehungen mit der Europäischen Union aufbauen. (…) Die ENP hat sich erneut zur Östlichen Partnerschaft und zu den Ländern des südlichen Mittelmeerraums bekannt, die engere Beziehungen zu uns aufbauen möchten. Wir werden diese Länder dabei unterstützen, Assoziierungsabkommen einschließlich vertiefter und umfassender Freihandelszonen (DCFTA) umzusetzen.«

Die Einbeziehung möglichst vieler Länder in eine großeuropäische Wirtschaftszoneohne ihnen eine Mitsprache bei deren Ausgestaltung einzuräumen – stellt seit Jahren ein wichtiges Ziel der Union dar. Sie werden dadurch Teil der europäischen Einflusszone, weshalb dann auch der (militärischen) »Stabilisierung« des Nachbarschaftsraums in der EUGS große Bedeutung zugemessen wird: »Um unserer Sicherheit im Inneren willen haben wir auch ein Interesse daran, dass in den Regionen in unserer Nachbarschaft und der weiteren Umgebung Frieden herrscht.«

Autonom Krieg führen

Ebenfalls verändert hat sich die Haltung der USA gegenüber Rüstungsanstrengungen der Europäischen Union, die auf eine eigenständige Fähigkeit zur Kriegsführung abzielen. Während Bemühungen in eine solche Richtung früher scharf abgelehnt wurden, wird dies heute von Washington als eine Möglichkeit begrüßt, Kosten auf die Verbündeten zu verlagern. Auch aus EU-Sicht hat dies seinen Reiz, vergrößert doch die Option, unabhängig von der NATO – und damit einem Veto der USA – militärisch einsatzfähig zu sein, die Möglichkeit, eigene machtpolitische Ziele durchzusetzen.
So verwundert es nicht weiter, dass der Anspruch auf eine »autonome militärische Handlungsfähigkeit« in der EUGS an zahlreichen Stellen auftaucht. So heißt es etwa: »Die europäischen Anstrengungen auf dem Gebiet der Sicherheit und der Verteidigung sollten die EU in die Lage versetzen, autonom zu handeln und gleichzeitig zu Maßnahmen der NATO beizutragen und gemeinsam mit ihr Maßnahmen durchzuführen. Eine glaubwürdigere europäische Verteidigung ist auch für eine gesunde transatlantische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von wesentlicher Bedeutung.«

Daraus wird die Forderung abgeleitet, sich die »notwendigen« Kapazitäten zur autonomen Kriegsführung auch zuzulegen: »Die Mitgliedsstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss. (…) Eine tragfähige, innovative und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas und eine glaubwürdige GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, jW).«

Das aktuelle militärische Planziel – die Fähigkeit, zwei Korps (60.000 Soldaten) mit entsprechender Bewaffnung ein Jahr lang stationieren zu können – soll hierfür angepasst werden: »Geeignete Zielvorgaben und strategische Autonomie sind wichtig, damit Europa fähig ist, innerhalb wie außerhalb der eigenen Grenzen den Frieden zu fördern und Sicherheit zu gewährleisten.«
Wenn nicht explizit gesagt wird, worum es geht – nämlich darum, das militärische Planziel nach oben zu korrigieren – dürfte dies wohl der parallel zur Abfassung der EUGS laufenden Brexit-Debatte geschuldet gewesen sein. Deutlicher wurde Mogherini in ihrem »Strategic Review«: »Die EU kann es sich nicht leisten, das ›V‹ aus ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu ignorieren. (…) Das aktuelle Anforderungslevel und die militärischen Kapazitätsziele sind nicht an das sich ändernde Umfeld angepasst.«

Erklärtermaßen war es nicht die Aufgabe der EUGS zu definieren, welche militärischen Fähigkeiten zur Durchsetzung der formulierten Ziele erforderlich sind und wie diese erreicht werden sollen. Das dürfte die Aufgabe eines künftigen Weißbuches sein, für dessen Erstellung der ehemalige EU-Außenbeauftragte Javier Solana in einer Studie im Auftrag der »Generaldirektion Externe Politikbereiche« des Europäischen Parlaments schon im April 2016 einen detaillierten Fahrplan vorgelegt hat: »Die Union wird den Mitgliedsstaaten darlegen müssen, welche Fähigkeiten sie von ihnen insgesamt für die Umsetzung dieser Strategie benötigt, wo Bedarfslücken geschlossen werden müssen und wie die EU-Mitgliedsstaaten zu diesen gemeinsamen Prioritäten beitragen können. (…) Das Weißbuch gilt daher als notwendiger Baustein zur Ergänzung, Präzisierung und Umsetzung der Globalen Strategie für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).«7
Auch wenn mit Blick auf die Brexit-Debatte der Begriff »Weißbuch« selbst vermieden wurde, wird diese Forderung – umschrieben als »sektorale Strategie« – auch in der EUGS faktisch unterstützt. So müssten, heißt es dort, »im Rahmen einer sektoralen Strategie, die vom Rat zu vereinbaren ist, die zivil-militärischen Zielvorgaben, Aufgaben, Anforderungen und vorrangigen Fähigkeiten, die sich aus dieser Strategie ergeben, näher festgelegt werden.«

Deutsch-französische Offensive

Wie bereits angedeutet, scheiterten bislang fast alle Schritte zur Stärkung der EU-Militärpolitik am Widerstand Großbritanniens. Mit dem – wahrscheinlichen – Austritt Großbritanniens werden die Karten nun neu gemischt, und der Weg für eine forcierte EU-Militarisierung wird frei: »Einige britische EU-Ausstiegsbefürworter hatten vor dem Referendum noch behauptet, Brüssel halte das Papier bewusst unter Verschluss, weil es einer künftigen EU-Armee den Weg bereite. Aber auch die Cameron-Regierung setzte, was das Militärische angeht, stets voll auf die NATO und hielt nie viel von den zaghaften EU-Versuchen, parallel dazu auch mit militärischen Strukturen zu experimentieren. Wenn sich das Königreich von der EU abnabelt, könnte sich die Ausgangslage hier ändern«. Mit diesen Worten wurde der Direktor des Programms »Europas Zukunft« bei der Bertelsmann-Stiftung, Joachim Fritz-Vannahme, kürzlich von der »Tagesschau« zitiert. »Ich glaube«, erklärte er, »dass dort Fortschritte ohne die Briten auf diesem Gebiet wahrscheinlich leichter möglich sind.«8

Wenige Tage nach Abschluss des britischen Referendums nutzten Frankreich und Deutschland die Gunst der Stunde und holten ein offensichtlich schon länger ausgearbeitetes Papier namens »Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt« hervor.9 Darin kündigten der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault an, »weitere Schritte in Richtung einer politischen Union in Europa unternehmen« zu wollen.
Neben weitreichenden Ankündigungen zur Migrations- und Wirtschaftspolitik wird darin auch eine »europäische Sicherheitsagenda« vorgestellt. Sie enthält die Forderung, die EUGS als Sprungbrett für eine weitere Militarisierung der Union zu nutzen: »Deutschland und Frankreich [schlagen] eine europäische Sicherheitsagenda vor, die alle Sicherheits- und Verteidigungsaspekte umfasst, die auf europäischer Ebene eine Rolle spielen. (…) Die Globale Strategie der Europäischen Union, das neue außenpolitische Grundsatzdokument der EU, (…) ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Doch wir müssen noch weiter gehen: In einem stärker von divergierenden Machtinteressen geprägten internationalen Umfeld sollten Deutschland und Frankreich gemeinsam dafür eintreten, die EU Schritt für Schritt zu einem unabhängigen und globalen Akteur zu entwickeln.«

Darauf folgt eine Reihe von Vorschlägen, die zwar fast alle schon geraume Zeit durch die Brüsseler Korridore geistern, jedoch stets an der britischen Position, jede Stärkung der EU-Militärkomponente bedeute eine unerwünschte Schwächung der NATO, abprallten.
Mit dem bevorstehenden Brexit haben die von Steinmeier und Ayrault geforderten Schritte nun deutlich größere Realisierungschancen: »Die EU wird in Zukunft verstärkt beim Krisenmanagement aktiv werden, denn viele Krisen betreffen unsere Sicherheit direkt. (…) Die EU sollte in der Lage sein, zivile und militärische Operationen wirksamer zu planen und durchzuführen, auch mit Hilfe einer ständigen zivil-militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit. Die EU sollte sich auf einsatzfähige Streitkräfte mit hohem Bereitschaftsgrad verlassen können und gemeinsame Finanzierungen ihrer Operationen erleichtern. Gruppen von Mitgliedsstaaten sollten so flexibel wie möglich eine dauerhafte strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich einrichten können oder mit einzelnen Operationen vorangehen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten die Einrichtung ständiger maritimer Einsatzverbände in die Planungen aufnehmen sowie EU-eigene Fähigkeiten in anderen Schlüsselbereichen schaffen.«

Mit einem britischen Austritt aus der EU würde zudem die ohnehin schon dominierende Position Deutschlands weiter gestärkt.10
Nicht völlig zu Unrecht werden die deutsch-französischen Vorschläge deshalb mancherorts als beunruhigende Vorboten für das Bestreben gewertet, künftig – noch stärker als bislang schon – einfach »durchzuregieren«. In jedem Fall deutet der Steinmeier-Ayrault-Vorstoß darauf hin, dass als willkommener Kollateralnutzen des Brexit die Möglichkeit gesehen wird, die Militarisierung der Europäischen Union entschieden voranzutreiben.
Und ohne Großbritannien wird es kleinen und mittleren Mitgliedsländern, die dem – aus welchen Gründen auch immer – skeptisch gegenüberstehen, von nun ab erheblich schwerer fallen, diesbezügliche Initiativen zu blockieren.

Anmerkungen:

1 »Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union«, Brüssel, 28.6.2016

2 »Europäische Sicherheitsstrategie: Ein sicheres Europa in einer besseren Welt«, Brüssel, 12.12.2003

3 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. April2016 über das Thema: »Die EU in einem sich wandelnden globalen Umfeld – eine stärker vernetzte, konfliktreichere und komplexere Welt«

4 Mogerhini, Federica: »The European Union in a changing global environment. A more connected, contested and complex world, Strategic Review«, Brüssel, Juni 2015

5 Griphan-Briefe, 27. Juni 2016, S. 1

6 Ferrero-Waldner, Benita: »Europa als globaler Akteur«: Rede in Berlin, 24.1.2005

7 Solana, Javier u. a.: »Auf dem Weg zu einer Europäischen Verteidigungsunion – ein Weißbuch als erster Schritt«, April 2016, S. 4 f

8 »EU will die gemeinsame Verteidigung stärken«, in: »Tagesschau online«, 28.6.2016

9 Ayrault, Jean-Marc/Steinmeier, Frank-Walter: »Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt«, Stand: 27.6.2016

10 Berechnungen zufolge steigt der deutsche Stimmanteil im EU-Rat nach einem Brexit von aktuell 16 Prozent auf 18,3 Prozent und von Frankreich von 13,1 Prozent auf 15 Prozent. Siehe: Mitrenga, Daniel: »Statt Brexit: #EUpgrade«, Broschüre des Verbands Die jungen Unternehmer, Mai 2016, S. 36

Sabine Lösing ist Mitglied des Europaparlaments und dort für die Fraktion Vereinte Euro­päische Linke/Nordische Grüne Linke im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung.
Jürgen Wagner ist geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Beide schrieben in der jungen Welt am 15. März über Rüstungsforschung im Dienste der EU.

Jochen