Reiner Braun in Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Sein Bericht auszugsweise auf den NachDenkSeiten https://www.nachdenkseiten.de/?p=92101

Reiner Braun, einer der führenden Köpfe der deutschen Friedensbewegung, ist im Spätherbst letzten Jahres nach Moskau gereist, um sich vor Ort Eindrücke von der Lage und der Stimmung der Menschen zu machen. Seine Gesprächspartner waren vor allem Angehörige der linken russischen Friedensbewegung, die den Krieg kritisieren. Anders als rechte Oppositionelle wie Nawalny kommen diese Stimmen in deutschen Medien jedoch nicht zu Wort.
Wir möchten Ihnen den Reisebericht von Reiner Braun nicht vorenthalten, da er viele interessante Gedanken enthält, auch wenn wir als Redaktion der NachDenkSeiten nicht alle seine Schlussfolgerung so teilen.

Moskau, November 2022: Eine Reise für den Frieden

Lange habe ich gezögert, diese Reise zu machen – welchen Sinn kann sie haben, zu umständlich, zu teuer, zu unsicher.
Doch persönliche und politische Gründe haben mich dann doch bewogen, vom 22.11. bis zum 29.11.2022 über Baku nach Moskau zu reisen.
Ich wollte einen eigenen, ganz persönlichen, aber auch politischen Eindruck von der Situation bekommen, um besser beurteilen zu können, wie in „Moskau“ der Krieg gesehen wird, und weder auf die eine noch auf die andere Propaganda angewiesen zu sein.
Was ich jetzt aufschreibe, sind keine wissenschaftliche Arbeit oder wissenschaftliche Erkenntnisse, es sind Impressionen eines Besuches und persönliche Eindrücke, vermittelt durch eine Vielzahl von politischen und persönlichen Gesprächen in einer besonderen Zeit, die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geprägt ist.

Natürlich hat auch dieser Krieg eine Vorgeschichte oder besser eine jahrzehntelange westliche Provokation, genannt NATO-Osterweiterung. Und dieser Krieg hat auch nicht am 24.02.2022 begonnen, wahrscheinlich ist auch das Jahr 2014/2015 als Kriegsbeginn zu kurz gegriffen.
Erkenntnisfördernder ist, die Aussagen des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso als Grundlage zu nehmen, der 2008 in mehreren Reden und während seines Besuchs in Kiew deutlich machte, eine EU-Kooperation gibt es nur bei Abbruch der Beziehungen zu Moskau. Die EU wollte als Vorläufer für die damals politisch nicht durchsetzbare NATO-Mitgliedschaft die Ukraine in das „westliche Lager“ holen.
Dies war gedacht als Einstieg auch für eine NATO-Mitgliedschaft, die besonders von den USA immer angestrebt wurde. Dieses Ziel war verbunden mit einer massiven Militarisierung der Ukraine durch die NATO und auch der Schießkrieg gegen die „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“ ist Teil einer aggressiven westlichen Politik.
Die reaktionäre Regierung der Ukraine ab 2014 tat ein Übriges, die Situation zu verschärfen. All dies rechtfertigt aber nach der UN-Charta niemals einen präventiven Angriffskrieg gegen ein unabhängiges Land.

Ich reiste auch mit eigenen Erfahrungen der letzten Monate. Wohl selten war die Friedensbewegung so isoliert, so vielfältig, ja gespalten in der Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Krieg, auf den Wirtschaftskrieg, ja selbst bei der Ablehnung von Waffenlieferungen waren wir uns nicht einig.

Trotzdem waren wir auf den Straßen, lokal und regional, bei den Ostermärschen und am 1.10. bei den bundesweiten Protestaktionen und Demonstrationen.
Darüber wollte ich sprechen und für den Frieden werben.

Die Reise von Berlin nach Moskau dauerte viermal so lang, die Kontrolle an der Grenze war noch genauer – mein Jahresvisum wurde „auswendig gelernt“, sie war aber höflich und freundlich – wie immer.

Mit dem Zug vom Flughafen Domodedowo in die Stadt und mit der Metro in die Wohnung erbrachte die erste Überraschung – die Metro war um 22.00 Uhr leer. In all den vielen Jahren habe ich niemals eine leere Metro erlebt.
Auf meine erstaunte Frage wurde nachdenklich und besorgt erwidert: Ja, viele bleiben zu Hause, es gibt ja nichts Wirkliches zu feiern, Ausgehen ins Theater oder Kino ergibt für viele keinen Sinn – zu ernst ist die Lage. Es herrscht eine Verunsicherung, es wird nach all den Jahren, nach denen es uns doch besser ging (und das moderne Moskau ist ein Sinnbild dieser Entwicklung), wieder schlechter und schlimmer.
Kommen die desaströsen 90er Jahre zurück oder gar ein Atomkrieg? – Fragen und Sorgen, die prägen.

Besorgnis und Ernst, das ist die Stimmung, wie ein Dunstschleier liegt diese ernsthafte Besorgnis über der Stadt. Wird es noch gefährlicher, droht ein großer Krieg? – Ausgesprochen und unausgesprochen schwebt diese Frage über fast allen Diskussionen und Unterhaltungen. Erinnerungen werden wieder wach an den 2. Weltkrieg, an Erzählungen über ihn.
Das oberflächliche „wir leben weiter wie bisher“, es hat sich kaum etwas verändert, ist weniger als die halbe Wahrheit. Dieser Krieg lähmt – wie immer er auch eingeschätzt wird – und ist alles andere, nur nicht populär. Dieses gilt auch für die, die diesen Krieg für eine notwendige „begrenzte Militäroperation“ halten.

Oberflächlich normal erlebte ich vieles bei dem Spaziergang durch die weihnachtlich bunte und farbig geschmückte Moskauer Innenstadt mit dem entsprechenden „Konsumrausch“ des Einkaufens, oder dass in der letzten Oktoberwoche die zweite russische Konferenz zu aktuellen Theoriefragen „Marxismus und Russland“ an der Lomonossow-Universität stattfand oder die intensive Debatte um ein „nachhaltiges Moskau“.
Normal auch die wie immer in den letzten Jahren gut gefüllten Supermärke, ausgetauscht wurden spezifische Produkte. Anstelle des kaum trinkbaren, billigen deutschen Weins gibt es jetzt zunehmend schmackhaften chilenischen und südafrikanischen Wein. Der Danone-Joghurt wird ersetzt durch Joghurt aus der Türkei und den Golfstaaten.
Die Inflationsrate ist leicht zurückgegangen von ca. 15 Prozent auf 11 Prozent, der Umtauschkurs des Rubels (soweit überhaupt getauscht wird) hat sich für uns gegenüber dem Zeitraum von vor 2 Jahren deutlich verschlechtert (damals 1 Euro zu 57 Rubel, heute zu 1 Euro zu 22).

Trotzdem trifft der Wirtschaftskrieg Sektionen der russischen Industrie, besonders die sowieso gering entwickelte High-Tech-Industrie, die Elektronik, die Halbleiterproduktion, die Entwicklung moderen Algorithmen und weiteres. Nur ruinieren wird das Russland nicht und zusammenbrechen wird Russland erst recht nicht. Aber viele und neue Schwierigkeiten wird es geben. Die Einschätzungen wissenschaftlicher Institute sind da durchaus skeptisch.

Meine Gespräche in Moskau

Ich habe neben vielfältigen persönlichen Kontakten und Gesprächen mit Personen aus der Akademie der Wissenschaften, der Universität (Studierende und Hochschullehrer:innen), den Müttern gegen den Krieg, Anti-Kriegs-Aktivist:innen, Abgeordneten bzw. Mitarbeiter:innen aus der Duma geredet, mit der linksradikalen außerparlamentarischen Opposition diskutiert, mir ihre Meinungen angehört und auch immer meine Friedensposition dargestellt.
Ich werde in meinem Artikel keine Namen nennen, ich will niemanden gefährden oder (weiteren) Repressionen aussetzen.

Zusammenfassend ist es sicher richtig zu sagen, dass es zu dem Krieg in der Ukraine eine große Diversität von Meinungen gibt. Es stimmt vielleicht nicht für das ganze riesige Land, aber in Moskau gibt es eine große, auch öffentlich und familiär diskutierte Unterschiedlichkeit der Bewertung, die Kontroverse geht durch Institutionen und Familien.

Es ist die junge Generation, bei der dieser Krieg besonders unpopulär ist und auf vielfältige Ablehnung stößt. 700.000 junge Männer haben Russland verlassen. Die meisten aus der Intelligenz – ein Verlust an Wissen und Zukunft von denen, die gerade jetzt angesichts des westlichen Wirtschaftskrieges für eine mehr nationale Entwicklung so notwendig wären. Sie haben das Land verlassen, weil sie nicht in den Krieg ziehen wollen, viele lehnen den Krieg ab.

Für dieses System wollen wir nicht kämpfen und sterben. Oft schwingt eine individualistische, neoliberale Grundhaltung mit: dieser Krieg passt nicht in meine persönliche Entwicklung, das ist nicht die Freiheit, die ich will. Das autoritäre Regime will mich jetzt auch noch in einen Krieg zwingen, mit dem ich nichts zu tun habe.
Kriegsablehnung hat viele Begründungen, aber auch viele Folgen für diese Menschen, die überstürzt ihr Land verlassen und sich um eine Zukunft bemühen müssen, in einem fremden Land, allein und oft ohne Perspektive. Der Courage des eigenen Handelns stehen noch große Herausforderungen bevor – berufliche und persönliche.

Das „Nein“ der Mütter und Bräute gegen den Krieg ist geprägt von der Sorge um die Liebsten – den Sohn, den Freund, den Verlobten, den Mann.
Oft ist die Ablehnung des Krieges eindeutig – oft der Satz: Dieser Krieg ist nichts Gutes für unser Land – oder sogar noch zugespitzter – Jeder Krieg ist ein Verbrechen.

Aber auch hier gibt es keine Eindeutigkeit. Wir wollen unsere Kinder nicht in einen Krieg schicken, zu dem sie nicht ausgebildet sind oder werden, bei denen es keine vernünftige und zu wenige gute Waffen gibt und noch nicht einmal eine warme Uniform und brauchbare Stiefel. Wenn schon, dann effektiv und effizient.
Das Desaster der russischen Kriegsführung widerspiegelt sich in diesen Äußerungen, die Unfähigkeit, wenn schon Krieg – dann bitte sollte er gewonnen werden.

Diese systemimmanente Kritik scheint mir stark verankert zu sein: Was ist aus unserer Armee geworden, wie konnten so verheerende Strategien von wem aus den Eliten und Mächtigen entwickelt werden? Diese Kritik knüpft an der Bürokratie- und Staatsablehnung aufgrund der Erfahrungen in den 90er Jahren an, aber auch im Sowjetsystem war diese tief verankert.

Übrigens verstärkte dieses Desaster der Militär- und politischen Führung die Verunsicherung und steigert und verfestigt eine emotionale Opposition zur politischen Führung im Kreml, besonders zu dem sogenannten Präsidialregime. Immer wieder werden Korruption und Bereicherung angeprangert.

Das NEIN zum Krieg und ein Bekenntnis zum Frieden und zur Versöhnung mit der Ukraine (dem Brudervolk) bestimmt das Handeln der Anti-Kriegsaktivist:innen und der radikalen Linken. Die Courage dieser Menschen, besonders auch der Frauen, ist bewundernswert, beeindruckend und verlangt unsere Solidarität.
Trotz aller Repressionen, Verhaftungen oder Titulierung ihrer kleinen Organisationen als „foreign agent“ protestieren sie auf den Straßen (zuerst viele, dann aber immer weniger – die Repressionen wirkten), über Social-Media-Kanäle, mit kleinen, attraktiven Aktionen und vielfältigem persönlichen Engagement gegen diesen Krieg. Sie wirken für Frieden.

Die Verleihung des IPB-MacBride-Preises 2022 an zwei von ihnen ist mehr als gerechtfertigt und wird von ihnen als eine große Unterstützung angesehen. Sie brauchen die Zusammenarbeit mit den internationalen Friedensbewegungen, allein haben sie gegen die Repressionskräfte im Lande keine Chance.
Deserteur:innen brauchen unsere Unterstützung. Sie alle sind das Friedensgesicht dieses großen Kulturlandes.
Sie sprechen – dieses ist mein Eindruck – mehr Menschen in dem Land aus dem Herzen und der Seele, als viele – in Russland und im Westen – annehmen.

Interessant auch die Äußerungen „linksradikaler Freunde“, dass die rechte außerparlamentarische Opposition („Nawalny“) kaum eine politisch mobilisierende Rolle spielt und in der Kriegsfrage gespalten ist.

Die berechtigte Nachdenklichkeit über die Herausforderungen in den wissenschaftlichen Institutionen und der mit ihnen verbundenen Personen beinhaltet eine stärkere zukunftsorientierte Diskussion. Wie können die wissenschaftlichen Kooperationen nach dem Westen wieder aufgenommen und neue entwickelt werden?
Wie können gerade jetzt Kontakte gehalten und besonders bei Fragen der Rüstungskontrolle doch noch Gemeinsamkeiten mit westlichen Kolleg:innen entwickelt und diskutiert werden?

Der verrückte und aus meiner Sicht völlig unverantwortliche Abbruch aller Beziehungen zur russischen Wissenschaft als Sanktion (gegen wen eigentlich?) führt zu einem neuen Nachdenken über die eigene Rolle und auch die Aufgaben, die vor Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung stehen. Statt auf IBM und internationale Foundations – so oft formuliert – muss jetzt wieder mehr auf die eigenen Kräfte gesetzt werden, dies ist sicher nicht einmal die schlechteste Lösung.
Wir sollten unsere Kolleginnen und Kollegen in Russland nicht alleine lassen und uns einsetzen, dass russische Wissenschaftler:innen auch weiterhin in internationalen Fachorganisationen mitarbeiten und dort weiterhin Führungspositionen ausüben können. Wir haben Albert Einstein nicht vergessen!

In diesen Diskussionen wurde immer wieder deutlich: Der zukünftige Blick Russlands geht nach Osten, nach Asien. Europa wird auch in der Zukunft nicht mehr der Bezugspunkt für Russland sein! Dies ist sicher nicht der Wunsch, aber die Notwendigkeit.

Als Letztes zu den Gesprächen mit der „Politik“ und zur Frustration meinerseits. Hier konnte ich außer der Wiedergabe bekannter Positionen nichts erfahren, keine Nachdenklichkeit, keine Zukunftsorientierung – enttäuschend. Frieden ist für die Herren weit weg.

Ein Wort zu den Medien und ein vielleicht zugespitzter Vergleich. Sie ähneln sich mehr, als sie sich unterscheiden. Die mediale Kriegspropaganda oder anders die Diskussionsfreiheit zwischen unterschiedlichen militaristischen Strategien ähneln sich doch stark. Trotz aller einseitiger Medienpropaganda auf allen Sendern ist der Krieg unpopulär.

Zusammenfassung einiger, oft geäußerter Gedanken:

Enttäuschung über die Bundesregierung und die deutsche Politik, dass sie so den USA nachläuft und sich unterordnet. Viele hätten in der Tradition von Brandt und Bahr eine eigenständige, verständnisvollere Rolle erwartet.
Salopp gesagt haben viele von der NATO und den USA nichts anderes erwartet (die NATO-Euphorie der 90er Jahre ist tot), aber von Deutschland, das der Sowjetunion/Russland so viel zu verdanken hat (Wiedervereinigung, Abzug aller Soldaten, etc.). Diese Enttäuschung wird auch zu einem veränderten „Deutschlandbild“ führen.

Das Regime Putin ist nicht länger gestaltungs-, entwicklungs- und lebensfähig. Ohne mich an den Spekulationen über Putin zu beteiligen (2024 stehen Präsidentenwahlen auf der Agenda), zeigt sich doch, dass die Lebensfähigkeit dieser auf einer Präsidialverwaltung und einem fast allmächtigen Präsidenten zentristisch ausgerichteten Führung zu einem Ende kommt, angesichts von Korruption, Schwächen und Desastern der aktuellen Politik und der militärischen Kriegsführung. Was danach kommt, steht noch in den Sternen.

Von einer Revolution träumen können nur die, die die Realität als Bezugspunkt aufgegeben haben. Ein „Eliten-Change“ oder eine „Palastrevolution“ ist viel wahrscheinlicher. Ein Weg zu mehr Demokratie und Freiheit ist dieses wohl kaum.
Es gibt aber kein Zurück zum „alten Gesellschaftsvertrag“ der politischen Herrschaft um Putin, in ökonomischer Verbundenheit mit den Oligarchen und der gelenkten Demokratie. Es bleiben viele offene Fragen! Mehr Repression löst dabei kein Problem.

Ein Zurück zu einer internationalen Politik der gemeinsamen Sicherheit und der Kooperation ist kaum sichtbar, weder in Russland noch bei uns, sie ist zurzeit sicher nicht gestaltungs- und mehrheitsfähig. Hier bleibt besonders für uns – Friedens- und Entspannungsfreund:innen – viel zu tun.
Es bleibt auf beiden Seiten ein – wenn auch beschränktes – Interesse an Rüstungskontrolle.

Ausblick

Es gibt sicher nichts Wichtigeres, als alles zu tun, in der Ukraine einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu erreichen. Wenn es noch nicht zu Weihnachten gelungen ist, bleibt dieses die zentrale Herausforderung. Uns dafür mit aller Kraft einzusetzen, ist die Aufgabe aller friedensliebenden Kräfte.
Für den Frieden in der Ukraine sind Nato-Freiheit und Neutralität der Ukraine eine unabwendbare Voraussetzung, über vieles werden Männer und Frauen aus Russland und der Ukraine lange mit klugen Moderatorinnen aus dem globalen Süden verhandeln.
Die Vereinbarungen von Istanbul (vom Westen gekillt), das Minsker Abkommen (von Angela Merkel mit dem Zeit-Interview endgültig versenkt) werden leider nicht mehr als brauchbare Grundlage akzeptiert werden, aber mit den Vorschlägen des Vatikans, der mexikanischen und italienischen Regierungen, den Anregungen des UN-Generalsekretärs und anderen liegen umfassende Vorschläge vor.

Frieden ist möglich, bei vorhandenem politischem Willen! Die Ukraine blockiert aus Systemüberlebensinteressen, aber auch in Russland muss für einen aktiven, kompromissbereiten Verhandlungsprozess noch mehr gewirkt werden.

Der Friedensprozess in der Ukraine muss sicher verbunden sein mit dem Beginn eines Dialoges und einer Diskussion um eine neue Friedensarchitektur in Europa, was heißt, Politik der gemeinsamen Sicherheit in Europa und der Welt. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen, gibt es doch zu der Politik der gemeinsamen Sicherheit keine friedenspolitische Alternative.

Frieden in Europa ist nur möglich mit Russland! Diesen Gedanken wieder in Deutschland hegemoniefähig zu machen, ist und muss unser Friedensbeitrag sein, soll Europa überleben und eine eigene friedenspolitische Rolle spielen.

Zu mehr Frieden in Europa gehört auch die Wiederaufnahme der Rüstungskontrolle und Abrüstungsverhandlungen, um zu neuen Übereinkünften zu kommen. Wenn nicht durch die freiwerdenden Gelder aus der Rüstung, woraus sollen die globalen Herausforderungen der Menschheit finanziert werden?
Auch Deutschland und Russland brauchen diese Milliarden zur Finanzierung der eigenen sozial-ökologischen Transformation.

Frieden gibt es nur mit und durch das Engagement von Menschen. Deshalb ist Diplomatie von unten, eine Friedenspolitik der Menschen gerade jetzt so wichtig.

Alle meine Gesprächspartnerinnen und -partner teilten einen Gedanken: Lasst uns die Kontakte, die Zusammenarbeit, die Gespräche zwischen Deutschen und Russen niemals wieder abreißen, lasst uns miteinander in Kontakt treten und bleiben: von Sportverein zu Verein, von Singegruppen zur Oper, von Friedensinitiativen zu Aktivistinnen, in der Wissenschaft, der Wirtschaft, von Gewerkschaften, Sport, Kirchen, Umweltverbänden, von Stadt zu Stadt, Dorf zu Dorf, aber auch von Projekt zu Projekt und vielem mehr.
Wir brauchen ein enges Netzwerk der Zusammenarbeit von unten, das auch „unsere Politik“ wieder zur Kooperation zwingt. Schaffen wir Frieden von unten, von und mit und zwischen den Menschen.

Es bleibt die Grundlage unseres Engagements und unserer Überzeugung, was Willy Brandt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises ausgeführt hat:

Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Interview mit Sahra Wagenknecht: „Ich frage mich, ob Menschen irgendwann von mir enttäuscht sein werden “

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Liebe Leser, ich war jetzt eine Woche auf einem Psychotherapie-Seminar über Ängste auf Langeoog und zuvor auf einem Seminar über die Naturphilosophie Engels‘ im Technischen Museum München. Es gab also jede Menge Input. Verdauen und z.T. noch nachlesen wird mich noch eine weile beschäftigen.
Das Naturphilosophie-Seminar wurde mitgestaltet von dem Kölner Club Dialektik: https://www.club-dialektik.de/Willkommen
Es lohnt sich, da auch einmal reinzuschauen. Eine solche Bildungsreise wird einmal jährlich veranstaltet und in den meisten Bundesländern als Arbeitnehmerweiterbildung gefördert, z.B. mit 5 zusätzlichen Urlaubstagen. In Bayern nicht, die können ja zu ener Wallfahrt gehen.

Und hier das aktuelle Interview im Freitag:

Sahra Wagenknecht: „Ich frage mich, ob Menschen irgendwann von mir enttäuscht sein werden“

https://www.freitag.de/autoren/cbaron/sahra-wagenknecht-im-interview-ich-bin-keine-innerparteiliche-kaempferin/e8f945ba-6981-4443-a00b-188d79b10970

wagenknecht2018

wagenknecht2018

Sahra Wagenknecht glaubt zu wissen, wie die Linke mit ihrem anstehenden Parteitag aus der Krise kommen kann. Im Gespräch mit Christian Baron hinterfragt sie ihre eigene Rolle dabei.

Beinahe hätte höhere Gewalt unser Treffen verhindert. Mit der U-Bahn geht es nicht weiter – Notarzteinsatz. Auf dem Fußweg zum Deutschen Bundestag zeigt sich der zuvor strahlende Berliner Juni plötzlich von seiner hässlichen Seite.

Klatschnass komme ich an, werde an der Pforte jedoch abgewiesen: „Frau Wajenknecht findense jegenüba, wa?“ Ich stapfe hinüber, komme unbeschadet durch die Sicherheits­schleuse – und staune. Wer kann in einem solchen Gebäude auch nur einen klaren Gedanken fassen? Diese Enge in den Fluren! Überall bürokratenholzvertäfelte Wände! All die geschlossenen Türen! Als ich Sahra Wagenknecht endlich gegenübersitze, fängt es draußen zu hageln und zu donnern an. Beste Voraussetzungen für ein Gespräch über eine linke Partei am Abgrund.

der Freitag: Frau Wagenknecht, die Bundesregierung hat mit der CDU/CSU gerade die größte Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Massenproteste wie zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses sind nicht in Sicht. Warum versagt Ihre Partei aktuell dabei, den Protest gegen den Militarismus zu organisieren und auf die Straße zu bringen?

Sahra Wagenknecht: In den achtziger Jahren gab es eine starke Friedensbewegung. Wichtige Teile der Sozialdemokratie unterstützten die Demonstrationen gegen den Nato-Doppel­be­schluss. Auch die Gewerkschaften waren dabei. So ein Bündnis war in der Lage, große Proteste zu organisieren. Meine Hoffnung ist, dass wir es spätestens im Herbst auch wieder schaffen, viele Menschen gegen Krieg und Aufrüstung auf die Straße zu bringen. Aber das kann nicht eine Partei allein. Und schon gar nicht die Linke in ihrer aktuellen Verfassung, die dafür viel zu schwach ist. Dafür braucht es bekannte parteiunabhängige Persönlichkeiten und möglichst auch einige mobilisierungsstarke Organisationen. Von der SPD ist leider nicht mehr viel zu erwarten. Im Bundestag ist die Linksfraktion aktuell die einzige Kraft, die bei diesem Thema dagegenhält.

Das stimmt nicht. Auch die Fraktion der AfD hat mehrheitlich gegen das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gestimmt.

33 AfD-Abgeordnete haben zugestimmt, sechs haben sich enthalten, nur 35 haben mit Nein gestimmt. Soweit der Beschluss von der AfD kritisiert wurde, war das mit einer ganz anderen Begründung. Die AfD ist nicht gegen die Aufrüstung, sondern nur dagegen, die Aufrüstung über Schulden zu bezahlen. Sie fordert, dass sie durch Kürzungen in anderen Etats finanziert wird. Waffen statt Kindergeld, so könnte man diese Position zusammenfassen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was wir fordern: Wir sagen, dass die 100 Milliarden in der Bildung oder im Gesundheitswesen viel besser aufgehoben wären und Atombomber, bewaffnete Drohnen und anderes schweres Kriegsgerät wirklich das Letzte sind, was unser Land braucht. Dass ausgerechnet SPD und Grüne diese Hochrüstung jetzt umsetzen, ist doch pervers. Die Grünen sind immerhin mal aus der Friedensbewegung hervorgegangen. Heute sind sie im Bundestag die schlimmsten Kriegsbefürworter von allen.

Muss man den Grünen nicht zugutehalten, dass sie mit ihrer veränderten Außenpolitik einen Gutteil der deutschen Bevölkerung repräsentieren? Die hat sich doch auch verändert. Kriegspropagandabegriffe wie „Lumpenpazifismus“ sind plötzlich wieder in Mode – diesmal aber nicht am rechten Rand, sondern in der linksliberalen Mitte.

Die gesellschaftliche Debatte ist in einer Weise gekippt, wie ich mir das noch vor ein paar Jahren nicht hätte vorstellen können. Die aggressivsten Bellizisten kommen heute aus jenem grünliberalen Milieu, das noch vor zwei Jahren lange Debatten über verletzende Sprache führte und meinte, sensible Gemüter vor bösen Worten oder blonden Dreadlocks schützen zu müssen. Verletzung und Tod durch immer mehr Waffen sind für sie offenbar keine relevante Bedrohung, vor der man jemanden in der Ukraine oder anderswo schützen müsste. Im Gegenteil. Sie beschimpfen jeden als Weichei und als Putinisten, der es wagt, gegen die Kriegslogik Verhandlungen und Kompromissbereitschaft auch auf westlicher und ukrainischer Seite einzufordern.

Öffentliche Debatten entwickeln sich auch in Deutungskämpfen. Anstatt sich geschlossen gegen Waffenexporte und pauschalen Russenhass einzusetzen, laviert Ihre Partei in dieser Frage seit Monaten herum. Einige überbieten die Grünen in der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine, andere sind ganz dagegen. Ihr Bundesgeschäftsführer Schindler sagte nach der Landtagswahl in NRW in einer Fernsehsendung, die Ablehnung der Nato in ihrer bestehenden Form sei nicht die Position der Linkspartei – eindeutig eine Lüge. Verlieren Sie nicht an Glaubwürdigkeit, wenn Sie in einer Partei sind mit Leuten, die Grundsätze des eigenen Programms negieren?

Vor allem die Partei verliert dadurch an Glaubwürdigkeit. Das sehen wir ja an den katastrophalen Wahlergebnissen. Natürlich gibt es Punkte im Parteiprogramm, bei denen auch ich darauf bestehen würde, dass eine Pluralität von Meinungen möglich sein muss. Aber die Frage von Krieg und Frieden ist eine Grundsatzfrage. So wie die soziale Frage. In solchen Fragen kann es sich keine Partei leisten, völlig gegensätzliche Positionen zu vertreten. Mindestens 45 Prozent der Bevölkerung sind laut Umfragen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Wo sollen sie eine politische Vertretung finden, wenn nicht bei uns? Mehr als 50 Prozent haben Angst davor, dass der Krieg sich ausweitet und wir immer mehr hineingezogen werden. Die Politik der Bundesregierung und der Union hat keine überwältigende Mehrheit hinter sich. Es wäre schmählich, wenn wir als linke Partei ausgerechnet in dieser Situation friedenspolitisch umkippen würden. Willy Brandt wusste noch, dass ein Krieg gegen eine Atommacht nicht gewinnbar ist, weil man ihn schlicht nicht überleben wird. Inzwischen hat man das Gefühl, Leute wie Anton Hofreiter von den Grünen oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP möchten sich am liebsten in einen Panzer setzen und mit geladenem Rohr gen Russland rollen. Als könnte die Ukraine diesen Krieg gewinnen, wenn wir nur genug Waffen liefern!
Es ist unsere verdammte Pflicht, hier dagegenzuhalten – und ja, auch bezogen auf die Nato immer wieder deutlich zu machen, dass es ein echtes Sicherheits- und Verteidigungsbündnis braucht. Das ist die Nato nicht. Sie ist vor allem ein Hebel US-amerikanischer Geopolitik, ein Instrument zur Durchsetzung von US-Interessen. Die USA tragen eine erhebliche Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine. Nichts rechtfertigt den russischen Überfall, aber die von den USA vorangetriebene Integration der Ukraine in die militärischen Strukturen der Nato erklärt, weshalb er stattgefunden hat.

Gregor Gysi ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und er hat Sie schon mehrmals öffentlich attackiert für genau diese Nato-kritische Haltung. Benjamin-Immanuel Hoff, der sich zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählen lassen will, vertritt die außenpolitischen Positionen von SPD und Grünen. So wie manch anderer Außenpolitiker der Linken auch.

Aus den Landtagsfraktionen der Linken gab es noch keine geschlossene Ablehnung des Öl-Embargos oder der Sanktionspolitik gegen Russland, die hauptverantwortlich sind für die Inflation. Also noch einmal: Was hält Sie in dieser Partei, die aktuell nur noch eine sozial abgefederte Version der Grünen ist?

Ich stimme Ihnen zu: Wenn die Linke diesen Weg fortsetzt, wird sie untergehen. Und sie hätte das dann auch verdient. Aber sehr viele Parteimitglieder unterstützen das nicht. Mit meinen Positionen bin ich ja nicht allein. Darum setze ich mich für eine Rückbesinnung auf unseren Gründungskonsens ein, nicht nur in der Außenpolitik. Eine Partei, die das Gleiche vertritt wie SPD oder Grüne, braucht kein Mensch. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass es keine Unterschiede mehr gibt, dann macht sich die Linke überflüssig. Der Druck der öffentlichen Debatte ist gerade in der Kriegsfrage derzeit ziemlich stark, und es braucht Rückgrat, um bestimmte Positionen zu halten. Das bringt offenbar nicht jeder mit.

In Erfurt startet am 24. Juni der Bundesparteitag. Das wäre eine Gelegenheit, in all diesen Fragen eindeutige Beschlüsse zu fassen. Viel hängt davon ab, wer die neuen Vorsitzenden werden. Für beide Posten gibt es Kampfkandidaturen: Janine Wissler gegen Heidi Reichinnek und Martin Schirdewan gegen Sören Pellmann. Wen unterstützen Sie?

Es ist sehr wichtig, dass die Linke mit diesem Parteitag einen Neubeginn schafft. Und das geht nur, wenn Personen gewählt werden, die nicht für ein „Weiter so“ stehen, sondern deutlich machen: Wir wollen wieder vor allem soziale Themen in den Vordergrund stellen, und wir stehen ganz klar zu unseren friedenspolitischen Positionen. Wir sind keine Partei, die Waffenlieferungen oder Aufrüstung befürwortet. Wenn wir weitermachen wie bisher oder sogar in der Friedensfrage ganz kippen, dann wird die Linke verschwinden.

Das steht auch in dem „Aufruf für eine populäre Linke“, *) den Sie unterstützen. Der „Spiegel“ hat dazu geschrieben: „Der Aufruf ist auch als parteiinternes Signal von Wagenknecht zu werten, die eigenen Reihen zu schließen und Präsenz zu zeigen.“ Werden wir beim Parteitag erleben, wie Sie auf offener Bühne den innerparteilichen Gegnern das Zepter aus der Hand reißen, so wie es Oskar Lafontaine beim SPD-Parteitag im Jahr 1995 getan hat?

Was der Spiegel da schreibt, finde ich ein bisschen albern. Es geht mir nicht darum, meine Präsenz zu demonstrieren. Ich freue mich, wie viel Zuspruch der Aufruf schon gefunden hat. Wir hatten schon nach kurzer Zeit über 3.000 Unterstützer, liegen derzeit bei gut 5.000. Das zeigt doch, dass unser Aufruf einen Nerv getroffen hat.
Letztlich geht es um die Frage: Wie muss die Linke sich aufstellen, um wieder diejenigen zu erreichen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Wegen der hohen Inflation haben Menschen bis in die gesellschaftliche Mitte hinein große Ängste und Zukunftssorgen. Die Frage von Krieg und Frieden ist in einer Weise auf die Tagesordnung zurückgekehrt, wie das noch vor zwei oder drei Jahren undenkbar war. Deshalb ist es wirklich eine Tragödie, dass die Linke so schwach ist und nur noch so wenige Menschen erreicht. Gerade jetzt bräuchte es eine starke linke Kraft im Bundestag, und wir könnten das sein. Immerhin hatten wir mal fast zwölf Prozent. Da waren wir ein politischer Faktor in Deutschland. Das müssen wir wieder werden.

Einer, der die Partei in Ihrem Sinne führen würde, ist Sören Pellmann. Sein Name fehlt bei den Unterzeichnern des Aufrufs. Wie finden Sie das?

Keiner der vier Kandidaten für den Parteivorsitz hat den Aufruf unterzeichnet. Das finde ich auch in Ordnung, denn sie müssen im Falle einer Wahl Vorsitzende der gesamten Partei sein. Aber bei ihren Bewerbungen haben die verschiedenen Kandidaten ja deutlich gemacht, wofür sie stehen.

Im Aufruf steht auch der Satz: „Unser Ziel ist ein neuer, demokratischer und ökologischer Sozialismus.“ Stehen Sie auch persönlich hinter dieser klaren sozialistischen Rahmung? In Ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Statements der jüngeren Vergangenheit haben Sie die Begriffe „Sozialismus“, „Klassengesellschaft“ oder „Kapitalismus“ gemieden.

Ich wurde als Jugendliche durch Marx-Lektüre eine Linke und ich würde diese Wirtschaftsordnung selbstverständlich immer als Kapitalismus bezeichnen. Der Profit dominiert und entscheidet. Profitstreben ist letztlich auch der Hintergrund fast aller Kriege. Es geht um Rohstoffe, Absatzmärkte, Einflusssphären. Wenn ich das in einer Talkshow sage oder in einer nicht-linken Zeitung, muss ich allerdings viel mehr erklären. Für den Begriff „Sozialismus“ gilt das erst recht. Unser Aufruf richtet sich ja vorrangig an Mitglieder der Partei und Sympathisanten, die meist mit linken Debatten vertraut sind. Nach außen würde ich aber immer versuchen, allgemeinverständlich zu reden. Gerade im Westen existiert immer noch die Vorstellung, Sozialismus sei das, was in der DDR mal existiert hat. Für andere ist es wiederum ein akademischer Begriff, unter dem sie sich nichts vorstellen können. Ich will so über Politik sprechen, dass mich nicht nur Linke verstehen.

Die Linke hat jahrelang Erfolg gehabt als Anti-Neoliberalismus-Partei. Das scheint heute nicht mehr zu funktionieren. Man weiß, wogegen Sie sind, aber nicht, wofür Sie einstehen. Wäre da nicht die Formulierung von Visionen wichtig oder die Entwicklung einer neuen Utopie?

Ich habe in meinem Buch Die Selbstgerechten versucht, ein solches positives Programm zu formulieren. Was uns fehlt, sind gute Identifikationsbegriffe, emotionale Erzählungen. Viele Menschen hören uns durch einen Filter im Kopf, der von den medial vorherrschenden Erzählungen geprägt wird. Und die verkehren viele Begriffe in orwellscher Manier ins Gegenteil. Solidarität heißt demnach: Waffen liefern. Die, die nur noch in militärischen Kategorien denken, geben sich friedliebend. Wer auf einen langen Krieg setzt, handelt angeblich aus Empathie mit den Opfern. Wer Kompromisse auch vom Westen fordert, macht angeblich russische Propaganda. Es ist unglaublich, wie die Realität verzerrt wird, aber es wirkt.

In einem aktuellen Debattenbeitrag in der Tageszeitung „Welt“ fordern Sie erneut eine Fokussierung der Linken auf die soziale Frage. Mir fiel beim Lesen auf, dass Sie sich dabei stark auf Linkskonservative beziehen. Warum finden Sie es strategisch sinnvoll, sich auf diese Gruppe allein zu konzentrieren und die linksprogressiven Wähler zu übergehen? Müsste eine linke Partei nicht beiden Gruppen ein gutes Angebot unterbreiten können?

Ja. Aber das widerspricht sich doch nicht, und das haben wir auch schon geschafft. Bei der Bundestagswahl 2017 haben uns nicht nur weit mehr Geringverdiener gewählt als heute, auch im eher akademischen Milieu der großen Städte hatten wir Spitzenergebnisse. Es gibt auch da eben nicht nur die woke grünliberale Bio-Bohème, sondern sehr viele Menschen, die sich ehrlich mehr sozialen Ausgleich wünschen und auf weniger Begünstigte nicht herabschauen. Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen: Gerade diejenigen, die heute immer härter um ihr bisschen Wohlstand kämpfen müssen oder bereits echte Armutserfahrungen haben, stehen zwar häufig wirtschafts- und sozialpolitisch links, kulturell sind sie aber oft eher wertkonservativ. Und das hängt ja sogar zusammen. Ohne gesellschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl, zu dem gemeinsame Werte und Traditionen beitragen, kann es auch keinen Sozialstaat geben.

Trotzdem bleibt die Frage, wer dann noch die Kampagnen in den entsprechenden Bezirken in Berlin und Hamburg machen soll. Wollen Sie die relativ leicht zu mobilisierende Gruppe der jungen Linken aus Ärzte- und Anwaltselternhäusern komplett den Grünen überlassen?

Jeder ist willkommen. Aber wer nur die eigene Meinung gelten lässt, während er jeden Andersdenkenden zum Nazi erklärt, den können wir vielleicht nur noch schwer erreichen.

Die Frage ist halt, was wichtiger ist: ein gutes Standing in der abgeschirmten Twitterblase kleiner aktivistischer Milieus oder breiter Rückhalt bei all den Menschen, die zu vertreten unsere verdammte Aufgabe als Linke ist. Wer ein klares Profil hat, wird vielleicht auch den einen oder anderen verlieren. Aber wer gar kein erkennbares Profil mehr hat oder als Double der Grünen wahrgenommen wird, verliert viel mehr, das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen. Der Kurs, sich vor allem um das grün-affine gutsituierte Großstadtmilieu zu kümmern, ist gescheitert.

Offenbar wird generell die Beteiligung an einer Wahl immer mehr ein Merkmal der Gutsituierten, während die finanziell Schwachen kaum mehr wählen. Bei der Landtagswahl in NRW lag die Beteiligung nur bei 55 Prozent, bei Bundestagswahlen enthalten sich mehr als 25 Prozent der Wahlberechtigten ihrer Stimme. Warum bemüht Ihre Partei sich so wenig um Nichtwähler?

Auch in der Linken gibt es einige, die sagen: Die Armen wählen so oder so nicht oder kaum, da ist für uns nichts zu holen. Das finde ich zynisch. Warum wählen arme Menschen überwiegend nicht? Weil sie sich nicht vertreten fühlen. Also kann doch nicht ausgerechnet die Linke sagen: Die wählen nicht, also kümmern wir uns lieber um die Bessergestellten. Bei der Bundestagswahl 1998 übrigens haben überdurchschnittlich viele Ärmere gewählt, damals die SPD. Auch 2017 sind Ärmere noch einmal in größerer Zahl an die Urnen gegangen, da leider hauptsächlich zugunsten der AfD. Das zeigt: Ärmere sind nicht apolitisch. Aber sie wurden schon oft betrogen und sind deshalb besonders skeptisch, was das politische Angebot betrifft. Trotzdem zeigen die Beispiele: Man kann sie als Wähler erreichen, wenn sie den Eindruck haben, es lohnt sich. Die AfD hatte es damals geschafft, sich als Stimme des Protests und der Wut zu inszenieren.

Vergessen Sie da nicht Ihren eigenen Anteil an der Misere? Sie sind zwar nicht mehr in einer Spitzenfunktion Ihrer Partei, aber nach wie vor die populärste und medial präsenteste Linke im Land. Wenn ich mit Linken spreche, die Ihnen inhaltlich sehr zugetan sind, dann höre ich oft auch: „Leider bringt Sahra Wagenknecht sich kaum in parteiinterne Debatten ein und spricht zu wenig mit ihren Unterstützern in der Fraktion und drumherum.“

Ich glaube nicht, dass das so stimmt. Aber richtig ist: Ich bin keine innerparteiliche Kämpferin. Ich glaube, ich kann ganz gut linke Positionen in der Öffentlichkeit vertreten und Menschen gewinnen. Aber ich bin nicht jemand, der besonders geeignet ist, interne Netzwerke zu knüpfen und sich durch unendliche Gespräche eine Mehrheit zu organisieren. Das war ja auch der Grund, aus dem ich irgendwann nicht mehr als Fraktionsvorsitzende weitermachen wollte: weil die ständigen Querschüsse aus der Parteispitze und der mangelnde Rückhalt eine erfolgreiche Politik immer schwerer gemacht haben. Trotz allem hatten Dietmar Bartsch und ich als Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl 2017 immer noch 9,2 Prozent geholt. Damals wurde selbst noch an diesem Ergebnis herumgekrittelt, heute wirkt das wie aus einer anderen Welt.

Wenn man bei Ihren öffentlichen Auftritten im Wahlkampf ins Publikum blickt oder Ihre Social-Media-Präsenz beobachtet, fällt auf: Ihre eigene Popularität ist seit Ihrem Rückzug vom Frak­tionsvorsitz vielleicht sogar noch einmal gestiegen. Unglaublich viele Menschen projizieren ihre Hoffnungen auf eine soziale Wende im Land auf Sie persönlich. Inwiefern belastet Sie das?

Ja, das ist schon belastend, weil ich diese Hoffnungen bisher nicht einlösen konnte. Ich habe oft mit Menschen zu tun, die von mir etwas erwarten, was ich gern leisten würde, aber aktuell nicht kann: ihr Leben ganz real zu verbessern. Als die Linke noch stärker war, gab es Verbesserungen, die mit unserer Existenz zusammenhingen. Ohne die Linke gäbe es vielleicht bis heute noch keinen Mindestlohn. Aber mittlerweile sind wir kein Faktor mehr, der wirklich etwas verändert. Und eine von der Linken dominierte Regierung, ein linker Kanzler steht überhaupt nicht zur Debatte.

Oder eine linke Kanzlerin?

Meinetwegen auch eine linke Kanzlerin. Dann wären wir in einer ganz anderen Situation. Manchmal frage ich mich tatsächlich, ob Menschen irgendwann von mir enttäuscht sein werden, wenn ich ihre Hoffnungen nicht einlösen konnte. Andererseits ist es aber auch diese Unterstützung, die mich immer noch in der Politik hält. Ich habe natürlich, vor allem als ich damals den Burnout hatte, aber auch später, immer wieder darüber nachgedacht, nur noch als Publizistin und Buchautorin zu arbeiten. Das wäre ein sehr schönes Leben, weil ich vieles nicht mehr machen müsste, was mir schwerfällt. Ich könnte auch dann öffentliche Denkanstöße geben. Aber es wäre natürlich das Eingeständnis, dass ich die Hoffnung aufgegeben habe, selbst politisch noch etwas bewegen zu können. In der Abwägung habe ich mich dann trotz des Gegenwinds 2021 entschieden, noch einmal für den Bundestag zu kandidieren.

Ein dreiviertel Jahr nach der für Ihre Partei desaströsen Bundestagswahl mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent hat sich die Lage für die Linkspartei weiter verschlechtert. Warum tun Sie sich das noch an?

Ich denke, der Parteitag jetzt ist die vielleicht letzte Chance der Linken, die Weichen noch einmal neu zu stellen. Das ist einer der Gründe, warum ich gemeinsam mit anderen jetzt den Aufruf auf den Weg gebracht habe. Wir wollen nicht kampflos aufgeben.

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Jochen

Krone-Schmalz zum Ukraine-Konflikt : „Offenbar reicht bei vielen weder die Bildung noch die Fantasie aus, um sich die Schrecken des Krieges vorzustellen“ – aktualisiert am 1.3.2022

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aktuell in den NachDenk Seiten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=80630
Auszüge:

Was heute fehlt, ist eine kraftvolle Friedensbewegung, die mglichst unideologisch und nicht in Grabenkämpfen verstrickt eine einfache, klare Forderung formuliert: Wir haben die Nase voll von Säbelrasseln ().
Das sagt die Autorin und Journalistin Gabriele Krone-Schmalz im NachDenkSeiten-Interview. Krone-Schmalz, die viele Jahre als ARD-Korrespondentin in Russland gearbeitet hat, zeigt sich hochgradig besorgt über die aktuellen Entwicklungen zwischen der NATO und Russland. Im Interview erklärt Krone-Schmalz, was die Grnde dafür sind, dass es keine neue Ostpolitik gibt, und beleuchtet die geostrategischen Hintergrnde im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt. Von Marcus Klöckner.

Erweiterung am 1.3.2022: Zur aktuellen Situation nach dem Einmarsch russischer Truppen nimmt Frau Krone-Schmalz am Ende dieses Artikels Stellung !

Frau Krone-Schmalz, seit Monaten geht es in den Medien verstärkt darum, ob es einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine geben wird.
Selbst die Frage, ob daraus ein Krieg entstehen knnte, in den dann auch die NATO involviert wre, ist auf dem Tisch. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?

Hochgradig besorgt. Ständig liest man Meldungen wie: Der amerikanische Präsident Biden warnt vor einem unmittelbar bevorstehenden russischen Einmarsch.
Die baltischen Staaten bereiten sich auf einen russischen Angriff vor etc. etc. Man bekommt den Eindruck, einigen Journalisten kann es gar nicht schnell genug gehen mit dem Krieg. Am 4. Februar setzte die amerikanische Agentur Bloomberg eine Eilmeldung auf ihre Webseite: Live: Russland marschiert in die Ukraine ein.
Diese Falschmeldung konnte man dort immerhin 30 Minuten lang lesen. Ich finde den Vorgang bezeichnend für die hysterische und sensationslüsterne Stimmung in manchen Medien.
Warum befasst man sich nicht mit den Dingen, die greifbar sind, statt sich in immer wilderen Spekulationen über mögliche Entwicklungen zu verlieren? Der russische Truppenaufmarsch, die westliche Reaktion, die Forderungen Russlands in Zusammenhang mit Sicherheitsinteressen, die westliche Antwort bzw. westliche Vorschläge, die diplomatischen Aktivitäten mit der genauen Wiedergabe und Analyse dieser Dinge sind wir gut beschäftigt.

Das Wort Krieg geht vielen Medien erstaunlich schnell von der Hand. Auch wenn die Frage vielleicht banal klingt: Was heißt Krieg?

Ich habe das Glück, selbst nie Krieg erlebt zu haben, im Gegensatz zu meinem Mann und meinen Eltern. Und ich habe das Glück, dass ich mit allen dreien darüber habe reden können. Krieg ist Horror und nicht nur aseptische Joystick-Aktivität in durchgestylten IT-Räumen. Aber offenbar reicht bei vielen weder die Bildung noch die Fantasie aus, um sich die Schrecken des Krieges vorzustellen. Anders kann ich mir das Verhalten nicht erklären.
Willy Brandt hat einmal gesagt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

In den Medien gibt es kaum Zweifel daran, wer gut, wer böse ist, also von wem die Aggression ausgeht. Was ist die Realität?

Mit der Realitt ist das so eine Sache. Von Geraldine Chaplin stammt der Satz: Wahrheit ist selten so oder so, meistens ist sie so und so. Unabhängig von Lügen, die es natrlich auch gibt, haben verschiedene Narrative durchaus ihre Berechtigung. Bei der Betrachtung existenzieller Fragen empfiehlt sich immer ein Perspektivwechsel. Nur aus dem eigenen Blickwinkel betrachtet, wird es schwer, Lösungen zu finden, von denen alle Seiten profitieren. Und die simple Unterteilung in gut und böse habe ich in meinen Büchern immer wieder aufs Korn genommen. Denn so einfach ist es meistens nicht.
Nehmen Sie nur die Berichterstattung über Minsk 2. Wer sich mit dem Abkommen nicht auskennt, muss den Eindruck bekommen, es seien vor allem Russland und die Separatisten, die blockieren. In Wahrheit setzt aber auch die Ukraine zentrale Teile des Abkommens nicht um, weil es in einem Moment der militrischen Schwäche ausgehandelt wurde und Kiew auf einen besseren Deal hofft.

Der Begriff geostrategische Interessen wird in deutschen Medien oft nur im Zusammenhang mit dem Handeln der russischen Regierung betrachtet. Aber viele Länder haben geostrategische Interessen. Und ein Bündnis wie die NATO ist auch nicht befreit davon. Was sind die geostrategischen Interessen der USA, der NATO in diesem Konflikt mit Russland?

In der Tat kann man bei manchen Äußerungen den Eindruck gewinnen, als denke man nur noch in Moskau in geopolitischen Einflusszonen. Doch wie glaubwürdig ist das? Etwa, wenn man sich die amerikanische Politik im Nahen Osten anschaut.
Gods_Own_CountryNach dem Ende des Kalten Krieges und der Auflsung von Warschauer Pakt und Sowjetunion waren die USA die alleinige Supermacht *), und eine Zeitlang sah es so aus, als könnten sie ihre Ordnung weltweit durchsetzen. Das geopolitische Interesse der USA war es seitdem, dafür zu sorgen, dass kein Rivale auf der Weltbühne auftaucht, der sie in derselben Weise herausfordern könnte, wie die Sowjetunion es getan hatte.
Eine solche kritische Masse könnte erreicht sein, wenn es Russland gelänge, Weißrussland und die Ukraine zu schlucken, so stand es 1992 in Papieren des Pentagon, die mageblich Paul Wolfowitz entworfen hatte, später stellvertretender Verteidigungsminister unter George W. Bush. Der heutige Konflikt ist sicher vielschichtig. Aber ich wäre sehr überrascht, wenn diese Hintergründe nicht auch eine Rolle spielen wrden.

Und welche geostrategischen Interessen sind auf russischer Seite auszumachen?

Russland hat den Anspruch, ein eigenständiger Pol der Weltpolitik zu sein und zu bleiben. Dafür ist zum Beispiel die Möglichkeit, eine Blockade des Schwarzen Meeres durch die NATO verhindern zu können, von elementarer Bedeutung.
Nur wer sich diesen geostrategischen Zusammenhang vergegenwärtigt, versteht die Bedeutung der Krim sowie die von Abchasien in Georgien.
Wenn die NATO unmittelbar an russische Grenzen heranrückt, dann schränkt das den geopolitischen Spielraum Russlands ein, genau wie es Washington vermutlich auch beabsichtigt. Aber es geht auch generell darum, auf internationalem Parkett als ein solcher unabhängiger Pol wahrgenommen und respektiert zu werden.
Dass Russland dafr auf militärische Drohungen zurckgreifen muss, ist eher ein Zeichen von Schwäche als von Stärke und auch bezeichnend dafür, wie der Westen viele Jahre mit Russland umgegangen ist.

All das, was Sie ausführen, ist im Grunde genommen ja nicht neu. Wohl die meisten Beobachter, die auf den Ukraine-Konflikt blicken, wissen, dass es im Kern um massive geostrategische Interessen auf beiden Seiten geht. Und trotzdem hält sich das Bild in den Medien von Russland, das angeblich als Aggressor handelt und der Westen das Unschuldslamm ist. Wenn westliche Staaten der Ukraine beistehen, dann nur aus den edelsten Motiven.
Sind wir damit dann inmitten der Propaganda oder gar einer kriegsvorbereitenden Propaganda?

Ich finde es in der Tat problematisch, wenn sich Länder so bedingungslos auf eine Seite stellen, statt die Chance zu ergreifen, bei einem Konflikt zu vermitteln.
Man kann Vieles kritisieren mit Blick auf russische Politik, aber das wird nicht glaubwürdiger dadurch, dass man beide Augen zudrückt, sobald es sich um die Ukraine handelt. Die Art, wie zurzeit der ukrainische Botschafter in Deutschland sowohl von der Politik als auch von den Medien hofiert wird, finde ich mehr als befremdlich, und sein Auftreten bei allem Respekt unverschämt. Man stelle sich vor, der deutsche Botschafter in Kiew ruft die ukrainische Bevölkerung auf, endlich ihrer Regierung nachdrücklich deutlich zu machen, was sie zu tun hat, um sich nicht dem Vorwurf unterlassener Hilfeleistung auszusetzen.

Noch mal: Im Grunde genommen ist der Konflikt zwischen der Ukraine, Russland und der NATO nicht so schwer zu durchschauen. Man muss sich nur vorstellen, was wre, wenn Russland versuchen würde, beispielsweise Mexiko immer näher auch miliätrisch an sich zu binden.
Und dennoch zeichnen Medien ein sehr einseitiges Bild dieses Konfliktes. Ist das Vorsatz?

Ich glaube, mit eindimensionalen Erklrungen kommt man nicht weit. Es hat ja Gründe, warum diese Mechanismen und das Entstehen von Freund-Feind-Bildern immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sind.

Einseitige Bilder werden dadurch begünstigt, dass komplizierte Zusammenhänge in kurzer Zeit einfach und verständlich erklärt werden mssen.
Das Bewusstsein, auf der guten Seite zu stehen, verbunden mit missionarischem Eifer, spielt sicher auch eine Rolle.
Und schließlich darf man die Techniken von Staaten und Thinktanks nicht unterschätzen, die Deutungshoheit über die Bewertung politischer Entwicklungen zu erlangen. Das funktioniert überall.
Deshalb ist es so wichtig, in der Journalistenausbildung nicht nur Handwerk zu vermitteln, sondern auch die Fähigkeit, gegen alle Widerstände Verantwortung zu übernehmen und sich den Blick durch nichts und niemanden verengen zu lassen.

Medien haben sich die Tage darber echauffiert, dass Deutschland nur 5000 Helme an die Ukraine liefern werde. In der liberalen Zeit fragt ein Kolumnist allen Ernstes: Was ist los mit Deutschland?

Lächerlich ist nicht die Lieferung der 5.000 Helme, wie überall gensslich zitiert und berichtet wird. Lächerlich ist der Vorgang. Nach meinem Kenntnisstand hat die Ukraine ganz allgemein nach Helmen und Schutzwesten gefragt für all die Zivilisten, die jetzt den Krieg proben. Und zwar ohne eine konkrete Zahl zu nennen.
In Deutschland konnte man offenbar auf Anhieb 5.000 Helme entbehren und hat sie sofort auf die Reise geschickt. Erst dann tauchte die Zahl von 100.000 Helmen auf, um die die Ukraine gebeten habe. Dagegen wirken die 5.000 Helme natürlich etwas albern.
Der ukrainische Botschafter, der am 6. Februar in der Talkshow von Anne Will saß, ist der Frage nach der Chronologie der Geschichte ausgewichen und leider nicht gedrängt worden zu antworten. Der Schenkelklopfer wird uns also wohl erhalten bleiben.

Kann es sein, dass manche Journalisten in Deutschland schlicht im Geschichtsunterricht nicht anwesend waren?
Wie kann man als Journalist alleine schon aufgrund der historischen Hintergründe allen Ernstes wollen, dass sich Deutschland an einer Aufrüstung eines Landes gegen Russland beteiligt?

Manche stellen sich ja auf den Standpunkt, die Ukraine habe es im Zweiten Weltkrieg mindestens so hart getroffen wie Russland ähnlich wie Weirussland, denn beide Länder muss man ja erstmal durchqueren, bevor man in Russland ankommt, und leiten daraus ganz im Gegenteil die Verpflichtung Deutschlands ab, der Ukraine jetzt zu Hilfe zu kommen. Damit werden die verschiedenen Opfergruppen gegeneinander ausgespielt. Ich kann dem nicht folgen.
Es ist und bleibt eine Tatsache, dass es Frieden in Europa nur mit Russland geben kann und nicht ohne, schon gar nicht gegen. Es sollte also auch im Interesse der Ukraine liegen, auf jeden Fall einen Krieg zu vermeiden, und das erreicht man, wie die Geschichte zeigt, nicht durch Aufrüstung, sondern nur durch Diplomatie.

Wir reden jetzt viel ber die Medien. Vielleicht ja auch zu viel. Aber mein Eindruck ist, dass bestimmte Medien und Journalisten sich nicht im Ansatz darber im Klaren sind, was sie mit ihrer zündelnden Berichterstattung anrichten. Wie sehen Sie das?

Eine Kollegin in Washington hat das (am 7.2.) in ihrer Berichterstattung über den Besuch des deutschen Bundeskanzlers Scholz beim amerikanischen Präsidenten Biden sehr gut auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Die wahre Nagelprobe wird nicht das Gesprch mit Biden sein, sondern hinterher die Fragen der Journalisten.
Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Vielen Journalisten passt offenbar nicht, dass die Bundesregierung, übrigens im Verbund mit Frankreich, nicht völlig auf die Position der Scharfmacher in Washington, London, Warschau und den baltischen Staaten einschwenkt. Und sie haben beschlossen, nicht locker zu lassen, bis der Kanzler einknickt.
Doch welche Legitimation haben Journalisten eigentlich, auf diese Weise selbst Politik zu machen? Wer hat sie gewählt? Vor wem mssen sie sich rechtfertigen, wenn es schiefgeht?
Und es ist schon abenteuerlich, wie sehr die eigene Regierung da manchmal herabgewrdigt wird. Von Jesuslatschen ist zu lesen, auf denen der Kanzler unterwegs sei, seine Politik sei blamabel, peinlich und dergleichen. Damit beschädigt man im Endeffekt auch unsere demokratischen Institutionen.

Was msste aus Ihrer Sicht passieren, damit es nicht zu einem Krieg kommt?

Journalisten sollten parteipolitische Spielchen entlarven, statt sie mitzuspielen, und endlich damit aufhören, Horrorszenarien zu entwerfen, mit denen sie Politikern möglichst markige Worte dazu abnötigen, was sie alles im Kcher haben, wenn

Das ist die eine Seite.

Politiker sollten sich nicht kirre machen lassen, sondern das durchziehen, wofür sie schließlich auch Verantwortung bernehmen mssen.
So etwas wie Helsinki 2.0, also eine große Sicherheitskonferenz, wäre ganz bestimmt hilfreich. Das kann aber nur gelingen, wenn Verhandeln und Kompromiss nicht als Schwäche ausgelegt werden, und um auf die Journalisten zurückzukommen, wenn Journalisten endlich aufhören, Fragen zu stellen wie: Wer hat gewonnen, wer verloren, was ist mit dem Gesichtsverlust? Etwas Unwichtigeres kann ich mir zurzeit kaum vorstellen.

Warum ist es so schwer, eine Art neue Ostpolitik aufzuziehen?
Wo sind deutsche Politiker, die dazu sowohl fähig wären?

Weil es in den Leitmedien nicht mehr zu Debatten kommt und alles abgebügelt wird, was nur nach Verständigung mit Russland riecht. Auch die neue Ostpolitik Anfang der 70er Jahre wurde als Vaterlandsverrat diffamiert und deren Vertreter als Fünfte Kolonne gebrandmarkt. Heute erledigt man das mit Begriffen wie Russlandversteher, Putinversteher und Verschwörungstheoretiker.
Leitmedien haben die Deutungshoheit übernommen und wer da vorkommen will, muss mit den Wölfen heulen.
Was heute fehlt, ist eine kraftvolle Friedensbewegung, die mglichst unideologisch und nicht in Grabenkämpfen verstrickt eine einfache, klare Forderung formuliert: Wir haben die Nase voll von Respekt_geht_andersSäbelrasseln, egal auf welcher Seite, wir wollen Entspannungspolitik und die Ideen dazu überall lesen, hören und sehen, damit wir uns damit auseinandersetzen können.

Lesetipp: Krone-Schmalz, Gabriele: Respekt geht anders. Betrachtungen über unser zerstrittenes Land. C.H. Beck Paperback, 16. Oktober 2020. S. 174. 14,90 Euro.

Um die Friedenspolitik kraftvoller zu machen, gibt es auf diesem Blog etliche Aufrufe, auch zum Online-Unterschreiben, z.B.


https://josopon.wordpress.com/2022/02/08/online-aufruf-ukraine-krise-friedenspolitik-statt-kriegshysterie-bitte-unterzeichnen/
https://josopon.wordpress.com/2022/02/07/verhandeln-statt-schiesen-aufruf-des-netzwerks-friedenskooperative/
https://josopon.wordpress.com/2020/08/29/online-petition-aufruf-aus-der-friedensbewegung-an-die-partei-die-linke-oskar-lafontaine-fragt-wer-ist-regierungsf-ahig/
https://josopon.wordpress.com/2020/04/21/online-petition-an-rolf-mutzenich-vorsitzender-der-spd-bundestagsfraktion-atombomber-nein-danke/

*:Amerikanischer Exzeptionalismus, siehe hier: https://josopon.wordpress.com/2020/11/20/was-wir-von-der-biden-prasidentschaft-im-nahen-osten-erwarten-konnen/

Und hier die aktuelle Stellungnahme:
https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/putin-kennerin-gabriele-krone-schmalz-ich-habe-mich-geirrt-li.214288

„Ich war fest davon überzeugt, dass der Aufbau dieser gigantischen russischen Drohkulisse in den letzten Wochen und Monaten, so riskant und überzogen er auch sein mochte, einem einzigen Zweck diente: nämlich ernstzunehmende Verhandlungen mit dem politischen Westen zu erzwingen, um Russlands Sicherheitsinteressen endlich zum Thema zu machen. Ich habe mich geirrt. Nicht nur mit Blick darauf, was jetzt an Leid und Verwüstung folgt, bin ich fassungslos, sondern auch angesichts dieses Schlags ins Gesicht all derjenigen, die sich – teilweise gegen große politische Widerstände im eigenen Lager – auf den Weg nach Moskau gemacht haben, um diplomatische Lösungen für die tatsächlich vorhandenen Probleme zu finden. Es ist nicht so, als hätte ich keine Kriegsgefahr gesehen, aber dieses Risiko habe ich nicht mit einem russischen Angriff verbunden, der für mich ausgeschlossen schien, sondern mit Missverständnissen, technischen oder menschlichen Pannen zwischen Nachbarn, denen jegliches Vertrauen zueinander abhandengekommen ist. Diverse Szenarien waren denkbar auf der Grundlage von Provokationen oder Prozessen, die aus dem Ruder laufen, aber ein kalkulierter und geplanter Überfall auf die Ukraine – das habe ich nicht für möglich gehalten.

Habe ich mit meinen Positionen dazu beigetragen, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu ermöglichen, wie jetzt manche behaupten? Bin ich für den russischen Einmarsch mitverantwortlich? Es wäre schrecklich, wenn es so wäre. Doch überzeugend finde ich diesen Vorwurf nicht. Er setzt voraus, dass die Idee der Verständigung, der Entspannungspolitik grundverkehrt war, und dass eine Abschreckungspolitik Putin hätte im Zaum halten können. Beide Punkte halte ich nicht für richtig. Denn zum einen haben sich die Entspannungspolitiker in den letzten dreißig Jahren auf internationalem Parkett mit ihrer Politik eher nicht durchsetzen können. Ich möchte die Worte von George Kennan ins Gedächtnis rufen, dem Architekten amerikanischer Eindämmungspolitik. Der für seine scharfen Analysen bekannte Diplomat hat am 2. Mai 1998 – also noch bevor Polen, Tschechien und Ungarn 1999 in die NATO aufgenommen wurden – die NATO-Osterweiterung als tragischen Fehler bezeichnet, da es überhaupt keinen Grund dafür gebe. Niemand bedrohe irgendjemanden. „Natürlich wird es auch darauf zukünftig eine böse Reaktion durch Russland geben“, so Kennan, „und dann werden sie (also die NATO-Erweiterer) sagen: So sind die Russen, wir haben es Euch immer gesagt, aber das ist komplett falsch.“

Und zum anderen scheint mir, dass jeder Versuch, die Ukraine nach 2014 in die NATO mit aufzunehmen, die jetzt erfolgte Intervention nur beschleunigt und nicht verhindert hätte. Ich denke nach wie vor, dass die NATO-Osterweiterung und die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen durch den Westen stark dazu beigetragen haben, dass wir uns heute einem Russland gegenübersehen, das uns als Feind betrachtet und sich auch so verhält. Ich teile nicht die These, dass Putin schon immer der gewesen sei, der er jetzt ist. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir diesen Putin mitgeschaffen haben.

Aber letztlich ist es müßig, noch über die Vergangenheit zu streiten. Die Verständigungspolitik, deren Sinnhaftigkeit ich mit meiner Arbeit immer versucht habe zu erklären und journalistisch zu begleiten, liegt in Trümmern. Putin hat die Hand verdorren lassen, die zwar reichlich später, aber dann doch ausgestreckt war.

Nach allem was man hört, waren selbst einige russische Regierungsmitglieder von der Entscheidung ihres Präsidenten überrascht, den Einmarschbefehl zu geben, noch dazu in dieser Situation: unmittelbar vor weiteren geplanten Gipfeltreffen. Das macht die Lage nicht einfacher.

Der russische Einmarsch in die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Jetzt kann es nur darum gehen, möglichst sichere Wege zu finden die aus dieser Katastrophe herausführen. „Diplomatische Anstrengungen müssen erneut beginnen.“ Das hat Klaus von Dohnanyi jetzt gefordert, wobei auch ihm die Zumutung klar ist, die darin besteht, mit einem Gegenüber zu verhandeln, das dreist gelogen hat. Aber Zumutung, Gesichtsverlust und ähnliches sind keine akzeptablen politischen Kategorien, wenn es darum geht, einen Krieg zu beenden.

Was entspannungspolitisch alles möglich ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Obwohl die Sowjetunion 1968 die Demokratiebewegung in der Tschechoslowakei, den „Prager Frühling“, mit Panzern niedergewalzt hat, haben sich der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und sein Berater Egon Bahr 1970 auf den Weg nach Moskau gemacht. Das war der Beginn der sogenannten Ostpolitik, die auf lange Sicht für alle Beteiligten nur Vorteile gebracht hat. Humanitär und wirtschaftlich.

An der grundsätzlichen Aufgabe hat sich nichts geändert: Wir brauchen eine umfassende Sicherheitsarchitektur, die den Bewohnern des europäischen Kontinents allen gleichermaßen Sicherheit bietet. Die war Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Greifen nah. Es ist erschütternd, sich vor Augen zu führen, welche Chance verspielt worden ist.“

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

Verhandeln statt Schießen! Aufruf des Netzwerks Friedenskooperative

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.friedenskooperative.de/statement-ukrainekrise-verhandeln-statt-schiessen

Gemeinsame Sicherheit in Europa kann es nur mit Russland geben – Militärische Eskalation im Ukrainekonflikt muss gebannt werden

Es droht eine militärische Eskalation des Ukrainekonflikts. Selbst eine größere Konfrontation zwischen NATO und Russland ist nicht auszuschließen, angesichts der fortlaufenden Provokationen durch Manöver und des stetigen Aufbaus von Drohkulissen durch Truppenverlegungen beider Seiten.
Weder NATO noch Russland zeigen sich aktuell zu substantiellen Schritten des Entgegenkommens bereit, um die gefährliche Lage zu entspannen.

Jedes Menschenleben, welches der Krieg in der Ukraine in den vergangenen Jahren gekostet hat, war eines zu viel. Doch jetzt droht eine neue Eskalationsstufe, die zu einem größeren Krieg in Europa führen kann.

Das Netzwerk Friedenskooperative mahnt zur Deeskalation und fordert alle involvierten Parteien auf, miteinander zu sprechen, um die Spannungen zu beenden und die Grundlagen für eine gemeinsame europäische Sicherheitsstruktur zu schaffen.

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • Eine friedliche und diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts mit allen Mitteln der zivilen Konfliktbearbeitung zu fördern.
  • Sich für die Fortsetzung und Stärkung von Diplomatie und Gesprächsformaten mit Russland und der Ukraine einzusetzen, wie etwa das Abkommen Minsk II und das Normandie-Format, damit der Ukrainekonflikt bearbeitet und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann.
  • Den Export von Rüstungsgütern in Krisenregionen zu unterlassen. Dies würde nicht zur Konfliktlösung beitragen, sondern Öl ins Feuer gießen.
    Dies gilt gerade im Sinne der im Koalitionsvertrag vereinbarten feministischen Außenpolitik, die Abrüstung und Demilitarisierung der Gesellschaft zum Ziel hat.
  • Einen Neustart der Beziehungen mit Russland auf europäischer Ebene einzuleiten, damit eine gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa unter Einbeziehung der Sicherheitsinteressen aller beteiligten Staaten errichtet werden kann.

Europa braucht einen Neustart der Beziehungen zu Russland – Konkrete Schritte für Verhandlungen sind nötig

Für eine neue gemeinsame Sicherheitsstruktur in Europa braucht es erste Schritte und Verhandlungsangebote. Dies könnte beispielsweise von Seiten der NATO die Bereitschaft sein, die US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa abzuziehen.
Beidseitig sollte ein Verzicht auf die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraten in Europa verhandelt werden.
Auch ein Teilabzug der NATO-Truppen aus Osteuropa und das Einstellen militärischer Großmanöver in der Region (u.a. Defender) wären weitere wichtige Verhandlungsangebote hin zu Deeskalation und Diplomatie.

atomwaffen illegal

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Ebenso muss das Ende der Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt, die NATO-Osterweiterung kritisch hinterfragt und im Sinne der Entspannung gestoppt werden. Denn insbesondere die Ostererweiterung trug und trägt zu den schlechten Beziehungen bei und erschwert eine Lösung.
Die russische Seite könnte beispielsweise als Gegenangebot die Truppen an der ukrainischen Grenze und aus Belarus abziehen und ebenfalls ihre Militärmanöver beenden. Außerdem sollte Russland ernsthaft den Friedensprozess für die Ukraine stärken, indem es zum Beispiel auf Einhaltung des Waffenstillstandes und auf freie Wahlen hinwirkt. Zu zentralen Grundpfeilern des friedlichen Miteinanders in Europa, wie die Unverletzbarkeit von Grenzen, muss zurückgekehrt werden.

Alle Konfliktparteien sollten einem Sicherheitsbereich beiderseits der ukrainisch-russischen Grenze zustimmen, in dem keine Manöver stattfinden und alle Truppenbewegungen nur unter strengen Auflagen und transparent durchgeführt werden.

Diese Forderungen und Vorschläge sind Lösungsansätze zur Deeskalation eines zunehmend komplexer werdenden Konfliktes, der das Potential hat, sich zu einem weitreichenden Krieg auszuweiten, der nur Verlierer*innen kennen würde. Verhandeln statt schießen muss oberstes Gebot bleiben!

Gemeinsame Sicherheit mit Russland Schlüssel für Frieden und Abrüstung in Europa

Der Schlüssel für umfangreiche Abrüstungsbemühungen liegt in einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, die Russland miteinschließt. Wird Russland nicht mehr als Gefahr für die Sicherheit in Europa angesehen und umgekehrt, fällt die Aufrüstungslogik in sich zusammen.

Den vorgetragenen Begründungen für Aufrüstungsprojekte wie der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO, neuen Trägersystemen für die Atombomben in Büchel oder dem milliardenschweren Rüstungsprojekt FCAS würde so die Grundlage entzogen werden.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels ist es dringend notwendig, mit Russland zukünftig in Frieden zu Leben. Die Unterhaltung des militärischen Apparates, stetige Aufrüstung oder gar ein Konflikt, sind absolut schädlich für das Klima. Um die Bemühungen für eine klimafreundliche Transformation der Weltwirtschaft voranzubringen, ist es unabdingbar, dass die Spannungen zwischen den Großmächten bearbeitet und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen gestärkt wird.

Friedensbewegung ist gefordert

Die Friedensbewegung muss Zeichen für Völkerverständigung in die Öffentlichkeit tragen und die Gefahr eines Krieges ins Bewusstsein der Menschen und vor allem der Politik holen. Sie muss klar sagen und zeigen, dass eine weitere Eskalation nicht hinnehmbar ist. In Richtung der Bundesregierung braucht es klare Ansagen, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland kein Interesse an einer Konfrontation mit Russland und einem Krieg in Europa hat, sondern in Frieden leben möchte. Die Kontakte zwischen den Bevölkerungen in Russland und Deutschland sowie den anderen osteuropäischen Ländern müssen ausgebaut, damit Feindbilder abgebaut werden können.

Wichtig für die Friedensbewegung werden die Ostermärsche vom 14.-18. April 2022 sein, bei denen eine neue Friedenspolitik mit Russland zentrales Thema sein wird. Weitere bereits feststehende Termine für mögliche Protestaktionen und Diskussionen sind die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und die Münchner Friedenskonferenz am 18./19. Februar sowie die Konferenz der Kooperation für den Frieden am 18. und 19. Februar. Darüber hinaus ermutigt das Netzwerk Friedenskooperative Friedensgruppen zu dezentralen Aktionen!

Übersicht mit Stellungnahmen und Aktivitäten aus der Friedensbewegung (wird fortlaufend aktualisiert):

  • IPPNW-Pressemitteilung vom 14. Januar 2022: Friedensnobelpreisträgerorganisation fordert beidseitiges Entgegenkommen, hier lesen.
  • Erklärung des pax christi-Bundesvorstandes vom 27. Januar 2022, Dialog statt militärische Eskalation, hier lesen.
  • Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ vom 27. Januar 2022, Keine Waffenlieferungen in die Ukraine!, hier lesen.
  • „Appell zur De-Eskalation des Konflikts in der Ukraine “ von WILPF Germany vom 27. Januar 2022, hier lesen.
  • Internationaler Versöhnungsbund, „Ukraine-Konflikt: Eskalation durch Drohnen stoppen! – Briefaktion zum Mitmachen!“ vom 01. Februar 2022, hier lesen.
  • Erklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom 03. Februar 2022, „Ukraine-Konflikt deeskalieren – gemeinsame Sicherheit mit Russland suchen!, hier lesen.
  • Erklärung des Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zum Ukraine-Konflikt vom 1.02.2022 „Die Eskalation im Ukraine-Konflikt muss beendet werden“, hier lesen
  • Pressemitteilung des Forums Ziviler Friedensdienst (ForumZFD), „Ukraine-Krise: Den Krieg abwenden, den Frieden vorbereiten“, hier lesen
  • Kommrntar von Martina Fuscher (Brot für die Welt) „Warum es in der Ukraine-Krise Kooperation braucht“ vom 7.2., hier lesen

Hier dazu noch ein 1 Jahr alter Kommentar von Albrecht Müller auf den NDS, der sich mit der Vasallenrolle und der Unterwürfigkeit deutscher Politiker auseinandersetzt:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=68340
Auszüge:

Vasall der USA

Viele Deutsche (West) sehen in den USA eine Nation und in den dortigen Menschen ein Volk, das uns sehr geholfen hat: mitgeholfen bei der Befreiung von den Nazis, geholfen bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Viele Deutsche sehen in den USA jene, die uns vor den Sowjets und den Kommunisten geschützt haben. Auch wenn man das anders sehen kann, generell kann man wohl sagen, dass in den 1950er- und 60er-Jahren so etwas wie ein abschreckendes Gleichgewicht der Kräfte bestand.
Damals wurden wir von den USA geschützt – so sah es zumindest aus –, heute werden wir benutzt.

Nato und RußlandDie Vereinigten Staaten von Amerika verfolgen vornehmlich ihre eigenen Interessen und diese Position hat einen ziemlich imperialen und auf eigene Interessen bedachten Charakter. Das ist nicht erst mit der Präsidentschaft Donald Trumps so gekommen. Es war vorher schon nicht viel anders. Mit Trump ist diese Haltung nur etwas deutlicher geworden, weil er auch die entsprechenden Formulierungen lieferte.
»America first« sollte eigentlich jedem deutlich machen, was hier gespielt wird. Da ist von Partnerschaft nicht die Rede. Es wird offen bekannt, dass die Interessen der USA Vorrang haben. Aber wie gesagt, das ist nicht neu. Das galt auch schon für Barack Obama, für Hillary Clinton, für Bill Clinton und die Bushs sowieso.

Versetzen Sie sich in die Lage des US-amerikanischen Präsidenten, zum leichteren Verständnis einfach in die des Präsidenten Trump.
Dann wird Ihnen vieles von dem, was im Folgenden zu lesen ist, sehr viel leichter einleuchten als ohne Nutzung dieser Verständnishilfe.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der US-Präsident oder Vordenker beim zuständigen Geheimdienst. Was würden Sie dann tun?

Sie würden überlegen, wie Sie den Wohlstand der US-Nation und vor allem der führenden Kräfte auch in Zukunft erhalten können. Deshalb würden Sie zum Beispiel darüber nachdenken, wie man sich die Ressourcen in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Eurasien oder im Mittleren Osten, zu eigen machen kann. Und Sie würden überlegen, wie man potenzielle Konkurrenten, insbesondere die großen Konkurrenten China und Russland, in Schach halten und kleinere Störfaktoren wie den Iran ausschalten kann.
Sanktionen sind eines der Instrumente, mit denen die USA ihre Gegner oder vermeintlichen Gegner zu beeinflussen und ihnen zu schaden versuchen. Sanktionen wirken dann erst richtig, wenn sie nicht von den USA alleine ausgesprochen und vollzogen werden. Die USA haben deshalb immer auch wieder versucht und erfolgreich versucht, andere Völker und Nationen in diese Sanktionspolitik zu integrieren.

Wenn Sie Präsident der USA wären, dann würden Sie selbstverständlich überlegen, wie Sie den Einfluss der USA auf wichtige Akteure in befreundeten Nationen sichern können, in Deutschland zum Beispiel und in Europa. Da würden Sie auf die naheliegende Idee kommen, dass der Einfluss über Parteien läuft, über Medien und über einzelne Gruppen sowie NGOs. Gegebenenfalls würden Sie eigens NGOs gründen oder dieses veranlassen.
Und Sie würden mithelfen, dass Ihre Freunde in angesehenen Organisationen, wie zum Beispiel der Heinrich-Böll-Stiftung oder im German Marshall Fund, das Sagen bekommen und behalten.

Sie würden dafür sorgen, dass diese Gewährsleute – die man auch Einflussagenten nennen könnte – in schwierigen Situationen ihre Stimme zugunsten der US-Politik erheben. Hier ist ein Musterbeispiel dafür. Das Beispiel betrifft die Debatte nach der Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani im Irak. Der Bundestagsabgeordnete Michael Roth twitterte:

»Bei aller berechtigten Kritik an Präsident #Trump: Die von einigen bemühte Gleichsetzung von #USA und #Iran als globales Sicherheitsrisiko ist bescheuert & unanständig. Die USA sind eine liberale Demokratie. Im Iran werden Schwule & Dissidenten an Baukränen erhängt. #Soleimani«41

Dass gerade der Abgeordnete Michael Roth (SPD) jetzt schon seit 2013 Staatsminister im Auswärtigen Amt ist und schon zwei Außenminister überdauert hat, kann ich mir nur so erklären, dass mächtige Kräfte ihre Hand über ihn halten. Und er sich dann mit solchen Äußerungen und mit vielem anderen revanchiert.
Die Behauptung, die USA seien eine »liberale Demokratie«, kann nur von jemandem kommen, der als Propagandist engagiert ist und deshalb übersehen muss, dass in den USA nur Milliardäre oder ihre Gewährsleute Präsidenten werden können – alle Macht geht vom Gelde aus und nicht vom Volk.
Und er muss auch übersehen, dass radikale, rechts-religiöse Ideologen über weite Strecken das Sagen haben und Schwule, Dissidenten und übrigens auch Schwarze dort auf andere Weise fertiggemacht werden.

Der Einfluss auf die Personalpolitik in anderen Ländern und Kontinenten

Wenn Sie US-Präsident, CIA-Chef oder ein einflussreicher Berater wären, dann würden Sie selbstverständlich versuchen, die Personalpolitik anderer Völker und Völkergemeinschaften zu beeinflussen, bei befreundeten Nationen und bei fremden. Fangen wir mit Letzterem an:

Es ist ja kein Geheimnis, dass die USA die Präsidentschaft Boris Jelzins nutzten, um die Politik Russlands der 1990er-Jahre auch im Inneren zu bestimmen.
Die USA haben massenweise Berater geschickt und Jelzin sogar geholfen, eine für ihn gefährdete Wiederwahl zu gewinnen.Schock-Strategie_Naomi_Klein In Naomi Kleins Schock-Strategie wird das ziemlich detailliert beschrieben. Und weil heute mit Präsident Putin der Einfluss auf die Politik Russlands geschwunden ist, wird gegen diesen Stimmung gemacht – von den USA und im Verein damit von allen von den USA beeinflussten Politikern anderer Länder und der dort tätigen Medien, Sachverständigen, Beobachtern, sogenannten Experten.
Diese Stimmungsmache ist so wirksam, dass heute in der allgemeinen Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, Russlands Wohlbefinden habe sich mit dem Wechsel von Jelzin zu Putin verschlechtert. Das ist schlicht die Unwahrheit.

Bei befreundeten Nationen funktioniert sowohl der personalpolitische Einfluss als auch der Einfluss auf Sachentscheidungen über ein Heer von Beratern:

stern

stern

Von der Leyen hat sich als Bundesverteidigungsministerin bei der Frage der Erhöhung der Militärausgaben so verhalten, wie der US-Präsident es gefordert hat: Militärausgaben erhöhen, Aufrüstung statt Abrüstung. Und obwohl diese Ministerin wegen ihrer hohen Ausgaben für Beratungsfirmen und verschiedenen Personalentscheidungen in Schwierigkeiten geraten und alles andere als ein Vorbild war, wurde sie Präsidentin der EU-Kommission.
Das ist eine Schlüsselfunktion und sie ist wichtig für die USA. *)

Die Personalentscheidung für von der Leyen ist lautlos über die Bühne gegangen. Kein vernünftiger Mensch kann erklären, wieso gerade sie dieses wichtige Amt bekommen hat.
Eine richtungsweisende Teilerklärung: Sie hatte die Unterstützung wichtiger Länder aus Osteuropa. Auf diese Staaten haben die USA einen großen Einfluss.

Von der Leyen hat beim ersten großen kritischen Fall sofort und eindeutig die Position der USA vertreten: Schuld an der Konfrontation im Nahen Osten und an der Hinrichtung des iranischen Generals sei der Iran selbst.
Mit ihr können die USA vermutlich auch bei anderen Gelegenheiten Pflöcke einschlagen und die innere Gestaltung der Europäischen Union maßgeblich mitgestalten. Ursula von der Leyen ist das Musterbeispiel einer »Einflussagentin«.

Warum Heiko Maas bei uns Außenminister geworden ist, erschließt sich den meisten Menschen und Beobachtern nicht. Solche Zweifel galten vorher schon für Sigmar Gabriel und den früheren Außenminister und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Bei Gabriel hat sich hinterher flugs gezeigt, in wessen Diensten er steht. Er wurde zum Vorsitzenden der Atlantikbrücke gewählt – als Nachfolger von Merz.

Letzterer gehört zum Kreis der bewährten US-Einflusspersonen. Bei ihm ist die Verflechtung auch institutionell gesichert. Er stand bis zu seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Diensten des großen US-Finanzkapitals, konkret: BlackRock.

Wie sehr die USA und die mit ihnen unmittelbar verbundenen Institutionen wie die NATO in den deutschen Medien verankert sind, wird verdrängt.
Umso wichtiger ist, dass die Anstalt des ZDF am 29. April 2014 detailliert dargestellt hat, welche Personen in deutschen Medien im Dienste atlantischer Interessen stehen. Wichtige deutsche Journalisten und Journalistinnen sind eng mit Institutionen wie der Atlantikbrücke verbunden und geben dieser Verbundenheit mit US-amerikanischen und NATO-Interessen in ihren Berichten und Kommentaren regelmäßig Raum. Das Feindbild Russland wieder neu aufzubauen, wäre ohne diese mediale Unterstützung nicht möglich gewesen.

Der Einfluss der USA auf politische Entscheidungen in anderen Ländern läuft heute schon und künftig wahrscheinlich noch sehr viel mehr über die wirtschaftlichen Verflechtungen, konkret über die Beteiligung großer angelsächsischer Kapitalsammelstellen wie BlackRock und Blackstone an allen wichtigen Unternehmen in Europa und in der Welt. Darüber wurde ausführlich in II. 3 und II. 4 berichtet.

Es gibt noch ein paar besondere Methoden der Einflussnahme. Eine ist schon erwähnt worden: der Aufbau von NGOs, die US-amerikanische Interessen in fremden Ländern vertreten. In der Ukraine haben die USA fünf Milliarden Dollar investiert, um die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszulösen. Auch die Proteste auf dem Maidan im Winter und Frühjahr 2013/2014 sind mithilfe solcher NGOs befeuert worden. Im konkreten Fall gab es auch eine enge finanzielle Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Milliardär Soros.

In den USA sind zum Zwecke der Beeinflussung anderer Völker eine Reihe von Institutionen aufgebaut worden. Eine von besonderer Bedeutung ist die National Endowment for Democracy (NED). Sie wurde 1983 gegründet und soll die liberalen Demokratien in der Welt fördern. Diese Einrichtung war in der Ukraine sehr engagiert. – Man kann ja diese Formen der Einflussnahme für unproblematisch halten. Ja, manche halten diese Mechanismen der Beeinflussung anderer Völker sogar für ehrenwert. Mit zwei anderen Methoden dürften aber selbst dicke Freunde der USA Probleme haben:

Wenn Sie sich in die Rolle des US-amerikanischen Präsidenten versetzen, dann ist Ihnen die hier beschriebene Praxis der weltweiten Machenschaften des US-Finanzministeriums ein Begriff. Sie sind der steuernde Hintermann, Sie nutzen »die Superwaffe des Mr. Glaser. [Nämlich] Sanktionen gegen Russland und den Iran« mit nachhaltigem Erfolg. Sie bringen mithilfe der Sanktionen Völker reihenweise in ökonomische Schwierigkeiten. Sie sorgen auf diese Weise auch dafür, dass Tausende unschuldiger Menschen verhungern oder auf andere Weise sterben.

Leserinnen und Leser, die befürchten, hier würden Verschwörungstheorien ausgebreitet, sollten den Zeit-Artikel über die »Superwaffe des Mr. Glaser« lesen.
Er stammt von 2014 und beschreibt die Instrumente des US-Präsidenten zur Beeinflussung der Finanzmärkte in anderen Regionen und Ländern.

John Perkins berichtet in seinem 2004 erschienenen Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man, wie das aus anderem Anlass und in einem anderen Milieu in der Praxis funktioniert hat. Der Autor schildert, dass er als Angestellter einer Unternehmensberatung im Auftrag der United States Agency for International Development (USAID), der Weltbank und weiterer Institutionen mit Erfolg versucht hat, Repräsentanten anderer, meist kleinerer Staaten dazu zu veranlassen, ihr Land zu verschulden und damit so in Abhängigkeit zu bringen, dass sie sich bei Abstimmungen der UNO und anderen Gelegenheiten dem Willen der USA beugen. Todesopfer waren bei diesen Operationen nicht ausgeschlossen. Auch er schildert die Auslagerung der eigentlichen Drecksarbeit an Dritte.

Dies alles hat mit den hehren Vorstellungen von Freundschaft und Ebenbürtigkeit zwischen USA, uns und anderen Völkern wenig zu tun. Und es ist schlimmer geworden. Wir waren schon einmal autonomer und mutiger, uns dem Einflussbereich der USA zu entziehen.

Dafür will ich nur zwei Beispiele nennen. Sie stammen aus der eigenen Erfahrungswelt:

Erstes Beispiel: Es ist ja allgemein bekannt, dass Brandt nach dem Zweiten Weltkrieg bei seiner politischen Arbeit in Berlin mit den West-Alliierten und insbesondere mit den USA eng zusammengearbeitet hat und von diesen wohl auch gestützt worden ist. Er hat auch den Beginn der Ostpolitik im Dezember 1966 als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland eng mit den westlichen Alliierten und der NATO abgestimmt.
Anders wäre das damals gar nicht möglich gewesen. Als sein Mitarbeiter habe ich ihn dann allerdings während der ganzen Zeit meiner Mitarbeit als autonom und US-kritisch erlebt. Dass die Verantwortlichen in den USA das ähnlich empfunden haben, wird schlagartig an dem bekanntgewordenen Dialog zwischen Präsident Nixon und Sicherheitsberater Kissinger sichtbar. Davon berichtete der Spiegel. Ich zitiere das ganze veröffentlichte Stück, weil daran der Geist dieser Freundschaft wie auch der weitere Niedergang sichtbar wird:

»Todeswünsche für Willy Brandt

kissinger2018

kissinger2018

NixonUS-Präsident Richard Nixon und sein Sicherheitsberater Henry Kissinger haben Kanzler Willy Brandt bekanntlich nie getraut. Neu ist allerdings, dass sie ihm den Tod an den Hals wünschten.
Das zeigt eine Tonbandaufnahme, die nun das US-Außenministerium veröffentlicht hat. Es geht um ein Gespräch am 3. Februar 1973. Brandt litt an einer Stimmbandentzündung und hatte eine Geschwulst entfernen lassen.

Nixon: Wie sieht es mit Brandts Kehle aus?
Kissinger: Leider ist sie (die Geschwulst – Red.) nicht bösartig. Es ist schrecklich, so etwas zu sagen …
Nixon: Ich weiß, was Sie meinen …
Kissinger: Ich meine …
Nixon: Sie meinen, dass er unglücklicherweise bei sehr guter Gesundheit ist.
Kissinger: Leider wird er uns erhalten bleiben, yeah.
Nixon: Er ist ein Trottel.
Kissinger: Er ist ein Trottel …
Nixon: Er ist ein Trottel …
Kissinger: … und er ist gefährlich.
Nixon: Tja, leider ist er gefährlich

Keine Sorge: Die heute amtierenden Politikerinnen und Politiker in Europa wurden und würden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von solchen Todeswünschen verschont. Man ist sich ihrer Zuneigung und Zuarbeit offensichtlich sicher.

Zweites Beispiel: Am 7. Januar 2020 gab es im rheinland-pfälzischen Landtag eine Feierstunde »100 Jahre amerikanische Präsenz an Rhein und Mosel«. Anwesend war der Kommandeur der US-Armee im Europa-Hauptquartier (Wiesbaden), General Christopher Cavoli.
Die pfälzische Zeitung Pfalz Express berichtete: »Landtagspräsident Hendrik Hering und Innenminister Roger Lewentz (SPD) dankten den US-Amerikanern für ihren Beitrag zur Demokratiebildung in Deutschland und für 75 Jahre Frieden.«
Ein kurzer Blick zurück zeigt, wie anders das Verhältnis einmal war. Im Landtagswahlkampf 1990/91 hat der damalige Spitzenkandidat der SPD, Rudolf Scharping, gefordert, Rheinland-Pfalz dürfe nicht weiter der »Flugzeugträger der USA in Europa« sein.

Jetzt wird die Präsenz der Alliierten gefeiert. Wir waren schon mal viel weiter. Heute sieht es jedenfalls nicht so aus, dass wir uns jemals aus den Fängen der USA und der NATO befreien können.

Die USA sind ein interessantes Land. Die US-Amerikaner sind oft kreativ und menschenfreundlich. Ich habe als junger Mensch in Heidelberg, meiner Heimatstadt, eine Reihe von produktiven kulturellen Erfahrungen mit US-Bürgern gemacht. Im Jazzclub Cave 54, mit dem Amerika-Haus und bei vielen weiteren Gelegenheiten.

Es gibt keinen Grund, ein schlechtes Verhältnis zu US-Amerikanern zu haben.

Aber es gibt einige Gründe, die USA als imperiale Macht nicht mehr zu akzeptieren. Weil das gefährlich ist, weil der grundlegende Geist der Beherrschung und der Konfrontation einem friedlichen Zusammenleben der Menschen nicht guttut und im konkreten Fall Europas äußerst gefährlich wird.

Deshalb wird es die Hauptaufgabe der deutschen Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein, uns aus der Vormundschaft der USA zu lösen. Das ist eine Herkulesarbeit. Und sie ist nicht leichter geworden.

Auszug aus Albrecht Müller: Die Revolution ist fällig. Aber sie ist verboten.

Ein drittes Beispiel in dieser Reihe wäre der Umgang der USA mit Schweden (U-Boot-AAffäre) und dem Mord an Olof Palme als Vertreter eines humanisierten dritten Weges gibt es hier ein Video von Dirk Pohlmann 2014 für arte:
https://mega.nz/folder/XYkkGKTb#l-saBKkGnMo4fYJvbRgpJA
Das Video braucht Zeit zum Herunterladen!

*: Nebenbei ist sie, wie Thomas Röper nachgewiesen hat, umgeben von Beratern:= Einflussagenten aus dem Bill-u.Melinda-Gates-Netzwerk.

Die heutigen NachDenkSeiten haben auch das Verhalten des aktuellen kanzlers Scholz analysiert, s.hier:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=80522

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Politik und Medien geschockt: Sozialdemokraten an die Spitze der SPD gewählt

Der PostillonDer Artikel https://www.der-postillon.com/2019/12/walter-borjans-esken.html
trifft es so gut auf den Punkt, dass ich ihn hier auszugsweise wiedergebe.

Berlin (dpo) – Ja, sind denn die Genossen jetzt völlig bescheuert geworden? Politiker nahezu aller Parteien sowie Kommentatoren zahlreicher Medien haben am Wochenende geschockt und verstört auf die Nachricht reagiert, dass die SPD zwei Sozialdemokraten an die Spitze der Partei gewählt hat.

„Sozialdemokraten an der Spitze der SPD? Sowas gab’s seit 20 Jahren nicht mehr! Das ist ja der komplette Wahnsinn!“, schreibt etwa ein Korrespondent auf zeitbildtagesspiegelschauwelt.de und ergänzt:
„Das wird der Untergang dieser stolzen Partei sein, die damals bei 40 Prozent stand und nach zwei Jahrzehnten Agenda-Politik und Neoliberalismus noch von 13 Prozent der Bevölkerung gewählt würde.“
Dass unter den SPD-Mitgliedern, die online über die Parteiführung abstimmten, offenbar sozialdemokratische Ideen die Runde machen, wurde mit großer Besorgnis aufgenommen.
„Der Verfassungsschutz sollte die sofort prüfen!“, fordern bereits erste Anhänger von Union und FDP. „Wobei… Sind sozialdemokratische Umtriebe überhaupt verfassungsfeindlich? Egal!“
Ähnlich schockiert zeigte sich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (Gazprom), der parteiinterne Basisbefragungen offenbar nicht für lupenrein demokratisch hält, wenn sie nicht das gewünschte Ergebnis bringen:
„Ich habe das Verfahren für unglücklich gehalten und das Ergebnis bestätigt meine Skepsis.“
Experten befürchten, dass der Linksschwenk der SPD langfristig zu einem Abstieg wie dem der portugiesischen (Wahlergebnis: 36,34%) und spanischen (Wahlergebnis: 28%) Sozialdemokraten führen könnte, die derzeit beide mit linken Parteien koalieren.
Auch ein grauenhaftes Schicksal wie das der britischen Labour-Partei, die bei der letzten Wahl 40% erreichten (aktuelle Umfragen: 33%), sei nicht auszuschließen.
Die einzige Chance, ein derartiges Desaster abzuwenden, bestehe nun darin, dass die alte Garde um Olaf Scholz und Seeheimer Kreis den beiden Sozialdemokraten das Leben so schwer wie möglich macht.
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Dazu empfiehlt sich die Analyse der gleichgeschalteten Leim-Medien von Elmar Wigand im Neuen Deutschland zu lesen:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129573.esken-und-walter-borjans-ein-umhertaumelnder-zombie.html

Ein umhertaumelnder Zombie

Die Mitgliederabstimmung haucht der SPD trotz Gegenfeuers neues Leben ein, meint Elmar Wigand.

Die SPD lebt. Zumindest teilweise. Noch. Das ist der überraschende Befund der Mitgliederabstimmung zum Parteivorstand.
Aber was ist mit dem DGB und der »Qualitätspresse« los?

Wir waren uns sicher, dass Olaf Scholz die Abstimmung gewinnt. In meinem Bekanntenkreis fand sich niemand, der einen Kasten Bier auf Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (kurz: Eskwabo) setzen wollte.
Galt doch die SPD bei uns als eine Art sado-masochistischer Zombie, der sich lustvoll quälen, verletzen und amputieren lässt.
Der keine Angst vor dem Untergang hat, weil er sowieso schon tot ist. Der auf der Suche nach Gehirn ziellos durch die Stadt taumelt. Der jeden bei jedem Schritt nach vorn zwei Schritte zur Seite wankt.

Mindestlohn? Ja, aber so erbärmlich niedrig, dass es nicht für eine Rente reicht. Und ohne Behörden, die in der Lage sind, Verstöße effizient zu ermitteln und zu bestrafen.
Equal-pay für Leiharbeiter? Ja, aber erst nach neun Monaten. Und mit Ausnahme von 24 000 DRK-Schwestern.
Grundrente? Ja, aber nur für Leute, die 35 Jahre durchgearbeitet haben – niemand aus meinem Stammtisch in Köln-Ehrenfeld wird das erreichen.
Grundrente:
Ja, aber nur erbärmliche 80 Euro mehr als die Grundsicherung, auf die wir sowieso zusteuern.

Solidarität mit Lohnabhängigen? Nur mit Arbeitsspartanern, die »ihr ganzes Leben hart gearbeitet haben«.
Verbot von sachgrundlosen Befristungen und Kettenbefristungen? Verbot der Werkvertragsarbeit? Leider nein. In der GroKo nicht durchgesetzt.
Entschuldigung für die Hartz-Gesetze, die neoliberale Zurichtung und die Öffnung des Landes für aggressive Finanzinvestoren? Im Leben nicht.

Wir dachten, die SPD wanke zielstrebig auf den Abgrund zu und darüber hinaus.
Und wir haben ehrlich gesagt Gefallen am dem Schauspiel gefunden – auch wenn es für den Kampf gegen AfD und Pegida ein Desaster bedeutet.
Irgendwie gefielen uns das hilflose Gestotter, die aschfahlen gequälten Gesichter nach weiteren Wahlschlappen.
Wir dachten, Eskwabo hätte so viele Chancen wie Bernie Sanders gegen Hillary Clinton
.

Und jetzt plötzlich das! Die eine Erkenntnis ist: Die SPD ist möglicherweise doch kein Zombie.
Vielleicht ist die alte Tante SPD eher eine Wachkomapatientin, die plötzlich wieder aufwacht, sich die Kanülen aus dem Arm reißt, um im Flur herumzuwandeln.
Leider ist sie aber halbseitig gelähmt: Nur 50 Prozent der Mitglieder nahmen an der aufwendig vorbereiteten Abstimmung teil.
Und sogleich stürzen sich die Pfleger auf sie, um sie mit Spritzen ruhig zu stellen und ans Bett zu fesseln. Sie hat eigentlich keine Chance.

Jetzt kommt raus: Andere Patienten sind offenbar noch toter als die SPD. Erstens: der DGB-Bundesvorstand unter Reiner Hoffmann und der NRW-DGB unter Anja Weber. Reflexartig verabschiedeten beide – Seite an Seite mit dem Arbeitgeberverband – flehende Aufforderungen, die GroKo bitte unbedingt fortzusetzen.
Zweitens: die transatlantisch orientierte Mainstreampresse. Sie befindet sich in einem ähnlichen Zersetzungsprozess wie SPD und DGB. Messbar an sinkenden Auflagen und Werbeeinnahmen, zusammengelegten Redaktionen sowie zunehmend austauschbaren Veröffentlichungen.
Eine Kursänderung ist nicht in Sicht: Das transatlantische Politmilieu reagiert auf die bloße Andeutung einer Abweichung vom Kurs bereits mit Hysterie. Es verlangt Gehorsam und Selbstverleugnung – notfalls bis zum Untergang.

Was haben diese Leute eigentlich gegen Eskwabo? Walter-Borjans trug entscheidend dazu bei, viele kriminelle Reiche zu Selbstanzeigen und Uli Hoeneß in den Knast zu bringen, indem er als NRW-Finanzminister CDs mit Steuersündern aus der Schweiz ankaufen ließ. Damit verstieß er bewusst gegen die BRD-Doktrin »Der Staat verhandelt nicht mit Kriminellen« – in diesem Fall mit profitorientierten Whistleblowern.
Das ist unverzeihlich, das vergessen sie nicht.

Dabei sollten alle mal einen Gang runter schalten. Früher war es immer so, dass die SPD als Partei linke Positionen vor sich her getragen hat. Die SPD-Fraktionen in den Parlamenten haben sich bloß nicht darum gekümmert.
Unter Willy Brandt als SPD-Vorsitzendem wurde Friedenspolitik beschlossen. Helmut Schmidt hat als SPD-Bundeskanzler den NATO-Doppelbeschluss durchgepaukt.
Erst unter Gerhard Schröder wurden die Ämter des Kanzlers und Parteivorsitzenden zusammengelegt. Vermutlich kehrt die SPD jetzt wieder zu dem altbekannten Spiel zurück.

Jochen

Internetpetition: Frieden und Zusammenarbeit statt Aufrüstung und Konfrontation!

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Nie wieder Krieg !

Hier der Text:

Deutschland darf sich an einer Politik der Konfrontation, der Sanktionen und der Aufrüstung nicht länger beteiligen, sondern muss sich ihr widersetzen und dafür Partner in Europa und weltweit suchen.
Die Nutzung von Militärbasen und anderer Infrastruktur in Deutschland für völkerrechtswidrige Kriege darf nicht gestattet werden.
Wir fordern die Bundesregierung, die Parteien und die Medien in Deutschland auf, zu einer Politik des Friedens und der Abrüstung, der Entspannung und Verständigung, der Achtung des Völkerrechts, der gemeinsamen Sicherheit in Europa und weltweit zurückzukehren, wie sie der Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt betrieben hat.

Hier unterschreiben: https://nie-wieder-krieg.org/

Erläuterung (die Links verweisen auf Belege und weitergehende Informationen):

Die Kriegsgefahr steigt weltweit. Der Iran wird unmittelbar mit Krieg bedroht.
Die USA und anschließend auch Russland kündigten den INF-Vertrag ber Mittelstreckenraketen, der START-Vertrag ber die Reduzierung der Langstreckenraketen läuft 2021 aus.
Das Ende des Rüstungskontrollsystems droht.
Auch der Weltraum und das Internet werden militarisiert. Neue Technologien wie superschnelle Raketen, Laserwaffen und autonome Killer-Roboter erhöhen die Kriegsgefahr. Zur Gefahr der Klimakatastrophe tritt die eines nuklearen Winters.

Am 1. September 2019 jhrt sich zum achtzigsten Mal der Überfall des faschistischen Deutschland auf Polen, der Beginn des zweiten Weltkriegs.
Fast 80 Millionen Menschen wurden geöttet, die Mehrzahl davon Zivilpersonen. Die mit Abstand meisten Opfer hatten die Sowjetunion und China zu beklagen.
Die Vereinten Nationen zogen 1945 in ihrer Charta die bis heute gültigen Lehren aus den Weltkriegen:
Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder. ()
Jeder Staat hat das Recht, seine politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung frei zu wählen und zu entwickeln. ()
Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.

Heute herrschen in vielen Lndern erneut Krieg oder Bürgerkrieg, weltweit wchst die Gefahr neuer Kriege. Krieg ist Hauptursache für Flucht und Vertreibung.
Die Grundnormen des Völkerrechts werden immer wieder und von vielen Staaten verletzt.
Deutschland und andere EU-Staaten waren und sind an Kriegen beteiligt, die militärische Rolle der EU wird fortschreitend ausgebaut.
Die massivsten Völkerrechtsverstöße gehen jedoch seit langem von den USA aus, die ständig in mehrere Kriege verwickelt sind. Immer wieder wurden diese mit inszenierten Lügen begründet (Tonkin-Zwischenfall, Brutkastenlüge, Hufeisenplan, Saddams Massenvernichtungswaffen ).
Das US-Militär ist zudem der größte einzelne Öl-Verbraucher und Umweltzerstörer. In den letzten Jahren setzt die US-Regierung noch stärker als bisher auf Gewalt und Aufrüstung, eine aggressive Politik und Einmischung in andere Länder, um weltweit ihre Interessen und ihnen genehme Regime durchzusetzen.
Die Rüstungsausgaben der USA sind doppelt so hoch wie die von China und Russland zusammen, die der NATO dreimal so hoch.
In den kommenden Jahren sollen sie dramatisch weiter erhöht werden.
Russland und China betreiben Militärpolitik, doch Politik und Massenmedien messen mit zweierlei Maß, wenn sie sie als die Bsen und den Westen als die Guten darstellen.

Gegen Länder wie Kuba, Iran, Venezuela, Syrien, aber auch Russland und China haben die USA einseitig teils extreme Wirtschaftssanktionen verhängt und verlangen von allen anderen Staaten der Erde unter Androhung von Strafen, diese ebenfalls zu befolgen.
Unabhängig davon, wie die Verhältnisse in diesen Ländern beurteilt werden: das ist völkerrechts- und menschenrechtswidrig. Diese Sanktionen kommen in ihrer zerstörerischen Wirkung unerkälrten Angriffskriegen gleich, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden hat, mit vielen tausenden Toten durch Versorgungsmängel bei Nahrungsmitteln und Medikamenten.
Auch Sanktionen der EU sind nicht durch UN-Beschlüsse gedeckt und stehen politischen Konfliktlösungen im Wege.
Die NATO ist zu einem weltweit aktiven Kriegsführungsbündnis gemacht worden (Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen ).
Es geht dabei nicht um Menschenrechte oder Demokratie, sondern um politische und wirtschaftliche Machtinteressen.

nein zur nato ddr1957

Diktaturen, Terrorregime und Kriegsparteien, die den Westen unterstützen, haben nichts zu befürchten, sondern werden noch mit Waffen versorgt.

Also bitte hier unterschreiben: https://nie-wieder-krieg.org/

Jochen

Erinnerung an 2003: Merkels Bückling vor KRIEGSTREIBER Bush

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Hat sich an der deutschen Unterwürfigkeit irgend etwas geändert, anlässlich der Vorbereitung auf einen nuklearen Erstschlag von Militärstützpunkten in Deutschland aus?
Was lernen wir heute aus der Geschichte angesichts der folgenden Kriege in Libyen, Syrien, Jemen`?

http://www.spiegel.de/politik/ausland/beitrag-in-us-zeitung-merkels-bueckling-vor-bush-a-237040.html

Merkels Bückling vor Bush

Merkel Kotau2003

Angela Merkel hat für einen handfesten Eklat gesorgt: In einem Beitrag für die „Washington Post“ stimmte die CDU-Chefin in den Kriegsgesang der US-Regierung ein, wetterte gegen die Bundesregierung – und brach damit nach Ansicht der SPD eine Tradition deutscher Politik.

Berlin 20.02.2003 – Die Blockade der Planungen zur Militärhilfe für die Türkei „untergräbt die Basis der Legitimität der Nato“, schrieb Merkel für die renommierte US-Tageszeitung.

Die „wichtigste Lektion deutscher Politik“, dozierte die CDU-Chefin weiter, sei die, dass es nie wieder einen deutschen Sonderweg geben dürfe.
Nur leider werde diese Lektion von der Bundesregierung hinfort gewischt, „anscheinend mit leichter Hand“. Und das obendrein nur aus „wahltaktischen Gründen“.
Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz demonstrierte Merkel, die am Wochenende die USA besucht, der US-Regierung ihre Unterstützung.
Sie ließ durchblicken, dass sie die Ergebenheitsadresse der acht europäischen Staaten unterschrieben hätte, anstatt wie die Bundesregierung eine Amerika-kritische Politik zu verfolgen.

Nun setzte Merkel zum zweiten Mal zur Attacke gegen die Bundesregierung an – allerdings im Ausland, was einen krassen Bruch der hiesigen politischen Kultur bedeutet.
Denn traditionell tun deutsche Politiker im Ausland vor allem eines, wenn es um innenpolitische Debatten geht: den Mund halten.

Zuletzt war es Herbert Wehner, der 1973 in der Moskauer Botschaft seinen Regierungschef Willy Brandt mit den Worten „Der Herr badet gerne lau“ diskreditierte – und damit zum Sturz Brandts beitrug. Entsprechend empört reagierte die SPD auf Merkels Beitrag in der „Washington Post“ (Titel: „Schröder spricht nicht für alle Deutschen“): Die CDU-Chefin bereite ihre USA-Reise „mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und einem Bückling gegenüber der US-Administration vor“, wetterte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. „Klassenstreber zeichnen sich seit jeher durch Feigheit und Opportunismus aus. Achtung gewinnen sie nicht.“ *)

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von „geschmackloser Anbiederei Merkels“, die dem Ansehen Deutschlands „schweren Schaden“ zufüge.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte Merkels Gastkommentar eine beispiellose Peinlichkeit und „Ausdruck einer liebedienerischen Haltung„.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz legte nach: Merkel verstoße gegen die Grundregel, die eigene Regierung im Ausland „nicht madig zu machen“. Sie falle mit ihrer Kritik der Bundesregierung und Hunderttausenden von Friedensdemonstranten in den Rücken.

Mit dem Angriff auf die Bundesregierung aber ließ es Merkel nicht bewenden. Die Gefahr durch den Irak sei nicht fiktiv, sondern real, schrieb die Vorsitzende von CDU und Unionsfraktion.
Europa müsse seiner Verantwortung gerecht werden, indem es mit den USA zusammenarbeite.*) Worin die Gefahr für die USA und insbesondere für Deutschland konkret bestehe, mochte sie allerdings nicht verraten.

Außerdem, so Merkel weiter, lehre die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, dass militärische Gewalt zwar nie die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein könne – aber als „letztes Mittel, mit Diktatoren umzugehen“ niemals auch nur in Frage gestellt werden dürfe. Nur ist von Selbstverteidigung im Angesicht unmittelbarer Bedrohung keine Rede im Merkel-Text.
Also doch Krieg als Mittel zur Beseitigung missliebiger Regimes? Stimmt Merkel damit gar der neuen amerikanischen Präventivschlags-Doktrin zu?

Ein weiterer Satz der CDU-Chefin unterstützt diese These: „Verantwortliche politische Führung darf niemals den wirklichen Frieden der Zukunft gegen den trügerischen Frieden der Gegenwart eintauschen.“
Mit anderen Worten: Verwandeln wir den falschen Frieden, der uns derzeit plagt, durch Krieg in einen echten. Was immer der Unterschied sein mag.

*: Derselbe Müntefering wandelte sich kein ganzes Jahr später selber zu einem solchen feigen und opportunistischen Streber, als er in die erste große Koalition nach Willy Brandt kroch. Und die Rede von der Verantwortung, weshalb wir der USA in alle angezettelten Kriege folgen sollen, ist heute offizielle SPD-Regierungsdoktrin.

Jochen

Dieter Dehm: Arbeitsteilung statt Spaltung bei den Linken !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1105700.linke-in-der-krise-arbeitsteilung-statt-spaltung.html

Diether Dehm über linke Wahlergebnisse und die Auseinandersetzung in der LINKEN

dieter dehm

dieter dehm

Wenn Marx sagt, alle bisherige Geschichte sei eine von Klassenkämpfen, dann meint er nicht so sehr die Oberfläche, sondern das Subkutane, ja auch bürgerliche Wahlen, soweit sie Geschichte sind – und ihre Psychologie.

Allem großartigen Einsatz der Wahlkämpfenden in Bayern und Hessen, aber auch der Wahlabend-Schönfärberroutine der Parteispitzen zum Trotz: die LINKE-Zuwächse waren nur winzige Bruchteile der SPD-Verluste; (SPD + LINKE in Bayern = 12Prozenmt; im einst roten Hessen = 26 Prozent, wo bei 400.000 verlorenen SPD-Stimmen die LINKE nur 20.000 dazugewann).

Die beiden »arbeitsorientierten« Parteien gewannen selten gegeneinander, eher miteinander, denn sie hängen von der selben Meinungsführerschaft ab. Und machen dabei ähnliche Fehler. Sie gehen beide verschwenderisch mit ihrem charismatisch talentierten Personal um und sind stattdessen fanatisch besessen vom Engbedruckten, halten »Hungernden ihre Speisekarte hin«(Brecht), bzw. ihre Wahlprogramme.
Aber warum soll jemand, der sich betrogen fühlt, jemanden wählen, nur, weil der ihm sein Wünsch-Dir-was vorspielt – ohne jede Gegenmachtsstrategie?

Die begänne mit einem öffentlichen Diskurs. Über ein Thema statt über ein rosagrünliches Gemüsekonsortium. Über solch Außerparlamentarisches – statt über R2G-Regierungsluftschlösser – hätten LINKE und SPD längst beraten müssen. Bilateral, in »Aufstehen«- oder »Unteilbar«-Kontakten.
Angst vorm Altern ist das, was urbane Milieus und ländliche Arbeitskraftverkäufer*Innen eint; Altersdiskriminierung ist ja nur modisch gewordene Unkultur des asozialen Lohn- und Rentenraubs.

Die arbeitsorientierten Parteien brauchen einen gemeinsamen Glücksentwurf vom »vollwertigen dritten Lebensabschnitt« (der Psychologe Lucien Seve über Altersoffensive): zugespitzt, besungen, breit vernetzt.
Gerade in ländlichen Strukturen, wo die höheren Links-Prozente in Städten regelmäßig weggestutzt werden. Denn: Zweidrittel wohnen in Gemeinden mit unter 100.000 Einwohnern.
Laut Gramsci sollten sich auch Intellektuelle, statt diese als rückständig abzutun, auf ländliche Fühlweisen einlassen. Und auch: »das Kleinbürgertum nicht kampflos den Faschisten überlassen« (Bloch).
Der Kampf für Alte ist dort auch ein Kampf ums Alter: gegen rechts.

Diesen gemeinsamen Diskurs ins linke Zentrum zu rücken, heißt nicht, andere Themen zu tabuisieren. Grüne Medienlieblinge können sich aktuell, auch zur Migration, jeden Widersinn bei gehobenen Schichten erlauben.
Kürzlich schimpfte eine hessische Wählerin am Grünen-Stand über eine Gruppenvergewaltigung durch Migranten. Der Grünen-Kandidat raunzte sie an, das könne ihr »beim Oktoberfest genauso passieren«.
Am Samstag dagegen stärkten die Grünen Kretschmanns Abschiebelinie: »Es können nicht alle bleiben!«

Der Linken fällt Unlogik schneller auf die Füße. Und Tabuisieren stand ihr nie besonders gut. Wer nämlich in der Geschichte dreidimensionalen Raum beansprucht – und um nichts weniger ging es der Arbeiterbewegung auch bei bürgerlichen Wahlen -, braucht die Höhe des Wissens, die Tiefe der Sinnlichkeit (z.B. linke Kunst als Gegenmacht) und die Breite von Bündnis (mit nichtmonopolistischen Schichten).

Bürgerliche Wahlöffentlichkeit war für Nichtbürgerliche immer fremde Bühne geblieben. Im Unterschied zu Betriebsratswahlen (wo konkrete Arbeitsplatzbezüge logisch personifiziert werden) wird das bürgerliche Charisma zu einem pauschalierten Mix, das dem Finanzmakler wie der alleinerziehenden Teilzeitarbeiterin gleichermaßen einleuchten soll.
Die Macht der Aura wird zur Aura der Macht von Meinungsforschungsinstituten, die zwischen siegesgewissem FDP-Wähler und schwankender Linkswählerin mittelnd darüber wachen, dass sich bloß keine antikapitalistischen Gewissheiten und Führungspersonen festsetzen. Mit ihren Skandalkampagnen und Umfragen professionalisieren herrschende Demoskopen und Medien psychologisch die fragmentierende Kälte der Vereinsamung und locken in ihre warmen Ströme von Mehrheitstrends.

Dem begegnen Werktätige mit subalterner und subversiver Ahnung, kaum mit innerparteipolitisch geschultem Wissen. Diese Schwejksche Schläue wittert innere Unlogik.
Wenn zum Beispiel eine Partei einerseits den Sozialstaat propagiert, aber gleichzeitig »offene Grenzen für alle und sofort«, wittert sie, »dass das zusammen nicht funktionieren kann«.
Wo alle Grenzanlagen sofort abgerissen würden, jeder ergo seinen Steuerstandort selbst bestimmen darf, gibt es keine sozialstaatliche Umverteilung mehr.
Und ohne nationalstaatliche Regeln für Leistungsbezüge, kann auch kein Tarifsystem überleben. Ähnlichen Widerspruch ahnen sie, wenn Linke im Namen des »Internationalismus« gegen »Heimat« anstinken.
Haben denn nicht alle Menschen ihre Ansprüche auf von Freihandelsterror verschonte Heimaten, mit regionalen Kreisläufen, sozial gesichert und ohne Krieg?

Von Kindesbeinen an vermittelt Heimischsein spontane Selbstvergewisserung. Fremdes aber verliert, psychologisch erwiesen, erst mit materiellen Sicherheiten das Bedrohliche.
Für Wohlhabende mag fremde Kultur spielerische Erweiterung sein. Für wirtschaftlich Bedrängte wird Fremdes nicht dadurch weniger fremd, dass man ihnen einbläut, es sei gar nicht fremd.
Durch ganz Europa rumort ein Sehnen nach offenem Widerwort. Linksparteien atmen dann oft nur den Charme eines mobilen Umerziehungslagers. Dem es ausreicht, über die gemeinsamen Interessen von Fremden und Nicht-Fremde zu theoretisieren.

Historische Psychologie aber lehrt, dass Begreifen von tätigem Greifen kommt. Im gemeinsamen Kampf, etwa beim gemeinsamen Streikposten, wurde Fremdeln bislang nachhaltiger überwunden als via Sprachpolizei.
Dazu müssten Migrantinnen nicht mehr vorzugsweise als zu Alimentierende »kolonialisiert« werden. Die Linke muss ihnen neue Kulturräume zum Mitstreiten für Sozial-, Rechtsstaat und Frieden schaffen.
In den USA der 40er Jahre wurde Exilierten zunächst der Gewerkschaftseintritt nahegebracht.

Aber stattdessen waren linkere Parteien stets Meister im »Spargeln«: Wo ein Kopf sich zeigt, wird er abgestochen. Talent blieb links unquotierbar, also Fremdwort.
Stattdessen stach ein SPD-Muff aus Neid und Mittelmaß in die (zweifelsohne zahlreichen) Schwächen von Sigmar Gabriel. Siegreich waren sie bereits gegen Willy Brandt, Franz Steinkühler, Oskar Lafontaine u.a. Danach kam dort stets der große Katzenjammer.
Hingegen: Jeremy Corbyn hatte ihnen und der rechten Medienmeute knapp getrotzt! Und stärkt jetzt den von Blair und anderen Medienlieblingen heruntergewirtschafteten linken Labour-Laden. Ohne Russland-Bashing, gegen die NATO.

Jetzt geht es gerade wieder zerstörerisch gegen Sahra Wagenknecht. Ich will nicht glauben, daß ein Absetzungsantrag im Januar die Zukunft der LINKEN, die Chancen bei einer vorgezogenen Bundestagswahl und der Europawahl aufs Spiel setzen sollte. Darüber dürfen nicht nur ein paar kurzfristig umgestimmte MdBs entscheiden. Das muss Sache aller Betroffenen werden: nach Paragraf 1 »Ordnung für Mitgliederentscheide«.

Warum projizieren gerade prekär Beschäftigte besondere Stärkeerwartung auf zu wählende, charismatische Persönlichkeiten? Ganz einfach: weil Projektion immer eigene Defizite dialektisch mitspiegelt.
Schwache wählen keine Schwachen. Eine Partei, die Geschwächte mobilisieren will, darf sich selbst nicht in kleine Scheiben zerlegen.
Arbeitskraftverkäufer*Innen stellen – ob am Fließband oder Monitor zuhause – etwas her, was ihnen fortgenommen wird. Oder sie lernen etwas, was nach der Ausbildung arbeitslos in die Tonne sinkt (die Wachstumsbasis der Nazis nach 1928). Zudem unterzieht ein profitfokussiertes Zeitregime Schlaf, Gesundheit, Erotik und andere intime Regenerationserlebnisse steigendem Stressdruck. Potenziell linke Wähler sind von der enteignenden Gewalt des Kapitals besonders durchprägt. Lucien Seve nannte dies: die psychologisch basale Tragik der Entfremdung.

Und wenn diese Bedürftigen dann schon mal wählen gehen, dann soll dadurch besseres Essen auf den Tisch oder zumindest laut draufgehauen werden. Dafür wollen sie Vollstrecker wählen, die ihre Bedränger das Fürchten lehren, (Fußballsprache: den Zug zum Tor haben). In Hessen nominierte die SPD zehn Jahre lang einen Schäfer-Gümbel. Und wer war das noch gleich in Bayern?

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Aber: was mache ich, wenn nun die, gefühlt, Tausendste mich anspricht, wann wir endlich Sahra Wagenknecht zur Kanzlerkandidatin aufstellen? Dann finde ich flugs zu einer staatsmännischen Ausrede. (Na toll!)

Warum kann sich gegenwärtig die AfD drauflos streiten, ohne zu verlieren? Im Fußball werden die Fouls von Stürmern weniger hart geahndet als die im eigenen Strafraum. Solange jemand angreift, kann er sich inneren Streit leisten.
Die LINKE, seit ihren Zänkereien längst nicht mehr im Angriff, verfeuert ihre Zuwächse mit jedem inneren Streit. Auch, weil Wählende kulturell, je wirtschaftlich schwächer und weiter links sie sind, desto lockerer an bürgerliche Institutionen gebunden. Und darum auch deren evasionäre Sehnsucht nach Geschlossenheit und starken Persönlichkeiten.

Rosa Luxemburg hatte dafür eine Faustformel: »Freiheit in der Diskussion, Einheit in der Aktion!«
Dies hat zwei Seiten: Wer die Einheit nach außen von vorneherein nicht einhalten will, kann kaum Freiheit reklamieren.
Aber umgekehrt: Wer Einheit will, sollte linke Diskussion befreien – über Mitregieren, Militäreinsätze, über die menschen- und europafeindliche EU. Aber auch über »political correcten« Antikommunismus, über Presselügen, mögliche Begrenztheiten bei sämtlichen Ressourcen – auch denen für Migration.

Wenn 840 Millionen hungern und alle zehn Sekunden ein Kind an Hunger stirbt, braucht es einen sehr konkreten Generalplan für Bleibegründe »Heimaten für alle – in einer gerechteren Weltwirtschafts-Ordnung«.
Willkommenskultur und Flucht überwinden Hungerprofiteure ebensowenig, wie der IS mit rein zivilen Mitteln zu schlagen war. Die Linke, einst wissenschaftlich zur Welt gekommen, darf nicht auf Glaubensgrundsätze schrumpfen.
Damit sich die »urbanen« Wähler*innen und die ländlichen Potenziale ebensowenig entgegenstehn wie Sahra Wagenknecht, die so viele erreicht, und Katja Kipping, auf deren Anhänger auch niemand verzichten sollte.
Aus Spaltung könnte Arbeitsteilung werden. Aus Verbissenheit ein heiteres Mehr an Realismus. Aber immer enttabuisierend. So, wie Willy Brandt seine Abschiedsrede als SPD-Parteivorsitzender schloss: »links und frei«.

Diether Dehm war lange in der SPD aktiv. Seit 2005 sitzt er für die LINKE im Bundestag.
Jochen

#aufstehen – die Sammlungsbewegung geht an den Start. Fragen an Sahra Wagenknecht

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ab Samstag, 4.8.2018 ist die Internetseite der mit Spannung erwarteten Sammlungsbewegung rund um die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht online. Und einen Namen hat die Bewegung auch: #Aufstehen.

Albrecht Müller hatte die Möglichkeit, mit Sahra Wagenknecht über die neue Sammlungsbewegung zu sprechen und ihr die wichtigsten Fragen zu #Aufstehen zu stellen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar:
https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/180804_aufstehen_die_Sammlungsbewegung_geht_an_den_Start_Fragen_an_Sahra_Wagenknecht_NDS.mp3

Wann wird die Sammlungsbewegung vorgestellt?

Offizieller Start unserer Sammlungsbewegung ist der 4. September. An dem Tag stellen wir die Namen unserer prominenten Gründungsmitglieder und auch den Gründungsaufruf öffentlich vor und werden unsere Ziele vor der Presse erläutern.

Unter welchem Namen?

Wir haben uns für #Aufstehen entschieden. Aufstehen für ein gerechtes und friedliches Land, darum geht es. Unter www.aufstehen.de wird ab morgen (4. August) auch schon eine vorläufige Webseite online gehen. Weil uns täglich Anfragen von Interessenten erreichen, die gern mitmachen möchten, wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, sich schon jetzt zu registrieren.

Können Sympathisanten und mögliche Unterstützer Teil der Bewegung werden? Gibt es so etwas wie eine Mitgliedschaft?

Jeder, der sich auf unserer Webseite registriert, wird damit Teil der Bewegung. Er wird automatisch sowohl unsere vielfältigen online-Inhalte erhalten als auch über Aktionen vor Ort informiert.
Wir hoffen, dass wir sehr viele Mitstreiter gewinnen werden, denn nur dann wird unsere Bewegung ausreichend Druck entfalten können, um die Politik in diesem Land zu verändern. Das ist unser Ziel.

Ist die Bewegung eine Partei? Tritt sie bei Wahlen an? Wie kann man sich das konkret vorstellen? Im Vorfeld wurde ja gelegentlich “La France insoumise“ als Vorbild genannt.
Die sind nach unserem deutschen Verständnis aber keine Sammlungsbewegung, sondern eine echte Partei.

La France Insoumise ist streng genommen keine Partei, aber das französische Wahlrecht erlaubt es, dass Bewegungen zu Wahlen antreten. Das ist in Deutschland anders.
Dennoch gründen wir bewusst keine Partei, denn es geht uns zunächst einmal darum, Menschen mit ähnlichen Überzeugungen zusammenzubringen. Wir wollen sammeln, nicht spalten.
Dafür ist es wichtig, dass niemand seine Organisation verlassen muss, um bei uns mitzumachen. Vor allem aber wollen wir ein attraktives Angebot an all diejenigen machen, die sich von der Politik zurückgezogen haben und keiner Partei mehr vertrauen.
Ich wäre sehr froh, wenn wir viele von ihnen wieder zu einem Engagement ermutigen könnten, aber das schafft man sicher nicht mit einer neuen starren Parteistruktur.
Wie soll die Verknüpfung zu den bestehenden und geistesverwandten Parteien aussehen?

Wir hoffen, dass sich möglichst viele Mitglieder aus SPD, Linker und Grünen bei uns zusammenfinden. Nach meinen Erfahrungen gibt es gerade in der SPD sehr viele, die mit dem unerschütterlichen Agenda-2010-Kurs und dem erneuten Eintreten in die GroKo sehr unzufrieden sind.
Und vermutlich gibt es auch bei den Grünen nicht wenige, die sich im Interesse der Umwelt auch mit mächtigen Industrielobbys anlegen wollten, statt als letzte Machtreserve von Frau Merkel den Status Quo zu verwalten.
Die Sammlungsbewegung soll all diejenigen zusammenführen, die sich eine Erneuerung des Sozialstaats, ein Zurück zur Entspannungspolitik Willy Brandts und ein verantwortungsvolles, naturverträgliches Wirtschaften wünschen.

Gibt es so etwas wie Unterorganisationen, also regionale Gliederungen oder so etwas Ähnliches? Sind Treffen der Anhänger der neuen politischen Bewegung vorgesehen? Gibt es einen großen Kongress?
Ein erster Auftritt in einer der großen Hallen Deutschlands, also in der Westfalenhalle oder im Olympiastadion, das wäre doch ein passendes Signal? Darauf warten viele.

Ja, es wird Strukturen vor Ort und natürlich auch größere Events und Kongresse geben. Ich wünsche mir, dass wir so schnell wachsen, dass wir bald tatsächlich die Westfalenhalle füllen könnten.

Gibt es eine Führung der Sammlungsbewegung? Welche Personen sind dabei?

Es gibt aktuell gut 40 prominente Gründungsmitglieder, deren Namen wir allerdings erst am 4. September öffentlich machen werden. Außerdem gibt es bereits ein hochmotiviertes, kreatives Team, das sich um unseren online Auftritt und die Sozialen Medien kümmern wird. Sobald #Aufstehen im September gegründet ist, werden wir natürlich auch Arbeitsstrukturen schaffen.
Aber entscheidend ist für uns, dass jeder sich einbringen, jeder mitdiskutieren und die Bewegung mitgestalten kann. Dafür werden wir Möglichkeiten schaffen.
Eine Bewegung lebt vom Engagement ihrer Mitstreiter.

Kann man in einigen wenigen Zeilen zusammenfassen, was die zentralen programmatischen Vorstellungen der Sammlungsbewegung sind?

Es geht um den Mut zur Überwindung des neoliberalen Mainstreams, um eine soziale Politik im Interesse der Mehrheit. Und um ein Ende der Kriegspolitik und des gefährlichen Wettrüstens.
Der Neoliberalismus tritt die sozialen Bedürfnisse der weniger Wohlhabenden mit Füßen und bringt viele dazu, sich von der Demokratie abzuwenden. Am Ende profitieren davon rechte Parteien.
Inzwischen bestimmt die AfD in Deutschland die Themen der Politik und treibt die anderen vor sich her. Das wollen wir nicht länger akzeptieren.
Die konzerngesteuerte Globalisierung, der Sozialabbau, immer neue Kriege, das alles ist keine Naturgewalt.
Es gibt dazu Alternativen, und wir wollen den Menschen die Hoffnung zurückgeben, dass sich die Politik verändern lässt.

Jochen

Rudolf Dreßler, SPD: Nicht im eigenen Saft schmoren

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Aktuell im Neuen Deutschland:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1092910.sammlungsbewegung-nicht-im-eigenen-saft-schmoren.html
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass es hier vor Ort, im Ries, schon eine solche Sammlungsbewegung gibt:
die Offene Linke Ries e.V. *)

Von wegen Spaltung: Rudolf Dreßler hält die Kritik an der linken Sammlungsbewegung für unberechtigt

Von Christian Klemm 02.07.2018

Auszüge:

Herr Dreßler, Sie unterstützen die linke Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Warum?

Der Grund ist einfach: Meine Partei, die SPD, hat keine demokratisch legitimierte Machtperspektive mehr. Und wenn eine Partei diese Perspektive nicht mehr hat, hat sie auch keine Chance, irgendwelche Wahlen zu gewinnen.
Wir hatten nach den Bundestagswahlen 2005 und 2009 jenseits von CDU/CSU und FDP eine Mehrheit. Diese hat die SPD der Union als Geschenk auf den Schoß gelegt. Ein großer Fehler.
Heute sind diese Mehrheiten nicht mehr erreichbar. Die SPD hat laut Umfragen eine Zustimmung von rund 18 Prozent. Und es geht eher nach unten als nach oben.
Deshalb muss eine überparteiliche Initiative den Versuch unternehmen, die verlorene Machtoption wiederzuerlangen.

Es gibt bereits mehrere Crossover-Projekte. Das Institut Solidarische Moderne zum Beispiel. Genau genommen ist auch die LINKE eine Crossover-Partei – in ihr sind linke Sozialdemokraten, progressive Grüne, Gewerkschafter, ehemalige APO-Aktivisten und Marxisten organisiert. Warum also noch eine Sammlung?

Die Hände weiter in den Schoß legen und schauen, was im Regierungslager gemacht wird? Zusehen, wie die Umverteilung von unten nach oben weitergeht? Das kommt für mich nicht in Frage.
Es ist einen Versuch wert, eine solche Bewegung zu gründen, um dieser Politik etwas entgegenzusetzen.

Kritik gibt es reichlich an dem Projekt – in der Sozialdemokratie, der Linkspartei, bei Bündnis 90/Die Grünen und linken Organisationen.
Dort heißt es unter anderem, es führe zu einer weiteren Spaltung der Linken, also zu einer Schwächung.

Die Linke ist bereits in den vergangen zehn, 15 Jahren reichlich geschwächt worden – auch dadurch, dass wir das Rechtsabbiegen von SPD und Grünen nicht verhindert haben.
Wenn jetzt der Versuch gemacht werden soll, die Linke wieder stark zu machen, dann verdient das keine Kritik, sondern Unterstützung.

Wagenknecht und Lafontaine sind in ihrer eigenen Partei stark unter Druck. Ihnen wird in der Flüchtlingspolitik eine AfD-Nähe unterstellt.
Glauben Sie, dass sich auch in der Sammlungsbewegung ihre Position – gegen »offene Grenzen« und für die Begrenzung von Zuwanderung – durchsetzt?

Es würde mich sehr wundern, wenn die Aktiven in der Sammlungsbewegung diese Positionen ablehnten. Mir leuchtet dieser absurde Vorwurf gegen Wagenknecht und Lafontaine nicht ein.
Die Bewegung zu gründen bedeutet, nicht nur kompromissfähig zu sein, sondern auch kompromisswillig. Das aber sind die Kritiker nicht.
Im Gegenteil. Sie werden weiter im eigenen Saft schmoren und sehen, dass sie so nichts erreichen.

Kürzlich ist ein Papier unter der Überschrift »fairLand – Für ein gerechtes und friedliches Land« aufgetaucht, eine Art Diskussionsgrundlage der Sammlungsbewegung.
Darin ist unter anderem von der »Wahrung kultureller Eigenständigkeit« und dem »Respekt vor Traditionen und Identität« in Europa die Rede. Das klingt mehr nach rechts als nach links.

Was soll an dem Papier nicht links sein? Wer die kulturelle Identität Europas erhalten will, hat doch nicht an das rechte Lager angedockt. Wer die Flüchtlingsfrage mit dieser Formulierung zum entscheidenden Aspekt der Linken machen will, der ist nicht auf der Höhe der Zeit. Altersarmut, Langzeitarbeitslosigkeit, Niedriglöhne und Kriege der Bundeswehr – das sind die vordringlichsten Themen, die es anzupacken gilt.

Auch dieses Zitat aus dem »fairLand«-Papier dürfte sich in keinem Grundsatzpapier einer linken Partei oder Organisation wiederfinden: »Wenn die Politik dann noch zuschaut, wie Hassprediger eines radikalisierten Islam schon 5-jährigen Kindern ein Weltbild vermitteln, das Integration nahezu unmöglich macht, wird das gesellschaftliche Klima vergiftet.«

Diese Kritik kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Das entspricht der Kategorie: Ich suche nach der Melodie, ich muss da etwas finden, das mir die Legitimation verleiht, dagegen sein zu können.
Für mich können Sozialdemokraten und Grüne dieses Papier guten Gewissens unterschreiben.

Die Sammlungsbewegung nimmt sich die Partei »Unbeugsames Frankreich« von Jean-Luc Mélenchon zum Vorbild. Ist das überhaupt auf die Bundesrepublik übertragbar?

Ich sehe nicht, dass das französische Modell übernommen werden soll. Es ist richtig, dass in anderen Ländern solche Bewegungen entstanden sind – aus den unterschiedlichsten Gründen. Auch in Deutschland ist das bereits geschehen.
Wenn Sie sich an die Bewegung erinnern, die Günter Grass initiiert hat …

… leider nicht. Da war ich noch nicht geboren.

Diese Bewegung hat geholfen, dass Willy Brandt 1972 zum Bundeskanzler gewählt wurde. Im Jahre 1965 gründete sich das »Wahlkontor deutscher Schriftsteller«, dem sich Künstler, Journalisten und Intellektuelle angeschlossen haben.
Das Ziel war die Öffnung hin zu parteifernen Wählern.

Rudolf Dreßler ist seit 1969 Mitglied der SPD. Von 1984 bis 2000 war er Vorsitzender der parteiinternen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, von 2000 bis 2005 deutscher Botschafter in Israel.
Der gelernte Schriftsetzer wird dem linken Flügel der SPD zugerechnet.

*) LINKE. Sammlungsbewegung im Ries oliri logo m

Seit einem Jahr, genau seit dem 2.05.2017, gibt es den überparteilich tätigen Verein, der sich um die Belange der Menschen vor Ort, im Ries, kümmert.
Linke, Grüne, Sozaildemokraten und “Parteilose” tun sich zusammen, damit die Ungerechtigkeit nicht weiter zunimmt, “Reiche” nicht mehr machen können was und wie sie wollen und der Mensch irgendwann wieder im Mittelpunkt unseres Denken und Handelns steht und nicht mehr der Profit. (Lies doch dazu unsere Präambel und, vielleicht, auch die Satzung)
Und hier die Rede von Sahra Wagenknecht auf dem Leipziger Parteitag 2018:

Die Offene LINKE.Ries e.V. macht’s vor und hat auch schon die eigene Satzung an die Genossin Sahra und ihren Gatten Oskar geschickt.
Vielleicht ist mit dem Entstehen der LINKEN. Sammlungsbewegung etwas ins Rollen gekommen, was machtgierige, postenbesessene und amtsverliebte “Mandatsträger” aufweckt und wir schlussendlich wieder zu vernünftiger Sach.- und Fachpolitik zurückkehren können!

Nur wird hier zu Lande immer wieder von Teilung gesprochen, von Konkurrenz und Ähnlichen unqualifiziertem Quatsch. Linksdenkende tun sich schon immer schwer, einen Zusammenhalt zu finden, der nichts mit persönlichen Befindlichkeiten und den Eitelkeiten Einzelner zu tun hat.
Da hats die Rechte schon leichter, da gibtś Hierarchie, Untergebenen-Denken, da sind Mandate noch Würden, keine Bürden. Und dabei ist “Pluralismus” eine wirklich gute Erfindung – Alle sind gleich!

Jochen