Heiner Holl zum Krieg in der Ukraine

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

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Ein langer, lesenswerter, gut verständlicher Text eines viel wissenden Pädagogen

Wie man den Krieg in der Ukraine auch sehen kann und sollte

H_HollHeiner Holl, 25. 2. 2023

Man kann doch nicht – also einfach mir nichts, dir nichts – ein Nachbarland überfallen, was ich selbstverständlich auch genauso sagen würde, wenn es denn so wäre. Diese auch von mir verurteilte Vorgehensweise der russischen Führung, die natürlich nicht nur aus Putin besteht, habe auch ich nicht kommen sehen und war und bin wie die meisten schlicht fassungslos über das Vorgehen Russlands.
Dies kann aber doch nicht als alleinstehend angesehen werden, wie dies durch die Erfindung einer „Zeitenwende“ durch Scholz und seiner Entourage suggeriert werden sollte; leider bei den meisten Menschen auch erfolgreich. Es gibt schlicht keinen einzigen ernst zu nehmenden Hinweis auf Eroberungsgelüste der Mächtigen in Russland, (der jetzige Krieg in der Ukraine hat zu „Einverleibungen“ geführt, ok, das ist sicher auch ein Fehler der Russen). Falls dir welche bekannt sein sollten, bin ich für jede Info sehr dankbar. *) Dazu thematisiert immer wieder z.B. John J. Maersheimer, einer der profiliertesten, angesehensten, unabhängigen, keineswegs linken US-amerikanischen Ökonomen sehr fundiert nachvollziehbar und überzeugend.
Leute wie Roderich Kiesewetter (MdB, CDU) kann sowas aber nicht anfechten. Er und andere Multiplikatoren werden nicht müde, hartnäckig falsch in dieses Horn des angeblich imperialistischen Putin zu blasen. Frau Stramm-Stillgestanden, sorry Strack-Zimmermann, hat mir auf meine Frage, wo denn ein Beleg für ihre wiederholt geäußerten Behauptungen über die Angriffslust der Russen zu finden sei, geantwortet, sie habe sich auf einen Artikel von Putin vom 12.7.21 bezogen. Er habe sich angeblich in dieser Weise ausgelassen.
Auch nach nochmaligem, zweimaligen Lesen dieses ellenlangen durchaus hochinteressanten Artikels konnte ich beim besten Willen nichts finden, das man auch nur annäherungsweise in diese Richtung interpretieren könnte. Ihre Antwort war dann, sie habe nicht wörtlich zitiert, sie habe „paraphrasiert“, auf deutsch also verfälscht, schlicht gelogen.

Jeffrey Sachs, ein weiterer amerikanischer, bedeutender, angesehener, ernst zu nehmender, höchstrangiger Ökonom, Autor, Politik-Analyst, Russland-Kenner und inzwischen auch vehementer Kritiker der US-Präsidenten und Regierungen der vergangenen Jahrzehnte war es, der schon kurz nach dem terroristischen Anschlag auf die Gas-Pipelines mit eindeutigen Vorwürfen gegen die ach so bessere Biden-Regierung hervorgetreten ist.
Seymour Hersh, der wohl bedeutendste investigative, vielfach ausgezeichnete Journalist, hat inzwischen seine Recherche-Ergebnisse vorgelegt: Es waren die Amis, von langer Hand vorbereitet, nach dem (durch die deutschen Grünen herbeigeführten) Stopp der Gaslieferungen durchgeführt und von der deutschen Regierung demütig schwurbelnd hingenommen – was, beabsichtigt, zu unseren heutigen Energie-Hochpreisen geführt hat. Von solchen Leuten hört man in unserer so wunderbar „freien“ Presse so gut wie überhaupt nichts. Warum wohl? Wie sich unsere Regierung in dieser Sache verhält, ist nicht hinnehmbar. Mit der gebetsmühlenhaft vorgetragenen Lüge von den Gas- und Öl-Liefer-Stopps durch Putin hat sie den Unverschämt
heiten der Kriegsgewinnler Tür und Tor geöffnet. Die Zeche zahlen die „Kleinen“, abgesahnt wird in präzedenzloser Weise durch die Superreichen und tatsächlich Mächtigen – wie dies auch durch Oxfam angeprangert wurde. Folgen: natürlich keine.

Apropos: Putin hat sich immer wieder mal ziemlich – auch ausgiebig – mit der Darstellung der Geschichte Russlands beschäftigt, z.B. in dem bereits erwähnten, von vielen genannten, aber wahrscheinlich von den meisten gar nicht gelesenen Artikel vom 12.7.21, oder in seiner Rede vom 21.2.22 im weltweiten Fernsehen. Große Teile widmet er dabei der Überfall-Geschichte Russlands, als Opfer natürlich.

Dass die Wikinger nicht nur die britische Küste, sondern auch das Gebiet des späteren Russlands heimsuchten, also auch schon Täter waren, sei dahingestellt. Die Waräger (Rurik) haben vor über 1000 Jahren jedenfalls die Kiewer Rus gegründet, der Name Russland kommt daher. Das Gebiet der heutigen Ukraine ist somit das historische Ursprungsland Russlands (ähnlich der Kosovo als Herzland Serbiens).

988 wurde die griechisch-orthodoxe christliche Konfession eingeführt; das Zentrum Russlands als Großfürstentum und schließlich Zarenreich verlagerte sich später nach Moskau.
Im Hochmittelalter wurde Russland mehrere Male auf grausamste Weise von den blutrünstigen Reiterhorden der Mongolen überfallen und jahrhundertelang teilweise besetzt gehalten (die Zeit der „Goldenen Horde“ unter anderem).
Nach den Kreuzzügen in Palästina machten sich die „Deutsch-Herren“ (= Kreuzritter) auf, haben das Baltikum erobert, der Nationalheld Alexander Newski konnte sie besiegen. Die Polen errichteten zusammen mit den Litauern ein Riesenreich, das von der Ostsee bis fast zum Schwarzen Meer reichte, inklusive auch zeitweise Moskau. An der russisch besiedelten Schwarzmeerküste hatten sich inzwischen die Osmanen breitgemacht, was dann unter Jekaterina Velikaya, also Katarina der Großen zusammen mit der Krim erobert wurde.
Iwan IV, der angeblich „Schreckliche“, konnte endlich im 16. Jahrhundert die Tataren besiegen und hinauswerfen. Dann kam mehr als ein Krieg von Schweden gegen Russland.
Spätestens 1812 kam der Überfall Napoleons, der Krimkrieg 1853-56 ist dann schon auch von Russland als aggressiv gegen das osmanische Reich zu benennen, England und Frankreich mischten sich auf der Seite der geschwächten Osmanen ein. Es ging keineswegs nur um die Krim; eher fast schon ein kleiner Weltkrieg um Land, Ressourcen und Handelsrouten.
1914, nachdem das Deutsche Reich ihm den Krieg erklärt hatte, ging Russland zum Angriff über, musste aber 1918 die Besetzung und Ausplünderung der Ukraine durch das kaiserliche Deutschland nach dem Diktatfrieden von Brest-Litowsk hinnehmen, inklusive Hungersnot.
Nach der Oktober-Revolution 1917 kam der Bürgerkrieg und die Überfälle von allen Seiten: Amerika, England, Japan, Finnen, auch deutsche Freikorps durften nicht fehlen, die Bedrohung des revolutionären Russland war absolut existentiell. Die neu entstehende Sowjet-Union konnte alle wieder rauswerfen; Stalin als Nachfolger Lenins setzte jetzt alles daran, seinen Staat mit den bekannten brutalsten Methoden verteidigungsbereit zu machen, besonders gegen Nazi-Deutschland, dessen „Führer“ Hitler schon in seinem „Kampf“ die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und die Vernichtung der „jüdisch-bolschewistischen Herrschaft“ propagiert hatte.
Die sowjetfeindlichen Kulaken usw. der Ukraine mussten in den 30er Jahren den Holodomor, die große Hungersnot erleiden, aber in ähnlichem Ausmaß litten auch große Gebiete Russlands, es ging eben nicht nur gegen die Ukrainer, wie immer wieder behauptet.
Die bolschewistische Innenpolitik war furchtbar, aber nicht alleine nur gegen die feindlich gesinnten Ukrainer gerichtet. Im Winterkrieg 39/40 griff dann die Sowjetunion den Nachbarn Finnland an, weil die nämlich inzwischen zu Waffenbrüdern der deutschen Nazis zu werden drohten. Die Nazis hatten im Nichtangriffspakt Deutschland-Sowjetunion 1939 den Sowjets Finnland und Ostpolen als Interessensphäre überlassen. Beide Gebiete waren zu Zarenzeiten Teile des russischen Reiches gewesen, Ostpolen sogar mehrheitlich (weiß-)russisch besiedelt. Ohne diesen Angriffskrieg der Sowjets wäre Leningrad im GVK (= Großer Vaterländischer Krieg) kaum zu halten gewesen. Die Zahl der Toten nur in dieser einen sowjetischen Stadt, niedergemacht, meist dem Hungertod überlassen durch die immer noch bei vielen Deutschen als „sauber“ empfundenen Wehrmacht (dass die SS noch schlimmer war, macht es nicht besser) überstieg deutlich eine Million Menschen.
Putins Familie gehört zu den Belagerten, sein älterer Bruder kam um. Selbst wenn sich die Stadt ergeben hätte, wären die Bewohner dem Hunger zum Opfer gefallen. Die Deutschen kannten keinerlei Gnade oder Mitleid. Die Nazis hätten die Kapitulation nicht angenommen; das gleiche Schicksal war für Moskau geplant.

Der Generalplan Ost nannte 30 Millionen dem Hungertod zu überlassende slawische Untermenschen alleine in der Sowjetunion (die Zahl wurde ja fast erreicht). Am 27.1.23 (Gedenktag für die Opfer des Nazi-Regimes) wurden von B. Bas im Bundestag eine große Zahl von Menschengruppen als Opfer des NS-Regimes aufgezählt, alles fürchterliche Tatsachen. Nur: die mit weitem Abstand größte Gruppe der Opfer, nämlich die Russen, kamen nur als „slawische Völker“ vor! Wie tief können intelligente Menschen noch sinken?!? Fast vier Millionen Sowjet-Soldaten haben die Deutschen gezielt allein in deutschen Gefangenenlagern an Seuchen verrecken, meist aber verhungern lassen.

Diese Aufzählung der Überfälle auf Russland im Laufe der Jahrhunderte erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit, ist nur das, was mir ganz spontan zu diesem Thema aus dem Gedächtnis einfällt. Existentielle Bedrohung ist für Russen historisch in die Seele gebrannt.
Sie sehen sich seit dem Bruch der Versprechen, die NATO nicht auszudehnen, wieder in einer akuten existentiellen Bedrohungssituation. Vor allem, weil von Seiten der USA inzwischen praktisch alle Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsverträge gekündigt worden sind, in der Zwischenzeit in Polen und Rumänien Raketenstellungen eingerichtet wurden, die praktisch ohne Vorwarnzeit sowohl Moskau als auch St. Petersburg treffen können. Mit der Ukraine als NATO-Mitglied ist diese Bedrohungssituation deutlich gesteigert, wie dies Rußland immer wieder in aller Dringlichkeit und Deutlichkeit erklärt hat.

Als die Sowjetunion 1962 Atomraketen auf Cuba stationieren wollte – als Antwort auf die Stationierung der US-Jupiter-Raketen in der Türkei, drohte Kennedy sofort mit Atomkrieg. Nur weil Chruschtschow nachgab und die Raketen wieder zurückholte, konnte dieses Weltende vermieden, sprich auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Nachdem also zum wiederholten Mal Russland alleine von den Deutschen überfallen und spätestens 1945 im gesamten von der Wehrmacht im Krieg besetzten Gebiet total zerstört worden war, hat die Sowjetführung unter Stalin schon sieben Jahre nach dem ungeheuerlichen Vernichtungskrieg mit geschätzten 27 Millionen getöteten Sowjetmenschen das Angebot unterbreitet, die Deutschen mögen sich doch bitte schön baldigst wiedervereinigen. Die allereinzigste (!) Bedingung war: (Achtung, aufgemerkt!) kein Beitritt zur NATO! Also Bündnis-Neutralität wie Schweiz, Schweden, Österreich, Jugoslawien usw.
Nein_zur_Nato_DDR1957So stark wurde schon damals die NATO für die damalige Sowjetunion als existentielle Bedrohung empfunden, war sie doch nach dem bekannten Motto der selbsternannten westlichen Hegemonie-Macht USA ausdrücklich gegen die kommunistische Sowjetunion gegründet worden: „Keep the US in, the Sowiets out and the Germans down“, also feindlich gesinnt gegen alles, was zur Konkurrenz werden könnte, alles Linke oder gar Kommunistische sowieso.
Wie leider nicht anders zu erwarten, hat die westdeutsche Regierung dieses Angebot nicht richtig zur Kenntnis nehmen wollen. Die Wiedervereinigung wäre gegen den alleinigen Preis der Neutralität möglich gewesen. Stattdessen ist man 1955 in die NATO eingetreten, im Gegensatz zum ebenfalls in vier Besatzungszonen geteilten Kriegsverliererland Österreich, das sich 1955 problemlos und praktisch ohne nennenswerte Kosten wiedervereinigen konnte. Deutschland hatte hingegen durch die verspätete Wiedervereinigung 1990 astronomische Summen, nämlich mehrere Billionen dafür aufzubringen.

Dass die „Revolution“ der Ostdeutschen friedlich verlief, ist einzig und allein der Tatsache zuzuschreiben, dass Gorbatschow diesen Aufstand nicht mit Waffengewalt niederschlug – nicht, wie immer behauptet wird, den friedlichen Demonstranten.
Alle Besatzungstruppen, auch die sowjetischen zogen 1955 vereinbarungsgemäß aus dem neutralen Österreich ab. In der DDR blieben sie stationiert, mit Atombewaffnung, wie auch in der BRD mit westlichen Besatzungstruppen und allen Möglichkeiten für einen atomaren Weltkrieg z. B. aus Versehen. Mehrere Fälle von fast ausgebrochenen Welt-Atomkriegen sind bekannt.

Erst in diesem Schicksalsjahr 1955 wurde, wegen (!) des Eintritts Westdeutschlands in die NATO, der Warschauer Pakt gegründet, eben weil es der Sowjetunion nicht gelang, einem Gürtel neutraler Staaten als Cordon Sanitaire zu etablieren. So wichtig ist auch heute wieder den Russen eine Pufferzone an den eigenen Grenzen. Die Bundeswehr wurde aufgebaut, nach sehr problematischen Vorstellungen des damaligen Verteidigungsministers Strauß sollte sie auch atomar bewaffnet werden (dieses Ziel hatte er wohl bis zu seinem Tod 1988 im Auge, Wackersdorf wäre dazu der Durchbruch gewesen).
F-35_BomberHeute möchte die BRD unbedingt eine „atomare Teilhabe“ beibehalten, kauft für zig-Milliarden F-35 Atombomber in den USA, um die modernisierten Atombomben in Büchel mit je bis zu ca. 200 kT TNT Sprengkraft im Fall des Falles Richtung Osten zu tragen. Bis Polen würden sie wohl kommen, die Totalzerstörung Mitteleuropas wäre die unausweichliche Folge (die Bomben auf Japan 1945 hatten nur ca. 16kT Sprengkraft, sowas nennt man heute „Mini-Nukes“!).

Die Atomic Scientists haben die „Doomsday Clock“ (Weltuntergangsuhr) immer weiter Richtung Mitternacht geschoben, jetzt, 2023, steht sie auf gerade noch 90 Sekunden vor der Mitternacht der Weltvernichtung durch einen Atomkrieg, der wegen faktisch nicht mehr vorhandener Vorwarnzeit jederzeit auch unbeabsichtigt ausbrechen kann. Einen nicht auszuschlie­ßenden Atomwaffeneinsatz im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg nennen Leute, die sich Politikwissenschaftler deutscher Provenienz nennen, in Talkshows „Quatsch“ und „Blödsinn“, (ja gehts noch?).

Es war der 4-Sterne-US-General Lee Butler, der es treffend vor ca. 30 Jahren so zusammenfasste; „We escaped the Cold War without a nuclear holocaust by some combination of skill, luck and divine intervention …. probably the latter in greatest proportion…….“. (Wir sind im Kalten Krieg davon gekommen ohne einen nuklearen Holocaust – dank einer Kombination aus Geschick, Glück und göttlichem Eingreifen) . . . Göttliches Eingreifen, so weit sind wir schon gekommen, dass nur noch das helfen soll . . .

Beim Klima sind wir damit schon auf dem „richtigen“ Weg, da wird sogar divine intervention nicht mehr viel nützen, obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, was notwendig wäre oder gewesen wäre, um unseren Nachkommen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, nur: die Profite waren und sind immer wichtiger.

Nach dem Ende der Sowjetunion zogen die Russen ihre Truppen aus allen (!) Ländern des Ostblocks zurück, Comecon, die Wirtschaftsgemeinschaft des Ostblocks, zerfiel in viele Nationalstaaten, die Sowjetunion ebenfalls, der Warschauer Pakt wurde aufgelöst. Die SPD hat im Dezember 1989, also kurz nach dem Mauerfall in ihrem neuen Grundsatzprogramm, gültig bis 2007, die Auflösung des Warschauer Pakts (WP) gefordert, aber eben auch der NATO, ja der NATO! Übrigens auch Frankreich unter Mitterand. Ein neues Sicherheitssystem für ganz Europa inklusive Russlands wurde vorgeschlagen. (Der WP ist weg, der eigentliche Sinn und Zweck der NATO ist mit dem Verschwinden der Sowjetunion auch weg. Was macht die NATO? Sie verschwindet nicht, sie wendet sich ihren seitdem „beliebten“ „out of area“-Einsätzen zu. Inzwischen weitet sie ihren Wirkungskreis auf den indopazifischen Raum aus, schließlich gilt es, langfristig auch China als Konkurrent auszuschalten.)
Diese Zerschlagung des Ostblocks in viele kleinere Teile war ganz im Sinne der westlichen Hegemoniemacht USA. Der Truppenabzug der Russen erfolgte jedoch einzig und alleine, weil die West-Mäch­tigen Gorbatschow und Jelzin hochheilige Eide geschworen hatten, die NATO „not one inch“ nach Osten auszudehnen (die dazu zahlreich! verfügbaren öffentlich zugänglichen, aber hartnäckig abgestrittenen Dokumente sind bei der GWU **) in Washington jederzeit abrufbar, Überraschung!: es sind viele!).

Gorbatschow „schenkte“ dem Westen die ganze DDR, die sogar auch in die NATO durfte, mit der leider kaum überraschenden Folge, dass die Versprechen innerhalb kurzer Zeit samt und sonders gebrochen wurden, vom Westen natürlich.

Um nicht weiter abzuschweifen: Wenn ich diesen Angriffskrieg verurteile, wie alle außer den Putin-Schwurblern, dann komme ich jedenfalls trotzdem nicht umhin, der unmittelbaren Vorgeschichte ein näheres Augenmerk zu widmen. Das Völkerrecht gilt nicht nur für Russland, wie es scheinen mag, sondern für alle, sogar für die US-Amerikaner, die sich nachweislich einen Dreck um dieses Völkerrecht scheren, offensichtlich und erklärtermaßen machen, was sie wollen. Hauptsache ist, es dient letztendlich ihren wirtschaftlichen und Hegemonie-Interessen. Eine von der amerikanischen Regierung offiziell aufgestellten Liste der über 250 militärischen Eingriffe seit 1991 weltweit, kleineren und größeren Ausmaßes – sehr vieles davon alles andere als völkerrechtssauber – ist frei zugänglich, eine Lektüre dieser zwar sicher nicht vollständigen (die regime changes fehlen nämlich darin), aber aufschlussreichen Dokumente wäre allen Interessierten – und erst recht Interessepflichtigen – sehr zu empfehlen. Wenigstens z.B. die Irak-Kriege, die Feldzüge gegen Afghanistan, Libyen, Syrien und auch weitere sind hoffentlich vielen bekannt, (es blieben nach Eingreifen der NATO, oder ihrer Mitglieder, ausnahmslos zerstörte failed states übrig).
Der Kosovo-Krieg 1999 ist vielen schon aus dem Blickfeld entschwunden, liegt ja schon 25 Jahre zurück. Es war die verteidigungsfreudige, mit ihren 50 Jahren ohne ursprüngliche Sinnsetzung verbliebene NATO, die sich auch hier völkerrechtswidrig und brutal mit Angriffen auf die Infrastruktur und die Bevölkerung von ganz Serbien, unter aktiver Beteiligung der deutschen Bundeswehr, höchst unrühmlich hervorgetan hat. Die Kosovo-Albaner der sog. UCK waren bis etwa Ende 1998 offiziell Terroristen, ab Januar 1999 plötzlich Freiheitskämpfer. Scharping als deutscher Verteidigungs-, sorry völkerrechtwidriger Angriffskriegsminister, hat mit völlig unglaubwürdigen Lügen wie die von einer „Hufeisen“-Strategie des sicher alles andere als harmlosen Milosevich die erfolgreiche Hetze betrieben. Kürzlich hat unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk (ÖRR) seine Rolle so charakterisiert „Scharping planschte lieber im Pool, als sich um einen anstehenden Auslandseinsatz zu kümmern“, wie tief kann dieser ÖRR noch sinken? Und dies, ohne dass das überhaupt auffällt.
Wie sehr die Verteidigerrolle der NATO durch die Offensivrolle in den Hintergrund gedrängt wurde, ist leicht und fundiert nachlesen, Daniele Ganser wäre hier eine brauchbare Quelle, den man folgerichtig als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert. Joschka Fischer als grüner AA-Chef legte noch was drauf mit seinem „Nie wieder Auschwitz“, was bestenfalls als eine strafbewehrte Verniedlichung des Holocausts einzustufen wäre. Aber wen schert es, wenn man – wie heute wieder – so den grünen Pazifismus gründlich abstreifen kann.
Die deutsche Kohl-Regierung hatte schon 1991 eine höchst ungute Rolle gespielt, die Sezessionsbestrebungen von Slowenien und Kroatien ohne Absprache mit den europäischen EU- und NATO-Partnern umgehend durch die staatliche Anerkennung durch Außenminister Genscher belohnt, worauf die jugoslawische Zentralregierung militärisch eingriff (Putin hat sich das bei der Anerkennung der Donbas-Republiken zum Vorbild genommen, hat sich dafür aber immerhin acht Jahre Zeit genommen). Der Balkankrieg der 90er Jahre begann, nahm einen grausamen Verlauf mit u.a. Bombardierung von Sarajewo, dem Massaker von Srebreniza und der Vertreibung von ca. 200.000 Serben aus der kroatischen Krajina, nur einen Monat nach Srebreniza durch die noch reichlich ustascha-faschistischen Kroaten. Wie viele bei dieser Vertreibung umgekommen sind, wurde nie und nirgends auch nur gefragt, geschweige denn untersucht.
Im Kosovo, einer serbischen Provinz, dem historischen Herzland Serbiens, wurden die jugoslawischen Ordnungskräfte immer massiver von der terroristischen UCK angegriffen, was z.B. Milosevich schon am 28.6.1989 (600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld = Kosovo Polje) zum Anlass nahm, den Serben im Kosovo seine Unterstützung gegen die albanischen Kosovaren zuzusagen („Ab jetzt werdet ihr Kosovo-Serben nicht mehr geschlagen“).

Schon in den 80er Jahren den Kosovo-Serben wurde durch ihre muslimischen albanischen Mit-Kosovaren dermaßen zugesetzt, dass weit über 100.000 Serben die Provinz verließen. Im Endeffekt war das Hauptziel erreicht, nämlich die Zerstückelung Jugoslawiens und die Auslöschung des letzten Restes sozialistischer Regierung in Europa. In diesem Sinne ist auch die Zerschlagung des Ostblocks und der Sowjetunion, zukünftig auch Russlands zu sehen, wenn es nach dem Willen der USA geht. Schlussendlich wurde auch das Kosovo als eigenständiger Staat durch den Westen anerkannt, allerdings im Gegensatz zur Krim ohne eine Volksabstimmung, was Obama allerdings doch fälschlich behauptete.
Inzwischen sind die meisten jetzt selbständigen Teile Jugoslawiens Mitglieder der NATO und damit unter der Kontrolle der westlichen Konzerne.

Dieses „Verteidigungs“-Bündnis, das sich vor allem seit Ausschaltung der Sowjetunion durch eine ganze Reihe von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen meist für Ressourcen wie Öl usw. – auszeichnete, wurde vier Jahre nach Gründung der UNO ins Leben gerufen, was eigentlich den Weltfrieden sichern sollte. Der Völkerbund war vor dem zweiten Weltkrieg unter tatkräftiger deutscher Hilfe ausgeschaltet worden; es sieht nicht gut aus, dass Weltkrieg III verhindert werden kann. Die UNO ist unter dem Vetorecht der fünf Atomnationen Amerika, Russland, Frankreich, Großbritannien und China zum zahnlosen Tiger verkommen.
Die NATO strickt eifrig an ihren Plänen, das jetzige Russland so zu schwächen, dass es das Haupt nicht mehr zu erheben in der Lage sein kann. Das große Projekt der Zerstückelung des heutigen Russlands in viele kleinere, nach Nationalitäten orientierten Kleinstaaten steht spätestens seit den veröffentlichten Ideen des einflussreichen Z. Brzezinski auf der Tagesordnung, um sie der Reihe nach unter amerikanische Kuratel zu stellen und wie ein erlegtes Stück Großwild auswaiden zu können. Es leuchtet sehr wohl ein, dass sich die imperiale Hegemoniemacht USA die riesige Landmasse (den halben Erdteil) mit 17 Mio. qkm der heutigen russischen Föderation, voller ausbeutbarer wertvoller Ressourcen, mit nur ca. 145 Mio. Einwohnern praktisch menschenleer, als „fetten Braten“ nicht entgehen lassen.
Erst als der dem Westen willfährige Jelzin sich den Nachfolger Putin Ende 1999 geholt hatte, wurden diese schon ziemlich konkret gewordenen Pläne – zur Wiedervorlage – ad acta gelegt. Seitdem ist Putin der „Böse“. Mit dem Alkoholiker Jelzin hatten die Strippenzieher im Westen leichtes Spiel. Die Wiederwahl Jelzins 1996 wurde mit Dollarmilliarden durch Clinton sichergestellt, um die begonnene Ausplünderung durch Oligarchen und multinationale Konzerne fortsetzen zu können, das einfache Volk erlebte eine sehr schlimme Zeit von Entbehrungen, Verlust der staatlichen Ordnung, bis hin zu Versorgungskrisen, in Teilen Hungersnöte. Den Kapitalismus mit seinen angeblich segensreichen Auswirkungen aufgepfropft zu bekom­men, hat die heutigen Russen ziemlich geprägt, einer der Gründe, warum Putin so viel Unterstützung hat.

Die NATO wird weiter als Verteidigungsbündnis verkauft, da z.B. unsere Bevölkerung immer so gut wie alles glaubt, auch dieses. Erstaunlich viele fachkundige Menschen in den USA, so intellektuelle Größen wie Noam Chomsky, George F. Kennan, Jack Matlock, William Burns usw. warnten immer wieder, dass durch die NATO-Erweiterung nach Osten, entgegen allen Versprechen, eine hochgefährliche Situation entstehen könne. Trotz aller Warnungen wurden 1999 Polen, Ungarn und die Tschechei in die NATO aufgenommen, 2004 die bal­tischen Republiken, die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Bulgarien – in sehr vielen dieser Staaten feiert der jeweils eigene Nationalismus fröhliche Urstände, in der Ukraine als bereits auserwählter NATO-Kandidat besonders heftig. Seitdem stehen immer wieder auch deutsche Soldaten direkt an der russischen Grenze, ähnlich nahe an Petersburg/Leningrad wie vor 80 Jahren die verbrecherische Hitler-Wehrmacht.

Putin, der noch in seiner vor dem Bundestag mit stehenden Ovationen des gesamten Hauses gehaltenen Rede am 25.9.2001 sehr konstruktive und friedenssichernde Vorschläge gemacht hatte, hat 2007 bei der Sicherheitskonferenz in München in aller Klarheit gesagt, dass es so nicht weitergehen könne und die Ausdehnung des NATO-Gebietes auf die Ukraine eine nicht hinnehmbare existentielle Bedrohung Russlands darstellen würde. Jelzin hatte schon 1997 davor gewarnt, die Ukraine in die NATO aufzunehmen.

2008 hat trotzdem Bush jr. in Bukarest, gegen den erbitterten Widerstand von Merkel(!) und Sarkozy, durchgedrückt, dass nicht nur der Ukraine, sondern auch Georgien eine NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, jedoch ohne klare Fristangabe. Wie sagte doch eine bedeutende Politperson bei ihrem Abschied am 2.12.21 geradezu beschwörend: „Ich möchte dazu ermutigen, auch zukünftig die Welt immer auch mit den Augen des anderen zu sehen, also auch die manchmal unbequemen und gegensätzlichen Perspektiven des Gegenübers wahrzunehmen, sich für den Ausgleich der Interessen einzusetzen.“ Genau dieses Argument kam auch 2008 in Bukarest – beides von A. Merkel. Ihre Zapfenstreichrede 2021 kam nicht mal drei Monate vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Diese wichtige Merkel-Aus­sage wurde aber – überhaupt nicht erstaunlich – von niemanden auf Seiten der Medien auch nur wahrgenommen: zitiert wurde sie nirgendwo, weder Print noch Funk oder Fernsehen. Aufgefallen ist er in der Friedensbewegung, die leider bundesweit nicht in der Lage ist, breite Medienaufmerksamkeit zu erreichen.
Wie konnte Frau Merkel nur darauf kommen, mit dieser dringenden Mahnung, die eigentlich eine banale Selbstverständlichkeit ist, in Erinnerung bleiben zu wollen? Wahrscheinlich haben die zuständigen Stellen doch nicht alles getan, den Krieg zu verhindern, vielleicht eher, diesen sogar provokativ herbeizuführen. Fragen über Fragen.

Anfang August 2008 glaubte der Präsident von Georgien, Saakaschwili, durch massiven Beschuss der seit Jahren abtrünnigen, russlandfreundlichen Provinz Südossetien die NATO animieren zu können, ihm bei dieser vom Zaun gebrochenen Aggression beizustehen. In Südossetien standen damals russische Friedenstruppen, die die Spannungen an der heiklen Grenze eindämmen sollten. Zur Verteidigung herangeholte russische Truppen sind dann erst in Georgien einmarschiert, fast bis Tiflis vorgedrungen. Innerhalb von fünf Tagen war dieser Spuk vorbei – die NATO hatte nicht eingegriffen, die russischen Truppen zogen sich zurück. Noch heute wird dieses Ereignis immer wieder als Angriff der Russen auf Georgien dargestellt, obwohl alles längst durch internationale Gremien als Angriff des neuen NATO-Kandidaten Georgien richtiggestellt worden ist. Wen interessiert schon die Wahrheit, wenn der Russ‘ immer der Böse sein soll und muss.

2010 kam in der Ukraine durch demokratische Wahl V. Janukovich als Präsident an die Macht, der die engen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland im Gegensatz zu seinem EU-freundlichen Vorgänger V. Juschtschenko aufrechterhalten und die Ukraine, sogar laut Verfassung, neutral halten wollte. Juschtschenko war aus der „orangenen“ Revolution von 2004 als Sieger hervorgegangen, er hatte die Annäherung an den Westen gesucht, was durch die von Janukovich demokratisch einwandfrei gewonnene Wahl zunächst auf die lange Bank geschoben war.
Weil mit Präsident Janukovich die Ukraine den Fängen des westlichen „Werte“-Kapitals zu entgleiten drohte, wurde massiv mit Dollar-Milliarden (V. Nuland, US-Staatssekretärin, nannte 2014 fünf Mrd. $, eine geradezu astronomische Summe für solche Zwecke) dafür gesorgt, dass die nationalistischen Kräfte in der Ukraine auch militärisch aufgebaut wurden, heute wird das elegant über NGOs, die sich harmlos anhören, erledigt. Bis 2014 wurden so z.B. die Nazi-Nachfolger, die Bandera-Anhänger beim „Rechten Sektor“, die Swoboda-Partei, die Asow-Leute usw. soweit aufgebaut, dass der Putsch vom Februar 2014 gelingen konnte.

„Slava Ukraini“ – so grüßt man heute wieder allgemein in der Ukraine, was zu deutsch am treffendsten mit „Sieg Heil!“ zu übersetzen wäre, die hartgesotteneren Nazis grüßen mit „Geroyam Slava“ zurück (= Ruhm den Helden, gemeint sind die ukrainischen Nazis, die bis ca. 1955 z.B. unter Bandera nazitreu gegen die Sowjets gekämpft haben. Sie haben sich im 2. WK eifrigst am Juden-, Polen-, Kommunisten-Massenmord aktiv beteiligt). Heute nennt man sowas üblicherweise Terroristen, aber was ist heute schon üblich, erst recht, wenn es gegen Linke geht?)
Diese Patrioten haben es geschafft, dass die Ehrendenkmäler für Sowjettruppen, sehr viele Ukrainer darunter, geschleift werden, dagegen werden die protzigen Denkmäler für Bandera und seine Nazischergen wieder errichtet, Nazi-Straßennamen ersetzen in großer Zahl die früheren, heute unliebsamen Namen der Befreier, wie Bundespräsident R. von Weizsäcker am 8.5.1985 im Bundestag sie zu nennen wagte. Wer heute in Deutschland „Sieg Heil!“ ruft, kann im Knast landen, der ukrainische Nazi-Gruß ist täglich aus dem Munde des ukrainischen Präsidenten zu hören, auch deutsche höchstrangige Politiker entblöden sich nicht, das gleiche zu tun. Sind die so dumm, oder so unwissend, oder beides oder gar Schlimmeres?

Als Ende 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU zur Unterschrift anstand, was sogar auch Janukovich anfänglich befürwortete, machte Putin die ukrainische Regierung darauf auf­merksam, dass die von der EU geforderte Einstellung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland voraussichtlich zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Stattdessen stellte er sogar einen 17 Mrd. Dollar-Kredit in Aussicht, Präsident Janukovich machte daraufhin einen Rückzieher und unterschrieb nicht. Zur Erinnerung: Die Alt-Kanzler Schmidt, Kohl, Schröder, der Ex-EU-Kommissar Verheugen, der Braunschweiger Ex-Regierungspräsident Lange, Ex-Außenminister Genscher, Ex-Entwicklungsminister Eppler, Ex- EU-Kommissionspräsident Juncker, der US-Ökonom Maersheimer und sicher noch viele andere haben alle dieses Assoziierungsabkommen als sehr gefährlich erkannt und dringendst davor gewarnt, die Ukraine auf diese Weise von Russland zu entfremden. Die Vorgaben Brzesinskis waren aber gewichtiger, der gesagt hatte: Die Ukraine ist der Dreh- und Angelpunkt, um Russland entscheidend zu schwächen, ohne die Ukraine ist Russland keine Großmacht mehr. Auch Kissinger riet dazu, den Frieden durch die Neutralität der Ukraine zu erhalten. Damit wäre ja die Ukraine offen nach beiden Seiten geblieben und würde auch als Pufferstaat dienen können.

Dieser nur allzu begründete Rückzieher führte zu zunächst friedlichen Pro-EU-Demon­stra­tionen auf dem (Euro-)Maidan, dem großen prächtigen Platz in Kiew, vorwiegend getragen durch die von den US-Amerikanern unterstützten Neonazis, die teilweise sogar mit Nazi-Hakenkreuzen marschierten. Die Proteste eskalierten allerdings bis Februar 2014, als dann auch Vertreter des Westens versuchten, die Gemüter zu kühlen. Steinmeier, Fabius und Sikorski, alle drei Außenminister ihrer Länder Deutschland, Frankreich und Polen berieten mit Präsident Yanukovich, Klitschko und anderen; sogar dem Ober-Nazi Tyanibok (berühmtes Zitat dieses Neo-Nazis aus Wikipedia: „Ukrainische Patrioten kämpften gegen Russen, gegen die Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!“) und kamen tatsächlich zu einem Kompromiss, der die gewalttätigen Proteste beenden sollte.
Allerdings hatten die Nazi-Protestler inzwischen dafür gesorgt, die Stimmung auf dem Maidan „explodieren“ zu lassen. Es gab plötzlich massiven Scharfschützenbeschuss aus den Obergeschossen von zwei durch die Aufständischen beherrschten Gebäuden, dem Konservatorium und einem Hotel. Es wurde unterschiedslos in die Menge der Demonstranten und Ordnungskräfte geschossen, gezielt auf Menschen. Es müssen mindestens drei Scharfschützen gewesen sein, die laut unbestätigten Berichten (le verità nascoste, leider nur italienisch, deshalb hierzulande nicht zur Kenntnis genommen) aus Georgien geholt und vor Ort mit Präzisionswaffen ausgerüstet wurden.

Professionell und nachvollziehbar wurde dieser Massenmord mit über 100 Opfern und zahlreichen Verletzten nie aufgeklärt. Die ukrainischen Nazis schoben alles Präsident Janukovich in die Schuhe, der daraufhin Morddrohungen erhielt und sich über Charkow, den Donbas und die Krim nach Russland absetzen konnte. Seine Absetzung als Präsident erfolgte eindeutig rechtswidrig, weil die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden.

Vorher hatte V. Nuland („Fuck the EU“), damals wie heute Vize-Außenministerin der USA und für die Ukraine und den Coup zuständig, zusammen mit US-Botschafter Pyatt die Weichen für die neue Putsch-Regierung gestellt: Statt Klitschko sollte Jazeniuk Ministerpräsident werden, drei seiner Minister kamen aus den Reihen der radikalen Neo-Nazis, insgesamt ein klassischer Regime-Change à la USA und alles andere als demokratiekonform.
Wenn also vorher eher die mehrheitlich russischsprachigen Ukrainer aus dem Osten und Süden des Landes politisch führend waren, waren jetzt die extrem nationalistischen ukrainisch-sprachigen aus dem Westteil am Ruder. Eine Situation, die in diesem Vielvölkerland aus Russen, Ukrainern, Rumänen, Ungarn und Polen immer wieder zu Spannungen geführt hatte.

Wenige Tage später wurde Turtschinow als (nicht gewählter) Übergangspräsident installiert, vom jetzt Neonazi-dominierten Parlament u.a. ein Gesetz erlassen, das die russische Sprache im Verkehr mit Behörden praktisch verbot (das allerdings vom Übergangspräsidenten T. dann doch nicht in Kraft gesetzt wurde. Später kamen aber sehr wohl Vorschriften gegen die russisch-sprachigen Ukrainer). Schon dieses Gesetz gegen den offiziellen Gebrauch der russischen Sprache brachte die überwiegend russisch-sprachigen und dem Regimewechsel kritisch entgegenstehenden Donbas-Oblaste Donezk und Lugansk dermaßen auf die Palme, dass sie umgehend die Unabhängigkeit von der Zentralregierung erklärten und die Gründung ihrer Volksrepubliken vorbereiteten und durchführten – der Zündfunke für den Bürgerkrieg im Donbas. Dieser Bürgerkrieg, intern ausgetragen in den neu gebildeten Volksrepubliken DNR und LNR, wurde bald von den Separatisten „gewonnen“, jedenfalls hatten sie ab jetzt die Entscheidungsgewalt. Inwieweit dabei russische Einmischung eine Rolle gespielt hat, ist völlig unklar.

Putin seinerseits erkannte, dass die seit 1783 auf der Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol durch Maßnahmen einer neonazilastigen Zentralregierung mit NATO-Aspirationen in Kiew bald auf NATO-Territorium liegen könnte und bereitete eine Volksabstimmung vor, die am 16.3.2014 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an Russland ausging. Diese Volksabstimmung hatte u.a. dadurch einen friedlichen Verlauf, weil Putin dafür gesorgt hatte, die auf der Krim stationierten ukrainischen Militärtruppen durch die aus Sewastopol ausschwärmenden dort stationierten russischen Soldaten, als „grüne Männchen“ ohne Rang- und Hoheitsabzeichen getarnt, insbesondere die Kasernen des ukrainischen Militärs abriegelten. Die ukrainischen Soldaten konnten noch wollten eingreifen.
Erstaunlicherweise wurde diese Sezession/Annexion der Krim zwar kritisiert, aber doch ziemlich klaglos im Westen hingenommen. Noch 2015 nahm die deutsche Wirtschaft, gestützt von der GroKo-Bundesregierung in Zusammenarbeit mit Gazprom die Nord-Stream2-Gas­leitung in Angriff. Von einer möglichen Einschränkung der Energielieferungen aus Russland war nie die Rede, schließlich hatte man sich im Westen auf die billigen Energielieferungen langfristig eingestellt.
Die Grünen maulten zwar unisono mit den USA, das war’s dann aber auch schon. Diese Gaslieferungen waren ja konstitutives Element des deutschen Energie-Wende-Plans gedacht als Übergangslösung für den Ausfall der Atom- und Kohleenergie, auf die man durchaus sinnvollerweise zur Klimarettung verzichten wollte.

Da vor allem die immer noch schwachen ukrainischen Regierungstruppen sich z.T. auch weigerten, mit militärischer Gewalt gegen die separatistischen Landsleute vorzugehen, wurden die meist aus der West-Ukraine stammenden Milizen des Nazi-Asow-Regiments geholt, die ohne Vorbehalte gegen die Russen des Donbas vorzugehen bereit waren. Ab 14.4.2014 wurden also die Separatisten von außen beschossen. Das anfängliche Vorrücken der Separatisten konnten gestoppt werden, alles spielte sich aber vorerst auf dem Gebiet des Donbas ab.

Zu welchen Verbrechen die Faschisten der Ukraine fähig sind, zeigte sich am 2.5.2014 in Odessa. Mehrere Dutzend Maidan-kritische Demonstranten wurden von diesen Rechtsextremen am und im brennenden Gewerkschaftshaus ums Leben gebracht. Auch diese Verbrechen wurden nie aufgeklärt.

Den eigentlichen Startschuss zum Krieg in der Ukraine gab die ukrainische Regierung am 14.4.2014. (Nicht der 24.2.22, als die russischen Truppen in die Ukraine einmarschierten, ist Auslöser dieses verheerenden Schlachtens). Ab diesem Tage wurden die Donbas-Volksrepu­bliken mit schwerer Artillerie massiv beschossen. Rücksicht auf zivile Bevölkerung, Infrastruktur, Schulen oder Krankenhäuser gab es nicht.
Dieser Beschuss dauerte als Krieg niederer Intensität bis Mitte Februar 2022 an. Von internationaler Seite wurde versucht, durch Waffenstillstandsabkommen Minsk 1, und nach dessen Scheitern Minsk 2, die Feindseligkeiten einzudämmen. Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland konnten sich tatsächlich auf dem Papier einigen. Vor allem aber von ukrainischer Seite wurden diese Vereinbarungen nicht eingehalten. Die pflichtvergessenen Garantiemächte D und F kümmerte das wenig.
Als Ergebnis dieses Beschusses niedrigen Niveaus ist mit geschätzten insgesamt ca. 14.000 Toten und erheblichen Zerstörungen im Donbas zu benennen. A. Merkel hat im Dezember 2022 offen zugegeben, dass die Minsk-Abkommen für den Westen den versteckten Zweck hatten, der Ukraine genügend Zeit zu verschaffen, um aufzurüsten. Vor allem mit US-Hilfe massiv vorangetrieben, wurden tausende junge ukrainische Soldaten von amerikanischen Ausbildern militärisch trainiert. In den Minsk-Abkommen war u.a. sogar vorgesehen, den Donbas-Oblasten eine schon länger geforderte weitgehende Autonomie mit freien Wahlen zuzugestehen, was in einer bis spätestens Ende 2015 neu auszuarbeitenden ukrainischen Verfassung festgezurrt werden sollte. Über die Krim sollte erst nach ca. 15 Jahren weiterverhandelt werden, die schweren Waffen sollten umgehend zurückgezogen werden.

2019 stand wieder die Präsidentschaftswahl in der Ukraine an. Der Oligarch Poroschenko, der 2014 zum Präsidenten gewählt worden war, und neben anderen W. Selenski waren Kandidaten. Selenski trat mit dem Plan an, im Donbas endlich Frieden zu schaffen, die extreme – übrigens auch heute immer noch weitgehend bestehende – Korruption zu bekämpfen. Nach der Wahl, die Selenski mit großer Mehrheit gewinnen konnte, war von Frieden im Donbas bald nicht mehr die Rede, schlicht weil der rechte Sektor Selenski mit dem Tode bedrohte. Schnell war er von seiner Friedensabsicht abgerückt. Angeblich hat es in der Korruptionsfrage Fortschritte gegeben. Die Ukraine ist aber immer noch als das mit weitem Abstand korrupteste Land Europas eingestuft, nur Russland steht in dieser Rangfolge noch schlechter da.

Selenski hat sich schon 2014 auch wie folgt geäußert: „In the East and in Crimea the people want to speak Russian. Leave them alone, just leave them alone. Legally provide them the right to speak Russian. Language should never divide our country. I am of Jewish heritage, I speak Russian. I am a citizen of Ukraine. I love this country and I don’t want to be part of another. Russia and Ukraine are brotherly people, I know many millions, thousands of people who live in Russia and who are wonderful.
We are one colour, one blood, we understand each other, irrespective of language. „

(Russland und Ukraine sind Brudervölker, wir sind eine Farbe, ein Blut, wir verstehen einander, unabhängig von Sprache.)

Selenskis Militärberater O. Arestovych gab noch vor der Wahl 2019 ein gespenstisch beeindruckendes, längeres Interview mit seiner Sicht auf die kommenden Jahre. Seine Voraussagen sind mit überraschend hoher Genauigkeit Wahrheit geworden. Die Ukraine, deren Führungselite das Land in die NATO führen wollte, müsse erst einen verheerenden Krieg mit Russland durchmachen, der in den Jahren 2020 bis 2022 – und zwar mit „99,9%iger Wahrscheinlichkeit“ – stattfinden würde. Ohne diesen Krieg hätte die Ukraine keinerlei Chance, in die NATO aufgenommen zu werden, denn durch diesen Krieg solle Russland so weit geschwächt werden, dass es die Weigerung, die Ukraine für die NATO „frei“ zu geben, aufgeben müsse.
Die dafür notwendige Ausstattung mit modernen Waffen würde von den USA und den westlichen Staaten geliefert werden. Die USA hatten und haben natürlich ein großes Interesse daran, Russland niederzuringen, ohne mit eigenen Soldaten, also direkter Beteiligung der NATO selbst antreten zu müssen.

Die Rechtslastigkeit der Regierungen der Nach-Maidan-Zeit, also auch der Selenski-Regierung, zeigt sich nur zu deutlich in den zahlreich verbotenen oppositionellen Parteien, Zeitungen, Fernsehstationen usw. Opposition findet in der Ukraine schlicht nicht mehr statt, Demokratie sieht anders aus. Davon hört man hier im Westen allerdings so gut wie nichts, die Unterdrückung der Opposition in Russland füllt hingegen die Gazetten; auch hierzulande ist es praktisch höchst ungehörig, wenn nicht klammheimlich verboten, sich kritisch zum Ukrainekrieg zu äußern. Vom Westen sind inzwischen fast alle kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und sportlichen Kontakte mit der russischen Seite gekappt worden, russische Künstler in Deutschland mussten sich z.B. vom russischen Vorgehen in der Ukraine schriftlich distanzieren, sonst waren sie ihren Job los.

Im März 2021 verkündete Selenski, militärisches Ziel sei, die gesamte Ukraine, den Donbas und die Krim zurückzuerobern, das Jahr 2021 war der Vorbereitung dieser Rückeroberung gewidmet. Putin legte noch im Dezember 2021 auf Anforderung der USA seine Vorschläge für Verhandlungen vor, im Wesentlichen wollte er die garantierte Neutralität der Ukraine, die Nicht-Ausdehnung der NATO, den Rückzug der westlichen Truppen aus den früheren Ostblockstaaten.
Der Westen ging nicht darauf ein, Verhandlungen aufzunehmen, kanzelte das Papier als unerfüllbar ab. Schon im Januar massierte Selenski seine Truppen an der Kontaktlinie zum Donbas und ab dem 15.2.22 setzte wieder extrem massiver Beschuss auf den Donbas ein, bis zu vierzigmal heftiger als im Durchschnitt der vorausgegangenen Zeit (alles fein säuberlich von der OSCE dokumentiert). Sechs Tage später, am 21.2.22 erklärte Putin, die Donbas-Volks­republiken würden als unabhängige Staaten anerkannt, am 22.2.22 wurde dieser Beschluss in der russischen Duma abgesegnet, ein Beistandspakt wurde ratifiziert, die Volksrepubliken forderten daraufhin die russische Hilfe an. Am 24.2. 22 wurde dann, wie bekannt, der schon seit acht Jahren andauernde Ukraine-Krieg mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine wesentlich ausgeweitet.

Der Krieg begann also nicht am 24.2.22, wie uns die westlichen Medien glauben machen wollen, sondern mit dem militärischen Eingreifen des ukrainischen Militärs am 14.4.2014 gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Donbas-Republiken, nach einer jahrzehntelangen Vorgeschichte, die mindestens bis 1990 zurückreicht.

In den Tagen vor dem Einmarsch befand sich Putin quasi in einer Dilemma-Situation: greift er angesichts des massiven Beschusses des Donbas durch die ukrainische, von den Amis kriegsbereit hochgerüstete Armee nicht ein, muss er mit massivem Druck der eigenen Bevölkerung rechnen, marschiert er aber doch ein, ist er international endgültig unten durch. Der Einmarsch war tatsächlich dermaßen umfangreich und erdrückend, so dass anscheinend von russischer Seite fest damit gerechnet wurde, die ukrainische Führung setze sich ins Ausland ab und die Ukraine ergebe sich nach wenigen Tagen, wie 2008 in Georgien, um die zu erwartenden großen Schäden und Opfer zu vermeiden.
Selenski und seine Führungsriege jedoch gaben nicht klein bei, der Regierungschef blieb in Kiew. Nach wenigen Tagen wurden die ersten Waffenstillstandsverhandlungen in Belarus aufgenommen, die Ende März in Istanbul tatsächlich zu einer Einigung führten. Diese unterschriftsreife Einigung wurde dann aber doch nicht von der Ukraine angenommen. Sie war von Erdogan vermittelt worden, dem türkischen Ministerpräsidenten, und enthielt die Kompromisse, die Selenski und Putin eingegangen waren, um die Ausweitung des Krieges zu verhindern, im Wesentlichen, was schon im Minsk II-Abkommen 2015 erreicht, aber nicht eingehalten worden war. Der israelische Ex-Minister­präsident Bennett hatte seinerseits schon kurz vorher mit beiden Seiten getrennt Gespräche geführt, mit guten Aussichten auf einen Verhandlungserfolg, was dann auch in das Istanbuler Papier mit einging.

Vor Kurzem hat Bennett bestätigt, dass unter Druck der USA dieser Verhandlungsabschluss eines Waffenstillstands nicht zustande kam, er sei gezielt blockiert worden. B. Johnson wurde umgehend nach Kiew geschickt, um eine Übereinkunft zu verhindern und den Ukrainern zu versichern, sie würden alles bekommen, was sie an Waffen und Material benötigen, um die russischen Truppen aus dem Land zurückzudrängen, den gerade anlaufenden Krieg also militärisch zu gewinnen. Auch Deutschland und Frankreich wollten laut Bennett dieses Abkommen nicht. Frau Baerbock sprach aus, worum es eigentlich ging: Russland zu ruinieren.
Inzwischen ist sie noch deutlicher geworden: Wir sind im Krieg mit Russland. Der Westen liefert Waffen, inzwischen immer mehr und immer tödlichere, schickt aber die Menschen der Ukraine in die blutige Schlacht. Seit diesem Zeitpunkt kann leider die Situation getrost als völlig verfahren bezeichnet werden. Eine Lösung scheint nicht in Sicht, die Zahl und das Ausmaß der Schäden und Opfer auf beiden Seiten nehmen immer weiter zu und vor allem Selenski weigert sich jetzt strikt zu verhandeln, solange russische Truppen sich noch auf ukrainischem Boden befänden.
Die militärischen Ergebnisse und Vorstellungen der russischen Seite sind auch nicht gerade dazu angetan, einen Verhandlungserfolg, so es denn zu Verhandlungen kommen würde, für wahrscheinlich oder möglich zu halten. Eine Ausweitung zu einem neuen, dritten Weltkrieg kann leider nicht ausgeschlossen werden.

USA-NATO führt übrigens nicht nur den Stellvertreterkrieg gegen Rußland in der Ukraine, die Ukrainer sind die Leidtragenden, das Kanonenfutter, sondern auch gegen Europa und speziell gegen Deutschland als Konkurrenten, erlassen – sogar mit Billigung der „Bündnispartner“ .- massive Sanktionen gegen Rußland, die aber vor allem genau die eigenen Verbündeten treffen, sprengen laut Seymour Hersh am 26.9.22 die vier gewaltigen Pipelines der Nord Stream. Angeblich völlig unschuldig.
Jetzt soll der Sicherheitsrat der UNO diesen Terrorakt untersuchen (Jeffrey Sachs, Ray McGovern). D, S, Dk, N hüllen sich in Schweigen, also (und es würde mich nicht wundern, wenn genau das rauskommen würde) ein demütig hingenommener Terrorangriff durch einen angeblich Verbündeten.
Eigentlich ein kriegerischer Akt, ein Fall für Artikel 5 des Nato-Vertrags durch die Führungsmacht dieser Nato gegen Deutschland und Europa.
Zig Mrd Verluste an Investition, Zwang zum Kauf der maßlos überteuerten Ersatz-Energie, Inflation, usw. USA offiziell „very gratified“ (V. Nuland) durch Pipelinesprengung, die angeblich völlig ungeklärt ist (Aliens??).
Biden selbst hatte, sogar in Anwesenheit des begossenen Pudels Scholz, die Zerstörung der Leitungen am 7.2.22 angekündigt. Verkackeimern können wir uns wirklich selber, dazu brauchen wir die Amis nicht. Oder soll jetzt der Rest der Nato gemeinsam die USA militärisch angreifen und dort Ordnung schaffen?!?…………..

Dieser lange Text enthält leider keine Querverweise. Wer so etwas möchte, dem sei das aktualisierte Buch von Thomas Röper empfohlen, in dem sehr ausführlich zitiert wird.

*: Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.

**; George-Washington-University

Jochen

Erinnerung – Willy Wimmer im Jahr 2014: «Die USA und die NATO tragen die Fackel des Krieges nach Russland»

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

https://globalbridge.ch/der-deutsche-politiker-willy-wimmer-im-jahr-2014-die-usa-und-die-nato-tragen-die-fackel-des-krieges-nach-russland
Auszüge:

Willy_WimmerIm Herbst 2014 kritisierte der frühere verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion und ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Willy Wimmer, die Außen- und Sicherheitspolitik des Westens.
Insbesondere den USA warf er einen fortgesetzten Bruch des internationalen Völkerrechts vor.
Wenn man das damalige Interview, erschienen in der deutschen Vierteljahreszeitschrift «DIE GAZETTE», heute liest, kann man nur eines sagen:
Willy Wimmer war nachgerade ein Prophet. Wir recht er doch hatte!
Und warum hat man nicht auf ihn gehört? – Hier das Interview im Wortlaut.

Frage: Herr Wimmer, in Ihrem neuen Buch „Wiederkehr der Hasardeure“ warnen Sie, 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, vor Schattenstrategen, Kriegstreibern und Profiteuren, die unsere Welt bedrohen. Was sind Hasardeure?

Wimmer: Es sind diejenigen, die mit der Existenz und der Sicherheit von Menschen und Völkern spielen. Es sind diejenigen, die aus politischen Krisen, Rohstoff-Interessen oder finanzieller Gier ihre wirtschaftliche und politische Hegemonie durchsetzen wollen – auch wenn das Krieg bedeutet.
Ich hatte gehofft, dass nach dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands eine Periode der Stabilität und der friedlichen Entwicklung einsetzt.
Das Gegenteil ist der Fall: Die Welt ist kriegerischer, brutaler, unsicherer geworden.

Sehen Sie diese „Hasardeure“ auch in der gegenwärtigen Ukraine-Krise am Wirken?

Wimmer: Aber selbstverständlich, und zwar in großer Anzahl. Nur sehe ich die aktuelle Problematik etwas anders als in der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung von „Spiegel“ über „FAZ“ bis „Bild-Zeitung“ in Deutschland. Die Ukraine ist ein fragiles und ökonomisch schwaches Land, das sich völlig im Griffwechselnder Oligarchen befindet – von Timoschenko früher bis Poroschenko heute. Dies ist aber nur die innenpolitische Seite.
Die internationale Seite ist, dass den USA die Rohstoff- und Energie-Verträge vieler westeuropäischer Staaten, wie Deutschland, mit Russland ein Dorn im Auge sind. Deshalb stehen die Zeichen auf Konfrontation. Die Ukraine soll mit Unterstützung der NATO und anderer westlicher Länder zum Frontstaat gegen Russland auf- und ausgebaut werden.

Dies ist nicht nur eine gezielte Provokation, dies läuft der früheren westlichen Politik des Friedens, der Sicherheit und der Zusammenarbeit in Europa völlig zuwider.

Sie waren als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE und OSZE an vielen Gesprächen mit der ehemaligen Sowjetunion und mit Russland beteiligt, ebenso an den Verhandlungen zum sowjetischen Truppenabzug aus der DDR im Rahmen der Wiedervereinigung.
Ein überzeugter Politiker des Westens, der jetzt die USA scharf kritisiert. Wie kommt’s?

Wimmer: Seit Mitte der 1990er-Jahre, erst unter Präsident Bill Clinton, dann unter Präsident George W. Bush Junior, haben die USA einen unverantwortlichen Paradigmenwechsel vollzogen. Im Gefühl des Sieges über den Ost-Kommunismus wurde bedingungslos auf militärische Stärke gesetzt – und es wurde und wird gnadenlos das Völkerrecht gebrochen.
Jegliche wirtschaftliche und politische Kooperation des westlichen Europa mit der Russischen Föderation ist den Vereinigten Staaten suspekt. Der unter Führung der USA und der NATO völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Bombardierung Belgrads geschahen ohne UN-Mandat – und leider auch mit Beteiligung der deutschen Bundeswehr.
Ich habe in den Jahren zuvor im Auftrag von Bundeskanzler Kohl mit Jugoslawiens Präsidenten Milosevic verhandelt. Als dann aber deutlich wurde, dass die USA die Jugoslawien-Krise nutzen wollten und genutzt haben, eine ihrer größten Auslands-Militärbasen, „Camp Bondsteel“ im Kosovo, zu errichten, war klar, dass dem die jugoslawische Regierung nicht zustimmen würde.
Die Folge: Die USA und die NATO brachen einen brutalen Bombenkrieg vom Zaun.
Wenige Jahre später ein anderes Szenario: Die USA marschierten – wieder ohne UN-Mandat – völkerrechtswidrig in den Irak ein. Ein Krieg, der jetzt schon länger dauert als der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen und der ein völlig zerstörtes und traumatisiertes Land hinterlässt.
Um es hier ganz klar zu sagen: Die Vereinigten Staaten von Amerika, die über Jahrzehnte die Garantiemacht des internationalen Völkerrechts waren, gerade auch in Europa, brechen dieses Völkerrecht seit rund 20 Jahren nach Belieben und nach reinen Machtinteressen.

Die Zustimmung zum Jugoslawien-Krieg und zum erstmaligen Einsatz der Bundeswehr im Ausland erfolgte unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Und ein konservativer CDU-Mann wie Sie hebt die Fahne des Friedens?

Wimmer: Ich rechne es Gerhard Schröder hoch an, dass er in einer kürzlichen Rede seine persönliche Schuld an diesem Desaster eingestanden hat und dass er als Politiker die richtige Konsequenz gezogen und keine Bundeswehr-Soldaten in den Irak-Krieg geschickt hat.
Übrigens ganz im Gegensatz zur jetzigen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die damals Präsident George W. Bush Junior ihrer Solidarität versicherte und ihm ihr Unverständnis über Schröders Entscheidung mitteilte.

Frau Merkel ist Ihre Parteivorsitzende …

Wimmer: … die diese Partei heute im Stil des Demokratischen Zentralismus von oben nach unten regiert.
Ich war immer ein großer Anhänger von Bundeskanzler Helmut Kohl, der ein europäischer Friedenspolitiker war und ist. Ich gebe Ihnen die Garantie, dass sich unter Helmut Kohl kein einziger Bundeswehr-Soldat am Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien beteiligt hätte. Helmut Kohl, und ich habe in seiner Regierung als Parlamentarischer Staatssekretär gearbeitet, war immer ein Mann der friedlichen Verhandlungslösung und des Ausgleichs, weil er die Konsequenzen aus der deutschen Vergangenheit gezogen hat.
Jugoslawien ist Geschichte, die Ukraine ist die aktuelle Realität. Im Osten des Landes wird bombardiert und massakriert.

Schlafwandeln wir – um das Buch des Historikers Christopher Clark zu zitieren – in einen neuen „Großen Krieg“?

Wimmer: Das kann und will ich nicht ausschließen. Was mir auffällt, ist, wie fast schon kriegspropagandistisch die Berichterstattung in vielen westlichen Medien und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist.
Hier die guten Freiheitskämpfer vom Maidan in Kiew, dort die bösen Spitzbuben in der Ost-Ukraine, marodierende Freikorps-Banditen, ausgerüstet von Russland, mit dem Teufel Putin als Oberbefehlshaber.
Was völlig unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass die so genannte „Nationalgarde“ der Ukraine fast vollständig in der Hand von Rechtsradikalen ist und dass Faschisten in der ukrainischen Regierung sitzen.
Man spricht bei uns voller Zorn über angebliche russische Soldaten, die in der Ost-Ukraine kämpfen, und unterschlägt, dass dort längstens amerikanische Söldner für die Kiewer Regierung im Einsatz sind.

Der Anschluss der Krim an Russland galt aber vielen im Westen als Bruch des Völkerrechts …

Wimmer: Viele führende Völkerrechtler in Deutschland haben die Volksabstimmung auf der Krim, die ja mit haushoher Mehrheit eine Wiedereingliederung der Krim in die Russische Föderation brachte, als legal und legitim erklärt.*) Ich selbst plädiere dafür, die Vorgänge auf der Krim von höchsten europäischen Gerichten prüfen zu lassen – und dann dieses Urteil anzuerkennen.
Klar ist allerdings auch, dass der Hafen von Sewastopol als Sitz der russischen Schwarzmeer-Flotte für Putin und die russische Regierung nicht verhandelbar ist. Aber die Politik der ukrainischen Regierung und des Westens gegenüber Russland und der Krim war auf Konfrontation angelegt.

Sie haben von faschistischen Kräften in der Ukraine gesprochen. Werden diese nicht überschätzt?

Wimmer: Nein. Sie sind großen Teils bewaffnet und bilden militärische Einheiten wie in der „Nationalgarde“. Sie sitzen in der Regierung, ihr gesellschaftlicher Einfluss im Westen der Ukraine wächst, im Osten gehen sie gegen die Bevölkerung vor. Sie haben teilweise die Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew dominiert.
Was mir aber auffällt, ist folgendes Faktum: Es gibt in Kiew und in der Ukraine eine starke jüdische Gemeinde, der eine rechtsradikale, bewaffnete und antisemitische Truppe gegenübersteht. Ich hatte gehofft, dass der Westen und die EU darauf reagieren werden. Es ist aber nichts passiert.
Vor einigen Jahren kam die rechtspopulistische FPÖ von Herrn Haider in die österreichische Regierung. Die Folge waren Proteste auf den höchsten politischen Ebenen der Europäischen Union bis hin zu Boykott-Aufrufen und Sanktionen gegen Österreich. Jetzt aber wird gegenüber der Ukraine nichts unternommen. Warum wohl? Das macht mir Sorgen.

Sie sehen die Perspektive der Ukraine-Krise pessimistisch?

Wimmer: Selbstverständlich hoffe ich auf die Vermittlungsbemühungen besonnener Politiker wie des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und seines französischen Kollegen Laurent Fabius.**)
Aber ich sehe auch, dass einflussreiche Kräfte des Westens Herrn Putin am liebsten am Nasenring durch Europa ziehen wollen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Europa für einen Krieg fit gemacht werden soll. Ich befürchte, dass die USA und die NATO die Fackel des Krieges nach Russland tragen wollen.

Mit deutscher Beteiligung?

stern

stern

Wimmer: Das hoffe und wünsche ich nicht, wenngleich mich das Säbelrasseln der Verteidigungsministerin (damals Ursula von der Leyen, die heutige EU-Kommissionspräsidentin. Red.) beunruhigt.
Und ich hoffe auch, dass man hierzulande, gerade in unserer Bevölkerung, die Lehren aus dem Jugoslawien- und dem Afghanistan-Krieg gezogen hat.
Vor wenigen Wochen hat mein Parteifreund Peter Gauweiler vor der Bundeswehr-Universität in Hamburg eine bemerkenswerte Rede gehalten, die für mich eine der besten Reden eines deutschen Politikers in den letzten 50 Jahren war. Er hat thematisiert, was eigentlich der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr ist. Er hat an unsere Verfassung erinnert, dass unsere Soldaten im Ernstfall das Land zu verteidigen haben und nicht zur internationalen Eingreiftruppe umfunktioniert werden dürfen.
Peter Gauweiler hat den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr vom Kopf auf die Füße gestellt. Und das war gut so.

(Red. Das Interview führte GAZETTE-Redakteur Rudolf Schröck. Chefredakteur der GAZETTE war damals Christian Müller, der heutige Herausgeber der Plattform Globalbridge.ch.)

Siehe auch den neusten Artikel von Willy Wimmer vom 25. November 2022 «Merkels Hinterlassenschaft» auf world-economy.eu.

*: Seieh hierzu https://josopon.wordpress.com/2016/08/16/was-ist-los-auf-der-krim-ein-beitrag-von-prof-dr-gabriele-krone-schmalz/

**: Um die Einhaltung der beschlossenen Vereinbarungen Minsk und Minsk-2 haben die beiden Herren sich dann in den folgenden Jahren leider nicht mehr gekümmert.

Über Kommentare auf meinem Blog hier würde ich mich freuen.
Jochen

Linke will mehr NATO wagen – Parteivorstand übernimmt rechten Änderungsantrag in eigenen Leitantrag – KLAUS LEDERER GIBT DEN JOSCHKA – Aktuelles Interview mit Sahra Wagenknecht

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

kuekenpiepsenAktuell aus der jungen Welt: Da wollen sich Leute offensichtlich durch Kükenpiepsen ihre berufliche Zukunft in entsprechenden Institutionen der Atlantiker sichern. Wir werden die politische Zukunft dieser Initiatoren im Auge behalten.
Noch mehr Spannungen, die die Linke zu zerreißen drohen – ausgerechnet die letzte im Parlament vertretene, bisher entschlossen pazifistische Partei. Im Anschluss das Interview vom 22.Juni aus der Frankfurter Rundschau.
https://www.jungewelt.de/artikel/428867.linkspartei-im-niedergang-linke-will-mehr-nato-wagen.html
Auszüge:

Von Nico Popp

logo steht kopf

linke steht kopf

Der rechte Flügel der Linkspartei geht unmittelbar vor dem Bundesparteitag aufs Ganze.
Nach jW-Informationen haben Parteivorstand und Antragsberatungskommission am vergangenen Wochenende einen Änderungsantrag zum Leitantrag 3 in den ursprünglichen Antrag übernommen, der darauf zielt, die Partei in der Außenpolitik von der bislang verbindlichen Festlegung auf das Völkerrecht zu lösen.

Der Leitantrag 3 (»Keine Aufrüstung, kein Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität«) wurde vielfach bereits in seiner ursprünglichen Form als politisch problematisch empfunden; es liegen mehrere Ersetzungsanträge und zahlreiche Änderungsanträge vor.
Nun hat der Parteivorstand ausgerechnet einen Änderungsantrag, mit dem der Leitantrag politisch noch weiter nach rechts zugespitzt wird, in den eigenen Antrag übernommen; er nimmt damit den Delegierten nebenbei auch die Möglichkeit, über diesen Änderungsantrag gesondert zu diskutieren und abzustimmen.

Der fragliche Antrag, mit dem die Streichung des Satzes »Wir nehmen keine Verletzung des Völkerrechts hin« vorgeschlagen wird, wurde von der Bundestagsabgeordneten Caren Lay, dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer, den stellvertretenden Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes Sandra Brunner und Tobias Schulze und anderen eingebracht.

In der Begründung heißt es, das Völkerrecht sei »eine zivilisatorische Errungenschaft«, stehe aber »in bestimmten Fällen mit der Verteidigung der Menschenrechte im Konflikt«. In diesen Situationen – als Beispiele genannt werden Ruanda und Syrien – müsse »man« im »Einzelfall entscheiden«. Andernfalls könne die »Berufung auf das Völkerrecht« und »den Grundsatz der Nichteinmischung« dazu dienen, »nichts gegen die massive Verletzung der Menschenrechte zu unternehmen«.

Inhaltlich ist das nichts anderes als die vollumfängliche Übernahme der Konstruktion der »humanitären Intervention«, mit der »westliche« Staaten in der jüngeren Vergangenheit ihre großen und kleinen Kriege gerechtfertigt haben.
Diese proimperialistische Positionierung war innerhalb von Die Linke bislang auf den rechten Rand der Partei beschränkt, wurde vom Parteivorstand aber nun in den eigenen Leitantrag integriert.
Eine Delegierte des Bundesparteitages sagte am Dienstag im Gespräch mit jW zu dieser Entwicklung, es verdichte sich der Eindruck, dass hier »zwei Züge aufeinander zurasen«.

Mein Kommentar: Man schaue sich an, was derlei „humanitäre Interventionen“ im Geiste Joschka Fischers in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen gebracht haben. Nun ja, die Grünen sind damit groß geworden. Auch in der Linken haben solche „Übungen“ schon 2018 stattgefunden: https://josopon.wordpress.com/2018/08/06/eine-zasur-spitzen-der-linkspartei-geben-orientierung-am-volkerrecht-auf-und-beweihrauchern-islamistische-kopfabschneider-und-rebellen/
Ausgerechnet die russische Regierung argumentiert ja ganz ähnlich mit ihrer „Militäroperation“ zum Schutz der von der Ukraine aus seit 2014 beschossenen Donbass-Republiken. Da wird dann bei uns auf einmal das Völkerrecht hoch gehalten.
Und solche Vögel sind in meiner Partei aufgestiegen ? Mir wird schlecht.

Und hier das aktuelle Interview:

Wagenknecht attackiert Linken-Chefin Wissler: „Wir brauchen frische Gesichter an der Spitze“

Erstellt: 22.06.2022, 19:27 Uhr Von: Fabian Hartmann

https://www.fr.de/politik/sahra-wagenknecht-linke-parteitag-richtungsstreit-parteifuehrung-erfurt-zr-91625341.html

wagenknecht2018

wagenknecht2018

Die Linke in der Krise: Vor dem Parteitag am Wochenende fordert Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht im IPPEN.MEDIA-Interview einen Kurswechsel – für die Linke sei es „die letzte Chance“.

Berlin – Es steht schlecht um die Linke. Die Partei befindet sich in der größten Krise ihrer Geschichte. Die letzten Wahlen: allesamt verloren. Die Umfragewerte: im Keller. Die Partei: zerstritten. Am Wochenende trifft sich die Linke zum Parteitag in Erfurt. Eine neue Spitze soll gewählt und ein Aufbruchssignal gesendet werden. Doch die Gräben in der Partei sind tief. In zentralen Punkten wie dem Umgang mit Russland oder der Frage, für wen die Partei überhaupt Politik macht, stehen sich die Lager unversöhnlich gegenüber. Eine zentrale Rolle im Richtungsstreit spielt Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Im Interview mit IPPEN.MEDIA fordert sie ein klassenkämpferisches Profil der Linken – und mehr Verständnis für Russland. Der Parteispitze wirft sie vor, „mit der bisherigen friedenspolitischen Tradition der Linken“ zu brechen.

Frau Wagenknecht, die Linke hat gerade ihren 15. Geburtstag begangen. Nach Feiern dürfte Ihnen aber nicht zumute sein, oder?

Ich bin immer noch froh, dass es vor 15 Jahren gelungen ist, die Linke zu gründen. Sie hatte bessere Zeiten, sie hatte Erfolge. Wir müssen uns besinnen: Warum haben wir es früher geschafft, viele Wähler zu überzeugen? Bei der Bundestagswahl 2009 kam die Linke auf 11,9 Prozent. 2017 hatten wir immerhin noch einmal über neun Prozent. Das sind Ergebnisse, von denen wir uns weit entfernt haben. Und das, obwohl es in Deutschland viele Menschen gibt, die sich mehr soziale Gerechtigkeit und das Bemühen um die diplomatische Lösung von Konflikten anstelle von Aufrüstung und Kriegsrhetorik wünschen. Das Potenzial ist da. Wir müssen unsere Fehler korrigieren, dann können wir auch wieder erfolgreicher werden.

Die Linke kämpft aktuell gegen die politische Bedeutungslosigkeit an. Wie kommt die Partei aus dieser existenziellen Krise?

Wir brauchen jetzt – und ich glaube, der Parteitag ist die letzte Chance dazu – einen Neuanfang. Wir können nicht auf dem Weg der letzten Jahre weitergehen, denn er hat dazu geführt, dass wir uns immer mehr von den Menschen entfernt haben, für die wir eigentlich da sein sollten: Menschen mit niedrigen Einkommen, mit kleinen Renten, Menschen, die aus ärmeren Verhältnissen kommen und oft nie die Chance hatten, tolle akademische Abschlüsse zu erlangen. Früher haben wir diese Menschen erreicht. Umfragen und Wahlen zeigen, dass uns das heute nicht mehr gelingt. Viele äußern das Gefühl, dass die Linke nicht mehr für sie da ist.

Woran liegt das?

Es hat mit unserer Sprache und unserer Themensetzung zu tun. Es gibt in der Partei eine Konzentration auf kleine Zirkel von Politaktivisten und auf die grünliberalen akademischen Großstadtmilieus.

Sahra Wagenknecht vor Linken-Parteitag: Russland-Sanktionen sind „völlig verrückt“

Die Linke hat es bei der Bundestagswahl nur dank drei gewonnener Direktmandate ins Parlament geschafft. Wenn so wenige Menschen sie wählen: Wird die Linke überhaupt noch gebraucht?

In ihrer derzeitigen Verfassung lautet das Urteil der Wähler offenbar, dass sie sie nicht brauchen. Aber wie gesagt: Eine Partei, die all diejenigen vertritt, die sich derzeit große Sorgen machen, wie sie angesichts extrem steigender Preise mit ihrem Einkommen über den Monat kommen, eine politische Kraft, die all denen eine politische Stimme gibt, die sich wünschen, dass die Ukraine nicht mit immer mehr schweren Waffen beliefert wird, sondern, dass es Verhandlungen und Kompromissbereitschaft gibt, eine Partei, die die völlig verrückten Russland-Sanktionen kritisiert, weil sie vor allem uns selbst schaden, während die russischen Einnahmen sogar steigen – eine solche Partei wird dringend gebraucht. Das ist die Linke aktuell nicht, aber das sollte sie wieder werden.

Auf dem Parteitag in Erfurt tritt auch die bisherige Parteichefin Janine Wissler wieder an. Sie hat gute Chancen, gewählt zu werden, obwohl ihre Bilanz ernüchternd ist. Sieht so ein Neuanfang aus?

Ein Neuanfang ist bekanntlich das Gegenteil von einem „Weiter so“. Ich glaube, wir brauchen frische, überzeugende Gesichter an der Spitze, Persönlichkeiten, bei denen die Leute sagen: Die setzen sich wirklich für uns ein! Am Ende wird der Parteitag entscheiden. Es gibt gute Kandidaten, ich hoffe, dass sie eine Chance erhalten.

Neben Janine Wissler treten die Bundestagsabgeordneten Heidi Reichinnek und Sören Pellmann sowie der EU-Parlamentarier Martin Schirdewan an. Welches Führungsduo wäre Ihnen am liebsten?

Ich werde jetzt keine Kopfnoten verteilen. Die Delegierten werden sich ein Urteil bilden. Sie müssen sich fragen: Wollen sie, dass es so weitergeht wie in den letzten Jahren? Wollen sie Leute an die Spitze wählen, die für Wahlniederlagen stehen oder solche, die wieder mehr Wähler gewinnen können?

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Parteiführung?

Die Linke muss an den Alltag der normalen Menschen anknüpfen. Sie muss ihre Sprache sprechen. Und sie muss vor allem ihre sozialen Nöte in den Mittelpunkt stellen. Das macht sich an konkreten Fragen fest: Sind wir dafür, die Preise für Energie und Lebensmitteln zu deckeln, die Spritpreise mit einem Preisdeckel zu senken? Lehnen wir Sanktionen ab, die das Leben der Menschen unbezahlbar machen? Stehen wir weiterhin in der Tradition der Entspannungspolitik Willy Brandts oder kippen wir um und sind jetzt auch für Waffenlieferungen und ein Denken in militärischen Kategorien?

Linken-Parteitag: Sahra Wagenknecht will sich wieder stärker engagieren – wenn die Partei ihren Kurs wechselt

Gerade der Umgang mit dem Ukraine-Krieg spaltet die Partei.

Ich finde, wir müssen alle völkerrechtswidrigen Kriege verurteilen – den russischen Krieg genauso wie die US-geführten Kriege im Irak, in Afghanistan und anderswo. In der Ukraine sehen wir doch: Nicht die Entspannungspolitik, sondern ein Setzen auf Aufrüstung und Konfrontation vonseiten der USA hat diesen Konflikt angeheizt und ist letztlich mitverantwortlich für den Ausbruch des Krieges. Die Linke sollte da nicht immer hasenfüßiger werden. Unsere Kritik an der NATO ist nicht dadurch obsolet geworden, dass Putin einen verbrecherischen Krieg führt.

Die Linke wird als zerstritten wahrgenommen. Welchen Anteil haben Sie daran?

Natürlich ist es ein Problem, dass wir in vielen Fragen gegensätzliche Positionen vertreten. Die einen wollen die Spritpreise senken, die anderen lieber das Auto verbieten. Die einen sagen, das Ölembargo schadet vor allem Deutschland, die anderen wollen sämtliche Öl- und Gasimporte aus Russland einstellen. Wer soll eine Partei wählen, die sich derart widerspricht? Am Ende geht es aber nicht nur darum, einheitliche, sondern vor allem auch vernünftige Positionen zu finden. Wenn man Einigkeit um den Preis herstellt, dass sich noch mehr Menschen abwenden, dass sie weiter das Gefühl haben, ihre Sorgen und Ängste werden nicht zur Kenntnis genommen, dann hat man auch nichts gewonnen.

Sie fallen immer wieder mit Positionen auf, die quer zur Parteilinie liegen. Ihre Kritik an Fridays for Future, Linksliberalismus oder Identitätspolitik bringt die eigenen Genossen regelmäßig zur Weißglut.

Bei der Identitätspolitik und der Orientierung auf das grünliberale Milieu geht es um die Frage: Wie werden wir erfolgreich? Werden wir erfolgreich, wenn wir versuchen, die Grünen zu kopieren und uns vor allem um die gutsituierten Milieus bemühen, in denen die Grünen stark sind? Oder sollten wir uns nicht vielmehr um die Menschen bemühen, die bei allen anderen Parteien keine Stimme mehr haben. Das ist eine Grundsatzentscheidung. In den letzten Jahren haben wir es mit Identitätspolitik und grünen Lifestyle-Themen versucht. Der ausbleibende Erfolg spricht nicht dafür, diesen Weg weiterzugehen.

Welches Angebot können Sie der neuen Parteiführung machen, wie sieht Ihr Beitrag zur Erneuerung und Einigung der Linken aus?

Wir haben den „Aufruf für eine populäre Linke“ gestartet, der mit bisher über 5000 Unterschriften viel Resonanz gefunden hat. Das ist ein Beleg dafür, dass viele das Programm unterstützen, das wir dort vorgeschlagen haben: soziale Gerechtigkeit und die Ablehnung von Aufrüstung und Krieg. Wenn es auf dem Parteitag gelingt, sich personell und inhaltlich neu aufzustellen, dann wird die neue Parteiführung meine volle Unterstützung haben und ich werde mich mit aller Kraft dafür engagieren, die Linke wieder starkzumachen.

Linken-Parteitag: Wagenknechts Änderungsantrag sorgt für Wirbel

Und wenn nicht? Haben Sie auch über einen Austritt aus der Partei nachgedacht?

Ich hoffe, dass es auf diesem Parteitag gelingt, das Runder noch einmal herumzureißen. Es dürfte die letzte Möglichkeit sein.

Mit einem Änderungsantrag zum Parteitag sorgen Sie vorab für Wirbel. Die Parteiführung wollte den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine scharf verurteilen. Sie wollen diese Position mit Verweis auf andere Kriege abschwächen. Warum fällt es Ihnen so schwer, russische Verbrechen klar zu benennen?

Auch in unserem Antrag wird der völkerrechtswidrige Krieg Russlands klar verurteilt. Wir tun nur nicht so, als sei das der erste verbrecherische Krieg auf dieser Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dieses Zeitenwende-Gerede machen wir nicht mit. Ihre Lesart unseres Antrags ist übrigens ein typisches Beispiel dafür, wie aus den eigenen Reihen eine völlig verfälschende Darstellung unseres Anliegens in die Öffentlichkeit gebracht wurde, die dann von vielen Journalisten übernommen wird. Wir relativieren nichts. Und es geht uns auch nicht darum, die Ukraine-Solidarität zu streichen.

Worum geht es dann?

Unser Antrag sagt zwei Dinge: Der Krieg Russlands ist verbrecherisch, aber verbrecherische Kriege, bei denen es um Großmachtambitionen und Einflusssphären geht, sind nichts Neues auf dieser Welt. Alle US-geführten Kriege der letzten 30 Jahre waren Kriege um Macht, Einfluss und Profit, um Rohstoffe und Einflusssphären.

Und der zweite Punkt?

Wir sind der Meinung, dass die Linke in der historischen Einordnung des Krieges nicht hinter dem Papst zurückbleiben sollte. Franziskus hat darauf hingewiesen, dass das „Bellen der Nato an Russlands Tür“ zu den Ursachen und Hintergründen dieses Krieges gehört. Der Krieg in der Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen, aber er wäre vermeidbar gewesen. Und ich finde, diese Mitverantwortung des Westens, vor allem der USA, muss eine Linke klar benennen. Die darf sie nicht ausklammern. Das sind die eigentlichen Zielrichtungen unseres Antrags.

Das sehen nicht alle in Ihrer Partei so.

Einige in der Partei wollen in eine ganz andere Richtung. Gerade hat der Parteivorstand der Linken einen Änderungsantrag übernommen. Im Leitantrag soll der Satz „Wir nehmen keine Verletzung des Völkerrechts hin“ gestrichen werden. Dieser Antrag wurde ausdrücklich damit begründet, dass Menschenrechte über dem Völkerrecht stehen. Das bedeutet, dass ihre Verletzung auch dann ein militärisches Eingreifen rechtfertigt, wenn es nicht vom Völkerrecht gedeckt ist. Das ist die klassische Begründung, die die USA für ihre völkerrechtswidrigen Kriege angeführt haben. Dass jetzt auch der Linken-Parteivorstand für sogenannte „Menschenrechtskriege“ ohne UN-Mandat wirbt, entsetzt mich. Das wäre der endgültige Bruch mit der bisherigen friedenspolitischen Tradition der Linken.

Sahra Wagenknecht zu Russlands Krieg: „Ukraine muss auf ihre Nato-Ambitionen verzichten“

Für Sie ist es wichtig, Russland zu verstehen…

Wer die Beweggründe des anderen nicht versteht, der kann Konflikte auch nicht diplomatisch lösen. Verstehen heißt nicht, billigen oder rechtfertigen. Der Krieg in der Ukraine ist ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Wir müssen aber begreifen, wie es dazu kam – gerade, wenn wir das Sterben möglichst schnell beenden wollen. Ich bin überzeugt, dass das nur durch Kompromissbereitschaft geht.

Was muss die Ukraine tun?

Ein erster wichtiger Punkt ist sicher, dass die Ukraine auf ihre Nato-Ambitionen verzichtet. Wahrscheinlich wird sie auch einen Teil der besetzen Gebiete zunächst ausklammern müssen. Es wäre schon ein großer Fortschritt, den Konflikt einzufrieren, damit es bald einen Waffenstillstand geben kann – das muss das Hauptanliegen sein. Hinsichtlich der jetzt nicht lösbaren Konflikte kann dann in einem sehr langen Prozess nach einer Lösung gesucht werden, aber eben nicht mehr mit Waffengewalt, sondern auf dem Verhandlungsweg. Es ist niemandem gedient, wenn wir die Ukraine über Jahre für einen endlosen Stellungskrieg mit Waffen munitionieren und jeden Tag Hunderte Menschen sterben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Interview mit dem Münchner Merkur gesagt, dass Wladimir Putin Angst vor der Demokratie hat. Daher betreibe er eine Politik, die die Auflösung von Nato und EU zum Ziel hat. Was ist daran falsch? 

Ich weiß nicht, ob Putin dieses Ziel hat. Das ist mir auch relativ egal. Er weiß, dass er die NATO nicht angreifen kann, weil sie ihm militärisch haushoch überlegen ist.

Es sei denn, man provoziert ihn wie aktuell beim Konflikt um Kaliningrad so lange, bis irgendwann vielleicht seine Sicherungen durchbrennen. Das ist hochgefährlich. Was Russland immer kritisiert hat, ist die Nato-Osterweiterung. Auch der heutige CIA-Chef Burns hat noch 2019 darauf hingewiesen, dass die ganze Debatte um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine eine völlig „unnötige Provokation“ Russlands sei. Es wäre klüger gewesen, die russische Kritik ernster zu nehmen und in dieser Frage auf Russland zuzugehen. Wahrscheinlich hätte man den Krieg dadurch verhindern können.

Krieg in der Ukraine: Sahra Wagenknecht fordert von Kiew Kompromissbereitschaft

Ende der Woche entscheiden die 27 EU-Staaten darüber, ob die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten bekommt. Sollte die Ukraine Mitglied der EU werden?  

Es gibt viele Gründe, warum sie es noch nicht ist. Es gab massive Korruption, Probleme im Umgang mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wenn die Ukraine diese Probleme irgendwann behebt und die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt, steht einer EU-Mitgliedschaft nichts im Wege. Nur: Im Moment ist das eine völlig sinnlose Frage. Jetzt geht es darum, ob es gelingt, diesen Krieg in überschaubarer Zeit zu beenden – oder ob die Ukraine in ein, zwei Jahren ein völlig zerstörtes, entvölkertes Land sein wird. Wenn die ukrainische Führung letzteres verhindern will, sollte sie sich von völlig unrealistischen Kriegszielen verabschieden. Wenn die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft dazu beitragen könnte, wäre es gut.

Die Frage, ob die Ukraine EU-Beitrittskandidat wird, soll an ihr Entgegenkommen gegenüber Russland geknüpft werden?

Frieden wird es nur durch Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten und durch Verhandlungen geben können. Wenn ich höre, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj sagt, er will alle Gebiete zurückerobern, dann ist das zwar subjektiv verständlich, aber es ist kein realistisches Kriegsziel. Und auch keines, das man vernünftigerweise unterstützen sollte. Denn es bedeutet, diesen Krieg ins Unendliche zu verlängern. 

 

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Jochen

Grünen-Chefin Baerbock will mehr Geld für die Bundeswehr ausgeben

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Die staatatstragende Fraktion der LINKen sollte sich wohl überlegen, ob sie sich mit diesen Grünen um eine Koalition auf Bundesebene bemüht.
Leider gibt es auch da schon die „Aufweicher“, die auf ein lukratives Pöstchen schielen.
„Gewehre müssen schießen und Nachtsichtgeräte funktionieren“, sagt die Bundesvorsitzende der Grünen in einem aktuellen Interview.

https://www.berliner-zeitung.de/news/baerbock-will-bundeswehr-staerken-li.122540

Auszüge:
Berlin Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hat sich offen dafür gezeigt, über höhere Ausgaben für Verteidigung und Bundeswehr nachzudenken:
„Es fehlen Nachtsichtgeräte zum Üben, von Flugstunden ganz zu schweigen. Wir müssen uns da ehrlich machen. Ja, in manchen Bereichen muss man mehr investieren, damit Gewehre schießen und Nachtsichtgeräte funktionieren“, sagte Baerbock der „Süddeutschen Zeitung“.

Für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung kündigte die Grünen-Chefin Gespräche mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, auch über robuste europäische Militäreinsätze.
„Einfach wird das nicht. Aber wir dürfen uns nicht wegducken“, sagte sie.

Baerbock mahnt europäische „Friedensrolle“ an

Vor dem Präsidentschaftswechsel in den USA hat Baerbock ein stärkeres gemeinsames Engagement Europas in der Verteidigungspolitik gefordert:
„Europa kreist seit Jahren um sich selbst, die Trump-Administration hat der Welt den Rücken zugekehrt. Die Lücke, die entstanden ist, füllen autoritäre Staaten.“

Wenn der Westen Staaten wie China, Russland oder der Türkei nicht das Feld überlassen wolle, müsse Europa seine „Friedensrolle“ in der Welt wieder ernster nehmen.
Angesichts des bevorstehenden Einzugs des US-Demokraten Joe Biden ins Weiße Haus plädierte Baerbock dafür, die Zusammenarbeit mit den USA neu zu gestalten.

Deutschland liegt mit seinen Ausgaben für Rüstung weit unter den mit der Nato vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Darüber hatte es Streit mit Donald Trump gegeben.
Auch der künftige US-Präsident Joe Biden wird die Einhaltung der Vereinbarung vermutlich einfordern.
Dazu sagte Baerbock: „Wir müssen erst über eine strategische Neuaufstellung sprechen, dann über die Ausgaben. Es muss auch um die Fähigkeiten der Nato und die konkrete Lastenverteilung gehen. Ein theoretisches Zwei-Prozent-Ziel hilft da nicht wirklich weiter.“

Wenn die Grünen von Frieden sprechen, wissen die kleinen Leute, dass es Krieg gibt, zuletzt in Jugoslawien, Libyen, der Ukraine, Jemen und Syrien.
Es wird auch „Schutzbombardement“ genannt – siehe https://josopon.wordpress.com/2015/03/16/eu-denkt-uber-kriegseinsatz-in-libyen-nach-plane-fur-den-einsatz-sollen-in-den-nachste-n-wochen-erarbeitet-werden/.
Für Joschka Fischer und einige andere grüne Funktionäre hat es sich jedenfallls finanziell gelohnt.

Dazu ein Kommentar von Sevim Dagdelen, abrüstungspolitische Sprecherin und Obfrau der Fraktion DIE LINKE:
„Das Werben der Grünen-Vorsitzenden für mehr Militäreinsätze und noch mehr Milliarden für die Aufrüstung gerade auch angesichts Corona-Pandemie und Klima-Krise ist regierungsversessen und verantwortungslos. Klimaschutz bedeutet Abrüstung, nicht Aufrüstung“, erklärt Sevim Dagdelen, abrüstungspolitische Sprecherin und Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss. Dagdelen weiter:
„Für Schwarz-Grün ist Baerbock offenbar auch zur Aufrüstung der Bundeswehr bereit.
DIE LINKE lehnt die geplante Erhöhung des Wehretats der Bundeswehr um 1,16 auf dann 46,81 Milliarden Euro ab.
Eine deutliche Absenkung der Militärausgaben und die Stärkung des Völkerrechts muss das sicherheitspolitische Gebot der Stunde sein, nicht das Verpulvern weiterer Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr und das Eintreten für Kriegseinsätze auch ohne UN-Mandat.
Notwendig ist gerade auch mit Blick auf die globalen Kosten der Corona-Pandemie eine klare Absage an die weitere Aufrüstung der NATO-Staaten, die zusammen schon heute über 830 Milliarden Euro pro Jahr für Rüstung und Militär ausgeben.
Nein_zur_Nato_DDR1957Statt emsig nach neuen Aufgabenfeldern für die NATO zu suchen, um die Aufrüstung wie gehabt vorantreiben zu können, fordert DIE LINKE die Auflösung des überlebten Militärpakts und den sofortigen Austritt aus den militärischen Strukturen. Der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland darf nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden.
Es ist beschämend wie ernüchternd, wie sich die Grünen wegducken vor einer verantwortlichen Außen- und Sicherheitspolitik, die auf Kooperation setzt statt auf militärische Daueraufrüstung. Das Festhalten an der Konfrontation gegen Russland und China ist brandgefährlich, auch unter dem Deckmantel der EU.“
Quelle: Fraktion Die Linke im Bundestag

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Jochen

Gekaufter „Werte“-Politiker: Cem Özdemir

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Ein guter Überblick darüber, wie die „Atlantiker“ sich die Fake-News-Schleudern mit Steuergeldern bezahlen lassen und Sozialdemokraten und Grüne auf ihre Kosten kommen. Die Wegbereiter für Habeck.
Göring-Eckard ist ja auch schon bei der Atlantik-Brücke.
https://www.heise.de/tp/features/Cem-Oezdemir-Der-gruene-US-Boy-4427752.html

Dort auch treffende Kommentare. 

Oezdemir_BW

Foto: junge Welt

Dazu auch noch auszugsweise ein Artikel vom Montag 17.6.19 in der jungen WELT 16.6.19: https://www.jungewelt.de/artikel/356778.kuscheln-mit-der-bundeswehr-tarnfarbe-gr%C3%BCn.html

Manche wundern sich noch immer über die grüne Wende: Weg von der einstigen Friedensbewegung hin zu einer atlantischen NATO- Partei.
Dafür steht der frühere Außenminister Joschka Fischer, aber auch Özdemir

Am 19. November 2017 platzte für den damaligen grünen Parteivorsitzenden Özdemir wohl ein Lebenstraum. Mit dem Scheitern der Verhandlungen von CDU, CSU, FDP und Grünen für eine „Jamaika-Koalition“ entschwand sein Ziel, Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Statt Weltsicherheitsrat winkte nur noch der Vorsitz im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags. Statt neuer chinesischer Seidenstraße nun die Niederungen wie eine B 311- Ortsumfahrung Deppenhausen, 40 Kilometer von Bad Urach, dem Geburtsort des „schwäbischen Türken“ entfernt.

Entsprechend fremdelt er mit dieser ungeliebten Aufgabe. Statt früherer markiger Worte zum Stuttgarter Milliardengrab Stuttgart 21 am nun eigentlich richtigen Platz hört man vom neugebackenen Verkehrsexperten weiterhin mehr zur großen Weltpolitik als zum Thema Verkehr.
Global kommt er so natürlich auch nicht seinem Parteifreund Kretschmann ins Gehege, der als Ministerpräsident im Ländle nach einer fragwürdigen Volksabstimmung zum entschiedenen Projektbefürworter mutierte.
Fragt man Özdemir nach der Beurteilung dieser Wandlung, erntet man Schweigen: „Keine Zeit“, solche Anfragen zu beantworten, lässt sein Büro wissen.

Auch sonst ist Cem Özedemir wenig mitteilsam, sobald es unbequemer wird. Vor allem bei Fragen nach seiner Vergangenheit, in der schon einmal seine Politikkarriere beendet schien. 2001 noch im „Young leader“ Programm des American Council of Germany trat er 2002 als innenpolitischer Sprecher im Bundestag zurück. Es waren mehrere private Flüge für ihn und Dritte unter Verwendung dienstlich erworbener Bundestagsflugmeilen bekannt geworden.

Außerdem wurde damals ein Darlehen des früheren Bonner Politikberaters Moritz Hunzinger in Höhe von 80.000.- Mark öffentlich. Özdemir war zuvor in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil er „vergessen“ hatte, dass auch Mitglieder des Deutschen Bundestags Steuern zu zahlen hätten.
Und so verschwand der „young leader“ vorübergehend von der öffentlichen Bildfläche in Deutschland.

Özdemir erinnerte sich jedoch rasch seiner guten USA-Kontakte und flog damals, auch ohne Bundestagsbonusmeilen, als „Transatlantic Fellow“ und Vortragsreisender des German Marshall Fund über den Atlantik.

Wie kann man sich so ein Leben als Fellow, zu deutsch Kumpel, salonfähiger auch als „Mitglied einer Akademie“ übersetzt, vorstellen? „Keine Zeit“ hat der Schwabe, auf diese Frage zu antworten.
Auffällig ist dennoch, dass Özdemir seinen US-amerikanischen „Kumpeln“ seither äußerst wohlwollend gegenüber steht.

Wertegeleitete Außenpolitik

Kritik kennt er außenpolitisch eigentlich nur an Russland, am Iran oder an der Türkei.
Empfindet er gegenüber den USA also so etwas wie Dankbarkeit oder gar eine Bringschuld, zumal er dort vor dem politischen und persönlichen Absturz bewahrt
wurde?
Denn vor seinem neuen Mandat ab 2004 im Europaparlament, dort bald grüner außenpolitischer Sprecher, war er noch im Brüsseler Büro des GMF tätig. Was arbeitete er dort? „Keine Zeit“.

„Werte“ sind Cem Özdemir besonders wichtig, lässt er besonders häufig verlauten. Dabei bezieht er sich gerne auf keine geringeren Persönlichkeiten als Goethe, Schiller und Shakespeare.

Die Forderung nach einer „wertegeleiteten“ Außenpolitik wird von ihm wie eine Monstranz vor sich hergetragen.
Stehen die USA und die NATO aber tatsächlich für „Werte“, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre von Bush bis Trump verfolgt? „Keine Zeit“, sagt das Büro Özdemir im Bundestag.

Lässt sich seine heutige russlandkritische Einstellung vielleicht mit seinen Aufenthalten in den USA und aus tiefer Dankbarkeit gegenüber seinen Förderern erklären? „Keine Zeit“.
Beim Thema Russland speit der Grüne besonders gerne Gift und Galle. Da läuft dem selbsternannten „Patrioten“ Özdemir das Herz über.

So konfrontierte er in einer Bundestagsdebatte selbst die rechte AfD in seiner „Rede des Jahres“ mit dem Vorwurf, auch fußballerisch nicht hinreichend patriotisch zu sein: „Wenn Sie ehrlich sind: Sie drücken doch den Russen die Daumen und nicht unserer deutschen Nationalmannschaft. Geben Sie es doch zu!“, donnerte er den verblüfften Rechtsaußen im Parlament zu.

Am „testosterongetriebenen Ein-Mann-Regime Wladimir Putin“ lässt der verhinderte Außenminister nie ein gutes Haar. Der sei „skrupellos“, ließ er sich schon verlauten. Möglicherweise liegt er mit dieser Diagnose auch nicht daneben.
Doch wie unterscheidet sich die Skrupellosigkeit eines Putin beispielsweise von jener der drei letzten US-amerikanischen Präsidenten? Stichworte Drohnen, Afghanistan, Syrien, Irak, Libyen etc. ….?

Selbst Ex-Präsident Jimmy Carter hielt die USA kürzlich für das „kriegerischste Land der Welt“.
Frage an Özdemir: „Würden Sie Carter widersprechen? Mit welcher Begründung halten Sie Russland für aggressiver als die USA?“ Auch für eine Antwort hierauf findet der USA-Fan wie gewohnt „keine Zeit“.

War er wenigstens schon mal in Russland, beispielsweise in Samara, der Stuttgarter Partnerstadt, in der Özdemir erfolglos immer das Direktmandat für den Bundestag anstrebt?
Selbst sein Stuttgarter MdB-Kollege von der CDU, Stefan Kaufmann, war immerhin mehrfach vor Ort und unterstützte, wie die örtliche SPD-Frau Ute Vogt, auch schon Projekte der dortigen Germanistikfakultät. Auch dafür: „Keine Zeit“.
Wie übrigens sein grüner Parteifreund und OB der schwäbischen Landeshauptstadt, Fritz Kuhn, der Samara selbst zum 25. Jubiläum der Partnerschaft wie die Pest mied. Grüne nach Russland? Igittigitt.

Atlantische gemeinnützige Vielfalt

Durchaus Zeit kann Özdemir allerdings einem von ihm nach eigener Darstellung mitbegründeten Think-Tank widmen – dem „European Council on Foreign Relations“ (ECFR).

Auskunftsfreudig ist diese „gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ mit Büros in London, Madrid, Paris und Warschau allerdings so wenig wie ihr „council member“ aus Bad Urach. Dort treffen sich, so viel erfährt man wenigstens, neben den Ex- Außenministern Joschka Fischer und Sigmar Gabriel, wohl künftiger Chef der Atlantikbrücke, oder dem Ex-Fellow Niels Annen, heute Staatsminister im Auswärtigen Amt, auch sämtliche antirussischen Hardliner der Union wie Norbert Roettgen, ebenfalls Atlantikbrücke.
Hier versammeln sich, wie praktisch, weitere Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), welche das Auswärtige Amt berät und (natürlich) am bösen Russland gleichfalls kein gutes Haar lässt. Atlantiker und NATO-Getreue, wie deren Ex-Generalsekretär Carl Bildt, wohin man sieht und unter sich parteiübergreifend bestens vernetzt.

Wer in Berlin angesichts dieser atlantischen Vielfalt zudem noch einen weiteren russlandfeindlichen Verein gründet, wie das grüne Paar Marieluise Beck, Ex- Europaabgeordnete und Ralf Fücks, Ex- Chef der grün-atlantischen Böll- Stiftung, das Zentrum für liberale Moderne erfreut sich gleichfalls sofort freundlichster finanzieller Unterstützung der Bundesregierung.
Da fließen die Steuertausender für antirussische und ukrainische Propaganda nur so. Mal sind es 90.000 Euro für eine Tagung hier und eine Tagung dort oder es gibt seit diesem Jahr eben gleich eine institutionelle Förderung dieser Selbstbeschäftigung beider erklärten Putingegner.

Wer finanziert Özdemirs Beratungsunternehmen für auswärtige Politik? Wie ist das Geschäftsmodell dieser „Non-Profit-Organisation“? Immerhin rund 20 Direktoren, Campaign-Manager, Policy Fellows und Research-Assistenten mit ähnlich klingenden Titeln werden von ihr hierzulande beschäftigt.
Mitbegründer Özdemir sollte den pekuniären Background daher eigentlich kennen.

Doch er schweigt auch hierzu wie die „Unter den Linden 17“ angesiedelte „gemeinnützige“ Gesellschaft selbst. Unter dieser Berliner Nobeladresse, zwischen Bundestag und Auswärtigem Amt gelegen, residiert übrigens auch das „Politik-Team“ von Microsoft Deutschland. Für Microsoft ist es nach eigener Beschreibung der Ort, wo „sich Politik trifft“.
Wie praktisch, dann mit Özdemir & Co schon mal Politiker im eigenen Haus zu haben.

Geld ist also auch für den ECFR kein Problem. Für den German Marshall Fund (GMF), der spendable Gastgeber seiner Fellows Özdemir und SPD-Außen- und Staatsminister Niels Annen, ohnehin nicht. Aus Steuermitteln kommen jährlich 2 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt.
„Bis zu einer Million“ lässt sich das deutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zusätzlich den US-Fund kosten. Ins Stiftungskapital flossen in den letzten Jahrzehnten 125 Millionen Euro an deutschen Steuern.

Gar kein Schweigen gibt es bei den Atlantikern, im Gegensatz zum Geld und zu Fellow- Aktivitäten, dagegen im Trommeln gegen deutsch-russische Projekte wie Nord Stream 2 und für eine EU-NATO Aufrüstungsspirale.
Dafür werden Medien und Politik mit den „Expertisen“ dieser gemeinnützigen Vereine im Sinne des großen Bruders jenseits des Atlantiks eingedeckt.
Findet man eine einzige Stellungnahme im Bemühen, die russische „Gegenseite“ zu verstehen? Nein.

Liegt dies im deutschen oder europäischen Interesse? Sicher nicht. Aber Cem Özdemir sieht das anders. Schließlich geht es ihm „nur“ um seine „wertegeleitete“ Außenpolitik.
Persönliche Verbindungen sind zudem auch ein Wert. Und seien sie nur ein Verrat an Heinrich Böll, dem großen alten Mann der mal grünen Friedensbewegung.

Wie sagte der doch so treffend? „Es gilt, auf die Absurdität weiterer Aufrüstung hinzuweisen.“
Böll ist lange tot. Auch eine grüne Urgestalt wie Petra Kelly dürfte im Grab rotieren.
Die US- Boys Cem Özdemir & Co sind dagegen grüne atlantische Gegenwart in den genannten politisch-medial-wirtschaftlichen Netzwerken.
Wundern muss man sich über den heutigen Kurs also wohl nicht.

Nach Fertigstellung des Artikels gab es weitere Nachfragen des Autors und wenige Antworten:

1. Fragen an den ECFR nach der Höhe seines Budgets wurden auch weiterhin nicht beantwortet. Vielmehr wurde statt dessen auf diese Broschüre verwiesen:

Daraus ergibt sich, dass 49% der Mittel des ECFR aus Stiftungen, 32% von Regierungen, 14% von Körperschaften und 5% von Privatpersonen stammen. Allerdings gibt es nichts Aufgeschlüsseltes zur jeweiligen Höhe dieses Beträge.
Mehrfache weitere Anfragen ans Auswärtige Amt (AA) nach dessen (Mit-) Finanzierung des ECFR und des entsprechenden Mitteleinsatzes wurden bisher nicht beantwortet.

2.. Die Förderung des AA für den German Marshall Fund beträgt laut Auswärtigem Amt bis 2020, nochmals bestätigt, 2 Millionen Euro jährlich.
Danach dürfte der Bundestag wie früher eine entsprechende Fortführung bewilligen.

3. Der German Marshall Fund sieht sich wegen „anderweitiger Verpflichtungen“ der „verantwortlichen Kollegin“ mit Bedauern außerstande, Fragen zum Fellowprogramm zeitnah (also innerhalb einiger Wochen) zu beantworten.
Fellows wie Cem Özdemir (Grüne) und Staatsminister Niels Annen (SPD) ließen ebenfalls nichts von sich hören.
Vorgeschlagene Interviews mit weiteren früheren „Fellows“ waren gleichfalls nicht möglich.

(Jörg Tauss)

Kommentare lesen (250 Beiträge)

Die mit Steuergeldern finanzierten ThinkTanks sollten doch etwas auskunftsfreudiger sein.
Marieluise Beck ist mit Verfälschungen und Verdrehungen im Fall Magnitzky dumm aufgefallen. Sie hat dann, als echte wertbewusste Demokratin, eine Menge juristisches Kapital investiert, damit der Dokumentarfilm, der das belegt, in Deutschland nicht mehr öffentlich gezeigt werden darf. So von wegen Zensur.
Wir haben aber noch ein Exemplar dieses Films, russisch mit englischen Untertiteln, das wir bei Gelegenheit im kleinen Kreis gerne vorführen wollen.
Und unter „Werten“ kann im Kapitalismus nur eines verstanden werden:

Money, Money, Money!

Und hier ganz aktuell die junge Welt:

Tarnfarbe Grün

https://www.jungewelt.de/artikel/356778.kuscheln-mit-der-bundeswehr-tarnfarbe-gr%C3%BCn.html

… Bereits am Freitag postete der frühere Vorsitzende Cem Özdemir ein Foto auf dem Selbstinszenierungsportal Instagram, auf dem er zusammen mit seinem Parteifreund Tobias Lindner, dem sicherheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, in der Uniform eines Oberleutnants und mit Barett auf dem Kopf in die Kamera lächelt. Dazu frohlockt Özdemir: »Ein Grüner bei der Bundeswehr – passt das zusammen? Ich finde: Ja.« Es falle ihm und seinem Kollegen Lindner »niemals leicht, die Bundeswehr in einen Auslandseinsatz zu schicken«, so Özdemir weiter.
Die Konsequenz daraus besteht allerdings nicht darin, gegen deutsche Kriegsbeteiligungen zu stimmen, sondern »eine Woche am Alltag der Truppe teilzunehmen« und sich »mit den Soldat*innen intensiv auszutauschen«.

Den dazugehörigen Aufschlag hatten Özdemir und Lindner bereits in der Donnerstagausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gemacht. Unter der Überschrift »Warum grüne Außenpolitik die Bundeswehr braucht« schrieben die Bundestagsabgeordneten dort: »Egal, wie wir zu einzelnen Einsätzen stehen: Die über 260.000 Menschen, die in der Bundeswehr dienen, verdienen die Unterstützung des Parlaments«. Wenn deutsche Soldaten also schon in Kriegen weltweit töten und sterben, dann doch bitte mit der Gewissheit, dass den »Helden« in der »Heimat« geschlossen zugejubelt wird.

»Rheinmetall entwaffnen« – In einer Mitteilung kritisierte das Bündnis, der »Tag der Bundeswehr« sei für Politik und Wirtschaft »wichtig, um eine positive Stimmung in der Gesellschaft gegenüber der Militarisierung aufzubauen«. Zudem sei es »erschreckend zu sehen, wie viele Jugendverbände und Vereine die gezielte Instrumentalisierung und Anwerbung von Kindern mit ihrer Teilnahme unterstützten«.
Um dieser PR-Strategie etwas entgegenzusetzen, sei vom 1. bis 9. September ein Camp im niedersächsischen Unterlüß geplant. Dass sich Cem Özdemir und Tobias Lindner auch für einen »intensiven Austausch« mit Kriegsgegnern eine Woche Zeit nehmen, darf bezweifelt werden.

Jochen

Albrecht Müller warnt: Die „Querfront-Strategen“ setzen jetzt bei der Linken an !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Die „Querfront-Strategen“ setzen jetzt bei der Linken an – um die Anpassung an die neoliberale Ideologie und die Verneigung vor Angela Merkel perfekt zu machen

Es werden mir jetzt einige Dinge erklärlich, die ich zuvor nicht glauben wollte:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=32271

A_MuellerBei der Linkspartei spielt sich jetzt ab, was die Friedensbewegung und auch die NachDenkSeiten schon auszuhalten hatten: Wer nicht in die Linie der Anpassung an das konservative Milieu um Angela Merkel passt, wird mit dem Vorwurf bedacht, verkappt rechts zu sein, und damit gemobbt.
Sahra Wagenknechts Kritik an Merkels Türkei-Deal wie auch Ihr Verständnis für die Sorge, es gebe „Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“, wird von der Parteivorsitzenden Kipping genutzt, um Sahra Wagenknecht zu unterstellen, sie hätte auf „AfD light“ gemacht.
Der Berliner Landesvorsitzende Lederer warf Wagenknecht „Stichwortgeberei für die AfD-Linie“ vor. Gysi kritisierte, Wagenknecht und Lafontaine hätten sich auf eine Debatte um „Zäune und Obergrenzen“ eingelassen.
– Lafontaine nennt dieses Vorgehen infam. Es ist vor allem deshalb infam, weil man sich gegen diese Denunziation kaum wehren kann.
Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar: http://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/160321_Querfront_Strategen_NDS.mp3

Immer dann nämlich, wenn man nicht nur die offenen Arme zeigt bzw. würdigt, und stattdessen auch über die Probleme spricht und nachdenkt, die wir mit einer großen Zahl von Flüchtlingen bewältigen müssen, gerät man in den Verdacht, Stichwortgeber für die Rechten zu sein.

Wenn man auch nur andeutet, Verständnis für Menschen zu haben, die auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Wohnungsmarkt Probleme haben und sich jetzt darüber Gedanken machen und Sorgen haben, ob ihnen nicht neue Konkurrenz erwächst, die ihre ohnehin schlechte Lage verschlechtert, gerät man in den Verdacht, „Pegida-affin“ zu sein.
Ich habe das selbst erlebt, weil ich im vergangenen Herbst die Euphorie von Frau Merkel nicht mitmachte, darauf hinwies, dass ihre Willkommenskultur ohne Zweifel einer Imagekorrektur dient, die sie nach der Beschimpfung und der miesen Behandlung der Griechen dringend brauchte, und als ich anders als manch anderer linker Intellektueller auch die Bedenken formulierte. Da war ich ganz schnell „Pegida-affin“.

Wenn man nicht begeistert Frau Merkels Abmachungen mit der Türkei folgen will und die Probleme dieser Vereinbarungen zum Thema macht, wird man als Spielverderber gelten. Das Spiel, das einige in der Linkspartei spielen wollen, ist das große Verbrüderungsspiel mit der Allparteienkoalition aus Union, SPD und Grünen.

Damit lässt sich die Linkspartei übrigens Chancen entgehen, die zu nutzen ihr gut tun würden. Zwei Beispiele:

  1. Oskar Lafontaine hat im Vorfeld der letzten Landtagswahlen auffallend oft und ausführlich darauf hingewiesen, welche reaktionären Vorstellungen die AfD in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik vertritt.
  2. Sahra Wagenknecht ist eine der wenigen, die den Merkel-Deal mit der Türkei kritisiert. Die allgemeine deutsche Öffentlichkeit hat sogar die falsche Namensnennung – Türken-Plan statt Merkel-Plan – kaum aufgespießt. So angepasst und unkritisch geht man mit Frau Merkel um. Es wird nicht hinterfragt, wie man sich den Abtransport von Zehntausenden von Flüchtlingen in Griechenland in das sogenannte sichere Herkunftsland Türkei vorstellen soll. Es wird nicht thematisiert, welches neue Leid auf diese Menschen zukommt. Es wird nicht thematisiert, dass höchst fraglich ist, dass dies alles illegale Flüchtlinge sind, wie Frau von der Leyen bei Maybritt Illner gestern zu suggerieren versuchte. Es wird nicht einmal gefragt, wieso eigentlich nur Syrer aus der Türkei nach Europa und insbesondere nach Deutschland reisen können. Warum nur Syrer? Hier ist doch ganz klar immer noch die Vorstellung zu Gange, weiterhin einen Sog auszuüben, mit dem man Syrien personell aushungern will, um es endgültig zu destabilisieren. Und dann die sonstigen Regelungen mit der Türkei. Da ist doch ziemlich klar erkennbar, dass die westlichen Interessen, die hinter den Autoren des Merkel-Plans stecken, die Regeln bestimmt haben. Multimilliardär Soros, die USA und ihre Dienste und die Türkei selbst bestimmen unsere Politik. – Die Linkspartei sollte froh sein, dass ihre Fraktionsvorsitzende diese Fragen thematisiert.

Der Vorwurf an Linke, auch rechts zu sein, der Querfront-Vorwurf, ist Teil der Strategie, jeglichen Einfluss fortschrittlich und sozial gesonnener Menschen und Politiker ein für alle Mal zu tilgen. Der Querfront-Vorwurf ist strategisch ausgedacht und wird strategisch eingesetzt. Das merken allerdings die Kritiker von Lederer bis Kipping nicht oder sie sind schon so eingebunden in die neoliberale und militärfreundliche Bewegung, dass sie das nicht mehr merken wollen.

Wir haben erlebt, mit welcher Konsequenz die führenden Kräfte dafür gesorgt haben, dass weder in Griechenland noch in Italien noch in Spanien und Portugal eine linke Politik nicht nur mehrheitsfähig, sondern dann auch noch politisch wirksam wird. Anders gelaufene Ergebnisse von Wahlen wurden ihrer Wirkung beraubt. Ob in Portugal eine Ausnahme gelingt, ist noch offen. In Griechenland galt der Wille des Volkes gar nichts mehr.

Der Querfront-Vorwurf hat die gleiche Zielsetzung in einer anderen Konstellation. Er dient Verschiedenem, im konkreten Fall der Abwertung jener Kräfte in der deutschen Linkspartei, die den Kurs der sogenannten Reformer nicht mitmachen wollen.
Langfristiges Ziel ist die Entmachtung aufmüpfiger Personen vom Typ Sahra Wagenknecht und die Stabilisierung des Anpassungskurses der sogenannten Reformer.

Der Querfront-Vorwurf hat im Umgang mit der neuen Friedensbewegung die Funktion gehabt, zu verhindern, dass sie Wirkung entfaltet. Zunächst wurde die Mahnwachenbewegung und dann auch der sogenannte Friedenswinter als teilweise von rechts geprägt diffamiert. An einem einschlägigen Vorgang kann man gleich Mehreres zeigen:

Am 1.12.2014 erschien in der TAZ ein Interview mit dem oben erwähnten Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Lederer. In diesem Interview greift Lederer Sahra Wagenknecht wegen ihrer Unterstützung des Aufrufs zur Friedensdemonstration am 13. Dezember 2014 an. Es heißt dort:

Das ist ein Offenbarungseid

FRIEDENSBEWEGUNG Linkspartei-Reformer Klaus Lederer attackiert Sahra Wagenknecht, weil sie einen umstrittenen Aufruf unterzeichnet hat. „Ich sehe das mit Gruseln“

Im Interview selbst wird die vorgesehene Demonstration vor dem Sitz des Bundespräsidenten, dem Schloss Bellevue, als das Werk von Verschwörungstheoretikern und Querfront-Strategen niedergemacht.

Im konkreten Fall kann man dann nachweisen, dass nichts davon eintrat. Rechte hatten bei dieser Kundgebung nichts zu sagen. Hauptredner war Eugen Drewermann, ein untadeliger Vertreter der alten Friedensbewegung. Allerdings, die Berichterstattung in der TAZ, in der Frankfurter Rundschau, im Kölner Stadtanzeiger, im Berliner Tagesspiegel und einigen Blättern mehr blieb auf der Linie der angelegten Vorwürfe.

Auch an diesem Vorgang wird die besondere Infamie sichtbar: Personen wie Lederer und wohl auch andere Kritiker Sahra Wagenknechts wie Gysi und Kipping können sich der Unterstützung durch einen Zirkel von Medienschaffenden sicher sein, für die nicht Fakten, sondern bestimmte Linien der Auseinandersetzung ausschlaggebend sind und die immer für einen Querfront-Vorwurf zu haben sind.

Albrecht Müller hat inzwischen nochmal nachgelegt:

Die Linke ruiniert sich selbst? Oder sie wird von außen ruiniert? Eine Ergänzung zum letzten Querfrontartikel

http://www.nachdenkseiten.de/?p=32404
Der Beitrag vom 18. MärzDie „Querfront-Strategen“ setzen jetzt bei der Linken an – um die Anpassung an die neoliberale Ideologie und die Verneigung vor Angela Merkel perfekt zu machenhat viele Kommentare ausgelöst, unter anderem auf der NDS-Facebook-Seite. Erstaunlich viele Kommentare sehen das Problem in den Innereien bei der Linkspartei und der üblichen Neigung von Linken, sich gegenseitig fertig zu machen. Ein Facebook Eintrag lautet: „DIE LINKE schafft es schon gut selbst, sich zu zerfleischen. Die Alpha-Tierchen der Partei agieren keinen Deut anders, als die in den anderen Parteien. Das wirft ein unschönes Licht auf DIE LINKE als Alternative.“
– Nur in wenigen Kommentaren wird angemerkt, dass diese Selbstzerfleischung fremdbestimmt sein kann.
Die Zurückhaltung ist zu verstehen, weil man sofort mit dem Etikett „Verschwörungstheoretiker“ versehen wird, wenn man auf diese Selbstverständlichkeit, nämlich auf den gezielten und strategisch angelegten Einfluss zur Lahmlegung jeder linken Bewegung zu sprechen kommt. Ich tue es trotzdem.

Selbstverständlich haben die USA, die NATO – wie auch früher die Sowjetunion – ihre Finger in den deutschen Parteien

Das ist, aus ihrer Sicht, ihr gutes Recht und man könnte es unmittelbar nach dem Jahr 1945, also nach dem Ende der Naziherrschaft, sogar als ein gewisses Glück betrachten. Ich hätte damals immer verstanden, wenn der amerikanische Präsident seine Dienste angewiesen hätte, dafür zu sorgen, dass in den deutschen Parteien, in den Gewerkschaften wie auch in wichtigen Medien Einflusspersonen (auf den Begriff Einflussagenten kann man ohne Schwierigkeiten verzichten) platziert werden.
Das ist in Europa und bei uns doch nicht anders als im nahen und mittleren Osten. Wie es dort abging und abgeht, hat John F Kennedy Junior in einem für die NachDenkSeiten übersetzten Artikel skizziert, und wir hatten gefragt, warum das bei uns so viel anders sein soll.

Es gibt eine Fülle von Indizien für diese Einflussversuche und für die dahintersteckenden Überlegungen.
Auf einige der Indizien hatte ich schon bei anderer Gelegenheit hingewiesen. Es ist sinnvoll, sich diese immer wieder zu vergegenwärtigen, um keine falschen Analysen zu machen:

  1. Die im letzten Beitrag behandelte Strategie, progressive Kritiker mit der Abmahnung „Querfront“ in die rechte Ecke zu stellen und damit lahmzulegen, ist doch naheliegend. Und sie funktioniert. So wurden Ansätze für eine neue Friedensbewegung im Keim schon nahezu erstickt. Das ist doch ein beachtlicher Erfolg für NATO und Rüstungswirtschaft. Und wer möchte ihnen verdenken, diesen Erfolg nicht gesucht und geplant zu haben?
  2. Wenn ein Topmanager des Springerkonzerns Grüne und SPD anspricht und davon überzeugt, den Russland-Gegner Joachim Gauck als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten aufzustellen, was er dann beim zweiten Versuch auch zum Erfolg führte, dann kann man das als harmlosen Einfall von Springer und Grünen und SPD verbuchen. Wer das so sieht, der glaubt vermutlich auch an den Weihnachtsmann.
  3. Mehr als ein Indiz ist das Verwobensein deutscher Journalisten mit atlantischen Interessen und Organisationen. Darauf hatten wir im Zusammenhang mit Uwe Krüger und der Anstalt im März und April 2014 hingewiesen.
  4. Der Kohlberater und Koordinator der Deutsch-amerikanischen Beziehungen Professor Weidenfeld hat sich in einer Talkrunde bei Beckmann am 28.11.2013 einschlägig und aufschlussreich geäußert: „(…)Wenn wir (die Regierungen von Deutschland & USA) in einer ernsten Frage anderer Auffassung sind, dann kommt Geheimdienstmaterial auf den Tisch, das Deutschland belastet. Und entweder ihr (Deutschland) macht mit oder ihr seid dran.“ Reicht das nicht als Indiz massive Einflussnahme auf deutsche Politik von außen?

Es gibt eine Menge mehr Indizien im Umfeld der „Rettung“ der NATO nach der Wende von 1989.
Zur Erinnerung: Der Ost-West-Konflikt war beendet. Maßgebliche Kräfte zielten auf gemeinsame Sicherheit zwischen dem Westen und Russland. Eine der beiden großen Parteien, die SPD, hatte in ihrem Grundsatzprogramm vom 20. Dezember 1989 die Absicht bekundet, beide Blöcke aufzulösen, auch die NATO.
Dann wurde offen und unterschwellig hart daran gearbeitet, dieses grauenvolle Schicksal der Militärs und der Rüstungswirtschaft abzuwenden. Auch dazu ein paar Beispiele und Indizien für die Einflussnahme von außen:

  1. Der Spitzenkandidat der SPD im rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf 1991, Rudolf Scharping, hatte im Wahlkampf verkündet und gefordert, Rheinland-Pfalz dürfe nicht weiter der Flugzeugträger der USA in Europa sein. Dann reiste Scharping als neu installierter Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz in die USA. Unter anderem engagierte er dort einen Rechtsanwalt aus Washington als Lobbyist des Landes Rheinland-Pfalz in den USA. Professor Norman Birnbaum machte damals die weise Anmerkung, selten würden die Betroffenen auch noch den Lobbyisten selbst bezahlen, den die US-Regierung bei ihnen unterhalte. Wichtiger: Zuhause wollte Scharping nichts mehr von seiner Ankündigung wissen, Rheinland-Pfalz nicht mehr als Flugzeugträger der USA in Europa gebrauchen zu lassen. Bis heute ist das so, einschließlich der Drohnen-Einsätze, die von Ramstein aus gesteuert werden. Rudolf Scharping wollte nach Rückkehr aus den USA auch nichts mehr davon wissen, dass seine Partei kurz zuvor das Ende der NATO anvisiert hatte.
  2. Damals habe ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages den Druck zu spüren bekommen, den die Alliierten auf linke Fraktionen ausüben. Damals ging es um die Zustimmung zu den Verträgen zur deutschen Einheit und zur weitgehenden Fortsetzung der alliierten Rechte für ihre Militärs in Deutschland
  3. Die als Bundeskanzler und Vizekanzler zu wählenden Wahlsieger Gerhard Schröder und Joschka Fischer reisten noch vor der Wahl in diese Ämter durch den Deutschen Bundestag nach Washington. Sie wurden dort auf die Mitwirkung der Bundeswehr im Kosovo-Krieg „eingenordet“ und haben dann auch mitgemacht. Wir halten fest: der Einfluss auf als links geltende Parteien hat dazu geführt, dass sich Deutschland entgegen seines Auftrags im Grundgesetz an Militärinterventionen außerhalb des NATO-Bereichs beteiligt.
  4. Vermutlich seit damals verbindet den damaligen deutschen Außenminister, Joschka Fischer, und die damalige Chefin das US-State Departments, Madeleine Albright, eine enge Freundschaft.
  5. Die Zustimmung der SPD zu TTIP und den jeden demokratischen Anstand verletzenden Umgang mit den notwendigen Unterlagen durch die deutschen Bundestagsabgeordneten ist nur mit Vasallentreue und entsprechendem Einfluss zu erklären.
  6. Die Installation besonders linker Personen aus früheren kommunistischen Studentenbünden wie dem KBW in wichtigen Ämtern der Grünen und ihrer Vorfeldorganisation Heinrich-Böll-Stiftung können Sie mit Zufall erklären. Oder mit der Vermutung einer gezielten Einflussnahme. Die aktive Rolle der Heinrich-Böll-Stiftung im Ukraine-Konflikt spricht deutlich für die zweite Version.

Meine Vermutungen gründen auf Indizien. Ich halte sie für schlüssig. Dem muss man nicht folgen. Man kann auch zerrissen Hin und Her schwanken. Auch das ist legitim. Dem NachDenkSeiten-Leser TG geht das so; ihn will ich mit seiner Erlaubnis zitieren:

„vielen Dank für den Beitrag. Es ist ein Trauerspiel und auch hier gilt, dass sich Linke und solche, die sich so nennen, immer noch am ehesten selbst zerlegen und bekämpfen. Und auch hier ist die Frage zu stellen, wer da vielleicht von außen nachhilft. Passiert sowas doch gerade in einem gesellschaftlichen Moment, wo linke Kräfte nötiger denn je wären.

Noch immer gilt, dass es eine der erfolgreichen Counterinsurgency-Strategien und -Methoden ist, widerständige Gruppen von innen heraus zu bekämpfen, in dem innere Widersprüche und Konflikte zugespitzt werden, auch durch gut platzierte Agents provocateurs.

Ich will nichts unken und weiß nichts weiter darüber, aber in solchen Momenten fällt mir immer wieder ein, was u.a. durch Wikileaks über Gysis Plaudereien in der US-Botschaft bekannt wurde, siehe hier und hier.

Es gibt Beispiele von aufgeflogenen Agents provocateurs zum Beispiel in der damaligen Berliner PDS, die sich bis dahin als Ultrarevolutionäre gerierten, siehe hier zum Beispiel, solches ist auch von woanders her bekannt, siehehier.

Aber vielleicht ist mein Misstrauen aktuell unbegründet und es handelt sich um linke „Kinderkrankheiten“, obwohl Die Linke doch längst erwachsen sein müsste …“

Vermutlich ist das nicht so. Vermutlich sind die inneren Streitereien zum Beispiel bei der Linkspartei nicht Anzeichen von Kinderkrankheiten, sondern Zeichen gezielter Störung des möglichen Erfolgs. Ich komme noch einmal auf die Auseinandersetzung zwischen der Parteivorsitzenden Katja Kipping und der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht zurück:

Angesichts der auch im linken Milieu wichtigen Präsentation von Menschen als Anker politischer Identifikation und politischen Interesses und politischer Sympathie wäre es die Aufgabe einer Parteivorsitzenden, dafür zu sorgen, dass der fortschrittliche Teil des Parteienspektrums auch personell einigermaßen gut und vernünftig repräsentiert ist. Ohne Zweifel war Gregor Gysi ein solcher Repräsentant, genauso wie Oskar Lafontaine. Wenn Katja Kipping diesem Bedarf gerecht würde, dann käme sie selbstverständlich genauso infrage. Offenbar ist sie das aber sehr wenig.
Sie ist offensichtlich kein Magnet. Im baden-württembergischen Landtagswahlkampf haben das Mitglieder der Linkspartei beobachtet. Ein NachDenkSeiten Leser berichtete, nachdem er die Äußerungen von Katja Kipping zu Sahra Wagenknecht (sie hätte auf „AfD light“ gemacht), gelesen hatte, von seinen Erfahrungen im Wahlkampf: Bei einer Versammlung in der schwäbischen Kreisstadt Rottenburg mit insgesamt 24.500 Einwohnern erschienen gerade mal ca. 15 Besucher. Zum Vergleich: als Sahra Wagenknecht Rede und Antwort bei einem Pleisweiler Gespräch stand, kamen 250 Besucher in das südpfälzische Dorf mit insgesamt 822 Einwohnern. Da mag das Wetter eine Rolle spielen. Aber offensichtlich ist die Fähigkeit der beiden Politikerinnen, Menschen anzuziehen, verschieden.
Und es kann nicht die Funktion einer Parteivorsitzenden sein, das Vertrauen in eine Politikerin mit einem wichtigen Amt wie der Fraktionsvorsitzenden zu beschädigen, statt die vorhandenen Talente zu pflegen.

Das war zum Schluss ein Beispiel aus der kleinen Politik. Beim Sprung in die Weltpolitik begegnen wir ständig Einflussnahmen von Weltmächten und Regionalmächten auf die innere Politik einzelner Völker. Zur Zeit ganz konkret und höchst bedauerlicherweise in Brasilien. Dort wird die in vielen anderen Ländern zuvor auf einen sogenannten Regime Change hingearbeitet. Die Motive liegen scheinbar im Dunkeln. Scheinbar.
Und wer an den Weihnachtsmann glaubt, wird sie im Dunkeln liegen lassen.
Mit dem Effekt, dass die Völker der Welt immer weniger in den Genuss kommen, politische Alternativen zu haben, und fortschrittliche sozialorientierte sowieso nicht.

Mein Kommentar: Das Verbindende der Allparteienkoalition ist ihre Käuflichkeit. Anders kann man sich den Umfall von Gabriel bei TTIP nicht erklären. Und wenn man sich die Karrieren der früheren hohen KBW-Mitglieder Ulla Schmidt, Bütikofer u.a. ansieht, findet man wenige, die der Korruption widerstanden haben.

Jochen

„Unser Rechtsstaat befindet sich in Erosion“ – 2. Teil des Interviews mit Jörg Becker

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Fortsetzung des Beitrags vom 22.1.16
http://www.heise.de/tp/artikel/47/47172/1.html
Auszüge:

Jörg Becker über die deutsche Kriegsberichterstattung und den bellizistischen Kurs von Rot-Grün – Teil 2

Mit dem Kosovokrieg haben sich viele Politiker und Medien von den Lehren des Zweiten Weltkrieges verabschiedet und propagieren mittlerweile völkerrechts- und grundgesetzwidrige Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ein Gespräch mit Jörg Becker[1]über den aktuellen Verfall der politischen und medialen Kultur in Deutschland.

Herr Becker, welche Rollen spielen Elite-Netzwerke und PR-Agenturen bei der aktuellen Berichterstattung?

Jörg Becker: Natürlich spielen sie eine enorm wichtige Rolle. In solchen Netzwerken wird soziales Einvernehmen hergestellt, man einigt sich informell auf dieselben spins, man springt in seiner eigenen Karriere vom Fernsehen zur Unternehmensberatung, vom Bundesministerium zur NATO oder von der Rüstungsindustrie in das Parlament.
Nato und RußlandSolche Netzwerke sind in den USA sehr viel ausgeprägter als bei uns, aber Deutschland „amerikanisiert“ sich auch hier kräftig.

Warum wohl sitzt Genscher im Aufsichtsrat der Berliner PR-Agentur WMP-Eurocom AG, warum war Lothar de Maizière Aufsichtsratsvorsitzender der früheren PR-Agentur Hunzinger AG in Frankfurt und warum war der frühere hessische Minister Volker Hoff gleichzeitig Geschäftsführer der Wiesbadener Werbeagentur Zoffel-Hoff-Partner?

Warum schied der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Stéphane Beemelmans aus seinem Amt aus und wurde am 1. Dezember 2014 Geschäftsführer der Werbeagentur Eutop Berlin GmbH, warum sitzt der ehemalige Bundesgeschäftsführer der CDU Peter Radunski im Beirat des Kommunikationsberaters MSL-Germany und warum gründete der ehemalige SPD-Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Kajo Wasserhövel 2010 die Firma Elephantlogic GmbH, eine Agentur für Strategieberatung?

In dieser Welt des dauernd hohen Adrenalins, der Funktionalität, der Leistung, des Könnens und der Exzellenz stören Inhalte. Pecunia non olet: Da kann ein Thomas Hüser, Werbe- und Agenturprofi aus Essen, einfach aus der CDU austreten, um zukünftig den SPD-Chef Sigmar Gabriel im Wahlkampf zu beraten.

Politiker sitzen in solchen Gremien und Agenturen nicht aus Jux und Dollerei, natürlich nicht. Vielmehr geht es um Reputation, Macht, do-ut-des-Geschäfte, kleine und große Gefälligkeiten und Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Im Übrigen und nicht zufällig geht es hier um verschwiegene „Herrenrunden“, oft von aus dem Amt geschiedenen Politikern.

„Merkwürdige Allianz aus NATO und Amnesty International“

Die Grünen haben in Sachen Kriegspolitik eine 180-Grad-Wende vollzogen. Warum gelten diese in den Medien immer noch als pazifistische Partei?

Jörg Becker: Die Meinung der politischen Elite gegenüber Krieg und Frieden hat sich in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren drastisch geändert, im Übrigen nicht die der meisten Menschen, sind doch nach wie vor stabile siebzig Prozent der Meinung, Deutschland solle sich aus Kriegen heraushalten. Es war der Kosovokrieg, der die einst grünen Pazifisten in grüne Bellizisten und viele Friedensforscher in Kriegsbefürworter umdrehte.

Völlig zu Recht sprach der kürzlich verstorbene Soziologe Ulrich Beck beim Kosovokrieg von der merkwürdigen Allianz aus NATO und Amnesty International. Die Grünen stehen immer noch für viele Themen aus ihrer Gründungszeit, von denen sie sich aber in ihrer realen Politik längst abgewandt haben:

Aus einstigen Linken wurden Antikommunisten, in der Flüchtlingspolitik nähern sie sich mit Kretschmann und Palmer den Schwarzen an, den Atomausstieg haben sie an Merkel abgegeben, in der Wirtschaftspolitik sind sie fett im neoliberalen Fahrwasser gelandet und aus Pazifismus wurde Krieg im Gewand einer völkerrechtlich mehr als fragwürdigen Schutzverantwortung. Der Lack bei den Grünen ist ab. Der alte Mythos funktioniert aber noch.

Doch nicht nur die grüne Elite wandelte sich in den letzten Jahren in der Kriegs- und Friedensfrage, es wandelten sich zum Beispiel auch strikte Pazifisten wie der Vatikan oder Amnesty International.
Mit ihrer Resolution The Protection of Human Rights through Conflict Prevention, Intervention and Condemnation of Force[3] von 2005 lässt Amnesty International nun den Gebrauch militärischer Gewalt dann zu, wenn Menschenrechte bedroht sind.

Und im März 2015 forderte der Vatikan-Botschafter bei den UN in Genf, der italienische Erzbischof Silvano Tomasi, dass man gegenüber dem sogenannten Islamischen Staat „notfalls auch Gewalt anwenden“ müsse. Faktisch unterstützen damit sowohl Teile des Vatikan als auch Amnesty International die gegenwärtige militärische Großmachtpolitik.

Vor dem Bundeswehreinsatz im Kosovo wurde in den deutschen Medien überwiegend affirmativ berichtet. Konnten Sie im Nachhinein einige Stimmen ausmachen, die ihr damaliges Vorgehen kritisch reflektieren?

Jörg Becker: Nein, das konnte ich gar nicht, sieht man von einem Halbsatz von Gerhard Schröder ab. Was mich dabei besonders ärgert, ist die Tatsache, dass nach nun fünfzehn Jahren viele Ereignisse historisch gut erforscht und geklärt sind, dass sie aber von vielen damaligen Kriegsbefürwortern bis auf den heutigen Tag einfach nicht zur Kenntnis genommen werden.

Ich zähle nur zwei dieser Punkte auf. Erstens, der von Scharping und Fischer präsentierte Hufeisenplan ist eine Fälschung. Er wurde beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien nicht als Dokument zugelassen. Zweitens, die NATO-Bombardements vertrieben mehr Menschen aus dem Kosovo als die Serben.

„Bei der Loslösung der Krim kollidierten zwei Völkerrechtsprinzipien miteinander“

Wie Sie soeben erwähnt haben, hat sich Gerhard Schröder[4] am 9.3. 2014 anlässlich eines ZEIT-Matinees mit Josef Joffe und Joachim Bittner im Zusammenhang mit der Krim-Annexion durch Russland wie folgt geäußert:

„Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, etwas, was ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Aber wissen Sie, warum ich ein bisschen vorsichtiger bin, mit dem erhobenen Zeigefinger, das will ich gerade in einer solchen Veranstaltung sagen: Weil ich es selbst getan habe.“

Joffe: „Was haben Sie gemacht?“

Schröder: „Gegen das Völkerrecht verstoßen.“

Joffe: „Sie haben arrondiert?“

Schröder: „Nein, ich habe nicht arrondiert, aber lassen sie uns doch einmal reden, worum es wirklich geht. Als es um die Frage ging: Wie entwickelt sich das in der Republik Jugoslawien, Kosovokrieg, da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados, nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der NATO einen souveränen Staat gebombt, ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“

[Anmerkung der Redaktion: Schröders Äußerungen wurden aus juristischen Gründen so umfänglich zitiert.]

Warum wurde dieses Geständnis niemals in den Medien thematisiert?

Jörg Becker: Erst einmal ein paar Sätze zu Schröder, zur Krim und zum Völkerrecht. Als Jurist hätte Schröder wissen müssen, dass sein Satz bezüglich der Krim, dass Russland hier einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht begangen habe, in dieser simplen Form schlicht und einfach falsch ist. Bei der Loslösung der Krim von der Ukraine kollidierten zwei Völkerrechtsprinzipien miteinander.

Und jeder Jurist weiß, dass die Kollision von zwei Rechtsprinzipien das Normalste bei jedem Rechtsstreit ist. Da gibt es mit der Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine einerseits einen Völkerrechtsbruch. Doch da pocht die Bevölkerung der Krim mit gutem Grund auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, genau so, wie es in der UN-Charta und in den beiden UN-Menschenrechtspakten von 1966 verbrieft ist.

Und genau diese Völkerrechtskollision haben deutsche Medien nicht thematisiert und stattdessen das ideologische Geschwätz vom russischen Völkerrechtsbruch bis zum Erbrechen rauf und runter gekaut. Und wie immer ist das Gedächtnis vieler Menschen kurz. Noch 1991 benutzte die Regierung Kohl eben dieses Argument eines Selbstbestimmungsrechtes der Völker, um Kroatien und Slowenien vor allen anderen EU-Staaten völkerrechtlich anzuerkennen.

Und natürlich kauten die deutschen Medien – allen voran die FAZ unter Johann Georg Reißmüller – den Gedanken rauf und runter, dass Kroatien und Slowenien in die staatliche Unabhängigkeit zu entlassen seien. Was denn nun? Welches Völkerrecht gefällt uns denn heute? Wie hätten Sie’s denn gerne?

Schröders Eingeständnis vom März 2014, er habe beim Kosovokrieg einem Völkerrechtsbruch zugestimmt, ist in der deutschen Medienlandschaft genauso untergegangen wie Tony Blairs Eingeständnis vom Oktober 2015, dass die englischen Geheimdienstinformationen vor Beginn des Irakkriegs von 2003 falsch waren. Das Adenauer zugeschriebene Bonmot: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“ gilt eben vor allem im Medienbetrieb.

Wo Einschaltquoten, Starkult, Mediencelebrities, Informationsverdünnung, Weglassen von Wichtigem, Inszenierungen, Dauer-Berieselung und eine Prostitution zwischen Journalismus und Public Relations das Mediengeschehen dominant beeinflussen, da gibt es keinen Raum für einen kritischen Blick in die Vergangenheit. Wen kümmert es 2016, dass 1999 Rudolf Scharping und Joschka Fischer mit ihrem sogenannten Hufeisenplan Öffentlichkeit und Parlament belogen haben? Niemand. Schnee von gestern.

Doch viel beunruhigender als dieses Medienphänomen im Zeitalter einer totalen Kommerzialisierung ist mir bei Schröders Völkerrechtsbruch im Frühjahr 1999, dass dieses Eingeständnis keine rechtlichen Folgen hatte.

Warum ging die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe nicht gegen Schröder wegen Führung eines Angriffskrieges im Sinne des Artikels 26 im Grundgesetz vor?

Jörg Becker: Unser Rechtsstaat befindet sich in Erosion: Zahlreiche Verfassungsbrüche des Deutschen Bundestages, die das Verfassungsgericht mühsam wieder kitten musste, zunehmende Verquickung zwischen Polizei, Nachrichtendiensten und Militär, politischer Missbrauch gegenüber weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften, Verquickung zwischen Nachrichtendiensten und Rechtsradikalen (NPD und NSU), mangelnde Strafverfolgung bei verfassungswidriger Tätigkeit deutscher und ausländischer Nachrichtendienste (BND und NSA), stetige Vorverlagerung weg von festgestellten kriminellen Delikten hin in eine Vorfeldbeobachtung von potentiellen Delikten bei „Schläfern“, „Gefährdern“ und „verdachtsunabhängigen Personen“, Forderung nach einem speziellen „Feindstrafrecht“ durch Günther Jakobs[5], um bestimmten Menschengruppen die Bürgerrechte absprechen zu können, Befürwortung von Folter[6] gegen Terroristen durch Michael Wolffsohn[7] – und allein im Jahr 2015 dreimaliger verfassungswidriger Einsatz der Bundeswehr im Ausland, nämlich im Nordirak, Tornados in Syrien, Awacs in der Türkei, da eine Zustimmung des Deutschen Bundestages nicht eingeholt wurde.

Nochmals zurück zu internationalem Recht. Gegenwärtig führt eine „Koalition der Willigen“ Krieg gegen den „Islamischen Staat“. Die erste Kriegspartei ist ein loses Staatenbündnis ohne jeden rechtlichen Status und die zweite Kriegspartei nennt sich „Staat“, ist es aber nach allen völkerrechtlichen Kriterien nicht. Diese enorme Verhunzung und in den Dreck-Ziehung internationalen Rechts ist ungeheuerlich. Das Morden in Syrien ist ein absurdes Theaterstück und bedeutet das Ende einer Zivilisierung von Krieg. Das Töten von Zivilisten ist kein Kriegsakt, sondern ein Verbrechen.

Solche internationalen und nationalen Verletzungen demokratisch-rechtlicher Grundsätze bereiten mir sehr viel größere Sorgen als unsere gesamte mediokre, verkorkste und re-feudalisierte Medienlandschaft.

Anhang – Links

[1] http://www.springer.com/in/book/9783658074760

[2] http://www.heise.de/tp/artikel/47/47171/

[3] http://speakingtruthtoamnesty.blogspot.de/2012/01/document-when-amnesty-decided-to-be.html

[4] https://www.youtube.com/watch?v=EKQ0ykFQav4

[5] http://www.awk.nrw.de/akademie/klassen/geisteswissenschaften/ordentliche-mitglieder/jakobs-guenther.html

[6] http://www.n-tv.de/politik/Deutsche-foltern-nicht-article89032.html

[7] http://www.wolffsohn.de/cms/

[8] http://www.heise.de/tp/ebook/ebook_17.html

Jochen

Renaissance der Völkerausbeutung: (Neo-)Kolonialismus

Erst mal ein frohes neues Jahr an alle.
Die Welt ändert sich nur durch unsere Anstrengungen.
Dazu gehört es auch immer wieder, sich von Illusionen zu verabschieden.
Hier gibt es ein neues Buch von Gerd Schumann über Kolonialismus, dazu ein Vorabdruck der Einleitung in der jungen Welt – Hervorhebungen von mir:
https://www.jungewelt.de/2016/01-04/065.php
Auszüge:

Die Zeit der »Kolonialwaren«, »Lebens- und Genussmittel (aus Übersee)«, wie sie der Duden definiert, scheint vorbei. Hoch effektive Infrastrukturen spülen seit Jahrzehnten Kokosnüsse, Kakao, Kaffeebohnen, Tee, fernöstliche Gewürze zu Spottpreisen in die Discountmärkte des Massenkonsums.
»Kolonialwaren« – das klingt so antiquiert wie der Begriff »Kolonialismus« selbst, entstammend einer vermeintlich untergegangenen Epoche, Relikt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, als Europa das ökonomische und politische Zentrum der Welt war.

Diesem Eindruck entsprechend wird auch und besonders in den Geschichtswissenschaften mit einiger Vehemenz und Beharrlichkeit die These vertreten, das koloniale System gehöre der Vergangenheit an. Spätestens seit den 1950er und 1960er Jahren, in denen die meisten Kolonialstaaten ihre Unabhängigkeit erlangten, sei das Kapitel abgeschlossen, wird häufig behauptet.
Ein Irrtum: Kolonialismus bleibt ein Wesenszug des Imperialismus. Formen von Repression und Ausplünderung mögen sich ändern, der aggressive Charakter des Gesellschaftssystems bleibt.

Der Kolonialismus als Teil des imperialistischen Systems existiert unabhängig davon, ob die »Kolonialwaren« als solche bezeichnet werden oder nicht.
Ihre Blüte erlebten die entsprechenden Güter erst im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich. Der Begriff verschwand dann 50 Jahre später mehr und mehr aus dem Sprachgebrauch und verlor seine ursprüngliche Bedeutung schließlich vollständig.
Das geschah in dem Maße, in dem sich zum einen die Kolonien befreiten oder einen neokolonialen Charakter annahmen und andererseits der Zugriff auf die Waren alltäglich wurde.

Aktuell zunehmend deutet manches darauf hin, dass sich der imperiale Kolonialismus lediglich in einer langsam auslaufenden neokolonialen Übergangsphase befindet und vor einer Wiederauferstehung steht: technologisch wie politisch auf dem Niveau eines hochentwickelten Imperialismus – manche sagen auch »Neoimperialismus«.
Der entstehe geschichtskonform unter den Vorzeichen einerseits der nun wieder unipolaren Weltordnung sowie einer besonders in den ehemaligen Kolonien durchschlagend negativ wirkenden Globalisierung.

Kanonenbootpolitik, Landnahme, Zollschranken und Enteignung, Fronarbeit, Rohstoffdiebstahl, Preisdiktate sowie die – direkte oder indirekte – Ausübung der politischen Herrschaft über andere Länder kennzeichneten den Kolonialismus seit jeher und nicht nur dessen »moderne« Periode seit der kapitalistischen Produktionsweise. Sie sind inzwischen zum Alltag in den Beziehungen der unterschiedlich verfassten Teile der Welt geworden.
Heute kontrollieren die – überwiegend im Norden der Erdhalbkugel angesiedelten – 500 mächtigsten transkontinentalen Privatgesellschaften weit über die Hälfte des Weltsozialprodukts. Der Reichtum einzelner hat nie geahnte Dimensionen erreicht. Die Zahl der Milliardäre verdoppelte sich innerhalb von zehn Jahren.
Zugleich sind Hunger, Elend, Unterdrückung der Armen »entsetzlicher denn je«, wie der Schweizer Soziologe Jean Ziegler konstatiert.

Die Geschichte des Kolonialismus handelt von der Ausplünderung von Ländern, die mit Blick auf den Entwicklungsstand der Produktivkräfte vergleichsweise weniger fortgeschritten sind, durch ökonomisch höher entwickelte Staaten und Staatengruppen. Die wirtschaftlich und militärisch schwächeren werden von den Apologeten der reichen Länder tatsächlich auch Kategorien wie »schwach entwickelt« oder »an der Schwelle stehend« zugeordnet. Denjenigen, die die Bewertung vornehmen, haftet die Arroganz der Macht an, was sie indes nicht weiter stört.

Deutungshoheit über Begriffe

Die Interpretation der Weltlage ergibt sich aus den Herrschaftsbedingungen. Folglich obliegt die Definition des Wortes »Kolonialismus« immer noch den »höher entwickelten« Ländern. Würden die von der Fremdbestimmung ihres Status Betroffenen das Sagen haben, wäre Schluss mit dem »Drumherumgerede, dem Drumherumgelaber« (Franz Josef Degenhardt).
Und hätte die globale Systemkonkurrenz nicht mit einer Niederlage des Sozialismus geendet, so hätten die – vorläufigen – Sieger der Geschichte nicht die Deutungshoheit über Begriffe, deren Wesen in Form von Abhängigkeit und Unterdrückung sie bestimmen.

Nebensächlich ist, ob zukünftig von einer »Renaissance des Kolonialismus«, von einem »Rekolonialismus« oder anderem die Rede sein wird: Die Fixierung von Begrifflichkeiten stellt sich häufig als Streit um des Kaisers Bart und also als wenig sinnvoll dar.
Entscheidend wird sein, mit welchen Methoden und Ergebnissen heutzutage – und das heißt: nach dem Ende der Bipolarität – auf dem Papier unabhängige Staaten gefügig gemacht werden.

An der Inbesitznahme von Land, Bodenschätzen und menschlicher Arbeit durch die Reichen des Nordens hat sich nichts geändert, außer dass nicht mehr ausschließlich staatliche Organe für die Absicherung ihrer Herrschaft zuständig sind, sondern die Privatwirtschaft zunehmend die Funktion der dritten Gewalt (der gesetzgebenden, jW) übernimmt.
»Erst haben sie uns die Menschen genommen, jetzt rauben sie uns das Land (…) – wir erleben die Rekolonisierung Afrikas«, stellte Pizo Movedi, Südafrikas UN-Botschafter, angesichts der riesigen Flächen, die inzwischen »durch Großkonzerne übernommen wurden«, bereits 2011 fest (Le Congolais, 3.1.2012).
»Landgrabbing« wird der aggressive Vorgang genannt – ein frisches Modewort für eine kriminelle Großtat, gekennzeichnet durch hohe, sich ständig selbst reproduzierende Gewalttätigkeit.

Landgrabbing der Multis

Die Produktivkraftentwicklung hat Tempo aufgenommen in neuen Dimensionen. Die Akkumulationsdauer von Produktionsinstrumenten der wissenschaftlich-technischen Revolution im IT-Bereich (Computerisierung der Produk­tion) liegt unter zwei Jahren.
Die Konzentration des Besitzes an den wichtigsten Produk­tionsmitteln in immer weniger Händen und Konsortien, die häufig unabhängig von nationalen Regierungen agieren, verläuft schnell wie nie.

Der seit Mitte des 20. Jahrhunderts praktizierte Neokolonialismus, der im Kern die Abhängigkeit von formal unabhängig gewordenen Staaten des Südens beinhaltete, wird zusehends ersetzt durch einen direkten Zugriff auf die Ressourcen und einen wachsenden Asatzmarkt. Der bleibt allerdings in den Drittweltstaaten auf die nationalen Eliten und eine sich herausbildende Mittelschicht beschränkt.

 

Multinationale Konzerne wie Chiquita, Lonrho, Daewoo, italienische, portugiesische, französische, kanadische, chinesische, belgische, japanische Großunternehmen – die Namen füllen Seiten – eigneten sich ganze Regionen an, auf Madagaskar, in der Demokratischen Republik Kongo, in Sierra Leone, Angola, Kamerun, Moçambique – kurz: in vielen der international »ASS« genannten 48 Staaten von »Afrika südlich der Sahara«. Sie legen dauerhaft naturzerstörerische Monokulturplantagen mit Ölpalmen, Mais, Zuckerrohr, Maniok, Soja und anderem an und produzieren aus Lebensmitteln sogenannten Biotreibstoff!

Die bisher häufig praktizierte Methode des Profitsystems, millionentonnenfach Nahrung zu vernichten, Kaffee und Getreide zu verbrennen oder ins Meer zu schütten, um Preise durch Verknappung zu stabilisieren und zu treiben, wirkt altbacken gegenüber einer Massenproduktion von Nahrungsmitteln zur Verfeuerung direkt vor Ort und Verwandlung in ein nicht mehr verzehrbares Produkt in den Ländern der Hungernden selbst – eben dort, wo die Hälfte der 700 Millionen ASS-Bewohner unter den direkten oder indirekten Folgen von Lebensmittelmangel leidet.
Jean Ziegler in seinem Buch »Wir lassen sie verhungern« dazu: »Wer auf einem Planeten, auf dem alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert, Anbauflächen für Nahrung ihrem Zweck entfremdet und Lebensmittel als Kraftstoff verbrennt, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Auch die Herrscherfamilien reicher, fundamentalistisch verfasster Feudalregime wie Saudi-Arabien, einst selbst aufgestiegen aus der Unterwerfung durch das Osmanische Reich, stecken tief drin im Kolonialgeschäft mit Grund und Boden. Der Clan der Sauds verfügt über unbegrenzt scheinende finanzielle Mittel. Er hat Bargeldreserven von 700 Milliarden Dollar angehäuft und einen Großteil des Geldes in den USA investiert, unter anderem in Staatsanleihen – was in angespannten internationalen Lagen bereits mehrfach für einige Unruhe sogar in Washington, dem imperialen Mittelpunkt der Welt, sorgte.
In zwölf Staaten, darunter neun afrikanischen, wurden für Milliardenbeträge riesige Flächen aufgekauft. Derzeit befindet sich Saudi-Arabien unter den globalen Top Ten der Investoren in Sachen Landraub.

Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Oxfam wurden auf diesem Weg seit dem Jahr 2001 in Entwicklungsländern insgesamt rund 227 Millionen Hektar Land veräußert – eine Fläche etwa so groß wie Westeuropa – und also der überlebensnotwendigen lokalen Landwirtschaft entzogen. Der wichtigste Agrarinvestor in Äthiopien heißt Mohammed Hussein Al-Amoudi, ein saudischer Multimilliardär. Dessen Unternehmen Star Agriculture Development Company – »Entwicklung von Landwirtschaft«: welch ein Euphemismus! – kaufte Tausende Hektar in den fruchtbarsten Gebieten des nordostafrikanischen Landes und legte Zuckerrohrfelder an, deren Ernten dann in den chaotischen Autometropolen zwischen Addis Abeba und Lagos landen – in Kanistern.

»Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Globalisierung und Kolonialismus«, konstatiert der bürgerliche US-amerikanische Publizist William Pfaff.
»Vor 70 Jahren waren die liberalen Regierungen des Westens stolz auf den Fortschritt, die Erziehung und Förderung, die sie den ›rückständigen Völkern Asiens und Afrikas‹ zu bringen glaubten. In den Ausgaben der Encyclopedia Britannica vor 1940 war die Rede vom ›universal anerkannten Genius der Kolonisation‹. Von der ›Bürde des weißen Mannes‹, die Großbritannien in allen Breiten des Erdballs auf sich geladen hatte. Man erzählt uns heute, Globalisierung bedeute Fortschritt, Erziehung, Wohlstand und wirtschaftliche Modernisierung. Das ist nur die halbe Wahrheit. Gleichzeitig beschert sie der ›Dritten Welt‹ gesellschaftliche und politische Zerrüttung, die Vernichtung der kulturellen Grundwerte, den Ruin ihrer unterlegenen Industrie und Landwirtschaft

Pfaff selbst nennt jedoch auch nur einen Teil der Wahrheit, weil er die Verursacher der Misere auf der südlichen Hälfte der Erdkugel nicht beim Namen nennt. Es sind im wesentlichen die alten Kolonialmächte, die massiv Einfluss nehmen auf die zwischen Rang 103 und 187 liegenden Länder der Liste von »mittel« oder »schlecht« entwickelten Staaten (Human Development Index), aber auch viele der vorgeblich »gut« dastehenden Staaten zwischen Rang 50 und 102.
Ihnen reicht ihr bisher praktizierter neokolonialer Anspruch auf ein Abhängigkeitsverhältnis nicht mehr aus. Zunehmend benutzen sie militärische Mittel, erpressen Regierungen und schicken ihre »Berater« und »Ausbilder«, um ihren Zugriff direkter abzusichern und ihren Einfluss zurückzuerlangen oder auszubauen.

In den vergangenen Jahren, die vom – nun im globalisierten, vorgeblich weltoffenen Gewand daherkommenden – Kapitalismus entscheidend geprägt wurden, wurden historisch seit langem als gegeben vorausgesetzte Tatsachen und deren Interpretation einer Revision unterzogen.
Bestes Beispiel aus jüngerer Zeit dürfte die 2014, also 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges geführte Diskussion darüber sein, ob denn dieses Völkermorden im globalen Maßstab tatsächlich ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt gewesen und vom Deutschen Kaiserreich ausgegangen sei.

Zwar herrschte bisher weitgehend Einigkeit darüber, dass dieses ob seiner späten Gründung – und also wegen der lange durch feudale Fesseln und Kleinstaaterei gehemmten Produktivkraftentfaltung im zersplitterten »Deutschland« – bei der Aufteilung von kolonisierbaren Flächen »zu kurz gekommen« war. Es meldete folglich angesichts seiner sich nun explosionsartig entwickelnden volkswirtschaftlichen Potenz Nachholbedarf an, der letztlich nur kriegerisch zu befriedigen war.
Aber trotz dieser fundierten Bewertung bemühten sich Historiker um die Relativierung der deutschen Kriegsschuld.

Reaktionäre Kolonialforschung

Als »Phänomen Kolonialismus« bezeichnet Sebastian Conrad, Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin, jenes Herrschaftsmodell, das über Jahrhunderte das Leben auf der Südhalbkugel der Erde bestimmte. Das »Interesse« an jenem Phänomen nehme stetig zu, so Conrad in seinem von der Bundeszentrale für politische Bildung publizierten Aufsatz »Kolonialismus und Postkolonialismus: Schlüsselbegriffe der aktuellen Debatte«, obwohl bereits Anfang der 1960er Jahre »die meisten kolonisierten Nationen in die staatliche Unabhängigkeit entlassen wurden«.

Als Gründe für die Neubelebung der Debatte führt er indes nicht etwa die andauernde Abhängigmachung und deren Mechanismen an, unter denen die meisten Staaten der südlichen Hemisphäre leiden. Vielmehr werde »zum einen immer deutlicher, dass koloniale Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung der modernen Welt gewesen sind«. Und sicherlich seien »koloniale Beziehungen auch in der Gegenwart nicht vollständig verschwunden«, doch seien diese unter »Postkolonialismus« zu fassen, was bedeute, dass sie unter dem Vorzeichen der »Globalisierung« dabei seien zu verschwinden.

Das Gegenteil ist der Fall. Mit kriegerischen, erpresserischen, machiavellistischen Methoden versuchen alte und neue Kolonialmächte, dem Süden zu diktieren, was er zu tun hat. Zugleich streiten sie um ihre Einflusssphären – wie vor einem halben Jahrtausend Spanien und Portugal und vor 130 Jahren England, Frankreich, Deutschland, Belgien, Russland, weitere Mächte Europas sowie das Osmanische Reich auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884/85.

Nach der russischen Oktoberrevolution 1917 und mit Etablierung eines global als Vorbild angebotenen antikapitalistischen Entwicklungswegs ab 1945 wuchsen die antikolonialen Gegenkräfte zu Gegenmächten. Viele befreiten sich vom Diktat des Imperialismus, der sich gezwungen sah, neue, »neokolonialistisch« genannte Wege der Einflussnahme zu beschreiten.

Der »Kolonialismus« wurde zum Teil der Geschichte und als solcher gehandelt. Dass er in jüngster Zeit von einer aktiveren Kolonialforschung als historische Erscheinung wieder neu ausgeleuchtet wird, dient vor allem einer Umdichtung seines reaktionären Charakters in ein fortschrittliches Instrument der Entwicklungspolitik: Koloniale Einflussnahme als Heilsbringerin, die Elend und Hunger dauerhaft beseitigt.
Propagiert wird so letztlich eine vorgeblich zivilisatorische Wirkung von Krieg, Versklavung und Völkermord. Die dafür verantwortliche weiße Herrschaft habe den »unterentwickelten« Völkern des Südens schließlich verschiedene Wohltaten gebracht, Infrastruktur, Bildung, Knowhow.
Diese »Wohltaten« werden in Beziehung zur kolonialen Tyrannei gesetzt, die auf diese Weise zum notwendigen Übel bei der Durchsetzung »der Zivilisation« relativiert wird.

Zugleich initiiert die aktuelle Historikerdebatte mit nationalistisch-chauvinistischen Wertungen eine ideologische Schlacht um vorgebliche Kolonialkompetenz.
Beispiel Kamerun: Von Deutschen bis 1914 regiert, entwickelte es sich effektiver als unter der nachfolgenden Herrschaft des französischen »Mutterlands«. Von der Industrie- und Handelskammer Niederrhein etwa wird behauptet, dass »viele Kameruner« die »Hinterlassenschaften der deutschen Kolonialzeit mit denen der Franzosen und Engländer« verglichen: »Sie sind der Meinung, dass Deutschland viel mehr für das Land getan hat als die beiden anderen Nationen.« (www.subsahara-afrika-ihk.de)

Strafen und Einschüchterung

Die Debatte dient jedenfalls revisionistischen Wünschen, die dem veränderten Einfluss der Großmächte untereinander Rechnung tragen und gleicht den zugespitzten Auseinandersetzungen im Vorfeld des Ersten Weltkrieges. Insofern könnte sie tatsächliche, handfeste Kontroversen verbal vorbereiten und diese dann begleiten.

Nach Meinung von Evo Morales, dem sozialistischen Präsidenten des »Plurinationalen Staates Bolivien«, ist der Kolonialismus der »politische und ideologische Zwilling« des Imperialismus. Beide zusammen seien »zwei Seiten einer Medaille«, und natürlich könnten die unterschiedlichen Dynamiken, mit denen sich die imperialistischen Machtzentren Japan, Europa und USA entwickeln, zu kolonialistischen Begehrlichkeiten untereinander führen.
Morales hatte sein Urteil über die Untrennbarkeit von Imperialismus und Kolonialismus im Juli 2013 gefällt, nachdem ihm und der Besatzung der bolivianischen Präsidentenmaschine, aus Moskau kommend, urplötzlich das längst erteilte Überflug- und Landerecht von Portugal entzogen worden war und auch Frankreich und Italien den Luftraum für seine Maschine sperrten. Sich der Supermacht aus Übersee beugend, praktizierten die altbekannten imperialistischen Kolonialmächte ihre überkommenen, von Anmaßung und Arroganz geprägten Methoden – und mussten eine Schlappe hinnehmen.

Der erste indigene Präsident Boliviens warf die Frage nach dem Verhältnis zwischen den ehemals großen Kolonialmächten der Welt auf. Dieses sei offensichtlich davon geprägt, dass die USA befehlen und Europa folgt. »Sie (die Europäer) empfinden nicht einmal mehr Scham darüber, dass sie kolonisiert sind und ihren Kolonisator auch noch zu decken haben.«
Die USA hätten bewiesen, so Morales weiter, »dass sie ihre Macht allein mittels Invasionen und unsichtbaren, aber effizienten Spionagenetzen aufrechterhalten können – ein Zeichen ihres Niedergangs. Ganz wie in der Kolonialzeit setzen sie auf eine Politik der Strafen und Einschüchterung gegenüber den rebellischen Völkern von Abya Yala (dem südamerikanischen Kontinent) und deren politischen Führern.«

Mit dem Ende der Bipolarität um das Jahr 1990 herum hatte der Westen unter unstrittiger Führerschaft der verbliebenen Supermacht USA vor einer Neuorientierung seiner Politik auch gegenüber der sogenannten Dritten Welt (nach der kapitalistischen und sozialistischen) gestanden, die von Hemmungslosigkeit gekennzeichnet war. Rücksichtnahme wegen politischer Sachzwänge, wirksam wegen existierender Alternativen, wurde überflüssig. Man präsentierte sich als Sieger der Geschichte, zelebrierte seine vorgebliche Überlegenheit und bot sich als Partner an.
Doch schon nach zehn ungehemmten Jahren tat sich Sonderbares, das auf den ersten Blick der Logik dieser unipolaren Zeit zu widersprechen schien.

Das Imperium, das sich noch ein halbes Jahrhundert zuvor dazu hatte entschließen müssen, in Ländern des damaligen »Trikont« – den aufbegehrenden »drei Kontinenten« Afrika, Asien, Südamerika – die offen kolonialistischen Okkupations- und Unterdrückungsmechanismen durch neue, neokolonialistische Formen der Herrschaftssicherung zu ersetzen, kehrte zum ihm vertrauten Kolonialismus der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Wenn es auch noch nicht personell seine politische Macht wieder direkt ausübte, so setzte es doch einerseits auf die Durchdringung der Regierungsstrukturen mit westlichen »Spezialisten« und andererseits auf eine neue Art von Kanonenbootpolitik. Diese wurden nun rigoros und ungetarnt zur Sicherung oder Wiederherstellung seiner ökonomischen Herrschaft betrieben.

Die offen aggressive, kriegerische Seite des Kolonialismus feierte eine Wiederauferstehung. Truppen der mächtigen Zentren marschierten ein oder entsandten Drohnen – als Hightech-Interventionsprodukt – in »Failed States« wie Somali. Sie intervenierten in Staaten, die den neokolonialen Vorgaben von Weltbank und Internationalem Währungsfonds nicht folgen wollten wie Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), Libyen, Mali, Zentralafrikanische Republik oder in Staaten, die sich zunehmend einer neokolonialen Vorherrschaft entzogen wie Afghanistan und Irak.

Widerstand von BRICS-Staaten

Das Rollback der nationalen Unabhängigkeit vollzieht sich bis heute widersprüchlich. China wurde ökonomisch und politisch zum Global Player, Russland überstand den unter dem skrupellosen Präsidenten Boris Jelzin organisierten Absturz in den anarchischen Neoliberalismus und überwand die jahrelange Schockstarre.
Anfang des neuen Jahrtausends formierten sich aus der ehemals zwischen Ost und West stehenden Bewegung der Paktfreien Staaten neue Bündniskonstellationen wie die BRIC-Staaten mit den »Schwellenländern« Brasilien, Russland, Indien, China, die 2010 um Südafrika zu BRICS erweitert wurden.

Diese versuchen tendenziell, dem Druck der hochentwickelten imperialistischen Staaten und den von ihnen gesteuerten Organisationen – Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) – ebenso wie den juristischen Einrichtungen Internationaler Strafgerichtshof (ICC) und UN-Sondertribunale, einen souveränen Kurs entgegenzustellen. Das geschieht meist auf staatlicher Ebene, doch stellt sich dringender denn je die Frage, wie die »Verdammten dieser Erde« – als die der französische Theoretiker des Antikolonialismus, Frantz Fanon, die kolonial Unterdrückten bezeichnete – Formen des massenhaften solidarischen Widerstands entwickeln und einen neuen, Kontinente übergreifenden »Internationalismus« auf die Beine stellen könnten.

Mein Kommentar: Auch China betreibt eine extrem einseitige „Wirtscahftsförderung“ incl. Landgrabbing in der 3.Welt, ich weiss nicht, ob Schumann darauf im weiteren Text seines Buches eingeht. Frantz Fanons Buch ist lesenswert, aber keine leichte Kost.
Die BRICS-Staaten sind auch nicht unbedingt ein Vorbild bez. der Verwirklichung der Menschenrechte.

Andererseits betreibt der sich auf seine zivilisatorische Überlegenheit eingebildete Westen mit dem von Joschka Fischer und Madeleine Albright angesichts des völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Kolonialkrieges eingeführten „Schutzverantwortlichkeit“ als Kriegsgrund  einen solchen Zynismus, wie ihn nur antimoralische Charaktere entwickeln können. Genau diese haben aber die nötige Anpassungsfähigkeit an das hiesige menschenverachtende Wirtschaftssystem, um darin nach oben zu kommen. 

Jochen

An alle „Querfront“-Paranoiker: Die Otto-Brenner-Stiftung sollte ihre diesbezügliche Studie in die Tonne kloppen !

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Albrecht Müller setzt sich besser, als ich das kann, mit der Studie auseinander:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=27377A_Mueller-k
Sie ist mir von Anfang an als Auftragskolportage erschienen. und auch mich würde interessieren, wer diese in Auftrag gegeben und bezahlt hat.
Es ist bedauerlich, wenn sie auch innerhalb der Linkspartei zur Gewinnung von Totschlagsargumenten und zur Spaltung antimilitaristischer und imperialismuskritischer Bewegungen missbraucht wird. Da kann man sich dann durchaus fragen, wer den Nutzen davon hat und ob das gut für die Linke ist.

Unterste Schublade – eine sogenannte Studie der Otto Brenner Stiftung über das angebliche Netzwerk „Querfront“

Als die Metallarbeitgeber im Oktober 2000 die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gründeten und mit 100 Millionen DM für neoliberale Propaganda ausstatteten, erschien mir die IG Metall als der natürliche Partner zur Umsetzung der Idee, mit einer kritischen Internetseite eine Gegenöffentlichkeit aufbauen zu helfen. Die Versuche, zwischen März 2001 und 2003 die IG Metall und dann auch den DGB als Partner zu gewinnen, scheiterten, obwohl es bei einigen Mitarbeiter/innen der IG Metall, des DGB und auch der Otto Brenner Stiftung (OBS) Sympathien für das geplante Projekt NachDenkSeiten o.ä. gab. Immerhin, diese Gesprächspartner sahen, wie hoffnungslos die Arbeitnehmerschaft den von großen Interessen gesteuerten Medien unterlegen ist und sie hatten verstanden, dass der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit dringlich ist.
Jetzt jedoch polemisiert die Otto Brenner Stiftung mit einer sogenannten Studie gegen den Aufbau von Gegenöffentlichkeit und sie beschönigt die sozialen Verhältnisse. Man könnte die OBS angesichts dieser „Studie“ getrost als eine Außenstelle der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft betrachten. Es ist jedenfalls höchste Zeit, dass sich Gewerkschafter/Innen und insbesondere IGMetaller um die Entwicklung dieser Stiftung kümmern.
Ich will das begründen:Albrecht Müller.

Wer die Welt zum Guten verändern will – was auch von einer Gewerkschaft zu erwarten wäre – , darf nicht beschönigen und muss zwangsläufig kritisieren und die Dinge beim Namen nennen.

In der Studie der Otto Brenner Stiftung, die sich mit einem sogenannten Netzwerk von Akteuren beschäftigt, deren angebliche Verbindung allerdings im Text widersprüchlich beschrieben wird, heißt es:

„Die hier porträtierten Akteure verbindet die grundsätzliche Kritik an den hiesigen Verhältnissen. Es fällt auf, dass positive Anmerkungen über die heutigen Verhältnisse in Deutschland oder in der EU, positive Bekenntnisse zur demokratisch-repräsentativen Gesellschaftsordnung und den ihr zugrunde liegenden Werten fehlen. Diese inhaltliche Ausrichtung lässt eine grundsätzliche Gegnerschaft der Akteure zur bestehenden Gesellschaftsordnung vermuten.“

Es interessiert jetzt nicht, dass diese Aussagen für viele der in der Studie genannten „Akteure“ nicht stimmen, sondern einfach erfunden und erlogen sind, hier interessant ist die Tatsache, dass eine Gewerkschaftsstiftung in der heutigen Zeit vor allem das Lob für die Verhältnisse in Deutschland und in der EU vermisst .

In welcher Welt leben dieser Autor und seine Auftraggeber? Sie machen den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und allen fortschrittlichen und engagierten Menschen das Leben schwer: Denn bei der Verteilung der Einkommen und der Vermögen zum Beispiel gibt es nichts zu loben; sie ist skandalös ungerecht und klafft zunehmend weiter auseinander. Der Aufbau eines Niedriglohnsektors ist nicht zu belobigen. Sollen wir die Einführung der Riester-Rente, die bewusst betriebene Erosion der Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rente und damit den Weg vieler Menschen in die Altersarmut feiern? Auch die Krise in der EU ist keineswegs ein Anlass für Lob und Freude. Wie die „Heuschrecken“ in Tausenden deutschen Betrieben und als Eigentümer großer Wohnungskomplexe mit Arbeitnehmern in den Betrieben und mit Mietern umgehen, kann kein vernünftiger Mensch gut finden und die Betroffenen und ihre Vertrauensleute sowieso nicht.

Dem Autor Storz und dem Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, Legrand, ist dringend zu empfehlen, sich die Dokumentation des Südwestfunks über den sogenannten Investor BlackRock anzuschauen. Es ist eine Doku von Tilman Achtnich und Hanspeter Michel: „Geld regiert die Welt. Die Macht der Finanzkonzerne“. Quelle: youtube

Die Dokumentation enthält einen Bericht über den Kampf der Beschäftigten von WMF in Geislingen. Vielleicht sollten die dortigen Beschäftigten und insbesondere die betroffenen IGMetaller die Herren in der Otto Brenner Stiftung gelegentlich wissen lassen, wie die Realität in den Betrieben aussieht – insbesondere in solchen, die von Finanzgruppen wie BlackRock aufgekauft und hin und her verscherbelt werden. Wenn dann bei der OBS immer noch die erste Sorge ist, dass wir unsere Verhältnisse nicht ausreichend loben, dann wissen wir, wessen Interesse in der Gewerkschaftsstiftung vertreten wird – jedenfalls nicht jener, die brav ihre Gewerkschaftsbeiträge zahlen.

Das gilt auch für die Beschönigung der Medienlage in Deutschland und in der Welt:

Wer die Verhältnisse hierzulande wirklich verbessern will und insbesondere die Interessen der abhängig Arbeitenden vertreten will, muss erkennen, dass Arbeiter, Angestellte, Arbeitslose und Rentner nicht an den Schalthebeln der publizistischen Macht sitzen. Die öffentliche Meinung und vor allem die veröffentlichte Meinung unter den Medienschaffenden wird von den wirtschaftlich Mächtigen gemacht und von ihren Partnern in den Medienkonzernen.

In der Studie und im Vorwort des Geschäftsführers der Otto Brenner Stiftung wird sichtbar, dass diese Gewerkschaftsleute weit hinter die Erkenntnis des früheren FAZ-Herausgebers Sehte zurückfallen, wonach „Pressefreiheit die Freiheit von 200 reichen Leuten ist, ihre Meinung zu verbreiten“. (Siehe hier mein Artikel vom 13. August.)

Von den traditionellen Medien heißt es im Vorwort des Geschäftsführers Legrand von der Otto Brenner Stiftung, sie würden sich der „Aufgabe der Qualitätssicherung und Orientierung zu stellen haben“ – im Gegensatz zu den Aktivisten des sogenannten Netzwerkes. Wenn man so etwas liest und dann an die fern jeder Qualität operierenden Medien wie die Bild-Zeitung, die kommerziellen Fernsehsender und an viele öffentlich-rechtliche Redaktionen denkt, dann verzweifelt man ob der Einfalt der Autoren dieser ehrenwerten gewerkschaftlichen Stiftung.

Um Ihnen, verehrte Herren Storz und Legrand, ein bisschen und auf unterhaltende Weise auf die Sprünge zu helfen, machen wir Sie auf einen besonderen Fall der „Qualitätssicherung und Orientierung“ durch unsere höchst potenten Medien aufmerksam. Es ist nur ein Fall von hunderten öffentlich-rechtlicher und privater Manipulation: Jauch und die Geschichte des Stinkefingers von Varoufakis.
Zur gefälligen Bedienung hier der Link zu „Varoufakis and the fake finger #varoufake | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann – ZDFneo

Wie ein roter Faden zieht sich die unterschwellige Kritik am Versuch zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit durch den Text der OBS-„Studie“. Das betrifft unter anderen die Arbeit der NachDenkSeiten, auch deshalb diese unsere kritische Würdigung des Machwerks aus Frankfurt.

Dass angesichts der medialen Verhältnisse die demokratische Willensbildung nicht mehr funktioniert und nicht mehr funktionieren kann, das müsste eigentlich Allgemeingut sein. Wenn selbst Merkel von der „marktkonformen Demokratie“ spricht, dann müssten bei Gewerkschaftern und fortschrittlichen Begleitern des Geschehens alle Alarmglocken läuten, wenn der Zustand unserer Demokratie wie in der Studie der Otto Brenner Stiftung beschönigt wird.

Wenn Sie den Text der so genannten Studie lesen wollen, hier ist der Link auf die Datei [PDF – 266 KB].

Kritische Betrachtungen erschienen hier von Mathias Bröckers und hier von Dagmar Henn und hier von Daniel Hermsdorf bei Telepolis und hier bei RT Deutsch „Die „Querfront-Verschwörung“ – Wie die Otto-Brenner-Stiftung sich um ihre Glaubwürdigkeit bringt.

Es gibt noch einige kritische Stimmen mehr und auch erstaunlich viele, die die Veröffentlichung der Studie mit Applaus begleiten. Die PR-Arbeit von Autor und Stiftung ist vorzüglich. Und es gilt, dass man aus Mist Marmelade machen kann, wenn man wie im konkreten Fall ausreichend mediale Begleitung findet.

Die „Studie“ der OBS eignet sich zum Beleg gleich mehrerer Methoden der Manipulation.

Ich kann also meine Serie zu den Methoden der Manipulation mithilfe des Textes von ‚„Querfront“ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks“ weiterführen. Sie bietet Belege und Material für vier neu zu beschreibende Methoden. Die Nummerierung der Manipulationsmethoden orientiert sich an der Abfolge der bisher schon auf den NachDenkSeiten beschriebenen Methoden. Letzte Eintragung dazu war hier  mit der Beschreibung der Methode Nr. 5.

Methode Nr. 6: Wenn Du die deutschen „Qualitäts“medien beeindrucken und für die Weiterverbreitung deiner Thesen gewinnen willst, dann nenne dein Werk „Studie“ und den Autor einen „Wissenschaftler“.

Das ist gängige Praxis: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist ein Meister beim Nutzen dieser Methode. Von dort werden ständig Aufträge an allzeitbereite Wissenschaftler vergeben. Auch die Bertelsmann-Stiftung verfährt so. Ein sogenanntes Berlin Institut hat Mitte März 2006 eine Studie zur Bevölkerungsentwicklung veröffentlicht. Die NachDenkSeiten haben darüber berichtet. Die damalige „Studie“ war ähnlich platziert wie heute das Papier der Otto Brenner Stiftung. Es ging nicht um Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Veröffentlichung diente vor allem zum Anstoß von vielen PR-gesteuerten Veröffentlichungen mit hilfreichen Botschaften zugunsten der Privatvorsorge und zulasten der gesetzlichen Rente.

Noch bevor das Papier der Otto Brenner Stiftung das Licht der Welt erblickte waren wichtige Medien schon gebrieft: Frankfurter Rundschau, TAZ, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Die Zeit, der Deutschlandfunk usw. – und dann leider „Kontext“. Auch dieses ansonsten aufklärende Medium übernimmt in seinem Editorial vom 19. August ungeprüft die Parolen des Autors der Otto Brenner Stiftung.

Die Behauptung, es handle sich um eine Studie und der Autor sei ein Wissenschaftler, hat offenbar beeindruckt. Hinzu kommt, dass der Autor Wolfgang Storz früher ein angesehener Journalist war und wohl einige Kollegen schon aus Solidarität mit dem früheren Kollegen positiv auf seine „Studie“ reagiert haben.

Methode Nr. 7: Zunächst zur Erklärung: Wenn neoliberale Ideologen und Befürworter militärischer Interventionen Meinung machen wollen, dann macht es wenig Sinn, wenn sie sich zur Weiterverbreitung ihrer Botschaften der üblichen Verdächtigen aus dem rechtskonservativen Lager bedienen. Gerade die Meinungsbildung im linken Bereich unserer Gesellschaft kann sehr viel mehr beeinflusst werden, wenn die Absender der Parolen aus eben diesem politischen und gesellschaftlichen Lager kommen. Man könnte die Methode so formulieren: Wer Fortschrittliche, wer Linke und Linksliberale beeindrucken und zu einer Meinungsveränderung bringen will, muss Träger der Parolen aus eben diesem Lager finden und nutzen.

Dafür gibt es gute Beispiele und Belege aus der Vergangenheit:

  • Joschka Fischer und Rudolf Scharping waren die richtigen Träger und Motoren zur Durchsetzung des ersten Kriegseinsatzes der Bundeswehr, noch dazu außerhalb des NATO-Bereichs, in Jugoslawien.
  • Erhard Epplers und Günter Grass’ positive Äußerungen zur Agenda 2010 waren Gold wert für die Meinungsbildung und Durchsetzung der Agenda 2010 innerhalb der SPD und anderer linker Kreise.

Und so ist im aktuellen Fall der gute Ruf des Otto Brenner bestens geeignet zur Verbreitung der Parole, dass die Welt eigentlich im Großen und Ganzen in Ordnung sei und wir keine Gegenöffentlichkeit brauchen, weil die herrschenden Medien sich ja immer wieder der Qualitätskontrolle unterziehen.

Methode Nr.8: Nutze zur Bewertung von Menschen und ihres Tuns das, was über sie von anderen gesagt wird, betreibe also Etikettenverteilung/Stigmatisierung auf der Basis von Hörensagen. Wenn du das massiv, also wiederholend und affirmativ betreibst, dann ersparst du dir die eigentlich notwendigen Belege.

Und gleich noch

Methode Nr. 9: Wenn du jemandem ein negatives Etikett verpassen willst, dir aber die Belege fehlen, dann konstruiere ein Netzwerk und zeige, dass der Anzuklagende schon einmal mit einem der schlimmen Finger aus dem sogenannten Netzwerk gesehen worden ist.

Im Papier der Otto Brenner Stiftung machen diese beiden Methoden den Kern der Konstruktion eines angeblichen Netzwerkes aus.
Es werden sogenannte Akteure benannt und behauptet, sie seien im Netzwerk verbunden; wie und ob geplant und verabredet, das wird widersprüchlich abgehandelt. Einigen dieser Akteure wird anhand schriftlicher Unterlagen und anhand ihrer Aktionen Kritisches unterstellt. Die Berechtigung dieser Wertung möge jeder Leser selbst prüfen.
Das hier Interessante ist, dass diesem sogenannten Netzwerk Menschen zugeordnet werden, für die man die behauptete Bewertung – als rechtsradikal, gegen die EU, gegen die parlamentarische Demokratie usw. – nicht belegen kann. Die kritische Bewertung, die Stigmatisierung und Verteufelung gründet auf Hörensagen. Wichtig ist dann noch die Erweiterung des sogenannten Netzwerks; vom Autor Storz werden andere, Außenstehende mit in die Verdächtigung einbezogen. Der markante Satz dazu lautet:

„Das hier angesprochene Netzwerk ist wiederum nur Teil eines sehr viel umfassenderen Milieus.“(Seite 6)

Der Autor des OBS-Papiers macht also den Trick, einen weiteren Kreis damit zu verknüpfen, so zum Beispiel Daniele Ganser, Andreas von Bülow, Matthias Bröckers (richtig geschrieben: Mathias), Werner Rügemer, Willy Wimmer, Reiner Braun, Albrecht Müller, etc..

Zu beiden Methoden ein paar Beispiele:

Zu Daniele Ganser:
Der Schweizer Historiker und Friedensforscher erfährt sogar die Ehre, nicht nur zum „viel umfassenderen Milieu“ sondern zum Kreis der „Akteure“ des Netzwerkes gerechnet zu werden. Wie das begründet wird, bleibt mir schleierhaft, weil ich bisher weder rechte, reaktionäre noch antidemokratische Äußerungen von Daniele Ganser kenne. Kann ja sein, dass ich etwas überhört oder überlesen habe. – Die Zuweisung Gansers zum Netzwerk wird von Autor Storz so begründet:

„In diesem Zusammenhang (= Berichte über „Gladio“, eine geheime paramilitärische Einheit der NATO, d. Verf. A.M.) stellt er die offizielle Version der Attentate vom 11. September 2001 infrage. Deshalb wird er immer wieder kritisiert.“

„Deshalb wird er immer wieder kritisiert“ – dieses Hörensagen reicht dem „Wissenschaftler“ Storz zur Bewertung und Abwertung einer Person. Zweifel an der offiziellen Version zum 11. September mögen ja unangebracht sein, aber wieso solche Zweifel Ausweis von rechtsradikalem Denken sein sollen und damit Beleg für die Zuordnung des Daniele Ganser zur „Querfront“, das ist nicht zu verstehen.

Zu Ken Jebsen und – im Verbund – zu mir:

Auf Seite 30 kann man nachlesen, wie die Zuordnung praktiziert wird:

„Albrecht Müller, prominenter linker Buchautor und einer der Herausgeber der linken „NachDenkSeiten“, gibt Ken Jebsen, den viele für einen Verschwörungstheoretiker und Antisemiten halten, ein langes Interview; …“

Das Papier des Herrn Storz liefert keine Belege für die Zuordnung des Ken Jebsen zur sogenannten Querfront und dem dazugehörigen reaktionären Denken. Die Otto Brenner Stiftung belegt nicht den Vorwurf des Antisemitismus und des Etiketts „Verschwörungstheoretiker“. Und dennoch wird diese Behauptung in die sogenannte Studie aufgenommen und auch gleich noch anderen Personen angeklebt, im konkreten Fall mir.

Mehrere Medien, die positiv auf das Machwerk der Otto Brenner Stiftung eingestiegen sind, arbeiten sich wie so oft an Ken Jebsen ab. Ich gewinne den Eindruck, dass die meisten dieser Medienschaffenden einfach nur neidisch sind, weil Ken Jebsen mit dem Einsatz großer intellektueller Kraft und Energie – neben manchem Verzichtbaren – gute Medienprodukte geschaffen hat und hohe Klickzahlen erreicht. Klickzahlen, von denen seine Kritiker nur träumen können.

Auch manche NachDenkSeiten-Leserinnen und Leser werden kritische Fragen zu Ken Jebsen haben. So ist die Atmosphäre. Wenn Sie sich ein besseres Bild verschaffen wollen, dann schauen Sie sich das eine oder andere Interview von ihm an oder sein neues Format, eine Diskussion mit vier Gesprächspartnern, fast wie in einer Talkshow, aber um vieles interessanter und inhaltsreicher. Siehe hier: KenFM-Positionen #1: Krieg oder Frieden in Europa – Wer bestimmt auf dem Kontinent?
(Übrigens: Das in der „Studie“ erwähnte Gespräch zwischen Ken Jebsen und Albrecht Müller finden Sie hier  und hier)

Zusammenfassende Anmerkung zum sogenannten Querfront-Netzwerk und der Zuordnung einzelner Personen:

  • Es wird nicht klar, was Netzwerk bedeuten soll, ob enge persönliche Beziehungen und ein gemeinsames Handeln vorhanden sein sollen. Der Autor lässt sich alle Türen offen.
  • Er ordnet Personen quasi willkürlich zu, auch solche die überhaupt nichts miteinander zu tun haben oder sogar sehr kritisch miteinander umgehen, wie zum Beispiel Ken Jebsen und Elsässer.
  • Zur inhaltlichen Orientierung dieser Netzwerk Personen schreibt der Autor im dritten Absatz seiner Zusammenfassung auf Seite 6 des Textes folgendes. Ich zitiere, damit NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser nachvollziehen können, warum ich diese Studie ein Machwerk aus der untersten Schublade nenne:

    „Das Netzwerk eint inhaltlich eine politisch-kulturelle Haltung, die einen möglichst homogenen Nationalstaat und tradierte Lebensweisen wertschätzt und demokratisch-liberale Gesellschaftsentwürfe ablehnt. Bevorzugt wird dagegen das Gesellschaftsbild einer autoritären, nicht liberalen ‚Volks-Demokratie‘, die einerseits von einer starken Führung und andererseits von Plebisziten und weiteren Elementen der direkten Demokratie geprägt ist. Liberale Prinzipien wie Pluralismus und Minderheitenrechte werden bestenfalls ignoriert, zumeist jedoch explizit abgewertet.“

    Wie bitte? – Legen Sie diese Meßlatten mal bei den erwähnten Akteuren Ganser und Ken Jebsen an, oder bei dem ebenfalls zum engeren Netz gerechneten Lars.Mährholz. Oder gar bei den nur zum „Milieu“ gehörenden Personen. Man kann die Einzelnen unsympathisch finden. Das sei jedem Beobachter selbst überlassen. Aber sie pauschal „Anhänger tradierter Lebensweisen“ und einer „Volksdemokratie und einer starken Führung“ zu nennen und zu behaupten, sie lehnten „demokratisch liberale Gesellschaftsentwürfe“ ab – das ist unverdauliche Kost.

    Der Autor und die Stiftung mussten in einem konkreten Fall, im Fall von Weltnetz TV, die in der „Studie“ veröffentlichte Verdächtigung löschen. Wie zu hören ist, ist Autor Storz auch nicht mehr glücklich mit seinem Text. Dann sollte die Stiftung die „Studie“ in die Tonne werfen.

    Ich habe übrigens beim Geschäftsführer der Stiftung nachgefragt, was die Stiftung für dieses Produkt bezahlt hat. Das wollte er mir nicht sagen. Schade. Vielleicht sind einige wache IG-Metaller so nett und betätigen sich als Whistleblower. Sie täten der vom Autor Storz gewünschten Liberalität und dem demokratischen Charakter unseres Gemeinwesens einen guten Dienst.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Missbrauch des Namens Otto Brenner:

Otto Brenner war ein wunderbarer Mensch, ein streitbarer und zugleich sehr sensibler Arbeiterführer; er hat sich als Freund der ersten Friedensbewegung gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands engagiert, er hat für höhere Löhne gekämpft und dann 1972, als andere noch schliefen, seine Organisation für Fragen des Umweltschutzes geöffnet. „Aufgabe Zukunft: Qualität des Lebens“, so lautete das Thema eines Kongresses der IG Metall 1972 in Oberhausen.
Jetzt muss er mit seinem guten Namen für eine Stiftung herhalten, die gegen Menschen polemisiert, die sich gegen eine Militarisierung der Politik und gegen die Wiederbelebung des West-Ost-Konfliktes wenden, und es für notwendig halten, eine Gegenöffentlichkeit zu den herrschenden Medien aufzubauen.

P.S.: Selbstverständlich bin ich allein für diesen Text verantwortlich (Albrecht Müller).

Anmerkung: Und ich bin für diese Weiterverbreitung verantwortlich und gestatte mir noch, auf den Friedensaufruf der Arbeiterfotografie und des Freidenkerverbandes hinzweisen:

Sagt NEIN, ächtet Aggressionen, bannt die Weltkriegsgefahr!

Erklärung zu Fragen von Krieg und Frieden, initiiert vom Deutschen Freidenker-Verband und vom Bundesverband Arbeiterfotografie, 24.7.2015 (modifiziert 30.7.2015)

http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/hintergrund/index-2015-07-24-sagt-nein.html

Jochen

Einige Fragen zur Friedensbewegung, zum Echo und zur wohlwollenden und feindseligen Kritik – Albrecht Müller interviewt Reiner Braun

Jochens SOZIALPOLITISCHE NACHRICHTEN

Hier auf den NachDenkSeiten:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=25743

braun reiner

braun reiner

Müller_Albrecht_02mDie seit einem Jahr neu auflebende Friedensbewegung hat bisher keine Massenbasis gefunden. Das ist angesichts der neuen Konflikte mitten in Europa und der Kriegsgefahr und der Konjunktur des Militärischen seltsam.
Die Friedensbewegung selbst und noch mehr die Kritik an ihr sind schwer durchschaubar. Ich habe deshalb Reiner Braun gebeten, einige Fragen zum Thema zu beantworten.
Reiner Braun ist Geschäftsführer der Juristinnen und Juristen gegen Atomwaffen (IALANA), Co-Präsident International Peace Bureau (IPB) und einer der Sprecher der Kooperation für den Frieden.
Albrecht Müller.

Hier das Interview:

Albrecht Müller: Was macht ein Koordinator der Friedensbewegung?

Reiner Braun: So etwas gibt es in der Friedensbewegung nicht.

Die Friedensbewegung ist eine basisdemokratische, selbstorganisierte Bewegung mit Hunderten ja tausenden von Organisationen und Initiativen, die völlig eigenständig arbeiten. Was es aber gibt, sind (internationale) Netzwerke, darunter z.B. thematisch orientierte wie das Netzwerk „No to war – no to NATO“, „Atomwaffen abschaffen“ oder „Aktion Aufschrei – stoppt den Waffenhandel“.
Bundesweit gibt es zwei große friedenspolitische Netzwerke: die Kooperation für den Frieden und den Bundesausschuss Friedensratschlag. Zusätzlich gibt es zu bestimmten Ereignissen „Aktionsbüros“, wie z.B. aktuell für den Friedenswinter, aber auch schon früher zu bundesweiten Demonstrationen.

Menschen wie ich, die Verantwortung in den Organisationen und Netzwerken haben, versuchen inhaltliche Veranstaltungen und vielfältige kleine und große Aktivitäten zu entwickeln, vorzubereiten und durchzuführen.
Wir versuchen mitzuhelfen, aufzuklären, zivile Alternativen zu Krieg und Gewalt zu entwickeln und zu propagieren, um mit unseren Inhalten eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Wir versuchen Netzwerke aufzubauen und aufrechtzuerhalten, sowie eine Lobbyarbeit zur Politik zu entwickeln.
Nicht zu vergessen ist bei fast allen von uns eine internationale Zusammenarbeit.

A.M.: Üblicherweise wird heute unterschieden zwischen der alten Friedensbewegung und der neuen Friedensbewegung, auch Mahnwachen-Bewegung genannt. Viele Leser der Nachdenkseiten steigen durch dieses Gewebe an Bezeichnungen nicht durch. Vielleicht können Sie uns helfen?

R.B.: Die moderne Friedensbewegung gibt es seit mehr als 100 Jahren – begonnen mit einer bürgerlich-pazifistischen und antimilitaristischen.
Viele der jetzigen Strukturen der Friedensbewegung haben sich – vereinfacht gesagt – in der Folge des NATO-Doppelbeschlusses, aber auch des völkerrechtswidrigen Krieges von Rot-Grün gegen Jugoslawien, entwickelt.
Neues ist durch die „Wiedervereinigung“ hinzugekommen, einiges aber auch weggefallen. Nach wie vor werden viele Aktivitäten zu unterschiedlichen Schwerpunkten und Themen durchgeführt, aber einige Organisationen sind teilweise auch „in die Jahre gekommen“.
Viele gute Veranstaltungen beweisen die hohe Kompetenz ihrer Arbeit, außerdem sind gute Netzwerke vorhanden.
Was fehlt, ist eine große Mobilisierung – dieses ist eine zentrale Herausforderung angesichts der vielfältigen Bedrohung für den Frieden.

Der Krieg gegen die Ukraine hat 2014 zu einer spontanen Entwicklung von neuen dezentralen Initiativen geführt, die sich meistens „(Montags)Mahnwachen für den Frieden“ genannt haben. Diese sind in ca. 90 bis 100 Städten aktiv geworden, zuerst durchaus mit größerem Zulauf, viele sind jetzt immer noch aktiv, wenn auch mit weniger Beteiligung. Diese Mahnwachen sind locker untereinander vernetzt.

Diese spontane Bewegung war – und jetzt werde ich verallgemeinernd, vielleicht etwas grobschlächtig – politisch vielfältig, heterogen. Auch rechtsradikale Kräfte haben Einfluss genommen. Dies führte zu Diskussionen, Klärungen innerhalb der Mahnwachen – nicht überall für immer – aber bei immer mehr Personen aus den Mahnwachen zu deutlich friedenspolitischen Positionen.
Viele Mahnwachen sind klar antifaschistisch und unseren friedenspolitischen Positionen ähnlich. Im Laufe des Jahres hat sich eine begrenzte Zusammenarbeit vor Ort und bei Aktionen entwickelt, diese gilt es aus meiner Sicht fortzusetzen.
Ich will durchaus betonen, dass diese Diskussionen auf allen Seiten kontrovers und sicher noch nicht zu Ende sind. Ziel aller sollte sein, dass wir für den Frieden stärker werden, uns gegenseitig respektieren und die Antikriegsposition in den Mittelpunkt von Inhalten und Aktionen stellen.
Diese Diskussion findet leider nicht im luftleeren oder politikfreien Raum statt. Die Politik der Eliten, die Kriege führen, und viele der Medien, die Kriege unterstützen und teilweise auch herbeischreiben, haben sicher kein Interesse an einer großen Friedensbewegung; unfreundliche Kommentierungen sind die logische Folge.
Für mich bleibt die Friedensbewegung eine Bewegung, die nur antifaschistisch sein kann (Faschismus bedeutet immer auch Krieg), in der unterschiedliche Kräfte über alle traditionellen Grenzen hinweg zusammenarbeiten sollen, konservative eingeschlossen.
Letztere haben übrigens in der Geschichte der Friedensbewegung eine wichtige Rolle gespielt.

A.M.: Anders als bei den großen Demonstrationen der Friedensbewegung Anfang der achtziger Jahre bewegt sich heute vergleichsweise wenig. Die Friedensbewegung hat keinen guten Ruf, die Medien kommentieren kaum positiv, seltsamerweise kommentieren gerade linke oder linksliberale Medien besonders kritisch. Wie erklären Sie das?

R.B.: Ein „guter Ruf“ wirft bei mir sofort die Frage auf: Bei wem? Bei Bush oder auch Kissinger, Franz-Josef Strauß oder auch Joschka Fischer?

Wenn wir bei denen einen guten Ruf hätten, dann würden wir sicher alles oder zumindest vieles falsch machen. Frieden wird immer in der Kontroverse – auch in Schärfe – mit all denen ausgetragen, die Krieg vorbereiten, Krieg als Mittel der Politik ansehen oder gar Krieg führen.
Deswegen ist die Friedensbewegung immer eine Bewegung in der Kontroverse. Es geht um fundamentale Interessen: Krieg oder Frieden ist die Menschheitsherausforderung.
Diese Kontroverse reflektiert sich in den Medien, die ja nicht über den gesellschaftlichen Herausforderungen stehen. Journalisten bei der Atlantikbrücke und Zeitungen, die Krieg geradezu herbeischreiben, werden uns immer kritisieren und angreifen. Das ist politisch nur logisch.
Unterschätzen sollten wir auch nicht den Einfluss bestimmter, Kriege unterstützender politischer Kräfte, die sich auch NGOs oder Zivilgesellschaft nennen – wie die Antideutschen.

Leider haben wir (und hier meine ich uns, Personen aus den verschiedenen Friedensorganisationen und -Initiativen) auch leichte Angriffsflächen geboten, die nicht notwendig waren und die wir besser unter und zwischen uns geklärt hätten.

Politik und ein Großteil der Medien, die ja selbst kapitalistische Unternehmen und staatsnah sind, werden eine große Friedensbewegung immer bekämpfen, aber wir haben dort oft mehr Verbündete als wir sehen. Eine große Bewegung kann auch dort zu Veränderungen der Positionen führen. Deshalb bin ich für Zusammenarbeit und Diskussionen mit allen aus den Medien, ich möchte gerne den so oft formulierten aber selten eingehaltenen Pluralismus einfordern.

Die Notwendigkeit, Formen der solidarischen Auseinandersetzung und des gegenseitigen Verstehens statt Diffamierungen wieder oder zumindest stärker zu entwickeln, gilt erst Recht für den Umgang mit den „sozialen“ Medien.

A.M.: Der Vorwurf „Querfront“ spielt in der Kampagne gegen die Friedensdemonstrationen eine große Rolle. Was tun Sie praktisch, um diese Unterstellung zurückzuweisen? Ist man denn nicht alleine damit schon abendfüllend beschäftigt? Gibt es Zusammenarbeit zwischen fortschrittlichen Kräften und rechten oder rechtskonservativen nationalistischen Kräften?

R.B.: Querfront ist einfach Quatsch! Wir brauchen eine Volksfront, eine Zusammenarbeit aller Friedenswilligen.
Der Begriff Querfront ist unter historischen Gesichtspunkten einfach falsch und es geht und ging niemals um eine Zusammenarbeit mit „rechtsradikalen“ Kräften. Die hat es, seitdem es zwischen Teilen der Mahnwachen und der traditionellen Friedensbewegung Ansätze der Kooperation gibt, nie gegeben. Die Friedensbewegung – für mich gibt es nur eine, mit vielen ganz unterschiedlichen Organisationen und Initiativen – war niemals offen für rechtsradikale Kräfte und wurde auch niemals von diesen instrumentalisiert oder hegemonisiert.
Aber ich wende mich auch dagegen, leichtfertig Menschen als „rechtsradikal“ oder „Antisemit“ oder gar „Faschist“ zu bezeichnen und zu versuchen, dieses mit verzerrten oder zusammengestoppelten Zitaten zu belegen bzw. Zitaten einen rechtsradikalen Inhalt zu geben, die aber nur einen kontroversen nicht mainstreamkonformen Inhalt formulieren. Hier ist eine Kultur der Diffamierung und Ausgrenzung eingetreten, die ich fürchterlich finde.
Nicht die TAZ oder die sogenannten Antideutschen entscheiden, mit wem wir reden und zusammenarbeiten dürfen. Wir sollten viel souveräner mit anderen Meinungen umgehen. Wir müssen diese nicht teilen, aber uns sachlich damit auseinandersetzen, ihnen widersprechen, aber auch zuhören.

Ich will es vielleicht einmal provokativ sagen: wenn wir zu oft „faschistisch“ sagen und damit viele bezeichnen, die politisch anders denken, dann verharmlosen wir auch die reale Gefahr der wirklich faschistischen Kräfte in diesem Lande.

Offenheit heißt nicht Verharmlosung rechten Gedankengutes, Offenheit heißt anzuerkennen, dass neue junge Menschen andere Zugänge mit vielen indifferenten Positionen zur Bewegung haben. Ich will zur Politisierung dieser Menschen beitragen und dafür offen sein

A.M.: Meine regionale Tageszeitung hatte am 10. April auf der ersten Seite ganz oben ein großes Foto mit Soldaten, Kanonen, Maschinengewehren und Späheinrichtungen und daneben einen kurzen Bericht über die Übungen der neu gebildeten schnellen Eingreiftruppe der NATO, 1500 Soldaten, 900 Deutsche,. Darüber stand die Überschrift “Test für den Ernstfall”.
Es geht also nicht wie vor etwa 35 Jahren um Kriegsvermeidung. Heute wird gerüstet, um notfalls Krieg zu führen. Offenbar ist nicht mehr im Bewusstsein, was Kriege bedeuten. Sehen Sie überhaupt noch eine Chance, Menschen die Wirklichkeit eines Krieges zu vermitteln?

R.B.: Es gibt die strategische Orientierung der politischen Elite: Deutschland soll wieder kriegstauglich werden und die Bevölkerung ideologisch „kriegsreif“ geschossen werden.
Das ist die zentrale Herausforderung für die politische Klasse, solange sie die angestrebte deutsche europäische Hegemonialrolle mit weltweitem Einfluss realisieren will. Sie muss den in allen Umfragen deutlich werdenden Unwillen der Bevölkerung gegen Krieg überwinden. Dazu dienen die Schaffung von Feindbildern, die Verteufelungen, die Medienkampagnen, etc.

Begleitet wird das durch eine immense Aufrüstungskampagne. 2% des Bruttosozialproduktes sollen für die Rüstungsausgaben zur Verfügung gestellt werden, so der Beschluss der NATO von Sommer 2014. Das heißt für Deutschland 56 Milliarden statt der aktuell 33 Milliarden Euro.
Das wird nicht ohne massive Einschnitte im Sozial- und Bildungsbereich gehen.

Krieg ist für die politischen Eliten auch unseren Landes ein Instrument der Politik. Die Bundeswehr ist an 17 Interventionseinsätzen weltweit beteiligt.
Über die Notwendigkeit entscheidet die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD unterstützt von den Grünen.
Interventionen für wirtschaftliche Interessen überall in der Welt sind das Credo dieser Politik, nur notdürftig getarnt mit „humanitären“ Argumenten.

Die Bilder des Krieges, die täglich über die Medien vermittelt werden, stumpfen – ohne Erklärung und Aufklärung – eher ab. Aufklärung und Protest tut Not, diese Aufgabe nimmt keiner der Friedensbewegung ab.

A.M.: Eigentlich müssten sich doch die Menschen freuen, dass andere auch für sie gegen Krieg und für Frieden demonstrieren und auch sonst etwas tun dafür, dass es nicht wieder zu tödlichen Konflikten kommt. Was ist der psychologische Hintergrund dafür, dass die engagierten Menschen heute diffamiert statt gefeiert werden?

R.B.: Diffamiert werden wir ja im Wesentlichen durch die politischen Eliten und ihre Ideologieträger. Die Bevölkerung ist uns ja durchaus wohlgesonnen, sie mischt sich nur zu wenig ein.
Dies hat sicher viel zu tun mit den täglichen Belastungen, mit der verinnerlichten Ideologie: Mann/Frau kann ja sowieso nichts erreichen angesichts der verankerten Ellbogenmentalität. Oft überwiegt auch die Unklarheit, auf was sich der einzelne einlässt: Durchschaue ich das Problem, die Herausforderung? Werde ich vielleicht auch von den Friedensfreund_innen für etwas eingespannt? Sicher wirkt auch die „Hetze“ gegen uns.

Es gibt also keine monokausale Begründung sondern eher einen schwierig zu durchdringenden Knoten von Argumenten, die vom Engagement abhalten. Enttäuschung aus früherem Engagement kommt sicher bei vielen noch hinzu.

A.M.: Wo ist das linksliberale Bürgertum geblieben? Wo die Schriftsteller, die Künstler, die Pfarrer und Intellektuellen, die Gewerkschaften?

R.B.: Sie warten oft noch ab, aber wir sprechen sie auch zu wenig an. Wir müssen viel mehr aufeinander zugehen. Wir brauchen ein gegenseitiges Ermuntern angesichts der Kriegsgefahren. Vielleicht ist auch die Betroffenheit noch nicht groß genug oder anders gesagt, die Gefahren, in denen wir uns befinden, werden noch nicht erkannt. Die Politik versucht ja auch alles, diese zu verniedlichen oder mit Feindbildern zu belegen.

Besonderes Gewicht hat sicher ein verstärktes Engagement der Gewerkschaften für den Frieden. Dazu gibt es nach vielen Enttäuschungen in den letzten Jahren durchaus interessante Ansätze.
Es gibt eine neue Initiative „GewerkschafterInnen für den Frieden“, ich rede am 1.Mai auf der DGB-Kundgebung in Freiburg. Aber das reicht sicher noch lange nicht aus, wir brauchen die Gewerkschaften wieder als aktiven Teil der Friedensbewegung.
Eine größere Durchschlagskraft und mehr Erfolge werden wir sicher nur in einer engeren Zusammenarbeit zwischen Friedens- und Arbeiter_innenbewegung erreichen.

Es bleibt sicher auch dabei, dass sich Bewegungen nicht befehligen lassen. Sie benötigen einen „Funken“, der oft spontan und oft dann kommt, wenn wir ihn nicht erwarten. Wir können den Boden für mehr Aktionen bereiten und die besonders ansprechen, die bereit sind, sich zu wehren.
Diese sind mehr, als wir oft denken. Richtig ist aber sicher auch, dass das Engagement linksliberaler Kräfte zurückgegangen ist, was möglicherweise auch etwas mit ihrer veränderten sozialen Situation im Neoliberalismus zu tun hat und mit dem Verlust an geistigem Einfluss gerade dieser so wichtigen gesellschaftlichen Denkrichtung.

A.M.: Wie erklären Sie den besonderen Fall des Herrn Schädel und seines Verbandes? Wie erklären Sie den Mangel an Solidarität mit der gesamten Friedensbewegung? Hat da jemand Einfluss genommen? Wer steuert so etwas?

R.B.: Es muss als erstes feststellt werden, dass wir eine politische Strategie, nämlich das Öffnen der Friedensbewegung zu neuen Kräften unterschiedlich einschätzen und bewerten, und die Chancen und Risiken des Zusammengehens mit einer spontan entstandenen sozialen Bewegung sehr verschieden bewerten. Dabei haben wir viel Porzellan zerschlagen und eine Menge Frustration erzeugt. Langjährige Freundschaften sind mehr als in Gefahr. Einseitige Schuldzuweisungen, die auch ich sicher vornehmen könnte, helfen nicht weiter. Dazu ist der Frieden in viel zu großer Gefahr.
Wir müssen wieder aufeinander zugehen und versuchen, Konflikte und Kontroversen solidarisch zu überwinden. Ich wünsche mir ein wenig mehr die Einsicht, dass es uns allen um den Frieden geht, und deshalb etwas mehr Fairness und Akzeptanz der Argumente des anderen, eine größere Sachlichkeit und weniger Diffamierungen.
Vielleicht haben wir einfach verlernt, mit Kontroversen umzugehen. Persönliche Diffamierungen und Angriffe auch teilweise unter die Gürtellinie helfen nicht, sondern verschärfen nur.
Das Austragen der Kontroversen in bestimmten Medien ist sicher auch nicht hilfreich. Facebook ersetzt nicht das persönliche Gespräch, und die Einsicht, dass Mann und Frau nicht alles sofort posten oder twittern muss, wäre manchmal auch hilfreich.

Steuern tun wir uns nur selber, aber wir werden sicher von der Politik und von bestimmten Diensten ziemlich genau beobachtet.

Neue Wege zu gehen, sich zu öffnen für neue Kräfte, die nicht unbedingt „wie wir“ sind bringen sicher auch viele Diskussionen mit sich. Es stoßen wohl auch unterschiedliche Lebensstile und Politikverständnisse aufeinander. Vielleicht haben wir dieses ja auch unterschätzt.
Ich bleibe aber dabei, die Friedensbewegung muss sich erneuern, nicht von den Inhalten, aber von ihrer Ausstrahlungskraft, ihrer Mobilisierungsfähigkeit, der Gewinnung neuer Mitstreiter_innen und mindestens teilweise auch in der Kultur des Umganges miteinander.

Ich will aber nicht verschweigen, dass mich die Schärfe ja Brutalität der Auseinandersetzung auch persönlich getroffen und mir ziemlich zugesetzt hat.

A.M.: Haben Sie gelegentlich Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung oder mit den Führungskräften der Parteien?

R.B.: Zuerst eine allgemeine Antwort, dann eine persönliche: viele Initiativen und Organisationen stehen bei ihren Sachthemen mit der Politik in Kontakt und diskutieren mit Politiker_innen aus Regierung und Parlamenten, sei es über Atomwaffenabbau oder Rüstungsexportbeschränkungen.
Die IALANA, für die ich arbeite, hat Kontakte sowohl ins Außenministerium als auch zu Abgeordneten. Wir suchen das Gemeinsame und wissen zugleich, dass uns zumindest von der großen Mehrheit des Deutschen Bundestages – in unterschiedlichen Nuancierungen – auch vieles trennt.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass es die meisten Überschneidungen mit den friedenspolitischen Positionen der Linken gibt. Trotzdem, das Gespräch mit allen demokratischen Parteien ist unverzichtbar. Vielleicht ergeben sich ja auch in Zukunft in der einen oder anderen Frage mehr gemeinsame Handlungsmöglichkeiten.
Der Aufruf von Abgeordneten aus drei Parteien des Deutschen Bundestages zur Abrüstung [PDF – 172 KB], der von uns initiiert wurde, ist sicher ein gutes Beispiel für Kooperation.

Jochen