Wie demokratisch sind die Grünen mit ihrem „Geheimdienst“?

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Amadeo_Antonio_StiftungDie Leiterin Kahane der Amadeu Antonio Stiftung hat da ihre einschlägigen Erfahrungen als führende StaSi-Mitarbeiterin schon bedenklich eingebracht, finanziert u.a. mit unseren Steuergeldern.
Sie koordiniert personelle Hetze gegen alle Personen, die dem grünen Narrativ ablehnend gegenüber stehen, nach dem alten Muster: Bei Wikipedia, Volksverpetzern oder Psiram anschwärzen, wo niemand wegen Lügen zur Rechenschaft gezogen wird; dann sich an die Arbeitgeber und die Leim-Medien wenden mit Verweis auf ebendiese Einträge bei Wikipedia: „Wissen Sie eigentlich, dass Sie einen Nazi-Affinen beschäftigen“ und nebenbei auf Fratzbuch, Instagrimm oder Klatschapp Dreck schmeißen.
Damit kann schon so viel Angst erzeugt werden, dass Leute verstummen, die noch einen Arbeitsplatz zu verlieren haben.

dagmar henn

dagmar henn

Dagmar Henn hat in ihrem ausführlichen Artikel gute Beobachtungen gemacht und die richtigen Schlüsse daraus gezogen.
https://test.rtde.tech/meinung/171146-wie-demokratisch-sind-gruenen-mit/.
Auszüge:

Das Netzwerk zwischen „Faktencheckern“ und Organisationen wie der Amadeu Antonio Stiftung wird von Monat zu Monat aktiver, mit politischer Rückendeckung. Inzwischen betreiben sie längst geheimdienstliche Arbeit.
Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das inkompatibel.

Wenn jemand im Westen Gruselgeschichten erzählen will, greift er gern zum KGB, weil dieser Dienst der Definition wie dem Wappen nach „Schild und Schwert der Partei“ war, weshalb angenommen wird, dass die Interessen der Partei Vorrang vor jenen des Staates hatten, und gesagt wird, dass die Verwendung eines Geheimdienstes zur Machtsicherung besonders verwerflich sei.

Darum wird auch immer wieder betont, dass die Nachrichtendienste in Deutschland unter parlamentarischer Kontrolle stehen und ihre Tätigkeit durch entsprechende Gesetze beschränkt ist. Nicht, dass die Darstellung des KGB vor Wahrheitsgehalt überschäumt – de facto gingen seine Befugnisse in manchen Punkten nicht einmal so weit wie die der heutigen deutschen Polizei.
Die Frage, was es bedeutet, wenn eine Partei einen nicht auf die eigenen Strukturen, sondern einen auf die Gesellschaft ausgerichteten Geheimdienst besitzt, stellt sich ganz aktuell – und zwar in Deutschland. Und die Partei, die sich solches leistet, ist Bündnis90/Die Grünen.

Zu diesem Schluss kommt man, wenn man genauer betrachtet, was das ganze Netzwerk aus „Faktencheckern“ und „zivilgesellschaftlichen Initiativen“ so treibt. Die Ereignisse im Ahrtal, die wir hier vor Kurzem behandelt haben, liefern ein Exempel dafür. Dort finanzierte eine Kölner Clubbesitzerin eine „Journalistin“, die sich bemühte, die im Ahrtal bereits tätigen Helfer alle als Rechtsradikale anzuschwärzen, damit besagte Clubbesitzerin den Landesauftrag für die Hilfe einheimsen konnte.

Das ist nicht nur ein Fall besonders bösartiger Korruption, Informationen über andere zu sammeln, um sie anzuschwärzen, es ist eine nachrichtendienstliche Tätigkeit.
Solange es dabei um wirkliche Nazis ging, wie das beispielsweise bei der bayrischen Initiative a.i.d.a. oder Jahrzehnte davor beim sozialdemokratisch betriebenen Pressedienst Demokratische Initiative (PDI) der Fall war, und diese Arbeit durch Untätigkeit der bayrischen Behörden in diesem Bereich ausgelöst wurde, bleibt das zwar als private Initiative rechtlich kritisch, ist aber legitim.
Die Wehrsportgruppe Hoffmann beispielsweise wurde vor dem Sprengstoffanschlag auf das Oktoberfest 1980 von staatlicher Seite in Bayern immer als harmlos dargestellt, es war vor allem der PDI, der sie beobachtete.

Anders sieht das aus, wenn solche Strukturen nicht nur Informationen sammeln, sondern sie anschließend manipulieren und im politischen Interesse der eigenen Seite einsetzen. Damit man nicht glaubt, das sei auf das Ahrtal beschränkt, betrachten wir doch einmal einen Artikel, der vor einiger Zeit in der Jungle World erschien, aber erst jetzt kostenlos gelesen werden kann.

Der Text bezieht sich auf die unseren Lesern gut bekannte humanitäre Organisation Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e. V., die sich durch ihre Tätigkeit im Donbass unbeliebt gemacht hat, obwohl es sich um rein humanitäre Lieferungen handelte (das Finanzamt hatte die ganzen Jahre über jährlich die gesamte Buchhaltung geprüft, Beleg für Beleg, ohne jemals etwas zu finden, das nicht den Kriterien einer humanitären Lieferung entsprochen hätte).

Der Autor des Textes, Andrej Steinberg, ist selbst Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung und befasst sich mit „russischer Desinformation“. Er beruft sich auf Recherchen eines Portals namens The Insider, dessen IP-Adresse auf einen Bahnhof in San Francisco führt, und zu einer Person namens „Polly„, die sich auf ihrem Twitter-Account als besonders aktives Mitglied der weißrussischen Opposition darstellt, die ihre Tage damit verbringt, Material über Menschen zu sammeln, die nicht antirussisch genug sind.

Wie weit „Polly“ beziehungsweise die Personen, die sich als „Polly“ ausgeben, von Diensten finanziert werden, kann nicht ermittelt werden. Aber sowohl die Lokalisierung von The Insider als auch der Eifer, mit dem „Polly“ russische Telegram-Kanäle durchkämmt, deutet an, dass hier, wenn keine öffentliche, so doch eine private Finanzierung vorliegt. Und da mit Steinberg die Brücke zur Amadeu Antonio Stiftung geschlagen ist, ist deren Beteiligung nicht auszuschließen.

Die Vorhaltungen, die in dem Artikel gemacht werden, sind auf die inzwischen bekannte Art konstruiert – sie arbeiten mit Verkürzungen, Auslassungen und unbelegten Zuschreibungen. Wenn dort beispielsweise steht: „Das Foto eines Lastwagens, der mit dem hierzulande verbotenen Z-Symbol versehen war, bescherte der Friedensbrücke im vergangenen Jahr ein Ermittlungsverfahren wegen Billigung von Straftaten und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit„, dann wird dabei die Tatsache übergangen, dass der Lastwagen mit dem Z ein russischer Lastwagen in Russland war, wo ebendieses Symbol gar nicht verboten sein kann, und damit ein entsprechendes Strafverfahren in Deutschland auf äußerst wackligen Füßen steht.
Wie die letzten Monate gezeigt haben, ist das kein Schutz vor Strafverfolgung, aber es belegt, dass auch die Strafverfolgungsbehörden die Gesetze nur noch begrenzt respektieren.

Massiver ist dann dieser Vorwurf: „Im November hatten laut Insider an diesen Transporten beteiligte Lastwagen beispielsweise Maschinenöl für Kampffahrzeuge an Bord. Im Februar 2023 habe Kilincs Verein demnach die Lieferung einer Anti-Drohnen-Waffe und eines Drohnensystems an ein Regiment der Lugansker Volksrepublik bezahlt.“
Lastwagen, die an Transporten beteiligt sind, die der Verein Friedensbrücke zusammen mit Kooperationspartnern in Russland durchführt – das ist die bekannte Geschichte von der Kontaktschuld. Eine Strafbarkeit würde voraussetzen, dass der Verein selbst von seinen Spendengeldern militärische Güter erworben hätte.

Dem ist nicht so, das hätte bereits vor Jahren zu einem Verfahren geführt, und wie oben schon erwähnt, lagen alle Belege für die Verwendung der Mittel dem Finanzamt vor. Wenn ein russischer Verein, mit dem zusammen ein Transport organisiert wird, organisiert werden muss, weil man Fahrer, die in ein Kriegsgebiet fahren, nicht einfach bei einer Spedition buchen kann, dann andere Materialien liefern, ist das keine Verfehlung des deutschen Vereins.
In Russland ist es russischen Bürgern sehr wohl gestattet, Material an die russische Armee zu liefern. Dass die gleiche, im Internet zusammengerufene Gruppe Menschen die Waren aller beteiligten Organisationen in die Lkws verlädt, macht aus deutschen Inkontinenzwindeln noch keine Drohnen.

Aber spätestens seit dem „Querfront“-Vorwurf schlucken viele, die sich in Deutschland als Linke begreifen, allerlei Unterstellungen, wenn sich nur ein Foto finden lässt, auf dem zwei Personen nebeneinander stehen, auch wenn eine der Folgen des Internets ist, dass sich solche Fotos von Personen finden lassen, die nicht einmal ein Wort miteinander gewechselt haben.

Es gibt beispielsweise ein Foto von der Abfertigung eines Transports (für den, wie zuvor erwähnt, im Internet aufgerufen wurde, weil es schlicht Menschen benötigt, die Dinge tragen; Aufrufe, die mal sechs, mal sechzig Personen in Bewegung setzen, die mit dem ganzen Transport nicht mehr zu tun haben, als eben besagte Dinge zu tragen), auf dem das Logo von der Friedensbrücke zu sehen ist, und daneben steht ein Aktivist einer serbischen Bewegung. Besagter Aktivist soll im Jahr 2017 dem westlichen Helden Nawalny Farbe ins Gesicht gegossen haben und sei darum ein Rechtsextremist.

Also schon die Zuschreibung zu dieser Person beruht auf falschen Tatsachen. Zudem ist das Logo bei jedem Transport zu sehen, bei dem die Friedensbrücke etwas mitschickt, egal, ob Vertreter des Vereins dabei anwesend sind oder nicht (im gesamten Verlauf der vergangenen acht Jahre war dies mehrheitlich nicht der Fall). Jeder, der auch nur zwei Minuten darüber nachdenkt, würde begreifen, dass eine Überprüfung der gesamten politischen Vorgeschichte von Menschen, die nur Dinge in einen Lastwagen tragen, völlig absurd ist. Wer jemals Aussagen von Nawalny gelesen hat, begreift auch schnell, dass nicht derjenige der Nazi ist, der ihm Farbe ins Gesicht kippt. Aber fünf Jahre nach diesem Vorfall könnte eine Vertreterin des Vereins ihre politische Reinheit nur bewahren, wenn sie den serbischen Aktivisten daran gehindert hätte, Dinge in einen Lastwagen zu tragen.

Viele der Details sind schlecht recherchiert. So war der im Artikel erwähnte Alexander Miroschnitschenko zwar jahrelang wirklich Kämpfer der Donbassmilizen und hatte unter anderem viele humanitäre Transporte begleitet (was in Kriegsgebieten erforderlich ist, wenn Verteilstellen für Hilfsgüter im Sichtfeld von Scharfschützen und Artillerie liegen), aber er ist nicht im Kampf gefallen. Er war im Zivilberuf Bergsteiger und Fassadenkletterer, und stürzte tatsächlich bei Bauarbeiten zum Wiederaufbau Mariupols vor Ort von einem Baugerüst und verletzte sich so schwer, dass er das Bewusstsein nicht wiedererlangte. Seine Beerdigung war ein Großereignis mit mehreren Hundert Anwesenden – insofern ist auch die Aussage, dass zwei Personen beide auf dieser Beerdigung gewesen seien, eine Nullinformation.

So geht es weiter: Friedensbrücke-Mitbegründer Klaus Koch soll sich sehr über seine Beförderung zum General gefreut haben, hatte er es in der NVA doch so weit nicht mehr gebracht. Und die Bemühungen, ausgerechnet den OKV, das Ostdeutsche Kuratorium der Verbände, in dem sich alle Organisationen der ehemaligen DDR-Eliten finden, in die rechte Ecke schieben zu wollen, ist ein Akt, der völlig absurd ist. Damit diese Verrenkung auch nur gedanklich gelingt, muss man sich in obskuren anarchistischen Kreisen bewegen, die ihren Hass schon immer primär auf Kommunisten richteten.

Die Vorgehensweise ist also die übliche. Und es geht darum, politische Widersacher, die die Erzählung von der demokratischen Ukraine stören, so sehr mit Dreck zu bewerfen, dass sie ihre politische Wirkungsfähigkeit verlieren. Aber wirklich interessant ist hier, wer das tut.

Die Amadeu Antonio Stiftung ist gewissermaßen die Spinne im Netz all der Faktenchecker, „Corrective“ und „Pollys“. Was in den vergangenen Jahren aber vor lauter Getöse über Desinformation und Destabilisierung und so weiter unterging, ist, dass ihre Tätigkeit in weiten Teilen exakt das ist, was die Verfassungsschutzämter auch tun – allerdings ohne gesetzlichen Auftrag, ohne parlamentarische Kontrolle und in einem eindeutig orientierten Interesse, das, wie das Beispiel Ahrtal oder etwa die Reaktion des grünen Ministers Habeck belegt, nicht darauf beschränkt ist, humanitäre Hilfe im Donbass zu verunglimpfen.

Erstaunlicherweise haben die übrigen Parteien in Deutschland noch nicht bemerkt, was sie da herangezogen haben. Der große Zugriff in die öffentlichen Kassen eröffnete sich für diese Netzwerke während Corona. Da fand es vermutlich auch die politische Konkurrenz einfach bequem, Hilfstruppen zu haben, die immer lautstark erklärten, dass das, was die Regierung verkündete, die Wahrheit sei, und sich ansonsten darum bemühten, alle, die das nicht für Wahrheit hielten, zu Staatsfeinden zu erklären.
Dass die gesamten Netzwerke parteipolitisch eine, vorsichtig formuliert, sehr starke Neigung zu den Grünen haben, wurde dabei wohl in Kauf genommen, ebenso wie die zunehmende Orientierung hin auf Angriffe gegen Personen.

Wie man am obigen Beispiel sieht, ist die Tätigkeit dieser Strukturen mittlerweile bis zu einer Dopplung der Verfassungsschutzämter angewachsen, wobei nicht nur der eventuell legale Teil der Beobachtung betrieben wird, sondern zudem durch gezielte Manipulation der Informationen aktiv politische Debatten im parteilichen Interesse verzerrt werden.

Bündnis 90/Die Grünen sind gerade in Bezug auf die Ukraine am tiefsten involviert: Marie-Luise Beck, die entscheidend mit dafür verantwortlich ist, dass diese Partei so innige Beziehungen zu ukrainischen Nazis hegt, traf sich erst jüngst mit einer der Mörderinnen von Odessa. Das Foto dieser Begegnung erhielt leider nie die Aufmerksamkeit, die ihm angemessen ist, weil die Übergänge von den grünen Nachrichtendiensten in die Redaktionsstuben des Mainstreams fließend sind und daher die Verwendung solcher Informationen unterbleibt, selbst wenn diese – wie in diesem Fall frei von Manipulation – auf eine echte Nähe verweisen, weil sie in die falsche Richtung führen würde.

Diese grüne Positionierung jedenfalls erklärt, warum Kritiker der NATO-Position mit besonderem Eifer verfolgt werden.
Erstaunlich ist allerdings, dass die Spitzen von SPD, FDP und CDU offenkundig nicht erkennen, dass sie damit einen Apparat entstehen ließen, der sich genauso gut gegen sie wenden kann, mit denselben Methoden, und dass sie diesen Apparat mit Steuergeldern finanzieren. Man muss nur bedenken, wie eifrig Bundeswirtschaftsminister Habeck das Schema nutzt, dass alles, was seinen Vorstellungen widerspricht, russische Desinformation sei.
Der grüne Parteigeheimdienst steht auch bereit, aus der FDP eine Zentrale russischer Desinformation zu machen, wenn ihre Einwände gegen die Habeck-Heizgesetze zu erfolgreich werden sollten, oder aus der SPD, wenn diese eventuell aus Not ihre Haltung zur Kernkraft verändert.

Bei allem Geschrei, das zum Rollator-Putsch erhoben wurde, und allen Erklärungen, wie gefährlich die Desinformation sei, die aus Russland oder aus den Reihen heimischer Opposition stammt, wenn man eine wirkliche, reale Bedrohung für die deutsche Demokratie sucht, findet man sie beim mit Steuergeldern aufgepäppelten grünen Parteigeheimdienst.

Es hätte niemals erlaubt werden dürfen, dass privat kontrollierte Organisationen eine derartige Rolle übernehmen.
Schon die Funktion des Sammelns ist problematisch, die Funktion des Angriffs auf Personen und Organisationen jedoch ist aktive Geheimdiensttätigkeit. Das führt zur schlimmsten Verzerrung demokratischer Prozesse, die es je in der Bundesrepublik gegeben hat. Selbst die bizarre Ungleichheit zwischen den gehätschelten Klimaklebern und den verteufelten Friedensdemonstranten beruht im Kern auf dieser grünen Denunziationsmaschinerie, die jederzeit bereitsteht, einen lästigen Gegner einer „character assasination“, einer Zerstörung des Rufs zu unterziehen.
Eigentlich dürften die Konsequenzen aus diesen Strukturen nicht bei deren Auflösung enden.
Die Tatsache, solche Strukturen geschaffen zu haben, müsste zu einem Verbot der Grünen führen.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen, z.Zt. auf Langeoog DSC_5938_01

Die Vasallisierung Europas

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

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Europäische Denkfabrik konstatiert, die EU-Politik werde seit Beginn des Ukraine-Kriegs exklusiv von den USA dominiert, und warnt mit Blick auf künftige US-Prioritäten vor einer „Vasallisierung Europas“.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9237

WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Eine europäische Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin warnt mit Blick auf die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen vor einer „Vasallisierung Europas“.
Wie es in einer kürzlich publizierten Analyse aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR) heißt, habe der Ukraine-Krieg das Scheitern der vielgepriesenen EU-Bemühungen um „strategische Autonomie“ offen zutage treten lassen.
Seit Kriegsbeginn dominierten die USA die Politik in Europa nicht nur mit der Menge ihrer Rüstungslieferungen an Kiew, sondern auch, indem sie die gemeinsame Kriegsstrategie diktierten. Europa operiere in der zweiten Reihe – wie im Kalten Krieg.
Im Unterschied zu damals aber sei es für Washington heute nicht wichtig, die Länder Europas zu ökonomisch starken Frontstaaten zu formen. Vielmehr habe es für die USA heute Vorrang, ihre eigene Wirtschaft maximal gegen China zu stärken – dies auch auf Kosten von Europas Industrie, die für Washington allenfalls noch Hilfsfunktion besitze. Während Frankreichs Präsident Macron warnt, die EU dürfe nicht zum US-„Vasallen“ werden, sieht Bundeskanzler Scholz ihren Platz weiterhin eng an der Seite der USA.

Strategische Autonomie

Den Anspruch, die EU müsse als eigenständige Weltmacht operieren, hatten Politiker aus Berlin, Paris und Brüssel in den Jahren vor dem russischen Überfall auf die Ukraine immer wieder offen vertreten. Schon in der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU vom Juni 2016 hieß es, man müsse „europäische strategische Autonomie“ und ein militärisch „stärkeres Europa“ anstreben.[1] Anfang 2018 hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, die EU müsse eine eigenständige „Machtprojektion“ „in die Welt hinein“ entfalten.[2]
Anfang 2019 äußerte Gabriels Amtsnachfolger Heiko Maas, es gelte „ein starkes, handlungsfähiges Europa“ anzustreben, um nicht „in einer Welt der Großmachtkonkurrenz zerrieben zu werden“.[3]
Im August 2019 warnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die beiden Staaten, die gegenwärtig „das Sagen“ hätten, seien „die Vereinigten Staaten von Amerika und die Chinesen“; wolle die EU nicht „unbedeutende Verbündete des Einen oder des Anderen“ sein, müsse sie stärker werden.[4]
Im September 2019 kündigte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ihr Amt am 1. Dezember 2019 antrat, ausdrücklich eine „geopolitische EU-Kommission“ an.[5] Regelmäßig war von einer Politik „auf Augenhöhe“ mit den Vereinigten Staaten die Rede.

Schwächer geworden

Wie der European Council on Foreign Relations (ECFR) in einer neuen Analyse konstatiert, hielten die tatsächlichen Leistungen der EU den protzig vorgetragenen Weltmachtansprüchen nicht stand; im Gegenteil: Die EU fiel in den vergangenen 15 Jahren gegenüber den USA in vielfacher Hinsicht zurück.[6]
Das gilt dem ECFR zufolge bereits ökonomisch: War die Wirtschaftsleistung der EU im Jahr 2008 mit 16,2 Billionen US-Dollar noch deutlich größer als diejenige der Vereinigten Staaten (14,7 Billionen US-Dollar), so kamen die USA im Jahr 2022 bereits auf mehr als 25 Billionen US-Dollar, die EU plus Großbritannien hingegen lediglich auf 19,8 Billionen US-Dollar.
Der Versuch, dem Euro zu einer Stellung zu verhelfen, die annähernd derjenigen des US-Dollar entspreche, sei gescheitert; das erlaube es den USA, ohne Rücksicht auf die europäischen Mächte Finanzsanktionen zu verhängen. Zugleich hätten die Vereinigten Staaten ihre Technologiedominanz ausbauen können; anders als China habe die EU es nicht geschafft, Rivalen zu Google, Amazon oder auch Apple zu entwickeln.
Militärisch sei die EU ebenfalls zurückgefallen. Hätten die USA ihren Militärhaushalt von 656 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf 801 Milliarden US-Dollar 2021 gesteigert, erreichten die Streitkräftebudgets der EU und Großbritannien, die 2008 bei 303 Milliarden US-Dollar gelegen hätten, immer noch nur 325 Milliarden US-Dollar.

Zutiefst zerstritten

Habe die EU in den Jahren von 2008 bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs relativ zu den Vereinigten Staaten an Macht eingebüßt, heißt es in der ECFR-Analyse, so sei es gleichzeitig dem europäischen Staatenkartell nicht gelungen, weltpolitisch Schlagkraft zu entwickeln.[7]
Das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Jahr 2009 habe noch den Anschein erweckt, die EU werde nun eine gemeinsame Außenpolitik schmieden und „ihre verborgene Stärke“ zur Geltung kommen lassen. Dies sei nicht geschehen.
Stattdessen hätten die Eurokrise Nord und Süd, die Zuwanderung von Flüchtlingen Ost und West gegeneinander aufgebracht; der Austritt Großbritanniens wiederum habe die EU „ihrer zweitgrößten Wirtschaft und ihrer stärksten Militärmacht“ beraubt – „ein schwerer Schlag für das Ansehen der EU und für ihre Fähigkeit, geopolitischen Einfluss auszuüben“.
Zu den vom ECFR erwähnten Faktoren kommt zweierlei hinzu. Zum einen haben es Berlin und Paris bis heute nicht vermocht, ihre stark divergierenden strategischen Konzeptionen auf einen Nenner zu bringen; vielmehr hat die Bundesrepublik französische Vorstöße regelmäßig ausgebremst, Frankreich hat regelmäßig dagegen aufbegehrt.[8]
Zum anderen ist es den USA gelungen, mit Hilfe einiger Staaten insbesondere aus Osteuropa ein geschlossenes Vorgehen der EU zu torpedieren; vor allem Polen und die baltischen Staaten, immer wieder auch Tschechien und Rumänien treten als loyale Parteigänger Washingtons auf.[9]

Washington entscheidet

Wie der ECFR konstatiert, hat der Ukraine-Krieg die US-Dominanz gegenüber der EU schlagartig offen zutage treten lassen.[10] Tatsächlich geben die Vereinigten Staaten nicht bloß mit ihren Unterstützungsleistungen für die Ukraine den Ton vor. Alle „strategischen Entscheidungen“, so heißt es in der ECFR-Analyse, würden gleichfalls „in Washington getroffen“.
Die europäischen Verbündeten würden faktisch nur um ihr „stillschweigendes politisches Einverständnis“ sowie um „militärische und finanzielle Beiträge zu einer US-geführten Strategie gebeten“. Genaugenommen sei das westliche Bündnis in den Zustand zurückgesunken, in dem es sich in der Zeit des Kalten Kriegs befunden habe. Nicht nur militärisch, auch bei den Sanktionen falle die maßgebliche Rolle Washington zu: Die entscheidende Wirkung habe „der US-Dollar und die amerikanische Kontrolle über das internationale Finanzsystem“.
Für eine „strategische Autonomie“ der EU bleibe keinerlei Raum. Sogar die mit großem Aufwand betriebenen Bestrebungen, eine eigenständige rüstungsindustrielle Basis für die EU zu schaffen, seien gescheitert: Beschafft würden zur Zeit vor allem US-Rüstungsgüter, hält der ECFR fest. Dies gilt besonders auch für die deutschen Aufrüstungsvorhaben – german-foreign-policy.com berichtete [11].

Der Unterschied zum Kalten Krieg

In einem unterscheidet sich die aktuelle Lage allerdings dem ECFR zufolge stark von der Situation in der Zeit des Kalten Kriegs. Damals seien die USA bemüht gewesen, Westeuropa – und insbesondere die Bundesrepublik – zu starken Frontstaaten im Systemkonflikt mit den sozialistischen Staaten Ost- und Südosteuropas zu formen, schreibt die Denkfabrik; daher hätten sie sich als Absatzmarkt für die westeuropäische Industrie zur Verfügung gestellt.[12] Dies ermöglichte in der Tat vor allem der Bundesrepublik den rasanten industriellen Aufstieg zu einer der stärksten Wirtschaftsmächte weltweit.
Heute aber konzentrierten die USA sich auf den Machtkampf gegen China, fährt der ECFR fort; dafür sei kein wirtschaftsstarkes Europa vonnöten, sondern eine erfolgreiche US-Industrie. Dies sei der Grund, weshalb die Biden-Administration alle im Westen verfügbaren ökonomischen Kapazitäten in die USA zu ziehen suche [13] – auch auf Kosten Deutschlands und der EU; deren Rolle bestehe aus US-Sicht heute darin, die US-Industrie zu stärken und ihre Wirtschaftsbeziehungen nach China so umfassend wie möglich zu kappen.
Für Deutschland und die EU wäre das freilich mit einem dramatischen ökonomischen und politischen Abstieg verbunden.
Da sie militärisch von den USA abhängig seien, fehle ihnen das Potenzial, dies zu verhindern, sagt der ECFR voraus und diagnostiziert eine „Vasallisierung Europas“.[14]

Berlin gegen Paris

Wie darauf politisch zu reagieren sei, darüber wird in der EU längst gestritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor kurzem explizit gewarnt, die EU-Staaten dürften nicht zu „Amerikas Gefolgsleuten“, zu „Vasallen“ herabsinken; sie müssten vielmehr „strategische Autonomie“ anstreben und versuchen, zu einer „dritten Supermacht“ zu werden.[15]
Kanzler Olaf Scholz hat dies am Dienstag vor dem Europaparlament in scharfem Ton abgelehnt und erklärt: „Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtphantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit.“[16] Es gelte stattdessen, eng an der Seite der Vereinigten Staaten zu bleiben.

[1] S. dazu Strategische Autonomie.

[2] S. dazu Die Machtprojektion der EU.

[3] S. dazu Europas „geopolitische Identität“.

[4] Emmanuel Macron bei der Botschafterkonferenz 2019. at.ambafrance.org 27.08.2019.

[5] The von der Leyen Commission: for a Union that strives for more. ec.europa.eu 10.09.2019.

[6], [7] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[8] S. dazu Die deutsch-französische „Freundschaft“.

[9] S. dazu Washingtons Prellbock (II) und Machtkämpfe hinter der Front.

[10] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[11] S. dazu Eine neue Epoche der Konfrontation.

[12] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[13] S. dazu Machtkämpfe hinter der Front (II).

[14] Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations: Policy Brief. April 2023.

[15] Jamil Anderlini, Clea Caulcutt: Europe must resist pressure to become ‘America’s followers,’ says Macron. politico.eu 09.04.2023.

[16] Thomas Gutschker: Grüne Gardinenpredigt für den Kanzler. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.05.2023.

Was man unter brownnosing versteht, wergibt sich wohl aus dem Kontext.

Passend dazu schon 2017  Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten:

Rüstung statt Abrüstung. Das deutsche Volk lässt sich mehrheitlich grandios verführen, ohne aufzumucken.

a mueller kAls im Jahre 1990 die Konfrontation zwischen West und Ost beendet war und man verabredet hatte, gemeinsam für Sicherheit zu sorgen, schrillten im NATO Hauptquartier in Brüssel alle Alarmglocken. Und bei der Rüstungswirtschaft auch. Dann hat man aber spätestens 1999 mit dem Jugoslawien Krieg neue Arbeit für die NATO gefunden und zugleich auch für die Bundeswehr.
Und jedes Mal, wenn einer der vom Westen geführten Kriege sich zu Ende neigte, machte man sich Sorgen um die weitere Beschäftigung von NATO und Rüstungswirtschaft. Jetzt ist der große Durchbruch erzielt. Ursula von der Leyen gibt Trump recht und fordert 2 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr – hier in der Tagesschau zum Beispiel. Mit einer Palette von Tricks wird uns das Fell über die Ohren gezogen.
Auf einige dieser Tricks möchte ich Sie aufmerksam machen. Sie werden in den nächsten Tagen aus Anlass der Münchner Sicherheitskonferenz, die man auch „Münchner Aufrüstungskonferenz im Interesse der Rüstungswirtschaft“ nennen könnte, weiteres zum Thema hören und sehen und Sie werden erleben, dass außer einer kleinen Minderheit von aufrechten Freunden der Demokratie und des Friedens ansonsten alles stumm bleibt: die Partei der Rüstungsministerin von der Leyen sinkt bei den Umfragen nicht in den Keller; Angela Merkel, die Chefin der militanten Verteidigungsministerin, erleidet keinen Imageeinbruch; die Mehrheit der Deutschen denkt, es geht uns gut, warum sollen wir dann über Rüstung meckern.

Ein Beleg dafür, dass manche Leute Angst vor dem Frieden haben:

Zur Einstimmung mache ich auf eine kleine Textpassage in einem FAZ Artikel vom 21.9.2013 aufmerksam. Dort heißt es unter der Überschrift „Zurück zu den Wurzeln. Die NATO denkt über ihre Zukunft nach dem Abzug aus Afghanistan nach“

„Die Nato sieht sich seit einiger Zeit mit einer Frage konfrontiert, die für ein Militärbündnis alles andere als belanglos ist: Was tun ohne Krieg? Ende nächsten Jahres will das Bündnis seine Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen haben, die Rückverlegung der Truppen ist in vollem Gang. Kommt es nicht zu einem neuen Großeinsatz, und das ist wegen der Kriegsmüdigkeit im Westen wahrscheinlich, dann wird die Allianz zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in einem bewaffneten Konflikt stehen. Vor allem den Militärs bereitet das Kopfzerbrechen. Wie soll man die Einsatzfähigkeit erhalten, wenn die Truppen wieder in den Kasernen zurück sind, fragen sich die führenden Offiziere. Eine erste, für Außenstehende vielleicht etwas überraschende Antwort lautet: indem man eine Schlacht gegen Russland übt.

Der letzte Satz ist von mir gefettet. Sie üben die „Schlacht gegen Russland“. Und das Volk schaut zu. Mehrheitlich jedenfalls.
Säbelrasseln wird nicht mehr bestraft. Auch die schlimmste Form nicht, auch die Planung von Atombewaffnung nicht.

Einige Tricks zur Beeinflussung, ehrlicher gesagt: zur Manipulation der Menschen:

Der erste Trick bestand darin, ein altes Feindbild neu aufzubauen und eine Bedrohung zu konstruieren.
Russland bot sich an. Schon alleine wegen der schon mehrmals erprobten Rolle, von den Nazis und dann nach dem Krieg vom konservativen Teil unserer Gesellschaft. Putin bot die Chance zur Personalisierung der Aggression.

Das ist nahezu komplett gelungen und wird ständig unterfüttert durch Behauptungen wie zum Beispiel jene über Hackerangriffe.
Ein ergänzender Trick bei diesem Feindbildaufbau ist es, die Staaten an der Grenze zu Russland, also die baltischen Staaten und Polen, die mit Recht oder Unrecht Rechnungen mit Russland offen haben, als Katalysatoren zu benutzen.

Der zweite Trick: Ein paar Bemerkungen des neuen Präsidenten der USA über die angebliche Überflüssigkeit der NATO (= obsolet) wurden penetrant so interpretiert, als wäre Europa damit der Schutz der USA gegen Russland entzogen.
Das ist eine grandiose Überinterpretation und Falschinterpretation, aber sie wurde von mehreren Stellen gleichlautend und penetrant in die Köpfe und Herzen der Menschen geklopft.

Dort blieb hängen: Mit Trump haben uns die USA verlassen, uns ihren militärischen und vor allem atomaren Schutz entzogen. Also müssen wir das selber machen. Also müssen wir massiv rüsten.
In der Wirklichkeit findet diese Erzählung keine reale Basis. Sie wird nur gebraucht und deshalb wird sie erzählt, um Geld für die Rüstung locker zu machen.

Der dritte Trick: Man sagt B und meint eigentlich A.
Am 29. Juli 2015 haben wir auf den NachDenkSeiten diese Methode beschrieben. Sie wird gerne angewandt, so wie jetzt auch hier: es wird eine Debatte um die deutsche Atombombe vom Zaun gebrochen. Diese läuft in der FAZ und dann bei Panorama und dann im Deutschlandfunk und dann auch in der Zeit.

Das Volk steht verwirrt beiseite, teilweise auch dagegen. Aber die eigentlich beabsichtigte Botschaft A: wir brauchen Militär und Rüstung gegen den neuen Feind, bleibt als berechtigt hängen.

Der vierte Trick wird uns gerade mit der Sicherheitskonferenz in München demonstriert: Rüstungpropaganda und Propaganda für militärische Einsätze unter einem falschen Label: Sicherheit. Und das auch noch auf unsere, der Steuerzahler Kosten.
Früher hieß die Münchner Sicherheitskonferenz „Wehrkundetagung“. Das war eine einigermaßen ehrliche Bezeichnung.

Dann wurde das Ding in Sicherheitskonferenz umbenannt. Und das ist dann keine ehrliche Bezeichnung mehr, jedenfalls für einen größeren Teil dessen, was dort in München passiert.
Ich erinnere an die gleichlautende Propaganda von Bundespräsident Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen. Sie forderten vor zwei Jahren unisono, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Da konnte man als verantwortungsbewusster Mensch ja noch mitfühlen. Aber gemeint und auch so insinuiert war damals schon Verantwortung durch militärische Einsätze.
Diese Propaganda wird zu einem beachtlichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dabei handelt es sich nicht um eine öffentliche Konferenz und auch nicht um eine von einer öffentlichen Instanz ausgerichtete Konferenz. Die Rüstungswirtschaft lässt sich vom Steuerzahler ihre Lobbyarbeit auch noch bezahlen.

Mein Kommentar: Aus heutiger Sicht fügt sich ddas ein in eine effektive Vorbereitung des Ukraine-Krieges, der seit 2022 ausgebrochen ist.
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Stammtisch der DFG-VK Nordschwaben am Dienstag 16.5.2023 in Nördlingen, dazu ein wichtiger Beitrag von Dr.Ingrid Pfanzelt, IPPNW, zur Geschichte, Spaltung und möglicher Versöhnung der Friedensbewegung

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Liebe Friedensfreunde,

unser nächstes Treffen findet statt
Dienstag 16.05.2023, 19.30 Uhr
Cafe Alexanderplatz im Keller
Polizeigasse 13, Nördlingen.
Eintritt frei.
Themenvorschlag ist der folgende, soeben auf den NachDenkSeiten erschienene Artikel – daher bitte lesen!
https://www.nachdenkseiten.de/?p=97631

Friedensbewegung #1, #2 & #3:
Der mühsame Weg in Richtung Frieden

Es ist kompliziert, sich für den Frieden zu engagieren. Heute gibt es nicht mehr eine Friedensbewegung, es sind inzwischen drei verschiedene: die Alte, die Neue und die ganz Neue.
Und leider gibt es zwischen den Gruppen wenig Eintracht, sodass die Kriegsbewegung – bestehend aus Politik, Rüstungsindustrie und tiefem Staat – leichtes Spiel hat, mehr und mehr Menschen auf Kriegskurs zu treiben bzw. zu halten. Analyse und Interview von Andrea Drescher.

#1

Die alte Friedensbewegung aufgrund des Vietnamkriegs wurde mitgetragen von den Protesten der 68er-Bewegung und ging Hand in Hand mit der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung der 70er- und 80er-Jahre auf die Straße. Die damaligen Aktivisten kamen zum großen Teil aus dem politisch linken Spektrum und waren mehrheitlich antifaschistisch, antiimperialistisch bzw. anti-amerikanisch. Ausnahmen wie Herbert Guhl bestätigen diese Regel. Man traf sich im Bonner Hofgarten, bei der Startbahn West oder in Wackersdorf, um nur einige Schauplätze der damaligen Zeit zu nennen.
Die Gründung der Grünen war eine Folge dieser Bewegungen, wobei ich mir sicher bin, dass sich die damaligen Urgesteine Petra Kelly und Gert Bastian von dem, was aus dieser Partei heute geworden ist, genauso scharf distanzieren würden, wie ich das tue.

Reste dieser alten Friedensbewegung sind noch in verschiedenen Bündnissen aktiv – die Anti-Siko in München ist ein Beispiel dafür. Auch eine „Antifa“ gibt es noch.
Erschreckend ist aber, wie sehr von vielen dieser Organisationen inzwischen das transatlantische Narrativ geteilt wird.
Von grundsätzlicher Systemkritik, wie ich sie aus meiner Jugend kannte, ist kaum mehr etwas zu spüren.

#2

2014 entstand die neue Friedensbewegung, initiiert von Lars Mährholz in Berlin als Mahnwachen für den Frieden, die regelmäßig jeden Montag auf der Straße zu finden war.
Auslöser war der sich abzeichnende Krieg in der Ukraine – der dann nach acht Jahren Dauerbeschuss des Donbass 2022 plötzlich und unerwartet ausgebrochen ist.
Aber auch andere Themen kamen aufs Tapet bzw. ans offene Mikro. Ob die Kriege in Syrien, Jemen und Israel, Umweltzerstörung durch Glyphosat und Regenwaldzerstörung, Freundschaft mit Russland oder das Finanz- und Wirtschaftssystem: Diese Friedensbewegung, die in ihrer besten Zeit in über 230 Städten im deutschsprachigen Raum stattfand, griff viele systemkritische Themen auf.

alles nazis ausser juttaInsbesondere die Kritik am Geldsystem führte dazu, dass man sie als antisemitisch erklärte, denn wer das Geldsystem kritisiert, war laut der „linken“ Ikone Jutta Ditfurth bereits ein struktureller Antisemit. Diese Tatsache und das – seltsamerweise medial forcierte – Aufkommen der PEGIDA-Bewegung, die mit den Mahnwachen in einen Topf geworfen wurde, führten sehr schnell dazu, dass alte und neue Friedensbewegung nicht zusammenkamen und die Mahnwachenbewegung an Schwung verlor.
Der „Zusammenhang“ zwischen Friedensbewegung und „Rechten“ – in späterer Folge dann Antisemitismus und Nationalsozialismus – war geschaffen. Systemkritiker standen im „rechten Eck“, was für viele, darunter auch mich, sehr überraschend kam.

#3

2020 entstand aufgrund der Grundrechtseinschränkungen durch die vermeintlichen Gefahren von Corona eine Freiheitsbewegung, die nach und nach unter einer Friedens- und Freiheitsbewegung firmierte bzw. zu dieser mutierte. Ein für mich erschreckend großer Anteil der Demonstranten hatte deutlich mehr als 50 Jahre auf dem Buckel, es gab Veranstaltungen, bei denen ich das Durchschnittsalter auf 60 geschätzt habe. Auf allen großen Demos habe ich Menschen mit Rollator oder Rollstuhl mitlaufen bzw. -rollen sehen.
Es waren sehr „bürgerliche“ Demos, es war ein sehr buntes Publikum, und bei vielen, die ich traf, stellte ich fest: „Wir hätten uns auch in Bonn, Wackersdorf oder auf der Startbahn West treffen können.“

Auch zahlreiche Aktive der Mahnwachenbewegung von 2014 waren dort zu finden, zumindest jene, die sich nicht vor der virtuellen – korrekt viralen – Gefahr fürchteten.
Als der Impfdruck zunahm, nahm auch der Anteil junger Menschen und Familien mit Kindern zu. Es waren – nach meiner Wahrnehmung – alle politischen Strömungen von „rechtsaußen“ bis „linksaußen“ vertreten. Die überwiegende Mehrheit bildete aber die bürgerliche Mitte – viele bis dato meist völlig unpolitische Menschen, die ihrem Recht auf körperliche Selbstbestimmung Ausdruck verleihen wollten. Das mediale Framing der zunächst nur maßnahmenkritischen Bewegung mit Begriffen wie „Corona-Leugner“, „Impfgegner“ und natürlich „Antisemiten“ und „Nazi“, wurde dann fast eins zu eins auch auf die Menschen übertragen, die – als der Maßnahmendruck zurückging, die Kriegsgefahr aber zunahm – weiter auf die Straße gingen.

Die perfekte Spaltung

Die „alte“ Friedensbewegung wollte bzw. will mit „den rechtsoffenen Demonstranten“ dieser Friedensbewegung #3 nichts zu tun haben.
Am 18. Februar gab es daher anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz gleich zwei Friedenskundgebungen und Demonstrationszüge.
Am Marienplatz traf sich die Anti-Siko der alten Friedensbewegung, zeitgleich mobilisierte „Macht Frieden“, ein Bündnis von Graswurzelbewegungen, dem auch „München steht auf“ angehört – also Vertreter der Friedensbewegung #3 – für eine Veranstaltung am Königsplatz.

Ähnliches wiederholte sich in München anlässlich des Ostermarsches. Das Orga-Team von „Macht Frieden“ respektierte den Zeitplan des traditionellen Ostermarsches und legte die eigene Veranstaltung auf den Nachmittag, sodass Teilnehmer der alten Friedensbewegung vom Marienplatz im Anschluss noch zur Kundgebung am Odeonsplatz kommen konnten.
Eine versöhnliche Geste, um Alt und Neu zusammenzubringen. Tatsächlich mischten sich dann einige der „Alten“ unter die „Neuen“, man kam in Kontakt, sprach miteinander und konnte vielleicht einige Vorurteile abbauen.

Ein weiterer Versuch, die Spaltung zu überwinden, war die Rede einer Friedensaktivistin aus dem traditionellen Lager auf der Kundgebung von „Macht Frieden“. Ich lernte sie auf dem Ostermarsch der neuen Friedensbewegung („FB“) kennen.
Dr. Ingrid Pfanzelt
war und ist in der alten Münchner Friedensbewegung #1 gut vernetzt. Jetzt engagiert sie sich zunehmend für die Friedensbewegung #3. Nur #2 hat sie ausgelassen, da sie 2014 und 2015 zu viel Zeit in der Flüchtlingshilfe verbracht hat. Ihr Anliegen ist es, mit dazu beizutragen, die Spaltung in der Friedensbewegung zu überwinden, wie sie mir im Interview erzählte.

Kannst Du Dich kurz persönlich vorstellen?

Gerne. Ich heiße Ingrid Pfanzelt, bin 1956 in der Nähe von München zur Welt gekommen, habe mein Medizinstudium in Italien begonnen und in München beendet.
Nach meiner Facharztausbildung in Psychosomatischer Medizin habe ich mich 1993 in einer Kassenpraxis als psychoanalytische Psychotherapeutin und Homöopathin niedergelassen, in der ich immer noch arbeite. Ich habe zwei erwachsene Söhne und lebe in München.

Friedenspolitisch ging es bei mir in den 80ern los. Es war damals im alternativen Milieu üblich, sich für den Frieden zu engagieren. Ich habe in einer Land-WG auf einem Bauernhof gelebt und war am Anfang bei den Grünen mit dabei. Die Friedensbewegung war ein Teil der Grünen, Gerd Bastian und Petra Kelly waren unsere Vorbilder. Das hat damals große Kraft entwickelt.
Diese politische Sozialisation war gepaart mit der Anti-AKW-Bewegung. Es war Teil unseres WG-Lebens, mit unserem klapprigen VW-Bus nach Wackersdorf zu fahren und uns mit Wasserwerfern von der Polizei von der Straße fegen zu lassen.

Diese frühe ökologische Bewegung, die auch Themen wie Naturheilkunde und Spiritualität einschloss, war geprägt durch einen sehr regierungskritischen Kurs, der aus der 68er-Bewegung entstanden war. Unsere Generation war noch geprägt von der Auseinandersetzung mit den Vätern, die sich im Nationalsozialismus schuldig gemacht hatten und nun wieder in hohen Ämtern waren.
Deshalb gehörte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Staat und den staatlichen Entscheidungen gegen den Willen der Bürger – Wiederaufarbeitungsanlage oder NATO-Doppelbeschluss – zu unserem aufklärerischen Selbstverständnis. Mehrere Hunderttausend Demonstranten im Bonner Hofgarten waren ein starkes Zeichen dieser kritischen Generation an die Politik.
Diese großen Demonstrationen waren ein Event, das viel Energie gab. Wir waren beseelt von dem gemeinsamen Friedenswillen und der Hoffnung, die Politik durch unseren mächtigen Straßenprotest beeinflussen zu können. Für den Frieden zu demonstrieren, gehört also seit gut 40 Jahren zu meinem Leben.

Du engagierst Dich aber jetzt nicht nur auf Demonstrationen, sondern auch für die IPPNW. Wofür steht diese Organisation?

Die IPPNW, die „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“, ist eine ärztliche Friedensorganisation. Sie wurde 1980 als gemeinsame Friedensarbeit von einem US-amerikanischen und einem russischen Arzt gegründet und bekam 1986 den Friedensnobelpreis. Ihr wichtigstes Ziel war und ist es, die Menschen weltweit über die Risiken eines Atomkrieges und die medizinischen Folgen atomarer Katastrophen aufzuklären und sich für ein generelles Verbot von Atomwaffen einzusetzen.
Aus der IPPNW entstand die ICAN-KampagneInternational Campaign to abolish Nuclear Weapons – die 2021 eine Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags in der UN erreichte und die dafür ebenfalls 2017 den Friedensnobelpreis bekam.
Jetzt wäre ein weltweites Verbot von Atomwaffen jederzeit möglich, wenn die Staaten, die diese Waffen besitzen, auch Deutschland, diesen Vertrag ebenfalls unterzeichnen würden.

Seit einigen Jahren leite ich zusammen mit einem Kollegen die Regionalgruppe Oberbayern der IPPNW. Wir sind Partner des FRIBÜ München. Im Namen der IPPNW halte ich regelmäßig Reden zu den Hiroshima-Tagen in München, die vom FRIBÜ organisiert werden.

Was ist das Friedensbündnis München?

Das ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Friedensinitiativen in München, die u.a. seit vielen Jahren die Anti-Siko-Proteste veranstalten. Das Anti-Siko-Bündnis ist ja nur ein temporäres Bündnis, das sich im Herbst zusammenfindet, um die Proteste zur Sicherheitskonferenz im Februar zu organisieren, und sich anschließend wieder auflöst.
Die IPPNW war immer dabei – dieses Jahr gab es das erste Mal eine Schwierigkeit.

Von was für Schwierigkeiten sprichst Du?

Es gab einen Eklat mit den Leuten aus der Antifa, da bei Anti-Siko auch Vertreter der freien Linken mitmachen wollten. Da diese sich auch bei „München steht auf“ engagieren, kam der Vorwurf der Querfront hoch. Die Antifa bezeichnet nämlich alle, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, als rechtsoffen und AfD-nah.
Es begann eine massive Diffamierungskampagne gegen die freie Linke durch die Antifa.

In unserer IPPNW-Regionalgruppe gab es dann die Diskussion, ob wir das Anti-Siko-Bündnis verlassen sollen, nachdem die Antifa so aggressiv auftrat. Als Friedensorganisation können wir nicht in einem Bündnis mitwirken, das Diffamierung und Gewalt toleriert. Als sich das Bündnis dann aber auch deutlich gegen Extremismus von Links positionierte, sind wir als IPPNW dabeigeblieben.
Ob wir zukünftig weiter mitmachen, steht, ebenso wie unsere Rolle bei der zeitgleich zur Siko stattfindenden Friedenskonferenz in München, in den Sternen.

Wieso?

Die Spaltung betrifft jetzt auch die IPPNW-Regionalgruppe. Ich war als Regionalsprecherin dafür, mit der – wie Du sagst – ganz neuen Friedensbewegung zu kooperieren. Andere waren das nicht.

Wie stehst Du zu „München steht auf“ (MsA)?

Ich war anfänglich in der maßnahmenkritischen Bewegung nicht aktiv, wurde aber im Laufe der Zeit zunehmend kritischer gegenüber der Impfung und den Maßnahmen.
Ich fühlte mich eigentlich immer der linksgrünen Szene zugehörig und war früher bei den Grünen, bis sie begannen, gegen die Menschen zu hetzen, die sich nicht impfen lassen wollten. Das betraf mich auch. Als Katarina Schultze von den Grünen dann im Landtag forderte, dass Ungeimpfte nicht mehr in Supermärkte zum Einkaufen gehen dürften, bin ich endgültig ausgetreten.

Ich war einfach nur noch entsetzt und wollte etwas gegen diese unsägliche Politik tun. Darum bin ich dann auch mal mittwochs zu den Demos von MsA gegangen.
Ich vermisste in dem offiziellen Corona-Diskurs die kritischen Stimmen, die ich dort fand. Und diese Szene ist jung und dynamisch: Die Organisatoren von MsA kommen aus der Generation meiner Söhne. Ich war irritiert, wie wenig regierungskritisch sich gerade die linke Szene beim Corona-Thema verhielt. Das offizielle Narrativ wurde von ihr ebenso unreflektiert übernommen wie später das Ukraine-Kriegs-Narrativ. Eine regierungskritische Haltung nahmen nur die Corona-Proteste ein, sie ging nach Beginn des Ukraine-Krieges in eine Anti-Kriegs-Haltung über.
Das primäre Thema war dann die Forderung nach Frieden. Ich war sehr berührt, als nach dem Kriegsbeginn jeden Mittwoch bei den Umzügen von MsA der Ruf „Frieden schaffen ohne Waffen“ durch Münchens Straßen schallte. Das erinnerte mich an die Anfänge der FB.

Weil die Grundrechte-Bewegung schon seit drei Jahren den Straßenprotest organisiert, war es auch sie, die dann schnell einen Friedensprotest auf die Straße brachte – viel schneller als die Initiativen der alten Friedensbewegung. Deshalb habe ich versucht, Kooperationsmöglichkeiten zwischen alter und „neuer-neuer“ Friedensbewegung zu finden.
Es gab einige VertreterInnen des FRIBÜ, die kooperationsbereit waren. Mit ihnen veranstaltete die IPPNW-Regionalgruppe zusammen mit MsA und der „freien Linken“ eine Demo am 1. Oktober 2022, dem bundesweiten Aktionstag gegen den Ukraine-Krieg, auf der ich eine Rede hielt. Dabei kam es zu einem Eklat auf der Bühne. Ein Redner der Antifa beschimpfte die MsA-Teilnehmer der Demo als Nazis, mit denen man nicht auf einer Demo sein dürfe. Er übersah dabei, dass mindestens drei Viertel der Demonstranten Leute aus der Grundrechte-Bewegung waren.
Das zeigt recht gut die Realitätsverleugnung der Antifa.

Ich rief nach dieser Demo zu einer Dialoggruppe auf, die sich dann in regelmäßigen Abständen traf. Zwischen einzelnen Akteuren der alten und neuen FB entwickelte sich ein respektvoller und spannender Dialog, der allerdings nicht zu einer prinzipiellen Änderung der Haltung des FRIBÜ führte. Die Vorurteile sind leider nicht aufzubrechen. Es gibt zu große Widerstände vonseiten des FRIBÜ.
MsA als Vertreter der neuen FB ist kooperationsbereit, aber die Spaltung wurde von der Antifa forciert, und das Münchner Friedensbündnis konnte sich zu keiner eigenen friedensfähigen Position durchringen. Es wurde klar, dass sich in München zwei unterschiedliche Friedensbewegungen entwickelten.

Wie hast Du Deine Rolle als Brückenbauerin erlebt?

Einerseits als recht einsam, anstrengend und emotional verletzend, weil ich von meinen alten Weggefährten angegriffen und enttäuscht wurde.
Andererseits habe ich in der neuen Bewegung viele tolle jüngere Menschen kennengelernt, die einen offenen Geist und viel Mut haben, sich gegen den Strom zu stellen. Sie haben mich bei meinen Auftritten bei der neuen FB sehr unterstützt, denn mittlerweile werde auch ich von der SZ in die rechte Querdenker-Ecke gestellt. Das tut weh.

Mein sozialer Bezugsrahmen hat sich von Grund auf verändert. Frühere Freunde sind weggebrochen. Mit meinem Kollegen aus der IPPNW-Regionalgruppe hatte ich beispielsweise letzten Sommer vereinbart, dass wir beide versuchen möchten, Brücken zu bauen. Er ist auch Psychotherapeut, deshalb wollten wir den Dialog anstoßen.
Die erste Bewährungsprobe war dann die Vorbereitungsgruppe für die Friedenskonferenz, eine friedenspolitische Parallelveranstaltung zur Münchner Sicherheitskonferenz.

Die IPPNW ist seit einigen Jahren Mitveranstalter der FRIKO. Es kam die Idee auf, mit der Zivilgesellschaft mehr in Kontakt kommen, vielleicht eine Podiumsdiskussion mit Menschen zu führen, die sich noch nicht so lange für den Frieden engagieren. Mein Vorschlag, die Protagonisten von „München steht auf“ einzuladen, rief großen Widerstand und Ablehnung hervor. Es wurde unterstellt, dass das alles Rechte seien, obwohl niemand vom FRIKO-Team jemals mit den Leuten von MsA gesprochen hatte oder bei einer Demo gewesen war. Man folgte also nur den eigenen Vorurteilen.
Mein Kollege unterstützte mich leider nicht, sondern schloss sich den anderen an.

Ich habe mit vielen von „München steht auf“ gesprochen und kenne auch viele aus der Szene. Ich habe daher entsprechend dagegengehalten, da ich auf den Demos von MsA keine Rechten getroffen hatte, sondern nur Menschen begegnet war, die sich für Freiheit und Frieden engagieren. Aber meine ehemaligen politischen Weggefährten glaubten mir nicht, und mein Vorschlag wurde vom FRIKO-Team vehement zurückgewiesen. Als es dann noch um die Beurteilung einer Demonstration am 9. November ging, glaubte die FRIKO-Gruppe lieber der Süddeutschen Zeitung, die wieder einmal nur Nazis dort gesehen haben wollte, als mir, einer Augenzeugin, die vor Ort war.

Ich habe mich dann aus der Gruppe zurückgezogen, weil ich nicht mit Menschen zusammenarbeiten wollte, die selbst so wenig friedensfähig sind. Friedensfähigkeit bedeutet Gesprächsbereitschaft.
Eine Friedenskonferenz, auf der gefordert wird, dass Russland und die Ukraine sich zu Verhandlungen an einen Tisch setzen sollen, die aber selbst nicht zum Dialog bereit ist, verdient den Namen nicht. Diese Doppelmoral erleben wir zurzeit ständig in der Politik, da wollte ich nicht mitmachen. Es hat mich aber persönlich sehr getroffen, dass ich keine Unterstützung für meine Position von meinem Kollegen bekam. Unser gemeinsam abgesprochenes Brückenbau-Projekt war gescheitert. Nun musste ich allein weitermachen.
Ich empfand das so, als ob man mir in den Rücken fällt. Das hat sich dann später wiederholt.

Was ist denn passiert?

Einige Wochen später wurde ich von den Organisatoren der Anti-Siko-Demo des „Macht Frieden“-Bündnisses gefragt, ob ich auf ihrer Veranstaltung sprechen möchte. Der Vorstand von IPPNW verbot mir, dort in ihrem Namen zu sprechen, so wie ich das sonst immer tue. Die Begründung war: IPPNW dürfe nicht mit wissenschaftsfeindlichen, rechtsoffenen Corona-Leugnern in Verbindung gebracht werden.
So trat ich als Privatperson und nicht als Vertreterin der IPPNW auf. In einem Interview mit der SZ distanzierte sich dann der IPPNW-Vorsitzende von mir und behauptete, mein Auftritt sei nicht mit ihm abgesprochen gewesen, obwohl es natürlich abgesprochen war und das alles per Mail-Verkehr belegt ist.
Ich empfand das als sehr illoyal und persönlich verletzend. Es zeigt die tiefe Zerrissenheit in den herkömmlichen Friedensorganisationen. Wenn wir aber so miteinander umgehen, schwächen wir uns weiter systematisch selbst.

Wo siehst Du die größten Hindernisse einer Zusammenarbeit?

Die neue FB zeigte sich bisher sehr offen und kooperationsbereit. Vielleicht hat sie durch den medial angeheizten, scharfen Corona-Diskurs eine größere Dialogfähigkeit entwickelt als die traditionelle FB, die sich in den letzten Jahren des Friedens nicht mehr groß gesellschaftlich auseinandersetzen musste. Man hatte sich bequem in der Friedensnische eingerichtet.
Also liegen die größten Hindernisse meiner Erfahrung nach auf Seiten der alten FB. Das sind die unverrückbaren Bilder im Kopf, die Einordnung in ein politisches Raster mit links und rechts.

Die alten Aktivisten kommen aus der linken Szene und haben über die Jahre eine rigide linke Identität entwickelt, die nicht reflektiert werden kann.
Dann lässt man sich lieber von einer gewaltbereiten Antifa ein schlechtes Gewissen einreden, dass man nicht links genug sei und sich deshalb offensiv von allem distanzieren müsse, was die Antifa als Rechts definiert, statt sich eine neue, zeitgemäße Position zu erarbeiten.
Sie müsste sich allerdings fragen, was die hauptsächliche Aufgabe einer Friedensbewegung ist: Will sie einer radikalen linken Ideologie hundertprozentige Gefolgschaft leisten oder einen lagerübergreifenden Protest organisieren, um jetzt einen Krieg zu beenden?

Ein anderes Hindernis für eine Zusammenarbeit ist aber auch, dass sich die neue FB zu einem großen Teil aus der Grundrechtebewegung entwickelt, die während der Pandemie so diffamiert wurde.
Viele aus der alten FB waren mit den Corona-Maßnahmen konform und schlossen sich dem Vorurteil an, dass die Maßnahmenkritiker alle Corona leugnen und aus der rechten Ecke kommen würden.
Das zeigt ja auch die Reaktion des IPPNW-Vorstandes. Und plötzlich sollen diese „Aluhutträger“ ernst zu nehmende Friedensaktivisten sein? Das übersteigt die intellektuelle Flexibilität von altgedienten Friedensbewegten.
Da macht man es sich dann lieber einfach und stellt alle „Neuen“ unter den Verdacht, rechtsoffen zu sein.
In der Psychotherapie arbeite ich mit meinen Patienten immer daran, zu differenzieren. Wenn man in einem Gut-Böse-Schema stecken bleibt, gibt es keine psychische Entwicklung.
Diese Entwicklungsaufgabe müsste jetzt die alte FB leisten. Das Links-rechts-Schema taugt nichts mehr, wir müssen alle neu denken lernen.

Dazu gehört auch, einmal aus dem Kreislauf von Aktion und Reaktion herauszutreten und das gesellschaftspolitische Geschehen zu reflektieren. Als Psychoanalytikerin ist es mein tägliches Geschäft, die unbewusste Dynamik eines Verhaltens zu verstehen.
Warum tut sich also die alte FB so schwer, überhaupt einmal ins Gespräch zu kommen mit den Jungen? Ich glaube, da argumentiert die Antifa geschickt mit dem Vorwurf der Kontaktschuld.
Das heißt, man macht sich schuldig, wenn man Kontakt mit einem „Rechten“ hat. Sich schuldig zu machen, weil man die politische Gefahr von rechts nicht sehen könnte, die schon einmal Deutschland und die ganze Welt in den Abgrund gestürzt hat, davor fürchtet sich meine Generation, also die alte FB.
Ein Teil unserer politischen Identität wuchs aus der offensiven Abgrenzung gegen jegliche rechtsnationale Tendenz. Deshalb verfängt dieses Argument so gut. Dann wird kontraphobisch alles vermieden, was nur irgendwie in diese Richtung interpretiert werden könnte.

Schuldgefühle oder Angst zu erzeugen ist übrigens eine massenpsychologische Taktik. Mithilfe des sogenannten „Nudgings“ werden Affekte bewusst geschürt, um dann ein konformes Verhalten zu erzeugen, das den Akteuren im Hintergrund für ihre Zwecke dient.
In der Corona-Zeit war es die Angst vor Krankheit und Tod, jetzt ist es das Schuldgefühl, das die Agenda der Regierung stützt.
In beiden Fällen wird mit der Metapher von Ansteckung gearbeitet. Früher konnten wir uns mit einer Mikrobe anstecken, jetzt ist es das „Virus von rechts“. Und der Schutz vor Ansteckung ist in beiden Fällen die Vermeidung von menschlichem Kontakt.
Deshalb können rechtes und linkes Lager nicht zusammenkommen, solange diese irrationale Angst vor politischer Ansteckung herrscht.
Divide et impera
– die Spaltung der Gesellschaft dient den Mächtigen, um zu herrschen.

Wir brauchen wieder ein Zutrauen zu unserer gesunden Immunität – im physiologischen wie politischen Sinn. Dann können wir auch nicht von „rechts“ infiziert werden, selbst wenn wir mit Menschen in Kontakt kommen, deren politische Meinung in diese Richtung geht.

Was ist in deren Sinne denn „rechts“?

Das frage ich mich auch. Die alten politischen Koordinaten haben ja ausgedient, wenn die ehemals pazifistische Partei der Grünen für den Krieg wirbt und die AfD für Friedensverhandlungen.
Für eine friedensfähige Position ist es meiner Meinung nach auch nicht mehr so wichtig, aus welchem traditionellen politischen Lager man kommt.
Wenn man sich auf grundlegende Forderungen einigen kann, wie keine Waffen mehr zu liefern und Friedensverhandlungen aufzunehmen, ist das der kleinste gemeinsame Nenner, unter dem sich Menschen zusammentun können, die in anderen Punkten unterschiedlicher Meinung sein dürfen.

In der ganzen aufgeheizten Abgrenzungsdiskussion haben wir anscheinend vergessen, dass in einer parlamentarischen Demokratie die unterschiedlichen Parteien themenbezogen zusammenarbeiten.
Wenn ich auf einer Demo neben einem Mann gehe, der AfD wählt, aber jetzt für den Frieden demonstriert, ist er bei diesem Thema mein Mitstreiter. Deshalb muss ich nicht derselben Meinung wie er beim Thema Migration sein.
Und nur weil ich neben ihm gehe, bin ich nicht „rechts“. Dazu ist mein politisches Immunsystem zu stabil. Meine politischen Werte könnten sich aktuell eher an einer tiefen humanistischen und pazifistischen Haltung orientieren als an einem vereinfachten Links-rechts-Schema. Das wäre jetzt wichtig.
Wenn wir uns weiter in „links“ und „rechts“ spalten lassen, verrichten wir das Geschäft der Mächtigen selbst. Dann wird sich keine wirklich große neue FB entwickeln und die Kriegstreiber haben gewonnen.

Das mediale Framing funktioniert leider erstaunlich gut. Jeder Maßnahmenkritiker, jeder Impfskeptiker ist verdächtig, und dementsprechend werden „München steht auf“ und die Grundrechtebewegung als rechts wahrgenommen. Das gilt jetzt auch für alle, die für den Frieden auf die Straße gehen. Früher wurde man als „Corona-Leugner“, heute wird man als „Putinversteher“ beschimpft, wenn man nicht mit der Regierungspolitik einverstanden ist. Dabei muss Friedenspolitik doch immer Kritik an der Regierung sein, wenn diese einen Krieg unterstützt!

Wie meinst Du das?

Meine Entwicklung hin zu einer friedenspolitischen Position war, sich immer mit dem Regierungshandeln kritisch auseinanderzusetzen. Es ist logisch, dass die Maßnahmenkritiker auch kritisch beim Krieg sind, denn sie sind es, die der Regierung seit drei Jahren auf die Finger schauen. Aber ein kollektiver kritischer Geist, der in den 80er-Jahren etwas sehr Positives war, wird heute – insbesondere seit drei Jahren – negativ konnotiert. Dabei ist eine regierungskritische Haltung Grundvoraussetzung für die Friedensbewegung. Ich frage mich, warum nimmt die alte Friedensbewegung die regierungskritische Haltung der Grundrechtebewegung nicht als frischen Impuls für die eigene Mobilisierung auf?

Siehst Du eine Chance, die Gruppen zusammenzuführen?

Ich weiß es im Moment wirklich nicht. Die neue FB hat oft die Hand ausgesteckt, die von der alten nicht angenommen wurde, zumindest hier in München. Ich habe gehört, dass es in anderen Städten schon Annäherung gibt. Es wäre jetzt an den Alten, das Gespräch mit den Jungen zu suchen.
Es ist ja tatsächlich so, dass die Akteure der traditionellen FB alt sind. Wir sind nicht mehr viele und haben nicht mehr viel Kraft. Die Jungen können jetzt den Widerstand organisieren, sie haben Vitalität und Engagement und beherrschen die Klaviatur der sozialen Medien, um viele Menschen zu mobilisieren. Das wäre ein Booster für uns Alte!

Ich habe den Eindruck, die Widerstände gegen die Neuen werden gerade etwas geringer, weil man sieht, wie sich die Zahlen entwickeln. Am Königsplatz waren im Februar 20.000 Menschen, am Marienplatz nur 2.700. Bei der Osterkundgebung waren fünfmal so viel Leute bei „Macht Frieden“ wie beim traditionellen Ostermarsch.
Das Traurige ist aber, dass es insgesamt bei allen Kundgebungen viel zu wenige waren, wenn man sich die aktuelle Bedrohungslage ansieht. Vielleicht ist es gar nicht mehr so wichtig, dass die alte sich mit der neuen FB verbindet, denn die alte FB hat nicht mehr viel Gewicht. Die Neue muss ähnlich breit in der Gesellschaft aufgestellt werden wie damals in den 80ern.

Wo sind aber jetzt die Kirchen, die Gewerkschaften und die Klimabewegung? Die christliche Nächstenliebe ist doch eigentlich per se eine pazifistische Haltung, und gute Arbeitsbedingungen gibt es nur im Frieden. Wer sich für das Klima einsetzt, müsste sich auch für den Frieden engagieren, denn 5 Prozent der globalen CO2-Emissionen werden durch militärische Aktivitäten verursacht.
Durch den Ukraine-Krieg sind bisher 100 Mio. Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre geschleudert worden. Die gigantische Zerstörung der Umwelt durch Krieg müsste doch alle Naturschützer zu Pazifisten machen. Der Krieg in der Ukraine ist nicht das notwendige Übel, um die Energiewende zu schaffen, wie uns einige erzählen wollen.
Der Krieg ist ein Teil der Klimakatastrophe. Deshalb müssten FFF und Letzte Generation sich der Friedensbewegung anschließen. IPPNW versucht schon seit Längerem, diese Gruppen für die Friedensarbeit zu gewinnen.

Wir dürfen nicht vergessen: Die Gefahr der nuklearen Eskalation wird immer größer. Wir waren noch nie so nahe an einem Atomkrieg wie aktuell. Deshalb wäre gerade jetzt die Stunde einer Friedensorganisation wie IPPNW, die seit 40 Jahren vor dem Atomkrieg warnt. Sie müsste sich mehr mit der neuen FB verbinden. Ein erster Schritt dazu wurde schon gemacht, als die IPPNW-Vorsitzende den Appell von Schwarzer / Wagenknecht unterzeichnete und deren Demo unterstützte. Die Berliner Demo war genauso lagerübergreifend wie die Münchner Anti-Siko-Demo am Königsplatz, deshalb ist es schwer verständlich, warum man sich von der Königsplatz-Demo eine Woche vorher noch so distanzierte. Aber vielleicht änderte sich in der Woche dazwischen etwas.
Jeder, der reinen Herzens für den Frieden ist, sollte in einer Friedensbewegung willkommen sein. Wir brauchen wieder eine starke Friedensbewegung wie in den 80ern, um diesen Krieg zu beenden, in dem jeden Tag tausend Menschen sterben, ein ganzes Land zerstört wird und die nukleare Katastrophe droht! Ich hoffe, dass wir das schaffen, bevor es zu spät ist.

Das hoffe ich auch. Einen 3. Weltkrieg braucht niemand. Danke für Dein Engagement! Wir sehen uns auf der Straße!

Unterstreichungen von mir.
Mit friedlichen Grüßen
Jochen, Sprecher der DFG-VK Nordschwaben, IPPNW

Erst klaut er ihnen 30% ihres bescheidenen Wohlstandes, dann hält er sie mit einem „Bürgerdialog“ zum Narren: Olaf Scholz

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Man hatte doch längst das Gefühl, es könne nicht schlimmer kommen –
aber was Boris Reitschuster da berichtet, übertrifft alles !

reitschuster logo

Und das alles veranstaltet von unseren Zwangsgebühren. Wo bleibt da die Aufsicht ?
Siehe hier:
https://reitschuster.de/post/war-der-angebliche-buergerdialog-des-kanzlers-eine-mogelpackung/
Auszüge:
Florian Post ist einer, der Klartext spricht. Was auch nach acht Jahren, die er für die SPD im Bundestag saß, zum Zerwürfnis mit seiner Partei führte. Im August 2022 trat er aus der SPD aus. Begründung: Sie sei „für Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen“ nicht mehr wählbar (Details siehe hier). Ende 2022 trat er in die CSU ein.

Jetzt attackiert der Münchner seinen ehemaligen Genossen im Bundeskanzleramt. Auf Twitter teilt der Ex-Abgeordnete ein Video, das enthüllt, wie beim sogenannten „Bürgerdialog“ rote und grüne Parteimitglieder und Funktionäre unter dem Deckmantel, sie seien normale Bürger, Bundeskanzler Olaf Scholz befragten.
Der Kommentar dazu vom Ex-Genossen Post: „Besser bekamen sie es in der #ddr auch nicht hin. So geht #bürgerdialog“. Ansehen können Sie sich das beeindruckende Video hier.

Angebliche normale Bürger, die in dem 90-minütigen „Bürgerdialog“ in Bendorf am 1. Mai ihre Fragen stellen, sind unter anderem:

  • Klaus Dietrich, SPD-Ortsvorsitzender Meisenheim
  • Jutta Mannebach von den Grünen in Koblenz
  • Paul Freyt, Beisitzer im Vorstand der
    Jusos Mayen-Koblenz
  • Tino Dähler, Grünen-Kandidat für den
    Verbandsgemeinderat Maifeld
  • Kim Theissen von den Grünen in Koblenz

Aufgedeckt hat das der rührige Blogger „Dr. David Lütke“.

Hier liegt also der Verdacht nahe, dass unter dem Vorwand eines „Bürgerdialogs“ eine Inszenierung stattfindet.
Auch bei Angela Merkel war auffällig, dass ihre Gesprächspartner bei sogenannten „Bürgerdialogen“ zu einem großen Teil so wirkten, als seien sie sorgfältig vorab ausgesucht worden. Insofern hat Post durchaus Recht, wenn er sich an die DDR erinnert fühlt – so ein Scheindialog gehörte zu den Inszenierungen im Sozialismus. Die unter Angela Merkel in die Bundesrepublik überschwappten.

Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender „Phoenix“, der solche Veranstaltungen gelegentlich überträgt, lief das Verfahren etwa beim vorherigen Bürgerdialog wie folgt ab: „90 Minuten lang stellt sich der Kanzler den Fragen der Bürgerinnen und Bürgern, die sich im Vorfeld für die Teilnahme bewerben mussten, die Plätze werden verlost.“
Diesmal hatten sich 500 Menschen bei der Rhein-Zeitung um einen der Plätze beworben.

Zum einen ist erstaunlich, dass ausgerechnet rote und grüne Parteimitglieder bzw. Funktionäre gleich doppelt Glück hatten – nicht nur beim Verlosen der Plätze, sondern auch, als es darum ging, wer das Wort erteilt bekommt.

Aber es gibt eben Zufälle im Leben

Schwerer wiegt: Würde es um einen offenen Bürgerdialog gehen, müsste das Kanzleramt einfach die Bewerber vorab nach Parteimitgliedschaften und vor allem Funktionen in Parteien befragen – wenn schon ein Bewerbungsverfahren stattfindet.
Und wenn man partout nicht auf Funktionäre und Genossen verzichten will, müsste man gegebenenfalls zumindest einblenden, wer sie sind, damit die Zuschauer nicht in die Irre geführt werden.

Da ohnehin die Namen der Fragesteller eingeblendet werden, wäre dies organisatorisch kein Problem. Dass es nicht gemacht wird, zeigt, dass es sich um eine Mogelpackung handelt.
Sogar um eine doppelte – an der das Kanzleramt und Scholz selbst ebenso beteiligt zu sein scheinen wie die Medien – in diesem Fall die Rhein-Zeitung, bei der man sich bewerben musste.

PS: Hier noch ein paar Kommentare von Twitter-Nutzern zu der Causa:

    • Bürgerverarschung von der ersten bis zur letzten Sendeminute.
      Wahrscheinlich gab es für die Moderation und Vorbereitung wieder einen fünfstelligen Scheck aus dem Bundeskanzleramt.
    • Wie immer Zufall
      Die halten die Menschen alle für Deppen.
    • Was denken sie sich dabei! Sie wissen doch genau 2 bis 3 Klicks, und zack wissen die Menschen, wer da angeblich Fragen stellt! Die sind derart dreist und borniert, kein Wunder, dass sie nun alles auf den Weg bringen wollen, die Bürger partout am Kritisieren zu hindern!
    • Bürgersowjet (in der Intonation von Adenauer)
    • Aus solchen Leuten werden dann auch die Bürgerräte gelost
    • Bestimmt nur ein blöder Zufall

Hier mein Video zu diesem Text:
https://youtu.be/uvLM5XRHEJQ
*)

Kritischer Journalismus ist wie ein Eisbrecher – er schlägt Schneisen in die Einheitsmeinung. Dafür muss man einiges aushalten.
Aber nur so bricht man das Eis. Langsam, aber sicher.

*: Das Video ist wirklich sehenswert!
Und bei der Formulierung „liegt der Verdacht nahe“ muss ich grinsen !
Auch andere Leute haben sich in Telegram-Kanälen gewundert, wo die Fragen zu Nordstream 2 und zur Cum-Ex-Affäre bleiben. Zur letzteren siehe z.B. hier:

„Olaf Scholz lügt!“ Fabio De Masi über dessen Cum-Ex-Affäre


Auf einen Warnhinweis bez. der Rechtslastigkeit von Reitschuster habe ich so geantwortet:
Ist mir bekannt, und ich teile nicht viel von ihm, aber z.B. den Nachruf auf den Waldbiologen Clemens Arvay, einiges zu den Coronalügen und dieses hier.

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Reitschusters Gütesiegel

Aufgefallen ist er mir als unerschrockener Demokrat mit stets störenden Nachfragen in der Bundespressekonferenz, weshalb er da ausgeschlossen wurde.
Siehe dazu:
https://josopon.wordpress.com/2021/05/05/zum-tag-der-pressefreiheit-russia-today-enthullt-liste-der-kukenpiepser-achtung-dateianhang-55kb/

Übrigens hat er das letzte Buch von Michail Gorbatschow übersetzt, mit dem er befreundet war, das ist auch sehr lesenswert.
Also schaue ich ab und zu mal über den Tellerrand.
Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Europas Zukunft: Zehn Varianten des Abstiegs

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

dagmar henn

Ein intelligenter Kommentar von Dagmar Henn:
https://freeassange.rtde.live/meinung/168623-europas-zukunft-zehn-varianten-abstiegs/
Auszüge:

Es wird getan, als ginge es um die Ukraine; in Wirklichkeit geht es um eine Welt ohne Kolonialismus. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa könnte damit gut leben. Aber es fehlt die politische Kraft, um an die Stelle verbissener Verteidigung der alten Ordnung die neue zu setzen.

Überlegungen, wie die ganze gegenwärtige Krise – nicht nur in Bezug auf die ukrainische Front, sondern auf die globale Veränderung – für Europa enden könnte, beginnt man vielleicht am besten mit dem wünschenswerten Ergebnis. Für die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Bevölkerungen wäre das eine Eingliederung in eine künftige Weltordnung souveräner Staaten mit gleichen Rechten.

In einer solchen Ordnung würden zwar die enormen Geldflüsse entfallen, die augenblicklich das Ergebnis der westlichen Macht sind, aber von diesen Geldflüssen profitiert nur eine verschwindende Minderheit. Für die allermeisten bieten die enormen, in wenigen Händen konzentrierten Geldbeträge nur Nachteile – um für all dieses Geld eine Verzinsung zu ermöglichen, steigen die Mieten und werden alle möglichen Lebensbereiche, wie das Gesundheitswesen, künstlich kommerzialisiert.

Nur als Beispiel dafür: In Deutschland besitzt gerade ein Prozent der Einwohner Wohnungen, in denen sie nicht selber leben. Darunter sind aber noch ein Menge Menschen, die etwa als Altersvorsorge genau eine Wohnung besitzen, die sie vermieten.
Nur dieses eine Prozent profitiert von den stetig steigenden Mieten. 99 Prozent haben davon einen Nachteil, denn selbst für die Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum wird der mögliche Vorteil eines steigenden Werts durch größere Probleme, dieses Eigentum überhaupt zu bilden, ausgeglichen.

Ein Verschwinden dieser Geldflüsse – was mit einem Bedeutungsverlust von Kolonialstrukturen wie IWF und Weltbank einhergeht – würde die Struktur des internationalen Handels verändern, der in vielen Bereichen heute von der Peripherie ins Zentrum fließt. An die Stelle des Abschöpfens müsste wieder ein Austausch von Gütern treten.
Dabei würde sich natürlich auch die Verteilung der Produktion ändern, weil eine Befreiung von kolonialen Lasten vielerorts eine nachholende Industrialisierung ermöglichen würde. Das heißt, die Rolle der jeweiligen Binnenmärkte würde in allen Ländern zunehmen.

Das klingt für deutsche Ohren, denen jahrzehntelang der Exportweltmeister als Ideal vorgesungen wurde, erst einmal irritierend, aber eine auf den Binnenmarkt konzentrierte Ökonomie ist für abhängig Beschäftigte ein Vorteil, weil die Löhne es ermöglichen müssen, die produzierten Waren auch zu erwerben.

Das wäre alles natürlich noch weit ausführlicher darzustellen; aber nehmen wir es einmal als gegeben an, dass eine Eingliederung auch der europäischen Länder in eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung möglich wäre.
Dennoch sind die politischen Machtverhältnisse augenblicklich derart von den Interessen maximal des obersten Promilles dominiert, das sich mit allen Kräften einer Veränderung der globalen Ordnung widersetzt. Um diese Zustände zu erhalten, wurden die demokratischen Mechanismen weitgehend außer Kraft gesetzt (die EU war dabei ein entscheidendes Mittel) und die öffentliche Meinung einer nie dagewesenen Kontrolle unterworfen. Wie also soll ein Weg von Zustand A in Zustand B möglich sein? Augenblicklich sind – trotz der massiven Proteste wie gerade in Frankreich – keine politischen Kräfte sichtbar, die im Stande wären, an den Machtverhältnissen im Innern des Westens etwas zu ändern.

Aber schließen wir die Möglichkeit nicht völlig aus; eine weitere Zuspitzung mag noch für Überraschungen sorgen.
Doch es gibt noch eine andere Variante, die aus einer westlichen Niederlage resultieren könnte, einen massiven wirtschaftlichen Zusammenbruch. Tatsächlich wäre dieser die zwangsläufige Konsequenz, wenn die erforderliche politische Anpassung an die geänderten globalen Verhältnisse nicht möglich ist.

Dabei sind folgende Punkte wichtig: Wirtschaftskrisen vom Kaliber 2008 oder 1929 sind chaotische Prozesse, und es hat zwar ab 2008 die Möglichkeit gegeben, die Folgen der Krise durch massive Geldschöpfung zu vertagen, aber weder war es möglich, ihre Entstehung zu verhindern, noch wurden die auslösenden Probleme auch nur ansatzweise gelöst.
Das heißt, wenn sich die verschiedenen Faktoren wie extreme Staatsverschuldung (insbesondere in den USA), massive Überbewertungen beispielsweise bei Immobilien und schwindender Einfluss des US-Dollars durch welchen Anstoß auch immer in eine große ökonomische Krise umsetzen, hat keine Regierung der Welt die Möglichkeit, das aufzuhalten.
Allerdings gibt es zwei Faktoren, die es möglich erscheinen lassen, dass diese Krise weitgehend auf den Westen beschränkt bleibt – je geringer der Einfluss des US-Dollars und je stärker die Abkopplung der ökonomischen Zonen, die der Westen mit seinen Sanktionen stetig weiter vorantreibt, desto besser die Chancen für den nichtwestlichen Teil der Welt, von dieser Krise nicht oder nur begrenzt betroffen zu werden.

Der ökonomische Zusammenbruch (denn darum würde es sich für den Westen handeln) ist gewissermaßen der Joker im Spiel, der zumindest partiell unabhängig von den militärischen und politischen Entwicklungen jederzeit auftauchen kann; einzig die Wahrscheinlichkeit des Eintritts steigt im Zeitverlauf beständig.
Dabei ist die wahrscheinlichste Variante eine Mischung aus der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. und der deutschen Inflation 1923, also 2008 auf Steroiden mit einer Hyperinflation als Dreingabe. Falls, oder eher, wenn diese ökonomische Krise zuschlägt, dann ist der globale Westen handlungsunfähig, außer in einem einzigen Punkt, der leider ein Problem bleiben wird, solange in den USA die Neocons das Sagen haben – er befindet sich immer noch im Besitz nuklearer Waffen.
Diesen Punkt zu diskutieren, ist allerdings unnütz, das Ergebnis steht fest.

Diese ökonomische Erschütterung wird zwangsläufig, über kurz oder lang, auch das politische Gefüge erschüttern; schlicht deshalb, weil innerhalb des Bestehenden kein Ausweg möglich ist. Das Vertagen der Krisenfolgen wie nach 2008 funktioniert nicht mehr; sollten zu diesem Zeitpunkt noch größere Reste der alten Position des US-Dollars übrig sein, dürften sie sich nach Einsetzen dieser Krise in unvorstellbarer Geschwindigkeit verflüchtigen, schon allein, weil jeder Staat außerhalb des westlichen Kerns bemüht sein wird, in diese Entwicklung nicht mit hineingezogen zu werden.

Wie tief der Absturz wird, und wie lange es zu einer Erholung brauchen wird, hängt nicht nur in diesem rein ökonomischen Szenario davon ab, ob sich ausreichend politische Kräfte finden, die eine Rekonstituierung demokratischer Prozesse tragen und eine ökonomische Anpassung im Interesse der Bevölkerung vorzunehmen im Stande und willens sind.
Die gegenwärtige politische Elite in den europäischen Ländern dürfte dafür vollständig untauglich sein. Wobei die ganzen gegenwärtigen Bemühungen, einen Dissens und die Bildung politischer Gegenkräfte mit allen Mitteln zu verhindern, letztlich absurd sind – weder die globale Veränderung noch die ökonomische Krise werden dadurch verhindert, was bedeutet, dass letztlich dadurch auch die Macht der gegenwärtigen Eliten nicht gesichert werden kann; aber die Entwicklung eines Europas, das der Welt nicht mehr als Kolonialherr gegenübertritt, und damit die Möglichkeit eines Auswegs aus der Krise werden sabotiert.

Legen wir den Joker beiseite und betrachten, welche Entwicklungen auf der politischen Ebene möglich sind – ohne zu vergessen, dass in den meisten Versionen der Joker früher oder später dennoch ins Spiel kommt.

Die erste Version wäre eine lineare Verlängerung der Gegenwart. Die gesamte EU bleibt den USA völlig hörig, die USA selbst setzen ihr „Solange es nötig ist“ auf stetig weiter schrumpfendem Gebiet fort und eröffnen zusätzlich eine zweite Front gegen China, in die sich die EU ebenfalls ziehen lässt. Wenn man die Aussagen beispielsweise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell liest, ist diese Version durchaus möglich.
Während die Kämpfe in der oder vielmehr um die Ukraine aufrechterhalten werden und langsam Richtung polnischer Grenze geschoben werden, könnte eine Auseinandersetzung zwischen den USA und China sehr schnell eskalieren, schlicht deshalb, weil in einem weitgehend maritimen Konflikt für China gar keine andere Möglichkeit bestünde, als die Flugzeugträgergruppen der USA anzugreifen. Freundliche Hilfe Russlands in der einen oder anderen Art, um auch mit den US-U-Booten umgehen zu können, kann man voraussetzen. Eine schnelle Eskalation hieße eine schnelle Niederlage der USA. Eine derart sichtbare, unverkennbare Niederlage, dass die ökonomische Krise vermutlich auf dem Fuß folgen würde.
Welche Folgen das in den gegenwärtig politisch tief gespaltenen USA hätte, ist schwer vorherzusagen, aber das wirksamste Mittel gegen ein Umschlagen in einen Bürgerkrieg könnte dann der Mangel an Munition sein.
Auf jeden Fall wäre das Resultat ein völliger Glaubwürdigkeitsverlust der einen Seite, und politische Instabilität. In vermindertem Maß gilt das auch für Europa, das zu diesem Zeitpunkt dank der mit Sicherheit eingeführten Sanktionen gegen China in einer Rezession steckt, selbst ohne Aktivierung der großen Krise. Das wäre dann ein langsamerer Abstieg, der aber, gerade weil langsamer, die Kontrolle durch die bestehende Macht verlängert und damit die Bildung politischer Gegenkräfte weiter verzögert.

Version zwei wäre ein mehr oder weniger schneller Rückzug der USA von der ukrainischen Front, um „die Hände frei“ für China zu haben, wie das jüngst der CDU-Verteidigungspolitiker in geradezu freudiger Erwartung formulierte, weil er eine „deutsche Führungsrolle“ in der Ukraine erhoffte. Das sind Untervarianten A und B –
A wäre eine Übernahme der Führung in der EU in Bezug auf die Ukraine durch Deutschland, was eine Verlangsamung zur Folge hätte (Russland hat es nicht eilig, und das deutsche Militär will sich auf keinen Fall in der Ukraine wiederfinden) und womöglich zu Versuchen von EU-Seite führt, das Ganze einschlafen zu lassen; eine realistischere Option, wenn die Grünen nicht länger Teil der Regierung wären. Es ist aber, dank der gründlichen Vorarbeit von Angela Merkel bei Minsk, nicht allzu wahrscheinlich, dass sich Russland auf deutsche Verhandlungspartner einlässt.
Schon der Versuch würde allerdings zu Problemen zumindest mit Polen und den Balten führen, die, gäbe es eine deutsche Regierung mit einem Ansatz von Rückgrat, durch Verweis auf die EU-Subventionen beherrschbar wären; allerdings auch nur, solange die EU als Rahmen existiert. Wenn allerdings die Mittel knapp werden, weil die EU in der Rezession versinkt, fehlt das Mittel, Polen zu kontrollieren, und ein abrupter Wechsel hin zu Untervariante B mit Billigung der USA ist nicht auszuschließen.
B: Das wäre die Eskalation durch den Einsatz polnischen Militärs, um den Krieg selbst dann fortzusetzen, wenn Kiew personell dazu nicht länger im Stande ist. Die bei weitem unberechenbarste Version, zum einen wegen der innigen Nähe der jetzigen polnischen Regierung zu den US-Neocons, zum anderen, weil die Reaktion der Bundesregierung auf polnische Reparationsforderungen, der nicht einmal ein Verweis auf Oberschlesien über die Lippen kam, fürchten lässt, dass sie in diesem Fall zwar zumindest eine Zeit lang das Mitmarschieren verweigern würde, aber nicht im Stande wäre, daraufhin auf Abstand zu gehen. In welchem Fall das Auftauchen des Jokers geradezu einer Erlösung aus einem langen Elend gleichkommen könnte. Außer, es fänden sich noch andere EU-Staaten, die das polnische Spiel nicht mitmachen wollten.

Vermutlich ebenfalls in Richtung der polnischen Variante dürfte es gehen, sollten in der Ukraine Armee und Staat plötzlich zusammenbrechen. Dann würde das Ganze wahrscheinlich mit einer humanitären Erzählung bekränzt, was dafür sorgt, dass Deutschland und Frankreich diesem Marsch in den Sumpf wenig entgegensetzen. Die EU-Spitze wäre ohnehin mit wehenden Fahnen mit dabei. Das Ergebnis wäre eine partielle Umkehrung der ersten polnischen Variante – erst die polnische Intervention, gefolgt vom Rückzug der USA, die sich dann darauf verlassen könnten, den Rest der EU in der Falle zu haben.
Das wäre der langsamste und schmerzhafteste Niedergang, enthielte aber bei einer entsprechenden russischen Reaktion und einem Durchmarsch bis weit in den Westen zumindest die Hoffnung, dass sich das Problem der gegenwärtigen politischen Eliten erledigt hat.

Das größte Risiko für das Bestehen der EU ist die Entwicklung in Frankreich. Dort dürften die Proteste zunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage in der EU verschlechtert; aber für einen Sturz Macrons und ein Entrinnen aus der Umklammerung durch die EU dürften friedliche Proteste nicht genügen, auch dann nicht, wenn sie mit Generalstreiks kombiniert werden. Das haben die Auseinandersetzungen in der Euro-Krise in Griechenland und Portugal bewiesen. Nicht einmal 12 Prozent der Bevölkerung auf der Straße genügten 2013 in Portugal, auch nur die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
Ein Ende der EU, das die Voraussetzung für eine Rückkehr zu demokratischen Zuständen wäre, würde erfordern, dass mindestens Frankreich oder Deutschland aussteigt; ein Austritt Ungarns würde nicht genügen. Dass der ökonomische Angriff der USA auf Europa Deutschland als erstes Ziel hatte, hat die Binnenverhältnisse sogar stabilisiert, weil die deutsche Dominanz in den letzten beiden Jahrzehnten die Hauptquelle für Unmut war.
Die jetzigen europäischen Politiker dürften eher an diesem Rahmen festhalten, um damit die Möglichkeit ihres Sturzes zu verringern, selbst wenn das ganze Staatenbündnis bis zum Hals im Wasser steht.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre die polnische Variante fast vorteilhaft, weil sie die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zwangsrahmen zerbricht, etwas erhöht.

Gesetzt den Fall, der Krieg in der Ukraine schleppt sich ohne Ausweitung auf China hin bis zu den US-Wahlen, gäbe es noch die Variante, dass ein neu gewählter US-Präsident Donald Trump in Kiew anruft und trocken mitteilt, jetzt gäbe es nichts mehr, was das Problem Ukraine per Zusammenbruch lösen würde.
Die EU-Führung würde vermutlich einige Wochen brauchen, um sich von der Schockstarre zu erholen, aber eine kleinere Version des polnischen Szenarios ist dennoch nicht ausgeschlossen. Allerdings sind die US-Wahlen erst Ende 2024.

Gänzlich unwahrscheinlich ist leider die Version, dass die Führung der EU sich eines Besseren besinnt und sich von den USA abkoppelt. Das würde im Prinzip die weichste Landung ermöglichen – ein Ende der Unterstützung der Ukraine, eine geordnete Auflösung der EU und eine, wenn auch mühsame, Neuorientierung hin auf die multipolare Welt. Der beste Zeitpunkt dafür wäre der Moment, wenn die USA ihren Fokus auf China verschieben. Aber ein Blick auf das Brüsseler Personal genügt, um diese Version ins Reich der Märchen zu verweisen.

Eine wirklich optimistische Variante, nach der in ein, zwei, drei europäischen Ländern die vorhandenen Regierungen entmachtet und die NATO aus dem Land gekegelt wird, um anschließend unter zumindest möglicher Umgehung einer tiefen ökonomischen, politischen und sozialen Krise die Anpassung an die neuen Verhältnisse zu beginnen, ist derzeit nicht sichtbar.

Das ist die wirkliche Tragik der Entwicklung. Denn die europäische Geschichte ist nicht nur eine des jahrhundertelangen Raubes rund um die Welt, der von oben orchestriert wurde; sie ist auch eine Geschichte eines jahrhundertelangen Kampfes von unten um politische Rechte und die politische Macht; ein Kampf, ohne den weder die Idee von Menschenrechten noch von Demokratie noch die des Völkerrechts je geboren worden wäre.
Aber die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte, mit seinen Siegen und Niederlagen, seinen Errungenschaften und Widersprüchen, wurde erfolgreich ausgelöscht.

Selbst die Franzosen scheinen vergessen zu haben, wie man die Bastille stürmt.

Mein Kommentar: Irgendwie habe ich hier nicht mitbekomen, wo die eine Version aufhört und die nächste anfängt. Nur den Schluss kann ich vollumfänglich teilen.
Über Eure Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

„Olaf Scholz lügt!“ Fabio De Masi über dessen Cum-Ex-Affäre

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Fabio_de_MasiGanz aktuell aus der Berliner Zeitung eine sehr ausführliche Stellungnahme von Fabio De Masi. Im Anhang demnächst ein aktuelles Interview:
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/dokumentation-skandal-um-warburg-bank-fabio-de-masi-ueber-cum-ex-affaere-olaf-scholz-luegt-li.337303
Auszüge:

Unser Autor legt minutiös die Widersprüche des Bundeskanzlers offen.
De Masi hat im Hamburger Untersuchungsausschuss selbst als Zeuge ausgesagt.

Am 14. April 2023 habe ich als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft (das Landesparlament der Freien und Hansestadt Hamburg) zurCum-Ex-Steuergeldaffäreausgesagt.
MMWarburg_logoIm Mittelpunkt stehen dabei der derzeitige Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Rolle als Erster Bürgermeister von Hamburg in Steuerverfahren der Hamburger Privatbank M.M. Warburg & Co sowie auch der ehemaligen HSH Nordbank.

Worum es geht? Olaf Scholz und der Cum-Ex-Banker

Die Finanzverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg vollzog nach Intervention der Finanzbehörde (das Hamburger Finanzministerium) 2016 eine spektakuläre Kehrtwende und wollte auf insgesamt etwa 90 Millionen Euro krimineller Cum-Ex-Tatbeute der Warburg-Bank verzichten.
Das Finanzamt für Großunternehmen hatte zuvor in einer umfangreichen rechtlichen Stellungnahme keine andere Möglichkeit als den Einzug der Tatbeute gesehen, um eine steuerliche Verjährung zu unterbinden.
Die nachträgliche Einziehung im Strafprozess war damals noch nicht absehbar.
Der Warburg-Bank, die Cum-Ex-Geschäfte bestritt, hätten auch nach Einziehung immer noch Rechtsmittel offen gestanden. Mittlerweile musste die Bank (nachträglich) die kriminelle Cum-Ex-Tatbeute zurückzahlen, und höchste Gerichte entschieden gegen die Warburg-Bank.

Hamburg vollzog diese Kehrtwende, nachdem Olaf Scholz die Warburg-Gesellschafter Christian Olearius und Max Warburg insgesamt dreimal persönlich traf und mit ihnen das Steuerverfahren besprach. Zu diesem Zeitpunkt wurde gegen Olearius bereits wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt, und es hatte eine Razzia bei der Bank stattgefunden. Ein Referent hatte Scholz vor dem ersten Treffen ausdrücklich vor dem Thema Cum-Ex gewarnt.

Olearius wollte die Rückforderung der Finanzverwaltung verhindern und begründete dies unter anderem mit wirtschaftlichen Risiken für die Bank. Eine steuerliche Verjährung der Tatbeute schien dabei ein eleganter Weg für alle Beteiligten.
Dabei haftete Olearius als Gesellschafter jedoch mit seinem eigenen privaten Vermögen. Es ging bei den Treffen mit Scholz daher auch nie um die Bank, die laut Auffassung der Finanzaufsicht gar nicht bedroht war, sondern um das Privatvermögen eines der reichsten Dynastien Hamburgs.
Dies mutet so an, als würde ein Bankräuber bei seiner Verhaftung sagen: „Ich gebe Euch die Beute nicht wieder, sonst bin ich bankrott!“ Abgesehen davon, dass das nicht angeht, ist es bei einer Steuerforderung so, dass sie entweder besteht oder eben nicht. Eine strauchelnde Bank kann nicht darüber gestützt werden, dass man bestehende gesetzliche Steuerforderungen nicht eintreibt. Die Bank musste später schließlich zahlen; sie ging erwartungsgemäß nicht bankrott.

In einem Indizienprozess wäre Scholz überführt

Drei Treffen eines Ersten Bürgermeisters (im Range eines Ministerpräsidenten) mit einem potenziellen Steuerhinterzieher zu einem laufenden Steuerverfahren sind bemerkenswert. Umso mehr, da Scholz in der ersten Befragung zur Warburg-Affäre am 4. März 2020 im Deutschen Bundestag ausführte, dass er schon immer der Auffassung gewesen sei, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal sind und waren, egal wie viele Gutachten irgendwelche Professoren oder Rechtsanwälte produzierten.
Hätte da nicht maximal ein Treffen gereicht, um dies den Cum-Ex-Bankiers mitzuteilen?

Und warum forderte Scholz den Cum-Ex-Bankier Olearius in einem Telefonat auf, eine Verteidigungsschrift der Warburg-Bank, die bereits in der Finanzverwaltung vorlag, an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher „kommentarlos“ weiterzuleiten?
Was sollte der Finanzsenator, der das Schreiben mit Unterstreichung der Argumente der Warburg Bank erneut in die Finanzverwaltung reichte, denn mit dem Schreiben machen?
Zumal der Bundeskanzler später selbst einräumte, dass die Weitergabe eines solchen Schreibens in die Finanzverwaltung durch einen Politiker Einflussnahme ist.
Warum forderte der Bundeskanzler Olearius damals sogar auf, sich in dieser Angelegenheit an ihn – Scholz – zu wenden, wie später durch Tagebücher bekannt wurde?

Warum versuchte Olaf Scholz, den Bundestag und die Öffentlichkeit über diese Treffen zu täuschen und konnte sich erst in einer dritten Befragung des Bundestages plötzlich weder an die Treffen noch an das Schreiben erinnern, obwohl er sich zu beidem zuvor noch konkret geäußert hatte? Und warum steht Scholz bis heute zu seinem Mentor, dem ehemaligen Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD), der für die Vermittlung der Treffen mit der Warburg-Bank bezahlt wurde?

Herr Olearius, packen Sie aus, es geht um Ihr Vermächtnis!

Auch mich wollte der Warburg-Gesellschafter Christian Olearius gegen Ende meiner Mandatszeit im Bundestag treffen. Ich machte dies öffentlich. Und ich willigte in ein Treffen ein, da ich kein Amt mit Einfluss auf die öffentliche Verwaltung ausübte, sofern sich Olearius dem Hamburger Untersuchungsausschuss stellen würde. Seither habe ich nie wieder von ihm gehört.
Ein Vertrauter von Olearius beschimpfte mich hiernach als charakterlos. Mein Angebot an Herrn Olearius steht weiterhin: Packen Sie aus, es geht um Ihr Vermächtnis!
Dasselbe empfehle ich der Finanzbeamtin Daniela P,, die nun das Bauernopfer wird, sowie dem ehemaligen SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs.
Man hat nur ein Leben. Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun! Ihnen droht womöglich Gefängnis!

Denn das erste Treffen zwischen Scholz und den Bankiers wurde von zwei einflussreichen Mitgliedern der SPD Hamburg arrangiert, einem persönlichen Mentor (dem ehemaligen SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk) und einem Strippenzieher von Scholz (dem ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten und Rüstungslobbyisten Johannes Kahrs). Kahrs kassierte später Parteispenden von Warburg, Scholz’ Mentor wurde direkt bezahlt.
Scholz hält Pawelczyk bis heute die Treue. Gegen Kahrs wird in der Warburg-Affäre strafrechtlich ermittelt.

Olaf Scholz räumte trotz entsprechender Nachfragen des Hamburger Senats keines der Treffen mit den Bankiers ein, bis er mit beschlagnahmten Tagebüchern eines Bankiers konfrontiert wurde.
Erst zur dritten Befragung im Bundestag und nach einer erheblichen medialen Welle will der „Aktenfresser“ Scholz angeblich seinen Kalender überprüft haben und beruft sich nunmehr auf Erinnerungslücken.
Dies ist vollkommen unglaubwürdig.

Eine nachgewiesene Einflussnahme des Bundeskanzlers wäre strafbar und müsste das Ende seiner Kanzlerschaft einleiten. Mehr als 70 Prozent der Bundesbürger glauben laut einer Umfrage Scholz in der Warburg-Affäre nicht.
Die gefühlte Wahrheit der Bevölkerung stimmt. Warum das so ist, werde ich im Folgenden darlegen.

Warum ein neuer Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag?

Die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte und das Versagen der Politik, diese zu unterbinden, waren vor meiner Zeit im Deutschen Bundestag bereits einmal Thema eines eigenen Untersuchungsausschusses.
Nun soll zusätzlich zum Hamburger Untersuchungsausschuss zur Warburg-Affäre ein weiterer Untersuchungsausschuss hierzu im Bundestag hinzukommen.
Denn längst geht es nicht mehr nur um Olaf Scholz’ Rolle als Erster Bürgermeister, sondern darum, wie er sich als Finanzminister in mehreren Befragungen, die ich im Bundestag 2020 initiiert hatte, in Widersprüche verwickelte.

Da die Vorwürfe gegen Scholz in seine Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs fielen, hat zuvor nur die Hamburger Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Jedoch wurde erst durch die Freigabe des geheimen Protokolls einer Befragung im Bundestag öffentlich, dass die von Olaf Scholz bemühten „Erinnerungslücken“ hinsichtlich zunächst verheimlichter Treffen mit Warburg-Bankiers in der Causa Cum-Ex erst sehr spät auftraten.
Denn Scholz schilderte auf meine Nachfrage hin in der zunächst als geheim eingestuften Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages am 1. Juli 2020 den Ablauf des zuerst bekannt gewordenen Treffens.
Erst als weitere Treffen bekannt wurden, die er trotz wiederholter Nachfrage zuvor verschwiegen hatte, berief er sich fortan auf Erinnerungslücken. Dieses Muster lässt sich an mehreren Stellen nachweisen.

Uneidliche Falschaussage des Bundeskanzlers?

Gegenüber dem Hamburger Untersuchungsausschuss konnte sich Scholz jedoch an keines der drei Treffen mehr erinnern. Daher stand im Raum, dass er in seiner nunmehrigen Rolle als Bundeskanzler den Hamburger Untersuchungsausschuss belogen hat. Denn im Bundestag hatte er ja eine konkrete Erinnerung geschildert.
Dies würde den Straftatbestand der uneidlichen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes gemäß § 162 Absatz 2 des Strafgesetzbuches erfüllen.

Eine Falschaussage vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages wäre hingegen nicht strafbar, da dieser kein Untersuchungsausschuss ist. Die der grünen Justizsenatorin in Hamburg unterstehende Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Scholz jedoch unter anderen mit der Begründung eingestellt, dass Scholz seine zwischenzeitliche Erinnerung im Bundestag womöglich nur vorgetäuscht habe. So viel zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft in Hamburg.

Ich habe seit 2020 die Offenlegung des geheimen Protokolls der zweiten Scholz-Befragung im Bundestag beantragt. Doch es erforderte erst eine Bundestagswahl und den Marsch der CDU/CSU in die Opposition, um dies durchzusetzen.
Ich erhielt dafür 2020 nur von den Grünen Unterstützung, bis die Wirtschaftswoche das Thema kurz vor der Bundestagswahl aufgriff und plötzlich alle dafür waren.
Das Finanzministerium verschleppte jedoch die Freigabe bis über die Wahl hinaus und bestand auf umfangreiche Schwärzungen.
Als FDP und Grüne in die Regierung einzogen, war ihr Interesse an der zuvor selbst geforderten Transparenz auf wundersame Weise erloschen.

Meine frühere Partei kommt in der Warburg-Affäre auf Bundesebene kaum noch vor und hat sich das Thema komplett von der Union aus der Hand nehmen lassen, obwohl diese sich beim Thema Cum-Ex selbst unangenehme Fragen gefallen lassen müsste und ich Olaf Scholz maßgeblich genau in jene Widersprüche verwickelt habe, die nun zur Einsetzung von zwei Untersuchungsausschüssen geführt haben. Ein Trauerspiel!

Parallel ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Köln weiter und ließ etwa Kalender von Olaf Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister und Kommunikation seiner Büroleiterin im Kanzleramt sowie des ehemaligen SPD-Abgeordneten und Warburg-Lobbyisten Johannes Kahrs beschlagnahmen.
Ein weiterer Untersuchungsausschuss könnte daher noch spannend werden. Doch zunächst ist es erforderlich zu verstehen, dass wir bei Cum-Ex-Geschäften über organisierte Kriminalität und damit schwerste Straftaten sprechen.

Wie funktioniert Cum-Ex?

Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Aktien rund um den Dividendenstichtag durch institutionelle Investoren (zum Beispiel Fonds oder Banken) in einem Aktien-Karussell verschoben, sodass für den Staat nicht mehr nachvollziehbar war, wer der tatsächliche Eigentümer der Aktien zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung war.
Vereinfacht gesprochen funktioniert dies, wie eine Bierflasche im Supermarkt abzugeben und den Pfand-Bon auf den Kopierer zu legen, um dann mit Freunden an die Supermarktkasse zu gehen und mehrfach Pfand zu kassieren.
Der Unterschied: Ein kopierter Pfandbon wird erkannt. Die Supermarktkasse ist das Finanzamt, und es geht nicht um ein paar Cent, sondern um Milliarden.

Institutionellen Investoren, die über Aktien Anteile an anderen Unternehmen halten, steht nämlich unter bestimmten Voraussetzungen ein Erstattungsanspruch auf gezahlte Kapitalertragssteuer zu, um eine doppelte Besteuerung (auf Ebene des Unternehmens und bei Ausschüttung der Gewinnbeteiligung) zu vermeiden. Depot-Banken (diese verwahren die Aktie im Auftrag der Investoren) stellten dabei den Investoren Bescheinigungen über Abführung der Kapitalertragssteuer aus.

Diese Bescheinigungen wurden aber auch für Investoren ausgestellt, die gar keine Steuer abgeführt hatten. So konnten bei einem schnellen Aktien-Karussell mehrere Erstattungen für eine Aktie beantragt werden.
Wichtig ist dabei auch zu wissen, dass Cum-Ex-Geschäfte illegale Absprachen beteiligter Banken und Fonds erfordern.
Die Behauptung der Warburg-Bank, sie habe nicht gewusst, dass sie Cum-Ex-Gestaltungen vollziehe, ist daher blanker Unfug und von höchsten Gerichten verworfen worden.
Da Milliardensummen an Aktien bewegt wurden, hätten diese Geschäfte ohne den Profit, der unmittelbar aus der Staatskasse kam, Verluste erzeugt. Cum-Ex-Geschäfte ergeben ohne kriminelle Absicht keinen Sinn.

Cum-Ex-ähnliche Geschäfte kosteten etwa eine Million Euro für jede Schule in Deutschland

Da es um sehr hohe Summen ging, war der Steuerschaden aus Cum-Ex-Geschäften auch entsprechend hoch und summierte sich auf etliche Milliarden. Nimmt man zu den Cum-Ex-Geschäften die etwas anders gelagerten Cum-Cum-Geschäfte hinzu, bei der ausländische Investoren inländische Investoren nutzen, um eine Erstattung auslösen, die ihnen nicht zusteht, dürfte der Steuerschaden laut Christoph Spengel, einem renommierten Professor für Steuerlehre an der Universität Mannheim, etwa 30 Milliarden Euro betragen.

Deutschland verfügt über etwa 30.000 Schulen. Dies entspräche also etwa einer Million Euro für jede Schule in Deutschland. Angesichts der Schuldenbremse und der Zinserhöhungen der Zentralbank bezahlen wir teuer für diese Kriminalität der Bankster im Nadelstreifen.

Das Cum-Ex-Netzwerk in der deutschen Politik

Kürzlich hat die CDU/CSU drei Jahre nach Bekanntwerden der Affäre und den drei Befragungen von Olaf Scholz, die ich im Jahr 2020 im Bundestag hierzu initiierte, angekündigt, einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bundestag einzurichten. Dies ist ehrenwert, aber leider nicht ganz frei von Ironie.
Denn auch dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Friedrich Merz, dürfte das Thema der Cum-Ex-Aktiendeals nicht völlig fremd sein. Er war unter anderem als Aufsichtsrat für den Vermögensverwalter Blackrock Deutschland tätig, in dessen Münchner Büros im Herbst 2021 eine Durchsuchung der Kölner Staatsanwaltschaft mit Bezug zu Cum-Ex stattfand.
Außerdem saß er seit 2010 im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkhaus, die zur britischen HSBC-Gruppe gehört. Bei Vorständen der Düsseldorfer Bank fanden Cum-Ex-Razzien statt.
Und Merz war erst Partner und dann Senior Counsel der Kanzlei Mayer Brown. Diese warb um Kunden mit Cum-Ex-Vergangenheit und schrieb auf ihrer Homepage: „Marktteilnehmer könnten als Resultat aus Cum-Ex-Geschäften wachsenden Rechtsrisiken gegenüberstehen.“ Die Kanzlei wolle ihren Kunden helfen, diesem „Risiko entgegenzuwirken“.

Die FDP wiederum umgarnte den ehemaligen Finanzbeamten und Steueranwalt Hanno Berger, der Milliardäre und Multimillionäre dabei beriet, wie sie mit ihrem Privatvermögen über Fonds von Cum-Ex-Deals profitieren können, die institutioneller Investoren bedürfen.
Hanno Berger, der nach Auslieferung durch die Schweiz vom Landgericht Bonn zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt wurde (er geht gegen das Urteil in Revision, ein weiteres Urteil droht ihm derweil vor einem Gericht in Wiesbaden), „produzierte“ Rechtsgutachten zur Absicherung der organisierten Cum-Ex-Kriminalität. Er pflegte intensive Kontakte zum FDP-Ehrenvorsitzenden Hermann Otto Solms, um etwa auf dem Ticket der FDP Sachverständige in den Finanzausschuss des Bundestages zum Steuerthemen zu hieven, und ließ sich anwaltlich durch den Vizepräsidenten des Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP), vertreten, als dieser noch als Finanzminister einer Jamaika-Koalition gehandelt wurde.

In Nordrhein-Westfalen reichte der engagierte frühere CDU-Justizminister Peter Biesenbach kürzlich Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft Köln ein.
Sein Vorwurf: Das grüne Justizministerium und die Spitze der Kölner Staatsanwaltschaft würden von ihm geschaffene Planstellen nicht mit hinreichend befähigten Ermittlern besetzen.
Denn die komplexen Wirtschaftsstrafverfahren zu Cum-Ex hängen bisher maßgeblich an der engagierten Staatsanwältin Anne Brorhilker.

In Bonn wird zwar ein eigenes Gebäude eigens hierfür errichtet, aber ohne den politischen Willen, ausreichend fähige Ermittler mit den komplizierten Verfahren zu betrauen, werden die Jahrhundertprozesse scheitern.
Auch in Baden-Württemberg setzt die grün-schwarze Koalition bei den Cum-Ex-Geschäften der eigenen Landesbank auf nur einen Ermittler. Die der grünen Justizsenatorin unterstellte Staatsanwaltschaft in Hamburg wiederum hat nicht nur alle Ermittlungen gegen Olaf Scholz wegen einer uneidlichen Falschaussage vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zur Warburg-Affäre umgehend eingestellt, sondern es musste immer wieder die Kölner Staatsanwaltschaft auf den Plan treten, um Hamburger Cum-Ex-Banken zur Rechenschaft zu ziehen.

Es gäbe also quer durch etliche Parteien genug zu besprechen. Aus meiner Sicht wäre es zumindest mehr als angemessen gewesen, den Untersuchungsauftrag zu erweitern.
Warum etwa nicht die Rolle von Wolfgang Schäuble (CDU) beleuchten, der mit einem Schreiben als Finanzminister 2016 die Untersuchung etlicher Cum-Cum-Geschäfte erschwerte, die sogar noch mehr Schäden als Cum-Ex angerichtet haben.

Nachdem der Bundesfinanzhof auch gegen Cum-Cum-Deals eingeschritten war, schickte das Bundesfinanzministerium am 11. November 2016 ein Schreiben an die Landesfinanzminister, welches die Verfolgung der Cum-Cum-Geschäfte erheblich einschränkte. Dadurch wurde es für die Finanzämter nahezu unmöglich, die Milliarden an illegalen Cum-Cum-Geldern zurückzufordern.

Auch die Rolle des früheren parlamentarischen Staatssekretärs von Wolfgang Schäuble, des späteren Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), ist hier interessant. Ohne diese Erweiterung auf die genannten CDU-Politiker setzt sich der neu einzurichtende Untersuchungsausschuss leichtfertig dem Vorwurf aus, dass das Interesse an der Aufklärung der Warburg-Affäre nur parteipolitisches Theater der Union ist. Dazu sind die im Raum stehenden Vorwürfe jedoch zu ernst.

Die Rolle der HSH-Nordbank

Auftrag des Hamburger Untersuchungsausschusses ist es herauszuarbeiten, ob Olaf Scholz in seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg auf ein laufendes Steuerverfahren der Hamburger Privatbank Warburg Einfluss genommen hat.

HSH-NordbankMeine Überzeugung ist, dass das Unheil bereits früher seinen Lauf nahm, als die von der Finanzkrise gebeutelte ehemalige Landesbank HSH Nordbank durch Hamburg und Schleswig-Holstein gerettet wurde.
Faule Assets wie etwa Schiffskredite wurden in eine Bad-Bank ausgelagert, während die Rest-Bank verkauft werden sollte. Man holte die Kohlen für mächtige Reeder und Parteispender im hohen Norden aus dem Feuer.
100.000 Euro hatte etwa der Großreeder Heinrich Schoeller der CDU überwiesen, nachdem er von der HSH Nordbank zwischen 2005 und 2008 Kredite über insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro erhalten hatte.

Die Landespolitiker standen wegen der Bankenrettung in der öffentlichen Kritik, zumal die Bank während der laufenden Rettung Cum-Ex-Geschäfte betrieb. Diese Forderungen waren jedoch noch nicht steuerlich verjährt.
Die Kapitalertragssteuer wird auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Mit anderen Worten: Hätten Hamburg und Schleswig-Holstein beherzt durchgegriffen, hätten sie den Verkaufspreis der Bank belastet, aber nur einen Bruchteil der Einnahmen durch den Einzug von Cum-Ex-Tatbeute erzielt.
Dies muss auch Olaf Scholz klar gewesen sein, der mehrere Treffen mit den Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins hatte, um über Cum-Ex zu sprechen. Dies ging aus Kalendereinträgen von Scholz hervor, die bei einer Razzia gefunden wurden. Die Ermittler stießen dabei auch auf Hinweise für gezielte Löschungen von Terminen im Zusammenhang mit der Warburg-Affäre.

Man hat es damals der HSH Nordbank durchgehen lassen, dass diese nach einer von ihr selbst beauftragten Untersuchung von Clifford Chance 2014 etwa 126 Millionen Euro an Cum-Ex-Tatbeute zurückzahlte.
Hamburg_Commercial_Bank-logo2021 erfolgte dann eine Durchsuchung der Kölner Cum-Ex-Ermittler bei der HSH-Nachfolgerin Hamburg Commercial Bank. Die tatsächliche Schadenssumme war nämlich vermutlich erheblich höher.
Mit der damaligen Schonung der HSH Nordbank wurde ein gefährlicher Präzedenzfall für die Warburg-Bank geschaffen. So soll auch der Warburg-Gesellschafter Christian Olearius Kontakt zur HSH Nordbank gesucht haben.
Er wollte offenbar nicht hinnehmen, dass eine ehemalige Landesbank geschont wird, aber sein traditionsreiches Hamburger Privathaus bluten muss.

Die Hamburger Finanzverwaltung verzichtet freiwillig auf Steuer-Millionen aus kriminellen Geschäften

Die Ermittler der Kölner Staatsanwaltschaft, die sich in Deutschland schwerpunktmäßig mit sogenannten Cum-Ex-Aktiendeals befassten, nahmen im Januar 2016 Ermittlungen gegen die Warburg-Bank auf und übersandten den Hamburger Behörden Hinweise, wonach die Warburg-Bank zwischen 2006 und 2011 insgesamt etwa 170 Millionen Euro an Erstattungen der Kapitalertragssteuer zu Unrecht erhalten hätte. Teilsummen drohten in den Jahren 2016 und 2017 zu verjähren.

Das Finanzgericht Hessen hatte bereits erste Rechtsprechung dazu etabliert, die den Banken auflegte, nachzuweisen, dass sie Kapitalertragssteuern tatsächlich entrichtet hatten. Auch im Finanzamt für Großunternehmen befasste man sich auf Initiative eines erfahrenen und langjährigen Betriebsprüfers der Warburg-Bank mit dem Vorgang. Er hatte sich als vorbildlicher Staatsdiener in die Cum-Ex-Geschäfte eingearbeitet und kam zu der Überzeugung, dass Hamburg aufgrund der nunmehr stärker gefestigten Rechtsprechung die Cum-Ex-Tatbeute einziehen müsse.

Seine Vorgesetzte, die Finanzbeamtin im Hamburger Finanzamt für Großunternehmen, Daniela P., fertigte später ein umfangreiches Gutachten an, das ebenso auf die Rechtsprechung des Finanzgerichtes Hessen abstellte und nach sorgfältiger Abwägung von Für und Wider den Einzug der Tatbeute empfahl.
Später kamen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes sowie des Bundesverfassungsgerichtes hinzu, die bestätigten, dass Cum-Ex schon immer illegal gewesen sei und eine behauptete Gesetzeslücke mithin nie bestanden hätte. Es sei schlichtweg illegal, Steuererstattungen für Steuern zu beantragen, die man nie gezahlt hat.

Daher informierte die Finanzbeamtin Daniela P. im Finanzamt für Großunternehmen im Februar 2016 ihre Vorgesetzten über die drohenden Rückforderungen in Millionenhöhe sowie das Risiko einer Verjährung.
Im Jahr 2016 ging es zunächst um 47 Millionen Euro, die nach Intervention der Warburg-Bank sowie der Hamburger Politik zum Nachteil Hamburgs in die steuerliche Verjährung liefen, obwohl das Finanzamt nach dem aufwendigen Gutachten die Cum-Ex-Tatbeute zunächst zurückfordern wollte.

Doch die Finanzbehörde – das Hamburger Finanzministerium – bestellte im engen zeitlichen Zusammenhang mit den Treffen von Olaf Scholz mit dem Cum-Ex-Bankier Christian Olearius im Jahr 2016 und der Weiterleitung eines Schreibens von Olearius durch Scholz an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher die Finanzbeamtin Daniela P. ein, die daraufhin unter Protest ihrer Betriebsprüfer eine Kehrtwende vollzog und die Millionen nicht mehr einziehen wollte.

Gegen die Beamtin aus Blankenese ermittelt mittlerweile die Kölner Staatsanwaltschaft. Die mit dem Deutschen Journalistenpreis dekorierten investigativen Journalisten Oliver Schröm und Oliver Hollenstein, denen die Aufdeckung der Warburg-Affäre maßgeblich zu verdanken ist, schreiben im Managermagazin: „Als der Fall Warburg 2016 losgeht, erzählt P. ihren Mitarbeitern in einer Sitzung freimütig, sie treffe Katharina Olearius (Anmerkung des Autors: die verstorbene Tochter des Bankiers) am Abend auf einer Petersilienhochzeit.“ Eine Mitarbeiterin schreibt dazu später einen Aktenvermerk. Katharina Olearius ist damals Teilhaberin der Bank, sitzt im Aufsichtsrat.
Bei einer Razzia wurde eine Kommunikation der Finanzbeamtin P. gefunden, in der sie unter Bezug auf die Verjährung der Tatbeute von einem „teuflischen Plan“ spricht und mit der Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten prahlt.
Die Hamburger SPD möchte die Verantwortung mittlerweile allein auf diese Beamtin abwälzen, obwohl sie diese zuvor noch als glaubwürdige Entlastungszeugin für Olaf Scholz ins Feld führte.

Im Jahr 2017 ging es noch einmal um 43 Millionen Euro, die nach dem Willen der Hamburger Finanzverwaltung erneut in die Verjährung laufen sollten, bis das Finanzministerium, damals noch unter Wolfgang Schäuble (CDU), einschritt und Hamburg anwies, die Summe einzuziehen. Es lässt sich nur spekulieren, ob der gewiefte Schäuble dem Sozialdemokraten Scholz damit noch eine Hypothek mit auf den Weg geben wollte. Dies ist aber auch unerheblich, denn die Weisung war absolut richtig.

Die Warburg-Connection der Hamburger SPD

Der Warburg-Gesellschafter Christian Olearius schaltete im Tauziehen um die Warburg-Beute frühzeitig den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten, Strippenzieher und Rüstungslobbyisten Johannes Kahrs sowie den Mentor von Olaf Scholz, den früheren Hamburger Innensenator, Alfons Franz Pawelczyk (SPD), ein. Beide engagierten sich fortan dafür, Treffen zwischen Olaf Scholz und Christian Olearius einzufädeln und die drohenden Rückforderungen des Finanzamtes abzuwenden.
Die zuständige Finanzbeamtin Daniela P., die im Unterschied zu ihren Betriebsprüfern später umkippte und auf die Tatbeute verzichten wollte, hatte laut den beschlagnahmten Tagebüchern von Olearius selbst gegenüber der Bank angemerkt, es könne jetzt nur noch die Politik helfen.

Gegen Kahrs, bei dem auch eine hohe Bargeldsumme im Bankschließfach entdeckt wurde, bei der ein Zusammenhang mit seinen Botendiensten für die Warburg Bank jedoch nicht belegt ist, laufen staatsanwaltliche Ermittlungen.
Kahrs erhielt später von drei mit der Warburg-Bank verbundenen Gesellschaften Spenden für den SPD-Bezirk Hamburg-Mitte. Selbst der von mir persönlich geschätzte Vorsitzende des Hamburger Untersuchungsausschusses zur Warburg-Affäre, Matthias Petersen (SPD), winkte Teile der Spenden im Landesvorstand der SPD Hamburg durch. Pawelczyk wurde für seine Dienste hingegen unmittelbar bezahlt. Beide tauschten sich im engeren zeitlichen Zusammenhang mit den Steuerforderungen gegen die Warburg-Bank mit Olaf Scholz aus.
Den beschlagnahmten Tagebüchern des Bankiers Olearius ist zu entnehmen, dass Pawelczyk Scholz auf das Treffen mit Olearius vorbereiten wolle.

Die Fakten: Die Treffen von Scholz und den Cum-Ex-Bankiers

Was wir nach zwei Presseveröffentlichungen aus den Tagebüchern des Cum-Ex-Bankiers Olearius, drei Befragungen im Bundestag, einer (zunächst verhinderten) Razzia der Kölner Staatsanwaltschaft in Hamburg sowie einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft wissen:
Das erste Mal traf Scholz die Bankiers am 7. September 2016 mit einem Referenten aus dem Wirtschaftssenat, der ihn in einer Tischvorlage ausdrücklich vor den Begehrlichkeiten von Olearius beim Thema Cum-Ex warnte. Die beiden weiteren Treffen erfolgten ohne Zeugen. Die Vorlage will der „Aktenfresser“ Scholz, den ich in einer zunächst geheimen Befragung im Bundestag am 1. Juli 2020 nach vorbereitenden Vermerken gefragt hatte, die er, wie auch die Treffen selbst, verschwieg, nunmehr angeblich nicht gelesen haben.
Am 5. Oktober 2016 schickte dann die zuständige Finanzbeamtin Daniela P. einen umfangreichen Vermerk an die Hamburger Finanzbehörde. Darin wird die rechtliche Situation gewürdigt und um Zustimmung gebeten, die Tatbeute von der Warburg-Bank zurückzufordern.

Olaf Scholz empfing drei Wochen später am 26. Oktober 2016 erneut die Warburg-Bankiers im Rathaus. Die Banker übergeben eine siebenseitige Verteidigungsschrift gegen die anstehende Millionenrückforderung des Fiskus, die dem Finanzamt übermittelt wurde.

Etwa zwei Wochen später, am 9. November 2016, greift Olaf Scholz laut den Olearius-Tagebüchern aktiv zum Telefonhörer und ruft den Cum-Ex-Bankier an. Er rät dem Banker, sein Dokument, das dem Finanzamt ja bereits vorlag, „kommentarlos“ (also wohl ohne weitere schriftliche Spuren) an den damaligen Finanzsenator und derzeitigen Ersten Bürgermeister von Hamburg, Peter Tschentscher (SPD), zu schicken.
Dies legt nahe, dass Scholz sich mit Tschentscher hierzu ausgetauscht und diesen vorbereitet hat. Scholz teilt Olearius zudem mit, dass dieser sich in dieser Angelegenheit jederzeit an ihn wenden könne, er „erwarte dies sogar“.

Scholz behauptet später auf meine Nachfrage in der zunächst geheimen Sitzung am 1. Juli 2020, dass bis zu einem Austausch mit dem Bundesfinanzministerium am 16. November 2017 keinerlei Gespräche im Hamburger Senat über die Steuersache Warburg geführt wurden. In einer dritten, nicht-geheimen Befragung des Finanzausschusses des Bundestages am 9. September 2020, die ich wegen weiterer bekannt gewordener Treffen von Scholz mit Olearius ansetzen ließ, will Scholz sich wiederum an einen solchen Austausch mit Tschentscher nicht mehr „erinnern“. Obwohl er sich nicht erinnern könne, wisse er aber genau, dass Tschentscher keinen Einfluss genommen habe.

Später bemerkt Scholz in einer Stellungnahme, die der Journalist Oliver Schröm in seinem Buch „Cum-Ex-Files“ zitiert: Er habe sich die Auffassung von Olearius in dessen Verteidigungsschrift ausdrücklich nicht zu eigen gemacht oder das Papier selbst an die Finanzbehörde weitergeleitet, „da dies allein aufgrund der Tatsache der Weiterleitung durch den Ersten Bürgermeister Anlass zu Interpretationen hätte geben können“.

Tschentscher übermittelt das Dokument mit Unterstreichungen der Argumente der Warburg-Bank in grüner Senatorentinte (grüne Tinte ist in der öffentlichen Verwaltung nur Ministern bzw. Senatoren vorbehalten) und der Aufforderung des Finanzsenators, weiter unterrichtet zu werden, erneut an die Finanzverwaltung. Hiernach wird die Finanzbeamtin Daniela P. am 17. November 2016 in die Finanzbehörde (das Hamburger Finanzministerium) einbestellt.
Eine Beamtenrunde entscheidet dort, keine Steuern von Warburg zurückzufordern – und so Steuerforderungen aus den Cum-Ex-Geschäften teilweise verjähren zu lassen. Damit verzichtet die Stadt Hamburg auf 47 Millionen Euro Steuergutschriften für 2009. Die Betriebsprüfer der Finanzbeamtin laufen gegen die Entscheidung Sturm, die sie für fachlich nicht nachvollziehbar halten.

Damit opfert Scholz seinen Nachfolger. Er sagt nämlich unverblümt, dass sein Finanzsenator Peter Tschentscher allein durch die Tatsache der Weiterleitung des Schreibens Einfluss auf das Steuerverfahren genommen habe. Das wäre strafbar.
In der dritten Befragung am 9. September 2020 wiederum behauptet Scholz, sich an das Schreiben, das Telefonat mit Olearius und die Weiterleitung des Schreibens an Tschentscher nicht erinnern zu können.
Wohlgemerkt das Schreiben, von dem er laut Aussage gegenüber Oliver Schröm wisse, dass er sich dessen Inhalt nicht zu eigen gemacht und das er bewusst nicht selbst in die Behörde geleitet habe.

Nachdem das Bundesfinanzministerium eine erneute Verjährung der Tatbeute in Höhe von diesmal 43 Millionen Euro aus dem Steuerjahr 2010 verhindern will, greift es am 8. November 2017 zu seiner schärfsten Waffe und weist Hamburg schriftlich an, die Tatbeute einzuziehen. Ein solcher Vorgang kommt äußert selten vor. Meine parlamentarische Anfrage im Februar 2018 zu der Häufigkeit solcher Weisungen brachte nur einen weiteren Fall in Hessen zutage.

Die Weisung trifft am 10. November 2017 in Hamburg auf dem Postweg ein. An diesem Tag wird Olaf Scholz die Warburg-Bankiers erneut treffen. In der geheimen Sitzung vom 1. Juli 2020 wird er gegenüber dem heutigen FDP-Staatssekretär Florian Toncar behaupten, er könne sich nicht daran erinnern, wann er von der Weisung erfahren habe, ob in seiner Zeit als Bundesminister der Finanzen oder aus der Zeitung. Dabei hatte er doch den Warburg-Bankier Olearius an dem Tag, als die Weisung in Hamburg per Post eintraf, exakt zu diesem Vorgang getroffen. Dies war Anlass der Befragung im Bundestag.
Tatsächlich fand die Weisung das erste Mal Erwähnung in der Presseberichterstattung des NDR im Januar 2018 und in meiner parlamentarischen Anfrage im Februar 2018. Beides war also nach dem Treffen von Scholz mit Olearius.

Eine Woche später gibt es ein Krisentreffen der Hamburger Finanzverwaltung beim Bundesfinanzministerium. Nach Angaben von Teilnehmern wird es sehr laut. Die Finanzbeamtin Daniela P. widersetzt sich mit Rückendeckung ihrer Vorgesetzten weiter der Weisung.

Am 1. Dezember 2017 erneuert das Finanzministerium die schriftliche Weisung. Diese zweite Weisung war mir in Antworten des Finanzministeriums, die dann unter Olaf Scholz erfolgten, verschwiegen worden. Wahrscheinlich, weil dann noch offensichtlicher gewesen wäre, dass sich keine Finanzbeamtin einer Weisung des Bundesfinanzministeriums ohne politische Rückendeckung über Monate widersetzt.

Die Wahrheit kommt ans Licht: Der Rückblick

Im Februar 2018 hatte ich mit parlamentarischen Anfragen die ungewöhnliche Weisung des Finanzministeriums an die Hamburger Finanzverwaltung thematisiert. Gegen Jahresende erkundigte sich die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft sodann nach Treffen zwischen Vertretern der Warburg-Bank und dem Hamburger Senat, dem Olaf Scholz als Erster Bürgermeister angehörte, zum Thema Cum-Ex.
Der Senat antwortete wahrheitswidrig, es habe keine derartigen Treffen gegeben.

Im Februar 2020 konfrontierten die Journalisten Oliver Schröm (Norddeutscher Rundfunk), Christian Salewski und Oliver Hollenstein (beide damals Die Zeit) Olaf Scholz mit einem (von drei) Treffen. Dieses Treffen war aber nur das letzte Treffen der drei Treffen zwischen Scholz und den Warburg-Bankiers. Die zwei weiteren Treffen Scholz’ im Jahre 2016 waren damals noch nicht bekannt, da die Journalisten die handschriftlichen Tagebücher anscheinend erst aufwendig auswerten mussten. Scholz schwieg sich gegenüber den Journalisten aus und antworte nicht. Er äußerte sich erst kurz vor Ausstrahlung eines Beitrags in der ARD-Sendung „Panorama“ über die Nachrichtenagentur dpa.

Die Journalisten zitierten aus einem Tagebuch des Bankiers Christian Olearius, das bei einer Razzia beschlagnahmt wurde. Darin wurde über das Treffen des Bankiers mit Olaf Scholz zur Rückforderung der Cum-Ex -Tatbeute und der Weisung des Finanzministeriums am 10. November 2017 berichtet.

Der Bankier schrieb im Tagebuch, Scholz sei zurückhaltend und lasse nicht erkennen, wie er sich verhalten würde. Er vermittle ihm jedoch das Gefühl, er brauche sich keine Sorgen zu machen.
Scholz teile überdies die Auffassung der Warburg-Bank, dass es darum ginge, die Depotbank Deutsche Bank zu schonen. (Vermutlich war gemeint, das Bundesfinanzministerium wolle die Deutsche Bank zu Lasten der Warburg-Bank schonen).
Im Weiteren ging es um Absprachen zwischen Scholz und Olearius zu einem Interview über Hamburg, das der Bankier mit dem Spiegel führen wollte. Er solle sich maßvoll äußern, um Scholz die Bühne bei der Vermarktung des „Wissenschaftsstandortes“ Hamburg zu überlassen.

Dass sich der exzellente Jurist Scholz zurückhaltend verhielt, ist wenig verwunderlich. Dies ist nicht nur seine generelle Art; ein Eingriff in Steuerverfahren wäre überdies strafbar. Da die Journalisten diese Passage aber aus presserechtlichen Gründen nicht zitiert hatten, weil aus Ermittlungsakten nur minimal zitiert werden darf, holte die Warburg-Bank kurze Zeit später zum Gegenschlag aus und behauptete, die Journalisten hätten der Öffentlichkeit entlastende Momente (die zurückhaltende Art von Scholz) verschwiegen.
Diese Öffentlichkeitsarbeit der Warburg-Bank wurde eng mit Scholz’ Umfeld koordiniert. Die Spin-Doktoren der Warburg-Bank und Scholz’ rechte Hand, sein damaliger Staatssekretär und derzeitiger Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, bearbeiteten im Hintergrund überforderte Lokalreporter. Die Zusammenarbeit mit der Cum-Ex-Bank wurde also in bewährter Manier fortgesetzt.
Der Lokalpresse schien dabei nicht aufzufallen, dass man nicht gleichzeitig schweigen und sich zugleich die Rechtsauffassung der Warburg-Bank zu eigen machen kann, wonach es darum gehe, die Deutsche Bank zu schonen. Meine späteren Nachfragen, wie Olearius zu diesem Eindruck gelangte, wollte Scholz nie konkret beantworten.

Da nun offensichtlich wurde, dass der Hamburger Senat die Anfrage der Linksfraktion unwahr beantwortet hatte (was sich Olaf Scholz in einer späteren Sitzung „nicht erklären“ könne), waren die Titelseiten der Hamburger Presse voll von dem Skandal. Ich schlug meiner früheren Partei eine Pressekonferenz und eine Demonstration vor der Hamburger Finanzbehörde vor, die es auf die Titelseiten zahlreicher Zeitungen schaffte.
Scholz’ Nachfolger als Erster Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher, warf dem NDR gar später Beeinflussung des Wahlkampfes vor.

Wie Scholz den Bundestag belog

Nach dieser Welle im Bürgerschaftswahlkampf 2020 wusste Scholz, er wird das Thema nicht mehr los. Da er die Kanzlerkandidatur für die SPD anstrebte, war der Vorwurf, kriminelle Banker zu schützen, eine Hypothek.
Ich beantragte als Hamburger Bundestagsabgeordneter und Finanzpolitiker eine Einbestellung des damaligen Finanzministers in den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Die anderen Fraktionen schienen das Thema kaum zu beachten. Scholz sagte für den 4. März 2020 zu.

Die Unterrichtung durch den Finanzminister wurde um 12.08 Uhr eröffnet. Die Vorsitzende des Finanzausschusses teilte uns mit, dass Scholz wegen Anschlussterminen die Sitzung um 12.50 Uhr zu verlassen habe.
Ein politischer Taschenspielertrick: Es standen uns somit 42 Minuten bei sechs Fraktionen und einem umfangreichen Eingangsstatement von Herrn Scholz zur Verfügung.
Ich wusste: Ich werde drei bis fünf Minuten einschließlich der Antwort von Scholz ohne Möglichkeit der weiteren Nachfrage haben. Jeder Schuss musste sitzen, und Scholz würde Fragen gesammelt beantworten.

Da die Corona-Pandemie gerade Europa erreicht hatte, ließ sich Scholz ausführlich zu konjunkturpolitischen Fragen aus. Dies war nachvollziehbar, aber eben auch günstig für Scholz.
Zur Warburg-Affäre merkte Scholz an, dass der berichtete Termin stattgefunden habe. Da sei sonst nichts gewesen und nichts zu finden. Über das Gespräch sei durch Medienberichte „alles bekannt“, was es dazu zu berichten gäbe.
Er verwies auf die Veröffentlichung des vollständigen Tagebuchauszugs durch die Warburg-Anwälte, die sein zurückhaltendes Verhalten bei dem Termin unterstrichen hätten.

Sodann durften die Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke das Wort ergreifen. Die Union und die SPD versuchten möglichst zeitintensive Fragen zur europäischen Haushaltspolitik zu stellen, um Scholz Zeit zu kaufen.
Die CDU/CSU intervenierte gar später einmal, um zu beanstanden, man dürfe den Finanzminister nicht zu Vorgängen aus seiner Zeit als Bürgermeister oder zu Parteispenden befragen, die Sache der SPD seien. Die AfD und die FDP stellten sodann wenigstens ein paar Fragen zum Sachverhalt. Ich war als Vorletzter an der Reihe. Olaf Scholz war hoch konzentriert, denn er wusste genau, dass ich in der Warburg- Affäre sein schärfster Kritiker war.

Mein erster Satz war ein Zitat: „Junge, komm bald wieder!“ Damit griff ich auf, dass die kurze Befragungszeit bereits bei meinem Vorredner, dem heutigen FDP-Staatssekretär Florian Toncar, für Unmut gesorgt hatte.
Meine erste Frage an Olaf Scholz lautete sodann, ob es üblich gewesen sei, dass er sich in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister mit Personen zu Steuerverfahren getroffen habe, gegen die bereits Ermittlungen wegen schweren Steuerbetrugs liefen, und ob es neben dem einen nunmehr bekannten Treffen mit Herrn Olearius weitere Treffen dieser Art gegeben habe? Es war üblich, die wichtigsten Fragen zu Beginn zu stellen und die weiteren Fragen dem Zeitrahmen zu opfern, falls erforderlich.
Ich fragte zudem nach schriftlichem Austausch der Warburg Bank mit dem Finanzministerium und wessen Entscheidung Scholz richtig fände: die des ihm nunmehr unterstellten Finanzministeriums, Hamburg anzuweisen, die Cum-Ex Tatbeute einzuziehen, oder die Entscheidung Hamburgs, die steuerliche Verjährung in Kauf zu nehmen?
Überdies fragte ich nach dem Austausch mit dem Finanzsenator Peter Tschentscher, den Scholz ebenfalls nicht einräumte, obwohl mittlerweile bei einer Razzia sichergestellte Kalendereinträge dies nahelegten.
Zum Schluss bemängelte ich unrichtige Angaben des Finanzministeriums zu steuerlichen Verjährungen von Cum-Ex-Tatbeute, um Druck auf eine klare gesetzliche Regelung zur nachträglichen Abschöpfung im Strafprozess zu machen, die dann in den kommenden Monaten erfolgen sollte.
Meine Ausführungen versah ich mit dem Hinweis, dass diese weiteren Fragen nur beantwortet werden sollten, falls die Zeit dies erlaube. Danach war die heutige Familienministerin Lisa Paus von den Grünen an der Reihe.
Scholz beantworte daraufhin die Fragen aller sechs Fraktionen gebündelt. Scholz ging auf meine Frage nach weiteren Treffen mit Herrn Olearius nicht ein, sondern wiederholte sein Mantra, dass ihn das Steuergeheimnis an Ausführungen hindere und alles zu dem Treffen bekannt sei. Er konzentrierte sich auf meine letzte Zusatz-Frage nach Vermögensabschöpfung im Strafprozess.
Dabei ist durch Rechtsprechung im Fall des FC-Bayern-Mangers Uli Hoeneß klar etabliert, dass das Steuergeheimnis seine Grenze bei Handlungen der Verwaltung hat, die von öffentlichem Interesse sind.
Niemand wollte über die Steuererklärung der Warburg-Bank diskutieren, sondern wir wollten wissen, wie Scholz mit der Sache befasst war.

In einer der nächsten Obleute-Sitzungen des Finanzausschusses, die gemeinsam die Tagesordnung verabredet, wurde die erneute Vorladung Scholz’ in einer als geheim eingestuften Sitzung in einem abhörsicheren Raum des Bundestages beschlossen, damit er sich nicht mehr hinter dem Steuergeheimnis verstecken könne. Dort könne er dann freier darlegen, was dem Steuergeheimnis unterliegt und worüber er Auskunft geben könne. Auch die SPD fand, dass Scholz etwas zu zugeknöpft gewesen sei und befürwortete den Vorschlag.

Am 2. Juni 2020 schrieb ich zudem eine E-Mail an die Obleute des Finanzausschusses, die später auch dem Handelsblatt zugespielt wurde. Darin beschwerte ich mich über den geplanten Sitzungsablauf, denn Scholz wollte erneut nur in einem engen Zeitrahmen aussagen. Das Handelsblatt zitierte hieraus:
„‚Wenn man die üblichen Begrüßungsrituale und Vorbemerkungen abzieht, ist es bei einer Befragungszeit von 50 Minuten denkbar, dass weder meine Fraktion noch die Grünen überhaupt zur Möglichkeit kommen, Fragen zu stellen. Das ist für mich nicht akzeptabel‘, so De Masi. Schon Anfang März habe sich Scholz bei einer Befragung zu dem Thema mit langen Ausschweifungen aus der Affäre gezogen. Das will De Masi nicht noch einmal zulassen. Der Finanzminister solle deshalb auf ein längeres Eingangsstatement verzichten. Die Anhörung wird zudem als ‚geheim‘ eingestuft, nichts darf nach außen dringen. Das soll verhindern, dass Scholz Aussagen wieder mit Verweis auf das Steuergeheimnis verweigert.“

Im September 2020 – als weitere Treffen mit Olearius bekannt wurden – sollte mir Olaf Scholz über seinen Sprecher öffentlich ausrichten, ich hätte im März wegen meiner Frage zu weiteren Treffen nochmal nachfragen müssen. Dies ist infam.
Denn abgesehen davon, dass Scholz seinen Auftritt mit Schützenhilfe von CDU/CSU und SPD bewusst so angelegt hatte, dass für Nachfragen gar keine Zeit mehr bestand, was ja zu meiner oben zitierten E-Mail führte, hatte er in der Sitzung wiederholt betont, dass alles dazu bereits berichtet sei. Es gab dafür keine Notwendigkeit.
Alle – auch eine direkt nach der Sitzung von einem TV-Team dazu befragte SPD-Abgeordnete – hatten ganz klar verstanden: Es hat keine weiteren Treffen von Scholz mit Herrn Olearius gegeben.
Diese Irreführung der Öffentlichkeit ist daher keine Ungeschicklichkeit. Sie hat Methode.

Geheime Sitzung am 1. Juli 2020

Der ursprünglich anvisierte Termin einer Befragung von Olaf Scholz am 17. Juni 2020 wurde noch einmal auf den 1. Juli 2020 verschoben. Scholz sagte nunmehr zu, sich ausreichend Zeit zu nehmen.
Über den Inhalt dieser rund anderthalb Stunden andauernden Sitzung habe ich bis kürzlich nicht öffentlich sprechen dürfen, da sie der Geheimhaltung unterlag. Denn ich habe Scholz erneut zu weiteren Treffen mit Olearius befragt.
Die mit dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichneten Investigativreporter Oliver Schröm und Oliver Hollenstein haben die Sitzung jedoch unter Mitwirkung des Cicero-Journalisten Ulrich Thiele in ihrem Buch „Die Akte Scholz“ minutiös rekonstruiert. Sie schreiben Folgendes:
„Schließlich erkundigt sich De Masi wie bei der letzten Sitzung, ob Scholz sich noch öfter mit Olearius getroffen habe. Scholz lächelt. Hamburg sei klein, da laufe man sich schon mal über den Weg. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus ruft dazwischen. Sie will wissen, wie oft sich Scholz und Olearius bei gesellschaftlichen Ereignissen begegnet sind: zweimal, dreimal oder zehnmal pro Jahr? Scholz schmunzelt, erwähnt ein Treffen in der Elbphilharmonie. Er habe auch einmal bei einem Jubiläum der Warburg-Bank eine Rede gehalten.“ Weiter führt Scholz explizit aus, es habe keine regelmäßigen Treffen mit der Warburg-Bank gegeben.

Tatsächlich hatte Scholz (anders als im gestrafften Protokoll dargestellt) nicht nur von einem Jubiläum gesprochen, sondern offengelassen, ob es der 70. Geburtstag von Christian Olearius oder das 220-jährige Jubiläum der 1798 gegründeten Warburg-Bank war. Dies lässt sich daran erkennen, dass ich in der dritten Befragung von Scholz auf diese Passage zurückkam und ihn danach frage, welche der beiden Termine er denn nun gemeint habe? Den Geburtstag (der fand 2012 statt) oder das Jubiläum (2018)? All dies lässt sich nachlesen.
Meine Nachfrage an Scholz nach weiteren Treffen ist im Unterschied zur Nachfrage von Lisa Paus, die damals dazwischenrief, nicht in den öffentlich zitierten Passagen des Protokolls enthalten, konnte aber offenbar von den Journalisten anderweitig verifiziert werden. (Protokolle können nachträglich noch von Sitzungsteilnehmern bearbeitet werden und werden vom Ausschusssekretariat verantwortet. Nicht selten wachen dort emsige Referenten mit Parteibuch über jede Formulierung. Ob das Tonband der Sitzung noch existiert, weiß ich nicht).

Warum ist die Frage, ob es ein Geburtstag oder Jubiläum war, überhaupt relevant? Ganz einfach: Scholz’ Spin-Doktor Wolfgang Schmidt wird später trotz Geheimschutz gegenüber Journalisten behaupten, die heutige Familienministerin habe „falsch“ nachgefragt. Sie hatte nämlich gefragt, ob es nach dem damals bereits bekannten Treffen von Scholz und Olearius (das letzte der drei Treffen) im Jahr 2017 weitere Treffen gegeben habe. Aber die weiteren und verheimlichten Treffen waren ja davor im Jahr 2016.

Diese Spitzfindigkeit ist ja an sich schon dreist genug, denn ich hatte ja bereits zweimal (am 4. März und erneut in der geheimen Sitzung) nach weiteren Treffen gefragt. Außerdem verneint Scholz explizit regelmäßige Treffen mit der Warburg Bank. Aber Scholz hat ohnehin auch für Zeiträume davor, nämlich den 70. Geburtstag von Olearius, geantwortet.

Viel wichtiger aber ist: Scholz legt präzise jede beiläufige Begegnung mit Herrn Olearius offen. Nur die drei Treffen, bei denen es um zig Steuer-Millionen geht, und dass er später sogar aktiv zum Telefon greift, um Olearius zu bitten, sich in der Sache weiter an ihn zu wenden, räumt Scholz erst dann ein, wenn er mit konkreten Belegen konfrontiert wird.
Er spricht bis zum September 2020 an keiner Stelle von einer Erinnerungslücke. Vielmehr betont er in einer der Sitzungen, er könne nicht sagen, weshalb der Hamburger Senat die Treffen nicht offenbart habe. Denn die Kalender lagen ja vor und die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft hatte nach den Treffen schriftlich gefragt.

Die Nachwirkungen der geheimen Sitzung

Später wird der Staatssekretär und heutige Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, zuständig für Geheimdienste, einen Auszug aus dem geheim eingestuften Protokoll sinnentstellend an Journalisten geben, um seinen Spin zu setzen.

Wir können uns wegen des Geheimschutzes nicht dagegen wehren und selbst über die Sitzung sprechen. Lisa Paus wird nach Bekanntwerden der beiden weiteren Treffen Scholz jedoch öffentlich in einem Tweet der Lüge bezichtigen. Seit ihrer Berufung zur Ministerin hat die von mir sehr geschätzte Kollegin den Tweet gelöscht. Gegenüber dem Journalisten Tilo Jung führt sie aus, sie arbeite nunmehr gut mit Scholz zusammen und sei eben damals in der Opposition im Wahlkampf gewesen (es war jedoch kein Wahlkampf damals).
Ich kenne Lisa Paus gut genug, um zu wissen: Niemals hätte sie einen solchen Vorwurf nur zur Show erhoben. Ihr Kotau ist der Preis der Macht. In solchen Momenten bin ich froh, meine politische Karriere beendet zu haben.

Als ich die Eskapaden von Wolfgang Schmidt vor der Wahl (erneut) skandalisiere, da nun auf einmal öffentliches Interesse besteht, behauptet das Finanzministerium, es könne diesen Verstoß gegen den Geheimschutz nicht aufklären, da Herr Schmidt in Washington weile und wegen der Zeitverschiebung schlafe. Tatsächlich erlaube ich mir die Bemerkung, man könne ihn auf Twitter anschreiben, wo Schmidt, wahrscheinlich mithilfe von Beamten aus dem Ministerium, etwa 20 Stunden am Tag Tweets verbreitet, um für seinen Chef Kohlen aus dem Feuer zu holen. Tatsächlich war er zu diesem Zeitpunkt auf Twitter aktiv.

Ich werde später zur Quelle der Olearius-Tagebücher auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bonnin Berlin-Kreuzberg von einer freundlichen Kriminalkommissarin vernommen (die mich auf mein Aussageverweigerungsrecht als ehemaliger Abgeordneter und Publizist hinwies). Dabei habe ich auch auf den Vorgang um Wolfgang Schmidt hingewiesen, da ich es bemerkenswert fand, wie ungleich der Ermittlungseifer bei diesen Sachverhalten war.

Die Berliner Staatsanwaltschaft wird jedoch trotz meiner Eingabe keine Ermittlungen aufnehmen. Ihre Begründung: Sie könne den Vorgang nicht verifizieren, da es außer einem entsprechenden Tweet des Journalisten Oliver Schröm, der die Passage, die Schmidt verbreiten ließ, per Screenshot veröffentlicht, keine weiteren Belege gebe.
Dabei würde es reichen, Herrn Schröm einzuvernehmen und zu befragen. In meinem Fall war es hinreichend, dass ich einen Auszug aus den Olearius-Tagebüchern veröffentlicht hatte.
Was der Bonner Staatsanwaltschaft entgangen war: Dieser Auszug stammte aus der Hamburger Morgenpost. Die Warburg-Bank hatte ihn selbst veröffentlicht.

Im Sommer 2020 wird es dann eng für Scholz. Die Pleite der Wirecard AG, des einstigen Börsenwunders und insolventen Zahlungsabwicklers aus Aschheim, hält Scholz in Atem. Nun kommen noch zwei weitere Treffen mit Olearius an die Öffentlichkeit. Es herrscht Panik in der Hauptstadt.

Sofort beantrage ich eine dritte Befragung von Scholz. Zusätzlich lasse ich auf dem Kontingent meiner Fraktion eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragen, um der Bevölkerung die Warburg-Story in meinem fünfminütigen Redebeitrag zum „Pinocchio-Gate“ von Scholz detailliert zu erklären. Die Rede wird später bei Markus Lanz immer wieder als Einspieler dienen.
Die SPD nennt mich in einem Zwischenruf gar „unanständig“, weil ich in meiner Rede die Rückzahlung der Warburg-Spenden und ein Verbot von Parteispenden von Unternehmen fordere.

Ein Jahr später gibt es Aufregung um die Razzia bei Johannes Kahrs und mehr als 200.000 Euro Bargeld in dessen Schließfach. Der SPD-Finanzsenator Andreas Dressel wird nun einräumen, dass die Spenden aus „heutiger Sicht“ neu bewertet werden müssten. Ich gehöre zu diesem Zeitpunkt dem Bundestag nicht mehr an. Die SPD distanziert sich von Kahrs.
Doch alle Erkenntnisse über die Warburg-Bank lagen schon zum Zeitpunkt der Spenden auf dem Tisch: Razzia, Ermittlungen, Cum-Ex. Stand heute hat die SPD Hamburg die Cum-Ex-Spenden der Warburg-Bank nie zurückgezahlt.
Vor der Rede befrage ich Scholz öffentlich im Plenum des Bundestages zu seiner Sicht auf die Warburg-Parteispenden. Er antwortet, er lebe nun in Potsdam. Nach seinem Eindruck sei aber in der SPD Hamburg immer alles korrekt verlaufen.

Befragung am 9. September 2020

In der dritten Befragung ereignet sich etwas Kurioses: Scholz wechselt die Strategie. Er bestätigt die Termine und legt nun eine detaillierte Auflistung aller Termine mit Olearius vor (in einer Informationsfreiheitsanfrage wird mir der Hamburger Senat weiterhin keines der Treffen einräumen, obwohl diese bereits presseöffentlich sind). Schriftlich konnten wir diese im Bundestag nicht abfragen, da die Termine ja in seine Zeit als Hamburger Bürgermeister fielen.
Scholz behauptet nun, er habe erst jetzt – nach einer Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft, einer Riesenwelle im Bürgerschaftswahlkampf und zwei Befragungen im Bundestag (eine davon mit Geheimschutzvorkehrungen), bei denen insgesamt dreimal nach weiteren Treffen mit Olearius gefragt wurde – in seinen Kalender geblickt.
Jeder Politiker in einem Kreistag würde bei an ihn gerichteten Vorwürfen dieser Art als Erstes in den Kalender blicken. Scholz hat hierfür einen Arbeitsstab, Termine müssen in der öffentlichen Verwaltung veraktet werden.
Als Scholz diese Aussage tätigt, habe ich Blickkontakt mit Abgeordneten und Mitarbeitern der SPD. Sie müssen ihr Lachen unterdrücken ob dieser absurden Ausführungen. Alle im Saal wissen, dass Scholz lügt.

Scholz behauptet nun, er könne sich an keinen der Termine mehr erinnern. Vor jedem Gericht würde dieser Strategiewechsel als unglaubwürdig gekennzeichnet werden. Selbst ein Neurologe äußert sich später und sagt, dass solche chirurgisch-präzisen Erinnerungslücken, die immer nur im Steuerverfahren, aber nie bei anderen Begegnungen mit dem Cum-Ex-Bankier auftreten, nicht mit dem wissenschaftlichen Stand der Forschung vereinbar sind.

Was die Öffentlichkeit damals noch nicht wissen kann: In der geheimen Sitzung im Juli schilderte Scholz auf meine Nachfrage hin noch konkrete Erinnerungen an das zuerst bekannt gewordene Treffen. Er habe sich nur die Einschätzung von Herrn Olearius angehört. Dies habe mittlerweile auch die Presse bestätigt. Persönlich könne er über diese Schilderung hinaus nichts beitragen.
Er führte dort auch aus, dass er nach dem Gespräch keine Veranlassung gesehen habe, in ein laufendes Steuerverfahren einzugreifen. Auch schloss er konkrete Gespräche mit dem Finanzsenator mit Sicherheit aus.

Nun aber benutzt er permanent die Formulierung, er habe an keines der Treffen eine Erinnerung mehr. Um seine neue Strategie abzusichern und die Verheimlichung von drei Treffen zu begründen, betont er nun, dass alle bisherigen Schilderungen im Finanzausschuss auf der Medienberichterstattung beruhten, nicht seinen persönlichen Erinnerungen.
Damit will er offenbar vorbauen, falls das geheime Protokoll öffentlich werden sollte, wo er ja den Fehler gemacht hat, noch eine persönliche Erinnerung zu schildern.

Ich hatte bereits im Jahr 2020 beantragt, das geheime Protokoll zu entstufen, da das Steuergeheimnis nicht berührt sei. Zudem hatte Wolfgang Schmidt, auf ihren Vorwurf der Lüge hin, der aktuellen Familienministerin Lisa Paus entgegnet: „Sollen wir das Protokoll veröffentlichen?“ Das war eine willkommene Steilvorlage für mich. Doch außer den Grünen zog keine Fraktion mit. So dauerte es weitere drei Jahre, bis der Vorgang öffentlich wurde.

Von einem, der auszog, den Mächtigen das Fürchten zu lehren!

Die Warburg-Affäre zeigt, wie leicht sich führende Medien mit Nähe zur Macht um den Finger wickeln lassen, denn kaum eine führende Tageszeitung hat die Widersprüche von Scholz vor der Wahl konsequent aufgearbeitet.

Ich musste in meiner Rolle als stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Finanzpolitiker viele Details in einsamen Nachtstunden selbst herausarbeiten, weil meine Fraktion mich in der Ausschussarbeit weitgehend im Stich ließ. Und es gab ja noch mehr Themen: von Schuldenbremse über Steuerreformen, Geldwäsche oder Wirecard. Meine Mitarbeiter arbeiteten wie ich bis zur Erschöpfung. Meinen Sohn sah ich kaum noch, denn 16-Stunden-Arbeitstage waren das Minimum.
Meine Fraktion rollte regelmäßig mit den Augen, wenn ich schon wieder Cum-Ex auf die Tagesordnung des Parlaments setzen wollte. In den Informationsangeboten meiner Partei wurde ich dazu kaum berücksichtigt. Ich durfte zwar häufig im Parlament reden. Aber vor allem, weil mir meine Fraktion über weite Strecken der Legislaturperiode im Finanzausschuss nur geringe Unterstützung gewährte.

Dabei wussten Linke früher einmal, dass die Wirtschaft im Kapitalismus der Schlüssel zu Veränderungen ist. Dies gipfelte darin, dass ich im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages über weite Strecken keinen Stellvertreter hatte und so ohne echte Sommerpause ein Jahr lang fast die Hälfte der Woche nur drei Stunden schlief.
Während ich meine Gesundheit ruinierte, zogen andere die Strippen und fuhren meine Partei an die Wand. Diese Enttäuschung und die zuweilen sehr verlogene politische Konkurrenz führten maßgeblich zu meinem Rückzug aus der deutschen Politik.

Die Phrasen des Kanzlers

Scholz soll auf einer Matinee der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit mit deren damaligen Herausgeber Josef Joffe im Oktober 2018 bekennen, Cum-Ex sei ein steuerpolitischer Skandal.
Bei Transparency International spricht er später gar von einer „Schweinerei!“. Herrn Olearius hat er dies offenbar nicht mitgeteilt.
Noch etwas ist bemerkenswert: In dem Video der Veranstaltung bekennt Scholz, dass es wohl nicht mehr möglich sei, die Cum-Ex-Tatbeute aus bestimmten Altfällen einzutreiben, da diese bereits verjährt sei.

Sein Adlatus Wolfgang Schmidt wird hingegen vor der Bundestagswahl unter Journalisten verbreiten, die Hamburger Finanzverwaltung hätte bereits 2016 gewusst, dass der spätere strafrechtliche Einzug der Cum-Ex-Tatbeute möglich sein werde.
Dies widerspricht nicht nur der öffentlichen Aussage seines Chefs, sondern auch den Hamburger Finanzbeamten selbst.
Warum hat dann Scholz später in der geheimen Sitzung bekräftigt, die Weisung des Bundesfinanzministeriums sei richtig gewesen, wenn Hamburg doch alles richtig gemacht hat?

Herr Joffe ließ später seine Herausgeberschaft von Die Zeit ruhen, da durch einen Brief, den er im Januar 2017 an Max Warburg adressierte, bekannt wurde, dass er den Banker vor den Recherchen der eigenen Redaktion frühzeitig gewarnt hat.
Ein Zitat aus dem Brief lautete: „In unserem Alter gilt: This is no time to fuck around with old friendships.“ Herr Scholz scheint bei seinen Gesprächspartnern, ob Olearius oder Joffe, eine glückliche Hand zu haben.

Herr Scholz ist nunmehr Bundeskanzler, und ich bin wieder ein einfacher Staatsbürger. Dass er trotz seiner Lügen Kanzler wurde, hat weniger mit seiner politischen Leistung als mit der Schwäche seiner Konkurrenz zu tun.

Wie wir durch die Warburg-Affäre Milliarden sicherten

Doch auf eines bin ich heute stolz: Durch einen mutigen Richter und später auch politischen Druck auf die Gesetzgebung wurde es ermöglicht, dass auch steuerlich verjährte Tatbeute noch im Strafprozess eingezogen werden kann.
Die Cum-Ex-Tatbeute kann daher noch gerettet werden. Dies war aber zum Zeitpunkt der Causa Warburg in Hamburg noch nicht absehbar. Es bedurfte erheblichen politischen Drucks und einen Kanzlerwahlkampf, um Olaf Scholz als Finanzminister dazu zu bewegen, auch die rückwirkende Einziehung von steuerlich verjährter Cum-Ex-Tatbeute durch Vermögensabschöpfung dauerhaft rechtlich abzusichern.
Scholz hatte nämlich im Windschatten des Corona-Konjunkturpakets in einer Nacht- und Nebelaktion ein Gesetz eingebracht, das die strafrechtliche Einziehung steuerlich verjährter Cum-Ex-Tatbeute auf sichere Füße stellen sollte.
Jedoch wurde in das Gesetz ein Passus aufgenommen, der besagte, dass dies nicht rückwirkend erfolgen könne. Als ich in einem morgendlichen Briefing der Finanzpolitiker vor der Debatte um das Corona-Konjunkturpaket kritisch nachfragte, warum dies erforderlich sei, entgegnete das Finanzministerium, dies sei verfassungsrechtlich nicht anders möglich.
Später schürten Verfassungsrechtler wie Professor Killian Wegner an dieser Aussage Zweifel. Ich holte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages ein, das die Zweifel von Wegner unterstützte.
Scholz wurde nun verdächtigt, die Cum-Ex-Banken (erneut?) zu schonen. Der investigative Journalist des Westdeutschen Rundfunks, Massimo Bognanni, der neben Schröm und Hollenstein zu den führenden Cum-Ex-Reportern des Landes zählte, verschaffte der komplizierten Gesetzesmaterie durch Berichterstattung die nötige Aufmerksamkeit.

Das Gesetz konnten wir im Bundestag und Bundesrat durch eine lagerübergreifende Koalition, etwa des ehemaligen Justizministers von Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach (CDU) und meiner Wenigkeit, erheblich verbessern und die Stichtagsregelung streichen. Es war dem Druck der Warburg-Affäre zu verdanken, dass Scholz das Gesetz korrigieren musste und die Staatsanwaltschaften nunmehr genug Zeit erhalten, um die Tatbeute zu sichern.
Auch wenn der grüne Justizminister von Nordrhein-Westfalen der mutigen Kölner Cum-Ex-Staatsanwältin Anne Brorhilker die personelle Unterstützung durch erfahrene Ermittler vorenthält, die für die Jahrhundertprozesse gegen Banken und Fonds nötig wäre.

Die Streichung des Rückwirkungsverbotes bei der Abschöpfung von Cum-Ex-Tatbeute war der größte Erfolg meiner parlamentarischen Karriere. Es hat Milliarden gerettet.
Viele Bürgerinnen und Bürger mögen über die Politik zu Recht enttäuscht sein. Heute kann ich guten Gewissens sagen, dass ich die Kosten meiner Bundestagsdiät mit diesem Engagement wieder hereingespielt haben dürfte.
Auch wenn die Aufklärung über die Warburg-Affäre von parteipolitischen Spielchen und einer großen Portion Verlogenheit gekennzeichnet ist: Allein für diesen Erfolg hat es sich gelohnt, um die Wahrheit zu kämpfen!

Fabio De Masi war zwischen 2014 und 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments und zwischen 2017 und 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages für Hamburg. und machte sich dort bei der Aufklärung von Finanzskandalen – etwa um den Zahlungsdienstleister Wirecard – einen Namen.
Er trat 2021 nicht erneut für den Bundestag an und arbeitet seither an einem Buch über seine Rolle bei der Aufklärung von Finanzskandalen, das im Frühjahr 2024 beim Rowohlt-Verlag erscheinen wird.
Er ist Kolumnist bei der Berliner Zeitung.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Ein Lehrstück zu „unseren westlichen Werten“ – Das Imperium schlägt zurück: Bolivien destabilisieren und die Kontrolle übernehmen

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Das hier beschriebene Vorgehen ist charakteristisch und typisch.
Man kann sich also vorstellen, was hier passieren würde, wenn es – was zur Zeit undenkbar wäre – auch in unserem von den USA besetzten Land mal eine linke Regierung gäbe.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96073

Der historisch-populare Block in Bolivien unter der Regierung von Luis Arce („Bewegung zum Sozialismus“) ist mit internen Bedrohungen und neuen Methoden imperialer Einmischung konfrontiert.
Wie kann man sie angehen und die wachsende Kluft zwischen Regierung und sozialen Bewegungen überwinden?
Von Isabel Rauber.

Kurzer Rückblick auf die Schaffung des plurinationalen Staates

Die Beharrlichkeit der Völker des plurinationalen Staates Bolivien bei der Eroberung von Rechten und deren Verteidigung hat eine lange Geschichte.
Ihr historisches Streben nach Verteidigung ihrer Identität, nach Gerechtigkeit, nach Anerkennung ihrer Lebensweisen, Weltsichten, ihres Wissens, ihrer Weisheiten, Sprachen und Geschichte, das heißt ihrer Existenz in Würde und Respekt stützt sich auf Jahrhunderte des Widerstandes und des Kampfes.
Aufstände, Revolutionen, Streiks und Straßenblockaden legten Zeugnis ab vom Bewusstsein des Volkes – vereint in seiner Vielfalt –, von der Berechtigung seiner Kämpfe, seiner Forderungen sowie von der grundlegenden Bedeutung, Übereinstimmungen herbeizuführen. Diese können die Grundlage für die Verbindung aller sein, um sich auf eine gemeinsame Plattform zu einigen, die sie als kollektives politisches Subjekt (selbst)etablieren würde. Ein Subjekt, das fähig ist, in der nationalen politischen Arena zu handeln und bei Wahlen die Gelegenheit zu nutzen, die Gestaltung ihres Schicksals selbst zu übernehmen und damit die Anerkennung als Staatsbürger mit allen Rechten zu erreichen und diese ohne Einschränkungen ausüben zu können.
Nach einigen historischen Versuchen mündeten die sozialen Kämpfe der großen Bewegungen der Indigenen, der Bauern, Bergleute, Kokabauern und der Frauen vom Land in einen gemeinsamen Strom mit den städtischen und intellektuellen Sektoren und verbanden sich politisch in der Entschlossenheit, die Demokratie herauszufordern, um sie zugunsten aller zu erweitern. Nach der Erringung von Sitzen im Parlament und der Vertretung in verschiedenen Instanzen der Institutionen bei den Ende 2005 abgehaltenen allgemeinen Wahlen eroberte das Ensemble von Organisationen, aus denen sich die Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) zusammensetzte, mit Evo Morales als Kandidat die Präsidentschaft und Regierung des Landes. Das eröffnete die Zeit einer indigenen, bäuerlichen, volksnahen, entkolonialisierten und interkulturellen Demokratie, die zudem den Anspruch erhob, antipatriarchal zu sein.
Das Jahr 2006 brachte dann zusammen mit dem Sieg große Herausforderungen mit sich: die Verantwortung für Staat und Regierung, die Übernahme der Regierungsgeschäfte in den Departamentos und Gemeinden, und das alles bei Fortbestehen einer elitären und ausgrenzenden institutionellen Rechtsprechung. Unbeirrt machten sie sich an die Arbeit, um etwa den in den Jahren der sozialen Kämpfe entworfenen Nationalen Entwicklungsplan zu konkretisieren und umzusetzen, wie auch eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen und durchzuführen, die die Rechtsgrundlagen für die Gründung des Plurinationalen Staates Bolivien schuf.

Diese Prozesse öffneten die Schleusen für die Entwicklungen demokratisierender, dekolonisierender, interkultureller und integrativer Veränderungen.
Die dabei erzielten Errungenschaften und ihre Lehren sind tiefgehend und reichhaltig. Die vielfältigen Bedeutungen des Erreichten sind noch nicht vollständig erfasst worden. Gab es Fehler dabei? Offensichtlich, wie bei allem, was zum menschlichen Handeln gehört.
Aber damit wurde auch der Weg gebahnt für beeindruckende Veränderungen, so gewichtig und tiefgreifend, dass viele von unbedarften Blicken nicht wahrgenommen werden.

Die Steine im Schuh

  1. Die Reaktion der Opposition
    In einem von ihnen als natürlich angesehenen Herrschaftsbereich in Frage gestellt, setzten die mächtigen Kolonialisten, sowohl die historischen wie auch die aktuellen, anfänglich auf das Scheitern der MAS-Regierung und wandten dafür alle Arten von Fallstricken und Tricks an.

    Als das nicht die erhofften Ergebnisse brachte, versuchten sie, die Fortsetzung des Prozesses zu verhindern und Morales zu stürzen. Die Blockaden seitens der Opposition und die Paralysierung großer Teile des Landes, um die Durchführung der Volksabstimmung zur Ratifizierung der Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung zu verhindern, sollten die Regierung und die sozialen Bewegungen der MAS zum Nachgeben bringen. Sie legten aber den antidemokratischen, kolonialistischen und rassistischen Hintergrund dieser Bestrebungen bloß, und unter breiter Teilnahme des Volkes wurde ihnen schließlich eine Niederlage bereitet. Diese drückte sich in der Durchführung des Referendums aus, das die Beschlüsse der verfassunggebenden Versammlung weitgehend bestätigte.
  2. Entfremdung zwischen der MAS-Basis und der Regierung
    Ohne Zweifel hatten nicht alle Stolpersteine und Fallen ihre Ursache in der hartnäckigen Opposition. Es gab auch Spannungen und Probleme, die aus ungeschickten politischen Maßnahmen herrührten, wie etwa die ohne Befragung vorgenommene Preiserhöhung bei Treibstoffen, die den Benzinstreik auslöste (2010), oder der spätere Konflikt um den Bau einer Straße durch das Tipnis-Schutzgebiet (2011).

    Beide Vorgänge führten in erster Linie zu einer unbestreitbaren Ablehnung durch die direkt betroffenen popularen Protagonisten und markierten den Beginn einer Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten, die sich langsam auch in anderen Auffassungen von Regierung und Staat zeigte.
  3. Von Protagonisten zu Zuschauern
    Zusätzlich zu dem oben Erwähnten nahm die Beteiligung der Protagonisten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen und Beschlüssen des Staates bzw. der Regierung immer mehr ab, und in der Folge wurde es immer weniger möglich, dass sie gehört wurden. Die Zurückweisung von Kritik aus den eigenen Reihen, die Ausgrenzung abweichender Meinungen usw. nahmen immer mehr zu. Das alles hatte eine entsprechende Distanzierung einiger der konstitutiven Sektoren der MAS von der Regierungsführung und ihren Behörden zur Folge. Die auf die Rückkehr an die Macht gierige Opposition nutzte das, die Schwächen der MAS wurden schnell und zugleich zu Stärken der Opposition.
    Vielleicht bauten der Bürokratismus der Regierungsführung selbst, die Blendung, die von der Machtausübung ausgeht, die zunehmende Technisierung der Tätigkeit von Staat und Regierung, die aus dem öffentlichen Bereich nach und nach einen für die “befähigten Eliten” reservierten Bereich machte, allmählich systematisch Barrieren zwischen Regierenden und Regierten auf und ließ die Protagonisten zu Zuschauern der Veränderungen werden.*)
  4. Die Loslösung vom kollektiven politischen Subjekt und die Rückkehr des Korporativismus Unterschiedliche soziale Bewegungen und Organisationen, die zuvor vereint waren bei der Formierung eines programmatischen Fundaments, das die Bedingungen für die Regierung Evo Morales 2006 schuf, wurden mehr und mehr von den Regierungsentscheidungen abgekoppelt. Nach und nach wurde die gemeinsame verbindende Basis des kollektiven politischen Subjekts geschwächt und seine Organisationen lösten sich vom Kollektiven – obwohl sie nominal Teil davon blieben –, nahmen wieder Zuflucht in ihren Teilbereichen und machten den Weg frei für bilaterale Verhandlungen mit der Regierung, um Vorteile für Sektoren oder Teilhabe an der Macht einzufordern, je nachdem, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht.
    Das war nicht mehr das vielfältige organisierte Ganze, sondern eine Summe von Teilen, nicht selten mit Rivalitäten untereinander.
  5. Die Schwäche der politischen Führung
    Die gesellschaftliche, politische und kulturelle Verbindung, die zur Bildung der MAS führte, war das Ergebnis von übergreifenden Definitionen, Beziehungen, sektionalen Eigenheiten, Übereinstimmungen, Verbindungen und vom politischen Reifeprozess der Gesamtheit der am Prozess beteiligten gesellschaftlichen und politischen Akteure; das Auseinanderbrechen ihrer Verbindungen war auch das des politischen Instruments und seiner Fähigkeit, den Prozess politisch anzuführen.
    Das schließt eine weitere Dimension der Analyse ein: Wenn das Ganze auseinanderfiel, wenn sich die politischen Akteure abkoppelten, wen repräsentierte und wie führte die MAS dann noch?

Formal existierte eine Führungsinstanz, die scheinbar funktionierte; aber in die Dynamiken des “von oben nach unten” geraten, mehr auf Gehorsam und die Zustimmung der Organisationen aus als auf ihre Basis zu hören, wurden nicht nur die internen Wechselbeziehungen sondern auch das politische und gesellschaftliche Panorama für die MAS immer schwieriger. Es sei daran erinnert, dass diese kollektive politische Organisation niemals eine Entelechie war noch ist; deshalb verringerte das Wegbrechen ihrer Basisbewegungen ihre Fähigkeit für eine einheitliche Führung.
Beeinflusst hat dies auch die Abwanderung einer großen Anzahl von Anführern, die in den Kämpfen geschmiedet wurden, und die Funktionen bzw. Ämter in der Regierung und im Staatsapparat übernahmen und sich dadurch von der Basis entfernten, was die Organisationen und insgesamt das politische Instrument schwächte.
Es ergaben sich neue Facetten des Korporativismus, und zusammen mit internen Machtkämpfen untergruben sie die kollektive Subjektivität, die sich in den Kämpfen bis 2006 herausgebildet und verdichtet hatte.
Die Beziehung zwischen den Mitgliedern, der Parteiführung und der Regierung und dem Staat haben gezeigt, dass es sich nicht um eine “Angelegenheit” handelt, sondern um eine politische Dimension, die nicht spontan gelöst werden kann, die man weder unterschätzen noch dem Gang der Ereignisse überlassen darf. Nicht alles kann vorhergesehen oder im voraus abgewendet werden, aber es gibt wichtige Faktoren, die zur Minimierung der Schwierigkeiten beitragen.
Dazu gehört z.B. die politische und allgemeine Bildung der Mitglieder der Organisationen und die Stärkung der Organisierung der popularen Massen. Dabei sollte die Rotation von Ämtern und Verantwortlichkeiten als verallgemeinerte und ständige Praxis als Teil davon bei allen und jeder einzelnen der gesellschaftlichen, popularen, gewerkschaftlichen, bäuerlichen, indigenen usw. Organisationen bedacht werden.
Das ist zwar keine Lösung für alles, aber es ist ein wichtiges Bollwerk, wenn es darum geht, konkret die Herausforderungen des Regierens und der politischen Führung des Transformationsprozesses anzunehmen.

Vorbereitung und Durchführung des reaktionären Putsches 2019

Die politischen Ereignisse im Land zwischen 2016 und 2019 waren gekennzeichnet von einer Zunahme der Angriffe seitens der Opposition gegen die Regierung, die in einigen Fällen durch Anzeichen von Unstimmigkeiten zwischen den Regierenden und den Regierten vergrößert wurden. Das zeigte sich klar – wenn auch knapp – im “Nein” bei der Volksbefragung bezüglich einer möglichen erneuten Wiederwahl von Evo Morales für das Präsidentenamt des Landes. Dieses Ergebnis wurde wegen der “schmutzigen” Kampagne missachtet, die gegen den Amtsinhaber losgetretenen worden war; die Behörden riefen daraufhin das Verfassungsgericht an, damit es die erneute Kandidatur und Wiederwahl des Amtsinhabers und seiner Regierungsmannschaft zulässt.
Aber die Kandidatur hatte eine inhärente Schwäche: Durch die Missachtung des Ergebnisses der Volksbefragung über die Wiederwahl wurden die Türen geöffnet für neue Provokationen, Verleumdungen, fake news und alle Arten von Manipulationen seitens der lokalen Opposition und ihren internationalen Vertretungen.
Aus den Präsidentschaftswahlen Ende 2019 ging Morales als Sieger hervor, aber der “Faktor OAS **) verzögerte die Bekanntgabe von Teilen der Ergebnisse und machte sie unsichtbar; dadurch wurde der Verdacht möglicher Fehler und nicht gültiger Stimmen mit der klaren Absicht genährt, die Ergebnisse für ungültig zu erklären, Zeit zu gewinnen und die Tore für das zu öffnen, was anschließend geschah: der Staatsstreich.

Diese gewalttätige und verzweifelte Akt der Mächtigen, die sich die Maske der Verfassungsmäßigkeit aufsetzten, war der klarste Indikator für die Richtigkeit und Tiefe der demokratischen Revolution der Völker Boliviens und – daraus folgernd – der Unfähigkeit und Verzweiflung derjenigen, die versuchten, den Prozess zu unterbinden, um sich der ökonomischen und gesellschaftlichen Pfründe zu bemächtigen und jegliche Opposition auszugrenzen und zu zerschlagen.
Die nicht zu kaschierende und zwielichtige Einmischungspolitik der OAS bei der Gestaltung und Lenkung des Putsches machte zugleich nicht nur die Unterstützung des Nordens für die lokalen Oligarchien, sondern auch das geopolitische Gewicht deutlich, das dieser Transformationsprozess für die Region, den Kontinent und die globale imperialistische Hegemonie hatte und hat. Die Wiedererlangung der Kommandogewalt mit diesen Mitteln über ein Gebiet, das als Teil des “Hinterhofs” des US-Establishments angesehen wird, zerriss die Maske von “Freundschaft und Zusammenleben”, die sich ihre Vertreter seit Beginn des Jahrhunderts aufgesetzt hatten. In dieser Zeit transformierten sich Venezuela, Brasilien, Argentinien, Bolivien, Uruguay, Ecuador, Honduras, Paraguay … zu Territorien mit Autonomie und mit Völkern, die immer stärker befähigt sind, ihre Schicksale gemeinsam mit ihren Regierenden selbst in die Hand zu nehmen. Und es war genau diese Gemeinschaft, die sie beschlossen hatten zu zerbrechen.
Trotz der fake news, der Verleumdungen, Fallstricke, der Wiederholung von Lügen durch verschiedene, angeblich informative Kanäle, um Misstrauen zwischen verschiedenen popularen gesellschaftlichen Sektoren und auch innerhalb der MAS zu säen, gelang es den Putschisten nicht, ihre Ziele zu erreichen. Trotz des Durcheinanders und der Zersplitterung oder Abwesenheit einer einheitlichen Führung des Widerstands und in der Konfrontation mit einer anhaltenden und grausamen Unterdrückung gingen die indigenen Völker, die Bauern, die städtischen und bäuerlichen Arbeiter auf die Straße, um sich den Putschisten entgegenzustellen und ihre Manöver zurückzuweisen.

Die Massaker von Sacaba und Senkata zeigten schnell, dass die Putschisten es nicht schaffen würden, die Völker in die Knie zu zwingen, die aufgestanden waren, deren Männer und Frauen die Erfahrung gemacht hatten, dass sie frei auf denselben Wegen wie die Mächtigen gehen können, die die symbolische Macht wertschätzten, dem historischen Unterdrücker direkt gegenüber zu stehen, dass sie nicht nur Zugang zu den staatlichen Institutionen haben, sondern sie auch leiten konnten, dass sie den Wert eines vollwertigen sozialen und politischen Subjekts gewonnen hatten.
All das – zusammengefasst – hinterließ unauslöschbare Spuren in ihren Spiritualitäten und Subjektivitäten und dies stärkte das emanzipatorische und entkolonialisierende Bewusstsein ihres Handelns.
Die popularen Revolten, die Widerstände, das Anprangern des Putsches verbunden mit den andauernden Forderungen nach der Durchführung von Wahlen bereiteten dem Machtstreben der Putschistenbewegung (wenn auch nicht ihren Absichten, noch den Aktionen ihrer Anstifter) ein Ende.
Ende des Jahres 2020 gewann die MAS mit Luis Arce und David Choquehuanca an den Wahlurnen im Verbund mit Indigenen, Bergarbeitern, Bauern, Frauen und popularen Sektoren der Städte.

Die Regierung Arce ist mit neuen imperialen Interventionsversuchen in der Region konfrontiert

Dieser neue Zeitabschnitt für die MAS-Regierung war möglich durch die Zusammenführung der verschiedenen Sektoren zu einer Einheit, die ihre konjunkturellen Betrachtungsweisen beiseite ließen, um die Putschisten zu besiegen.
Aber die internen Brüche und Widersprüche existierten weiter; sie erforderten und erfordern wie nie zuvor die Aufmerksamkeit und politische Arbeit aller und jedes Einzelnen der indigenen, gewerkschaftlichen Sektoren, der bäuerlichen und städtischen Arbeiter, um unter den gegenwärtigen Bedingungen die kommunizierenden Röhren oder die allgemeinen (gesellschaftlichen) Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen sektoralen und territorialen Realitäten und Problemen herauszufinden, um sich aufzumachen zur neuen Organisierung, Herausbildung und Stärkung des kollektiven politischen Subjekts in der jetzigen Zeit.
Aber das kollektive Keimen und Heranreifen einer gemeinsamen neuen politischen Bewusstseinsbildung und Verhaltensweise erfolgt nicht automatisch. In diesem Sinne ist es wichtig – neben den Errungenschaften dieser Periode – sich das Fortbestehen der alten Praktiken vor Augen zu halten, dass Entscheidungen von wenigen und von oben getroffen werden, mit geringer und unzureichender Beteiligung, Konsultation und Dialog mit den Protagonisten des revolutionären politischen Handelns der MAS; was neue Hindernisse bzw. Steine im Schuh der gegenwärtigen Regierung mit sich bringt, die ihr Vorankommen behindern, das Vertrauen untergraben und das politische Instrument schwächen.

Die politischen Gegner, von denen viele erklärte Feinde der Rechte der originären indigenen Völker sind, öffnen heute alle ihre medialen Schleusentore für Desinformations- und Täuschungsmanöver zur politischen Destabilisierung der Regierung. Dieses Ziel wird auf verschiedenen Wegen verbunden mit der Stimulierung von Konkurrenz, Rivalität und internem Misstrauen zwischen Sektoren der MAS, deren Einheit und politische Subjektivität in erster Linie der Gegner ist, den die Opposition zerstören will. Damit stünden ihr die Wege offen.

Die Verschiebung des Datums für die Volkszählung, scheinbar mit dem Einverständnis aller, öffnete die Büchse der Pandora um zu spalten, Fronten zu bilden und das Vertrauen innerhalb der und in die Regierung und ihre hauptsächlichen Vertretern zu untergraben. Welche Ziele wurden damit verfolgt? Das Datum für die Volkszählung hat gewisse Bedeutung, da entsprechend ihrer Ergebnisse den verschiedenen Gebieten Anteile bei der Mitbestimmung und der Vertretung im Parlament zugewiesen werden. Aber das letztendliche Ziel der Proteste seitens der Regierenden von Santa Cruz und ihrer Gefolgsleute ist es, die Regierung, die MAS, ihre höchsten Vertreter und alle diejenigen zu diskreditieren und zu destabilisieren, die sich am Prozess beteiligen oder ihn unterstützen.
Heutzutage sind die Oppositionellen nicht auf einen Putsch aus, auch wenn sie ihn nicht ausschließen. Der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck, der sich in den Blockaden in Santa Cruz ausdrückt, zeigt die neuen, auf Einmischung zielenden Formen der imperialen Strategie für Lateinamerika auf: der Wirtschaft Schaden zufügen, die Regierung diskreditieren, um das Bewusstsein der Menschen zu verunsichern und zu vernebeln, um sie zu spalten und zu isolieren, und sie so ihren Interessen unterordnen zu können.
Sie müssen populare Unterstützung erreichen, um die MAS bei den nächsten Wahlen zu besiegen. Mit ihrer auf Lügen und Verdrehungen basierenden kolonisierenden Strategie hoffen sie, jede Möglichkeit der sozialen Rebellion, des Widerstands, der Veränderung, der kollektiven Organisation ein für allemal zu begraben.

Welches ist die gesellschaftliche, politische und kulturelle Stütze dieser Strategie? Das unablässige und vereinte Agieren der hegemonialen Medien, konzentriert auf die Manipulierung der Tatsachen und klar auf das Erreichen dieser Ziele ausgerichtet, ist eines der Schlüsselwerkzeuge der Mächtigen. Aber die vielfältigen Dimensionen der politischen und sozialen Aktivitäten können nicht auf das Thema Kommunikation reduziert werden, auf das Ergebnis von fake news, von lawfare oder irgendeiner Art von Manipulation oder der fiktiven Schaffung von Szenarien, die den oligarchisch-imperialistischen Interessen förderlich sind und die die Mächtigen zur Rechtfertigung ihres Handelns durchführen könnten.
Niemals wird man frontal mit dem Medienapparat der Mächtigen konkurrieren können: Der ökonomische und juristische Machtapparat würde sich darum kümmern, das zu verhindern. Hier, wie bei allem, was mit kollektivem Handeln zu tun hat, handelt es sich um politische Herausforderungen, um organisierte Massen, um ermächtigte protagonistische Völker.

Unumgängliche Herausforderungen

  1. Die Volksmacht aufbauen, verankert in der Beteiligung der Protagonisten
    Die beste politische Kommunikation der Völker und ihrer Organisationen ist verknüpft mit der Beteiligung ihrer Protagonisten. In diesem Sinne ist es lebensnotwendig, dass die popularen Regierungen zugleich politische Werkzeuge sind, um den popularen Protagonismus bei den Entscheidungsfindungen zu vergrößern. Dafür ist es unumgänglich, die Türen der Regierung und des Staates für die Beteiligung und wachsende Selbstermächtigung der Völker und seiner Organisationen zu öffnen und sich unisono um Information und Bildung zu kümmern.
    All das in Verbindung mit den lokalen Prozessen der Selbstermächtigung in den ländlichen und städtischen Gemeinschaften als Samen der Volksmacht, wo die gesellschaftlichen und politischen Befreiungskräfte aufkeimen und erstarken, die fähig sind, den Transformationsprozess immer mehr zu beleben und zu vertiefen. Aus dieser Perspektive heraus bedeutet das, die Demokratie zu demokratisieren, sie zu auszuweiten und Räume für die Prozesse der Selbstermächtigung der historisch davon Ausgeschlossenen zu öffnen; damit sind die zentralen politischen Herausforderungen im jetzigen Moment zusammengefasst.
  2. Aus der Erfahrung lernen
    Diese Selbstermächtigung war schon vorher im Gange, während und nach 2006, aber es ist gut, das erneut zu bekräftigen und dabei beispielsweise im Auge zu haben, dass die politischen Irrtümer oder Fehler der MAS in der Regierung auch einen Nutzen hatten. Sie unterstrichen – durch Nichtvorhandensein – den transzendentalen politischen Schlüssel des laufenden revolutionären Prozesses: die Notwendigkeit der Beteiligung der indigenen, bäuerlichen, gewerkschaftlichen, popularen … Sektoren als Protagonisten bei Entscheidungen, bei der Bestimmung der öffentlichen Politiken und bei allen gesellschaftlichen Themen, von denen sie Teil sind.
    Es ist dringend notwendig, diese Lehren zu begreifen und sich zu eigen zu machen; sie sind Teil der Fundamente einer neuen und erneuerten Organisierung des kollektiven politischen Subjekts, und das geschieht nicht spontan; die bewusste Arbeit der sozialen, gewerkschaftlichen, indigenen, bäuerlichen, kommunitären, städtischen usw. Organisationen, insbesondere der Strukturen der MAS ist unerlässlich.
    Die Einheit wird nicht deklamiert, sie ist in konkreten Grundlagen verankert, die sich aus der Identifizierung von Brücken und kommunizierenden Röhren zwischen den verschiedenen Realitäten, Identitäten, Weltanschauungen und sektoralen, territorialen und kommunitären Problemstellungen auf Seiten der popularen Akteure und ihrer Organisationen ergeben. Und es ist entscheidend, dass sie es sind – als Protagonisten –, die sich der Aufgabe annehmen, diese Zusammenhänge herauszuarbeiten, indem sie im derzeitigen politischen Panorama die Bruchstellen in dem gesellschaftlichen und kulturellen Durcheinander, das in Krisenzeiten entsteht,  klären. Dies wird die gemeinsame Herausbildung einer aktualisierten kollektiven Identität als materielle Grundlage eines (untereinander) organisierten politischen Subjekts ermöglichen, das die Aufgaben der Gegenwart erfordern. Eine politische Erneuerungs- und Aktualisisierungsarbeit, die – andererseits – ständig erfolgen müsste, wie es René Zavaleta Mercado eindringlich angemahnt hat.
  3. Die Strategie der Rekolonisierung und der Beherrschung der Köpfe besiegen
    Die Hegemonie der Macht rührt nicht allein von der Destabilisierung und Diskreditierung von Regierenden und historischen gesellschaftlichen Anführern her; das “teile und herrsche” reicht nicht mehr aus. In diesen Jahren politischer Kämpfe haben die Mächtigen gelernt und ihre Strategien perfektioniert; insoweit ist es für sie nicht mehr angebracht – wie früher –, den Militärs zu befehlen, die schmutzige Arbeit mit den Staatsstreichen zu erledigen, sie setzen jetzt auf “demokratische Beherrschung”.
    Mit dem Öffnen der demokratischen Kanäle beabsichtigten sie ursprünglich, die popularen Widerstände auszuhebeln und dann die Demokratien nach ihren Erfordernissen zu gestalten, indem sie sie kontrollieren und begrenzen. Dafür haben sie auf die Aktualisierung ihrer alten, heute verstärkten Bestrebung zurückgegriffen, dass nur die Kontrolle und Herrschaft über die Köpfe der Völker es ermöglichen wird, sie zu beugen und niederzuhalten; sie glauben zu machen, dass sie Freiheit genießen, während sie in Unterwerfung leben.
    Sich diesem Kreuzzug der kulturellen Beherrschung (Hollywood & CocaCola) entgegenzustellen, der sich gegen das Volk richtet, ist eine weitere der großen Herausforderungen der jetzigen Zeit, sowohl für Bolivien wie auch für die ganze Region. Dies, verknüpft mit den gleichzeitigen Prozessen der Partizipation und Selbstermächtigung der Völker, des Aufbaus der Volksmacht in verschiedenen Gemeinschaften und Territorien, mit der Schaffung der Einheit in der Vielfalt der Identitäten und Zugehörigkeiten der Völker, die sich aus ihrer Verbindung zu einem kollektiven sozialen und politischen Subjekt ergibt.

Diese politischen Herausforderungen bringen die Überlegungen Rodolfo Puiggrós in die Gegenwart, als er erklärte, dass die ökonomische Beherrschung nur möglich sei, wenn ihr die kulturelle Beherrschung vorausgeht.
Und auch die Warnung von J.W. Cooke, dass es im Bewusstsein keine Leerstellen gibt; dass das, was von der Ideologie der Völker aufgegeben oder vernachlässigt wird, von der Ideologie der Mächtigen besetzt wird. Bleibende Wahrheiten…

Und das erinnert auch – in sehr abgekürzter Form – an ein Schlüsselkriterium der politischen Aktion: vox populi, vox Dei. Und es ist gut, heute wie nie zuvor, sich das vor Augen zu halten.
Die antidemokratischen Sektoren wissen das und versuchen deshalb, die Hirne mit ihren Lügen zu kolonisieren, sie zu vernebeln, das Zugehörigkeitsgefühl zur Klasse und zu den Völkern zu beseitigen.

Die Frage ist: Verstehen wir das alle?

Übersetzung: Gerhard Mertschenk, Amerika21

*: Im Kleinen ließ sich das hier sehr gut in Thüringen unter dem Ministerpräsidenten Ramelow, Mitglied der Linken, gut beobachten.

**: Die OAS ist die von den USA konkurrenzlos domonierte Organisation amerikanischer Staaten

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Seit Einführung der mRNA-Impfungen plötzlich viel mehr junge Tote – Aber keiner untersucht es !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Alarmierendes von Susanne Bonath hier:
https://pressefreiheit.rtde.live/inland/167038-ploetzlich-viel-mehr-junge-tote/
Auszüge:

Spritze

Photo by Karolina Grabowska on Pexels.com

Die Massenimpfungen sollten Corona-Tote verhindern. Tatsächlich hat sich die Sterblichkeit in den letzten beiden Jahren erhöht. In allen Altersgruppen, vor allem den jungen, gab es mehr Tote, als bei gleicher Sterberate wie 2020 zu erwarten gewesen wäre.
Untersuchen will das offenbar keiner.
Viele Länder, darunter Deutschland, verzeichneten in den letzten beiden Jahren mehr Tote als während des ersten Pandemie-Jahres. Wirkten die Impfungen nicht? Haben sie womöglich selbst etwas damit zu tun?
Wer darüber nur vage laut nachdachte, rief sofort die „Faktenchecker“ auf den Plan. Alles Fake News, „checkten“ sie.
Schuld seien Hitzewellen, Corona, Grippe. Bewiesen ist das aber genauso wenig.

Um über nicht Untersuchtes nicht weiter zu spekulieren, könnte man eine beantwortbare Frage stellen: Haben die COVID-19-Vakzine die Gesamtsterblichkeit in Deutschland gegenüber 2020 reduziert?
Mit Daten des Statistischen Bundesamtes lässt sich diese Frage beantworten. Man vergleicht die gemeldeten Sterbefälle mit den Einwohnerzahlen der jeweiligen Altersgruppen und ermittelt so die jeweiligen Sterberaten in den vergangenen drei Jahren, um sie miteinander zu vergleichen.

Das Ergebnis ist eindeutig: Die Sterblichkeit lag zuletzt in allen Altersgruppen höher als 2020, als es noch keine Impfungen gab. Anders als bei Corona waren die jungen Jahrgänge prozentual sogar am deutlichsten davon betroffen, obwohl gerade bei ihnen die Sterblichkeit seit Jahrzehnten tendenziell abnimmt.
Wäre die Sterberate beispielsweise bei den Untervierzigjährigen in den letzten beiden Jahren genauso hoch gewesen wie 2020, wären insgesamt rund 1.350 junge Menschen weniger gestorben, davon rund 250 Kinder. Warum untersucht das niemand?

Rätseln über Todeszahlen

Nicht nur in Deutschland rätselte man zuletzt über vermehrte Todesfälle. Laut Neuer Zürcher Zeitung (NZZ) „registrierten viele europäische Länder 2022 lange Phasen der Übersterblichkeit“.
Für Deutschland erklärte das Statistische Bundesamt bereits für 2021 rückblickend folgendes:
„Ausgehend von 2019 wäre für 2021 eine Sterbefallzahl von 960.000 bis 980.000 erwartbar gewesen, also ein Anstieg um zwei bis vier Prozent. Tatsächlich ist sie um acht Prozent gestiegen.“

Auch im vorigen Jahr gab es keine Entspannung. Im Gegenteil: Erneut hätten 3,4 Prozent mehr Menschen als im Vorjahr das Zeitliche gesegnet, erläuterten die Statistiker zu Jahresbeginn in einer Pressemitteilung. Die Behörde bemühte zahlreiche Erklärungen, wie „Hitzerekorde“, „Coronawellen“ und „Atemwegserkrankungen im Allgemeinen“, die übermäßig aufgetreten seien.

Über eine Übersterblichkeit in Deutschland im Jahr 2020 ist sich die Forschung dagegen uneinig. Die amtlichen Statistiker registrierten bevölkerungsbereinigt drei bis vier Prozent mehr Todesfälle als erwartet.
Dem widersprachen Forscher der Universität Duisburg-Essen, die das untersucht hatten. Ihr Ergebnis:
„2020 gab es keine Übersterblichkeit in Deutschland, auch wenn es etwa 34.000 Todesfälle gab, die mit COVID-19 assoziiert werden.“

Schließlich gab zu Beginn dieses Jahres das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung eine interessante Analyse heraus, in der es einen kontinuierlichen Anstieg der Sterberaten seit 2020 in Deutschland feststellte. Der stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz, konstatierte dazu:
„Überraschend ist, dass sich die Übersterblichkeit im Jahre 2022 noch einmal beschleunigt hat.“

Corona, Hitze und verschobene OPs?

Alle Statistiker und Erklärer schlossen die Impfungen als mögliche Ursache aber kategorisch aus. Als im Dezember 2022 die AfD anhand von brisanten Krankenkassendaten (hier abrufbar) darüber spekulierte, erntete sie dafür wortgewaltige „Faktenchecks“. *)
So war sich zum Beispiel der MDR rundum sicher:
„Hohe Sterblichkeit hat nichts mit Corona-Impfung zu tun.“

Die öffentlich-rechtlichen „Faktenprüfer“ beriefen sich auf Statements der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Daten-Modellierers Kristan Schneider. Unisono behaupteten sie: Die AfD habe die Daten falsch interpretiert. So folge etwa der Anstieg der Sterblichkeit zum Beispiel nicht den tagesaktuell verabreichten Impfdosen und sei zudem nicht exponentiell.
Warum das so sein soll, belegen sie nicht. Ihre Äußerungen bleiben damit Glaubenssätze und die real vermehrten Todesfälle ein nicht untersuchtes Rätsel.

Gern wird auf verschobene Operationen verwiesen, die der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Kliniken zwischen März und Mai 2020 verordnet hatte, um Betten für Corona-Patienten freizuhalten. Man könnte jetzt mutmaßen, dass deswegen mehr Menschen an den häufigsten Todesursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs gestorben sein könnten.
Allerdings: Die Todesursachen-Statistiken für die Jahre 2020 und 2021 weisen hier keine besonderen Abweichungen auf.

Die Spekulation über Hitzewellen als Grund hinkt ebenfalls. Erstens gab es 2021 keine besonders heftigen Hitzewellen. Zweitens erstreckte sich 2022 die Übersterblichkeit auf das gesamte Jahr und betraf keineswegs nur die kurzen Zeiträume, in denen es besonders heiß war.

Beim Erklärungsversuch gibt es nach wie vor ein Problem: Seit Beginn der Pandemie unterscheidet das zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) nicht, ob Menschen an oder nur mit Corona starben. Auf diese Weise erfasste das Bundesinstitut rund 34.000 „Corona-Tote“ für 2020, 79.000 für 2021 und rund 49.000 im vergangenen Jahr.
Aber niemand weiß, wie viele wirklich an COVID-19 starben. Zumal die Zahlen die Frage aufwerfen: Warum gab es in den Impfjahren mehr „Corona-Tote“ als zuvor?

Das Präventionsparadoxon

Insgesamt ergibt sich damit folgendes Bild: Trotz Corona gab es 2020 in Deutschland keine gravierende, laut der Universität Duisburg-Essen sogar gar keine Übersterblichkeit in Deutschland.
In den beiden Folgejahren stiegen die Sterbezahlen nach offiziellen Verlautbarungen aber weiter an, obwohl die Corona-Präparate Todesfälle verhindern sollten.

An vermehrten Herz- und Krebstoten aufgrund verschobener Operationen im ersten Corona-Jahr liegt es offenbar nicht.
Die Hitzewellen bieten keine ausreichende Erklärung, da auch außerhalb selbiger vermehrt gestorben wurde.
Nicht erfasste „Corona-Tote“ sind wenig plausibel, da in Kliniken jeder getestet wurde und jeder „positiv“ Verstorbene in die Statistik kam. Die „Corona-Toten“ wurden eher übererfasst.

Argumentiert wird auch gern mit dem Präventionsparadoxon: Hätte man die Impfstoffe nicht eingeführt, wären sicher viel mehr Menschen gestorben. Das ist eine nicht belegbare Spekulation. Man mag es vielleicht für 2021 noch annehmen, als laut Wissenschaftlern die gefährlichere „Delta-Variante“ grassierte. Spätestens beim milderen „Omikron“ kommen aber Zweifel.

Die Zweifel erhärten sich mit den Daten des DIVI-Intensivregisters, die das RKI seit Anfang 2022 herausgibt. Demnach lag schon im April vorigen Jahres der Anteil der ungeimpften Corona-Intensivpatienten mit 20,3 Prozent unter ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung von damals etwa 23 Prozent.
Im November waren lediglich 13 Prozent der Intensivpatienten ungeimpft, bei immer noch 22 Prozent Ungeimpften insgesamt.

Die Daten des Intensivregisters belegen zumindest nicht, dass Ungeimpfte öfter mit Corona auf der Intensivstation landeten und dort eventuell daran verstarben. Sie stützen nicht einmal die bis heute behauptete Theorie, wonach die Präparate sicher schwere Verläufe verhinderten.

Mehr Tote mit Impfung

Die vorhandenen Daten lassen also nicht im Geringsten eine wissenschaftliche Aussage darüber zu, ob die Impfungen kausal an der Übersterblichkeit beteiligt sind oder nicht. Dass dies von staatlicher Seite nicht untersucht wird, hinterlässt den Eindruck absichtlichen Wegschauens.
Dass nun das Fehlen von Studien genutzt wird, um Zusammenhänge mit der Impfung abzustreiten, ist geradezu absurd.

Die einzige Frage, die also plausibel beantwortet werden kann, ist folgende: Haben die Impfungen in Deutschland dazu geführt, dass anteilig an der Bevölkerung weniger Menschen als im ersten Corona-Jahr ohne die Präparate sterben?
Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen nach groben Altersgruppen hat das Statistische Bundesamt hier veröffentlicht. Der Autor hat sich genauere Daten schicken lassen, um die in einer Excel-Tabelle in anderen Kohorten erfassten Sterbefälle mit ihnen vergleichen zu können.

Das Ergebnis ist brisant: In allen Altersgruppen sind in den vergangenen beiden Jahren anteilig an der entsprechenden Bevölkerung mehr Menschen gestorben als im ersten Corona-Jahr ohne Impfungen. Eine einzige Ausnahme bilden die Überneunzigjährigen im Jahr 2021. Mit -0,3 Prozent, etwa 550 Todesfälle, war der Rückgang der Sterblichkeit aber sehr gering in dieser Gruppe mit der naturgegeben höchsten Sterblichkeit von jährlich etwa 25 Prozent.

Insgesamt schieden demnach 2021 rund 16.500 Menschen mehr aus dem Leben, als es bei gleicher Sterblichkeit wie 2020 zu erwarten gewesen wäre. Knapp 10.000 Tote davon, 60 Prozent, waren jünger als 70 Jahre, es waren vor allem mittlere Jahrgänge betroffen.
Im vergangenen Jahr gab es sogar gut 43.000 überzählige Tote gegenüber dem ersten Corona-Jahr ohne Impfungen, dabei schlugen alle Altersgruppen zu Buche, besonders deutlich die sehr jungen.

Auffällig ist vor allem: Bei den unter vierzigjährigen sowie bei den über siebzigjährigen Menschen sind 2022 die höchsten Anstiege der Sterberaten zu verzeichnen. In den mittleren Jahrgängen hingegen schoss die Sterberate vor allem 2021 in die Höhe, ging im Jahr darauf aber nur marginal zurück.

Erhöhte Sterberaten vor allem bei Jungen

Setzt man die Todeszahlen direkt ins Verhältnis zu einer bestimmten Anzahl von Einwohnern in der jeweiligen Altersgruppe, wird das Ausmaß am deutlichsten.

Von einer Million Einwohnern im Alter unter 40 Jahren starben im ersten Corona-Jahr 386 Menschen. Im Jahr 2021 gab es 395 Tote in dieser Altersgruppe pro einer Million Einwohner, im Jahr 2022 sogar 417 Verstorbene. Das ist im ersten Impfjahr noch ein moderater Anstieg der Sterberate um gut zwei, im zweiten Impfjahr hingegen um ganze acht Prozent gegenüber 2020.

Damit starben insgesamt rund 1.350 mehr Untervierzigjährige, als es mit gleicher Sterberate wie 2020 zu erwarten gewesen wäre ‒ davon entfallen über 1.000 Todesfälle auf das Jahr 2022.
Das ist der höchste prozentuale Anstieg der Sterberate von allen Altersgruppen. Besonders betroffen war hier die Gruppe der 15- bis 29-Jährigen mit gut elf Prozent höherer Sterblichkeit als im ersten Corona-Jahr.

Von 100.000 Einwohnern im Alter von 40 bis 69 Jahren starben im ersten Corona-Jahr 560 Menschen. Im ersten Impfjahr gab es 593 und im zweiten Impfjahr 591 Tote pro 100.000 Einwohnern in dieser Altersgruppe.
Für das Jahr 2021 ergibt sich daraus ein Plus von fünf Prozent und gut 9.000 Todesfällen gegenüber 2020, im vergangenen Jahr gab es rund 6.500 mehr Verstorbene im mittleren Alter als 2020, womit die Sterberate um 3,4 Prozent höher lag als im ersten Corona-Jahr.

Bei den Übersiebzigjährigen kamen 2020 auf 10.000 Einwohner rund 590 Verstorbene. Ein Jahr später waren es 604 Todesfälle und im zweiten Impfjahr sogar 630 Tote pro 10.000 Einwohnern in dieser Altersgruppe.
Daraus ergibt sich für das vorige Jahr ein Anstieg um fast sieben Prozent, womit es rund 35.000 Tote über 70 Jahren mehr gab, als mit einer Sterblichkeit, wie sie 2020 vorherrschte, erwartbar waren.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Wären in den letzten beiden Jahren so viele Menschen gestorben wie im ersten Corona-Jahr, als die Bevölkerung laut Staatsdoktrin dem Virus völlig ungeschützt ausgeliefert war, hätte es insgesamt in diesem Zeitraum fast 60.000 Tote weniger in Deutschland geben müssen, davon ein knappes Drittel (gut 17.000) jünger als 70 Jahre, also deutlich unterhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung. Damit war besonders auch jene Gruppe von vermehrter Sterblichkeit betroffen, die ein äußerst geringes Risiko hatte, an COVID-19 zu sterben.

Wenn die Impfung das Problem wäre…

Die Corona-Impfungen haben die Sterblichkeit somit nicht verringert. Ob sie für die Übersterblichkeit mit verantwortlich sind, müsste geklärt werden. Wagt man anzunehmen, dass die Impfungen möglicherweise ihren Anteil daran hatten, könnte man die Frage stellen: Warum starben Untervierzigjährige und Übersiebzigjährige vermehrt 2022, mittlere Jahrgänge aber ganz besonders 2021?

Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass sich die jungen Menschen eher später erstmals impfen ließen, also Ende 2021 oder Anfang 2022. Für Kinder unter zwölf Jahren gab es bis Ende 2021 noch keine Impfempfehlung.
Die Übersiebzigjährigen ließen sich zwar häufiger frühzeitig impfen, aber möglicherweise hat ihnen das weniger geschadet als den Jüngeren. Bei ihnen könnten jedoch die Booster zu Buche schlagen, die in dieser Altersgruppe vermehrt 2022 in Anspruch genommen wurden.
Die mittleren Jahrgänge hingegen ließen sich zwar 2021 häufig impfen, nahmen aber im Folgejahr seltener einen oder mehrere Booster in Anspruch, wie RKI-Daten zeigen.

Solange die Ursache für tausende überschüssige Todesfälle auch in jüngeren Altersgruppen nicht geklärt ist, bleibt das allerdings genauso eine Spekulation wie die Behauptung zahlreicher „Faktenchecker“, wonach die Impfungen als Faktor nicht in Frage kämen.

Dies zu klären, wäre auch für die Zukunft äußerst bedeutsam. Pharmakonzerne arbeiten bereits daran, die umstrittene mRNA-Technologie auf andere Impfungen, zum Beispiel gegen Grippe und das RSV-Virus, sowie auf Arzneimittel, etwa gegen Krebs, auszuweiten.
Entgegen den Marketingkampagnen der daran verdienenden Pharma-Industrie darf weiter angezweifelt werden, dass diese Präparate tatsächlich harmlos sind.
*: Warum kam von der Linkspartei hier kein Aufklärungsinteresse ? Ich als Mitglied hätte das schon gerne wissen wollen.
Inside_CoronaUnd wieder einmal weise ich auf das Buch von Thomas Röper hin:
Inside Corona

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Meinungsfreiheit verteidigen!

Auch ich würde diesen Appell gerne unterzeichnen, habe aber noch nicht gefunden, wo. Hier ist er als PDF: Appell+ Meinungsfreiheit+verteidigen

CO-OP NEWS

Deutschland befindet sich in einer tiefen Krise. Sanktionen und Wirtschaftskrieg, Aufrüstung und Kriegsbeteiligung, Corona- und Klimapolitik haben zu Inflation, Preissteigerung, Energiekrise und in deren Folge zu einem massiven sozialen Abstieg für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung geführt. Die politisch Verantwortlichen sind unfähig und unwillig, ihrer verfassungsmäßigen Pflicht, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden sowie dem Friedensgebot des Grundgesetzes gerecht zu werden.

Die Außenministerin verkündet eine deutsch-amerikanische „Führungspartnerschaft“ und der Wirtschaftsminister verspricht dem US-Präsidenten eine „dienende Führungsrolle“ im Kampf gegen Russland. Mit dem Ziel, Russland zu ruinieren, ruinieren sie das eigene Land. Als NATO-Mitglied und mit Führungsanspruch in der EU tragen Bundesregierung und Bundestag mit ihren Entscheidungen zur Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine bei und schüren mit Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet und mit Feindseligkeiten insbesondere gegen Russland die Konfrontation zwischen den Staaten. Diplomatische Wege zur Beendigung des Krieges und zur Lösung des Konflikts werden abgelehnt.

Diese Politik des wirtschaftlichen und…

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Wikipedia-Meute hetzte gegen Clemens Arvay – der österreichische Waldbiologe wählte den Freitod

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Clemens Arvay +In den letzten Wochen sind einige Nachrufe für Clemens Arvay erschienen, von denen ich den von Boris Reitschuster hier deshalb verbreite, weil dieser Autor nicht in irgendeine Schublade zu stecken ist.
Ich habe 2020 ein Buch von Arvay über die Gefahren des Corona-Virus und der mRNA-Impfstoffe gekauft und auch hier darüber berichtet:
https://josopon.wordpress.com/2020/11/28/genetische-impfstoffe-gegen-covid-19-hoffnung-oder-risiko/
Seine damaligen Warnungen haben sich leider bewahrheitet, aber von Anfang an hat die von der Pharmaindustrie finanzierte Meute der Impfpropagandisten ihn angefeindet, ihn als Hochstapler verleudet, ihm seine akademischen Qualifikationen abgesprochen und an seinen Arbeitsstätten verleumdet. So, wie es dieser Mob eben macht, auch z.B. bei Markus Fiedler oder Daniele Ganser. Siehe https://www.youtube.com/watch?v=5rGcQLwv4hM
Nur gut, dass ich schon in Rente bin, die mir diese Brut nicht streitig machen kann.
Mittlerweile habe ich mir das Buch gekauft, mit dem er bekannt geworden ist: „Der Biophilia-Effekt“, über die Gesundheitswirkungen des Waldes auf den Menschen, s.u.
Das Buch gefällt mir ausgezeichnet, weil er einereits regelmäßig auf die Originalartikel in seriösen Zeitschriften verweist, auf die er seine Aussagen stützt – andererseits aber mit viel Empathie und Lebensgefühl schreibt und dabei einen warmen Optimismus vermittelt. Nur schade, dass dieser für ihn selber nicht mehr ausgereicht hat, angesichts der ständigen Kränkungen und ANfeindungen.
Und hier nun auszugsweise Boris Reitschuster:

„Es war eine Hinrichtung. Er war vollkommen verzweifelt“

Der Freitod von Clemens Arvay – die Geschichte einer Menschenjagd

Der Tod von Clemens G. Arvay hat viele Menschen aufgewühlt – auch mich. Der Wissenschaftler, der durch seine Kritik an der „Impfung“ genannten Gentherapie gegen das Corona-Virus bekannt wurde, hatte mit seiner sympathischen und offenen Art und seinem Mut einen Platz in den Herzen vieler Menschen gewonnen. Der Vater eines kranken, kleinen Sohnes wurde nur 42 Jahre alt. Über den Tod des charismatischen Wissenschaftlers habe ich mit dem Psychiater Raphael Bonelli gesprochen, der in einem engen Austausch mit Arvay stand. Bonelli macht die Hetze gegen Arvay in den Medien, in den sozialen Netzwerken und auch auf Wikipedia für die Entscheidung Arvays zum Freitod verantwortlich. Er berichtet auch von einer Art Abschiedsbrief, den der 42-Jährige hinterlassen hat: Einen Zettel, der in seinem Rucksack war.

„Er hat sich bei mir lange, über ein Jahr immer bei Whatsapp ausgeweint und ich konnte beobachten, wie dieser Mann immer mehr verzweifelt. Weil er ursprünglich ein gefeierter Experte war, vor Corona, wurde besonders hofiert, eher von den linken Medien, er hat sich selber als Linker identifiziert, hat sich stark gemacht gegen Antisemitismus, eine honore Persönlichkeit“, berichtet der Psychiater: „Es war eine unglaublich hasserfüllte Hetze.“ Weil er Arvay an sein Institut zu einem Vortrag eingeladen hatte, habe er selbst böse Briefe bekommen.

‚Tief verletzt‘

Von September 2020 bis September 2021 konnte er merken, „wie hier ein Mensch zerstört worden ist“, erzählt Bonelli: „Am Ende war er tief verletzt, am Ende fast paranoid, hat Feind von Freund nicht mehr unterscheiden können, er war vollkommen verzweifelt.“ Das habe er auch in dem Zettel geschrieben, der nach seinem Tod in seinem Rucksack gefunden wurde: „Er war verzweifelt über das, was über ihn gesagt wurde, empfand sich als völlig hilflos“, angesichts dessen, was alles geschrieben wurde.
„Ich bin wirklich ein Zeuge dafür, was alles Grausiges passiert ist um diesen Mann.“
Unter anderem wurden seine Universitäten mit Denunziations-Schreiben überhäuft – was dazu führte, dass er eine Doktoranden-Stelle nicht antreten konnte.

Das bittere Fazit von Bonelli: „Es war eine Hinrichtung. Es war eine Steinigung. Jeder hat einen Stein geworfen, der eine kleiner, der andere größer, keiner dieser Steine bringt um. Aber die Fülle der Steine, die können einen Menschen einfach erledigen. Das ist passiert beim Clemens.“
Vor allem die „Verewigung“ der Hetze auf Wikipedia habe ihn verzweifeln lassen.

Hier geht es direkt zu dem Video-Interview.

PS: Unterstützen können Sie den achtjährigen Sohn von Clemens Arvay durch eine Überweisung an Rosa Maria Arvay. Bank Austria, AT02 1200 0100 2724 0307 (BIC: BKAUATWW) – bitte unbedingt den Vermerk „für Jonny“ angeben.
Hier finden Sie die Hintergründe der Spendenaktion: https://youtu.be/QH8fJ9Z8DRQ

PPS: Bitter finde ich auch, dass viele großen deutschen Medien zu dem Tod Arvays schweigen. Dieselben Medien, die im Sommer 2022 groß über den Selbstmord der österreichischen Ärztin und Impf-Aktivistin Lisa-Maria Kellermayr berichtet und für diesen Impfkritiker verantwortlich gemacht haben. Selbst die Tagesschau berichtete damals groß. Sie sei in den Tod gehetzt worden, so der Konsens und die Anklage der großen Medien damals.
Arvay ist ihnen dagegen kein Wort wert. Manche Medien und Nutzer in den sozialen Medien hetzten auch über den Tod hinaus weiter ( https://reitschuster.de/post/impfkritiker-clemens-g-arvay-42-tot/).

Impfkritiker Clemens G. Arvay (42) tot

„Extremst gelitten“ unter Hetze – Psychiater: „Wikipedia-Macher töten!“

Clemens G. Arvay ist tot. Wie das Portal „report24.news“ jetzt berichtet, setzte der Wissenschaftler, der durch seine Kritik an der „Impfung“ genannten Gentherapie gegen das Corona-Virus bekannt wurde, am 18. Februar 2023 seinem Leben ein Ende.
Der Vater eines Sohnes wurde nur 42 Jahre alt. „Als er mit wissenschaftlicher Akribie schon früh die verfügbaren Studien zu den so genannten mRNA-Impfungen analysiert und öffentlich präsentiert hatte, wurde er zum Opfer einer unsäglichen Hasskampagne“, schreibt das Portal: „Dem Absolventen der renommierten BOKU Wien wurde unter anderem auf Wikipedia vorgeworfen, er habe als bloßer ‘Landschaftsgärtner‘ keine Ahnung vom Immunsystem.“

Hintergrund der Diffamierung ist Unwissen: Offenbar glaubten die Hetzer, bei der „University of Natural Resources and Life Sciences“, auf Deutsch „BOKU“, handle es sich um eine Uni, an der „Landschaftsgärtnerei“ unterrichtet würde, so „report24.news“: „Vor allem ein linksradikal motivierter Mob auf Wikipedia, der sich hauptsächlich hinter Pseudonymen verbirgt, und der ‘Volksverpetzer‘ haben nach Kräften versucht, seine Reputation zu beschädigen.“

Arvay hatte unter anderem sehr früh Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zulassungen für die mRNA-Stoffe geäußert. Inzwischen verdichten sie die Anzeichen dafür, dass er mit seinen Bedenken Recht hatte.
Viele Menschen schrieben in ersten Reaktionen auf die Todesnachricht, dass sie sich wegen der Bedenken von Arvay gegen eine Spritze mit dem mRNA-Wirkstoff entschieden haben.

Anmerkung: Ich auch !

Das Portal schreibt weiter zum Tod des nachdenklichen Wissenschaftlers: „Die Nachricht vom Tod Arvays trifft all jene, die in ihm, seinen evidenzbasierten Herangehensweisen, seinem zurückhaltenden Wesen und seinem gesamten Wirken und Forschen ein Vorbild sahen, mit großer Wucht. Hilflos steht man neben dem Geschehen und weiß, dass man nichts davon wieder reparieren kann, nicht nachträglich jede Hilfe anbieten kann. Die Entscheidung Arvays war endgültig – die Last aus der Gesamtsituation heraus für ihn wohl unerträglich.“

Typischer Linker

Dabei stammte Buchautor Arvay eher aus „linken Kreisen“: Aus solchen, „denen Naturschutz, Umwelt und Tierschutz ein echtes Anliegen sind und nicht nur bloße Lippenbekenntnisse“, so „report24.news“.

„Wikipedia“, das längst von einer Online-Enzyklopädie zu einem Diffamierungsportal wurde, hetzt gegen den Wissenschaftler in der gewohnten Manier: „Ab 2020 trat Arvay mit ablehnenden Äußerungen zu den Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie an die Öffentlichkeit und wurde zu einem der bekanntesten Impfskeptiker im deutschsprachigen Raum. Er fiel besonders durch irreführende Schlussfolgerungen über das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko der Corona-Impfstoffe auf.“

Die Verantwortlichen bei Wikipedia sollten sich einmal überlegen, was ihre Diffamierungen bei Menschen anrichten. Auch das via Gemeinnützigkeit vom Steuerzahler quersubventionierte Hetzportal „Volksverpetzer“, eine Art Kindergarten-Stasi im „Outsourcing“, hatte massiv gegen Arvay gehetzt. Es widmete ihm, wie vielen Regierungskritikern, ganze Diffamierungs-Artikel.
Mit Überschriften wie dieser – in Großbuchstaben im „Bild“-Stil: „ANTI-IMPFSTOFF-PROPAGANDA: WIE EUCH CGARVAY ÜBER MAILAB MANIPULIERT. WAS EUCH CLEMENS ARVAY VERSCHWEIGT.“
Früher wurde als Autor des Hetzbeitrages Jan Hegenberg genannt. Inzwischen steht nur noch „Volksverpetzer Team“ als Autor da.

Der Psychiater Raphael Bonelli, der Arvay persönlich kannte, sagt in einem Video zum Tod: „Er war sehr verzweifelt wegen der Medienkampagne, die gegen ihn gelaufen ist. Vor allem auf Wikipedia und von so manchen Medien wie Volksverpetzer oder Falter.“ Arvay habe „extrem darunter gelitten, wie er auf Wikipedia behandelt wird“. Er sei dort „in ein radikales Eck gebracht“ worden, ihm seien „immer wieder alle Qualitäten abgesprochen worden.“

Bonelli richtet einen Appell an diejenigen, die im Schutze der Anonymität bei Wikipedia über Menschen mit Klarnamen solche Dinge verbreiten: „Sie können töten! Sie töten damit! Sie bringen Menschen um. Das ist nicht nur bei Clemens Arvay so, sondern auch bei anderen Menschen, die ich kenne. Immer wieder hat er mich angerufen und hat geweint, wie Wikipedia ihn behandelt. Dieses pseudo-objektive Geschwafel von Menschen, die einfach andere Menschen kaputt machen wollen. Nur, weil er eine kritische Position zu Corona eingenommen hat, die sich als wahr herausgestellt hat“. Es handle sich um eine Katastrophe, so Bonelli: „Wir müssen umdenken. Diese Intoleranz, die wir in den letzten zwei, drei Jahren erlebt haben, ist tödlich. Und besonders die Hetze auf Wikipedia und von manchen Medien. Hören Sie auf damit! Nicht nur bei Clemens Arvay. Sondern auch bei vielen anderen Menschen!“

Besonders bitter und in meinen Augen unerträglich: Auf Twitter wird Arvay noch nach seinem Tod von rotgrünen Aktivisten mit Häme und Spott überzogen. Hier ein Beispiel, das mir die Sprache verschlagen hat:

Diese unerträgliche Hetze gegen einen Toten brachte es auf fast 5.000 Ansichten. Was sind das für Menschen, die so etwas veröffentlichen? Was läuft so falsch in unserer Gesellschaft, dass diejenigen, die sich für die besseren Menschen halten, auch nach dem Tod noch nachtreten gegen Andersdenkende?

Wenigstens gab es in den Kommentaren zu diesem Tweet Gegenwind.
Eine Nutzerin schreibt: „Diese Art von Öffentlichkeit hat Arvay mit in den Tod getrieben. Ihnen fehlt ein absolutes Mindestmaß an Anstand und Pietät. Sie sollten sich schämen.“ Ein anderer Nutzer schreibt: „Manchmal denkt man, man habe in alle Abgründe geschaut. Nach Deinem Tweet ist mir klar, es gibt immer abscheulichere.“ Ein weiterer Beitrag: „Wegen solchem Dreck hat er sich vermutlich umgebracht.“

Auch die Wiener Tageszeitung „Der Standard“, die Bonelli ebenfalls der Hetze gegen Arvay bezichtigt, betreibt in einem Bericht über den Selbstmord weiter ihr „Framing“ gegen den Verstorbenen. Und gegen Bonelli gleich mit.

„report24.news“ schreibt: „Wer dem sanften und freundlichen Menschen Clemens G. Arvay Ehre erweisen möchte, wird versuchen, seinen Zorn auf jene im Zaun zu halten, die ihm in den letzten Jahren so sehr unrecht getan haben. Man nehme sich an Arvays wissenschaftlichem Anspruch ein Vorbild: Immer bei den Fakten bleiben, immer selbstkritisch bleiben, Menschen, Tiere und Umwelt respektvoll und wertschätzend behandeln und dabei auch den Mut aufbringen, nach sorgfältiger Recherche das auszusprechen, was man als wahr herausgefunden hat.“

Das Portal kündigt an. „Es werden noch weitere Berichte und Recherchen folgen – im Speziellen werden wir die Rolle der systemtreuen und in Teilen linksextremen Hetzgesellschaft beleuchten, die ihn wohl in den Freitod getrieben hat. Zudem geschahen rund um seinen Todestag seltsame Dinge – seine Homepage ging offline und seine Videos zum Thema Corona verschwanden von YouTube. Wir werden diese Fragen für Sie aufklären.“

Tief empfundenes Mitgefühl

Ich werde mich dabei nach Kräften beteiligen. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen, insbesondere dem Sohn von Arvay. Es fehlen einem die Worte, um auszudrücken, was man in solchen Momenten empfindet!

Bitter finde ich auch, dass die großen deutschen Medien zu dem Tod Arvays schweigen. Dieselben Medien, die im Sommer 2022 groß über den Selbstmord der österreichischen Ärztin und Impf-Aktivistin Lisa-Maria Kellermayr berichtet und für diesen Impfkritiker verantwortlich gemacht haben. Selbst die Tagesschau berichtete damals groß. Sie sei in den Tod gehetzt worden, so der Konsens und die Anklage der großen Medien damals. Arvay ist ihnen dagegen kein Wort wert.

Es ist zum Fremdschämen.

Und zum Heulen.

Arvays Tod sollten alle – auf allen Seiten der Barrikaden – zum Anlass nehmen, in sich zu gehen.
Und nicht nur selbst von Hass und Hetze Abstand zu nehmen – sondern auch denjenigen auf die Finger zu klopfen, die Hass und Hetze verbreiten. Egal von welcher Seite.
Meinungsverschiedenheiten müssen mit Respekt ausgefochten werden. Bei uns werden sie dagegen allzu oft ausgetragen im Geist der Religionskriege: „Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein“. Diese Einstellung kann tödlich sein.

P.S.: Ich habe mich in diesem Fall entschieden, über das Thema Suizid zu berichten. Leider kann es passieren, dass depressiv veranlagte Menschen sich nach Berichten dieser Art in der Ansicht bestärkt sehen, dass das Leben wenig Sinn habe.
Sollte es Ihnen so ergehen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Hilfe finden Sie bei kostenlosen Hotlines wie
0800 1110111 oder 0800 3344533.

Hier ist das empfehlenswerte Buch von Clemens Arvay:

neues Buch – Arvay, Clemens G – Der Biophilia-Effekt | Heilung aus dem Wald | Clemens G. Arvay | Taschenbuch | Deutsch | 2016 | Ullstein Taschenbuchvlg. | EAN 9783548376592
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