Europas Zukunft: Zehn Varianten des Abstiegs

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

dagmar henn

Ein intelligenter Kommentar von Dagmar Henn:
https://freeassange.rtde.live/meinung/168623-europas-zukunft-zehn-varianten-abstiegs/
Auszüge:

Es wird getan, als ginge es um die Ukraine; in Wirklichkeit geht es um eine Welt ohne Kolonialismus. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa könnte damit gut leben. Aber es fehlt die politische Kraft, um an die Stelle verbissener Verteidigung der alten Ordnung die neue zu setzen.

Überlegungen, wie die ganze gegenwärtige Krise – nicht nur in Bezug auf die ukrainische Front, sondern auf die globale Veränderung – für Europa enden könnte, beginnt man vielleicht am besten mit dem wünschenswerten Ergebnis. Für die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Bevölkerungen wäre das eine Eingliederung in eine künftige Weltordnung souveräner Staaten mit gleichen Rechten.

In einer solchen Ordnung würden zwar die enormen Geldflüsse entfallen, die augenblicklich das Ergebnis der westlichen Macht sind, aber von diesen Geldflüssen profitiert nur eine verschwindende Minderheit. Für die allermeisten bieten die enormen, in wenigen Händen konzentrierten Geldbeträge nur Nachteile – um für all dieses Geld eine Verzinsung zu ermöglichen, steigen die Mieten und werden alle möglichen Lebensbereiche, wie das Gesundheitswesen, künstlich kommerzialisiert.

Nur als Beispiel dafür: In Deutschland besitzt gerade ein Prozent der Einwohner Wohnungen, in denen sie nicht selber leben. Darunter sind aber noch ein Menge Menschen, die etwa als Altersvorsorge genau eine Wohnung besitzen, die sie vermieten.
Nur dieses eine Prozent profitiert von den stetig steigenden Mieten. 99 Prozent haben davon einen Nachteil, denn selbst für die Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum wird der mögliche Vorteil eines steigenden Werts durch größere Probleme, dieses Eigentum überhaupt zu bilden, ausgeglichen.

Ein Verschwinden dieser Geldflüsse – was mit einem Bedeutungsverlust von Kolonialstrukturen wie IWF und Weltbank einhergeht – würde die Struktur des internationalen Handels verändern, der in vielen Bereichen heute von der Peripherie ins Zentrum fließt. An die Stelle des Abschöpfens müsste wieder ein Austausch von Gütern treten.
Dabei würde sich natürlich auch die Verteilung der Produktion ändern, weil eine Befreiung von kolonialen Lasten vielerorts eine nachholende Industrialisierung ermöglichen würde. Das heißt, die Rolle der jeweiligen Binnenmärkte würde in allen Ländern zunehmen.

Das klingt für deutsche Ohren, denen jahrzehntelang der Exportweltmeister als Ideal vorgesungen wurde, erst einmal irritierend, aber eine auf den Binnenmarkt konzentrierte Ökonomie ist für abhängig Beschäftigte ein Vorteil, weil die Löhne es ermöglichen müssen, die produzierten Waren auch zu erwerben.

Das wäre alles natürlich noch weit ausführlicher darzustellen; aber nehmen wir es einmal als gegeben an, dass eine Eingliederung auch der europäischen Länder in eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung möglich wäre.
Dennoch sind die politischen Machtverhältnisse augenblicklich derart von den Interessen maximal des obersten Promilles dominiert, das sich mit allen Kräften einer Veränderung der globalen Ordnung widersetzt. Um diese Zustände zu erhalten, wurden die demokratischen Mechanismen weitgehend außer Kraft gesetzt (die EU war dabei ein entscheidendes Mittel) und die öffentliche Meinung einer nie dagewesenen Kontrolle unterworfen. Wie also soll ein Weg von Zustand A in Zustand B möglich sein? Augenblicklich sind – trotz der massiven Proteste wie gerade in Frankreich – keine politischen Kräfte sichtbar, die im Stande wären, an den Machtverhältnissen im Innern des Westens etwas zu ändern.

Aber schließen wir die Möglichkeit nicht völlig aus; eine weitere Zuspitzung mag noch für Überraschungen sorgen.
Doch es gibt noch eine andere Variante, die aus einer westlichen Niederlage resultieren könnte, einen massiven wirtschaftlichen Zusammenbruch. Tatsächlich wäre dieser die zwangsläufige Konsequenz, wenn die erforderliche politische Anpassung an die geänderten globalen Verhältnisse nicht möglich ist.

Dabei sind folgende Punkte wichtig: Wirtschaftskrisen vom Kaliber 2008 oder 1929 sind chaotische Prozesse, und es hat zwar ab 2008 die Möglichkeit gegeben, die Folgen der Krise durch massive Geldschöpfung zu vertagen, aber weder war es möglich, ihre Entstehung zu verhindern, noch wurden die auslösenden Probleme auch nur ansatzweise gelöst.
Das heißt, wenn sich die verschiedenen Faktoren wie extreme Staatsverschuldung (insbesondere in den USA), massive Überbewertungen beispielsweise bei Immobilien und schwindender Einfluss des US-Dollars durch welchen Anstoß auch immer in eine große ökonomische Krise umsetzen, hat keine Regierung der Welt die Möglichkeit, das aufzuhalten.
Allerdings gibt es zwei Faktoren, die es möglich erscheinen lassen, dass diese Krise weitgehend auf den Westen beschränkt bleibt – je geringer der Einfluss des US-Dollars und je stärker die Abkopplung der ökonomischen Zonen, die der Westen mit seinen Sanktionen stetig weiter vorantreibt, desto besser die Chancen für den nichtwestlichen Teil der Welt, von dieser Krise nicht oder nur begrenzt betroffen zu werden.

Der ökonomische Zusammenbruch (denn darum würde es sich für den Westen handeln) ist gewissermaßen der Joker im Spiel, der zumindest partiell unabhängig von den militärischen und politischen Entwicklungen jederzeit auftauchen kann; einzig die Wahrscheinlichkeit des Eintritts steigt im Zeitverlauf beständig.
Dabei ist die wahrscheinlichste Variante eine Mischung aus der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. und der deutschen Inflation 1923, also 2008 auf Steroiden mit einer Hyperinflation als Dreingabe. Falls, oder eher, wenn diese ökonomische Krise zuschlägt, dann ist der globale Westen handlungsunfähig, außer in einem einzigen Punkt, der leider ein Problem bleiben wird, solange in den USA die Neocons das Sagen haben – er befindet sich immer noch im Besitz nuklearer Waffen.
Diesen Punkt zu diskutieren, ist allerdings unnütz, das Ergebnis steht fest.

Diese ökonomische Erschütterung wird zwangsläufig, über kurz oder lang, auch das politische Gefüge erschüttern; schlicht deshalb, weil innerhalb des Bestehenden kein Ausweg möglich ist. Das Vertagen der Krisenfolgen wie nach 2008 funktioniert nicht mehr; sollten zu diesem Zeitpunkt noch größere Reste der alten Position des US-Dollars übrig sein, dürften sie sich nach Einsetzen dieser Krise in unvorstellbarer Geschwindigkeit verflüchtigen, schon allein, weil jeder Staat außerhalb des westlichen Kerns bemüht sein wird, in diese Entwicklung nicht mit hineingezogen zu werden.

Wie tief der Absturz wird, und wie lange es zu einer Erholung brauchen wird, hängt nicht nur in diesem rein ökonomischen Szenario davon ab, ob sich ausreichend politische Kräfte finden, die eine Rekonstituierung demokratischer Prozesse tragen und eine ökonomische Anpassung im Interesse der Bevölkerung vorzunehmen im Stande und willens sind.
Die gegenwärtige politische Elite in den europäischen Ländern dürfte dafür vollständig untauglich sein. Wobei die ganzen gegenwärtigen Bemühungen, einen Dissens und die Bildung politischer Gegenkräfte mit allen Mitteln zu verhindern, letztlich absurd sind – weder die globale Veränderung noch die ökonomische Krise werden dadurch verhindert, was bedeutet, dass letztlich dadurch auch die Macht der gegenwärtigen Eliten nicht gesichert werden kann; aber die Entwicklung eines Europas, das der Welt nicht mehr als Kolonialherr gegenübertritt, und damit die Möglichkeit eines Auswegs aus der Krise werden sabotiert.

Legen wir den Joker beiseite und betrachten, welche Entwicklungen auf der politischen Ebene möglich sind – ohne zu vergessen, dass in den meisten Versionen der Joker früher oder später dennoch ins Spiel kommt.

Die erste Version wäre eine lineare Verlängerung der Gegenwart. Die gesamte EU bleibt den USA völlig hörig, die USA selbst setzen ihr „Solange es nötig ist“ auf stetig weiter schrumpfendem Gebiet fort und eröffnen zusätzlich eine zweite Front gegen China, in die sich die EU ebenfalls ziehen lässt. Wenn man die Aussagen beispielsweise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell liest, ist diese Version durchaus möglich.
Während die Kämpfe in der oder vielmehr um die Ukraine aufrechterhalten werden und langsam Richtung polnischer Grenze geschoben werden, könnte eine Auseinandersetzung zwischen den USA und China sehr schnell eskalieren, schlicht deshalb, weil in einem weitgehend maritimen Konflikt für China gar keine andere Möglichkeit bestünde, als die Flugzeugträgergruppen der USA anzugreifen. Freundliche Hilfe Russlands in der einen oder anderen Art, um auch mit den US-U-Booten umgehen zu können, kann man voraussetzen. Eine schnelle Eskalation hieße eine schnelle Niederlage der USA. Eine derart sichtbare, unverkennbare Niederlage, dass die ökonomische Krise vermutlich auf dem Fuß folgen würde.
Welche Folgen das in den gegenwärtig politisch tief gespaltenen USA hätte, ist schwer vorherzusagen, aber das wirksamste Mittel gegen ein Umschlagen in einen Bürgerkrieg könnte dann der Mangel an Munition sein.
Auf jeden Fall wäre das Resultat ein völliger Glaubwürdigkeitsverlust der einen Seite, und politische Instabilität. In vermindertem Maß gilt das auch für Europa, das zu diesem Zeitpunkt dank der mit Sicherheit eingeführten Sanktionen gegen China in einer Rezession steckt, selbst ohne Aktivierung der großen Krise. Das wäre dann ein langsamerer Abstieg, der aber, gerade weil langsamer, die Kontrolle durch die bestehende Macht verlängert und damit die Bildung politischer Gegenkräfte weiter verzögert.

Version zwei wäre ein mehr oder weniger schneller Rückzug der USA von der ukrainischen Front, um „die Hände frei“ für China zu haben, wie das jüngst der CDU-Verteidigungspolitiker in geradezu freudiger Erwartung formulierte, weil er eine „deutsche Führungsrolle“ in der Ukraine erhoffte. Das sind Untervarianten A und B –
A wäre eine Übernahme der Führung in der EU in Bezug auf die Ukraine durch Deutschland, was eine Verlangsamung zur Folge hätte (Russland hat es nicht eilig, und das deutsche Militär will sich auf keinen Fall in der Ukraine wiederfinden) und womöglich zu Versuchen von EU-Seite führt, das Ganze einschlafen zu lassen; eine realistischere Option, wenn die Grünen nicht länger Teil der Regierung wären. Es ist aber, dank der gründlichen Vorarbeit von Angela Merkel bei Minsk, nicht allzu wahrscheinlich, dass sich Russland auf deutsche Verhandlungspartner einlässt.
Schon der Versuch würde allerdings zu Problemen zumindest mit Polen und den Balten führen, die, gäbe es eine deutsche Regierung mit einem Ansatz von Rückgrat, durch Verweis auf die EU-Subventionen beherrschbar wären; allerdings auch nur, solange die EU als Rahmen existiert. Wenn allerdings die Mittel knapp werden, weil die EU in der Rezession versinkt, fehlt das Mittel, Polen zu kontrollieren, und ein abrupter Wechsel hin zu Untervariante B mit Billigung der USA ist nicht auszuschließen.
B: Das wäre die Eskalation durch den Einsatz polnischen Militärs, um den Krieg selbst dann fortzusetzen, wenn Kiew personell dazu nicht länger im Stande ist. Die bei weitem unberechenbarste Version, zum einen wegen der innigen Nähe der jetzigen polnischen Regierung zu den US-Neocons, zum anderen, weil die Reaktion der Bundesregierung auf polnische Reparationsforderungen, der nicht einmal ein Verweis auf Oberschlesien über die Lippen kam, fürchten lässt, dass sie in diesem Fall zwar zumindest eine Zeit lang das Mitmarschieren verweigern würde, aber nicht im Stande wäre, daraufhin auf Abstand zu gehen. In welchem Fall das Auftauchen des Jokers geradezu einer Erlösung aus einem langen Elend gleichkommen könnte. Außer, es fänden sich noch andere EU-Staaten, die das polnische Spiel nicht mitmachen wollten.

Vermutlich ebenfalls in Richtung der polnischen Variante dürfte es gehen, sollten in der Ukraine Armee und Staat plötzlich zusammenbrechen. Dann würde das Ganze wahrscheinlich mit einer humanitären Erzählung bekränzt, was dafür sorgt, dass Deutschland und Frankreich diesem Marsch in den Sumpf wenig entgegensetzen. Die EU-Spitze wäre ohnehin mit wehenden Fahnen mit dabei. Das Ergebnis wäre eine partielle Umkehrung der ersten polnischen Variante – erst die polnische Intervention, gefolgt vom Rückzug der USA, die sich dann darauf verlassen könnten, den Rest der EU in der Falle zu haben.
Das wäre der langsamste und schmerzhafteste Niedergang, enthielte aber bei einer entsprechenden russischen Reaktion und einem Durchmarsch bis weit in den Westen zumindest die Hoffnung, dass sich das Problem der gegenwärtigen politischen Eliten erledigt hat.

Das größte Risiko für das Bestehen der EU ist die Entwicklung in Frankreich. Dort dürften die Proteste zunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage in der EU verschlechtert; aber für einen Sturz Macrons und ein Entrinnen aus der Umklammerung durch die EU dürften friedliche Proteste nicht genügen, auch dann nicht, wenn sie mit Generalstreiks kombiniert werden. Das haben die Auseinandersetzungen in der Euro-Krise in Griechenland und Portugal bewiesen. Nicht einmal 12 Prozent der Bevölkerung auf der Straße genügten 2013 in Portugal, auch nur die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
Ein Ende der EU, das die Voraussetzung für eine Rückkehr zu demokratischen Zuständen wäre, würde erfordern, dass mindestens Frankreich oder Deutschland aussteigt; ein Austritt Ungarns würde nicht genügen. Dass der ökonomische Angriff der USA auf Europa Deutschland als erstes Ziel hatte, hat die Binnenverhältnisse sogar stabilisiert, weil die deutsche Dominanz in den letzten beiden Jahrzehnten die Hauptquelle für Unmut war.
Die jetzigen europäischen Politiker dürften eher an diesem Rahmen festhalten, um damit die Möglichkeit ihres Sturzes zu verringern, selbst wenn das ganze Staatenbündnis bis zum Hals im Wasser steht.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre die polnische Variante fast vorteilhaft, weil sie die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zwangsrahmen zerbricht, etwas erhöht.

Gesetzt den Fall, der Krieg in der Ukraine schleppt sich ohne Ausweitung auf China hin bis zu den US-Wahlen, gäbe es noch die Variante, dass ein neu gewählter US-Präsident Donald Trump in Kiew anruft und trocken mitteilt, jetzt gäbe es nichts mehr, was das Problem Ukraine per Zusammenbruch lösen würde.
Die EU-Führung würde vermutlich einige Wochen brauchen, um sich von der Schockstarre zu erholen, aber eine kleinere Version des polnischen Szenarios ist dennoch nicht ausgeschlossen. Allerdings sind die US-Wahlen erst Ende 2024.

Gänzlich unwahrscheinlich ist leider die Version, dass die Führung der EU sich eines Besseren besinnt und sich von den USA abkoppelt. Das würde im Prinzip die weichste Landung ermöglichen – ein Ende der Unterstützung der Ukraine, eine geordnete Auflösung der EU und eine, wenn auch mühsame, Neuorientierung hin auf die multipolare Welt. Der beste Zeitpunkt dafür wäre der Moment, wenn die USA ihren Fokus auf China verschieben. Aber ein Blick auf das Brüsseler Personal genügt, um diese Version ins Reich der Märchen zu verweisen.

Eine wirklich optimistische Variante, nach der in ein, zwei, drei europäischen Ländern die vorhandenen Regierungen entmachtet und die NATO aus dem Land gekegelt wird, um anschließend unter zumindest möglicher Umgehung einer tiefen ökonomischen, politischen und sozialen Krise die Anpassung an die neuen Verhältnisse zu beginnen, ist derzeit nicht sichtbar.

Das ist die wirkliche Tragik der Entwicklung. Denn die europäische Geschichte ist nicht nur eine des jahrhundertelangen Raubes rund um die Welt, der von oben orchestriert wurde; sie ist auch eine Geschichte eines jahrhundertelangen Kampfes von unten um politische Rechte und die politische Macht; ein Kampf, ohne den weder die Idee von Menschenrechten noch von Demokratie noch die des Völkerrechts je geboren worden wäre.
Aber die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte, mit seinen Siegen und Niederlagen, seinen Errungenschaften und Widersprüchen, wurde erfolgreich ausgelöscht.

Selbst die Franzosen scheinen vergessen zu haben, wie man die Bastille stürmt.

Mein Kommentar: Irgendwie habe ich hier nicht mitbekomen, wo die eine Version aufhört und die nächste anfängt. Nur den Schluss kann ich vollumfänglich teilen.
Über Eure Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

77 Jahre UNO – kritische Gedanken von Hans von Sponeck auf dem Kassler Friedensratschlag

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Im Oktober 1947 trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. Das ist Grund zum Feiern, aber auch Anlass für Kritik, wird die UNO doch mehr und mehr für nationale und imperiale Eigeninteressen instrumentalisiert.

hans v sponeck

Dazu hat der ehemalige deutsche UN-Diplomat Hans von Sponeck beim Kassler Friedensratschlag eine bemerkenswerte Rede gehalten.
Das Thema: „UNO befreien, Missbrauch internationaler Organisationen verhindern“.
Die NachDenkSeiten sind stolz, ihren Lesern zum Jahresbeginn das Manuskript dieser Rede zur Lektüre vorzustellen, und ich finde es so wichtig, dss ich es hier weiter verbreite.

Kassler Friedensratschlag – 2022

„UNO befreien, Missbrauch internationaler Organisationen verhindern“

  • 77 Jahre UNO – was braucht es, um die UNO vom Joch der Unterdrückung zu befreien?
  • Wie kann der Missbrauch internationaler Organisationen, nicht nur der UNO, verhindert werden?

Zwei Themen, ein Problem!

Hierzu Gedanken eines Menschen, der die UNO erlebt und gelebt hat und meint, dass unsere Welt ohne Multilateralismus keine lebenswürdige Zukunft hat.

Es geht hier nicht nur um ‚Reformen‘, sowieso ein schwaches Wort im Hinblick auf das katastrophale geopolitische Chaos, dem die Bürger heute weltweit ausgesetzt sind. Es geht um weit mehr, um sehr viel mehr.

Mensch und Natur sind von Krankheit befallen. Wir besitzen die ‘Medikamente’, die Globalen Gemeinschaftsgüter, für eine Heilung, aber benutzen diese nicht. In den Jahren ist viel wichtiges Menschenrecht geschaffen worden. Die Verpflichtung für die Anwendung dieser Rechte existiert daher, um Frieden, menschliche Sicherheit und nachhaltige Entwicklung für alle zu ermöglichen. Anwendung würde bedeuten, dass unsere Welt genesen könnte.

Ohne einen Multilateralismus, wie er in der UNO-Charta vorgegeben ist, wird dies nicht gehen. Stalin, Roosevelt und Churchill, ein Kommunist aus dem Osten und zwei Kapitalisten aus dem Westen, hatten sich 1945 auf der Krim über die Schaffung der UNO geeinigt und der Welt eine Gemeinschaft versprochen.
Das konnte nicht gutgehen. Zu groß waren die ideologische Kluft und die unterschiedlichen nationalen geopolitischen Erwartungen. Es folgte der Kalte Krieg, der heute noch kälter geworden ist.

Viel gäbe es hier zu erläutern. Die kurze Zeit, die ich habe, muss ich aber nutzen für eine Bestandsaufnahme der multilateralen Realität im 21. Jahrhundert und natürlich für entsprechende Hinweise auf Erneuerung.


Aus 51 UNO-Gründungsstaaten 1945 sind heute 193 UNO-Mitgliedstaaten geworden
. Die UNO ist aber weiterhin macht-politisch eine west-zentrische Organisation geblieben, so wie die zwei Kapitalisten Churchill und Roosevelt es vor 77 Jahren haben wollten:

Von den fünf permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrates kommen drei (!) aus dem Westen; Afrika und Lateinamerika haben keine Sitze, Asien mit China nur einen.
Das politische Hauptquartier der UNO befindet sich in New York; die UNO-Sonderorganisationen, -Fonds und -Programme haben ihre Zentralen, ohne Ausnahme, im Westen; die Weltbank und der Internationale Währungsfonds, zwei UNO-Einrichtungen mit Sitz in Washington, unterliegen deutlich westlichen Interessen.

Sie werden die Gewichtung einer solchen Darstellung in Frage stellen. So ging es mir auch, bis ich über viele Monate hinweg die jährlichen Abstimmungsergebnisse der UNO Generalversammlung untersucht hatte. Was ich herausfand ergab ein erschütterndes Zeugnis der Machtlosigkeit der Mehrheit der Staaten.
Hauptsächlich westliche Länder, vor allem die Vereinigten Staaten mit ihrem erzwungenen neo-liberalen Unilateralismus, haben Jahr für Jahr systematisch jeglichen Versuch, Menschenrechte und die menschliche Sicherheit für alle, wo immer sie leben, zu unterdrücken.

Vom Kernwaffenstopp Vertrag und Atomfreien Zonen bis hin zu Entkolonialisierung von Territorien in Asien, Afrika und Lateinamerika und der Einführung einer neuen Weltwirtschaftordnung mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für Industrie- und Entwicklungsländer wurden weitgehend vom Westen oder korrekter, von den USA, verhindert. Boykotiert! Die USA und Somalia sind übrigens die einzigen Länder, die bis heute die UNO-Kinderrechtskonvention von 1989 nicht ratifiziert haben; ähnliches gilt für die UNO-Frauenrechtskonvention von 1979, die ebenfalls bis heute von den USA abgelehnt wird.

Alle (!) rechtlichen Verpflichtungen der UNO Charta mit ihren 111 Artikeln werden immer wieder von den Ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats skruppelos und straflos ignoriert oder gebrochen. Also genau von den fünf Staaten, denen die UNO Generalversammlung die Hauptverantwortung für Weltfrieden und Weltwohlergehen anvertraut hat. Internationales Recht gilt also nur für die ‚Anderen‘!
An Beweisen der UNO Machtlosigkeit fehlt es nicht. Die Kriege in Jugoslawien, im Irak, Syrien, Afghanistan, Libyen und natürlich in der Ukraine sind die entsetzlichen Zeugen dieses Doppelstandards. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist bisher nur für diese ‚Anderen‘ 188 UNO Mitgliedsstaaten, zuständig gewesen!
Saddam Hussein wurde mit Recht verurteilt, George Bush und Tony Blair bleiben mit Unrecht straflos!*)

Es siegt weiterhin das Recht der Macht und nicht die Macht des Rechts! Es überrascht daher nicht, dass das 1990ger Versprechen von Paris für ein europäisches Friedensprojekt – wahrlich eine Sternstunde internationaler Beziehungen – schnell zu einem menschenverachtenden andauernden Kriegsprojekt verkümmerte.
Die gegenwärtigen Versuche der NATO, die Öffentlichkeit für westliche Ukraine-Politik zu beeinflussen, übersieht vollkommen, dass sie damit hilft, die Zivilgesellschaft aufzurütteln und die Macht unsere Widerstands zu stärken.
Aber: Die Voraussetzung für wirklichen dauerhaften Erfolg der Friedensbewegungen, in Deutschland und überall, bleibt: wir müssen zusammenrücken, müssen uns bündeln und dies mit Mut, innerer Überzeugung und ehrlicher Menschlichkeit.

Der fatale und unangemessene westliche Führungsanspruch (Westen: 8% der Weltbevölkerung!) in der Weltorganisation und das damit verbundene schwerwiegende Joch für die Friedensarbeit der UNO ist die Hauptursache für den jämmerlichen Zustand des UNO Sicherheitsrats und bleibt die Hauptherausforderung für gefährlich überfällige Reformen der UNO. Meine 32 Jahre der Mitarbeit in den politisch so unvereinten Nationen und die Zeit des Nachdenkens danach, geben mir das Selbstvertrauen für diese schwerwiegende und anklagende Aussage.

Der Traum des Möglichen für eine friedlichere und gerechtere Welt ist in den 77 Jahren der UNO zu einem tragischen Alptraum des scheinbar Unmöglichen geworden.

Was muss geschehen, um das fatale Joch von der UNO zu entfernen?

Darüber Konkretes, sobald ich das zweite Thema, den stattfindenden Missbrauch internationaler Organisationen, durch ein akutes Beispiel kurz angeschnitten habe.

Die Welt hat nicht vergessen, wie im Frühjahr 2003 die USA im UNO Sicherheitsrat ihr gefährliches Spiel mit der Unwahrheit über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak (die es schon lange gar nicht mehr gab!) zur Schau getragen haben, als Vorbereitung auf den völkerrechtswidrigen anglo-amerikanischen Krieg gegen das Land.

Weniger bekannt, aber ähnlich gefährlich, sind Falschmeldungen der OVCW, der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen in Den Haag über den angeblichen Einsatz von chemischen Waffen am 7. April 2018 im syrischen Duma. Ein daraufhin von der OVCW entsandtes Expertenteam kam zu dem Schluss, dass die 43 Menschen, die bei diesem Angriff ums Leben kamen, ihren Tod nicht durch chemische Waffen gefunden hatten.

Anstelle ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde von dem OVCW Management ein Bericht veröffentlicht, der das Gegenteil beweisen wollte, nämlich dass chemische Waffen doch benutzt worden waren. Damit sollte der am 18. April 2018 stattgefundene Angriff in Syrien durch amerikanische, englische und französische Luftwaffen legitimiert werden.

Seither sind zwei OVCW Wissenschaftler, die für die Untersuchung vor Ort mitverantwortlich waren, aus Protest zurückgetreten, 28 international bekannte Personen, unter ihnen vier weitere OVCW Wissenschaftler und der erste General-Direktor der OVCW, José Bustani, haben in einer öffentlichen Erklärung ihre Besorgnis zu diesem sicherheitspolitisch so ernsten Zwischenfall und dem offensichtlichen Missbrauch einer internationalen Organisation zum Ausdruck gebracht. Dieser so ernste Vorfall ist von den Medien bei uns und im westlichen Ausland mehr oder weniger ignoriert worden.
2021 hatte sich eine kleine Gruppe von vier Personen, zu der ich gehöre, gebildet (https://berlingroup21.org) , die mit Hilfe von Experten und Parlamentariern eine 130 seitige Expertise erstellt hat, die Beweise liefert, dass nicht nur die Frage des Einsatzes von chemischen Waffen, sondern auch der Toxikologie und der Ballistik, von der OVCW in Duma politisiert und fälschlich dargestellt worden sind. Dieser Bericht wird in Kürze mit Unterstützung einer Gruppe von Abgeordneten einem Parlament in Europa und der Öffentlichkeit vorgelegt werden mit der Forderung, dass alle OVCW Wissenschaftler, die an der OVCW Duma Untersuchung mitgearbeitet haben eine neue Untersuchung vornehmen und Falschdarsteller zur Rechenschaft gezogen werden.
Es geht hier nicht um Ideologie oder die Verteidigung der syrischen Regierung, die anderswo im Land in der Tat chemische Waffen eingesetzt hat.
Es geht darum Wahrheit, Sicherheit und die Integrität der OVCW, einer wichtigen internationalen Einrichtung, zu verteidigen.

Hierzu noch zwei weitere Bemerkungen:

  • Die UNO hat sowohl auf der politischen als auch auf der operationalen Ebene trotz wiederholter Anfragen bezüglich Stellungnahmen zu Duma nicht reagiert – eine äusserst ernste Veruntreuung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung. Schlimmer noch, als Partnerorganisation im Verbund mit der OVCW haben sowohl die monatlichen Aussprachen im UNO Sicherheitsrat über Chemie Waffen in Syrien, als auch die Aussagen des UNO Generalsekretärs und seiner höheren Mitarbeiter gezeigt, dass es keine Bereitschaft in der UNO gibt, dem Anliegen der Zivilgesellschaft zu folgen, das Thema OVCW, Duma und Chemiewaffen neu zu untersuchen. Den Sicherheitsrat ist zu einem geopolitischen Theater geworden und dies auf Kosten der Menschen in Syrien
  • Jeder Versuch unsererseits dieses wichtige Thema verantwortlich zu diskutieren hat bisher meist zu Schweigen, Häme oder vulgärer Abweisung geführt. Dies entmutigt nicht – im Gegenteil, es fordert heraus, weil diese Auseinandersetzung stellvertretend stattfindet für das globale Ringen zwischen einer geopolitisierten und kriegslüsternden Welt des ungeheureren Reichtums bei gleichzeitiger Benachteiligung und Armut, auf der einen Seite, und einer multipolaren Welt auf der anderen, in der Recht, Freiheit und Sicherheit unser Leben bestimmen und die UNO den benötigten Katalysator liefern kann.

Die Liste der rechtlichen, strukturellen und inhaltlichen Anpassungen der UNO an die überlebenswichtigen Belange unserer Welt im 21. Jahrhundert ist eine lange.

Ich möchte erinnern an die in der UNO Charta vorgeschlagenen Konferenz aller Mitgliedsstaaten der UNO (Art.109), die bereits 1955 hätte stattfinden sollen, um über notwendige Reformen zu entscheiden. Gefordert ist hier politischer Wille der Generalversammlung, nach vielen Jahren der Nachlässigkeit, eine solch wichtige Zusammenkunft zu beschliessen.

Die UNO-Klimakonferenzen geben einen Vorgeschmack, wie schwierig es sein wird, sich auf wirkungsvolle Reformen zu einigen. Anstehen so wichtige Themen wie die Integration von Nicht-staatlichen Organisationen und Jugentlichen in die Arbeit der UNO; oder die Einführung der Rechenschaftsverpflichtung von Personen und Einrichtungen; die Gewährleistung des internationalen Charakters und die Unabhängigkeit der UNO; die zukünftige Rolle des UNO Generalsekretärs und die Auswahl von Bediensteten für den UNO Dienst und vieles mehr.

Was folgt ist eine enge Auswahl von Erneuerungen, die mir besonders akut erscheinen:

  1. Das Hauptgremium der UNO, die Generalversammlung, hat keine Durchführungsautorität. Nur der Sicherheitsrat kann entscheiden, mit einer Ausnahme: wenn internationale Spannungen von bedrohlichem Ausmaß bestehen und es an Einstimmigkeit der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat mangelt, dann, aber nur dann, kann die Generalversammlung den Sicherheitsrat überstimmen (A/Res 377, 3 November 1950).
    Dieses Recht der Generalversammlung muss erheblich erweitert werden!
  2. Die fünf Ständigen Mitglieder des UNO Sicherheitsrats bestehen weiterhin auf dem Primat der Geopolitik, des Großmacht-Nationalismus und der unzeitgemäßenen Zusammensetzung dieser Gruppe. Die Zusammensetzung der Ständigen Mitglieder im Sicherheitsrats hat sich in 77 Jahren nicht verändert und muss dringend angepasst werden, damit Afrika, Lateinamerika und Asien angemessen vertreten sind.
    Das bestehende Vetorecht hat immer wieder friedensbildende Maßnahmen verhindert und verlangt eine grundlegende Reform, um Mehrheitsbeschlüsse zu ermöglichen um damit Alleingänge aus geopolitischen Interessen einzelner Mitglieder entgültig zu verhindern. An konstruktiven Vorschlägen mangelt es nicht.
  3. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat, ebenso wie die Generalversammlung, keine Durchführungsautorität, sondern nur beratende Funktionen und ist damit weitgehend real-politisch unbedeutend.
    Dieser UNO-Gerichtshof kann nur dann wirksam werden, wenn er das Mandat für verpflichtende Rechtssprechung bekommt und damit vollstreckbare Entscheidungen treffen kann.
  4. Die Diskrepanz zwischen dem Verlangten und den Geldern, die dem UNO Generalsekretär zur Verfügung stehen wird immer grösser. In diesem Jahr ist das sowieso schon erbärmliche Budget von $3.2 Billionen für seine weltweite Initiativen weit geringer als das Budget der Polizei in New York. Der kleine Himalaya Staat Bhutan zahlt ProKopf mehr für das UNO Budget als die USA und unser Land. Katars jährlicher UNO Beitrag beträgt $7.8 Millionen. Für die Infrastruktur der Fussball WM zahlt die Regierung in Doha angeblich (Reuters) $500 Millionen pro Woche!
    Das alte Thema: Die Welt hat mehr als genug Geld. Die Neu-Verteilung dieses Geldes sollte als eine nicht verhandelbare Voraussetzung für menschliche Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und eine UNO als globale Durchführungsorganisation vorgenommen werden.

Abschliessend möchte ich Ihnen versichern, dass ich mir voll bewusst bin, dass in gegenwäertigenr Welt des Staatszentrismus und des geopolitischen ‚Rechts der Ausnahme‘, weder der politische Wille geschweige denn, der ethische Ehrgeiz existieren, um die Umsetzung der hier gemachten UNO Reform Vorschläge zu ermöglichen.

Defaitismus? Dies wäre wahrlich eine unverantwortliche Reaktion.

Ich glaube an das Potential der Kraft der aktiven Zivilgesellschaft bei uns und weltweit. Die Dringlichkeit, Mega-Krisen wie der Klimawandel oder die Ungleichheit der Lebenschancen und die Angst vor dem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen in Krisensituationen werden uns, die Zivilgesellschaft, und viele Regierungen zusammenführen, um im besten Kant’schen Sinne den Mut für die eigene Vernunft zu entfalten um damit u.a., eine UNO aufzubauen, die mit politischer Ehrlichkeit und Rechenschaftsverpflichtung eine Gemeinschaft werden kann, der alle angehören.

Hans-C. von Sponeck, Kassel,  11. Dezember 2022

*: Siehe dazu
https://josopon.wordpress.com/2014/03/24/kriegsverbrecher-schroder-fischer-scharping-clinton-albright-blair-chirac-u-a/
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Bernhard hat hier nachgetragen:
Dazu gibt es ein gutes Buch mit vielen Informationen:
Andreas Zumach
Reform oder Blockade – Welche Zukunft hat die UNO?
Rotpunktverlag ISBN 978-3-85869-911-4
Gruß B

Jochen

USA – Weltmacht mit allen Mitteln – dazu ein aktueller Kommentar von Rainer Rupp

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

USA – Weltmacht mit allen Mitteln

https://www.jungewelt.de/artikel/436908.imperialismus-weltmacht-mit-allen-mitteln.html

Zu diesem Thema hat sich prophetisch schon 2014 Noam Chomsky geäußert: https://josopon.wordpress.com/2014/12/23/wiederkehr-des-kalten-krieges-einsichten-von-noam-chomsky-uber-die-amerikanische-ausenpolitik-a-nlasslich-des-ukraine-konfliktes

Vorabdruck. An einer friedlichen Ordnung des Planeten haben die USA nie Interesse gezeigt. In Washington gilt einzig die rücksichtslose Aufrechterhaltung der eigenen Dominanz.

Von Klaus Eichner

Klaus_Eichner_scherbenIn diesen Tagen erscheint im Berliner Verlag Edition Ost von Klaus Eichner der Band »Bis alles in Scherben fällt. Der Kampf der USA um eine neue Weltordnung«.
Wir veröffentlichen daraus mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor das Kapitel »Feindbild USA. Berechtigt oder falsch?« (jW)

Der Widerstand gegen die USA und deren aggressive Politik zur Gestaltung einer neuen Weltordnung wird als überkommenes Relikt des Kalten Krieges diffamiert. Es sei eine Fortschreibung des alten Feinbildes, das sich doch mit dem Ende der Blockkonfrontation erledigt habe, heißt es.
Die militärische Intervention Russlands in der Ukraine muss als Argument herhalten, dass nicht die USA die Welt unter ihre Militärstiefel zwingen wollen, sondern der Aggressor Russland heiße. Der »verbrecherische Überfall« – so die genormte Formulierung – habe bewiesen, dass die Furcht vor Russland bei seinen Nachbarn begründet war und ist. Deshalb hätten sie sich schließlich nach 1990 unter die schützenden Fittiche der NATO begeben.

Nun ist es ein gern kolportierter und zweckdienlich verbreiteter Irrtum zu glauben, dass »Feindbilder« eine Erfindung der kommunistischen Ideologie zur Charakterisierung des Klassenfeindes seien. Seit es Armeen gibt, existieren Feindbilder zur Motivation der Soldaten. Und zwar unabhängig vom Charakter der Gesellschaft.
Die Ideologie, auf der der Staat fußt, bestimmt allerdings das Bild des »Feindes«. Und der ist immer konkret, keineswegs abstrakt, wie lange und noch immer im Westen behauptet.

Ewiger Krieg?

Die Feinde in der imperialistischen Ideologie sind zwangsläufig jene Kräfte, Bewegungen und Staaten, die die Ausbeutergesellschaft überwinden und eine alternative Gesellschaft errichten wollen.
Und die Auseinandersetzung mit ihnen erfolgt politisch, juristisch, wirtschaftlich, polizeilich, geheimdienstlich und militärisch. Ganz unmittelbar im Sinne des von Carl von Clausewitz 1832 formulierten Gedankens: »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.« Oder eben in Form des Wettrüstens, mit dem Ressourcen der Volkswirtschaft des Feindes entzogen werden und verhindern, dass dieser etwa soziale Probleme oder humanitäre Aufgaben löst.
Der konservative Historiker Michael Stürmer, eine Zeitlang außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl und namhafter Vertreter jener Kreise, die für ein stärkeres militärisches Engagement der Bundesrepublik stehen, interpretierte 2015 diesen Satz des Preußengenerals, den man laut Stürmer dreimal lesen müsse:
»Einmal als Feststellung, dass es Krieg gab und gibt und leider Gottes keine Aussicht besteht, dass es anders wird. Zum zweiten als Warnung vor dem absoluten Krieg, der jeden anderen Zweck verschlingt. Und drittens als Aufforderung an die Diplomatie, das Ziel des Friedens auch im Krieg zu verfolgen.«¹

Es war und ist nicht nur ein Interpretations-, sondern ein grundsätzlicher Denkfehler zu meinen, dass es Kriege immer gab und immer wieder geben wird. Der Irrtum wurzelt in der Überzeugung, dass die Ursachen von Kriegen der unreife, unvollkommene Mensch sei und nicht das Wirtschaftssystem, das Staaten hervorbringt und deren Politik bestimmt.

Krieg, so darum der Umkehrschluss, kann nur überwunden werden, wenn die kapitalistische Ausbeuter- und Klassengesellschaft überwunden wird.

Denn wie der 1914 ermordete französische Sozialist Jean Jaurès formulierte: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.« Und ihm ist beizupflichten, wenn er daraus schloss, dass – entgegen allen patriotischen und demagogischen Behauptungen – nicht der Krieg revolutionär sei, sondern der Friede.
Weil er nämlich durch die Überwindung des Kapitalismus erzwungen und gewonnen werde.

Jahrzehntelanges Zerstörungswerk

Das Feindbild von den USA – das mächtigste Land des Imperialismus, beschönigend als Mutterland des Kapitalismus bezeichnet – ist keine Erfindung von Politikwissenschaftlern oder Ideologen.
Die USA haben seit ihrer Gründung im Jahr 1776 mehr als zweihundert Kriege geführt – ohne selbst jemals angegriffen worden zu sein.
(Der »Krieg gegen den Terror«, den Präsident George Bush jr. 2001 ausrief, wurde mit dem Anschlag auf das Welthandelszentrum in New York begründet, der in der Propaganda zu einem »Angriff auf die USA« gemacht wurde, aber keinen Angriff auf den Staat darstellte.)

Es heißt, dass seit 1946 in den Kriegen der USA, bei militärischen Interventionen und bei Geheimdienstbeteiligungen an Terroranschlägen, Putsch- und Umsturzversuchen auf den Territorien anderer Staaten fast sieben Millionen Menschen starben. Gemessen an den beiden Weltkriegen, die von Deutschland ausgingen, ist das eher wenig. Aber Leid, Not und Elend bemessen sich nicht nur an Kriegstoten. Flucht und Vertreibung gehören auch dazu.
Im Mai 2022 meldete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dass die Zahl der Menschen, die vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung auf der Flucht seien, die 100 Millionen überschritten habe.²

Auf der anderen Seite: Rüstungskonzerne sowie die Finanz- und Investmentindustrie verdienen mit Kriegen und militärischen Konflikten Milliarden. Und sie verdienen zweimal: einmal durch die Produktion von Waffen und Rüstungsgütern, dann durch den Wiederaufbau der mit diesen Waffen zerstörten Städte und Produktionsanlagen.
Die meisten dieser global operierenden Unternehmen haben ihren Sitz in den USA.

Konzept zum Dominanzerhalt

George Bushs Verteidigungsminister Richard »Dick« Cheney ließ von September 1991 bis Mai 1992 eine Arbeitsgruppe Leitlinien erarbeiten, wie die militärische Dominanz der USA erhalten und ausgebaut werden kann.
»Jede in Frage kommende feindliche Macht (ist) daran zu hindern, in einer Region dominant zu werden, die für unsere Interessen von ausschlaggebender Bedeutung ist«, hieß es darin.
»Potentielle Rivalen (sollen) erst gar nicht auf die Idee kommen, regional oder global eine größere Rolle spielen zu wollen.« Und mit Blick auf die Bundesgenossen in der NATO, die mehrheitlich in Europa disloziert waren und sind, wurde an die US-Administration appelliert: »Wir müssen darauf achten, dass es keine auf Europa zentrierten Sicherheitsvereinbarungen gibt, welche die NATO untergraben könnten.«³

Die einschüchternde Ansage war unmissverständlich: Eine Verständigung Westeuropas mit dem Osten, insbesondere mit dem Nachfolgestaat der Sowjetunion, sollte unterbleiben.
Damit wurde den seit Jahrzehnten von Moskau verfolgten Intentionen, in Europa eine Sicherheitsstruktur zu entwickeln, eine deutliche Absage erteilt.
Ein System kollektiver Sicherheit, zu dessen Entwicklung in den siebziger Jahren erste Schritte unternommen worden waren, hatte sich erledigt, eine Emanzipation (West-)Europas von den USA sollte nicht stattfinden.

Die Warnung vor der »Untergrabung der NATO« war eine Warnung vor dem Verlust der Dominanz ihrer Führungsmacht, den USA. Das Wort von der »Rapallo-Angst« machte – wieder einmal – die Runde.

Zur Erinnerung: Im italienischen Rapallo hatten im April 1922 das Deutsche Reich und die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (die UdSSR sollte erst später gegründet werden) vertraglich beschlossen, ihre bilateralen Beziehungen zu normalisieren. Die souverän am Rande einer internationalen Finanz- und Wirtschaftskonferenz in Genua geschlossene Vereinbarung führte, trotz Ablehnung durch die Westmächte und auch in Deutschland – darunter Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) und weite Teile der SPD-Führung –, zu prosperierenden Wirtschaftsbeziehungen, von denen beide Seiten profitierten.
Deutschland lieferte Industrieanlagen und Know-how, half bei der Erschließung der Erdölfelder bei Baku und vermarktete sowjetisches Öl in Deutschland, wodurch die Abhängigkeit von britischen und US-amerikanischen Ölkonzernen reduziert werden konnte.

Vorauseilender Gehorsam

Die Federführung bei der Fixierung des Defense Planning Guidance 1991/92 lag bei Colin Powell – damals Chef der Vereinigten Generalstabs – und Paul Wolfowitz, Staatssekretär im Pentagon.
Es gibt Autoren, die nach Bekanntwerden dieses internen Dokuments monierten, dass die »fundamentalen Verschiebungen auf der weltpolitischen Landkarte«⁴ unbeachtet geblieben seien, dass es sich bei dem Papier um einen Rückfall in den Kalten Krieg handele, weil Washington – wie seit Jahrzehnten – Sicherheit in erster Linie mit militärischen Mitteln und gegen andere (nicht mit anderen) herstellen wolle.
In Japan und in der BRD erregte man sich in bestimmten Kreisen zudem darüber, dass beide Staaten darin als »Konkurrenten« genannt und damit auf eine Stufe mit Russland und China gestellt worden waren. Es war, wie immer bei solchen Kontroversen, ein Sturm im Wasserglas.
Die von Kanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung (CDU/CSU/FDP) versicherte wie gewohnt unterwürfig und im vorauseilenden Gehorsam, dass das vereinte Deutschland keinen Sonderweg beschreiten und unverändert fest an der Seite der USA stehen werde.

Solche von wenig Souveränität getragenen Erklärungen stellten eine diplomatische Gratwanderung dar. Zwar bereiteten sich die Truppen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – GUS) auf ihren für 1994 geplanten Abzug vor – aber große Teile davon standen noch auf dem Territorium der sogenannten neuen Bundesländer.
Ihr finaler Rückzug durfte nicht durch überschwengliche Treuebekundungen an die Adresse der USA gefährdet werden, genauso wie überzogene Kritik an der »Schutzmacht« USA Washington eventuell verstimmen konnte.

Der diplomatische Balanceakt der Bundesregierung ist allerdings nicht unser Thema, sondern inwieweit die zu Beginn der neunziger Jahre formulierten Leitlinien den Kalten Krieg ungebrochen fortsetzten bzw. eine neue Qualität in den Außenbeziehungen der USA bedeuteten.

Politik der Stärke

In der Führung der USA herrschte die Auffassung vor, dass man die Politik der Stärke in der Stunde ihres größten Triumphs nicht aufgeben sollte.
Im Gegenteil. »Ich habe den Eindruck, dass die sowjetische Gefahr möglicherweise größer ist als früher, da sie vielgestaltiger geworden ist«, erklärte US-Präsident Bush, der Exgeheimdienstchef.⁵
Es sei nicht an der Zeit, die Sowjetunion in die Gemeinschaft der »zivilisierten Nationen« aufzunehmen.

Konfwerenz_Helsinki_NDDie Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war von Anfang an als hinderlich bei der Durchsetzung von US-Interessen und als Sieg sowjetischer Außenpolitik gewertet worden.
Deshalb musste ihre Schlussakte liquidiert werden. »Die KSZE ist die eigentliche Gefahr für die NATO«⁶, erklärte US-Außenminister James Baker intern, womit er nicht unrecht hatte. Es war eine europäische Sicherheitsstruktur.
Zwar waren die USA daran beteiligt, sie waren aber nur ein Staat von insgesamt 35. Und in der 1975 unterzeichneten Schlussakte waren die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion und aller Unterzeichner in gleicher Weise berücksichtigt worden.

»Die Teilnehmerstaaten werden gegenseitig ihre souveräne Gleichheit und Individualität sowie alle ihrer Souveränität innewohnenden und von ihr umschlossenen Rechte achten, einschließlich insbesondere des Rechtes eines jeden Staates auf rechtliche Gleichheit, auf territoriale Integrität sowie auf Freiheit und politische Unabhängigkeit. Sie werden ebenfalls das Recht jedes anderen Teilnehmerstaates achten, sein politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles System frei zu wählen und zu entwickeln sowie sein Recht, seine Gesetze und Verordnungen zu bestimmen«, hatte es gleich eingangs in der Schlussakte geheißen.
»Sie sind der Auffassung, dass ihre Grenzen, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, durch friedliche Mittel und durch Vereinbarung verändert werden können. Sie haben ebenfalls das Recht, internationalen Organisationen anzugehören oder nicht anzugehören, Vertragspartei bilateraler oder multilateraler Verträge zu sein oder nicht zu sein, einschließlich des Rechtes, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein; desgleichen haben sie das Recht auf Neutralität.«⁷

Die USA beriefen sich gern auf diese Festlegung, wenn sich eine »Vertragspartei« etwa mit dem Westen verbünden wollte. Doch wenn sich ein Staat verweigerte, wenn er sich nicht der NATO und darum deren Führungsmacht anzuschließen wünschte, nahmen die USA das nicht einfach so hin und halfen bei der »Meinungsbildung« mit verschiedenen Mitteln nach.
Insofern lag der US-Außenminister nicht falsch, wenn er 1989/90 meinte, dass aus Sicht der USA die KSZE »die eigentliche Gefahr für die NATO« sei.

»America first«

Auf KSZE-Linie bewegten sich Überlegungen, die in Europa nach dem Ende der Blockkonfrontation angestellt wurden. Jetzt sei die Chance für den Abbau aller ideologisch motivierten Barrieren, für die Abrüstung konventioneller Streitkräfte, für die Abschaffung der beiden Militärpakte.
Diese Kreise nahmen Bushs Ansage wörtlich: »Wir können einen dauerhaften Frieden verwirklichen und die Ost-West-Beziehung in eine dauerhafte Zusammenarbeit umwandeln.«

Sie hatten einerseits überhört, dass der US-Präsident in der Möglichkeitsform gesprochen hatte, und andererseits an die Lauterkeit der Politik der USA geglaubt. Die besaß Washington aber nie.
Im Zentrum der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika standen immer die nationalen Interessen, es ging immer um »America first«. Nationale Belange anderer Staaten fanden allenfalls Beachtung, wenn sie US-amerikanischen Interessen nützten oder ihnen im Wege standen. Ein Neustart der Außenbeziehungen, von dem nicht wenige inner- und vor allem außerhalb der USA 1989/91 geträumt hatten, erfolgte nicht.
Man hätte mit dem Wesen der kapitalistischen Ordnung brechen müssen. Dazu waren die in den USA herrschenden Kreise nicht bereit.

Der 99jährige Henry Kissinger, Exaußenminister, Friedensnobelpreisträger und Organisator des Staatsstreiches in Chile, mit dem 1973 die demokratisch gewählte Regierung der Unidad Popular weggeputscht worden war, machte 2022 in einem Buch⁸ gewohnt zynisch die Kontinuität und den Charakter der Außenpolitik kapitalistischer Staaten, insonderheit des eigenen Landes, ex negativo deutlich.
»Wem es hauptsächlich um Werte geht, sollte nicht den diplomatischen Dienst, sondern das Priesteramt anstreben.«

Interessen nicht Werte

Egon Bahr, Spiritus rector der neuen Ostpolitik der SPD, lag mit seiner deutlichen Ansage gegenüber Gymnasiasten nicht weit davon entfernt: »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte.
Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.«⁹

Der 2015 verstorbene Bahr, nach eigenem Bekunden einst selbst ein Kalter Krieger, berief sich bei der Frage nach seiner aktuellen politischen Verortung auf seinen Freund Willy Brandt.
Der habe gesagt, je älter er werde, desto linker werde er. »Mir geht es nicht anders.«¹⁰

Gods_Own_CountrySein Urteil über die USA hatte eventuell nichts mit dieser linken Haltung zu tun, sondern war einfach nur logisch und vernünftig. »Das nationale Interesse der USA ist von der moralischen Gewissheit durchdrungen, das auserwählte Volk Gottes zu sein.
Nationalbewusstsein und Sendungsbewusstsein sind unlöslich verschmolzen«, konstatierte er 2015. Und fast schon resignativ fügte er an, dass es »sinnlos« sei, dies zu kritisieren.
»Die amerikanische Position stellt einen moralischen Maßstab dar, der nicht verhandelbar ist. Das entspricht auch der amerikanischen Haltung, sich nicht durch fremde Ordnungen binden zu lassen. Das hat mit Macht und weniger mit Werten zu tun. Die Globalmacht USA wird sich nur binden, wo ihr Interesse das rät. Sie wird insgesamt ihre Politik der freien Hand verfolgen, um ihren Einfluss zu vergrößern.«¹¹
Das war eine sehr diplomatische, sehr höfliche Umschreibung für die Durchsetzung einer neuen Weltordnung, die sich die USA in ihre internen Strategiepapiere und auf ihre Fahne geschrieben hatten.

Anmerkungen

1 Zit. in: Michael Stürmer: »Politik mit anderen Mitteln«. Deutschlandfunk am 9. Februar 2015

2 unric.org/de/unhcr23052022 am 22. Mai 2022

3 vgl. Bernd Greiner: Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben. München 2021, S. 164

4 So Bernd Greiner, ebenda, S. 165

5 Bush am 10. Februar 1989, zit. n. Michael R. Beschloss, Strobe Talbot: Auf höchster Ebene. Düsseldorf 1993, S. 35

6 zit. n. ebenda, S. 187

7 vgl. www.osce.org/files/f/documents/6/e/39503.pdf

8 Henry Kissinger: Staatskunst – Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert. München 2022

9 zit. nach: Egon Bahr und Lutz Riemann: Annäherung durch Wandel. Kalter Krieg und späte Freundschaft. Edition Ost, Berlin 2022

10 Brief an Lutz Riemann am 3. Februar 2005, zit. in: ebenda, S. 5

11 aus: Rede im Adlon zur Verleihung des Dr.-Friedrich-Joseph-Haass-Preises, 27. März 2015, zit. n. Bahr, Riemann, Annäherung, a. a. O., S. 192

Klaus Eichner arbeitete ab 1959 in der Spionage­abwehr und ab 1974 als Chefanalytiker für US-Geheimdienste bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A).

Klaus Eichner: »Bis alles in Scherben fällt. Der Kampf der USA um eine neue Weltordnung«, Verlag Edition Ost, Berlin 2022, 130 Seiten, 16 Euro

 

„Die Welt darf nicht ohne US-Führung bleiben“

Ein Kommentar von Rainer Rupp

https://pressefreiheit.rtde.live/meinung/152113-welt-darf-nicht-ohne-us/

rainer rupp

Mit diesen Worten beschwört US-Außenminister Antony Blinken den Erhalt der bröckelnden US-Führungsmacht. Aber ist die Abwendung von der „regel-basierten Ordnung“ des US-Alleinherrschers womöglich ein Schritt in den (chinesischen) Abgrund?

Man dürfe nicht zulassen, dass die Welt ohne die Führung der USA bleibe, erklärte US-Außenminister Antony Blinken bei einer Veranstaltung an der US-Elite-Universität Stanford am 17. Oktober. Gemeinsam mit seiner Amtsvorgängerin, Ex-Außenministerin Condoleezza Rice, sprach er über die zukünftige Entwicklung und Bedeutung von Technologie, Diplomatie und nationaler Sicherheit und in diesem Zusammenhang ausgiebig über die Rolle Chinas. Unter anderem sagte Blinken:

„Rundum stehen wir in einem Wettrennen (mit China), um – wie ich bereits aus unserer Perspektive erklärte – die Ära zu gestalten, die auf die Post-Kalte-Krieg-Periode als nächstes folgt. Wie wird diese Zeit aussehen? Wessen Werte werden widergespiegelt werden? Wir haben eine einfache Entscheidung, denn die Welt organisiert sich nicht von selbst. Die USA haben die Wahl. Wenn wir uns an der Organisation nicht beteiligen und keine Führungsrolle übernehmen, bedeutet das eins von beiden: Entweder sie (die Welt) wird von jemand anderem übernommen, vielleicht von China, und zwar nicht in einer Weise, die voll und ganz mit unseren Interessen und Werten übereinstimmt, oder – was genau so schlimm ist – niemand tut es, dann entsteht ein Vakuum, das eher von schlechten Dingen gefüllt wird als mit guten.“

Hier haben wir sie wieder, die unausstehliche US-amerikanische Selbstverherrlichung, dass nur und ausschließlich die USA das Wahre, Gute und Schöne verkörpern und sich die US-Oligarchen selbstlos aufopfern, den Rest der Welt mit Gaben zu beglücken, wenn nötig mit Bomben und Granaten, mit Sanktionen und Hungersnöten, mit Millionen Toten und noch mehr Verletzten und Flüchtlingen. Aber die Länder der Welt haben längst hinter die glitzernde Kulisse der US-Oligarchen-Demokratur geschaut, erkannt, dass die politische Kaste sich einen feuchten Dreck um die existenziell notwendigen, täglichen Bedürfnisse der Masse der eigenen US-Bevölkerung kümmert, zugleich aber dem Rest der Welt Demokratie und Prosperität vorgaukelt.

Was der neo-liberale Kriegstreiber Blinken in Stanford akademisch verklausuliert aufgetischt hat, wird in den letzten Jahren von westlichen US-Vasallen in Politik, Medien und Wissenschaft vermehrt als warnende Frage in die Länder der sogenannten Dritten Welt getragen; ob nämlich der lang ersehnte, jetzt von China und Russland ermöglichte, vermeintlich befreiende Schritt nach vorn, weg von der ordnenden Pax Americana des US-Alleinherrschers und hin zu einer multipolaren Weltordnung, nicht womöglich ein Schritt in den Abgrund ist?

Dieses Schreckensbild wird von den Vertretern und Profiteuren der im Westen immer noch tonangebenden, aber absterbenden neo-liberalen Ordnung propagiert. Aber welche Alternative kann eine multi-laterale, von BRICS-Staaten geführte neu Ordnung gegenüber der kriminellen, US-geführten US-Kriegs- und Chaosversion bieten? Kann es für die Länder der Welt überhaupt schlimmer werden als die angeblich „regel-basierte Ordnung“ der USA und ihrer Vasallen, die stets und überall auf Konfrontationskurs gegen alle Länder gehen, die sich der Ausbeuterordnung der Imperialisten nicht unterwerfen.

Eine Ahnung von der im Entstehen begriffenen, multilateralen Weltordnung bietet die Struktur der von China gegründeten und insbesondere von den BRICS-Staaten unterstützten Asiatischen Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB).

Ein erklärtes Ziel dieser Entwicklungsbank ist es, die bis dahin weltweit allein geltenden, von den USA und ihren neo-liberalen Verbündeten aufgestellten Regeln der globalen Entwicklungsfinanzierung, d. h. den Washingtoner Konsens, auszuhebeln.

Wenn die US-geführte Weltbank z. B. in Afrika eine Wasseraufbereitungsanlage finanziert, dann muss sich das betroffene Land dazu verpflichten, weitere wirtschaftliche „Reformen“ in Richtung Marktwirtschaft und Deregulierungen der Wirtschaft durchzusetzen, u. a. den Abbau von Schutzzöllen und Subventionen zur Entwicklung der eigenen Wirtschaft, die Öffnung der eigenen Wirtschaft zur Ausbeutung durch westliche Raubtier-Konzerne, den Abbau von Arbeitsschutz und Kürzung sozialer Sicherungsmaßnahmen, usw.

Zugleich besteht die Weltbank in der Regel darauf, dass die zu neue oder die zu modernisierende Wasseraufbereitungsanlage marktwirtschaftlich arbeitet und profitabel ist und deshalb privatisiert werden muss. Das bedeutet, dass die Anlage in dem Entwicklungsland an den Meistbietenden, in der Regel an einen westlichen Konzern, für ’n Appel und ’n Ei verhökert wird.

Für die profitorientierten Wasserkonzerne muss der Preis für sauberes Wasser natürlich erhöht werden, selbst wenn dadurch ein Großteil der armen Bevölkerung von der Versorgung mit sauberem Wasser ausgeschlossen wird. Davon sind nicht nur die Entwicklungsländer betroffen, sondern auch die Armenviertel in den reichen und angeblich hochentwickelten Oligarchen-Demokraturen des Westens, vor allem in den USA.

In vielen Ländern dominieren private Monopole inzwischen den Bereich der einstmals sozialen ausgerichteten öffentliche Dienstleistungen. Wer nicht zahlen kann, bleibt von der Versorgung ausgeschlossen. Selbstredend sind dadurch mehr Krankheiten und Epidemien und insbesondere eine höhere Kindersterblichkeit vorprogrammiert. Aber für Freiheit und Markwirtschaft müssen schließlich Opfer gebracht werden, wie wir alle aus den unzähligen Propagandareden westlichen Eliten in Politik und Medien wissen!

Es ist die von den USA und ihren Vasallen kontrollierte Weltbank, die im Verein mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), für die westlichen Konzerne den Weg freiräumt, um die Länder der Dritten Welt auszuplündern. Die dabei angewandte, neo-koloniale Methode stellt eine raffinierte Verfeinerung, aber nicht weniger brutale Abwandlung des alten Kolonialismus ist. Im Unterschied zu früher ersetzen heute in der Regel Finanz-Instrumente die Kanonen, obwohl auch die immer wieder zum Einsatz kommen, um den Forderungen der westlichen „regel-basierten Ordnung“ Nachdruck zu verleihen.

AIIB-logoDie Asiatische Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB) arbeitet ganz anders. An ihre Kreditvergabe knüpft sie keine ideologischen oder politischen Vorleistungen der Entwicklungsländer. Die souveräne Regierung eines jeden Landes entscheidet selbst. Einzige Bedingungen sind

a) Transparenz, also öffentliche Kontrolle zur Vermeidung von Korruption,
und b) die finanzierten Projekte müssen umweltverträglich sein.

Politische oder andere Bedingungen im Stil des Washingtoner Konsens sind bei der neuen von China gegründeten AIIB-Entwicklungsbank vom Tisch. Wir notieren, dass für sie Privatisierung von staatlichen oder genossenschaftlichen Unternehmen keine Vorbedingung für einen Kredit ist. Auch die Abschaffung oder Abschwächung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung der heimischen Wirtschaft ist keine Vorbedingung der AIIB.

So ist es kein Wunder, dass die AIIB den neo-liberalen Globalisierern unter den westlichen Eliten ein großer Dorn im Auge ist. Denn die Regierungen in den Entwicklungsländern hatten plötzlich die Wahl, sich entweder für westliche Instituten wie die Weltbank, IWF und Asiatische Entwicklungsbank oder für die chinesische AIIB zu entscheiden. Da die Attraktivität der AIIB im Vergleich zu westlichen Institutionen klar war, galt ihr wirtschaftlicher Erfolg schon bei ihrer Gründung im Jahr 2015 als sichert, weshalb auch europäische Großbanken nicht abseitsstehen wollten. Die meisten westlichen Staaten, einschließlich Frankreich und Deutschland, und sogar England beeilten sich, Mitglied dieser chinesischen Entwicklungsbank zu werden, obwohl Washington vor diesem Schritt nachdrücklich(!) abgeraten hatte.

Nachdem die AIIB 2016 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, entwickelte sie sich schnell zu einem wichtigen Akteur in der globalen Finanzwelt. Anfang 2021 hatte sie bereits 102 zugelassene Mitgliedsstaaten. Die Teilnahme der größeren Volkswirtschaften Europas als Gründungsmitglieder hatte sicher dazu beigetragen, dass die AIIB bei den global führenden Rating-Agenturen eine erstklassige Bonitätsbewertung von AAA bekam.

Aber die AIIB war auch ein riesiger diplomatischer Triumph für China, das damit zeigte, dass es auch in der internationalen Wirtschaft eine andere Geschäftspolitik verfolgt als die Raubtier-Kapitalisten des Washingtoner Konsens, nämlich eine Win-win-Politik zum gegenseitigen Vorteil und zur gesellschaftlichen Entwicklung. Letzteres wird z. B. durch die beeindruckenden AIIB finanzierten Investitionen in Afrika, Asien und auch in Latein-Amerika in Projekte der Verkehrs- oder Gesundheits- und Sozialinfrastruktur belegt, z. B. Eisenbahnlinien, Krankenhäuser, Schulen, etc.

Zugleich spielt die chinesische Währung, der Yuan, bei der Finanzierung neuer Infrastrukturprojekte in den Entwicklungsländern den eben genannten Weltregionen eine immer größere Rolle und sie hat das Zeug, den Dollar im Handel mit diesen Regionen nach und nach weitgehend zu ersetzen.

Washington blieb im Abseits sitzen, sah aus der Ferne zu und schmollte. Zugleich musste es zusehen, wie weitere Pfeiler seiner „regel-basierten Ordnung“ mehr und mehr zerbröseln. Jetzt, wo die AIIB fest etabliert ist, plant sie zunehmend, ihre eigene Kredit-Pipeline zu entwickeln mit dem Ziel, zur weltweit führenden Finanzinstitution für Infrastruktur zu werden. Ihre Standards werden in Zukunft in den Ländern der Dritten Welt fundamental wichtig sein, was für die Wall Street ein Dorn im Auge und vollkommen inakzeptabel ist.

Aber ohne Beachtung der AIIB-Standards werden die rein westlichen Finanzakteure in den Ländern der Dritten Welt immer mehr an Boden verlieren. Das ist der Grund, weshalb westliche Eliten in Politik und Medien dazu aufrufen, dass „Wir“, also die USA und ihre Vasallen, den Chinesen nicht erlauben dürfen, in Industrie, Technik und Finanzen die Standards für die Märkte der Zukunft zu setzen. Denn das sind die Instrumente, die bisher die Ausbeutung der Welt durch den Westen erheblich erleichtert haben.

Aber um die befürchte Dominanz chinesischer Standards auf den zukünftigen Märkten der Dritten Welt zu verhindern, sind den denkfaulen Eliten in Washington keine konstruktiven Lösungen eingefallen. Denn eine nachhaltige und breite Anhebung des wirtschaftlichen und technologische Niveaus, wäre nur durch eine Verbesserung des desaströsen Bildungsniveaus in den USA möglich. Das aber würde über mindestens eine Generation enorme politische, finanzielle uns soziale Anstrengungen verlangen, zu denen die parasitären Eliten in Washington nicht bereit sind.

Andererseits fehlt Washington auch die Bereitschaft zur diplomatischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Peking mit dem Ziel eines einvernehmlichen Miteinanders. Denn für die arroganten US-Eliten ist die Vorstellung, gegenüber den aus ihrer Sicht „unterentwickelten“ Chinesen nicht als Führungsmacht diktieren zu können, sondern im kollegialen Miteinander zu zusammenarbeiten, vollkommen unakzeptabel.

Stattdessen hat Washington zu seinem bevorzugten, „altbewährten Rezept“ im Umgang mit Staaten zurückgegriffen, die nicht gewillt sind, die Interessen Washingtons auf Kosten der eigenen zu bedienen, nämlich:

– Drohung mit Krieg,
– Verhängung von Wirtschaftssanktionen, um Chinas Entwicklung zu blockieren,
– Destabilisierungsversuche in Hongkong und Förderung der lokalen Unabhängigkeitsbewegung, was zu schweren Unruhen führte,
– schwere Provokationen Pekings in Bezug auf Taiwan; De-facto-Aufkündigung des US-China-Abkommens zur „Ein-China-Politik“, in dem Washington ausdrücklich die Zugehörigkeit Taiwans zur Volksrepublik China anerkannt hat; massive Waffenlieferungen an Taiwan.

Ähnlich wie im blutigen Ukraine-Russland-Konflikt übt Washington derzeit auch massiven Druck auf seine europäischen Vasallen aus, die der US-Führungsmacht in ihrer Konfrontationspolitik gegen China zu folgen haben. Auch damit hat Washington bei den meisten deutschen Parteien Erfolg, vor allem bei der „grünen“ US-Sekte. Denn aus deren Reihen haben sich bereits freiwillig viele „Selbstmord-Attentäter“ gegen die deutsche Wirtschaft gemeldet.

Über Kommentare hier würde ich mich freuen.

Jochen

Gigantische Datenbank soll in Europa nach Anforderungen der USA entstehen – IBIS – Rockefeller und Gates Foundation machen mit

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das, was Norbert Haering hier herausgefunden hat, bestätigt meine Befürchtungen der letzten 3 Jahre. Es passt auch gut zu den Erkenntnissen, die Thomas Röper und Paul Schreyer schon in den letzten 2 Jahren veröffentlicht haben.
Siehe auch https://josopon.wordpress.com/2021/03/16/erosion-der-demokratie-durch-gezielte-meinungsmache-korruption-und-volksverdummung-eine-zusammenschau/
und https://josopon.wordpress.com/2021/08/22/rustungskonzern-thales-will-impfprivilegien-und-passe-als-fur-das-ausrollen-mobiler-digitaler-identit-atsnachweise-nutzen/
und https://josopon.wordpress.com/2021/10/21/die-netzwerke-die-die-pandemie-erschaffen-haben/

Von unserer grünen „Bürgerrechtspartei“ ist da wohl kaum Widerstand zu erwarten.
Um so wichtiger ist es. für die Demokratie und gegen die weltweite Konzerndiktatur aufzustehen !
Und gut, dass es die Piratenpartei gibt.
Ob von unseren kükenpiepsenden Linken eine Opposition zu erwarten ist, daren zweifle ich nach meinen Auseinandersetzungen mit diversen Funktionsträgern über die Gesundheitsüberwachungskarte.

https://norberthaering.de/news/ebsp/

USA und Europa könnten schon bald eine gigantische Datenbank mit unseren biometrischen Daten schaffen

Washington setzt derzeit einzelne europäische Regierungen und die EU unter Druck, einem Abkommen über den automatisierten Austausch biometrischer Informationen zuzustimmen.
Dadurch würde eine riesige, per Computer durchsuchbare Datenbank mit biometrischen und biografischen Daten aller Bürger Europas, der USA und einer Reihe anderer Länder entstehen.

Das US-Ministerium für Heimatschutz (DHS) bietet den europäischen Regierungen den Zugang zu seinen riesigen biometrischen Datenbanken an, wenn diese Regierungen umgekehrt ihre Datenbanken öffnen. Ein Dokument des DHS, das der Bürgerrechtsorganisation Statewatch vorliegt, zeigt, was die USA ausländischen Staaten anbieten.
Es ist erschreckend.

Wie Statewatch berichtet, handelt es sich bei dem Dokument mit dem Titel „DHS International Biometric Information Sharing (IBIS) Program“ und der Unterüberschrift „Enhanced Biometric Security Partnership (EBSP)“ um so etwas wie ein Verkaufsprospekt für potenzielle „ausländische Partner“.

Das Dokument verspricht

„… eine skalierbare, zuverlässige und schnelle bilaterale Fähigkeit zum Austausch biometrischer und biografischer Informationen zur Unterstützung der Grenzsicherheit und der Überprüfung von Einwanderern.“

Es stellt den Zugang zu riesigen Datenmengen in Aussicht, die sich im Besitz des DHS befinden, nämlich der IDENT/HART-Datenbank, die dem Dokument zufolge „die größte biometrische Datenbank der US-Regierung und die zweitgrößte biometrische Datenbank der Welt ist und über 270 Millionen Identitäten von mehr als 40 US-Behörden enthält.“

Die teilnehmenden Staaten hätten die Möglichkeit, biometrische Daten über ein sicheres, verschlüsseltes Gateway namens Secure Real Time Platform (SRTP)“ an das DHS zu übermitteln. In dem Dokument heißt es, dass dies „in großem Umfang (bis zu Millionen von Transaktionen pro Jahr)“ möglich ist.

Wenn die US-Seite eine Übereinstimmung mit diesen biometrischen Daten feststellt, kann das DHS den anfragenden Partnern automatisch und ohne manuelles Eingreifen sofort verfügbare und gemeinsam nutzbare biometrische, biografische, „nachteilige“ (derogatory) und andere Begegnungsinformationen zur Verfügung stellen.
Was unter „nachteilige“ zu verstehen ist, wird später erläutert.

Umgekehrt würde das US-Heimatschutzministerium die gleiche Art von Zugang zu den Datenbanken der Partnerstaaten erhalten:

„Im Gegenzug kann das DHS biometrische Daten an die IBIS-Partnerländer übermitteln, um sie mit deren biometrischen Identitätsmanagementsystemen abzugleichen, damit die Partnerländer dem DHS gemeinsam nutzbare biografische Informationen, Ausschlussgründe und Informationen über Begegnungen zur Verfügung stellen können, wenn eine US-Suche mit ihren biometrischen Datensätzen übereinstimmt. Dieser umfangreiche Abgleich und Datenaustausch erfolgt innerhalb von Minuten und ist vollständig automatisiert; die Bestätigung des Abgleichs und die entsprechenden Daten werden ohne Eingreifen der Beamten ausgetauscht.“

Warnungen aus dem EU-Parlament

Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten des Europäischen Parlaments hatten am 29. Juni ein informelles Treffen mit dem DHS.
Patrick Breyer
, ein Mitglied des Europäischen Parlaments von der Piratenpartei, erklärte nach dem Treffen:

„Während des Treffens wurde das neue US-Programm „Internationaler Biometrischer Informationsaustausch (IBIS)“ vorgestellt. Mit der Drohung, die Visumspflicht wieder einzuführen, wollen die USA die EU-Mitgliedstaaten zwingen, Zugang zu biometrischen Datenbanken zu gewähren. Drei EU-Mitgliedsstaaten und das Vereinigte Königreich sollen sich dem Programm bereits angeschlossen haben. Ein Vertreter der EU-Kommission kritisierte, dass die USA durch direkte Absprachen mit den EU-Mitgliedsstaaten bewusst europäische Verträge unterlaufen würden.“

Die Beschwerde im letzten Satz scheint sich auf einen Brief aus Washington zu beziehen, den laut Matthias Monroy mehrere EU-Mitgliedstaaten im Februar über die US-Botschaften erhalten haben, darunter Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Darin wird gedroht, dass das Programm für visafreies Reisen für diese Länder gestrichen wird, wenn sie nicht kooperieren.

Der genaue Inhalt des Schreibens ist geheim; Anfragen zur Informationsfreiheit an das deutsche Innenministerium und das Bundeskanzleramt scheiterten laut Monroy.
Auch die EU-Kommission hat ein solches Schreiben erhalten und hält es geheim, weil die US-Seite es geheim halten wolle und die EU-Kommission Washington nicht verärgern will.

Offenbar befürchten die europäischen Regierungen, dass der US-Zugriff auf biometrische Daten in den einzelnen Mitgliedsstaaten durch die Hintertür den Zugriff auf alle EU-Datenbanken ermöglichen würde.

Laut Monroy hat der EU-Rat eine gemeinsame Antwort an Washington verfasst, in der er um mehr Informationen bittet, und führt seit Ende März Gespräche mit der US-Regierung.

„So viel wie möglich“

MEP Breyer berichtet weiter von dem Treffen:

„Auf die Frage, welche Daten die USA genau abgreifen wollen, lautete die Antwort: so viel wie möglich. Auf die Frage, was an den US-Grenzen geschehe, wenn ein Reisender in der EU polizeibekannt sei, hieß es, dies werde von den US-Einwanderungsbeamten von Fall zu Fall entschieden.“

Breyer fordert die EU-Kommission und die deutsche Regierung auf, die Forderung der US-Behörden zurückzuweisen und sich nicht erpressen zu lassen.
Notfalls müsse das Programm für visafreies Reisen von Europa aufgegeben werden, denn sonst drohe Schlimmes:

„Millionen von unschuldigen Europäern sind in polizeilichen Datenbanken erfasst und könnten in den USA völlig unverhältnismäßigen Reaktionen ausgesetzt sein. In den USA gibt es keinen angemessenen Daten- und Grundrechtsschutz. Die Weitergabe persönlicher Daten an die USA setzt unsere Bürger u.a. dem Risiko willkürlicher Festnahmen und falscher Verdächtigungen mit möglicherweise schlimmen Folgen im Zuge des amerikanischen „Kriegs gegen den Terror“ aus. Wir müssen unsere Bürger vor diesen Praktiken schützen.“

Jeder Verdacht reicht aus

In dem DHS-Dokument heißt es:

„IDENT enthält über 1,1 Milliarden ‚Begegnungen‘, von denen jede aus einer eindeutigen biometrischen Erfassung durch eine US-Regierungsbehörde zu einem bestimmten Datum und einer bestimmten Uhrzeit zu einem bestimmten Zweck besteht. Jeder der etwa 270 Millionen eindeutigen Identitäten können mehrere ‚Begegnungen‘ zugeordnet sein, und das DHS ist in der Lage, Informationen über jede einzelne Begegnung weiterzugeben, wenn es eine biometrische Übereinstimmung mit der Identität gibt, in Übereinstimmung mit den politischen und rechtlichen Anforderungen.“

Das Dokument erklärt auch, was mit „nachteiligen Informationen“ gemeint ist. Diese sollen es den Beamten ermöglichen, „…wichtige kontextbezogene Informationen schnell zu verstehen, ohne auf US-Gesetze verweisen oder diese interpretieren zu müssen.“ Dazu können gehören:

  • Bekannte oder mutmaßliche Terroristen (KSTs)
  • Umzüge von Sexualstraftätern
  • Informationen über Verurteilungen auf Bundesebene
  • Strafrechtliche Verurteilungen wegen Einwanderung und grenzüberschreitender Straftaten
  • Einwanderungsverstöße und widerrufene Visa
    Militärische Aufzeichnungen
  • Strafrechtliche Informationen über Ausländer, die aus den USA ausgewiesen wurden.
  • Bekannte oder mutmaßliche Bandenmitglieder
  • Bekannte oder mutmaßliche Drogenschmuggler
  • Bekannte oder mutmaßliche Menschenhändler oder Menschenschmuggler

Das Dokument verweist auch auf die „verbesserte Fähigkeit, Informationen über Ministerien und Agenturen hinweg auszutauschen“, die „fortgeschrittene Datenanalyse“ und die „mögliche Integration mit anderen US-Programmen“, ohne Details zu erläutern.

Fazit

Breyer hat sicherlich Recht: Wenn die EU oder einzelne EU-Regierungen an diesem Programm teilnehmen, bringen sie ihre Bürger in Gefahr.
Es würde schon reichen, dass jemand einen Verdacht in die Akten schreibt, damit man in einige Länder nicht mehr einreisen kann.
Oder schlimmer noch, das FBI oder der Grenzschutz könnten Sie verhaften, wenn Sie in die USA einreisen.

Wenn Sie unschuldig sind, werden Sie keine Ahnung von diesem Risiko haben und nicht wissen, was passiert, wenn Ihnen die Einreise in ein anderes Land verweigert wird. Und es gibt wahrscheinlich nichts, was Sie dagegen tun können.

Er hat auch Recht, dass die europäischen Regierungen das Programm zur Befreiung von der Visumpflicht notfalls einfach aufgeben sollten.
Sie können Washington damit verbundene Nachteile androhen – wenn sie es denn wagen würden.
Gegenwärtig ist es für US-Amerikaner viel einfacher, zum Arbeiten oder für andere nichttouristische Zwecke nach Europa zu reisen, als für Europäer, in die USA zu reisen.
Würden die europäischen Regierungen auf vollständiger Gegenseitigkeit bestehen, würden sich die Reisebedingungen für Amerikaner erheblich verschlechtern.

Die Zustimmung zu diesem ungeheuerlichen Abkommen über die gemeinsame Nutzung von Daten darf auf keinen Fall auf die Art und Weise erfolgen, wie es die britische Regierung anscheinend getan hat, nämlich im Geheimen.

Keine Unschuldigen in Brüssel

Wenn Sie meine Berichterstattung über ID2020 gelesen haben, wissen Sie, dass es sich hier um eine Anwendung dieses Programms handelt, das auf die totale Überwachung der Weltbevölkerung abzielt.
ID2020
, das von der Rockefeller Foundation, der Gates Foundation (indirekt), Microsoft und anderen gesponsert und von der Weltbank unterstützt wird, zielt darauf ab, jedem Menschen auf der Welt bis 2030 eine digital-biometrische Identität zu geben.

Das bedeutet nicht nur, dass die Behörden mit Sicherheit wissen, wer Sie sind.
Eine weltweit standardisierte digitale Identität bedeutet, dass Computeralgorithmen automatisch alles sammeln, zuverlässig zuordnen, auswerten und speichern können, was jeder Mensch an digitalen Spuren hinterlässt.
Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass dies das Ziel der NSA und anderer US-Sicherheitsorganisationen ist.

Regelmäßige Leser wissen auch, dass die Gates- und Rockefeller-Stiftungen die Richtlinien der WHO für digitale Impfpässe finanziert haben und dass die Rüstungs- und Cyber-Sicherheitsfirma Thales diese Impfpässe als Vorläufer einer einheitlichen digitalen Identität bezeichnet hat.

In Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria hat die Weltbank ein nationales Identitätssystem finanziert, das seit kurzem zwangsweise mit allen Mobilfunkverträgen des Landes verbunden ist.

In voller Übereinstimmung mit dem ID2020-Plan treibt die EU-Kommission seit Herbst 2020 den Plan voran, allen EU-Bürgern eine europäische digitale Identität zu geben, die „überall in Europa verwendet werden kann, um alles zu tun, vom Bezahlen der Steuern bis zum Ausleihen eines Fahrrads“.

Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass alle Informationen über Ihre Aktivitäten in einer Datenbank gesammelt und Ihnen zugeordnet werden und zum Beispiel den US-Behörden übermittelt werden können.
Ich vermute stark, obwohl ich keine Beweise habe, dass die Vaccine Credential Initiative VCI, die unter anderem von Microsoft, Salesforce und Oracle betrieben wird, der EU auf ihrem ungewöhnlich schnellen Weg zu einem europaweiten Impfpass geholfen hat und auch weiterhin auf dem Weg zu einer biometrischen Identität für alle Europäer helfen wird.
Denn das erklärte Ziel der Initiative ist es, den Regierungen den Code für einen weltweit interoperablen Impfpass zur Verfügung zu stellen, der für Reisen während der Covid-Pandemie und danach verwendet und verlangt werden kann.
Er soll für andere als Gesundheitsinformationen grundsätzlich offen sein.

Die neue Initiative aus Washington zur gemeinsamen Nutzung biometrischen Daten gibt einen Eindruck von den Zwecken, für die die biometrischen Identitäten, die weltweit durchgesetzt werden sollen, verwendet werden.

Bestimmt werden mir einige Leser wieder „Verschwörungstheorie“ vorwerfen.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Jochen

Christian Lindner wäre als Finanzminister ungeeignet – meinen JOSEPH E. STIGLITZ und ADAM TOOZE

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

»Es wäre ein Fehler, ihm seinen Wunsch zu erfüllen«

Auszugsweise: Ein aktueller Artikel aus der ZEIT, in dem Olaf Scholz als Finanzminister bemerkenswert gut wegkommt -sicherlich im Vergleich zu Schäuble.
https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/942905/02
Christian Lindner wäre als Finanzminister ungeeignet – dafür aber ein guter Mini-ster für Digitales, meinen die Wirtschaftswissenschaftler JOSEPH E. STIGLITZ und ADAM TOOZE

Zwei Dinge haben die Koalitionsverhandlungen in Berlin bislang deutlich gemacht: Eine Ampel ist die Regierung, die Deutschland gerade braucht.
Die drei Parteien halten das Gleichgewicht zwischen Bewahrung und Fortschritt. Sie können sich bei Themen wie Sprache, Einwanderung und Bürgerrechten problemlos verständigen.
Aber wie von vielen bereits befürchtet, ist der kleinste gemeinsame Nenner der drei Parteien in der Tat klein.
Was das Sondierungspapier zum Thema Klima zu sagen hat, klingt beunruhigend schwach, dasselbe gilt für die Versprechungen zur Digitalisierung.
Auch die Aussagen zur Europapolitik sind nicht verheißungsvoll.
Die Ampelkoalition scheint zum Erfolg verdammt, aber es besteht das Risiko, dass es eine schwache Regierung wird, die Schwierigkeiten hat, die Herausforderungen zu meistern, mit denen sie es zu tun haben wird. Um so wichtiger ist die Frage, wer die Spitzenpositionen besetzt. Starke Minister und Ministerinnen mit gutem Personal können etwas bewegen.
Den besten Beleg dafür liefert Olaf Scholz selbst in seiner Rolle als Bundesfinanzminister.
Unter Scholz wandelte sich das Ministerium von einem Hemmschuh in einen Motor des Wandels. Lange überfällige Investitionen der öffentlichen Hand stiegen endlich spürbar an, vor allem aber war Scholz im Jahr 2020 bereit, die Kassen zu öffnen und durch ein umfassendes staatliches Hilfs-programm die Folgen des Corona-Schocks für Wirtschaft und Gesellschaft abzumildern.

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Scholz und seiner Truppe sollte die Zukunft des Ministeriums sehr am Herzen liegen, denn sie haben dort viel bewirkt. Und den Grünen sollte klar sein, dass eine ernsthafte Klimapolitik unmöglich ist, ohne das Finanzministerium zu kontrollieren.
Es ist der zweitwichtigste Posten der Regierung, und als zweitgrößte Partei sollten die Grünen ihn besetzen.
Mit Robert Habeck als Minister und Sven Giegold als Staatssekretär verfügen die Grünen über ein plausibles Führungsduo.
Das Finanzministerium ist deshalb so wichtig, weil es im Gegensatz zu allen anderen Ministerien technische und politische Macht sowie nationale und internationale Aufgaben in sich vereinigt.
Deutschland hat einen Außenminister, aber man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Nach dem Amt des Bundeskanzlers ist der Posten des Finanzministers derjenige, der für Deutschlands tagtägliche Außenbeziehungen die größte Bedeutung hat. Das ist durchaus gewollt. Würde Deutschland beschließen, bei der Verteidigungspolitik in der ersten Liga mitspielen zu wollen, lägen die Dinge anders.
Aber Deutschland hat sich dafür entschieden, an allererster Stelle eine Wirtschaftsmacht zu sein, deshalb ist das Finanzministerium so wichtig – und zwar auf drei Ebenen: der europäischen, der globalen und der transatlantischen.

Mit Blick auf Europa gilt: Die Euro-Zone ist unvollendet. Es gibt eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Haushaltspolitik. Die demokratische Legitimierung durch das Parlament ist unvollständig. Es fehlt offenbar der politische Wille, dieses Konstrukt durch eine Ergänzung der europäischen Verträge zu vervollständigen. Ob Europa funktioniert, hängt von der Qualität des politischen Managements im Tagesgeschäft ab. Historische Fortschritte werden durch geschickte Improvisationen ermöglicht. Unter Wolfgang Schäuble hatte das Berliner Finanzministerium im Rest Europas den Ruf, mit seinem Beharren auf strengen Sparvorgaben die Krisentendenzen der Währungsunion zu verschärfen.
Unter Scholz entspannte sich vieles. Als 2018 den Populisten in Italien der Durchbruch gelang, hielt sich Scholz mit vorschnellen Kommentaren zurück.
Als 2019 bei der Arbeitslosenversicherung und der Bankenunion Fortschritte nötig wurden, lieferte Berlin die richtigen Impulse. Und 2020 stabilisierte der Wiederaufbaufonds die europäische Wirtschaft und öffnete gleichzeitig die Tür zu einer gemeinsamen Haushaltspolitik. Er wurde in weiten Teilen im Bundesfinanzministerium verhandelt.
Es geht nicht darum, dass Deutschland als Hegemon auftritt. Das hat Europa nicht nötig. Es geht auch nicht darum, dass Deutschland aus altruistischen Gründen heraus Zugeständnisse macht.
Deutschland profitiert in großem Maße von seiner Position in Europa.
Was Europa benötigt, ist ein deutscher Finanzminister, der weiß, dass es für Länder mit gewalti-gem Exportüberschuss wichtig ist, dass es den Handelspartnern gutgeht.
Ein Finanzminister, der weiß, dass es bei finanzieller Nachhaltigkeit nicht einzig auf die Höhe der Schulden ankommt, sondern auch auf die Höhe des Bruttoinlandsprodukts.
Ein Finanzminister, der weiß, dass Respekt nicht nur für die heimischen Wähler und Wählerinnen reserviert sein sollte, sondern dass er für Finanzverhandlungen auf europäischer Ebene ganz genauso gilt.
Die größte Bedrohung für Europas Demokratie ist nicht die Einmischung durch Internet-Trolle oder andere Außenstehende, sondern eine unangemessene und zum falschen Zeitpunkt durchgesetzte Haushaltsdisziplin, die ein Minderheitsbündnis von »Nordstaaten« einer Mehrheit der euro-päischen Wählerschaft zwangsverordnet. Für Deutschland wäre es katastrophal, sich an die Spitze eines solchen Bündnisses zu stellen, wie es die FDP versprochen hat.
Den nationalistischen Populisten in Italien könnte nichts Besseres passieren als eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit dem deutschen Finanzministerium.
Das wäre fatal für Italien, schlecht für Europa und schlecht für Deutschland.

Auch auf globaler Ebene ist das Bundesfinanzministerium von zentraler Bedeutung. Deutschlands wohl wichtigste Rolle auf der Weltbühne ist die des Anteilseigners beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. In der Corona-Krise haben beide enttäuscht. Im IWF haben die Europäer zwar zuletzt gemeinsam mit afrikanischen Nationen mehr Engagement gezeigt, doch es muss dringend viel mehr getan werden im Hinblick auf Impfstoffe, einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder und die globale Klimapolitik.
Weil die Vereinigten Staaten im IWF über eine Sperrminorität verfügen, ist aber auch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA bei globalen Finanzthemen essenziell, egal ob es um die Stabilität des Finanzsystems geht oder um die globale Besteuerung von Unternehmen.

Seit dem Irakkrieg ist das transatlantische Verhältnis kompliziert. Im Rückblick zollen sogar amerikanische Außenpolitiker Deutschland Respekt dafür, sich bei den Militäreinsätzen in Irak und in Libyen zurückgehalten zu haben.
Genau anders liegen die Dinge, wenn es um Finanzen geht. Deutsche Konservative erwecken gern den Anschein, in Sachen Wirtschaftspolitik Vorbild zu sein, das entspricht aber nicht ihrem tatsächlichen Ansehen in der Welt. Bidens Truppe besteht in weiten Teilen aus erfahrenen Kräften der Obama-Ära. Wenn man mit diesen Leuten darüber spricht, welche Erfahrungen sie mit der zweiten Merkel-Koalition gemacht haben, als Schäuble Finanzminister war und Rainer Brüderle Wirtschaftsminister, löst man leicht traumatische Erinnerungen aus. Die Treffen der G20 waren – höflich formuliert – echte Horrorshows. Die Deutschen belehrten die Amerikaner in Sachen Haushaltsdisziplin, dann kehrten sie nach Europa zurück und sorgten dort für Chaos.
Die Biden-Leute sind keine Radikalen, sie halten die deutschen Konservativen nur für engstirnig und weltfremd, mit Blick auf die Realitäten der Weltwirtschaft. Europa ist in ihren Händen nicht sicher.

Corona hat deutlich gemacht, dass das Schicksal Deutschlands mit dem Schicksal Europas verwoben ist. Ohne Europa gibt es keine bedeutsame Klimapolitik. Und die USA müssen als Partner eingebunden werden. Und wenn Deutschland, wie es im Koalitionspapier so kühn und so zutreffend heißt, ein Einwanderungsland ist, dann ist die globale Wirtschaftspolitik umso wichtiger.
Der Marshallplan mit Afrika, den Merkel 2017 ins Leben rief, war die richtige Idee zur falschen Zeit. Deutschland und Europa müssen dringend eine schlüssige Vision für den künftigen Umgang mit dem riesigen Nachbarn im Süden entwickeln. Eine zentrale Rolle kommt dabei Weltbank und IWF zu. Auch hier könnte eine fantasievolle Führung des Bundesfinanzministeriums einen Unterschied machen.

pexels-photo-2559749.jpegJeder weiß, dass auch Christian Lindner den Posten des Finanzministers will. Er hat das zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Und genau das ist auch schon der erste Grund, warum es ein Fehler wäre, ihm seinen Wunsch zu erfüllen.
Was Deutschland oder Europa am allerwenigsten gebrauchen können, ist ein Finanzminister, der das Ministerium als Plattform ansieht, von der aus er die konservative Haushaltspolitik seiner Partei predigen kann.
Das Problem besteht nicht nur darin, dass Lindners Wirtschaftspolitik – sei es bei der Schuldenbremse oder den Haushaltsregeln für Europa – eine Anhäufung konservativer Klischees ist.
Viel wichtiger ist, dass es sich um Klischees einer vergangenen Ära handelt, nämlich um die der Neunzigerjahre.
Wir leben nicht länger in der Welt, die sie hervorgebracht hat. Sie sind obsolet geworden nach drei Jahrzehnten der Krise auf den Finanzmärkten, in der Geopolitik, im Umweltbereich.
In welcher Welt genau wir gerade leben, ist, ehrlich gesagt, unklar. Wer selbstbewusst für sich »Kompetenz« beansprucht, sollte einem suspekt vorkommen.
Klar scheint jedoch, dass große Investitionen der öffentlichen Hand von zentraler Bedeutung sind und dass die Lösung nicht darin bestehen kann, in Europa einfach den 1992 ratifizierten Vertrag von Maastricht wiederzubeleben.
Das bedeutet nicht, dass die FDP nicht ein wichtiges Segment insbesondere der jungen deutschen Wählerschaft repräsentiert. Sie verkörpert eine politische Energie, die offen ist für Hightech, Modernisierung, Liberalisierung und Unternehmertum. Würde all dies zu einer Art Superministerium für Digitaltechnologie mit dem Auftrag der Modernisierung des Landes gebündelt, wäre das begrüßenswert.
Um seiner selbst willen sollte Lindner die unmögliche Aufgabe erspart werden, seine vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda auf die finanzielle Situation von heute übertragen zu müssen.
Diese Art Crashtest kann sich weder Deutschland noch Europa erlauben.

Aus dem Englischen von Matthias Schulz

Kommentar: Der Artikel gibt nicht meine Meinung wieder, soll aber zu Diskussionen hier anregen.

Rüstungskonzern Thales will Impfprivilegien und -pässe für das Ausrollen mobiler digitaler Identitätsnachweise nützen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Wer meine bisherigen Blogs als übertrieben oder "Verschwörungstheorien" angesehen hat, müsste spätestens jetzt sich von der brutalen Realität eingeholt fühlen.

norbert haering logo

Was Norbert Haering hier herausgefunden hat, bestätigt die schlimmsten Vermutungen: https://norberthaering.de/die-regenten-der-welt/thales/

Rüstungskonzern Thales erläutert strategischen Zweck der Impfprivilegien und -pässe

Thales, der Rüstungskonzern, der auch eine Digitale-Identitätssparte hat, bezeichnet den digitalen Impfpass und die Notwendigkeit, ihn überall vorzuzeigen, als Wegbereiter für universelle mobil-digitale Identittsnachweise. Damit bestätigt Thales meine Analyse und meine schlimmsten Befürchtungen.

Unter der (übersetzten) Überschrift „Wie digitale ID Bürgern helfen kann, staatliche Dienste von Überall in Anspruch zu nehmen“, schreibt die für das Digital Identity Services Portfolio des Rüstungskonzerns Thales zuständige Kristel Teyras:

Sogenannte digitale Impfpässe werden eine Schlüsselrolle dabei spielen, den Bürgern zu ermöglichen, alle möglichen Dienste in Anspruch zu nehmen, und werden als Wegbereiter für das Ausrollen mobiler digitaler Identitätsnachweise fungieren.“

Im englischen Original:

„So-called digital vaccination passports will play a key role in enabling citizens to access all manner of services and will act as a precursor to the rollout of mobile digital IDs.“

Die Pandemie habe als Katalysator für einen umfassenden Wandel im Konsumentenverhalten gewirkt, hin zur weitreichenden Digitalisierung von öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Zur Rolle der digitalen Impfpässe und der Zugangshindernisse für Ungeimpfte beim weiteren Vorantreiben dieses Trends heißt es:

„Auch wenn wir allmählich zur Normalität zurückkehren, dürfte die Digitalisierung der Dienstleistungen weiter zunehmen. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Regierungen auf der ganzen Welt von ihren Bürgerinnen und Bürgern verlangen, digitale Gesundheitspässe mit sich zu führen, um nachzuweisen, dass sie doppelt geimpft sind oder einen negativen Test haben, bevor sie bestimmte Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.“

Dann wird auf eines der größten digitalen Identitätsprojekte aller Zeiten hingewiesen, das die EU mit dem Projekt einer europaweiten digitalen Identität angestoßen habe.

„Der Ehrgeiz ist gewaltig, sowohl in Bezug auf den Umfang, da es für alle EU-Mitgliedstaaten gilt, als auch in Bezug auf die Befugnisse, die es den Bürgerinnen und Bürgern im gesamten Block einräumen wrde. Zum ersten Mal könnten die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Telefon aus eine europäische digitale Identitätsbrieftasche nutzen, die ihnen Zugang zu Dienstleistungen in jeder Region Europas verschafft.“

Wollen wir die Schönfärberei herausnehmen und die Funktion der digitalen Identitätsnachweise in Einklang bringen mit der ihres Vorläufers oder Wegbereiters, des digitalen Impfpasses, so müssten wir nur das kleine Wörtchen könnten durch müssen ersetzen:

Zum ersten Mal müssen dann die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Telefon aus eine digitale Identität vorweisen, um Zugang zu allen möglichen Dienstleistungen zu bekommen.

So siehts aus. Um das voranzutreiben frdern die mchtigen Stiftungen des Silicon Valley und der Wall Street, sowie Weltbank und Weltwährungsfonds seit langem Mega-Regierungsdatenbanken mit biometrisch-digitalen Identitätsnummern aller Bürger im Vorreiter Indien und seither in vielen anderen Ländern.
Dafr haben sie auch, zusammen mit dem Weltwirtschaftsforum, Initiativen und Institute gegründet, wie ID2020
The Commons Project
(Common Pass) und die Vaccination Credential Initiative, und dafür entwickeln sie seit vielen Jahren Szenarien für einen Übergang zum autoritären Regieren über eingeschüchterte Brger, die sich willig der totalen Kontrolle unterwerfen, um dafür Sicherheit zu bekommen, mit Namen wie Lock Step (Gleichschritt) oder Lone Wolves.

Bezahlen nur noch mit Regierungssegen

Die Dienste, für deren Nutzung man seine Identität digital nachweisen und seine Daten preisgeben muss, schließen auch den Zahlungsverkehr ein.
In den Worten der Thales-Expertin:

„Richtig spannend wird es, wenn man erkennt, dass die Brieftasche sowohl digitalisierte Identitäts- als auch Zahlungsnachweise enthalten kann. So knnte man zum Beispiel die Kaution für eine neue Wohnung oder einen fälligen Bußgeldbescheid direkt vom Smartphone aus bezahlen.“

Man braucht wieder nur das kann durch ein muss ersetzen, um das Potential zu erkennen.
Die gleichen Organisationen, die die biometrisch-digitale Identität vorantreiben, treiben auch die Beseitigung der Möglichkeit des Barzahlens voran.

Nicht ganz zufällig hat die EU parallel zum Projekt der digitalen Identität auch beschlossen, ein Verbot von Barzahlungen über 10.000 Euro einzuführen, eine Obergrenze, an deren Senkung bereits vor Einführung gearbeitet wird.
Wenn Bargeldnutzung vollends kriminalisiert ist, werden die Daten, die die Bank über uns führt, jahrzehntelang aufbewahren und laufend durchforsten muss, zum detaillierten digitalen Logbuch unseres gesamten Lebens.

Und alle werden umfassend vom Wohlwollen der Regierungen abhängig.
Denn wer einen Sperrvermerk an seine digitale Identität geheftet bekommt, kann nichts mehr bezahlen und somit fast nichts mehr selbständig tun.

Diesen Sperrvermerk kann neben der jeweiligen Regierung fast weltweit auch die US-Regierung setzen, da alle international tätigen Banken aufgrund der Weltwährungsfunktion des Dollars auf die Erlaubnis angewiesen sind, in Dollar zu handeln. Deshalb trauen sie sich nicht, Sanktionsanordnungen aus Washington zu ignorieren und Geschäfte mit sanktionierten Personen, Unternehmen oder Ländern zu machen.
Aus diesem Grund ist sogar schon die Bundesbank gegenber iranischen Banken vertragsbrüchig geworden, nur um die US-Regierung nicht zu verärgern, die sich gerade entschieden hatte, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen.

Damit Sie nicht denken, jemand von Thales sei ein einmaliger Gedankenfurz entwichen, der nicht so ernst zu nehmen sei: Thales hat auch im Juni schon getitelt:

„Covid-19-Gesundheitspässe können die Tür für eine Revolution der digitalen Identität aufstoßen.“2

In dem Beitrag für die Regierungskunden des Unternehmens werden diese aufgefordert, die Pandemie als Gelegenheit zu begreifen, eine Plattform für eine ambitioniertere Digitalisierung ihrer Identitäts- und Gesundheitsnachweise zu schaffen. Und weiter:

„Um den Übergang von kurzfristiger Krisenbewältigung zu ambitionierter Neugestaltung der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen zu gestalten, kann der Gesundheitspass ausgebaut werden, zu einer umfassenden und mächtigen ID/Gesundheits-Brieftasche (wallet). Besonders bedeutsam ist, dass diese einen sicheren und intuitiven Smartphone-basierten Standort für eine Vielzahl von Identitäts- und Gesundheitsnachweisen bietet.“

Wie weit das gehen soll, alles mit der gleichen Nummer und mit allen Informationen in der gleichen Mega-Datenbank, und wie wenig Freiwilligkeit das in Wahrheit beinhaltet, zeigt sich hier:

„Im Gesundheitswesen können vorausschauende Ministerien nicht nur Impfzeugnisse, sondern auch allgemeine Gesundheits- und Versicherungsnachweise sowie Spenderausweise digitalisieren. Eine vertrauenswürdige Online-Authentifizierung öffnet auch die Tür zu effizienten und benutzerfreundlichen Diensten wie elektronischen Rezepten *) und der sicheren, nutzergesteuerten Weitergabe von Gesundheitsdaten. In ähnlicher Weise können Ministerien, die für Reiseausweise zuständig sind, die Brieftasche nutzen, um die Erstellung digitaler Begleitdokumente für physische Pässe zu erleichtern. Auf der Grundlage von ICAO-Standards werden diese digitalen Reiseausweise (DTCs) weltweit anerkannt und knnen alle vertrauenswürdigen Dokumente enthalten, die heute für grenzberschreitende Reisen unerlässlich sind.“

Ich habe bereits darüber geschrieben, dass das den nicht unerheblichen und durchaus beabsichtigten Nebeneffekt haben kann, dass die Plattform-Konzerne aus dem Silicon Valley zu Weltpassbehörden werden.

Als besonderes Bonbon stellt Thales den Regierungen noch in Aussicht, dass sie das nutzen können, um ihren Bürgern ganz direkt sagen zu können, was sie zu tun und zu lassen haben:

„Die Pandemie hat auch den Wert von sofortigen und effektiven Botschaften von öffentlichen Institutionen gezeigt. Die Brieftasche (wallet) schafft einen direkten Kommunikationskanal zwischen Regierung und Bürger über das universell verbreitete Smartphone.“

1984 rückt immer näher.

Bill Gates und die Rockefeller Stiftung wussten Bescheid

Bereits am 24. Mrz 2020 kündigte der vielleicht mächtigste Mann der Welt, Bill Gates, in einem sogenannten TED-Talk an, dass man demnächst einen digitalen Impfpass brauchen werde, um zu reisen. Das war damals noch unerhört, der entsprechende Satz wurde aus dem mehr als acht Millionen mal gesehenen Video entfernt.

Gates war von TED-Moderator Chris Anderson unter dem Titel „Wie wir auf die Coronavirus-Pandemie reagieren müssen“ befragt worden und ließ sich in gewohnt gelassener Machtpose darüber aus, was wir tun mssen. Er sagte dabei unter anderem

„Schlussendlich werden wir ein Zertifikat für die brauchen, die entweder genesen oder geimpft sind, weil wir nicht wollen, dass Menschen beliebig durch die Welt reisen, in der es Länder gibt, die es (das Virus) leider nicht unter Kontrolle haben. Man will diesen Menschen nicht die Möglichkeit komplett nehmen, zu reisen und zurückzukommen.“

Das war wohlgemerkt ganz am Anfang der Pandemie, etwa acht Monate bevor der erste Impfstoff zugelassen wurde. Und dann kam der doppelt interessante Satz:

„Deshalb wird es schlielich eine Art digitalen Immunitätsbeleg geben, der die globale Öffnung der Grenzen ermöglichen wird.“

Im offiziellen TED-Video wurde dieser eine Satz (bei Minute 34:27) um den 31.März herausgeschnitten. Er war danach noch in der etwas längeren Ursprungsversion des Videos enthalten (Minute 39:22), die jemand online gestellt hatte, solange bis der Youtube-Account des Betreffenden gelöscht wurde.
(Als ich am 11.April 2020 zum ersten mal darüber schrieb, war die Langversion mit dem zensierten Satz noch zugänglich.)

Die Rockefeller-Stiftung schrieb zur gleichen Zeit, in einem im April 2020 veröffentlichten Positionspapier zur Pandemiestrategie:

„Eine global einheitliche Identifikationsnummer für jeden soll unter dem Namen eindeutige Patienten-Identifikationsnummer eingeführt werden. Der Infektionsstatus muss für die Teilnahme an vielen sozialen Aktivitäten bekannt sein.

Dass Gates und die Rockefeller Stiftung schon so früh in der Pandemie wussten, wo es hinlaufen wrde, ist weniger ihren hellseherischen Fähigkeiten geschuldet, als ihrem Einfluss, der es ihnen ermöglicht, das zu erreichen, was sie wollen. Immerhin arbeiten sie im Rahmen von ID2020 an dem erklärten Ziel, bis 2030 jedem Erdenbürger eine biometrisch unterlegte digitale Identität zu verpassen.

Wer dabei mitmacht, macht sich schuldig

Die Verantwortlichen bei Fußballvereinen wie Borussia Dortmund oder 1.FC Köln, die ihre ungeimpften Fans aussperren, handeln nicht nur schäbig, diesen langjährigen Fans gegenüber. Sie machen sich zu Komplizen des Umbaus unserer freiheitlichen Gesellschaft in einen Kontroll- und Überwachungsstaat.

Dasselbe gilt für Hoteliers und Clubbetreiber, die zur Linderung ihrer eigenen wirtschaftlichen Not Menschen diskriminieren, die sich entschieden haben, dass ihnen das Risiko eines im Schnellverfahren entwickelten und genehmigten, völlig neuartigen Impfstoffs zu groß ist. Sie lassen es zu und befördern, dass die Regierung nach dem bewährten Teile-und-herrsche-Prinzip die Menschen gegeneinander ausspielt.

Und auch die Geimpften, die wegschauen, oder es sogar gut finden, wenn ihre ungeimpften Mitmenschen diskriminiert und gemobbt werden, sollten sich klar machen, dass sie gemeinsam mit diesen in einigen Jahren in der gleichen umfassend kontrollierten, autoritär regierten Gesellschaft leben werden, wenn es keinen Widerstand gegen dieses Treiben gibt.

Mein Kommentar: Wie schön doch die Formulierungen sind, die das Einsaugen und Klebenbleiben als freundlichen Service darstellen – was der Bürger demnchst bequem so alles können soll – als Angebot zur Inanspruchnahme !
So wie die Nazipropaganda die KZs als Ferienlager dargestellt hat. Genau so hat es im übrigen auch mit der Gesundheitstelematik angefangen.

Mit diesen Fakten muss ich meine Übersicht https://josopon.files.wordpress.com/2021/08/erosion_d_demokratie2021-08.pdf umgehend aktualisieren.

*: Mit dem neuen eRezept haben meine lieben niedergelassenen Kollegen gerade zur Zeit und auch in Zukunft „viel Spaß“!
Siehe https://josopon.wordpress.com/2021/08/21/politik-treibt-arzte-mit-it-vorgaben-aus-ihrem-beruf/

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Internationale Pandemie-„Übung“ 2019 – Wie der Lockdown nach Deutschland kam

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

paul schreyer

Sehr erhellend, was Paul Schreyer da Sensationelles herausgefunden hat. Danke an Norbert Haering für die Weiterleitung.
https://multipolar-magazin.de/artikel/wie-der-lockdown-nach-deutschland-kam
Hier werden auch Namen genannt. Das kann einem richtig Angst machen, aber nicht vor dem Corona-Virus.
Schock-Strategie_Naomi_KleinSchon Naomi Klein hatte in „Die Schock-Strategie“ beschrieben, wie schön sich der Kapitalismus jede Naturkatastrophe dienlich macht.
Von den „Maskendeals“ bis zu eigenartigen Gebaren der Europäischen Pharma-Agentur, in deren Vorstand eine ehemalige Pfizer-Lobbyistin sitzt.
Auszüge:

Ein hoher Mitarbeiter von Gesundheitsminister Jens Spahn hat im Februar 2019 an einer international besetzten Pandemie-Übung teilgenommen, die von privat finanzierten US-Institutionen organisiert wurde.
Ein Jahr später empfahl der gleiche Beamte mehreren Staatssekretären des Bundesinnenministeriums, Lockdown-Maßnahmen vorzubereiten, die in keinem offiziellen Pandemieplan enthalten waren. Auf Multipolar-Nachfrage will er sich dazu nicht äußern. Eine Recherche macht deutlich: Ein international verzweigtes Biosecurity-Netzwerk war kurz vor Ausbruch der Krise sehr aktiv.

PAUL SCHREYER, 15. Juli 2021, 6 Kommentare

Lange war unklar, auf welchem Weg die bis dahin beispiellose Idee eines Lockdowns ihren Weg in deutsche Regierungskreise fand.
Wer empfahl der Regierung die radikalen Maßnahmen, die sich in keinem amtlichen Papier zur Pandemievorsorge finden? Woher kamen die Pläne, die bis hin zu Ausgangssperren und einem Herunterfahren großer Teile der Gesellschaft reichten?

Im Frühjahr dieses Jahres brachte der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo etwas Licht in dieses Dunkel.
In dem gemeinsam mit seiner Frau, der Stern-Journalistin Katja Gloger, verfassten Buch „Ausbruch- Innenansichten einer Pandemie“ wird auf den ersten Seiten beschrieben, worüber innerhalb der Bundesregierung beraten wurde, nachdem Italien angesichts von fünf Corona-Toten am 23. Februar 2020 das chinesische Modell übernommen und ganze Städte abgeriegelt hatte:

Am Rosenmontag des Jahres 2020, es ist der 24. Februar, bittet Jens Spahns Staatssekretär Thomas Steffen um einen eiligen Termin im Bundesinnenministerium. (…) Heiko Rottmann-Groner begleitet ihn, Leiter der Unterabteilung 61: ‚Gesundheitssicherheit‘. Drei Staatssekretäre von Minister Horst Seehofer warten bereits auf die beiden, dazu weitere Beamte. (…) Staatssekretr Steffen wirkt angespannt. Er glaube nicht, dass sich Corona noch eindmmen lasse, bekennt er. (…) Jetzt gehe es in die nächste Phase, die Mitigation, Schadenminderung. Als die Beamten aus dem Innenministerium wissen wollen, was ‚Mitigation‘ genau bedeute, übernimmt Rottmann-Groner. Man müsse die Vorkehrungen dafr treffen, dass es zu Ausgangssperren von unbestimmter Dauer komme. Man müsse auch, wie es spter in einem Vermerk über das Gespräch heißen wird, ‚die Wirtschaft lahmlegen sowie die Bevölkerung auffordern, sich Lebensmittelvorräte und Arzneimittelvorräte anzulegen‘. ‚Lockdown‘ wird so etwas bald genannt werden, aber an diesem Rosenmontag wird noch ein anderes Wort verwendet: Es lautet ‚Abschaltung‘.

Im umfangreichen Nationalen Pandemieplan der Bundesrepublik Deutschland von 2017 (hier Teil 1 und Teil 2) ist von solchen Maßnahmen allerdings keine Rede.
Darin werden lediglich viel zurückhaltendere Schritte, wie die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen und eine Beschränkung oder ein Verbot großer Veranstaltungen empfohlen. Schulschließungen betrachtet der Pandemieplan sehr differenziert und diskutiert sie nur unter zahlreichen Vorbehalten. Von Grenzschließungen wird klar abgeraten.
Auch das „Social Distancing“ in der Öffentlichkeit mit fest definierten Abständen (1,50 Meter) findet sich an keiner Stelle als Empfehlung, ebensowenig Ausgangssperren oder gar ein Lahmlegen der Wirtschaft.

Woher also stammten die von Rottmann-Groner vorgetragenen, ungewöhnlich radikalen Empfehlungen? Hatte ihn jemand entsprechend beraten? Wenn ja, wer?
Auf Nachfrage von Multipolar hielt sich der Beamte dazu bedeckt. Er könne das Interesse zwar grundsätzlich nachvollziehen, könne die Buch-Passage aber nicht kommentieren, was nicht heiße, dass er die Darstellung im Buch selbst so bestätigen würde oder hierzu weitergehende Einschätzungen geben könnte.
Eine Nachfrage, ob er zumindest sein Schweigen zur Sache begründen wolle und somit erklären, warum an dieser entscheidenden Stelle keine Transparenz hergestellt werde, ließ er unbeantwortet.

Wer ist Heiko Rottmann-Groner?

Der Ministerialbeamte kommt aus dem Umfeld der Merkel-Vertrauten Hildegard Müller, einer Bankerin, die in die Politik wechselte.
Zunächst leitete er deren Abgeordnetenbüro im Bundestag, dann ab 2005, nach ihrem Aufstieg zur Staatsministerin ins Kanzleramt, ihr dortiges Büro, wo Müller für die neugewählte Bundeskanzlerin die Bund-Länder-Beziehungen koordinierte.
Müller, deren politischer Aufstieg von der Dresdner Bank mitfinanziert wurde, gehörte zum kleinen Kreis innerhalb der CDU, auf den Merkel sich wirklich verlassen konnte, wie der Spiegel seinerzeit einschätzte.

Nachdem Müller die Politik wieder verlie und Lobbyistin wurde, setzte Rottmann-Groner seine Karriere unter ihrem Nachfolger Hermann Gröhe fort, dessen Büro im Kanzleramt er ebenso leitete, wie anschließend sein Büro als CDU-Generalsekretär. Nachdem Gröhe 2013 von Merkel zum Gesundheitsminister gemacht wurde, beförderte er Rottmann-Groner zum Chef des Leitungsstabs dieses Ministeriums.
Als Gröhe Anfang 2018, nach der Bundestagswahl, dann auf Druck der Kanzlerin Jens Spahn Platz machen musste, gelangte Rottmann-Groner auf seinen heutigen Posten als Leiter der Unterabteilung für Gesundheitssicherheit und damit an eine Schlüsselstelle in der Corona-Krise.

Der Begriff Gesundheitssicherheit wurde schon vor der Krise schrittweise mit Bedeutung und administrativem Gewicht aufgeladen.
Während es dazu 2017 lediglich ein kleines Referat im Ministerium gegeben hatte, erweiterte Spahn dies zunächst zu einer Unterabteilung und schlielich sogar zu einer vollständigen eigenen Abteilung der höchsten Gliederungsebene im Ministerium.
Diese Abteilung wurde ab März 2020 von einem Bundeswehrgeneral geleitet, ein markantes Novum im Gesundheitsministerium.
Spahn erklärte zu dessen Ernennung in einem Nebensatz, dass die Abteilung bereits Ende 2019 geplant worden war, also vor Ausbruch der Krise.

Eine Pandemie-Übung in München 2019

Was bisher nicht bekannt war: Der gleiche Ministerialbeamte, der der Bundesregierung im Februar 2020 die Lockdown-Manahmen empfahl, hatte ein Jahr zuvor als deutscher Vertreter an einem hochrangig besetzten Pandemie-Planspiel teilgenommen, das von privat finanzierten US-Institutionen organisiert worden war.
Dort begegnete er dem Who is who der internationalen Biosecurity-Szene, einer kleinen Gruppe von Lobbyisten und Fachleuten, die seit dem globalen Schock der Trump-Präsidentschaft im Jahr 2017 wieder verstärkt und mit viel Sponsorengeldern vor Pandemien und Bioterror warnten und politische Entscheidungsträger aus vielen Lndern der Welt in entsprechende Planspiele einspannten.

Die bekanntesten dieser Übungen sind Event 201 im Oktober 2019 in New York und Clade X im Mai 2018 in Washington.
Bislang kaum bekannt ist dagegen die zeitlich dazwischen liegende Übung, die am 14. Februar 2019, einen Tag vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, in München stattfand.
Rottmann-Groner, Spahns Unterabteilungsleiter für Gesundheitssicherheit, traf dort auf Schlüsselpersonen der internationalen Biosecurity-Szene, die in der breiten ffentlichkeit jedoch kaum bekannt sind. Darunter waren:

  • Chris Elias, bei der Gates Foundation Präsident der Abteilung für Globale Entwicklung, zust#ndig unter anderem für Impfstoff-Auslieferung, sowie wenige Monate später Mitspieler von Event 201
  • Tim Evans, Mitgründer der Impfallianz GAVI, ehemals Mitarbeiter der Rockefeller Foundation, von 2003 bis 2010 in der Führungsebene der WHO sowie von 2013 bis 2019 bei der Weltbank als Direktor für Gesundheit, Ernährung und Population Global Practice und ebenfalls Mitspieler von Event 201
  • Jeremy Farrar, Direktor des umgerechnet mehr als 30 Milliarden Dollar schweren Wellcome Trust, einer britischen Stiftung zur globalen Gesundheitsförderung, die politisch ähnlich aktiv und mächtig ist wie die Gates Foundation; Farrar und Elias sind zudem gemeinsam mit Christian Drosten seit 2017 Mitglieder eines Gremiums, das die Bundesregierung in Fragen internationaler Gesundheitspolitik berät
  • Jeremy Jurgens, ein Amerikaner aus der Leitungsebene des World Economic Forum, dort Direktor für Global Industries and Strategic Intelligence

Das Bild oben zeigt einen Ausschnitt des Gruppenpanoramas der Teilnehmer, entnommen dem Abschlussbericht der Übung. Zu sehen sind Elias (3.v.l.), Evans (6.v.l., ganz hinten), Farrar (4.v.r.) und Rottmann-Groner (2.v.r.).
Eine der Hauptverantwortlichen für die Planung der Übung, Beth Cameron, steht ganz links.

Cameron, das Pentagon und die Nuclear Threat Initiative

Cameron ist ebenfalls eine Schlüsselfigur der Szene. Sie arbeitete von 2010 bis 2013 im Pentagon als Direktorin der Abteilung für Cooperative Threat Reduction und wechselte dann ins Weiße Haus in den Nationalen Sicherheitsrat, als Direktorin für Global Health Security and Biodefense. Diese Abteilung, die erst unter US-Prsident Barack Obama 2016 geschaffen worden war, wurde von Trumps Sicherheitsberater John Bolton 2018 schon wieder aufgelöst. Daraufhin wechselte Cameron zur privaten Lobbygruppe Nuclear Threat Initiative (NTI).

Diese Gruppierung, gegründet 2001 mit dem Geld des CNN-Gründers und Milliardärs Ted Turner, unter Beteiligung der Ex-US-Auenminister George Shultz und Henry Kissinger, setzte sich zunächst vor allem für eine atomwaffenfreie Welt ein. In den folgenden Jahren erweiterte sie allerdings ihr Aufgabenfeld auf andere Arten von Sicherheitsbedrohungen, darunter Biosecurity, also die Gefahr von Bioterror und Pandemien. Diesen Bereich leitete Cameron. Finanziert werden die Aktivitäten dazu unter anderem vom Milliardär und Facebook-Mitgründer Dustin Moskovitz (zugleich einem der größten Finanziers der Präsidentschaftswahlkmpfe von Hillary Clinton und Joe Biden) sowie von Bill Gates.

Vorsitzender der NTI war der ehemalige US-Senator Sam Nunn, der von 1987 bis 1995 den mächtigen Verteidigungsausschuss des Senats leitete. Als Ausschussvorsitzender nahm er Anfang der 1990er Jahr großen Einfluss auf die atomare Abrüstung der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Formal repräsentierte er in seiner Senatsfunktion die parlamentarische Kontrolle über das Pentagon, real hingegen stand Nunn, Ehemann einer CIA-Agentin, dort an einer überaus heiklen Schnittstelle zwischen der demokratischen Überwachung des Militärs auf der einen Seite und den Interessen der Generäle sowie der Rüstungsindustrie andererseits. Nunn hatte auch am Bioterror-Planspiel Dark Winter im Juni 2001 teilgenommen und dort den US-Präsidenten gespielt.

Das von ihm geleitete NTI steckte auch hinter dem Pandemie-Planspiel in München im Februar 2019. Der US-Politiker nahm persönlich teil. Deutlich wird: Beim Thema Biosecurity und Gesundheitssicherheit existiert eine enge personelle Verflechtung mit dem US-Militär und dem amerikanischen Sicherheitsapparat. Die Sicherung der globalen Gesundheit ist ein Begriff, hinter dem sich auch Machtinteressen und das Ringen um internationalen Einfluss verbergen. Dazu passt, dass Beth Cameron, eine der Organisatoren des Planspiels, zwei Jahre später im Januar 2021 erneut zum Direktor der unter Präsident Biden nun wieder aktivierten Abteilung für Globale Gesundheitssicherheit im Nationalen Sicherheitsrat wurde.

Bill Gates als Ideengeber

Die Übung in Mnchen war offenbar von Bill Gates inspiriert, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz des Jahres 2017 erklärt hatte, dass die nächste Epidemie auf dem Computerbildschirm eines Terroristen entstehen könnte, der mit Hilfe von Gentechnik einen extrem ansteckenden und tödlichen Grippeerreger erzeugen will. Man müsse sich daher auf Epidemien so vorbereiten, wie das Militär auf einen Krieg. Dazu gehörten Planspiele (Gates: Germ Games) und andere Notfallübungen. Im Abschlussbericht zur bung 2019 wurde aus Gates‘ damaliger Rede wörtlich zitiert: Wir ignorieren die Verbindung zwischen Gesundheitssicherheit und internationaler Sicherheit auf unsere eigene Gefahr. (PDF, S. 3)

Lungenpest als Biowaffe

In München ging es im Februar 2019 um eine Lungenpest-Pandemie, deren Erreger laut Szenario mutwillig verbreitet worden war und zu grippehnlichen Symptomen und einem raschen Tod führte. Der Erreger verbreitete sich durch die Luft. Die Organisatoren des Planspiels kamen dabei in ihrem, einige Monate später, im Juni 2019 veröffentlichten Abschlussbericht zu den üblichen Empfehlungen: mehr internationale Zusammenarbeit, engere Abstimmung und zentrale Koordination seien im Notfall angebracht. Dies bedeutete automatisch immer auch eine leitende Rolle der USA im Pandemiefall, die die gesamten Planungen ja vorantrieb.

Im Drehbuch der Übung ging es um Bioterror, doch auch natürliche Pandemien wurden mitgedacht, denn man sprach allgemeiner von biologischen Ereignissen mit hoher Konsequenz. Im Bericht hieß es zum fiktiven Krisenverlauf:

Da sich die Flle in Europa und den USA ausbreiten, erklärt die WHO einen internationalen Gesundheitsnotstand, und der Premierminister von Vestia [der fiktive Schauplatz] bittet den Generalsekretär der Vereinten Nationen um eine Untersuchung des möglichen Einsatzes einer biologischen Waffe. Im weiteren Verlauf des Szenarios wird der Erreger sequenziert [laut
Drehbuch vom Robert Koch-Institut; P.S.] und es stellt sich heraus, dass er gentechnisch hergestellt wurde und gegen Antibiotika resistent ist. Das Szenario endet damit, dass sich eine terroristische Gruppe zu dem Anschlag bekennt und Geheimdienstberichte diese Gruppe mit einem möglichen staatlichen Sponsor in Verbindung bringen. Das komplexe Szenario wurde entwickelt in Anlehnung an jüngste Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Syrien und vergangenen und aktuellen Ebola-Krisen.

Vertrauliche Gespräche

Was die Teilnehmer der Übung in München konkret miteinander besprachen, ist nicht bekannt. Die Veranstaltung fand laut Abschlussbericht unter der sogenannten Chatham House Rule statt, die zum Beispiel auch bei den Bilderberg-Treffen gilt und wonach sich die Anwesenden verpflichten, Geheimhaltung darüber zu wahren, wer was gesagt hat. Ziel ist es, einen möglichst offenen Austausch zu ermöglichen. Somit ist unklar, welche Gespräche Spahns Beamter dort genau geführt hat.

In jedem Fall schuf die Veranstaltung aber den Rahmen, sich persönlich kennen zu lernen und Verbindungen zu knüpfen, die sich in der Folge nutzen ließen. Anzunehmen ist, dass Rottmann-Groner spätestens seit Februar 2019 eine persönliche Verbindung zu Personen wie Chris Elias, Tim Evans, Jeremy Farrar oder Beth Cameron unterhlt allesamt Funktionsträger, die man zum globalen Führungszirkel der Pandemic Preparedness zählen darf. Diese Verbindung ist insbesondere deshalb anzunehmen, da gerade Deutschland nach dem Willen dieser Akteure international eine Vorreiterrolle bei der globalen Gesundheitspolitik bernehmen soll. Chris Elias von der Gates Foundation, Jeremy Farrar vom Wellcome Trust, Christian Drosten und die übrigen Mitglieder der oben schon kurz erwähnten internationalen Beratergruppe der Bundesregierung formulierten das im Juni 2019 ganz offen:

Das Mantra für unsere deutschen Kolleginnen und Kollegen lautete ‚Seid ehrgeizig‘. Wir haben große Erwartungen an Deutschland, das als führende Wirtschaftsmacht weltweit an vierter Stelle steht und laut deutscher Regierung eine größere globale Verantwortung übernehmen muss. Wir glauben, dass sich das Thema globale Gesundheit bestens eignet, um die Werte, Fähigkeiten und Entschlossenheit Deutschlands wirkungsvoll zu bündeln und so die Menschenrechte, den Multilateralismus, die humanitäre Hilfe und eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen und auszubauen. Natürlich wollen wir, dass Deutschland noch mehr tut vor allem in der Politik, in der Entwicklungsfinanzierung und bei der Unterstützung globaler Institutionen, insbesondere der WHO. Wir glauben, dass die EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 ein idealer Zeitpunkt dafür sein könnte. (…) Wir hoffen sehr, dass unsere Arbeit zu einer stärkeren Vorreiterrolle Deutschlands in der globalen Gesundheitspolitik beitragen wird.

Mit dabei: Lothar Wieler vom RKI

Rottmann-Groner war dafür offenbar einer der Ansprechpartner, unter mehreren. Beim Planspiel in München war er jedenfalls nicht der einzige Vertreter Deutschlands. Im Text des veröffentlichten Abschlussberichts bleibt es zwar unerwähnt, es ist aber dennoch auf einem darin enthaltenen Foto zu sehen: RKI-Präsident Lothar Wieler war ebenfalls zugegen. Man sieht ihn dort scherzend mit der Organisatorin Beth Cameron (links im Bild; Quelle: Abschlussbericht, S. 5).

Wieler gehörte offenbar zu einer kleinen Riege von Beobachtern, die nicht aktiv, aber als Zuschauer an dem Planspiel teilnahmen was auch auf einem anderen Bild deutlich wird, auf dem Wieler neben Cameron und direkt hinter dem Moderator, dem NTI-Co-Vorsitzenden Ernest Moniz sitzt, einem ehemaligen Minister unter Bill Clinton.

Wieler, der Öffentlichkeit als väterlicher Krisenbegleiter aus dem Fernsehen vertraut und von Kritikern oft als vermeintlich wenig kompetenter Tierarzt belächelt, ist weitaus besser vernetzt, als allgemein bekannt. Laut dem eingangs erwähnten Buch von Mascolo und Gloger sind Wieler und der Chef des Bundesnachrichtendienstes alte Freunde (S. 21).
Der RKI-Prsident und der ein Jahr jüngere BND-Präsident Bruno Kahl kennen sich demnach seit Studienzeiten und rudern bis heute gemeinsam auf dem Wannsee, Achter mit Steuermann.

Wieler spielt auch international eine Rolle. Im Juni 2019, nur wenige Monate nach dem Planspiel in München, wurde er zum Co-Vorsitzenden der Working Group on Influenza Preparedness and Response der WHO berufen.
Im September 2020 hob man ihn zustzlich an die Spitze des International Health Regulation Review Committee und damit auf eine politisch außerordentlich brisante Schlüsselposition, vor allem mit Blick auf den derzeit geplanten Internationalen Pandemievertrag.

Pandemie-Planspiele im Dezember 2019 und Februar 2020

Deutschlands stärkere Vorreiterrolle ist aktiv vorangetrieben worden. Die Übung in München im Februar 2019 war dabei nur ein Aspekt.
Drei Monate später, im Mai 2019, lud die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu einer Konferenz zu Globaler Gesundheit und grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren ein, an der neben Farrar und Drosten auch Merkel und Spahn sowie WHO-Chef Tedros teilnahmen (Videomitschnitt hier).
Unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Krise wurde daran angeknüpft, mit einem Pandemie-Planspiel in New York im Dezember (!) 2019, das ein spter verffentlichter NTI-Bericht allerdings nur am Rande erwähnt und so beschreibt (PDF, S. 9):

Diese Version der Übung beinhaltete ein tieferes Eintauchen in die Abschreckung und Vorbeugung von katastrophalen biologischen Risiken durch möglicherweise staatlich gefrderte Biowaffenforschung, einschließlich der versehentlichen und vorsätzlichen Freisetzung von biologischen Waffen.

Dazu würde man gern mehr erfahren, vor allem angesichts des erstaunlichen Timings. Veröffentlicht ist jedoch lediglich eine Teilnehmerliste (PDF, S. 24) dieses New Yorker Planspiels.
Auf dieser Liste findet sich unter anderem die Event 201-Mitspielerin, Ex-Vize-CIA-Chefin und heutige Direktorin der US-Geheimdienste Avril Haines.

Die New Yorker Übung diente laut NTI der Vorbereitung eines weiteren Bioterror-Planspiels in München, wiederum im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz, die im Folgejahr 2020 vom 14. bis 16. Februar stattfand, also exakt, whrend das reale Coronavirus sich gerade in Asien ausbreitete.
Laut Drehbuch ging es diesmal um einen im Labor scharfgemachten Influenzavirus, mit dem sich in der Folge mehrere Milliarden Menschen ansteckten.
Es existiert zu dieser Übung ein kurzer Bericht der Veranstalter sowie ein ausführlicher Abschlussreport. Aus der deutschen Politik war bei diesem Planspiel allerdings niemand mehr eingeladen.
Ob Wieler oder andere deutsche Behrdenvertreter als Beobachter teilnahmen, ist nicht bekannt.

Zehn Tage später empfahl Heiko Rottmann-Groner dem Bundesinnenministerium die Einführung von Lockdown-Maßnahmen in Deutschland.
Wer ihm diese nahebrachte, bleibt weiterhin offen.

Weitere Artikel zum Thema:

Dazu auch ganz aktuell „Pandemie-Spiele für Plutokraten“ https://www.nachdenkseiten.de/?p=74330

Hier ist der erwähnte LTI-Report gespeichert: NTI_Paper_A_Spreading_Plague_FINAL_061119
Ich habe über diese Zusammenhänge bereits eine Übersicht erstellt, siehe hier:

https://josopon.wordpress.com/2021/03/16/erosion-der-demokratie-durch-gezielte-meinungsmache-korruption-und-volksverdummung-eine-zusammenschau/
Diese Seite wird gelegentlich aktualisiert:
Erosion_d_Demokratie2021-08https://josopon.files.wordpress.com/2021/03/erosion.pdf
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Syrien und der verzweifelte Versuch des Westens, den Aufstieg Chinas aufzuhalten

Das Portal Justice Now! zeigt eine bemerkenswerte Übersicht, in der Dinge und Menschen beim Namen genannt werden. Kaum 1 Tag ist dieser Beitrag alt, da erfüllt Netanjahu mit der Vorlage neuer Vorwürfe gegen den Iran die nächste Voraussage. So glaubwürdig wie 2003 die Massenvernichtungswaffen im Irak oder die letzten angeblichen Giftgaseinsätze der syrischen Armee:
http://justicenow.de/2018-04-29/syrien-und-der-verzweifelte-versuch-des-westens-den-aufstieg-chinas-aufzuhalten/

Nein_zur_Nato_DDR1957Zu dem Thema habe ich hier schon 2015 geschrieben: https://josopon.wordpress.com/2015/10/09/terroristen-aufpappeln-konstanten-westlicher-weltpolitik-zynismus-und-unerbittliches-dominanzstreben/

Auszüge:

Die bröckelnde Macht des US-Empire

By Middle East Eye *) 29/04/2018

Der Westen hat sein beispielloses Waffenarsenal nur aus einem einzigen Grund aufgebaut zur Sicherung seiner Vorherrschaft in der Welt. In Syrien wird es wahrscheinlich zum Einsatz kommen. Doch dieses Mal wird es gegen einen Gegner sein, der sich tatsächlich zu wehren weiß.

Der koloniale, imperialistische Geist des Nachkriegskapitalismus wurde zum Teil verschleiert durch die formale politische Unabhängigkeit der fast gesamten ehemals kolonisierten Welt. Mit ihrem eindeutigen Vorsprung in technologischen Fähigkeiten benötigten die Nationen des kapitalistischen Westens keine direkte Beherrschung mehr, um von ihnen dominierte Märkte für ihre Waren und ihr Kapital zu garantieren.

Ohne die Notwendigkeit direkter politischer Kontrolle waren die ehemaligen Kolonien im höchsten Maße abhängig von den Produkten, Finanzen und Technologien der imperialistischen Welt diese Abhängigkeit wurde gestärkt durch ökonomische Erpressung vermittels internationaler Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank, wo möglich, und durch militärische Gewalt gegen widerständige Nationen, wo nötig.

Mehr militärische Gewalt

Mit Beginn des neuen Jahrtausends ist dieses Abhängigkeitverhltnis jedoch entscheidend erodiert.
Insbesondere hat der Aufstieg Chinas das westliche Monopol auf Finanzierung und Marktzugang für den globalen Süden vollständig zerstört: Die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sind nicht länger angewiesen auf den US-Markt für ihre Güter und auf die Weltbank für Kredite zur Entwicklung ihrer Infrastruktur.

China ist jetzt ein alternativer Anbieter für all diese Dinge und das mit deutlich besseren Konditionen, als sie vom Westen angeboten werden.
In Zeiten der andauernden wirtschaftlichen Stagnation ist dieser Verlust ihrer (Neo-)Kolonien für die kapitalistischen Nationen im Westen jedoch vollkommen inakzeptabel und bedroht das gesamte mit Bedacht geschaffene System globaler Erpressung, auf welches sich ihr eigener Wohlstand gründet.

Da der Westen zunehmend nicht mehr in der Lage ist, sich alleine auf ökonomischen Zwang zu verlassen, um die Länder in seinem Einflussbereich zu halten, setzt er daher mehr und mehr auf militärische Gewalt.

Die USA, Großbritannien und Frankreich waren tatsächlich seit dem Vorabend des neuen Jahrtausends permanent im Krieg: Es begann mit Jugoslawien, und ging weiter nach Afghanistan, Irak, Libyen, Mali, Syrien und Jemen (ganz zu schweigen von Stellvertreterkriegen wie im Kongo oder dem Drohnenkrieg, der in Pakistan, Somalia und anderswo wütet).

In jedem dieser Fälle war das Ziel dasselbe: die Möglichkeit eigenständiger Entwicklung zu vereiteln.
Es ist bezeichnend für diese neue Epoche schwindender ökonomischer Macht, dass einige der Kriege gegen Staaten geführt wurden, deren Anführer die USA einst in der Tasche hatten (Irak und Afghanistan) oder von denen sie hofften, sie kaufen zu können (Syrien und Libyen).

War die weltweite Vorherrschaft des Westens einmal zumindest in Teilen Ergebnis der ökonomischen Überlegenheit, so verlsst sich der Westen heute zunehmend vor allem auf seine militärische Macht. Und selbst diese militärische Überlegenheit schwindet jeden Tag.

Die bröckelnde Macht des US-Empire

Die Vorhersagen über die Zeitspanne, bis die chinesische Wirtschaft die der USA überholt, verkürzen sich immer weiter.
Im Jahr 2016 wuchs der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft auf 15 Prozent, während der Anteil der USA 25 Prozent betrug.
Mit einer mehr als dreimal so großen Wachstumsrate wie die der USA wird dieser Abstand jedoch schnell schwinden.
Mit der jetzigen Wachstumsrate wird China die USA 2026 überholen.

Einige Gelehrte argumentieren sogar, dass die chinesische Wirtschaft nach Anpassungen bezüglich Kaufkraftparität und Preisunterschieden bereits heute größer ist als die der USA.
Des Weiteren ist das Produktionsvolumen Chinas bereits seit einer Dekade größer als das der USA, die Exporte sind um ein Drittel größer und die Zahl der jährlichen Hochschulabsolventen ist doppelt so groß wie die der USA.

Solche Entwicklungen sind jedoch nicht nur ökonomisch bedeutsam: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die ökonomische Überlegenheit auch in militärische Überlegenheit übersetzt.
Dies gibt den USA und ihren Mitläufern ein ständig schrumpfendes Zeitfenster, in dem sie ihre militärische Überlegenheit tatsächlich nutzen können, um ihre bröckelnde globale Macht zu bewahren.

Regime-Change-Spielverderber

Verständlicherweise besteht die Strategie darin, einen direkten Krieg mit China und seinem wichtigsten Verbündeten, Russland, zu vermeiden und stattdessen deren tatsächliche oder vermeintliche Verbündete unter jenen Staaten auszuschalten, die sich selbst kaum verteidigen können.
Doch Russlands Rolle als Spielverderber in der Regime-Change-Operation in Syrien hat den USA gezeigt, dass dies möglicherweise nicht länger möglich ist.

Die Frage, wie mit Russland umzugehen sei, führte zu einem Riss in der herrschenden Klasse der USA: Während die eine Fraktion die Trump-Fraktion Russlands Zustimmung zu Kriegen gegen Iran und China erkaufen möchte, möchte die andere Fraktion die Clinton-Fraktion einfach in Russland selbst einen Regime Change durchsetzen.**)

Im Mittelpunkt beider Strategien steht der Versuch, die Allianz zwischen Russland und China zu brechen. Im Falle von Clinton, indem China von Russland weggezogen wird, und im Falle von Trump, indem Russland von China weggezogen wird.

Der Punkt an der Sache ist jedoch, dass keine der beiden Strategien funktionieren wird aus dem einfachen Grund, dass ein Brechen der China-Russland-Achse darauf abzielt, beide Länder zu schwächen. Selbst wenn Putin für den richtigen Preis etwa die Aufhebung der Sanktionen oder die Anerkennung der russischen Souveränität über die Krim bereit wäre, den Iran oder China zu opfern, ist es ausgeschlossen, dass der US-Kongress es Trump erlaubt, diesen Preis zu zahlen.

Trump würde liebend gerne anbieten, die Sanktionen aufzuheben doch dies liegt nun einmal nicht in seiner Macht.
Er kann maximal Beschwichtigungspillen anbieten, wie den Abzug aus Syrien, oder Vorwarnungen bei Luftangriffen auf Verbündete Russlands, also kaum genug, um Russland hin zum selbstmörderischen Bruch seiner Allianzen mit seinen wichtigsten Verbündeten zu locken.

Der undenkbare Krieg

Dieses Rätsel setzt das Undenkbare offen auf die Agenda: ein direkter Krieg mit Russland. Der letzte Monat hat eindeutig gezeigt, wie schnell sich die Lage dorthin entwickeln kann.
Der von den Briten sorgsam dosierte Versuch, einen weltweiten diplomatischen Bruch mit Russland herbeizuführen, kann jetzt klar als Vorspiel des geplanten und möglicherweise noch kommenden Krieges mit Russland auf den Schlachtfeldern Syriens verstanden werden.

Russia vows to shoot down any and all missiles fired at Syria. Get ready Russia, because they will be coming, nice and new and smart! You shouldnt be partners with a Gas Killing Animal who kills his people and enjoys it!

Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 11. April 2018

Dieses Szenario scheint vorerst abgewendet durch Russlands Weigerung, sich darauf einzulassen, sowie der Angst des Westens, eine solche Operation angesichts der direkten Drohungen Russlands durchzuführen. Doch solche Zwischenfälle werden wahrscheinlich zunehmen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Russland auf die Probe gestellt wird.

Es braucht keine große Fantasie, um zu erkennen, wie der Syrienkrieg zur großen Eskalation führen könnte: Eigentlich ist es sogar schwerer sich vorzustellen, wie es nicht dazu kommen sollte.

In Washington wird viel darüber geredet, den Iran in Syrien zu konfrontieren, und die jüngsten Angriffe Israels auf iranische Stellungen in Syrien zeigen, dass die israelische Regierung alles daransetzt, diese Konfrontation in Gang zu bringen, mit oder ohne amerikanische Zustimmung.

Einmal ins Rollen gebracht, kann ein iranisch-israelischer Konflikt sehr schnell auch Russland und die USA mit hineinziehen.
Es kann wohl kaum erwartet werden, dass Russland mit ansieht, wie Israel die russischen Erfolge der letzten zweieinhalb Jahre zerstört und gleichzeitig die Schwäche des russischen Schutzes vorführt.
Russland würde vermutlich Gegenschläge gegen Israel durchführen oder, zumindest was wahrscheinlicher ist, die russischen Verbündeten mit den Mitteln ausstatten, dies zu tun.

Putin hat Netanjahu letzte Woche gewarnt, er könne nicht länger erwarten, ungestraft Syrien anzugreifen. Und wenn dann erst einmal israelische Soldaten durch russische Waffen sterben, ist es nur schwer vorstellbar, dass sich die USA nicht einmischen würden.

Dies ist nur eines der möglichen Szenarien für eine Eskalation, die zu einem Krieg mit Russland führen.
Der Wirtschaftskrieg gegen China läuft bereits, und amerikanische Kriegsschiffe bereiten sich darauf vor, Chinas Nachschublinien im Südchinesischen Meer zu durchbrechen.

Jede einzelne Provokation könnte oder könnte nicht zu einem direkten Showdown mit einer oder beiden Großmächten führen. Es ist hingegen völlig klar, dass dies die Richtung ist, in die sich der westliche Imperialismus bewegt.

Der Westen hat sein beispielloses Waffenarsenal nur aus einem einzigen Grund aufgebaut: zur Sicherung seiner Vorherrschaft in der Welt.
Und die Zeit, in der er es einsetzen muss, wenn er denn noch die Chance auf einen Sieg haben will, ist bald gekommen doch dieses Mal wird es gegen einen Gegner sein, der sich tatsächlich zu wehren weiß.

*) Middle East Eye ist ein 2014 in London gegründetes Online-Newsportal, das auf Englisch und Franzsisch ber smtliche Themen rund um den Nahen und Mittleren Osten berichtet. Es ist unabhngig finanziert und keiner Regierung oder Bewegung angegliedert. MEE verfgt ber ein groes Netzwerk an Aktivisten und Reportern vor Ort und bietet daher authentische Einblicke in die Konflikte der Region.
Neben Al Jazeera und The New Arab ist MEE Teil des jüngsten Soft-Power-Kriegs im Zuge der Katar-Krise, die Internetpräsenz des Portals ist daher in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien geblockt.

**) Vergleiche dazu Daniele Gansers Vortrag bei einer Veranstaltung der NachDenkSeiten kurz nach der Wahl Donald Trumps:


Jochen

Neue Seidenstraße – Eine Parallelstruktur zu NATO, WTO, IWF und Weltbank baut sich auf –  „the future geopolitical Big Bangness of it all“ – Original in Englisch

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein echtes Gegengewicht, u.a. zur militärisch-finanzkapitalistisch dominierten USA-Hemisphäre hat sich gegründet- den meisten westlichen Medien ist es entgangen.  Nicht so der linksliberalen Onlinezeitung „The Nation“. Die sparwahn-tyrannisierte Schäuble-EU wird übergangen.

Leider ist der Artikel auf Englisch – Gute Übersetzungen, keine automatischen, sind willkommen. Wichtig sind auch die letzten kapitel, die die Auswirkungen auf das militärische Gleichgewicht behandeln !
Näheres hier:
http://www.thenation.com/article/the-geopolitical-big-bang-you-probably-dont-see-coming/

The Geopolitical Big Bang You Probably Don’t See Coming

China and Russia are gearing up to create an economic zone beyond Washington’s reach.

Let’s start with the geopolitical Big Bang you know nothing about, the one that occurred just two weeks ago.
Here are its results: from now on, any possible future attack on Iran threatened by the Pentagon (in conjunction with NATO) would essentially be an assault on the planning of an interlocking set of organizations — the BRICS nations (Brazil, Russia, India, China, and South Africa), the SCO (Shanghai Cooperation Organization), the EEU (Eurasian Economic Union), the AIIB (the new Chinese-founded Asian Infrastructure Investment Bank), and the NDB (the BRICS’ New Development Bank) — whose acronyms you’re unlikely to recognize either. Still, they represent an emerging new order in Eurasia.
Tehran, Beijing, Moscow, Islamabad, and New Delhi have been actively establishing interlocking security guarantees. They have been simultaneously calling the Atlanticist bluff when it comes to the endless drumbeat of attention given to the flimsy meme of Iran’s “nuclear weapons program.”

And a few days before the Vienna nuclear negotiations finally culminated in an agreement, all of this came together at a twin BRICS/SCO summit in Ufa, Russia — a place you’ve undoubtedly never heard of and a meeting that got next to no attention in the U.S.
And yet sooner or later, these developments will ensure that the War Party in Washington and assorted neocons (as well as neoliberalcons) already breathing hard over the Iran deal will sweat bullets as their narratives about how the world works crumble.

THE EURASIAN SILK ROAD

With the Vienna deal, whose interminable build-up I had the dubious pleasure of following closely, Iranian Foreign Minister Javad Zarif and his diplomatic team have pulled the near-impossible out of an extremely crumpled magician’s hat: an agreement that might actually end sanctions against their country from an asymmetric, largely manufactured conflict.

Think of that meeting in Ufa, the capital of Russia’s Bashkortostan, as a preamble to the long-delayed agreement in Vienna. It caught the new dynamics of the Eurasian continent and signaled the future geopolitical Big Bangness of it all.
At Ufa, from July 8th to 10th, the 7th BRICS summit and the 15th Shanghai Cooperation Organization summit overlapped just as a possible Vienna deal was devouring one deadline after another.

Consider it a diplomatic masterstroke of Vladmir Putin’s Russia to have merged those two summits with an informal meeting of the Eurasian Economic Union (EEU). Call it a soft power declaration of war against Washington’s imperial logic, one that would highlight the breadth and depth of an evolving Sino-Russian strategic partnership.
Putting all those heads of state attending each of the meetings under one roof, Moscow offered a vision of an emerging, coordinated geopolitical structure anchored in Eurasian integration. Thus, the importance of Iran: no matter what happens post-Vienna, Iran will be a vital hub/node/crossroads in Eurasia for this new structure.

If you read the declaration that came out of the BRICS summit, one detail should strike you: the austerity-ridden European Union (EU) is barely mentioned. And that’s not an oversight. From the point of view of the leaders of key BRICS nations, they are offering a new approach to Eurasia, the very opposite of the language of sanctions.

Here are just a few examples of the dizzying activity that took place at Ufa, all of it ignored by the American mainstream media. In their meetings, President Putin, China’s President Xi Jinping, and Indian Prime Minister Narendra Modi worked in a practical way to advance what is essentially a Chinese vision of a future Eurasia knit together by a series of interlocking “new Silk Roads.” Modi approved more Chinese investment in his country, while Xi and Modi together pledged to work to solve the joint border issues that have dogged their countries and, in at least one case, led to war.

The NDB, the BRICS’ response to the World Bank, was officially launched with $50 billion in start-up capital. Focused on funding major infrastructure projects in the BRICS nations, it is capable of accumulating as much as $400 billion in capital, according to its president, Kundapur Vaman Kamath. Later, it plans to focus on funding such ventures in other developing nations across the Global South — all in their own currencies, which means bypassing the U.S. dollar. Given its membership, the NDB’s money will clearly be closely linked to the new Silk Roads. As Brazilian Development Bank President Luciano Coutinho stressed, in the near future it may also assist European non-EU member states like Serbia and Macedonia. Think of this as the NDB’s attempt to break a Brussels monopoly on Greater Europe. Kamath even advanced the possibility of someday aiding in the reconstruction of Syria.

You won’t be surprised to learn that both the new Asian Infrastructure Investment Bank and the NDB are headquartered in China and will work to complement each other’s efforts. At the same time, Russia’s foreign investment arm, the Direct Investment Fund (RDIF), signed a memorandum of understanding with funds from other BRICS countries and so launched an informal investment consortium in which China’s Silk Road Fund and India’s Infrastructure Development Finance Company will be key partners.

FULL SPECTRUM TRANSPORTATION DOMINANCE

On the ground level, this should be thought of as part of the New Great Game in Eurasia. Its flip side is the Trans-Pacific Partnership in the Pacific and the Atlantic version of the same, the Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), both of which Washington is trying to advance to maintain U.S. global economic dominance.
The question these conflicting plans raise is how to integrate trade and commerce across that vast region. From the Chinese and Russian perspectives, Eurasia is to be integrated via a complex network of superhighways, high-speed rail lines, ports, airports, pipelines, and fiber optic cables. By land, sea, and air, the resulting New Silk Roads are meant to create an economic version of the Pentagon’s doctrine of “Full Spectrum Dominance” — a vision that already has Chinese corporate executives crisscrossing Eurasia sealing infrastructure deals.

For Beijing — back to a 7% growth rate in the second quarter of 2015 despite a recent near-panic on the country’s stock markets — it makes perfect economic sense: as labor costs rise, production will be relocated from the country’s Eastern seaboard to its cheaper Western reaches, while the natural outlets for the production of just about everything will be those parallel and interlocking “belts” of the new Silk Roads.

Meanwhile, Russia is pushing to modernize and diversify its energy-exploitation-dependent economy. Among other things, its leaders hope that the mix of those developing Silk Roads and the tying together of the Eurasian Economic Union — Russia, Armenia, Belarus, Kazakhstan, and Kyrgyzstan — will translate into myriad transportation and construction projects for which the country’s industrial and engineering know-how will prove crucial.

As the EEU has begun establishing free trade zones with India, Iran, Vietnam, Egypt, and Latin America’s Mercosur bloc (Argentina, Brazil, Paraguay, Uruguay, and Venezuela), the initial stages of this integration process already reach beyond Eurasia.
Meanwhile, the SCO, which began as little more than a security forum, is expanding and moving into the field of economic cooperation. Its countries, especially four Central Asian “stans” (Kazakhstan, Kyrgyzstan, Uzbekistan, and Tajikistan) will rely ever more on the Chinese-driven Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB) and the NDB. At Ufa, India and Pakistan finalized an upgrading process in which they have moved from observers to members of the SCO. This makes it an alternative G8.

In the meantime, when it comes to embattled Afghanistan, the BRICS nations and the SCO have now called upon “the armed opposition to disarm, accept the Constitution of Afghanistan, and cut ties with Al-Qaeda, ISIS, and other terrorist organizations.”
Translation: within the framework of Afghan national unity, the organization would accept the Taliban as part of a future government. Their hopes, with the integration of the region in mind, would be for a future stable Afghanistan able to absorb more Chinese, Russian, Indian, and Iranian investment, and the construction — finally! — of a long-planned, $10 billion, 1,420-kilometer-long Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-India (TAPI) gas pipeline that would benefit those energy-hungry new SCO members, Pakistan and India. (They would each receive 42% of the gas, the remaining 16% going to Afghanistan.)

Central Asia is, at the moment, geographic ground zero for the convergence of the economic urges of China, Russia, and India. It was no happenstance that, on his way to Ufa, Prime Minister Modi stopped off in Central Asia.
Like the Chinese leadership in Beijing, Moscow looks forward (as a recent document puts it) to the “interpenetration and integration of the EEU and the Silk Road Economic Belt” into a “Greater Eurasia” and a “steady, developing, safe common neighborhood” for both Russia and China.

And don’t forget Iran. In early 2016, once economic sanctions are fully lifted, it is expected to join the SCO, turning it into a G9. As its foreign minister, Javad Zarif, made clear recently to Russia’s Channel 1 television, Tehran considers the two countries strategic partners. “Russia,” he said, “has been the most important participant in Iran’s nuclear program and it will continue under the current agreement to be Iran’s major nuclear partner.” The same will, he added, be true when it comes to “oil and gas cooperation,” given the shared interest of those two energy-rich nations in “maintaining stability in global market prices.”

GOT CORRIDOR, WILL TRAVEL

Across Eurasia, BRICS nations are moving on integration projects. A developing Bangladesh-China-India-Myanmar economic corridor is a typical example. It is now being reconfigured as a multilane highway between India and China.

Meanwhile, Iran and Russia are developing a transportation corridor from the Persian Gulf and the Gulf of Oman to the Caspian Sea and the Volga River. Azerbaijan will be connected to the Caspian part of this corridor, while India is planning to use Iran’s southern ports to improve its access to Russia and Central Asia. Now, add in a maritime corridor that will stretch from the Indian city of Mumbai to the Iranian port of Bandar Abbas and then on to the southern Russian city of Astrakhan. And this just scratches the surface of the planning underway.

Years ago, Vladimir Putin suggested that there could be a “Greater Europe” stretching from Lisbon, Portugal, on the Atlantic to the Russian city of Vladivostok on the Pacific. The EU, under Washington’s thumb, ignored him. Then the Chinese started dreaming about and planning new Silk Roads that would, in reverse Marco Polo fashion, extend from Shanghai to Venice (and then on to Berlin).

Thanks to a set of cross-pollinating political institutions, investment funds, development banks, financial systems, and infrastructure projects that, to date, remain largely under Washington’s radar, a free-trade Eurasian heartland is being born. It will someday link China and Russia to Europe, Southwest Asia, and even Africa. It promises to be an astounding development. Keep your eyes, if you can, on the accumulating facts on the ground, even if they are rarely covered in the American media. They represent the New Great—emphasis on that word—Game in Eurasia.

LOCATION, LOCATION, LOCATION

Tehran is now deeply invested in strengthening its connections to this new Eurasia and the man to watch on this score is Ali Akbar Velayati. He is the head of Iran’s Center for Strategic Research and senior foreign policy adviser to Supreme Leader Ayatollah Khamenei. Velayati stresses that security in Asia, the Middle East, North Africa, Central Asia, and the Caucasus hinges on the further enhancement of a Beijing-Moscow-Tehran triple entente.

As he knows, geostrategically Iran is all about location, location, location. That country offers the best access to open seas in the region apart from Russia and is the only obvious east-west/north-south crossroads for trade from the Central Asian “stans.” Little wonder then that Iran will soon be an SCO member, even as its “partnership” with Russia is certain to evolve. Its energy resources are already crucial to and considered a matter of national security for China and, in the thinking of that country’s leadership, Iran also fulfills a key role as a hub in those Silk Roads they are planning.

That growing web of literal roads, rail lines, and energy pipelines, as TomDispatch has previously reported, represents Beijing’s response to the Obama administration’s announced “pivot to Asia” and the US Navy’s urge to meddle in the South China Sea. Beijing is choosing to project power via a vast set of infrastructure projects, especially high-speed rail lines that will reach from its eastern seaboard deep into Eurasia. In this fashion, the Chinese-built railway from Urumqi in Xinjiang Province to Almaty in Kazakhstan will undoubtedly someday be extended to Iran and traverse that country on its way to the Persian Gulf.

A NEW WORLD FOR PENTAGON PLANNERS

At the St. Petersburg International Economic Forum last month, Vladimir Putin told PBS’s Charlie Rose that Moscow and Beijing had always wanted a genuine partnership with the United States, but were spurned by Washington. Hats off, then, to the “leadership” of the Obama administration. Somehow, it has managed to bring together two former geopolitical rivals, while solidifying their pan-Eurasian grand strategy.

Even the recent deal with Iran in Vienna is unlikely—especially given the war hawks in Congress—to truly end Washington’s 36-year-long Great Wall of Mistrust with Iran. Instead, the odds are that Iran, freed from sanctions, will indeed be absorbed into the Sino-Russian project to integrate Eurasia, which leads us to the spectacle of Washington’s warriors, unable to act effectively, yet screaming like banshees.

NATO’s supreme commander, Dr. Strangelove, sorry, American General Philip Breedlove, insists that the West must create a rapid-reaction force—online—to counteract Russia’s “false narratives.” Secretary of Defense Ashton Carter claims to be seriously considering unilaterally redeploying nuclear-capable missiles in Europe. The nominee to head the Joint Chiefs of Staff, Marine Commandant Joseph Dunford, recently directly labeled Russia America’s true “existential threat”; Air Force General Paul Selva, nominated to be the new vice chairman of the Joint Chiefs, seconded that assessment, using the same phrase and putting Russia, China, and Iran, in that order, as more threatening than the Islamic State (ISIS). *) In the meantime, Republican presidential candidates and a bevy of congressional war hawks simply shout and fume when it comes to both the Iranian deal and the Russians.

In response to the Ukrainian situation and the “threat” of a resurgent Russia (behind which stands a resurgent China), a Washington-centric militarization of Europe is proceeding apace. NATO is now reportedly obsessed with what’s being called “strategy rethink”—as in drawing up detailed futuristic war scenarios on European soil. As economist Michael Hudson has pointed out, even financial politics are becoming militarized and linked to NATO’s new Cold War 2.0.

In its latest National Military Strategy, the Pentagon suggests that the risk of an American war with another nation (as opposed to terror outfits), while low, is “growing” and identifies four nations as “threats”: North Korea, a case apart, and predictably the three nations that form the new Eurasian core: Russia, China, and Iran. They are depicted in the document as “revisionist states,” openly defying what the Pentagon identifies as “international security and stability”; that is, the distinctly un-level playing field created by globalized, exclusionary, turbo-charged casino capitalism and Washington’s brand of militarism.

The Pentagon, of course, does not do diplomacy. Seemingly unaware of the Vienna negotiations, it continued to accuse Iran of pursuing nuclear weapons. And that “military option” against Iran is never off the table.

So consider it the Mother of All Blockbusters to watch how the Pentagon and the war hawks in Congress will react to the post-Vienna and—though it was barely noticed in Washington—the post-Ufa environment, especially under a new White House tenant in 2017.

It will be a spectacle. Count on it. Will the next version of Washington try to make it up to “lost” Russia or send in the troops? Will it contain China or the “caliphate” of ISIS? Will it work with Iran to fight ISIS or spurn it? Will it truly pivot to Asia for good and ditch the Middle East or vice-versa? Or might it try to contain Russia, China, and Iran simultaneously or find some way to play them against each other?

In the end, whatever Washington may do, it will certainly reflect a fear of the increasing strategic depth Russia and China are developing economically, a reality now becoming visible across Eurasia. At Ufa, Putin told Xi on the record: “Combining efforts, no doubt we [Russia and China] will overcome all the problems before us.”

Read “efforts” as new Silk Roads, that Eurasian Economic Union, the growing BRICS block, the expanding Shanghai Cooperation Organization, those China-based banks, and all the rest of what adds up to the beginning of a new integration of significant parts of the Eurasian land mass. As for Washington, fly like an eagle?

Try instead: scream like a banshee.

*) Natürlich, wo doch der ISIS seitens der CIA gegründet wurde als Schreckgespenst, um eine Allianz gegen Syrien aufzubauen. Bis heute gibt es hinweise auf indirekte Waffenlieferungen der USA an ISIS. Die haben den ISIS also im Sack!

Mein Kommentar: Man sieht, die Konkurrenz schläft nicht – die haben sich bei den USA-dominierten Wirtschaftsorganisationen was abgeschaut wund wollen es besser machen. Wir wollen natürlich nicht vergessen, dass das alles mit Sozialismus und bürgerlichen Menschenrechten nur wenig zu tun hat – aber es untergräbt eine unilaterale Militärdominanz der USA, was veilleicht eher zum Frieden beitragen könnte.
Die kommenden Kriege werden an den Börsen ausgefochten, und die USA hat da eine weiche Flanke.

Heute war ich aber fleißig beim Bloggen. Seid auch fleißig, bitte, beim Kommentieren hier.

Jochen

Lehrbeispiel Privatisierung: Neuseeland – alles andere als ein Wohlstandsparadies

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Wichtiger Überblick über das, was einem Land unter neoliberaler Herrschaft so alles passieren kann:
http://www.gegenblende.de/++co++ac85268a-df5d-11e3-82f0-52540066f352
Wer will das hier auch so haben ?
Ansätze davon sind hier schon lange zu erkennen. Aber auch in Großbritannien läuft es ähnlich – wenm nutzt es ? Und ist den Ukrainern, die nach der EU gieren, das bewusst ?
Auszüge:
von: Helen Kelly

In Europa gibt es wieder Forderungen nach einer stärkeren Liberalisierung der Wirtschaft, z.B. in Form einer Deregulierung der Arbeitsmärkte oder einer Privatisierung staatlicher Aufgaben.
Welche Folgen dies für die Beschäftigten haben könnte, lässt sich abschätzen, wenn man einen Blick auf die Folgen ähnlicher Politiken in Neuseeland wirft. Hierzu zählte unter anderem ein in den 1980er Jahren gestartetes umfassendes Programm, das in diesem Jahr seinen Höhepunkt in der Privatisierung der meisten Stromerzeuger fand.
Von der Weltbank wird Neuseeland seit diesen Maßnahmen regelmäßig als eine der „unternehmensfreundlichste Ökonomien“ der Welt eingestuft.

Die Auswirkungen der Arbeitsmarktderegulierung sind ein Teil der über die letzten Jahrzehnte voran schreitenden und umfassenden Liberalisierungspolitik.
Andere Beispiele betreffen die Deregulierung der Bauindustrie in den 1990er Jahren. Danach bestanden für die Bauunternehmen nur noch wenige Restriktionen hinsichtlich des für Neubauten verwendeten Baumaterials.
Als Resultat dessen müssen nun Tausende Häuser aufgrund von Feuchtigkeitsschäden grundsaniert werden. Die Kosten hierfür werden auf über 11 Mrd. neuseeländische Dollar geschätzt (1 € = 1,58 NZD).
Von 1994 an wurde die Stromindustrie privatisiert und dereguliert und alleine in den letzten Jahren sind die Strompreise für die Verbraucher um 22 Prozent gestiegen.
Grundlegende Versorgungsleistungen, wie das Luftverkehrs- und Eisenbahnwesen, wurden privatisiert und ausgeschlachtet.
Schließlich musste der Staat die Unternehmen zurückkaufen und sanieren, um zu retten, was noch zu retten war.

Der Arbeitsmarkt

Bis in die 1980er Jahre besaß Neuseeland ein System industrieller Beziehungen, das auf Branchenverhandlungen sowie starken Industriegewerkschaften und Arbeitgeberverbänden basierte. Zudem genoss das Tarifverhandlungssystem einen starken staatlichen Rückhalt.
Dieses System wurde durch eine Reihe von Maßnahmen aufgelöst, insbesondere im Jahr 1991, als praktisch alle Beschäftigungsverhältnisse quasi ‚über Nacht’ dereguliert wurden.
Das Ergebnis war, dass nahezu 80% aller Beschäftigten in ein System direkter, individueller Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wechselten. Das bewirkte einen dramatischen Niedergang der Mitgliedszahlen der Gewerkschaften und der Kollektivverhandlungen.
Während dieser Zeit beruhten die meisten Beschäftigungsverhältnisse auf individuellen Verträgen ohne jeglichen Einfluss der Gewerkschaften. Es gab keine gesetzlichen Mittel zur Anerkennung von Gewerkschaften und auch das Streikrecht war hochgradig reguliert.
Im Jahr 2000 wurde zwar ein neues Gesetz erlassen, das auf vertrauensvolle Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern abstellte, in der Realität blieben Kollektivverhandlungen für die meisten Beschäftigten jedoch weiterhin nur auf Unternehmensebene möglich.
Das Gesetz reichte nicht aus, um das Kollektivverhandlungssystem wieder herzustellen und die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften liegen im Privatsektor heute auf einem Rekordtief von nur 12%.

Kollektivverhandlungen sind der einzige Weg, der den Beschäftigten zur Verfügung steht, um auf die Einkommensverteilung Einfluss zu nehmen.
Im letzten Jahr erhielten 46% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Neuseelands überhaupt keinen Lohnzuwachs. Nahezu ein Drittel der Beschäftigten erhält gerade oder annähernd den Mindestlohn und zwei Drittel verdienen weniger als den Durchschnittslohn. Die Lohnquote ist im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte dramatisch gefallen und ist nun eine der niedrigsten in der OECD, lediglich unterboten von Mexiko, der Türkei und der Slowakei. Zugleich wächst die Ungleichheit schneller als in den meisten anderen OECD-Ländern. Über 265.000 Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze, wobei eines von drei dieser Kinder in einem Haushalt mit einer vollzeitbeschäftigten Person lebt.

Das ist aber noch nicht alles. Die Deregulierung des Arbeitsmarkts hatte dramatische Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit. Die Rate der Arbeitsunfälle ist in Neuseeland sechsmal so hoch wie in Großbritannien, denn mit dem Arbeitsrecht wurde zugleich auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz dereguliert.
Zusammen mit dem Mangel an gewerkschaftlicher Vertretung und unzureichenden Arbeiterrechten hatte diese Entwicklung verheerende Folgen. So gab es eine Reihe aufsehenerregender Unfälle. Im Jahr 2010 kam es in einem Minenbergwerk nach nur einem Jahr im Betrieb zu mehreren Explosionen, bei denen 29 Bergleute ums Leben kamen.
Die Bergbausicherheit war in den 1980er Jahren mit dem Abbau von Regulierungen für den Bergbau und der Einschränkung des Inspektorats auf nur einen Bergbauinspektor pro Mine dereguliert worden.
Obwohl von den Bergleuten über 200 Beinahe-Unfälle und Sicherheitsvermerke gemeldet worden waren, wurde nichts unternommen, um die Sicherheit der Mine zu gewährleisten. Als sich die Explosion ereignete, existierte weder ein zweiter Ausgang, über den die Bergleute hätten entkommen können, noch gab es Sicherheitsbereiche mit Frischluft, in die sie sich hätten retten können.
Es gab auch kein angemessenes Gasfrühwarnsystem, obwohl die Mine allgemein als gashaltig galt. Von den verantwortlichen Minenbetreibern wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Beispiel Forstwirtschaft

Die Forstwirtschaft Neuseelands stellt ein weiteres, allerdings weitaus weniger offenkundiges Beispiel dafür dar, wie sich die Deregulierung auf die Beschäftigten auswirkt.
Nach der Deregulierung in den 1980er Jahren wurden die vormals staatlichen Wälder privatisiert und dann weiterverkauft. Infolge der damit verbundenen Fragmentierung wird diese Industrie – die hinsichtlich der Exporteinkünfte Neuseelands an dritter Stelle liegt – nun von neun großen und überwiegend in ausländischem Besitz befindlichen Investmentgesellschaften kontrolliert.
Darunter beschäftigen über 300 kleine Vertragsunternehmen die rund 6.500 Holzarbeiter. Die Deregulierung hatte zur Folge, dass diejenigen, die die Arbeit machen, nun zwei Subebenen von denen entfernt sind, die von der geleisteten Arbeit profitieren. Die beschäftigenden Vertragsfirmen wiederum werden in einem Preiswettbewerb gegeneinander ausgespielt. Die Konsequenz sind sehr schlechte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.

Die Holzarbeiter hatten eine gewerkschaftliche Vertretung, die allerdings im Zuge der Deregulierung und Privatisierung verschwand. In einer solchen Industrie und im Kontext eines Beschäftigungssystems, das auf unternehmensbezogenen Verhandlungen basiert, wurde die Aufrechterhaltung einer Industriegewerkschaft unmöglich. Die Gewerkschaft brach dann auch zwangsläufig zusammen und existiert nun nicht mehr.
Der Lohnanteil in der Forstindustrie ging währenddessen von 70% in den späten 1980er Jahren auf gerade einmal 19% heute zurück. Forstarbeiter haben nun extrem lange Arbeitszeiten bei sehr niedrigen Löhnen.

Die anschaulichste Art zu beschreiben, wie das Leben eines Forstarbeiters heutzutage aussieht, ist anhand der Geschichte eines der zehn Arbeiter, die im letzten Jahr in unseren Wäldern ums Leben kamen. Charles Finlay arbeitete 27 Jahre im Wald. Am Abend bevor er ums Leben kam, war er um 18 Uhr nach Hause gekommen. Um 3 Uhr morgens stand er wieder auf, um gegen 4 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Um 5:30 Uhr, noch bevor es hell war, war er tot. Es war mitten im Winter an einem dunklen Ort zu Beginn seines 11-Stunden-Tages. Charles verdiente nach all den Jahren 16 Dollar (9,90€) die Stunde. Seine Geschichte ist kein Einzelfall. Charles hinterlässt Zwillinge im Alter von 10 Jahren und einen 22 Jahre alten Sohn.

Forstarbeiter arbeiten unter extremem Produktionsdruck. In der Regel werden sie weder für die Fahrtzeiten (oft benötigen sie über eine Stunde pro Fahrt zur Arbeit) noch für schlechtwetterbedingte Arbeitsausfälle entlohnt.
Für die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter in Neuseeland gibt es – solange keine Tarifvereinbarung besteht – keine Begrenzung der maximalen Arbeitszeit. Die Arbeit wird pauschal und nicht nach geleisteten Stunden entlohnt.
Es besteht ein deutlicher Anreiz, Arbeitskräfte mit sehr langen Arbeitszeiten und sehr geringen Löhnen zu beschäftigen.
Neuseeland verfügt über eines der weltweit führenden Systeme der Unfallentschädigung für Beschäftigte. Im Gegenzug zu einer verschuldensunabhängigen Versicherung, die über den ganzen Tag sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause besteht, gibt es in Neuseeland kein Recht, wegen eines Unfalls zu klagen.
Solange die Beschäftigten keinen Anlass zu einer Klage haben, ist dies grundsätzlich vorteilhaft. Das Gegenstück zu dieser Regelung sollte allerdings eine rigorose Überwachung der Sicherheits- und Gesundheitsstandards sein, die gemeinsam mit Durchsetzungsmechanismen eine strafrechtliche Verfolgung von Arbeitgebern, die ihren Pflichten nicht nachkommen, ermöglicht.
Wie oben jedoch dargestellt, wurde dieses System ebenfalls nieder gerissen bzw. „modernisiert“, so dass sich Arbeitgeber „selbstregulierend“ verhalten und der Staat nur geringfügig eingreifen sollte.
Dies hatte zur Folge, dass nur sehr wenige Arbeitgeber in der Forstwirtschaft strafrechtlich verfolgt wurden und nicht ein Waldbesitzer angeklagt wurde.

Von den insgesamt relativ wenigen Forstarbeitern kamen seit 2009 28 ums Leben und über 900 wurden schwer verletzt. Zwar ist die Forstindustrie bei weitem die gefährlichste in Neuseeland, die Rate der Arbeitsunfälle ist aber durchweg hoch. Einer Gewerkschaft beizutreten, ist für die Forstarbeiter ein Risiko.
Die Chancen, durch Kollektivverhandlungen die Sicherheitsstandards zu erhöhen, sind überaus gering. Es gibt keinen „trickle down“-Effekt in dieser Industrie und die Deregulierung des Arbeitsmarktes war für die Arbeitskräfte ein Desaster.

Tatsächlich zahlen einige der produktivsten Industrien Neuseelands die niedrigsten Löhne. Die exportorientierte Landwirtschaft ist zum Beispiel völlig gewerkschaftsfrei, hat sehr niedrige Löhne, extrem lange Arbeitszeiten und eine fürchterliche Unfallbilanz.

Beispiel Bausektor

Die Bauindustrie ist ebenso gewerkschaftsfrei und durch Vergabeverhältnisse geprägt. Im Zuge des Wiederaufbaus von Neuseelands größter Stadt Christchurch nach dem schweren Erdbeben sind in der Bauindustrie wieder Jobs zu haben. Zugleich verweist der Wiederaufbau von Christchurch auf einen weiteren Bereich, der den Deregulierungspolitiken der vorherigen und der jetzigen Regierung zum Opfer gefallen ist: die Industrieausbildung

Neuseeland hat keine aktive Arbeitsmarktpolitik und wird in internationalen Studien als ein Land mit sehr geringem Beschäftigungsschutz klassifiziert.
In den späten 1980er Jahren wurden die Planung, das Management und die Kontrolle der industriellen Ausbildung der Industrie überlassen. Dies führte zu einem starken Rückgang der Ausbildungsplätze und dementsprechend zu einem erheblichen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. In einigen unserer grundlegendsten Berufe haben wir sehr wenige Auszubildende und die Industrie ruft nach vermehrter Zuwanderung, um die Lücke zu schließen. Gleichzeitig haben wir eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Überall im Bausektor ist die Knappheit ernsthaft. Beim Wiederaufbau von Christchurch sind über die Hälfte der Arbeitskräfte über Leiharbeitsverträge beschäftigt. Der Wiederaufbau wird von einer kleinen Zahl großer Baufirmen dominiert, die wiederum kleinere Unternehmen mit der Durchführung beauftragen. Und letztere nutzen dann die Leiharbeit.
All dies resultiert aus einer zu geringen Beschäftigungssicherheit, die keine ausreichenden Qualifizierungsanreize bietet. In Zeiten einer hohen Nachfrage hält dies natürlich auch die Löhne niedrig, da Beschäftigte, die möglicherweise Kollektivverhandlungen anstreben, leicht entlassen werden können.
Die langfristige Aussicht für die Bevölkerung Neuseelands ist dementsprechend die einer Ökonomie, welche auf niedrigen Löhnen und geringen Qualifikationen basiert. Durch die Deregulierung des Arbeitsmarktes wurden die Anreize, Arbeitskräfte auszubilden, verringert.
In der Abwesenheit von Industrielöhnen finden sich ausbildende Arbeitgeber mit dem Problem konfrontiert, dass die dann qualifizierten Arbeitskräfte schnell von anderen, nicht ausbildenden Arbeitgebern mithilfe etwas höherer Löhne abgeworben werden. Einerseits beschäftigen die Arbeitgeber, die am besten in der Lage wären auszubilden (die großen Bauunternehmen), selbst nur einen geringeren Teil der Arbeitskräfte. Und andererseits haben zahlreiche Arbeitskräfte (Leiharbeitskräfte) keinerlei Garantie auf eine dauerhafte Beschäftigung.
In der Konsequenz werden die Planungsmöglichkeiten hinsichtlich einer qualifizierten Arbeiterschaft ernsthaft eingeschränkt. Ohne industrieweite Verhandlungen gibt es auch keine starken Arbeitgeberverbände mehr und es existiert nicht einmal mehr ein Forum, in dem derartige Diskussionen entwickelt werden könnten.

Neuseeland hat eine ganze Menge zu bieten. Es ist dünn besiedelt, liegt in einem schönen Teil der Welt, das allgemeinbildende Schul- und das Gesundheitssystem sind ausgezeichnet und die soziale Sicherung vergleichsweise hoch. Ohne Institutionen, welche die Interessen der Arbeiterschaft fördern, sind diese Stärken weniger wert.
Niedrigere Löhne führen zu niedrigeren Steuereinnahmen und einer erhöhten Nachfrage nach Unterstützungsleistungen, um die Lücke zwischen Löhnen und Lebenshaltungskosten zu schließen.
Längere Arbeitszeiten belasten die Familien und entziehen den Gemeinden Ressourcen. Verletzte oder ums Leben gekommene Arbeiterinnen oder Arbeiter stürzen Familien ins Unglück.
Eine hohe Konzentration des Reichtums bringt die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht und unterwirft sie noch stärker der Einflussnahme durch die Vermögenden.
Geringe Ausbildungsinvestitionen lassen ganze Generationen mit wenig Hoffnung auf ein angemessenes und interessantes Arbeitsleben zurück.
Wir hoffen, in Europa ausgewogenere Modelle der wirtschaftlichen Entwicklung und der industriellen Beziehungen zu finden.
Deutschlands Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen jeglicher Rhetorik widerstehen, die auf eine Verringerung ihrer Mitsprachemöglichkeiten am Arbeitsplatz und ihrer politischen Macht in der Gemeinschaft abzielt.
Und wenn es der Nachhilfe bedarf, warum diese Errungenschaften wichtig sind – dann schaut nach Süden!

(Übersetzung aus dem Englischen: Stefan Beck)

Helen Kelly ist Präsidentin des Neuseeländischen Gewerkschaftsbundes CTU

Jochen